Diplomarbeit - Notfallseelsorge in Deutschland
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Markus Reuter <strong>Notfallseelsorge</strong><br />
3. Die <strong>Notfallseelsorge</strong> <strong>in</strong> der Praxis<br />
3.1 Entstehungsgeschichte der <strong>Notfallseelsorge</strong><br />
Als Ausgangssituation vor der Entwicklung e<strong>in</strong>er <strong>Notfallseelsorge</strong> haben wir das pastorale<br />
Bild der <strong>in</strong> Geme<strong>in</strong>den organisierten Seelsorge. Dabei kommt dem Priester –<br />
und heute auch den Pastoralenmitarbeitern – zu, den Menschen, <strong>in</strong>sbesondere <strong>in</strong><br />
Notsituationen, beizustehen. „Bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts war es selbstverständlich,<br />
dass die Pfarrer zu den Sterbenden gerufen wurden [und] die trauernde<br />
Familie seelsorglich begleiteten...“ 34 Doch hat sich dies <strong>in</strong> unserer heutigen Zeit stark<br />
verändert. So erlangt der Ortspfarrer oftmals ke<strong>in</strong>e Kenntnis davon, dass e<strong>in</strong>es se<strong>in</strong>er<br />
Geme<strong>in</strong>demitglieder im Sterben liegt, da heute fast 70% der Deutschen <strong>in</strong> Krankenhäusern<br />
oder Heimen sterben. 35 Auch die Institution der Großfamilie, <strong>in</strong> denen<br />
sich die Mitglieder <strong>in</strong> schwierigen Situationen beistehen, fehlt heute oftmals. Dies hat<br />
zur Folge, dass die Krankenseelsorge nach dem Zweiten Weltkrieg e<strong>in</strong>e Wende zur<br />
Krankenhausseelsorge erfahren hat und e<strong>in</strong>e flächendeckendes System der Krankenhausseelsorge<br />
entstanden ist. 36<br />
Jedoch br<strong>in</strong>gt der weitere mediz<strong>in</strong>ische Fortschritt es mit sich, dass die prämediz<strong>in</strong>sche<br />
Versorgung am Notfallfort immer mehr professionalisiert wird und meist mit dem<br />
Transport <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e entsprechende Kl<strong>in</strong>ik endet. Zurück bleiben die Angehörigen ohne<br />
weiteren Beistand. So wird unter anderem durch das Wiedererstarken der Hospiz-<br />
Vere<strong>in</strong>e, und besondere deren ambulante Dienste versucht, dem entgegenzuwirken.<br />
Immer häufiger wird die Arbeit der Hospiz-Vere<strong>in</strong>e <strong>in</strong> Anspruch genommen, um den<br />
ganzen Menschen zu würdigen und e<strong>in</strong>e Pflege über den mediz<strong>in</strong>ischen Bereich h<strong>in</strong>aus<br />
bis zu e<strong>in</strong>em würdevollen Tod zu ermöglichen.<br />
Als weitere Phänomene unserer Zeit kommen die vielen Katastrophen h<strong>in</strong>zu, bei denen<br />
viele Menschen nicht mehr <strong>in</strong> der Lange s<strong>in</strong>d das Erlebte zu verarbeiten. Der<br />
Reigen <strong>in</strong> jüngster Zeit reicht von der Katastrophe bei der Flugschau <strong>in</strong> Ramste<strong>in</strong><br />
1988 37 , über das ICE-Unglück von Eschede 1998 38 bis h<strong>in</strong> zu den Terroranschlägen<br />
<strong>in</strong> des USA am 11. September 2001, um nur e<strong>in</strong>ige zu nennen. Immer bleiben Menschen<br />
zurück, die zwar körperlich unverletzt blieben, aber seelische Schäden davontragen.<br />
Beide Umstände, die Verlagerung aus dem häuslichen Bereich und immer bewusster<br />
werdende Katastrophen, führen auch <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> dazu, nach professioneller Hilfe<br />
zu rufen. Das Bewusstwerden des Mankos bei den Rettungsdienstmitarbeitern, die<br />
Angehörigen unbegleitet zurück lassen zu müssen, unterstützte dies. 39 Als Folgen<br />
entstanden Anfang der 90er Jahre die ersten Projekte, die sich diesem Thema an-<br />
34 MÜLLER-LANGE: Handbuch <strong>Notfallseelsorge</strong>, S. 17.<br />
35 Vgl. MORDHORST: Art. In Würde sterben – ohne Schmerzen.<br />
36 Vgl. MÜLLER-LANGE: Handbuch <strong>Notfallseelsorge</strong>, S. 17.<br />
37 Vgl. dazu JATZKO/ JATZKO/ SEIDLITZ (Hg.): Das durchstoßene Herz – Ramste<strong>in</strong> 1988.<br />
38 Vgl. dazu SALTZWEDEL: Art. Heimsuchung im High-Tech-Land.<br />
39 Vgl. MÜLLER-LANGE: Handbuch <strong>Notfallseelsorge</strong>, S. 19.<br />
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