12.07.2015 Aufrufe

Hinter den Kulissen – Nr. 2 – 1999 - APAP – Antifaschistisches ...

Hinter den Kulissen – Nr. 2 – 1999 - APAP – Antifaschistisches ...

Hinter den Kulissen – Nr. 2 – 1999 - APAP – Antifaschistisches ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

OpferperspektiveDie Arbeit der OpferperspektiveAnfang August <strong>1999</strong> hatdas Justizministerium Bran<strong>den</strong>burgbekannt gegeben,das es die Arbeit derOpferperspektive so langenicht finanzieren wird, wiegegen einen Mitarbeiter desProjekts einErmittlungsverfahren nach§129a laufe. Das AntifaschistischeAutorinnenkollektivhält diese Entscheidungfür einen Skandal undsolidarisiert sich mit demangegriffen Projekt unddessen Mitarbeiter.Wir dokumentieren an dieserStelle einen "OffenenBrief' der Opferperspektivezu <strong>den</strong> <strong>Hinter</strong>grün<strong>den</strong> desVerfahrens und der EntscheidungdesJustizministeriums sowieein Interview, das imAntifaschistischen InfoblattN r. 48 erschienen ist:Wir müssen leider bekanntgeben, dassdas Projekt Opferperspektive seine Arbeitvorübergehend ,.auf Eis" gelegthat. Der Grund liegt darin, dass wir seitnunmehr sechs Monaten keine finanzielleFörderung vom Land Bran<strong>den</strong>burgmehr bekommen, und wir die Arbeit.. ehrenamtlich" nicht weiterführen können.Einige w enige Fälle wer<strong>den</strong> w irweiter betreuen, weil wir die Opfer nichteinfach hängen lassen können. Bei allenanderen Fällen müssen wir zur Zeit aufdas Büro von Almuth Berger verweisen.Das gilt auch für alle, die in Zukunft Opferrechter Gewalt wer<strong>den</strong>. Wir wollenan dieser Stelle allen danken, mit <strong>den</strong>enwir zusammengearbeitet haben, die unsso sehr unterstützt haben. Wir sind nichtaus der Welt geschie<strong>den</strong>, unser Handy(0171 -1 9 35 669} bleibt bis auf weiteres.. auf Empfang". Wir hoffen. dass die gegenzwei M itarbeiter erhobenen Vorwürfeso schnell wie möglich aus demWeg geräumt wer<strong>den</strong>.Das Projekt ruht und ob es jemals w iederin vollem Umfang seine Arbeit aufnehmenwird, ist ungewiss. Dennochglauben w ir. daß die Konzeption erfolgversprechendwar, dass wir auf demrichtigen Weg w aren. Daher hier ein kleinerRückblick.Konzeption und Ziele desProjekts OpferperspektiveDas Projekt wurde im Mai 1998 von damalsdrei M itarbeitern gegründet, bisheute haben vier Personen im Projektgearbeitet. Unsere Motivation war es,gegen die meist viel zu Täter orientierteAuseinandersetzung mit Rechtsextremismusund rechter Gewalt einen Kontrapunktzu setzen: Schluss mit dem .. Verständnis"für die Täter und ihre Probleme.betrachten wir Rechtsextremismusaus der Perspektive der Opfer. Wasbedeutet ein Angriff für sie. für ihr Umfeld.für die Beziehungen zwischen M inderheitenund der deutschen Mehrheitsgesellschaft?Wie gehen die Opfer mit<strong>den</strong> Folgen um? Gibt es Alternativenzum Rückzug aus der Gesellschaft, w iekönnen w ir verhindern, dass Minderheitendurch die Angriffe w eiter ausgegrenztwer<strong>den</strong>?Unser Ziel war es. einen kleinen Beitragzu leisten, dass die Angegriffenen nichtin einer passiven Opferrolle bleiben....sondernmit anderen zusammen eme neuePerspektive für sich entwickeln können.Ziel war es. die Einschüchterungswirkungder rechten Gewalt zu unterlaufenund damit auch die vielerorts anzutreffenderechte Hegemonie zurückzudrängen.Für dieses Ziel bezogen wir, wo immeres ging, das unmittelbare Umfeldder Opfer in die Unterstützung ein sowieversuchten. lokale Initiativen für einepraktische Solidarität anzusprechen. UnsereHoffnung war. dass so Solidarisierungsprozessemit <strong>den</strong> Opfern ausgelöstund gefördert wer<strong>den</strong>.Wir haben es an uns selbst festgestellt :Die Unterstützung von Opfern verändertdie Unterstützerinnen selbst. Konfrontiertmit <strong>den</strong> Reaktionen der Opfer auf einenAngriff, <strong>den</strong> Gefühlen von Todesangst,Ohnmacht. verletztem Gerechtigkeitsempfin<strong>den</strong>und Misstrauen gegen die deutscheMehrheitsgesellschaft. konfrontiertmit der konkreten Unmenschlichkeit,verändert sich der Blick auf die Gesellschaft.Die Motivation, sich gegen dieseUnmenschlichkeit zu engagieren, vertieftsich. und bislang vernachlässigte gesellschaftlicheZusammenhänge, die die rechteGewalt bedingen. wer<strong>den</strong> erkennbar.Wir erwarteten. dass aus solchen Erfahrungender praktischen Solidarität mit <strong>den</strong>Opfern rechter Gewalt ein handlungsfähigesNetzwerk entstehen könnte, dasder Ausgrenzung von Minderheiten praktischentgegenwirkt und sich um ihrenSchutz kümmert. Gleichzeitig erwartetenw ir, dass Prozesse der Entsolidarisierungmit <strong>den</strong> Tätern und <strong>den</strong> ihnen zugrundeliegen<strong>den</strong> rassistischen und rechtsextremenEinstellungen gefördert wür<strong>den</strong>.Wir begriffen unseren Ansatz immer nurals Teil einer umfassenderen Strategiegegen Rechtsextremismus. Dafür botdas Handlungskonzept .. Tolerantes Bran<strong>den</strong>burg"eine tragfähige Grundlage, hates doch eine Dynamik ausgelöst. durchdie politische Entscheidungsträger Rechtsextremismusn1cht länger ignorieren. auchwenn ihre neue Positionierung oft standortpolitischmotiviert sein mag. Daher arbeitetenw ir mit vielen anderen Institutionenzusammen, deren Ansätze sichm it dem unsrigen ergänzten. Hervorhebenmöchten wir <strong>den</strong> intensiven Austauschund die enge Zusammenarbeitm it <strong>den</strong> RAAs, <strong>den</strong> Mobilen Beratungsteams.der Mobilen Heimberatung, demFlüchtlingsrat. <strong>den</strong> Ausländerbeauftragtendes Landes und der Kreise sowie<strong>den</strong> vielen ungenannten Einzelpersonen,Initiativen und Vereinen vor Ort.Keine WeiterfinanzierungIm Rahmen des Handlungskonzepts.. Tolerantes Bran<strong>den</strong>burg" wurde unserProjekt von August '98 bis Mitte Februar'99 mit Lotto-Mitteln des Justizministeriumsgefördert. Schon im November '98stellten wir einen Folgeantrag, zunächstbeim Aktionsbündnis, dann parallel auchbeim Justizministerium. Anfang März '99gaben. wie uns mitgeteilt wurde. beideStellen grünes Licht und einigten sichauf eine gemischte Förderung für ein Jahr.Seit Ende März blockten die zuständigenStellen jedoch alle Nachfragen ab, was<strong>den</strong>n nun mit unserem Antrag geschehe.Bis zum 22. Juli hatten wir keinen Bescheiddes Justizministeriums. w edereinen negativen noch einen positiven,erhalten.Anfang Mai wur<strong>den</strong> wir von Dr. Lemke.dem Leiter der Abteilung Staatsanwaltschattenim Justizministerium. über dieSchwierigkeiten bei unserem Finanzantraginformiert. Auf einem Treffen am12. Mai mit ihm und Almuth Bergerwurde uns eröffnet, dass die Namenvon zwei Projektmitarbeitern der Opferperspektivein Ermittlungsakten derBundesanwaltschaft (BAW) genannt wur<strong>den</strong>,und zwar im Zusammenhang mitAnschlägen im Bereich .. Anti-Oiympia"und .. Hakenkrallen gegen Castor-Transporte".Sie sollen zu dem Personenkreisgehören bzw. diesem nahestehen, gegen<strong>den</strong> sich die Ermittlungen richten.Solange die Vorwürfe nicht entkräftetseien. wolle das Justizministerium dasProjekt Opferperspektive nicht fördern.Grund: Schönbohm könne die Verdächtigungenim Wahlkampf gegen die SPDausnutzen. Wenn wir die Öffentlichkeitüber <strong>den</strong> Vorgang informieren wür<strong>den</strong>,könnten w ir die Förderung gleich vergessen.Wir drängten darauf, dass diesehaltlosen Verdächtigungen schnellstmöglichaufgeklärt wer<strong>den</strong>. Wir konnten uns<strong>den</strong> Vorgang nur so erklären. dass unsereProjektmitarbeiter willkürlich in das Ermittlungsraster.. terroristisches Umfeld"geraten waren, weil sie mit mutmaßlichenMitgliedern des Berliner .. Anti-Oiympia-Komitees" zusammenwohnen. Dem .. Anti-Oiympia-Komitee"wiederum bzw. <strong>den</strong>Personen, die mit mutmaßlichen Mitgliedernin Verbindung stehen. unterstelltdie Bundesanwaltschaft, und Dr. Lemkewiederholte diesen Vorwurf, dass sie hinter<strong>den</strong> Castar-Anschlägen stün<strong>den</strong>.ln der Gewissheit, dass die Verdächtigungenentkräftet wür<strong>den</strong>, setzten wir unsereProjektarbeit fort. Da aber lange keineBewegung erkennbar w ar, kündigten wiran, dass wir Anfang Juli an die Öffentlichkeitgehen wür<strong>den</strong>, um die <strong>Hinter</strong>gründeder Nichtfinanzierung zu offenbaren.Die Vorbereitungen für ein Pressegesprächam 7. Juli waren schon im Gange,als wir von einigen Befürwortern unseresProjekts gebeten wur<strong>den</strong>. <strong>den</strong> Terminum eine Woche zu verschieben. SovielZeit bräuchte Justizminister Bräutigamnoch. um eine .. Unbe<strong>den</strong>klichkeitsbescheinigung"für einen Projektmitarbeitervon der BAW aus Karlsruhe zu bekommen.Wir vertrauten auf diese letzteMöglichkeit der Klärung.Die .. Auskunft" aus Karlsruhe kam, aberanders als erwartet. Am 6. Juli, also einenTag vor dem ursprünglich angesetztenPressegespräch. führten das Bundeskriminalamtund die Bundesanwaltschaftbundesweit Hausdurchsuchungen durch,auch in der Wohnung eines Projektmitarbeiters.Ihm wurde eröffnet, dass erund drei seiner Mitbewohner Beschuldigtein einem Ermittlungsverfahren wegenMitgliedschaft in einer terroristischenVereinigung (§ 129a StGB) seien. Ihnenwird vorgeworfen. an der Koordinierung,Vorbereitung und Durchführung von Anschlägengegen die Deutsche Bahn imOktober 1996 beteiligt gewesen zu sein.Bei dem Projektmitarbeiter wur<strong>den</strong> fastausschließlich Arbeitsmittel der .. Opferperspektive"beschlagnahmt Notizbüchermit vertraulichen Aufzeichnungen ausGesprächen mit Opfern, Telefon- undAdressregister, Terminkalender, das elektronischeArchiv mit allen Berichten.Die nur schwer begreiflichen Vorgängeversuchen wir uns heute - hypothetisch- so zu erklären: Die Bundesanwaltschaftund das Bundeskriminalamt führtenseit Anfang 1997 ein verdecktes Er-mittlungsverfahren gegen mut maßlicheMitglieder des Anti-Oiympia-Komiteesund deren Umfeld, das im Sande verlief,da es nicht auf Beweisen, sondern nurauf Konstrukten und Spekulationen beruht.Spätestens Mitte Mai <strong>1999</strong> stan<strong>den</strong>die Ermittlungsbehör<strong>den</strong> vor dem Problem.dass die Beschuldigten auf ein verdecktesErmittlungsverfahren schließenkonnten und eine Veröffentlichung derVerdächtigungen und Konstrukte drohte.Es ist davon auszugehen, daß das BKAzumindest durch Telefonüberwachungbestens die Affäre um <strong>den</strong> Finanzantrag,<strong>den</strong> Informationsstand und die Pläne derBetroffenen kannte. Anders ist die Äußerungdes Bundesanwalts Monka währendder Durchsuchung nicht zu verstehen.als dieser ironisch lächelnd meinte, .. Bräutigamw ird sich ja freuen".Die Bundesanwaltschaft stand also imMai vor der Wahl, das ergebnislose Ermittlungsverfahreneinzustellen. um einemmöglichen Auskunftsersuchen derbran<strong>den</strong>burgischen Landesregierung antwortenzu können. Oder das Ermittlungsverfahrenw eiterzuführen. Dann jedochmußte .. nachgelegt" wer<strong>den</strong>. inForm einer Hausdurchsuchung, weil bislangkeine Beweise vorlagen. und zwarvor dem angekündigten Termin der Veröffentlichung.Die bis Anfang Juli nochbehör<strong>den</strong>interne Affäre um unseren Finanzantragspielte also nur insofern eineRolle, als dass eine Dynamik bei BKAund BAW ausgelöst wurde, die zu derHausdurchsuchung führte. Ginge es derBundesanwaltschaft wirklich um die Sicherungvon Beweismitteln, so hätte sieeine Hausdurchsuchung nicht zweieinhalbJahre nach der bezichtigten Tatdurch führen lassen.Auch wenn das Ermittlungsverfahreneinmal ergebnislos eingestellt wer<strong>den</strong>wird, so sind die Auswirkungen bereitsmassiv: Ein Projektmitarbeiter wurde zuröffentlichen Unperson abgestempelt.Denn in der Öffentlichkeit wirkt die Vorverurteilungnach dem Prinzip: Irgendetwaswird an <strong>den</strong> Vorwürfen schon dransein.Zwei Tage nach der Hausdurchsuchungerfuhren wir über Almuth Berger, dassdas Justizministerium w egen des Ermittlungsverfahrensdas Projekt nichtfördern wolle. Wir können diese Entscheidungnicht nachvollziehen. Die $PD-Landesregierung hatte die Wahl; entwederfestzuhalten am rechtsstaatliehenPrinzip der Unschuldsvermutung und einnotwendiges Projekt des .. Toleranten8485

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!