Holger Michael • VOM BALTIKUM NACH KLEINASIEN
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Den Anschluss Kasachstans an Russland als Kolonialpolitik<br />
zu bezeichnen, wird zwar von den Nationalisten<br />
gern aus propagandistischen Gründen ins Feld geführt,<br />
ist aber von historischen Tatsachen kaum gedeckt. Eine<br />
Kolonisierung wie sie die westlichen Staaten in Afrika,<br />
Amerika und Asien betrieben, ist hier nie erfolgt. Selbst<br />
ökonomisch war diese Region kein bevorzugtes Ausbeutungsobjekt<br />
wie die Kolonien der Europäer. Zudem fand<br />
hier eine massenhafte Besiedelung durch die russische<br />
Bevölkerung statt. Kasachstan war formal integraler<br />
Bestandteil des Russischen Reiches. Die kasachischen<br />
Feudalherren (Beis) konnten ihre Privilegien bewahren,<br />
obwohl sie jetzt russische Untertanen waren. Sie hatten<br />
wie die russischen Zugang zu den Ausbildungsstätten und<br />
auch staatlichen Funktionen. Allerdings blieben die führenden<br />
staatlichen Ämter Russen vorbehalten. Im Gegensatz<br />
zu den Russen waren die Kasachen vom Wehrdienst<br />
befreit.<br />
Für die Kasachen und ihre künftige Entwicklung<br />
hatte der Anschluss an Russland eine nicht zu unterschätzende<br />
positive historische Bedeutung. Die Entwicklung<br />
unter der zaristischen Herrschaft sicherte den Kasachen<br />
ein friedliches Leben und somit die Entfaltung als Volk,<br />
die Herausbildung einer Nationalität und den Beginn<br />
einer Nationenbildung. Ohne die Vereinheitlichung von<br />
Maßen, Münzen und Gewichten, Gesetzen, Verwaltungsstrukturen,<br />
Bildungswesen, Verkehrsanbindungen,<br />
Entwicklung von Industrie, Handel und Gewerbe usw.<br />
wäre das nicht machbar gewesen.<br />
In jener Zeit war die russische Sprache nicht nur<br />
Amtssprache und damit Kommunikationsmittel zwischen<br />
Russen und anderen Völkerschaften. 1911 lebten in diesem<br />
riesigen Gebiet nur 5,4 Mio. Menschen. 67,7 Prozent<br />
davon waren Kasachen. Diese 3,7 Millionen Kasachen<br />
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