Wegleitung Nachteilsausgleich in Schule und ... - Peter Lienhard
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Das Zusammenspiel dieser Wechselwirkungen steht auch im Zentrum<br />
der „Internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Beh<strong>in</strong>derung<br />
<strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit“ (ICF) 3 : Körperfunktionen s<strong>in</strong>d physiologische<br />
Funktionen von Körpersystemen (e<strong>in</strong>schliesslich psychologische<br />
Funktionen). Körperstrukturen s<strong>in</strong>d anatomische Teile des<br />
Körpers, wie Organe, Gliedmassen <strong>und</strong> ihre Bestandteile. E<strong>in</strong>e<br />
Schädigung ist e<strong>in</strong>e Bee<strong>in</strong>trächtigung e<strong>in</strong>er Körperfunktion oder –<br />
struktur, wie z.B. e<strong>in</strong>e wesentliche Abweichung oder e<strong>in</strong> Verlust“<br />
(DIMDI, 2005, S. 13). Bee<strong>in</strong>trächtigen Schädigungen der Körperfunktionen<br />
<strong>und</strong> -strukturen die Realisierung von Aktivitäten <strong>und</strong> die<br />
Teilhabe im Alltag, spricht die ICF von „Beh<strong>in</strong>derung“ im Unterschied<br />
zum positiven Pendant der "Funktionsfähigkeit" (ebenda, S.<br />
12).<br />
E<strong>in</strong>e Benachteiligung bei der Inanspruchnahme von Aus- <strong>und</strong> Weiterbildung<br />
liegt <strong>in</strong>sbesondere vor, wenn<br />
– die Verwendung beh<strong>in</strong>dertenspezifischer Hilfsmittel oder der<br />
Beizug notwendiger persönlicher Assistenz erschwert werden;<br />
– die Dauer <strong>und</strong> Ausgestaltung des Bildungsangebots sowie Prüfungen<br />
den spezifischen Bedürfnissen Beh<strong>in</strong>derter nicht angepasst<br />
s<strong>in</strong>d. 4<br />
2 <strong>Nachteilsausgleich</strong> ist ke<strong>in</strong> e<strong>in</strong>faches Thema<br />
Jeder <strong>Nachteilsausgleich</strong> strebt <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Gr<strong>und</strong>gedanken an, sich<br />
der Gerechtigkeit anzunähern. Gerechtigkeit ist relativ <strong>und</strong> muss<br />
immer neu gesucht, ausgehandelt <strong>und</strong> geme<strong>in</strong>sam erschaffen<br />
werden. Das Recht gibt e<strong>in</strong>en Rahmen vor, <strong>in</strong>nerhalb dessen die<br />
Suche nach gerechten Lösungen stattf<strong>in</strong>den soll. Im Falle des<br />
<strong>Nachteilsausgleich</strong>es ist dies <strong>in</strong> der Schweiz das Beh<strong>in</strong>dertengleichstellungsgesetz.<br />
Wenn e<strong>in</strong> <strong>Nachteilsausgleich</strong> gewährt wird, so e<strong>in</strong> möglicher E<strong>in</strong>wand:<br />
Verletzen wir nicht gerade dadurch das Pr<strong>in</strong>zipien der Gerechtigkeit?<br />
Oder, mit anderen Worten: Werden dadurch nicht Lernende<br />
ohne beh<strong>in</strong>dernde Funktionse<strong>in</strong>schränkung, sogenannt<br />
nichtbeh<strong>in</strong>derte Lernende, gegenüber beh<strong>in</strong>derten Kolleg<strong>in</strong>nen <strong>und</strong><br />
Kollegen benachteiligt?<br />
Tatsache ist, dass e<strong>in</strong> <strong>Nachteilsausgleich</strong> Ungleichbehandlung<br />
bedeutet: E<strong>in</strong>e Lehrtochter mit spastischer Bee<strong>in</strong>trächtigung darf<br />
(im Gegensatz zu ihren Mitschüler<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Mitschülern) e<strong>in</strong>e<br />
schriftliche Prüfung mündlich mit geeigneten Kommunikationshilfen<br />
absolvieren; e<strong>in</strong> Schüler mit Legasthenie erhält mehr Zeit als se<strong>in</strong>e<br />
Mitschüler<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Mitschüler für das Lesen <strong>und</strong> schriftliche Beantworten<br />
von Prüfungsfragen. Würden solche Massnahmen ge-<br />
Gerechtigkeit<br />
ist relativ<br />
Ungleichbehandlung<br />
darf ke<strong>in</strong>e<br />
Bevorzugung se<strong>in</strong><br />
3<br />
Weltges<strong>und</strong>heitsorganisation (WHO), 2005; onl<strong>in</strong>e unter<br />
http://www.dimdi.de/dynamic/de/klassi/downloadcenter/icf/<br />
endfassung/icf_endfassung-2005-10-01.pdf (Zugriff: 30.4.2012).<br />
4<br />
Art. 2 Abs. 5 Beh<strong>in</strong>dertengleichstellungsgesetz; diese Bestimmung stellt geme<strong>in</strong>sam mit Art. 8<br />
B<strong>und</strong>esverfassung die gesetzliche Gr<strong>und</strong>lage des <strong>Nachteilsausgleich</strong>s dar.<br />
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