Straßenverkehrsrecht - SVR
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AUFSÄTZE | Lengler, Der Rettungskostenersatz bei Wildunfällen<br />
Pflichtverstoßes auf innere Vorgänge und deren gesteigerte<br />
Vorwerfbarkeit geschlossen werden. 24<br />
Wenn ein Hase die Fahrbahn kreuzt, ist dies nach der Auffassung<br />
des BGH kein so gewöhnliches Ereignis, dass ein objektiv<br />
grobfahrlässiges Ausweichmanöver subjektiv eine mildere<br />
Beurteilung verdient. Aus diesem Grund ist das Ausweichmanöver<br />
vor einem Hasen als grob pflichtwidrig anzusehen.<br />
Mit der Frage der groben Pflichtwidrigkeit hatte sich zuletzt das<br />
OLG München auseinandergesetzt. Der Fall behandelte ein<br />
Ausweichmanöver vor einem Fuchs. Der Senat hat Beweis erhoben<br />
durch Einholung eines Sachverständigengutachtens<br />
und weiter beabsichtigt, in Anlehnung an die Rechtsauffassung<br />
des BGH 25 zum Ausweichmanöver vor Hasen, seine bisherige<br />
Rechtssprechung 26 aufzugeben.<br />
Bei dem Fahrzeug der Klägerin, 27 das etwas niedriger als ein üblicher<br />
Mittelklassewagen war, wäre bei einer Geschwindigkeit<br />
von ca. 80 km/h der im Vergleich zum Fahrzeuggewicht von<br />
985 kg nur bis zu 10 kg schwere und bis zu 30 cm Schulterhöhe<br />
große Fuchs vom PKW über Körperhöhe erfasst und nach vorne<br />
weggeschleudert oder überrollt worden. Dabei wäre allenfalls<br />
ein geringer Schaden an der Stoßfängerverkleidung ohne<br />
Schaden an der Lenkung entstanden. Die von diesem Tier<br />
ausgehende Gefahr war nach Angaben des Sachverständigen,<br />
derart gering, dass es jedenfalls unverhältnismäßig war, das<br />
hohe Risiko eines ungleich größeren Schadens durch eine<br />
plötzliche Fahrtrichtungsänderung bei gleichzeitigem Abbremsen<br />
in Kauf zu nehmen. 28<br />
Nach den Umständen des Falles war davon auszugehen, dass<br />
ein Irrtum über die Erforderlichkeit des Ausweichens vor einem<br />
Fuchs vorgeherrscht hat. Ein Kraftfahrer, der mit einem<br />
Mittelklassewagen bei einer Geschwindigkeit von ca. 80 km/h<br />
im Winter, in einem Waldstück, auf einer gut ausgebauten<br />
Straße sein Fahrzeug durch überzogene Lenkreaktion ins<br />
Schleudern bringt, sodass es nach links von der Fahrbahn abkommt,<br />
lässt ein hohes Risiko für sein Fahrzeug – wie auch sein<br />
Leben – unbeachtet. Es muss jedem Kraftfahrer einleuchten,<br />
dass er dieses hohe Risiko auch nicht eingehen darf, um einem<br />
Fuchs auszuweichen. Mangels entlastender Umstände war<br />
der Schluss zu ziehen, dass die Fahrerin auch subjektiv unentschuldbar<br />
handelte, als auch ein in subjektiver Hinsicht unentschuldbares,<br />
ein gewöhnliches Maß erheblich übersteigendes<br />
Fehlverhalten gezeigt wurde. Ein „Erschrecken“<br />
mag den Fahrer nicht zu entlasten, da von einem Kraftfahrer<br />
verlangt werden muss, einhergehend mit der Rechtsprechung<br />
des BGH, dass er auch dann, wenn kleine Tiere, wie Fuchs<br />
oder Hase auf der Fahrbahn auftauchen, sachgerecht reagiert.<br />
Die Entscheidung des OLG München steht im Einklang mit<br />
den Entscheidungen des LG Gera und des Thüringischen OLG<br />
in Jena, 29 welche ebenfalls den Ersatz von Rettungskosten abgelehnt<br />
haben, nach einem Ausweichmanöver vor einem<br />
Fuchs. Der BGH hat hierzu in der Revisionsentscheidung 30<br />
allerdings ausgeführt:<br />
„Droht ein Fahrzeugschaden durch Zusammenstoß mit einem<br />
Tier, so ist dieser versicherte Sachschaden gegen die durch ein<br />
284 | <strong>SVR</strong> 8/2004<br />
Brems- und Ausweichmanöver drohenden möglicherweise<br />
mehrfachen Fahrzeug- und Personenschäden abzuwägen. Bei<br />
der Abwägung kommt es auf die Größe des Tieres an. Für einen<br />
Hasen hat der BGH bereits entschieden, dass die Gefahr,<br />
die von einem so kleinen Tier ausgeht, dermaßen gering ist, dass<br />
es jedenfalls unverhältnismäßig ist, das hohe Risiko eines ungleich<br />
größeren Schadens in Kauf zu nehmen. Ob das gleiche<br />
auch für einen Fuchs gilt, ist eine Frage der tatrichterlichen<br />
Einzelfallwürdigung. Da die Entscheidung der Berufungsinstanz<br />
keinen Rechtsfehler erkennen lässt, ist der Senat an die<br />
Entscheidung der Vorinstanz gebunden.“<br />
4. Zusammenfassung und Ausblick<br />
Die Rechtsprechung zur Problematik der Rettungskosten bleibt<br />
auch nach dem Urteil des BGH vom 25. Juni 2003 uneinheitlich,<br />
da die Frage, ob das Ausweichen vor einem Fuchs als grobfahrlässige<br />
Pflichtverletzung anzusehen ist, nicht höchstrichterlich<br />
entschieden wurde. Während teilweise von den<br />
Landgerichten und Oberlandesgerichten Rettungskosten bei<br />
Ausweichen eines Kraftfahrers vor einem Fuchs zuerkannt werden,<br />
so wurde dies zuletzt vom OLG München und dem Thüringischen<br />
OLG in Jena verneint. Das OLG München nimmt<br />
Bezug auf das Urteil des BGH vom 18. Dezember 1996, welches<br />
allerdings keine Entscheidung über ein Ausweichmanöver<br />
vor einem Fuchs darstellt. Ob Fuchs und Hase aus dem Blikkwinkel<br />
des Gefahrenmomentes vergleichbar sind bleibt streitig.<br />
Auch von den Sachverständigen fallen die Gutachten<br />
unterschiedlich aus.<br />
Sollte sich die Rechtsprechung durchsetzen, dass Fahrzeugschäden<br />
als Rettungskosten bei Ausweichen vor einem Wildtier<br />
nicht ersetzt werden, so kann Kraftfahrern nur empfohlen<br />
werden, grundsätzlich auf jedes Ausweichmanöver vor<br />
Wild zu verzichten und stur jedes Tier, das sich in den Weg<br />
stellt zu überfahren. Die tatsächlichen Schadensfälle, die nach<br />
der Wildschadensklausel gem. § 12 AKB zu regulieren wären,<br />
dürften dann erheblich ansteigen. Nach vorsichtigen Schätzungen<br />
dürften mehr als 95 % der Ausweichmanöver vor<br />
einem Wildtier ohne Folgen verlaufen. Der Wille des Gesetzgebers<br />
war es ursprünglich, dass ein Kraftfahrer, der ein Wildtier<br />
nicht überfährt, sondern versucht, durch ein Ausweichmanöver<br />
einen größeren Schaden zu vermeiden, nicht<br />
schlechter gestellt wird, als derjenige, der den Unfall herbeiführt.<br />
Aus diesem Grund wurden die §§ 62, 63 VVG geschaffen.<br />
24 BGHZ 119,147; BGH, VersR 92, 1085.<br />
25 BGH, VersR 97, 351.<br />
26 OLG München, NJW-RR 94, 222.<br />
27 Mazda MX 5.<br />
28 OLG München, Urteil vom 27. September 2002 – Az 10 U 5645/01 (nicht veröffentlicht).<br />
29 Bereits früher OLG Jena, VersR 97, 609 f., Urteil vom 17. Juli 1996 – Az: 4 U<br />
230/96.<br />
30 BGH, <strong>SVR</strong> 04, 24 f, Urteil vom 25. Juni 2003 – Az: IV ZR 276/02.