Holger Michael • VOM BALTIKUM NACH KLEINASIEN
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war Russisch, was von fast allen als normal empfunden<br />
worden war. Russisch war Mutter- und Fremdsprache zugleich,<br />
denn damit konnte man sich im größten Land der<br />
Welt überall verständigen.<br />
Mit der Unabhängigkeit von der Noch-UdSSR, die<br />
von der Mehrzahl der Kasachstaner weder erstrebt noch<br />
begrüßt worden war, übernahmen faktisch die Kasachen<br />
die Macht über die Kasachstaner. Das war kein Staatsstreich,<br />
denn die Kasachen besaßen schon zur Sowjetzeit<br />
– obwohl sie mit etwa 40 Prozent zwar die stärkste, aber<br />
auch nur Minderheit waren – die meisten führenden Positionen<br />
wie z. B. die des Ersten KP-Sekretärs, des Ministerpräsidenten,<br />
Ministerposten usw. Staatspräsident<br />
Nursultan Nasarbajew schwebte unter den neuen Bedingungen<br />
die Schaffung einer kasachstanischen Nation<br />
vor. Unter Kasachstaner versteht man alle hier lebenden<br />
Nationalitäten einschließlich der Kasachen, Russen, Ukrainer,<br />
Uiguren usw. als Staatsbürger Kasachstans. Das<br />
war von der Idee her richtig und auch notwendig. Zugleich<br />
propagierte er aber die Kasachisierung des Landes,<br />
um den zwar nicht mächtigen, doch im Süden einflussreichen<br />
Nationalisten entgegenzukommen. Damit war<br />
die gute Idee eigentlich entwertet. Daraufhin verließen<br />
Millionen Nichtkasachen – darunter fast alle Russlanddeutschen<br />
– das Land. Dadurch ist inzwischen der Anteil<br />
der Kasachen an der Gesamtbevölkerung Kasachstans<br />
auf etwa 57 Prozent angewachsen, doch sie haben nach<br />
eigenen Angaben 71 Prozent aller relevanten Machtpositionen<br />
besetzt. Ziel der Kasachisierung ist die Annahme<br />
der kasachischen Kultur und Geschichte nicht nur durch<br />
die Nichtkasachen, sondern auch durch einen großen Teil<br />
der Kasachen, die sich zur russischen Kultur hingezogen<br />
fühlte. Inzwischen ist Kasachisch Pflichtfach in den<br />
Schulen, die Zahl der Russischstunden wurde reduziert,<br />
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