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Hinter den Kulissen – Nr. 2 – 1999 - APAP – Antifaschistisches ...

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OpferperspektiveOpferperspektiveBran<strong>den</strong>burg" w eiterzufinanz1eren; oderwahltaktischen Befürchtungen <strong>den</strong> Vorrangzu geben, konkret der Angst vorSchönbohm, und das Projekt abzuwürgen.Die Landesregierung hat sich entschie<strong>den</strong>,auch wenn sie es bis heuteverschleppt, einen Bescheid über die Bewilligung oder Nichtbewilligung auszustellen.Diese Entscheidung zu bewerten,überlassen wir anderen.Unsere Enttäuschung ist groß. Offenbarsind in diesem Land die politischen Bedingungenfür ein Projekt wie das unsrigenicht gegeben:• solange BKA und Bundesanwaltschaftaufgrund willkürlicher Konstrukte Linkeals Terrorismusverdächtige diffamieren,• solange eine Landesregierung derWahltaktik <strong>den</strong> Vorzug vor ernsthaftenMaßnahmen gegen Rechtsextremismusgibt.Wir verlangen zumindest eine Entschuldigungder Landesregierung dafür, dasssie unsere Projektmitarbeiter w ie Aussätzigebehandelt. ln der Zwischenzeit.solange unser Projekt ruht. suchen w irnach neuen Finanzierungsquellen jenseitsder SPD-Landesregierung. Ob wirdamit Erfolg haben wer<strong>den</strong>, wissen wirnicht, aber wir lassen uns im Interessederer, für die wir da waren, das Projektnicht so einfach zerstören.Wir hoffen auf eine Zusammenarbeitauch in ZukunftDie OpferperspektiveInterviewWer seid Ihr und was beinhaltet das ProjektOpferperspektive?ln unserem Projekt sind zur Zeit vierLeute nahezu ganztägig beschäftigt. Wirkommen aus verschie<strong>den</strong>en Bereichendes Antifa-/Antira-Spektrums mit unterschiedlichenregionalen Erfahrungen. DasProjekt Opferperspektive wurde im März1998 gegründet. Der Name klingt vielleichtetwas merkwürdig, es geht aberdarum, Menschen, die aus rechtsextremenoder rassistischen Motiven angegriffenwor<strong>den</strong> sind, bei der Bewältigungder damit verbun<strong>den</strong>en Folgen zuhelfen. Dazu gehört einerseits die Sichtder Angegriffenen in einer möglichstgroßen Öffentlichkeit zu vermitteln undandererseits zusammen mit Initiativenund Einzelpersonen vor Ort Perspektivenfür sie zu entwickeln. Unsere Unterstützungsarbeitbeinhaltet für die Angegriffenendas Angebot selbst aktiv zu wer<strong>den</strong>,anstatt sich in der Rolle eines Opferseinzurichten. Die Zielrichtung unsererArbeit steht insofern im Gegensatz zu<strong>den</strong> in der Gesellschaft überwiegen<strong>den</strong>Diskursen und <strong>den</strong> daraus entwickeltenHandlungskonzepten, die sich überwiegendmit <strong>den</strong> Tätern auseinandersetzen.Ihr kümmert Euch also um die Opfer.wollt deren Situation nach einem Überfallanderen verdeutlichen. Das klingt einbißchen wie Opferhilfe nach dem Konzept.. Weißer Ring", aber auch so als obdie Rechten weniger gefährlich wären,wenn ihnen die Folgen ihres Handeinsvor Augen geführt wer<strong>den</strong> würde.Wir leben in Bran<strong>den</strong>burg- und wir <strong>den</strong>ken,das gilt genauso für andere Gebieteim Osten - in einem gesellschaftlichenKlima, das stark von Rassismus und völkischemNationalismus geprägt ist. Geradeunter Jugendlichen ist ein sogenannter.. rechter Lifestyle" weit verbreitet.Jugendliche, die sich dem nicht anpassenwollen, wer<strong>den</strong> verdrängt oderkaum unterstützt. .. No-Go-Areas" für Ausländerdurchziehen das ganze Land. Gewaltspielt bei der Aufrechterhaltung undDurchsatzung dieser Zustände eine zentraleRolle.Im Unterschied zu gewöhnlichen Straftaten,beinhaltet ein rechtsextremistischmotivierter Angriff neben der konkretenindividuellen Verletzung zusätzlich eineausgrenzende Botschaft. Den für .. undeutsch"befun<strong>den</strong>en Angegriffenen sollvermittelt wer<strong>den</strong>. sie gehören nichthierher, haben weniger Rechte oderseien als Mensch weniger wert. Eine einzelnerechte Gewalttat wirkt dabei nichtnur auf die direkt Betroffenen, sondernauf ein ganzes Kollektiv. das pauschal als.. Ausländer" oder .. Zecken" bezeichnetw ird. Alle sollen ・ゥョァ・ウ」ィ」ィエセイエ@ wer<strong>den</strong>.Sie trifft damit diejenigen, die ohnehineinen gesellschaftlich schlechten Standhaben oder als Nichtdeutsche rassistischeDiskriminisierung im Alltag erfahren.Aufenthaltsbeschränkunkungen,Arbeitsverboteund die Verweigerung demokratischerTeilhaberechte bewirken,daß die Möglichkeiten, sich als Betroffenegegen Angrife zu wehren, beschränktsind. Rechte Gewalt befördertsomit in der Gesellschaft bestehendeAusgrenzungsprozesse. Unabhängig davon,ob sich der einzelne .. rechte Schläger"dessen bewußt ist. trägt er dazu bei.das von Neonazis als .. völkischer Nationalismus"bezeichnete Ziel der .. Säuberungdes deutschen Volkskörpers" umzusetzen.Insofern greifen Ansätze, dieGewalt lediglich als das falsche Mittel einerKonfliktbewältigung betrachten, vielzu kurz. Die zu Gewaltausübung führen<strong>den</strong>rechtsextremistischen Motive wer<strong>den</strong>so verschleiert und geschützt.Mit einer vordergründigen Problematisierungvon Gewalt wird Rechtsextremismusin seinen politischen und sozialenZusammenhängen verschleiert. Einrechter Angriff ist daher für uns lediglichder Anlaß für ein konkretes Eingreifen.Ziel ist dabei, eine gesellschaftliche Solidarisierungmit <strong>den</strong> Opfern rechtsextremerGewalt zu mobilisieren. Die Folgeneines Angriffes sind für <strong>den</strong> Einzelnenerträglicher, wenn es Leute gibt, die konkreteHilfe anbieten und die Betroffenennicht alleine lassen. Einschüchterung kannso unterlaufen wer<strong>den</strong>.Darüberhinaus kann über die Unterstützungein sozialer Zusammenhang entstehen,der die Opfer vor weiteren Angriffenund sich gegenseitig schützt. Mitder Vermittlung der Sicht der Opfer aufdie Angriffe besteht für die Unterstützerdie Möglichkeit. die Gewalt gerade in ihremgesellschaftlichem Kontext zu verstehen.Und was macht Ihr konkret. wenn Ihrvon einem Angriff erfahrt?Wir suchen die Betroffenen vor Ort auf,lassen uns von dem Geschehenen berichten,besprechen. wie sie sich imNachhinein gegen die Täter wehren können,welche konkreten Schä<strong>den</strong> durch<strong>den</strong> Angriff entstan<strong>den</strong> sind und wie damitumgegangen wer<strong>den</strong> kann. Weitererörtern wir mögliche Schritte, die notwendigsind, um sich vor weiteren Angriffenzu schützen. Wie dann eine Unterstützungkonkret aussieht. hängt davonab, was die Angegriffenen selbstwollen. W ir sprechen Personen oder Initiativenaus dem Ort oder der Regionan, welche Unterstützung sie leistenkönnen, wer noch miteinbezogen wer<strong>den</strong>könnte und welche weiteren Handlungsmöglichkeitenfür sie bestehenkönnten.Hauptsächlich haben w ir es mit Leutenzu tun, die aufgrund ihres unveränderbarenÄußeren angegriffen wur<strong>den</strong>, aberauch viel mit Jugendlichen, die sich demrechten mainstream nicht unterordnenwollen oder verweigern, sogenannte alternativeJugendliche. Die wenigstenhatten zuvor eigene Erfahrungen mit demRechtssystem, so daß wir ihnen Aufbauund Funktion erklären. Wir erörternmögliche juristische Schritte, suchen gegebenenfallsZeugen der Tat und helfenihnen, einen Anwalt zu fin<strong>den</strong>, der siebei einer eventuellen Nebenklage gegen<strong>den</strong> Täter vertritt. Wenn notwendig, organisierenwir auch einen Dolmetscher.Mit dem Einreichen einer Nebenklagenehmen die Opfer eine aktive Rolle imStrafverfahren ein und können somit derGefahr begegnen, in der Verhandlungals Zeuge .. auseinandergenommen" zuwer<strong>den</strong>. Ist ein Prozeßtermin festgesetzt,besprechen wir mit ihnen <strong>den</strong> Ablauf.Eine Begleitung zu einem Prozeßtermin- gerade von nichtdeutschen Opfern- gewährt ihnen Schutz auf demWeg zum Gericht und im Gebäude undführt häufig dazu, daß sie sich überhaupttrauen, in Anwesenheit der Täter vollständigauszusagen. Angegriffene Flüchtlingeunterstützen wir bei ihrer UmverteilunQin ein anderes Heim, wenn sieim Ort bedroht wer<strong>den</strong> und helfen ihnenbeim Ausfüllen von Anträgen, die mitdem Angriff in Zusammenhang stehen.Oft sind Flüchtlinge als Folge eines Angriffespsychisch traumatisiert, und wirhelfen ihnen, eine therapeutische Behandlungsmöglichkeitzu fin<strong>den</strong> .Wir vermitteln Kontakte zu Journalistendamit Art und Ausmaße rechtsextremistischerÜbergriffe in der Öffentlichkeitrealistisch dargestellt wer<strong>den</strong>.Das hört sich alles nach einer Art Symptomhilfean.Klar. Doch w ir können die allermeistenAngriffe nicht verhindern und w ir könnensie auch nicht mehr rückgängig machen.Und die Frage ist. was kann dann getanwer<strong>den</strong>. Wir verstehen unsere Tätigkeitals Teil einer antifaschistischen Strategie,die die Betroffenen e1nes rechtsmotiviertenVerdrängungsprozesses in <strong>den</strong>Mittelpunkt stellt. Wenn zum Beispielrechte Angriffe als Anknüpfungspunktefür eine Unterstützungsarbeit der Betroffenengenommen wer<strong>den</strong>, hat das mehrereEffekte. Es bietet sich eine praktischeMöglichkeit für interessierte Gruppenaktiv zu wer<strong>den</strong>, und die Opfer bleibennicht länger weitestgehend isoliert.Damit verbun<strong>den</strong> sind Lernprozesse, diedie Unterstützer und die Betroffenenselbst verändern, deren Position vor Ortw ird gestärkt. Über die Einbeziehung andererlokaler Initiativen und Institutionenkönnen Solidarisierungsprozesse mit <strong>den</strong>Betroffenen rechter Gewalt ausgelöstwer<strong>den</strong>. die die Stimmung im Ort verändernund Ausgangspunkt für eine weitergehendeAuseinandersetzung mit Rassismusund Nationalismus sind. Gleichzeitigverlieren die Nazis an Zustimmungund Respekt und damit an ihrer Stärke.Du sprichst von Solidarisierungsprozessenmit <strong>den</strong> Betroffenen rechter Gewalt.Welche Rolle spielen dabei die sich vielerortsgrün<strong>den</strong><strong>den</strong> Bündnisse gegenRechts?Anlaß für die Gründung derartiger Bündnisseist in der Regel die Besorgnis überdie Zunahme rechtsextremer OrganisierunQund Gewalt. Inwieweit sie tatsächlichetwas bewirken wer<strong>den</strong>, hängt starkvon ihrer regional doch sehr unterschiedlichenAusrichtung und Zusammensetzungab. Manche Bündnisse dienen<strong>den</strong> Stadtverwaltungen und Parteien alsAlibiveranstaltungen und zur Imagepflege.Die eigentlich Betroffenen fin<strong>den</strong>kaum Gehör. Oder über jugendspezifischeAusdrucksformen wird bevormun<strong>den</strong>dund abwertend hinweggegangen.Dabei sind es in der Regel die Jugendlichender örtlichen alternativen Szene,die die direktesten Erfahrungen im Umgangmit <strong>den</strong> Nazis haben und über diemeisten Kenntnisse der rechten Szeneverfügen. Das sind oft die Probleme. Andererseitswirkt oft allein schon dieGründung eines Bündnisses gegenRechts positiv auf die Stimmung 1n derStadt. Es besteht die Möglichkeit. diejenigenkennenzulernen, die noch am ehestengewillt sind, <strong>den</strong> Nazis etwas entgegenzusetzenund Kooperation praktischauszuprobieren. Es besteht dieChance der Auseinandersetzung mit anderenArgumenten und Strategien unddabei voneinander zu lernen. Grundsätzlichfin<strong>den</strong> wir daher eine aktive Bündnisarbeitnotwendig und lohnenswert.Bündnisse können bei der Entwicklungund Stabilisierung von Solidarisierungsprozesseneine bedeutende Rolle einnehmen.Ist es nicht eher so, daß die tragen<strong>den</strong>politischen Kräfte Teil des Problems sindund an einer Stabilisierung zivilgesellschaftlicherElemente kein Interesse haben?Sie können zumindest gedrängt wer<strong>den</strong>,das Problem Rechtsextremismus nichtweiter zu negieren oder zu verharmlosen.Dazu ist es nötig, die relativieren<strong>den</strong>und negieren<strong>den</strong> Diskurse überRechtsextremismus auseinanderzunehmen.Diese Diskurse - um nur einige zunennen: rechter wie linker Extremismus.Jugendgewalt, Randgruppen, Einzeltäter,Täter als Modernisierungsverlierer- sind ein Teil des Problems undbehindern ein inhaltliches Begreifen.Eingebracht wer<strong>den</strong> kann diese Kritikauf der Grundlage gesammelter Erfahrungenbei der Unterstützung der Opfer,aufgrund des Begreifens von Zusammenhängenzwischen Gewalt undgesellschaftlichen Verhältnissen. Bei derVermittlung von Kritik an <strong>den</strong> gesellschaftlichtragen<strong>den</strong> Kreisen können dieBündnisse behilflich sein.Danke für das Gespräch.8687

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