Straßenverkehrsrecht - SVR

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30.11.2012 Aufrufe

AUFSÄTZE | Lengler, Der Rettungskostenersatz bei Wildunfällen oder Ausweichmanövers sollen dann nicht mehr gedeckt werden, weil die Gefahr eines Missbrauches zu groß wäre. Der Oberste Gerichtshof in Wien hat in einem Urteil vom 11. Juni 1981 geurteilt, dass Schäden in Folge eines missglückten Ausweichmanövers gedeckt seien, falls es zuvor zu einer Berührung mit dem Wild, das keinen Schaden verursacht hat, gekommen ist. 7 Solche Schäden können aus dem Gesichtspunkt der Rettungskosten gedeckt sein. 2. Rettungskosten gem. §§ 62, 63 VVG Durch die Entscheidung des BGH 8 ist für die Rechtsprechung entschieden, dass die Schäden, die in Folge des Ausweichens zur Vermeidung einer Kollision mit Haarwild am eigenen Fahrzeug eintreten als Rettungskosten gem. §§ 62,63 VVG zu erstatten sind. Mit der Begründung, § 7 AKB ändere die in § 62 Abs. 1 VVG normierte Rettungspflicht, die bereits bei einem unmittelbar bevorstehenden Versicherungsfall eingreife, nicht ab, hat der BGH die Ersatzpflicht der Versicherung für sogenannte Rettungskosten auch in der Kaskoversicherung bejaht. Zur Missbrauchsproblematik führt der BGH in dieser Entscheidung aus: „Der Ersatz von Rettungskosten bei drohendem Zusammenstoß mit Haarwild kann auch nicht mit dem Hinweis auf die Gefahr des Missbrauchs durch den Versicherungsnehmer abgelehnt werden. Diese Gefahr, die es auch in anderen Versicherungssparten gibt, kann den Ausschluss gesetzlicher Ansprüche, soweit dies überhaupt zulässig ist, nur dann rechtfertigen, wenn er in den Versicherungsbedingungen ausdrücklich geregelt ist.“ Aufwendungen des Versicherungsnehmers sind zu ersetzen, soweit sie auf der Rettungsmaßnahme beruhen. Sie müssen demzufolge von dem Willen getragen sein, einen Unfall zu vermeiden. Reaktionen eines Kraftfahrers auf plötzlich auftauchende Gefahrsituationen stellen sich nur häufig als vom Unterbewusstsein gesteuerte Handlungen dar, bei denen ein bewusster Willensentschluss nicht vorliegt. Auch derartige Verhaltensweisen fallen unter den Begriff „Rettungsmaßnahme“. 9 Nur reine Schreckreaktionen sind hierunter nicht mehr zu subsumieren. 10 Ein Anspruch auf Ersatz von Rettungskosten besteht dagegen nicht, wenn die Abwendung des Versicherungsschadens lediglich eine Reflexwirkung der Rettungshandlung war. 11 In dem entschiedenen Fall war der Versicherungsnehmer einem entgegenkommenden Fahrzeug ausgewichen. Den Ersatz des dabei entstandenen Schadens hatte er als Rettungskosten im Hinblick auf das im Rahmen des teilkaskoversicherten Risikos „Glasbruch“ geltend gemacht. Der BGH hat darauf abgestellt, dass es dem Versicherungsnehmer in erster Linie darauf angekommen sei, Schaden für Leib und Leben abzuwenden. Diesem Interesse gegenüber sei die Rettung der Fahrzeugverglasung untergeordnet gewesen. Die Rettung des Hauptinteresses (Leib und Leben) habe die 282 | SVR 8/2004 Rettung des Nebeninteresses (Glasbruch) als Reflexwirkung nach sich gezogen. Der Versicherungsnehmer kann jedoch nicht jeden Unfallschaden, der in Folge eines Ausweichens vor einem drohenden Zusammenstoß mit Haarwild entsteht, ersetzt verlangen. Voraussetzung ist generell, dass die Rettungsmaßnahme erforderlich war, um anderenfalls entstehende höhere Kosten abzuwenden. Fehleinschätzungen des Versicherungsnehmers bei der Beurteilung der Erforderlichkeit der Rettungsmaßnahmen sind gem. § 62 VVG unschädlich, falls dem Versicherungsnehmer nicht der Vorwurf der grobfahrlässigen Fehleinschätzung 12 anhaftet. 13 Zu der Problematik der sogenannten grobfahrlässigen Fehleinschätzung sind in den vergangenen Jahren unzählige Entscheidungen ergangen, die in den Instanzen zu erheblich unterschiedlichen Ergebnissen geführt haben. 3. Zur grobfahrlässige Fehleinschätzung In einem Urteil vom 30. Juli 1996 hatte das LG Passau entschieden, dass ein Kraftfahrer, der bei angemessener Geschwindigkeit eine Linkskurve durchfährt und dabei einem sprungbereiten Fuchs auszuweichen versucht, bei einem missglückten Ausweichmanöver den Fahrzeugschaden als Rettungskosten ersetzt verlangen kann, da er dabei eine adäquate Reaktion vollzieht. 14 Das LG Passau geht bei einem Ausweichmanöver vor einem Fuchs von einer objektiven Rettungssituation aus. Zutreffend ist zwar, dass ein Fuchs ein relativ kleines Tier ist, wie alle Wildtiere ist er jedoch völlig unberechenbar. Das Landgericht Passau hatte hierzu Beweis erhoben und einen Sachverständigen hinzugezogen. Der Sachverständige hat ausgeführt, dass nur dann mit einer relativ geringen Beschädigung zu rechnen ist, wenn ein Fuchs unmittelbar unter das Fahrzeug gezogen wird. Dies ist nur dann der Fall, wenn ein Fahrzeug auf einen unmittelbar auf der Fahrbahn stehenden Fuchs auffährt, ihn somit überfährt. Befindet sich der Fuchs jedoch in einer Sprungphase oder zeigt er sonst ein dynamisches Verhalten, so ist auch bei einem Fuchs mit erheblichen Schäden zu rechnen. Diesen Ausführungen folgte die Kammer des LG Passau. Auch das OLG München 15 hatte in einer früheren Entscheidung aus dem Jahre 1993 geurteilt, dass ein PKW-Schaden, der durch einen Unfall anlässlich eines Ausweichmanövers 7 Oberster Gerichtshof in Wien, VersR 84, 452 sowie AG Stuttgart, Urteil vom 2. Mai 1985, VersR 85, 1031. 8 BGH NZV 91,226. 9 OLG Nürnberg, NJW-RR 93, 995. 10 Vgl. Knappmann, VersR 89, 113 f. 11 BGH, NZV 94, 391. 12 OLG Hamm, r+s 94, 167 = VersR 94, 43 L; OLG Braunschweig, VersR 94, 1293; OLG Düsseldorf, VersR 94, 592; OLG Bremen, VVGE § 63 VVG Nr. 1. 13 OLG Hamm, NZV 93, 401 sowie Voit in Prölss/Martin, Kommentar zum VVG, 25. Aufl., § 63 Anm. 2a. 14 LG Passau, Urteil vom 23. Juli 1996 – Az: 3 S 48/96 in NJWE-VHR 97, 154. 15 OLG München, NJW-RR 94, 222; Urteil vom 12. März 1993 – Az: 10 U 5568/92.

eines Renault-Clio vor einem Wildhasen bei einer Geschwindigkeit von ca. 80-100 km/h entsteht, als Rettungsschaden in der Fahrzeugteilkaskoversicherung zu ersetzten ist. Der Senat ging davon aus, dass die Erstattungsfähigkeit der Kosten weder durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nach § 63 VVG noch durch grobe Fahrlässigkeit gem. § 61 VVG ausgeschlossen ist. Das in dem Einleiten eines Ausweichmanövers liegende Risiko durfte die Klägerin in dem zugrunde liegenden Fall eingehen, weil der durch einen Zusammenstoß des Hasen mit dem kleinen Fahrzeug bei einer Geschwindigkeit von 80- 100 km/h mögliche Schaden der Klägerin nicht abwägbar war und die eingeleitete Ausweichbewegung jeglichen Schaden vermeiden sollte. In der jüngsten Entscheidung hat das LG München I der Klägerin die volle Entschädigungsleistung als Rettungskosten gem. §§ 62,63 VVG zuerkannt, welche verunfallt war nachdem sie auf einer Landstraße einem Fuchs ausgewichen war. 16 Das LG München I legte dieser Entscheidung zugrunde, dass „ein Fuchs ein nicht mehr ganz kleines Tier – ähnlich einem Hasen oder einem Kaninchen – vergleichbar sei“. Vielmehr ist ein Fuchs schon ein größeres Tier, mit dem eine Kollision eine erhebliche Gefährdung darstellt. Der Versuch der Verhinderung einer Kollision mit erheblicher Sachgefährdung ist auch kein grobfahrlässiges Verhalten im Sinne von § 62 Abs. 2 VVG. Bei einer Kollision mit einem Fuchs droht erheblicher Schaden, gerade bei außerörtlich gefahrenen, relativ hohen Geschwindigkeiten, sodass ein Ausweichmanöver keinesfalls eine grobe Verletzung der im Straßenverkehr gebotenen und erforderlichen Sorgfalt darstellt. 17 Demgegenüber hat das OLG Jena mit Urteil vom 17. Juli 1996 erkannt, dass ein Anspruch auf Rettungskosten dann nicht besteht, wenn ein Autofahrer anlässlich eines drohenden Zusammenstoßes mit einem Fuchs bei einer Geschwindigkeit von 30-40 km/h in einer gefährlichen Kurve auf schmutzbedeckter, regennasser Fahrbahn bremst und ausweicht. 18 Das OLG Jena führt weiter aus, dass ein Zusammenstoß mit einem Fuchs bei einer Geschwindigkeit von 30-40 km/h auch bei einem leichten Fahrzeug zu keinen Beschädigungen am Fahrzeug oder sogar zu Personenschäden führen wird. Hingegen führt ein Bremsen in einer gefährlichen Kurve auf schmutzbedeckter, regennasser Fahrbahn sehr häufig zum Schleudern des Fahrzeuges und zum Abkommen von der Fahrbahn. Die Gefährdung von Fahrzeug und Insassen ist in diesem Fall bei weitem höher als bei einem Zusammenstoß mit einem Fuchs. Das OLG Jena nimmt dabei Bezug auf Entscheidungen des OLG Nürnberg und des OLG München. Zwar wurde in der Rechtsprechung teilweise auch dann ein Anspruch auf Rettungskosten bejaht, wenn dieser anlässlich des drohenden Zusammenstosses mit einem Fuchs 19 oder mit einem oder zwei Hasen 20 entstanden war. Abgesehen davon, dass der Senat an abweichende Entscheidungen anderer Gerichte nicht gebunden ist, sind die dort entschiedenen Fälle mit dem hier vorliegenden Fall nach Auffassung des OLG Jena nicht vergleichbar. In den vom OLG München und vom LG Köln entschiedenen Fäl- Lengler, Der Rettungskostenersatz bei Wildunfällen | AUFSÄTZE len lag, nach Auffassung des Senates eine wesentlich höhere Ausgangsgeschwindigkeit vor und dies ändere auch das Risiko. Der BGH hat sich zu der aufgeworfenen Problematik bisher nur teilweise geäußert. 21 Bei einem grobfahrlässigen Irrtum über die objektive Notwendigkeit, Rettungskosten aufzuwenden, ist der Versicherer zum Ersatz der Kosten nicht verpflichtet. Dies ist der Fall, wenn der Fahrer eines Mittelklasse Fahrzeuges bei einer Geschwindigkeit von ca. 90 km/h einem Hasen ausweicht, um einen Schaden an seinem Fahrzeug durch einen etwaigen Zusammenstoß mit dem Hasen zu vermeiden. Das LG Frankfurt hatte noch geurteilt, dass ein Ausweichen vor einem Hasen schon aus Gründen des Tierschutzes richtig sei. Der 4. Senat des BGH 22 ist dem entgegengetreten mit der Begründung, dass zwar grundsätzlich Zustimmung verdient, wer einem Hasen ausweicht. Der Versicherer hat aber nur für einen Schaden einzustehen, der dem Versicherungsnehmer entstanden ist, weil er einen anderen, unter Umständen größeren, jedenfalls aber versicherten Schaden, vermeiden wollte. Mit der Teilkaskoversicherung ist jedenfalls nicht das Leben des Hasen versichert, sondern das Fahrzeug. Zum grob fahrlässigen Handeln führt der IV. Senat beim BGH aus: „Grob fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nach den gesamten Umständen in ungewöhnlich hohem Maße verletzt und unbeachtet lässt, was in dem gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen. Im Gegensatz zur einfachen Fahrlässigkeit muss es sich bei einem grobfahrlässigen Verhalten um ein auch in subjektiver Hinsicht unentschuldbares Fehlverhalten handeln, dass ein gewöhnliches Maß erheblich übersteigt.“ 23 Ein Kraftfahrer, der mit einem Mittelklassewagen und einer Geschwindigkeit von ca. 90 km/h eine gerade Strecke befährt, verletzt seine Sorgfaltspflicht in ungewöhnlich hohem Maße, da er das mit einer plötzlichen Fahrtrichtungsänderung verbundene hohe Risiko in Kauf nimmt, um einem Hasen auszuweichen. Der Kraftfahrer kann bei dieser Geschwindigkeit, wenn er nicht über ein besonderes Training verfügt, die Folgen einer plötzlichen Fahrtrichtungsänderung kaum beeinflussen. Lenkt er sein Fahrzeug dennoch unvermittelt zur Seite, lässt er ein hohes Risiko für sein Fahrzeug – wie auch seine Gesundheit – unbeachtet. Es muss jedem Kraftfahrer einleuchten, dass er dieses hohe Risiko nicht ohne Not eingehen darf, auch wenn es darum geht, einem Hasen auszuweichen, mit dem ein Zusammenstoß anderenfalls unmittelbar bevorstünde. Nach der Rechtsprechung des BGH kann vom äußeren Geschehensablauf und vom Ausmaß des objektiven 16 LG München I, NVersZ 02, 129 f. 17 Zustimmend OLG Zweibrücken, VersR 00, 884, Urteil vom 25. August 1999 – Az: 1 U 218/98. 18 OLG Jena, VersR 97, 609. 19 LG Köln, r+s 92, 115. 20 OLG München, NJW-RR 94, 222. 21 BGH, Urteil vom 18. Dezember 1996 – Az: IV ZR 321/95. 22 BGH, VersR 97, 351 f. Urteil vom 18. Dezember 1996 – Az: IV ZR 321/95. 23 BGH (ständige Rechtssprechung), Urteil vom 8. Februar 1989 – Az: IV ZR 57/88 in VersR 89, 582. SVR 8/2004 | 283

AUFSÄTZE | Lengler, Der Rettungskostenersatz bei Wildunfällen<br />

oder Ausweichmanövers sollen dann nicht mehr gedeckt werden,<br />

weil die Gefahr eines Missbrauches zu groß wäre.<br />

Der Oberste Gerichtshof in Wien hat in einem Urteil vom<br />

11. Juni 1981 geurteilt, dass Schäden in Folge eines missglückten<br />

Ausweichmanövers gedeckt seien, falls es zuvor zu einer<br />

Berührung mit dem Wild, das keinen Schaden verursacht hat,<br />

gekommen ist. 7<br />

Solche Schäden können aus dem Gesichtspunkt der Rettungskosten<br />

gedeckt sein.<br />

2. Rettungskosten gem. §§ 62, 63 VVG<br />

Durch die Entscheidung des BGH 8 ist für die Rechtsprechung<br />

entschieden, dass die Schäden, die in Folge des Ausweichens<br />

zur Vermeidung einer Kollision mit Haarwild am eigenen Fahrzeug<br />

eintreten als Rettungskosten gem. §§ 62,63 VVG zu erstatten<br />

sind. Mit der Begründung, § 7 AKB ändere die in § 62<br />

Abs. 1 VVG normierte Rettungspflicht, die bereits bei einem<br />

unmittelbar bevorstehenden Versicherungsfall eingreife, nicht<br />

ab, hat der BGH die Ersatzpflicht der Versicherung für sogenannte<br />

Rettungskosten auch in der Kaskoversicherung bejaht.<br />

Zur Missbrauchsproblematik führt der BGH in dieser<br />

Entscheidung aus:<br />

„Der Ersatz von Rettungskosten bei drohendem Zusammenstoß<br />

mit Haarwild kann auch nicht mit dem Hinweis auf die Gefahr<br />

des Missbrauchs durch den Versicherungsnehmer abgelehnt<br />

werden. Diese Gefahr, die es auch in anderen Versicherungssparten<br />

gibt, kann den Ausschluss gesetzlicher Ansprüche,<br />

soweit dies überhaupt zulässig ist, nur dann rechtfertigen, wenn<br />

er in den Versicherungsbedingungen ausdrücklich geregelt ist.“<br />

Aufwendungen des Versicherungsnehmers sind zu ersetzen,<br />

soweit sie auf der Rettungsmaßnahme beruhen. Sie müssen<br />

demzufolge von dem Willen getragen sein, einen Unfall zu vermeiden.<br />

Reaktionen eines Kraftfahrers auf plötzlich auftauchende<br />

Gefahrsituationen stellen sich nur häufig als vom Unterbewusstsein<br />

gesteuerte Handlungen dar, bei denen ein<br />

bewusster Willensentschluss nicht vorliegt. Auch derartige Verhaltensweisen<br />

fallen unter den Begriff „Rettungsmaßnahme“. 9<br />

Nur reine Schreckreaktionen sind hierunter nicht mehr zu<br />

subsumieren. 10 Ein Anspruch auf Ersatz von Rettungskosten<br />

besteht dagegen nicht, wenn die Abwendung des Versicherungsschadens<br />

lediglich eine Reflexwirkung der Rettungshandlung<br />

war. 11 In dem entschiedenen Fall war der Versicherungsnehmer<br />

einem entgegenkommenden Fahrzeug<br />

ausgewichen. Den Ersatz des dabei entstandenen Schadens<br />

hatte er als Rettungskosten im Hinblick auf das im Rahmen des<br />

teilkaskoversicherten Risikos „Glasbruch“ geltend gemacht.<br />

Der BGH hat darauf abgestellt, dass es dem Versicherungsnehmer<br />

in erster Linie darauf angekommen sei, Schaden für<br />

Leib und Leben abzuwenden. Diesem Interesse gegenüber sei<br />

die Rettung der Fahrzeugverglasung untergeordnet gewesen.<br />

Die Rettung des Hauptinteresses (Leib und Leben) habe die<br />

282 | <strong>SVR</strong> 8/2004<br />

Rettung des Nebeninteresses (Glasbruch) als Reflexwirkung<br />

nach sich gezogen.<br />

Der Versicherungsnehmer kann jedoch nicht jeden Unfallschaden,<br />

der in Folge eines Ausweichens vor einem drohenden<br />

Zusammenstoß mit Haarwild entsteht, ersetzt verlangen. Voraussetzung<br />

ist generell, dass die Rettungsmaßnahme erforderlich<br />

war, um anderenfalls entstehende höhere Kosten abzuwenden.<br />

Fehleinschätzungen des Versicherungsnehmers bei<br />

der Beurteilung der Erforderlichkeit der Rettungsmaßnahmen<br />

sind gem. § 62 VVG unschädlich, falls dem Versicherungsnehmer<br />

nicht der Vorwurf der grobfahrlässigen Fehleinschätzung<br />

12 anhaftet. 13<br />

Zu der Problematik der sogenannten grobfahrlässigen Fehleinschätzung<br />

sind in den vergangenen Jahren unzählige Entscheidungen<br />

ergangen, die in den Instanzen zu erheblich<br />

unterschiedlichen Ergebnissen geführt haben.<br />

3. Zur grobfahrlässige Fehleinschätzung<br />

In einem Urteil vom 30. Juli 1996 hatte das LG Passau entschieden,<br />

dass ein Kraftfahrer, der bei angemessener Geschwindigkeit<br />

eine Linkskurve durchfährt und dabei einem<br />

sprungbereiten Fuchs auszuweichen versucht, bei einem missglückten<br />

Ausweichmanöver den Fahrzeugschaden als Rettungskosten<br />

ersetzt verlangen kann, da er dabei eine adäquate<br />

Reaktion vollzieht. 14<br />

Das LG Passau geht bei einem Ausweichmanöver vor einem<br />

Fuchs von einer objektiven Rettungssituation aus. Zutreffend<br />

ist zwar, dass ein Fuchs ein relativ kleines Tier ist, wie alle Wildtiere<br />

ist er jedoch völlig unberechenbar. Das Landgericht Passau<br />

hatte hierzu Beweis erhoben und einen Sachverständigen<br />

hinzugezogen. Der Sachverständige hat ausgeführt, dass nur<br />

dann mit einer relativ geringen Beschädigung zu rechnen ist,<br />

wenn ein Fuchs unmittelbar unter das Fahrzeug gezogen wird.<br />

Dies ist nur dann der Fall, wenn ein Fahrzeug auf einen unmittelbar<br />

auf der Fahrbahn stehenden Fuchs auffährt, ihn somit<br />

überfährt. Befindet sich der Fuchs jedoch in einer Sprungphase<br />

oder zeigt er sonst ein dynamisches Verhalten, so ist<br />

auch bei einem Fuchs mit erheblichen Schäden zu rechnen.<br />

Diesen Ausführungen folgte die Kammer des LG Passau.<br />

Auch das OLG München 15 hatte in einer früheren Entscheidung<br />

aus dem Jahre 1993 geurteilt, dass ein PKW-Schaden,<br />

der durch einen Unfall anlässlich eines Ausweichmanövers<br />

7 Oberster Gerichtshof in Wien, VersR 84, 452 sowie AG Stuttgart, Urteil vom<br />

2. Mai 1985, VersR 85, 1031.<br />

8 BGH NZV 91,226.<br />

9 OLG Nürnberg, NJW-RR 93, 995.<br />

10 Vgl. Knappmann, VersR 89, 113 f.<br />

11 BGH, NZV 94, 391.<br />

12 OLG Hamm, r+s 94, 167 = VersR 94, 43 L; OLG Braunschweig, VersR 94, 1293;<br />

OLG Düsseldorf, VersR 94, 592; OLG Bremen, VVGE § 63 VVG Nr. 1.<br />

13 OLG Hamm, NZV 93, 401 sowie Voit in Prölss/Martin, Kommentar zum VVG,<br />

25. Aufl., § 63 Anm. 2a.<br />

14 LG Passau, Urteil vom 23. Juli 1996 – Az: 3 S 48/96 in NJWE-VHR 97, 154.<br />

15 OLG München, NJW-RR 94, 222; Urteil vom 12. März 1993 – Az: 10 U<br />

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