Prof. Hans -Joachim Pietrula - Text-Tempel
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15.<br />
Der Künstler: Jakob de Chirico<br />
Der Koch: Daniel Schaefer<br />
Die Paten: Marshall & Alexander<br />
rettet die Phantasie<br />
präsentiert von<br />
JAKoB DE CHIRICo<br />
Der 1943 in Innsbruck geborene Künstler Jakob de Chirico besuchte die Kunstschule in St. ulrich im idyllischen Südtirol und<br />
schloss ein Studium an der Kunstakademie in München u.a. bei <strong>Prof</strong>. Günter fruhtrunk 1973 ab. Nach seinem Diplom kehrt er<br />
nach Alto Adige zurück, heute lebt er sowohl in Meran als auch in München. De Chirico bezeichnet seine Arbeiten als frullato<br />
neobarocco. Aus längst vergangener Zeit werden die überkommenen Rituale, Ewigkeitsansprüche und Botschaften übernommen<br />
und durch künstlerische Mittel mit dem Neuen konfrontiert und durcheinandergewirbelt. ob Sonnenbrillen, Putten mit Goldflügeln,<br />
Plastikbananen, silbrig glitzernde CDs oder eben Plüschtiere von Disneys Micky Maus oder Warhols Marilyn werden als kommerzielle<br />
ready mades in eine opulente, mitunter rauschhafte farbenpracht eingebettet. Diese Materialcollagen mit den fundstücken<br />
aus Natur und Zivilisation steigern sich durch die auch oftmals direkt aus der Tube aufgespritzten farben in ein energiegeladenes<br />
Geflecht, welches den Betrachter fast schon überfordern mag. De Chiricos Arbeiten sehen aus, als gebe es nach gut dadaistischer<br />
Manier nichts, was sich nicht in Kunst umwandeln ließe. Der langjährige Künstlerfreund von de Chirico, Herrmann Nitsch,<br />
fasst es zusammen: „Die gewaltige Tradition der italienischen Malerei, Skulptur und Architektur, die Malerei der frührenaissance,<br />
der Hochrenaissance, des Manierismus, des Barock, dessen Illusionismus die Kirchen bis zum Himmel öffnet, die italienische<br />
oper von Monteverdi bis Puccini, D’Annunzio, der italienische film von seinen Anfängen über Pasolini bis fellini, der italienische<br />
futurismus, die Pittura Metafisica, der Dadaismus, die Pop Art und letztlich die Bewegung der Arte Povera – das alles wird mir<br />
gegenwärtig, wenn ich Arbeiten von Jakob de Chirico sehe.“<br />
rEHrückEn<br />
a cappElla<br />
WENN ZWEI SäNGER EINE KüCHE BETRETEN,<br />
WIRD SIE aUTOMaTISCH ZUR BüHNE. DER<br />
BaRITON MaRC MaRSHaLL UND DER TENOR<br />
Jay aLExaNDER SIND aUSSERSTaNDE,<br />
EINFaCH NUR ZU KOCHEN (GaNZ aBGESEHEN<br />
DaVON, DaSS SIE ES NICHT KöNNEN).<br />
SIE BEGLEITEN DIE ZUBEREITUNG VON<br />
REHRüCKEN, SELLERIEPüREE UND SPäTZLE<br />
MIT GESaNG. UND DaS BEI EINEM KOCH, DER<br />
MUSIK IN DER KüCHE NICHT GEWöHNT IST<br />
In den ersten zehn Jahren, an die ich mich<br />
erinnern kann, gab es bei uns zuhause an<br />
Heiligabend Wild“, sagt der Tenor Jay alexander.<br />
„Mein Vater war passionierter Jäger<br />
und ich kenne so ziemlich alle Variationen von<br />
Wildschwein, mit Knödeln oder mit Spätzle, er<br />
machte fantastische Soßen, damit bin ich groß<br />
geworden. Irgendwann hing uns Kindern das<br />
Wild allerdings zum Hals raus und meine Mutter<br />
hat dann die Pizza Margherita eingeführt.“<br />
Jetzt soll Jay also einen Rehrücken machen…<br />
„Ich esse heute immer noch sehr gern Wild“,<br />
sagt er mit einer Mine, die keinerlei Zweifel an<br />
der Glaubwürdigkeit dieser aussage aufkommen<br />
lässt. Sein Gesangspartner, der Bariton<br />
Marc Marshall, hat ähnliche Erfahrungen gemacht:<br />
„Mein Großvater war Jäger, da gab‘s an<br />
Weihnachten viel Wild.“<br />
Na dann…<br />
Große Köche jedenfalls sind beide nicht, sie gehören<br />
eindeutig in die abteilung Genießer. „Ich<br />
könnte mich gut selbst ernähren, sagen wir‘s<br />
mal so“, grinst Marshall.<br />
Es ist Showtime in Daniel Schaefers kleiner Küche<br />
im Hotel Schwarzmatt (Relais & Châteaux)<br />
am Ortsrand von Badenweiler. Rehrücken mit<br />
Selleriepüree und von Hand geschabte Spätzle<br />
soll es geben.<br />
Mit einem fröhlichen Lied<br />
auf den Lippen kommen die<br />
Sänger Marshall & Alexander<br />
aus dem Wald. Das Reh,<br />
dessen Rücken die beiden<br />
zubereiten sollen, ist derweil<br />
bereits in der Küche<br />
Jay soll den Spätzleteig<br />
machen, Marc<br />
das Selleriepüree,<br />
das ist der Plan.<br />
Sechs Eier sind für<br />
den Spätzleteig nötig,<br />
drei sollen ohne Eiweiß<br />
in die Schüssel,<br />
drei komplett. „Ich<br />
leg sie dann einfach<br />
mal rein“, mischt<br />
sich Marc ein. Was<br />
er auch macht, allerdings gleich mit Schale.<br />
Nun soll er die Sellerie fürs Püree schneiden,<br />
Schaefer macht es vor. „ach, bitte noch ein<br />
bisschen mehr, dann muss ich nichts mehr<br />
tun.“ Es bleibt jedoch genug Knolle für ihn übrig<br />
und er schnippelt. „Ich werde übrigens welt-<br />
weit zum Sellerieschneiden engagiert.“<br />
Jay gibt das Mehl in seinen Teig, dazu eine Prise<br />
Salz. „Pfeffer auch?“ fragt er.<br />
„Wofür ist die Zitrone?“ mischt sich Marc ein.<br />
„Für das Püree“, sagt Schaefer, der die beiden<br />
Sänger immer noch mit einer gewissen amüsierten<br />
Distanz beobachtet.<br />
„ah, das Selleriepüree wird nachher übrigens<br />
so serviert, Selleriepüree mit Zitrone. Das auge<br />
isst ja mit.“<br />
„Ein Prost, ein Prost, ein Prösterlein Prost, wir leben nur ein einziges Mal“<br />
Er soll noch mehr Sellerie schneiden. „Ist das<br />
für eine Person oder für acht?“<br />
Die Milch kocht, die Selleriestücke kommen hinein<br />
mit Muskat, Salz und Pfeffer. Marc drückt<br />
die Zitrone über dem Topf aus und Jay tut so,<br />
als ob ihn ein Spritzer ins auge getroffen hätte.<br />
„Es wird Zeit, dass wir wieder mal einen anstimmen“,<br />
sagt Jay und reibt sich das auge. „Kannst<br />
du singen?“ fragt er den Küchenchef.<br />
„Wenn er kochen kann, kann er auch singen“,<br />
mischt sich Marc ein. „Was hört ihr denn für<br />
Musik in der Küche?“<br />
„In der Küche gibt’s keine Musik“, sagt Schaefer.<br />
„Gibt‘s wenigstens was zu trinken?“ Marc kann<br />
sich das Grinsen nicht verkneifen. Schaefer<br />
greift zum Telefon und ordert Rotwein.<br />
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