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Diplomarbeit - Notfallseelsorge in Deutschland

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Markus Reuter <strong>Notfallseelsorge</strong><br />

dieser eher allgeme<strong>in</strong>en und physischen Def<strong>in</strong>ition noch nicht die Dimension die für<br />

die NFS von Bedeutung ist. Es ist die persönliche existentielle Dimension, die im<br />

zweiten Abschnitt des Lexikonartikels angesprochen wird: „Der Mensch selbst als<br />

Person, se<strong>in</strong> ‚Ich‘... steht auf dem Spiel, auf der Kippe des Gel<strong>in</strong>gens und Mißl<strong>in</strong>gens,<br />

ist ‚im Kern‘ aufs Tiefste vom Scheitern bedroht – deshalb die ausweglose,<br />

ohnmächtige Vernichtungsangst, der Sturz <strong>in</strong>s Bodenlose... “ 4<br />

Das kann der Mann se<strong>in</strong>, der als Zeuge im Bahnhof den Sprung vor den Zug miterleben<br />

musste, die Frau, die bei der erfolglosen Reanimation ihres Mannes daneben<br />

steht oder das Ehepaar, das den Unfalltod ihres noch jungen Sohnes mitgeteilt bekommt.<br />

Alle diese Menschen kommen plötzlich und unvermittelt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e für sie existentielle<br />

Krise die ihr Leben schlagartig verändert, <strong>in</strong> der es um „die Not-Wendigkeit<br />

e<strong>in</strong>er Neuentscheidung, oft gekoppelt an Gefühle starker Angst und seelischen<br />

Leids...“ 5 geht. Das bedeutet, dass Krise immer subjektiv vom jeweilig Betroffenen<br />

empfunden wird und somit von e<strong>in</strong>er objektiven E<strong>in</strong>schätzung abweichen kann. Diese<br />

Abweichung kann sowohl nach ‚unten‘ als auch nach ‚oben‘ erfolgen, so kann e<strong>in</strong><br />

verme<strong>in</strong>tlich ger<strong>in</strong>ger Anlass, wie das Nichtauff<strong>in</strong>den e<strong>in</strong>es Gegenstandes, e<strong>in</strong>e persönliche<br />

Krise auslösen oder e<strong>in</strong>e extreme Situation als normal empfunden werden,<br />

wenn zum Beispiel e<strong>in</strong>e schwere Verletzung heruntergespielt wird, wie <strong>in</strong> der Aussage:<br />

„Das wächst schon wieder an“ bei e<strong>in</strong>er Amputation von Gliedmaßen. Der Grund<br />

für diese sche<strong>in</strong>bar paradoxe Reaktion liegt <strong>in</strong> der eigenen Kompetenz (Wissen, Erfahrungen),<br />

mit der die Situation beurteilt wird und/ oder e<strong>in</strong>em (zeitweilige) Realitätsverlust<br />

des Patienten.<br />

In der Krise steckt aber auch immer die Möglichkeit (oder besser gesagt sie be<strong>in</strong>haltet<br />

zwangsläufig) e<strong>in</strong>er Veränderung. Es muss e<strong>in</strong>e Entscheidung gefällt werden, die<br />

auch gleichzeitig als das Ende der Krise angesehen werden kann. Dies lässt sich<br />

auch an der griechischen Etymologie festmachen, und zwar am Verb kr<strong>in</strong>e<strong>in</strong>, das mit<br />

kri,sij verwandt ist und mit entscheiden, urteilen übersetzt wird. E<strong>in</strong> weiteres Beispiel<br />

für den engen Zusammenhang von Krise und Veränderung ist dem Ch<strong>in</strong>esischen zu<br />

entnehmen. So besteht das ch<strong>in</strong>esische Schriftzeichen für Krise aus zwei Teilen, die<br />

e<strong>in</strong>zeln übersetzt Gefahr und Chance bedeuten.<br />

Diese Art von Krise ist es, mit der die NFS konfrontiert wird und die <strong>in</strong> der weiteren<br />

Darstellung geme<strong>in</strong>t ist.<br />

2.1.3 Schock<br />

Oftmals wird der oben als Krise beschriebene Zustand auch als Schock bezeichnet,<br />

es heißt dann: „Die Person steht noch unter Schock.“ 6 Geme<strong>in</strong>t ist damit die Reaktion<br />

die aus Sicht der Mediz<strong>in</strong> erfolgt: „[Sie] me<strong>in</strong>t im engeren S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>en mediz<strong>in</strong>i-<br />

4 SCHNURR: Art. Krise, S. 63.<br />

5 EGIDI: Systemische Krisen<strong>in</strong>tervention, S. 7.<br />

6 Als <strong>in</strong>haltliche Grundlage für diesen Abschnitt diente der Artikel ‚Psychisch-emotionale Reaktionen<br />

nach e<strong>in</strong>em Unfall‘ aus der Fachzeitschrift Rettungsdienst. Vgl. dazu WENDRICH: Art. Psychischemotionale<br />

Reaktionen, S. 30-35.<br />

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