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Seminarfacharbeit “Sexueller Missbrauch“

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1<strong>Seminarfacharbeit</strong> “Sexueller Missbrauch“vonMaria ThemelElisabeth DrorákLisa HermannstädterdesErnst-Abbe-Gymnasium JenaInhaltEinleitung 21 Definition 32 Erkennungskriterien 42.1 Körperliche Symptome sowie körperliche Störung 42.2 Seelische und soziale Probleme 42.3 Symptome im Leistungsbereich 52.4 Symbolischer Ausdruck und verbale Andeutungen 62.5 Gründe warum viele Menschen sexuellen Missbrauch doch nicht erkennen 63 Täterprofil 73.1 Täter 73.2 Männer als Täter 93.3 Frauen als Täterinnen 93.4 Strategien der Täter 103.5 Merkmale der Täter und ihr Verhalten 113.6 Täterkategorien 134 Folgen und Auswirkungen des sexuellen Missbrauchs 144.1 Körperliche Folgen / Auswirkungen 144.2 Seelische Folgen / Auswirkungen 144.2.1 Traumatisierung der Opfer 154.2.2 Posttraumatische Folgen 164.2.3 Weitere Folgen 185 Behandlungsansätze 195.1 Maltherapie 195.2 Psychotherapie 205.3 Kunst- und Gestaltungstherapie 225.3.1 Stabilisierung 23Zusammenfassung 25


42 Erkennungskriterien 1Kinder, die Opfer sexuellen Missbrauchs geworden sind, müssen meist über das was ihnen angetanwird schweigen. Sie senden aber trotz dieses Schweigegebotes bestimmte schnell erkennbare Signaleaus, aber auch Signale die die Umwelt nicht sofort erkennen kann.Außer den körperlichen Symptomen kann man hier auch Auffälligkeiten im seelischen und sozialenBereich sowie im Leistungsbereich anführen. Als letztes lassen sich hier auch Symptome wie dersymbolische Ausdruck des Missbrauchsgeschehens aber auch verbale Andeutungen aufzählen.2.1 Körperliche Symptome:Ein Kind welches missbraucht wurde kann man vor allem an Rötung, Wundsein und Entzündungendes Genitalbereiches, aber auch durch Entzündungen an Mund und Lippen, welche durch oraleBefriedigung des Täters zustande kommen können, erkennen. Auch durch Geschlechtsverkehrübertragene Krankheiten wie z.B. Tripper gelten als sehr sicheres Zeichen für den sexuellenMissbrauch. Auch Aids kann auf sexuellen Missbrauch hinweisen, wenn das Kind nicht schon vonGeburt an an dieser Krankheit leidet und es auch keine weiteren Möglichkeiten der Ansteckung gebenkann. Wenn ein Kind Wundmale und Bissspuren an Bauch, Brust, Po und Schenkeln aufweist, kannauch das ein Zeichen eines Vergehens an diesem Kind sein. Viele missbrauchte Kinder klagen häufigüber Bauchschmerzen, aber auch über Schmerzen beim Wasserlassen oder Stuhlgang. Opfer sexuellerGewalt weisen meist ein gestörtes Essverhalten auf. Ihnen ist oft übel, sie brechen, haben keinenAppetit und klagen über Magenschmerzen.2.2 Symptome im seelischen und sozialen Bereich:Missbrauchte Kinder leiden unter vielen, meist unerklärlichen Ängsten. Sie haben z.B. Angst vorBerührungen oder Körperkontakten aber auch massive Trennungsängste von vertrauten Personen.Dazu kommt meist noch die Furcht in der Dunkelheit oder vor dem Einschlafen, da der Missbrauchmeist in der Nacht stattfindet. Es können auch noch Alpträume hinzukommen. Des weiteren könnenmissbrauchte Kinder Angst vor Männern oder bestimmten anderen Personen haben. Meist stellt sichheraus, dass dies die Personen sind, die dem Kind die unbeschreiblich schlimmen Dinge antun. Zudemkönnen auch Ängste vor Wohnungen, Enge oder bestimmten Gegenden und auch die Furcht auf dieToilette zu gehen auftreten. Opfer sexueller Gewalt können auch Angst vor einigen Gegenständen wiez.B. Zigaretten, Kerzen oder Luftballons haben. Auch das plötzliche Auftreten von Wasch- undOrdnungszwängen kann auf sexuellen Missbrauch hinweisen. Aber auch das genaue Gegenteil kanneintreten und das Kind will sich plötzlich gar nicht mehr waschen, zieht sich schlampig an und machtsich sehr oft sehr schmutzig. Es will sich so unattraktiv machen, da es glaubt den Täter so von sichfernhalten zu können und damit weiteren Missbrauchshandlungen zu entgehen. Manche Kinder haltensich für schlecht und dreckig, weil sie missbraucht werden. Sie ziehen sich zurück und lassen nur noch1 Text nach (K)ein sicherer Ort – Broschüre: Sexueller Gewalt an Kindern, Informationen für Lehrer und Elternauf www.padl.ac.at./kein-sicherer-ort/gewalt07.htm


73 Täterprofil3.1 TäterDer Täter ist in der Regel männlich und kommt aus den unterschiedlichsten Schichten. Es könnenVäter, Stiefväter, Brüder, Opas, Freunde, Nachbarn, Erzieher, Pfarrer, Ärzte, Therapeuten ... sein. DieTäter sind im medizinischen und psychologischen Sinne nicht krank oder unnormal. Sie begehen ihreTaten aus einer Machtposition heraus und benutzen sie Sexualität als Mittel, um die Machtposition zustärken das heißt, sie missbrauchen ihre Opfer nicht auf Grund ihres Aussehens oder ihrer Kleidung.In unserer Umfrage konnten wir erkennen, dass der Großteil der 200 befragten Schüler falscheVorstellungen vom Täter hat. So dachten 91% der Schüler die Täter seien psychisch krank,56% siehätten einen unbezwingbaren Sextrieb,35,5% sie wären pervers,62,5% das sie kein Ansehenbesitzen,76% das sie nicht beliebt sind,71% dass sie nicht erfolgreich sind und 77% der Schüler siehätten keine Kontrolle über ihre Bedürfnisse.Ich denke, dieses falsche Bild beruht auf dem Verdrängen und der daraus resultierenden mangelndenAufklärung dieses Themas in unserer Gesellschaft. Die allgemeine Meinung scheint zu sein: ,Wennman nicht darüber spricht, gibt es das Problem nicht.’ Auch Eltern haben oft Berührungsängste mitihren Kindern über dieses Thema zu sprechen, da nur 60,5% der befragten Schüler antworteten, dassin ihrer Familie über sexuellen Missbrauch gesprochen wird.Auffallend ist auch, dass über 50% der befragten Jungen das Thema für unwichtig halten. Sie möchtennicht darüber reden und halten es heute auch nicht für notwendig, später die eigenen Kinder über dieGefahren aufzuklären. Dies ist vielleicht auch dafür ein Grund, dass nur 65,5% der Schüler überSchutzmaßnahem des Missbrauches aufgeklärt wurden sind.In jedem Fall trägt bei einem Missbrauch der Täter die allgemeine Verantwortung. Die betroffenenOpfer sind völlig schuldlos.Wenn wir darauf schauen, was die Jungen und die Mädchen geantwortet haben, können wir erkennen,dass zwischen den beiden Geschlechtern meist dasselbe Bild vom Täter besteht. So glauben 93% derMädchen und 98% der Jungen, dass der Täter pervers ist. Auch hier herrscht bei beiden Geschlechterndas Bild eines männlichen Täters vor. Es denken 91% der Mädchen und 89% der Jungen, dass derTäter vorwiegend männlich ist. Wie bei diesen beiden Beispielen gibt es bei allen gestellten Fragen beiJungen und Mädchen weitgehende Übereinstimmung. Auch im Hinblick auf die unterschiedlichenAltersgruppen haben sich kaum Unterschiede in den Ansichten herausgestellt. Nun können wir darausschlussfolgern, dass es weder vom Alter noch vom Geschlecht der Befragten abhängig ist, welchesTäterbild sie haben.Bei der Aufklärung zu den Schutzmaßnahmen ist zu sagen, dass mehr Mädchen als Jungen über dieGefahren und über den Schutz vor dem sexuellen Missbrauch aufgeklärt worden sind. Das kann mandamit erklären, dass Mädchen häufiger von sexuellem Missbrauch betroffen sind und sich somit besserschützen müssen. Sie werden auch von den Eltern früher aufgeklärt als die Jungen, da die Gefahr fürsie größer ist.


887% der Befragten hält es für notwendig später mit der eigenen Familie über die Gefahren und denSchutz vor sexuellem Missbrauch zu reden. Aber auch hier waren es mehr Mädchen als Jungen die‚Ja’ geantwortet haben. So haben 99% der Mädchen vor später mit ihrer Familie über den sexuellenMissbrauch zu sprechen. Dagegen haben im Moment nur 77% der Jungen dies vor. Das könnte damitzusammenhängen, dass Mädchen früher reifen als Jungen und sich eher ernsthafte Gedanken über dieZukunft machen. Die beiden Jungen die über 18 Jahre alt sind haben, im Gegensatz zu den jüngerenJungen, bei dieser Frage mit ‚Ja’ geantwortet. Das zeigt, dass die Jungen erst ab einem bestimmtenAlter anfangen über die Zukunft nachzudenken.Es ist zu erkennen, dass nur in 67% der Familien der Mädchen und nur in 51% der Familien derJungen über den sexuellen Missbrauch geredet wurde. Dies weißt darauf hin, dass dieses Themaimmer noch ein Tabuthema ist über das keiner gerne spricht.Ein weiteres Thema unserer Umfrage war, woher die Jugendlichen ihre Informationen über sexuellenMissbrauch nehmen (Abbildung 5). Wir führten hierbei als Antworten das Fernsehen, das Internet,Bücher und Zeitungen auf, die Schüler konnten aber noch weitere Möglichkeiten angeben.Unterschieden wurde hier nach männlich und weiblich. Bei den weiblichen, sowie bei den männlichenSchülern wird klar, dass die meisten ihre Informationen aus den Medien nehmen. Unsere Auswertungzeigt, dass 95 % der Befragten das Wissen aus dem Fernsehen nehmen, viele lassen sich somit davonbeeinflussen und können auch durch unqualifizierte Reportagen geprägt werden, denn nicht alles wasdort gezeigt wird muss richtig sein. Die Grundgedanken stimmen meistens, aber die genauenwissenschaftlichen Hintergründe fehlen über die man genauestens bescheid wissen müsste umsexuellen Missbrauch vorzubeugen und den Opfern glauben zu schenken und ihnen zu helfen.Zusätzlich entnehmen 41 % der Schüler ihre Informationen aus dem Internet, wobei die Mädchen 27% und die Jungen 14 % vertreten. In denen von uns aufgeführten Antworten entnimmt die Minderheitder Schüler, 18,5 %, ihre Informationen aus Büchern, wobei ich finde das diese Methode sehr gut ist,da diese Form sehr bildend und präzise ist. Die Bücher zum sexuellen Missbrauch zeigen vieleBeispiele von Betroffenen und Therapeuten die ihre Erfahrungen schildern und versuchen das Themadem Menschen nahe zu bringen. Außerdem versuchen die Autoren den Betroffenen zu helfen, denn siesollen stabiler werden und lernen, sich selbst zu unterstützen.Aus Zeitungen und Zeitschriften entnehmen 72,5 % ihre Angaben, wobei die Prozentzahlen derMännlichen und Weiblichen Schüler nicht sehr abweichen, sie sind nahe zu gleich. Die Mädchenvertreten 39 % und die Jungen 33,5 %.Zu den weiteren Möglichkeiten, die die männlichen Schüler noch angegeben haben, zählten dieFamilie und das Radio. Auf die Familie bezogen sich 2 Personen zwischen 16 und 18 Jahren und aufdas Radio bezogen sich 8 Schüler.Die weiblichen Schüler gaben außer der Familie und dem Radio noch Organisationen, die Schule, ihreeigenen Erfahrungen und Freunde an. Jeweils eine Person nahm ihre Informationen ausOrganisationen und Gesprächen mit Freunden. 6 Mädchen gehen auf sexuellen Missbrauch näher inihrer Familie ein und reden gemeinsam darüber, weitere 10 Mädchen beziehen sich auf das Radio.


9Und nur 3 Mädchen zwischen 16 und 18 Jahren gaben als Antwort die Schule an, obwohl die Zahleigentlich höher liegen müsste, da die Schule auch über Schutzmaßnahmen informieren sollte, dennsexueller Missbrauch kommt oft im Kindesalter vor. Das Thema sollte daher nicht unbehandeltbleiben, denn die Schüler können dann schon früh aufgeklärt werden und ebenso zu einem weiterenSchritt beitragen, dass sexueller Missbrauch nicht mehr als Tabuthema bezeichnet wird.In unserer Auswertung müssen wir auch betrachten, dass 2 weibliche Schüler im Alter von 16-18Jahren, schon durch eigene Erfahrung, sei es durch die Familie, den Verwandten, Bekannten oderFreunden, den sexuellen Missbrauch spüren mussten. Wir hoffen dass die Mädchen auf sichaufmerksam machen und nicht dem völligen Schweigegebot unterliegen, sie sollen sich helfen lassenund nichts vertuschen. „Denn Kindesmissbrauch geht uns alle an und jeder kann und sollte etwasdagegen tun“ 1 .3.2 Männer als Täter75% der Täter sind männlich. Da die überwiegende Zahl der Täter männlich ist, wird häufig nur derBegriff Täter verwendet.Die Täter lassen sich in zwei Gruppen einteilen. Wir können zwischen den regressiven und fixiertenTätern unterscheiden, wobei ich näher auf die fixierten Täter eingehen möchte.„Der erste kann Erwachsenen gegenüber keine sexuellen Gefühle empfinden und der zweite fühlt sichzwar von Erwachsenen angezogen, greift jedoch in spezifischen Situationen nicht ein.“ 2Das Verhalten der fixierten Täter ist schon im Jugendalter erkennbar und scheint zwanghafter Natur zusein. Die Fixierung auf Kinder ist daher dauerhaft und lässt sich somit auch nicht von anderenFaktoren beeinflussen. Sie sind nur an Jungen interessiert, während sie regressiven Täter eherMädchen missbrauchen.Der fixierte Täter ist auch mit einem Pädophilen gleich zu stellen. Sie planen ihre Tat sehr sorgfältigund es gelingt ihnen nebenbei noch in ihrem Umfeld ein sehr kinderliebes und vertrauenswürdigesBild zu hinterlassen. Die sexuelle Handlung selbst erscheint dann eher verführerisch. Häufigverbergen sich diese Täter in angesehenen beruflichen und sozialen Positionen, die ihnen leichter denZugang zu Kindern ermöglichen. Typische fixierte Täter sind auch daran erkennbar, dass sie die Opfermit Sorgfalt und Sensibilität auf den Missbrauch vorbereiten, sich häufiger im außerfamiliären Bereichaufhalten und größeren Wert auf die Konstruktion einer gemeinsam gewollten sexuellen Handlunglegen.3.3 Frauen als TäterDie Zahl der Täterinnen liegt bei 25 %. Dabei ist die Zahl der Frauen, die Jungen missbrauchendurchschnittlich doppelt so groß wie der Zahl der Frauen, die Mädchen missbrauchen.1 Broschüre vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: „Schützt Kinder vor sexuellerGewalt“2 Heiliger/Engelfried 34 auf: www.augenaufev.de/sex-gew2.htm


10Dadurch das es aber kaum Untersuchungen über das Täterinnenprofil gibt, weiß man heute auch nochnicht so viel darüber. Jedoch werden Frauen als Täterinnen seltener wahrgenommen.Die wenigen Zahlen der weiblichen Täterinnen können dadurch beeinflusst werden.Oft ist es so, dass Frauen im sexuellen Bereich eher als schamhaft und zurückhaltend und weniger alstriebhaft und freizügig eingestuft werden. Dadurch denken viele, sie würden sexuell nicht aktivwerden. Ihnen wird im Umgang mit Kindern allgemein und im Intimbereich insbesondere viel mehrHandlungsspielraum eingestanden als bei Männern. Weibliche Sexualität und damit auch sexuelleMissbrauchshandlungen werden so verzerrt wahrgenommen oder möglicherweise ausgeblendet.3.4 Die Strategien von Tätern innerhalb der FamilieIn einer empirischen Studie am Deutschen Jugendinstitut in München wurde untersucht, wie der Tätervorgeht, um sich dem Opfer zu nähern und wie er sich von vornherein der Verantwortung entzieht.Dabei ist aufgefallen, dass es sechs strategische Schritte des Täters gibt, wobei speziell auf die Tatinnerhalb der Familie eingegangen wurde.Der erste Schritt ist die langfristige Planung des Missbrauchs. Das heißt, die Tat wird langfristig undsystematisch vom Täter geplant. Dabei ist zu beachten, dass nicht das Kind das Interesse amMissbrauch im Täter weckt, sondern dieser sein Interesse schon vorher entwickelt hat. In seinenFantasien stellt er sich den Missbrauch genau vor und danach sucht er gezielt nach Gelegenheiten dieTat auszuführen.Der zweite Schritt der Strategie des Täters wurde unter dem Punkt „Voraussetzung für den sexuellenMissbrauch suchen oder schaffen“ 1 erklärt. Es wird der Frage nachgegangen, wer zum Opfer wirdbzw. wer sich aus Sicht der Täter zum Opfer eignet.Ein Kind ist besonders gefährdet, wenn es ein geringes Selbstwertgefühl besitzt und es ihm an Liebeund Zuwendung mangelt. Weitere Risikofaktoren sind ein allgemeines Gewaltklima in der Familie,eine schwache, problembeladene Mutter oder Vater, Probleme in der Beziehung zwischen den Eltern,Mangel oder fehlen der sexuellen Aufklärung des Kindes usw.…Die durch diese Defizite entstandenen Schwächen und Bedürfnisse des Kindes nutzt der Täter aus. Erversucht sich dem Kind zu nähern. Durch unverfängliche Berührungen soll sich das Kind an denKontakt mit ihm gewöhnen. Er verwirrt das Kind dadurch in seiner Wahrnehmung von Gut und Böse.Wenn das Kind dann merkt, dass etwas nicht in Ordnung ist, kann es sich nicht mehr aus der jetztneuen, vom Täter systematisch hergestellten Situation befreien, da es um den Verlust der dringendbenötigten Zuwendung fürchtet und sich schuldig fühlt.Diese Situation ist geplant und der dritte strategischer Schritt, die sexualisierte Annäherung des Täters.Wenn der Täter das Kind nun soweit verwirrt hat, dass es praktisch in der Falle sitzt, beginnt er mitder Steigerung seiner Missbrauchshandlungen und er fordert seine sexuelle Befriedigung durch dasKind ein.Die Gleichzeitigkeit scheinbar liebevoller, fürsorglicher neben offen gewalttätigen Handlungen irritiertdas Kind und blockiert seine Abwehr. Eine sehr erfolgbringende Strategie des Täters bei der sexuellen1 www.selbsthilfe-missbrauch.de/Infos/alg/Strategien.htm


11Annäherung ist, wenn es ihm gelingt, dem Opfer Lustgefühle zu verschaffen. Eine solche Situation istvom Opfer im späteren Leben kaum zu verarbeiten.Die „Langfristige Aufrechterhaltung des Zugriffs auf das Kind“ 1 wird als vierter strategischer Schrittvon Tätern beschrieben.Der Täter verwendet hier häufig die Strategie, dem Kind zu sagen, es sei für ihn etwas ganzbesonderes und dass es ihm mehr geben könne, als irgendjemand anderes. Dieses macht das Kind stolzund es fühlt sich somit verantwortlich für das Wohlergehen des Täters. Die Folge daraus ist, dass dasKind lügt, um den Täter zu schützen und den Missbrauch zu decken.Oft ist es aber auch so, dass es wegen offenen und subtilen Drohungen schweigt. Typische Sätze desTäters sind: „Wenn du das sagst, dann kommt Unglück über uns alle, ... du musst ins Heim, .....deineMutter wird krank, .... der Vater kommt ins Gefängnis und .... daran bist ganz allein du Schuld.“ 1Dabei setzt der Täter oft auch körperliche Gewalt ein, um seine Macht zu demonstrieren und demKind Angst einzujagen.Es ist typisch, dass vor allem der innerfamiliäre Missbrauch neben der langen Planung mehrere Jahredauert. Laut der empirischen Studie erzählten interviewte Frauen, dass der Missbrauchdurchschnittlich sechs bis neun Jahre ihrer Kindheit dauerte.Beim innerfamiliären Missbrauch ist der vorletzte Schritt des Täters die Spaltung zwischen Mutter undKind. Das Kind kann oft von der Mutter vor den sexuellen Übergriffen nicht geschützt werden.Oftmals ist es so, dass sie selbst Opfer von sexuellem Missbrauch wurde und somit durch dieVerdrängung ihres eigenen Traumas ihre Wahrnehmung des Umfeldes blockiert. Des Weiterenkönnen bestimmte Lebensumstände dazu führen, dass die Mutter in einen Konflikt gerät, der sieunfähig macht das Kind zu schützen. Das kann z. B. eine schwierige Partnerbeziehung sein, eineunerfüllte Sexualität, sie fühlt sich abhängig von diesem Mann, sie fürchtet vom Mann verlassen zuwerden oder sie orientiert sich am traditionellen Frauenbild.Der letzte Schritt in der Systematik des Täters ist die Nutzung einer Täterlobby.Die Täterlobby „sind alle Personen und Institutionen, die dazu beitragen, sexuellen Missbrauch nichtals Straftat zu bewerten, ihn zu verharmlosen oder zu rechtfertigen und die traumatischen Folgen fürdie Opfer zu leugnen.“ 1 Viele Täter verlassen sich auf diese Lobby. Die Täter wissen, dass einem Kindkaum geglaubt wird und dass sie somit nur selten zur Verantwortung gezogen werden, bestenfalls wirddas Kind aus der Familie heraus genommen. Viele Opfer zeigen ihre Täter kaum an, da sie dasGeschehene somit in Gedanken noch einmal ertragen müssten.3.5 Tätermerkmale und ihr VerhaltenWer tut so was?Die sind doch alle krank!Die haben einen unbezwingbaren Sextrieb...!1 www.selbsthilfe-missbrauch.de/Infos/alg/Strategien.htm


12In der Öffentlichkeit herrscht ein ganz falsches Bild von den Tätern. Oft werden sie als unattraktiv,krank und pervers wahrgenommen und dargestellt. Viele Menschen glauben, die Täter können ihresexuellen Bedürfnisse nicht unter Kontrolle bringen oder sie wären psychisch krank.Untersuchungen belegen allerdings, dass die Täter ganz normale Männer oder Frauen sind, die ganzgenau wissen, was sie tun. Sie planen sehr sorgfältig, um die Tat unter Kontrolle zu haben und nichtentdeckt zu werden. Eine weit verbreitete Meinung ist auch, dass die Täter weder Erfolg haben, nochAnsehen bzw. Beliebtheit besitzen. Deshalb werden sie auch nicht im eigenen Bekannten- oderVerwandtenkreis vermutet. Die Annahme, dass die Täter immer böse und fremd wären, ist allerdingsfalsch, denn die Bedrohung geht meist von einer Vertrauensperson aus. Für die Täter innerhalb derFamilie ergeben sich nahezu ständig Situationen, dem Kind näher zu kommen zu können, so dass erhier gezielt planen kann, dass ihm der Tagesablauf des Kindes bestens bekannt ist.Außerhalb der Familie haben es die Täter dagegen schwerer. Sie kennen das Kind nicht und könnendessen Reaktionen auf die Annäherungen und Übergriffe deshalb auch schlecht abschätzen.Bei dem Versuch dem Kind näher zu kommen, legen die Täter bestimmte Merkmale undVerhaltensweisen an den Tag, die auffällig sind.Es ist beispielsweise auffällig, wenn ein Erwachsener einen großen Teil seiner Zeit mit Kindernverbringen will und bewusst Situationen schafft, in denen er mit Kindern alleine sein kann, ohne dassdafür ein erkennbarer, plausibler Grund vorhanden ist oder sich diese Situation rechtfertigen ließe. Esist ebenfalls ein Alarmsignal, wenn Erwachsene sich so außergewöhnlich für Kinder interessieren,dass sie diese sogar nach Hause einladen und dann medizinische Gründe vorschieben, um denGenitalbereich von Kindern anfassen zu können – oft geschieht das durch intensives eincremen vonwunden Stellen im Genitalbereich und wird häufig wiederholt.Ein typisches Tätermerkmal ist weiterhin, das Sammeln von Kinderpornographie oder – erotik,Presseberichten von sexuellen Straftaten u. ä... Es ist bedenklich und ein ernstzunehmender Hinweiswenn Erwachsene Dinge sammeln, die mit dem sexuellen Missbrauch an Kindern in Verbindungstehen. Das können z. B. Bücher, Zeitungsartikel, Fotos, Videos, private Briefe, Tagebücher,Kleidung, Andenken, Spielzeug, Spiele, oder Bilder sein. Manche Täter befriedigen sich mit diesenDingen oder indem sie sich an frühere sexuelle Straftaten an Kindern erinnern.Auffällig ist auch, wenn Erwachsene fremde Kinder fotografieren und sie dazu mit keinen Geschenkenoder der Aussicht ins Fernsehen oder in die Zeitung zu kommen, überreden. Sie machen dem Kindund den Eltern Hoffnung, dass sie das Kind als Modell beim Fernsehen vorstellen werden. Ebenfallsunnormal ist es, wenn ein erwachsener Mensch ständig Fotos von einem oder auch mehreren Kindernbei sich hat, die gar nichts unmittelbar mit ihm zu tun haben, also weder Verwandte noch Patenkindervon ihm sind.Zum typischen Täterprofil passt ebenfalls der Besitzanspruch des Täters über den Lebenspartner. Erhütet diesen voller Eifersucht und will sich um jeden Preis als Herrscher der Familie behaupten. DieseTäter sind nicht in der Lage, ihre Bedürfnisse von denen des Kindes zu unterscheiden.


13Wenn wir die genannten Merkmale und Auffälligkeiten bei Menschen wieder finden können, solltenwir aufmerksam werden und aufpassen.3.6 Täterkategorien 1Die Täter und die Täterinnen lassen sich in verschiedene Gruppen einteilen. Dabei wird bei dem Täterzwischen den sexuell normalen heterosexuellen Männern, den heterosexuell insuffizienten Männern,den Tätern mit ausschließlich sexueller Orientierung auf Kinder und den Tätern mit sadistischerStörung unterschieden.Der sexuell normale heterosexuelle Täter kann ohne sonstige Delinquenz sein oder aber auchvielgestaltige sonstige Delinquenz (Gewalt-, Eigentums-, Verkehrsdelikte) besitzen. Dieheterosexuellen insuffizienten Männer benutzen Kinder als Ersatzobjekt. Wie der Name schon sagt,vergreifen sich Täter mit ausschließlicher sexueller Orientierung auf Kinder an pubertären- oder weitpubertären Kindern. Diese Art von Tätern ist auch mit den pädosexuellen Tätern zu vergleichen. Tätermit sadistischer Störung können mit oder ohne pädosexueller Orientierung sowie mit oder ohnesadistischen Persönlichkeitsstörungen vorkommen.Die Täterinnen lassen sich in die Liebhaberin, die Mittäterin, die vorbelastete Täterin, die atypischeTäterin und die Mitwisserin einteilen.Die Liebhaberin missbraucht vorpubertäre oder pubertäre Jungen und Mädchen und bezeichnet diesals Liebesbeziehung.Bei der Mittäterin wird die Täterin unter männlichen Einfluss zumindest am Anfang von männlichenMissbrauchern gezwungen, sich am sexuellen Missbrauch des Kindes zu beteiligen. Oft wird derMissbrauch bei einer Trennung des Partners beendet. Viele jedoch missbrauchen unabhängig weiter.Die Täterinnen die in ihrer Kindheit selbst missbraucht wurden - oft schwer, sehr lange und schon sehrfrüh - werden als die vorbelastete Täterin bezeichnet. Sie handelt alleine, initiiert den Missbrauch undwählt meist eigene Kinder, wenn sie noch sehr klein sind.Ausnahmefälle sind die atypischen Täterinnen. Se suchen sich bewusst missbrauchende Männer undzwingen diese zum sexuellen Missbrauch. Diese Täterinnengruppe töte ihre Opfer oder versucht dies.Weiterhin gehören sie zu einer ausschließlich weiblichen pädosexuellen Gruppierung an und siebegehen ihre Tat in einem Zustand der Dissoziation.Unter der Mitwisserin versteht man die Täterinnen, die sich nicht an den Kindern vergreifen, sonderndie darüber bescheid wissen, dass der (Stief -)Vater das Kind missbraucht.1 Text nach:www.aktiv-gegen-sexuelle-gewalt.de/taeter/taeterwer.htm


4 Folgen und Auswirkungen des sexuellen Missbrauchs14Jegliche Gewalt gegen Kinder, sei es in Form von körperlicher und seelischer Misshandlung, vonVernachlässigung sowie in Form des sexuellen Missbrauchs, hat immer Auswirkungen für die Kinder.Speziell die sexuelle Gewalt kann verheerende Folgen für die körperliche und ganz besonders auch fürdie seelische Entwicklung eines betroffenen Kindes haben. Die Folgen die entstehen können, hängenaber sehr vom Einzelfall ab und sollten nicht zu sehr verallgemeinert werden. Bedeutend für dieAuswirkungen sind die Beziehungen zum Täter, die Dauer und Intensität der Gewalterfahrungen,sowie die Verfassung des Kindes und die Situation des sozialen Umfeldes.Ich möchte mit dieser Ausarbeitung näher auf die körperlichen und seelischen Folgen des sexuellenMissbrauchs an Kindern eingehen und ebenso die Auswirkungen, die sich für das weitere Lebenergeben, beschreiben.4.1 Körperliche FolgenDie meisten Mütter und Väter, sowie andere Bezugspersonen suchen bei den Kindern nacheindeutigen Anzeichen, die auf einen Sexuellen Missbrauch hinweisen. So einen derartigen Beweiserhoffen sie sich von einer körperlichen Untersuchung.„Doch sexuelle Ausbeutung von Kindern hinterlässt oftmals keine körperlichen Spuren“ 1 und dahererkennt der Arzt keine direkten körperlichen Anzeichen, die auf den Missbrauch hinweisen könnten.Selbst irgendwelche Veränderungen des Jungfernhäutchens schließen nicht vollkommen auf einesexuelle Ausbeutung, diese können z.B. auf Sportverletzungen zurück zuführen sein.Aber falls es doch Auffälligkeiten gibt sollten folgende Beobachtungen den Arzt aufmerksam machen,dass wären „Knutschflecke“, Hautveränderungen an den Innenseiten der Oberschenkel, paralleleGriffmarken (blaue Flecke oder Abdrücke an Bauch und Oberschenkeln), sowie Bissringe undBlutergüsse am Hals, an den Ohrläppchen, an der Brust, über dem Gesäß und im Genitalbereich.Manchmal kann man auch beidseitige Blutergüsse (Hämatome) oder Unterblutungen unterhalb derNierenregion erkennen, die aufgrund des Festhaltens beim Analverkehr entstehen können. Einigesexuell ausgebeutete Kinder haben Striemen oder andere Spuren einer möglichen Züchtigung an denInnenseiten der Oberschenkel. Bei Untersuchungen der Genital- und Analregion erkennt manmanchmal Rötungen, Entzündungen, Einrisse, Darmrisse und Brandnarben von Zigaretten.Genitale Entzündungen, Geschlechtskrankheiten, genitale Pilzinfektionen und Verletzungsspurenkönnen ebenso wie venerische (geschlechtskranke) Bakterien, Pilz- oder Viralinfektionen (Virusverursachende Infektionen) im Mund durch sexuellen Missbrauch verursacht sein.4.2 Seelische FolgenDie Folgen der sexuellen Gewalt fallen oft sehr unterschiedlich aus. So ziehen sich einige Opferzurück, meiden (Körper-)Kontakte, bemühen sich, nicht aufzufallen und zeigen durch ein minderes1 Ursula Enders: „Zart war ich, bitter war` s – Handbuch gegen sexuellen Missbrauch“, Kapitel IX.: Die Narbender Sexuellen Ausbeutung: Körperliche Spuren, S.164/65


15Selbstwertgefühl oft ein überangepasstes Verhalten. Andere hingegen verhalten sich distanzlosund/oder aggressiv, dieses Folgeverhalten wird häufig als Beleg einer „Mitschuld“ der Missbrauchtenfehlgedeutet, da es nicht das Klischee eines bedauernswürdigen klassischen Opfers erfüllt.Man weiß, dass depressive Kinder häufig aktiv und ruhelos sind, im Gegensatz dazu sind Erwachseneeher träge und in ihrem Tempo verlangsamt.4.2.1 Die Traumatisierung der OpferSexueller Missbrauch führt in der Regel zu einem Trauma, aus dem das Opfer nur schwer herauskommen kann und Hilfe und viel Mitgefühl von Außenstehenden braucht.Als Definition von Trauma gilt, „das Erleben eines extremen, überflutenden Ereignisses, dem mannicht ausweichen kann und das außerhalb der üblichen menschlichen Erfahrung liegt“ 1 . Es kanneinerseits mit Gefühlen der Angst, Erregung und Hilflosigkeit gekoppelt sein, andererseits auch mitheftigen körperlichen Schmerzen. Durch den Versuch die Spannungen und Reize selbst zu beseitigenkann es zum Scheitern des Versuches kommen und die neuen aufeinander folgenden Reize führen zueinem Zusammenbruch jeder Abwehrmöglichkeit, sodass das Gehirn mit der Verarbeitung derInformationen vollkommen überfordert ist.Schwer fällt vielen Opfern, auch Erwachsenen, die Wirklichkeit und Intensität des Traumas zurealisieren und anzuerkennen. So kann es auch passieren, dass manche Betroffenen sich nicht mehr andas eigentlich unvergessliche, dramatische und folgenreiche Ereignis des Missbrauchs erinnern. Mankönnte das als einen gesunden Überlebensmechanismus bezeichnen, um wieder frei von denschrecklichen Gedanken und Gefühlen zu leben. Menschen können dies, in dem sie diese Gefühleabspalten, dissozieren.Opfern erscheint der sexuelle Missbrauch „wie ein, sich ständig wiederholender, schwerer Unfall“ 1und sie können sich entweder überhaupt nicht mehr oder nur noch bruchstückhaft daran erinnern. Sowird das ganze Ereignis geschickt aus dem Tagesbewusstsein herausgehalten, um das Opfer zuschützen.Dieser Mechanismus wird auch als Amnesie (Gedächtnislücke) bezeichnet und ist die häufigste Formder Dissoziation, einer sogenannten „Abspaltung der bewussten Erinnerung an denBedrohungsmoment und an die damit verbundenen Gefühle“ 1 . Michaela Huber meint dazu: „DasGehirn schafft eine Barriere des Nichtwissens und schiebt das traumatische Ereignis dahinter“ 1 . Mankann sich das so vorstellen, dass während einer gewaltvollen Situation, das Kind wie betäubt ist undsich in einem „tranceähnlichen Bewusstseinszustand“ 1 befindet. Diese Situation nimmt es dann wiedurch einen Schleier wahr, sozusagen unbewusst. Diese Veränderung des eigenen Bewusstseins undeinigen bestimmten Zuständen und Erlebnissen gelten in der Erinnerung als „Zeitlücken“ 1 . VieleKinder flüchteten in ihrer Erinnerung in eine Phantasiewelt und erholten sich somit von den Schreckendes Alltags.1 Ursula Enders: „Zart war ich, bitter war´ s - Handbuch gegen sexuellen Missbrauch“, Kapitel VI.: Wenn derMissbrauch aufhört, ist das Trauma noch lange nicht vorbei, Seite


16Durch die unzähligen Zeitlücken können sich viele Opfer meist nur sehr schlecht an bestimmte Detailsder Misshandlung erinnern. Es gibt aber auch Kinder die ausgesprochen gut in der Lage sind zudissozieren, wenn sie merken das die Gefahr der Gewalt naht.Huber erklärt sich das so: „Das Kind flieht sozusagen in eine Nische der eigenen Seele und schafftneue Ichs, zunächst als Zustände oder spezialisierte Fragmente der Persönlichkeit, die etwas erleben,erleiden und wieder in der Amnesie verschwinden“ 1 .Man weiß, „sie spalten Gefühle, Wahrnehmungs- und/oder Gedanken- und Verhaltensmuster ab“ 1 .Dies kann auch zur Abspaltung einer neuen Persönlichkeit im Inneren führen, das eine Schutzfunktionausübt, die Eltern, Bekannte oder Verantwortliche nie übernommen haben. Das Kind hilft sich somitselbst aus dieser schrecklichen Situation. „Die realen Stimmen der unterschiedlichenPersönlichkeiten“ 1 nehmen sie aber nur im inneren der Person wahr. Es ist der Versuch sein eigenesLeben in den Griff zu bekommen und ohne Probleme unabhängig zu leben und es erträglich zumachen. Sie werden daher nicht völlig ausgeliefert. Durch die Spaltung wird die körperliche Integritätverletzt und die Sicherheit, der Schutz und der Genuss des eigenen Körpers eingeschränkt. Der Körperspeichert unbewusste Erinnerungen als „abgespaltene Körpergefühle, wie z.B. Schmerz undErstarrung“ 1 . So empfinden einige bei starken Verletzungen „keinen Schmerz mehr, nehmen Wärmeund Kälte nicht mehr wahr, leiden unter psychosomatischen Schmerzen und/oder sind in ihrenBewegungen blockiert“ 1 .Das Ausmaß der traumatischen Reaktion ist einerseits abhängig von Häufigkeit, Intensität und Dauerder Gewalterfahrungen, vom Alter und der Entwicklungsphase indem sich das Kind gerade befindet,von der Stärke der emotionalen Bindung zum Täter und vom Beistand durch andere. Andererseits vonfrüheren Traumata und der Angst, wieder mit Materialien des dokumentierten Missbrauchskonfrontiert zu werden (wie z. B. bei Kindern die aufgrund von Pornoproduktionen sexuellmissbraucht wurden).4.2.2 Posttraumatische FolgenAußerdem gibt es auch viele kindliche Opfer sexueller Gewalt die unter „PosttraumatischenBelastungsreaktionen“ (PTBR) leiden. Das bedeutet, dass das Kind die erfahrene Gewalt nicht alleinebewältigen und verarbeiten kann. Somit wird das Trauma oder nur Teile davon immer wiederdurchlebt. „In Form von Flashbacks (Erinnerungsblitze/ -filme), Alpträumen oderKörpererinnerungen“ 1 kehren die Erinnerungen an die Gewalt immer wieder auf und überfluten dasOpfer unkontrollierbar. Viele Menschen die diese Dinge durchleben müssen, haben meist keineAhnung warum sie so plötzlich anders handeln oder sich unwohl fühlen. Ein erschreckendes Gefühlkann auch bei Gegenständen und Ereignissen hervor gerufen werden, die einen bestimmten Punkt destraumatischen Erlebnisses symbolisieren oder repräsentieren, wie „z.B. ein Name, eine Farbe, einGegenstand, das Aussehen einer Person oder ein Datum“ 1 .1 Ursula Enders: „Zart war ich, bitter war´ s - Handbuch gegen sexuellen Missbrauch“, Kapitel VI.: Wenn derMissbrauch aufhört, ist das Trauma noch lange nicht vorbei, Seite


17Man kann sagen, dass Opfer immer „zwischen überwältigenden Erinnerungen und lähmenderBetäubtheit (Starre) schwanken“ 1 . Dieses erneute durchleben der Geschehnisse ist ein belastenderProzess und die alte Angst wird wieder und wieder erlebt. Die Opfer nehmen die ganze Situation ausder Vergangenheit wieder wahr, sie haben die Bilder der Misshandlung vor Augen und selbstSchmerzen können wieder auftreten. Somit verschmilzt die Vergangenheit immer mehr mit derGegenwart und die Betroffenen werden von Gefühlen und Erlebnissen der Vergangenheit überflutetund kommen selbst mit normalen Tagesabläufen nicht mehr klar.Ein Großteil der Kinder und Jugendliche die sexuell missbraucht wurden leiden oftmals „unterpsychosomatischen Beschwerden (Schlaf-, Sprach-, Konzentrations- und Essstörungen), Ängsten,Phobien und starken Stimmungsschwankungen“ 1 . Ihre Impulse, Wünsche, Bedürfnisse, Gefühle undEmpfindungen bekommen daher eine ungeahnte Heftigkeit und Intensität. Dies äußert sich z.B. indepressiven Verstimmungen, unkontrollierten Wutausbrüchen und Gewaltanwendungen gegenüberSchwächern. Oft werden sie bei normalen und unbedeutenden Alltagssituationen von plötzlichen„Gefühlen der Angst, Scham, Schuld, Ohnmacht, scheinbar unmotivierter Trauer und Wutüberflutet“ 1 . Viele zweifeln durch diese unerklärbaren Ereignisse an ihrer „eigenen Normalität“ 1 , weilsie diese seltsamen Dinge nicht beeinflussen können und ebenso wenig verschwinden lassen können.Ein anderes typisches Folgeverhalten von Missbrauchten ist das Vermeiden von Aktivitäten oderSituationen, die Erinnerungen an das Trauma hervorrufen. Dies spiegelt sich in „Ein- oderDurchschlafproblemen, Konzentrationsstörungen, chronischer Erschöpfung, extremer Müdigkeit, einerübertriebenen Wachsamkeit, Schreckreaktionen, einer Reizbarkeit und in Weinkrämpfen undWutausbrüchen wieder“ 1 . Die oft heftigen Reaktionen werden meist gar nicht beachtet, oder sogarfalsch gedeutet.Heute weiß man, dass Frauen die in ihre Kindheit wiederholt sexuell missbraucht wurden, dieWahrscheinlichkeit der posttraumatischen Belastungsstörung bedeutend erhöht ist.Doch durch Unterstützung, beispielsweise durch liebenswürdige Eltern oder Bezugspersonen, sowiesichere soziale Kontakte und eine gute Therapie/ Beratung können die belastenden Erlebnisseabgeschwächt oder ausgeglichen werden.Wenn dies jedoch nicht geschieht und die Institutionen oder die Menschen nicht auf direkte Anzeichender Opfer reagieren so kann es häufig zu einem erneuten Trauma kommen. Das zeigt sich dann an demVerhalten der Kinder, die dann z. B. freudlos, zurückgenommen und scheu sind oder aber aggressivund überangepasst wirken.Bekannt ist ebenso, dass bei sexuell missbrauchten „eine posttraumatische Belastungsstörung ohneeine therapeutische Aufarbeitung chronisch werden kann und auch nach 20 bis 30 Jahren nichts vonihrer verheerenden Wirkung verloren geht“ 1 .1 Ursula Enders: „Zart war ich, bitter war´ s - Handbuch gegen sexuellen Missbrauch“, Kapitel VI.: Wenn derMissbrauch aufhört, ist das Trauma noch lange nicht vorbei, Seite


18Weibliche Opfer verbergen ihre Ängste und ihren Selbsthass häufiger als männliche hinter einem fürsie angepassten Verhalten. Die Wut die in ihnen steckt wird nicht gegen den Täter oder gegen anderegerichtet, sondern meist gegen sich selbst. Die Selbstverstümmelung kann eine Form derAutoaggression sein: ein Teil der Opfer will sich „bestrafen, indem sie z.B. brennende Zigaretten aufder Haut ausdrücken, sich Haare ausreißen, sich schneiden“ 1 . Ein anderer Teil verletzt sich, „um denSchmerz zu spüren, das Blut zu sehen – sie möchten spüren, dass es sie noch gibt, dass sie nochleben“ 1 . Suizidversuche gehören ebenso dazu, weil sie die äußere Aggression, der sie ausgesetzt sindan sich selbst auslassen und somit die Aggression gegen sich selbst gerichtet ist.Der Selbstmord ist in dieser Hinsicht die womöglich einzige Chance, „dem Selbsthass, dem Schamund der Verzweiflung ein Ende zu setzen“ 1 . Eine große Mehrheit der Mädchen die sexuell missbrauchtwurden, berichten von Selbstmordgedanken, viele haben schon in ihrer Kindheit oder Jugend versucht,sich das Leben zu nehmen (z.B. durch Unfälle). „Suizid soll jedoch kein Ausdruck von Selbsthasssein“ 1 , sondern ein Weg, um über sein Leben die Kontrolle zu behalten, indem sie ihrem Leben einEnde bereiten, denn dieser Schritt ist der einzig sichere Schutz vor weiteren Übergriffen der Täter.Ein anderer Teil der Opfer versucht der Realität zu entfliehen und nimmt erheblich viel Alkohol oderviele Drogen zu sich, dieser Konsum „ist Ausdruck des Überlebenswillen“ 1 .Wenn die Kinder oder Jugendlichen es schaffen die gegen sich selbst gerichtete Aggression zubeenden und diese gegen den Täter zu richten, haben sie einen wichtigen Schritt zu ihrer Selbstheilungbeigetragen.Eine weitere Folge ist, dass Kinder nach der Aufdeckung der sexuellen Gewalt ein regressives(zurückentwickelnd) Verhalten aufweisen, sie verhalten sich auf einmal „wieder wie ein Kleinkind,trauen sich viele Dinge nicht mehr zu und/oder sprechen in Babysprache“ 1 . Diese Kinder können ineinen starken Stimmungswechsel fallen, brauchen aber viel Schutz und Trost, wenn sie z.B. plötzlichunerahnte Ängste entwickeln. Einige entwickeln sich zurück, jedoch andere wirken aufAußenstehende „sehr erwachsen“ 1 , weil sie sich für die „Geschwister und/oder die Mutterverantwortlich fühlen“ 1 , manche wurden von ihren Tätern auch als „kleine Erwachsene“ behandelt.Dieses Sorgegefühl für andere vermittelte den Missbrauchten ein Selbstwertgefühl, welches ein guterSchritt der Selbsthilfe ist.4.2.3 Weitere FolgenWeitere mögliche Folgen sexueller Gewalt sind z. B. Drogen-, Tabletten- und Alkoholabhängigkeit,Prostitution, Suizidversuche, Magersucht, Bulimie usw.Diese Versuche der Kinder die Aufmerksamkeit der Bezugspersonen auf sich zu richten, um ihnen dieProbleme in ihrem Handeln auszudrücken wird meistens fehlgewertet oder nicht beachtet und weistdaher selten auf sexuellen Missbrauch hin. Somit verschließen sich die Kinder und leben viele Jahre inEinsamkeit. Diese lange Zeit verstärkt das Gefühl der Ohnmacht.1 Ursula Enders: „Zart war ich, bitter war´ s – Handbuch gegen sexuellen Missbrauch“, Kapitel IX.: Die Narbender sexuellen Ausbeutung, Seite 168-170


19Man versucht dadurch die Kinder schon so früh wie möglich über sexuellen Missbrauch aufzuklären,z.B. im Kindergarten- und Grundschulalter, und hofft dass sie lernen sich davor zu schützen. Damitprobiert man, dass dieses Thema offen diskutiert wird und es in unserer Gesellschaft nicht mehr alsTabuthema gilt. Die Kinder sollen lernen, dass sie niemals die Schuld für das an ihnen verübteVerbrechen tragen, ebenso sollen sie sich gegen das Schweigegebot wehren, denn es ist wichtig esanderen anvertrauen zu können um z.B. Hilfe zu erhalten. Vielen Betroffenen fällt dies natürlichschwer, weil sie Angst haben, aber trotzdem hat das veränderte öffentliche Bewusstsein zu einerVerringerung der Schuldgefühle beigetragen.Daher kann man sagen, dass den Opfern mehr und mehr geglaubt wird und sich die Familie oder dieBezugspersonen auf die Seite der Betroffenen stellen. So können durch Hilfeleistungen der Eltern dieHeilungschancen vergrößert werden. Das einzige was weiterhin vorhanden bleibt sind die „Narben“der Gewalt, dies sind besondere Empfindlichkeiten die einem in bestimmten Situationen oderKonfrontationen widerfahren können, in diesen sollte man sehr aufmerksam und sorgsam mit sichumgehen.


205 Behandlungsansätze„Nicht jedes missbrauchte Kind braucht eine Therapie. Ob eine Therapie nötig ist, hängt vonverschiedenen Bedingungen ab, zum Beispiel von Art, Dauer und Schwere des Missbrauchs und vonder allgemeinen Stabilität des Kindes. Ein Umfeld, dass dem Kind ausreichende Unterstützung gibt,kann entscheidend zur Bewältigung seiner Erlebnisse beitragen.“ 1 Eine Therapie kann jedoch einegroße Hilfe sein.Zunächst sollten jedoch einige medizinische Untersuchungen durchgeführt werden, bei denenfestgestellt wird, ob das Kind Verletzungen hat, die behandelt werden müssen oder ob es Infektionendavongetragen hat, wie zum Beispiel Tripper oder andere Geschlechtskrankheiten. „Ein weitererGrund für diese Untersuchung besteht darin dem Kind und auch den Eltern zu versichern, dass dasOpfer nicht dauerhaft durch den Missbrauch geschädigt ist.“ 2Nun können sich verschiedene Möglichkeiten der Therapie anschließen.5.1 MaltherapieDas spontane Malen ist sowohl für die Aufdeckung als auch für die Therapie von besonderem Wert.Die Opfer versuchen sich dadurch von einer zu groß gewordenen Drucksituation zu befreien. Diesklappt allerdings nur wenn das Kind kein vorgegebenes Thema hat was es malen soll. Fordert derTherapeut zur Bearbeitung eines vorgegebenen Themas auf, arbeitet das Kind oftmals gar nicht odernur halbherzig aktiv mit, weil es seine Privatsphäre schützen will. Die Bilder die ohne thematischeVorgabe entstanden sind liefern in einer Verdachtsituation häufig aufschlussreiches Material. Voneinem vom Kind selbst bestimmten Zeitpunkt fängt dieses dann an über die sexuelle Handlung zumalen. Es teilt im Rahmen einer Bilderserie seine sexuellen Erlebnisse mit. Nach und nach geben dieBilder dann immer mehr Auskunft über die individuellen Umstände der Misshandlung.Ob ein sexuell misshandeltes Kind dazu in der Lage ist, seine Erfahrungen spontan zu Papier zubringen, hängt abgesehen von einer persönlichen Motivationslage auch von äußeren, denmaltherapeutischen Prozess begünstig enden Faktoren ab. Eine konkret methodenbezogeneEinstellung des Therapeuten ist von Bedeutung. Weiterhin ist die Atmosphäre des Therapieraumesentscheidend für die Aktivitäten die in ihm stattfinden. An der Wand aufgehängte Kinderbilder alsZeugnisse kreativen Selbstausdrucks verdichten sich zusammen mit der griffbereiten Auswahl anFarben, Pinseln, Stiften und Papieren zur speziellen Aufforderungs- und Anmutsqualität. Ein Raumsolcher Art vermittelt dem Kind das hier gemalt, gezeichnet und gestaltet wird.Treffen äußere Motivationshilfen mit einem starken inneren Ausdrucksbedürfnis zusammen, soverläuft das spontane zeichnen gut und braucht keine weiteren Hilfen.Allerdings ist es keine leicht Übung den sexuellen Missbrauch anhand einer Kinderzeichnungfestzustellen. Es gibt Merkmale und Symbole die immer wieder in Zeichnungen sexuell missbrauchterKinder auftauchen. Was aber nicht heißen soll, dass sobald man in einer Kinderzeichnung auf so ein1 http://fhh.hamburg.de/stadt/Aktuell/behoerden/soziales-familie/jugend-und-familie/informationen-undberatung/sexueller-missbrauch-was-tun/start.html2 Charlene Y. Senn: „Gegen jedes Recht – sexueller Missbrauch und geistige Behinderung“, Seite 57


21Merkmal stößt, es sich gleich um ein misshandeltes Kind handelt. Um so etwas beurteilen zu könnenbraucht man viel professionelles Wissen und viel Erfahrung. Selbst Maltherapeuten, die mit solchenSachen vertraut sind, haben ihre Schwierigkeiten.Kinder die in ihrer Familie aufgefordert wurden keine sexuellen Inhalte mehr zu malen, weil sie schonvon einer Erzieherin auf den Missbrauch angesprochen wurden, fangen an ihre Bilder in Metaphern zumalen zum Beispiel die Erektion des Penis wird als Schwert, Elefantenrüssel oder als Schlangegemalt. Cohen Liebmann stellte eine Liste von Merkmalen aus 16 Studien zusammen 1 , die inZeichnungen sexuell misshandelter Kinder auftraten. Hier ist ein Ausschnitt der Liste:- Bilder werden zerknüllt und weggeworfen → das Kind will es nicht wahr haben- Das Kind malt zwischen sich und den Täter dicke Wände → dies ist der Wunsch des Kindes- Kinder zeichnen sich meistens nicht selbst → sie denken, dass sie somit nicht da sind undnicht angegriffen werden können- Betonung der Genitalien, was bei normalen Kinderzeichnungen unüblich ist5.2 PsychotherapiePsychotherapie „bedeutet die Anwendung psychologischer Behandlungsverfahren“ 2 , wie zum Beispielzielgerichtete Aussprachen, autogenes Training oder Hypnose, „zur Heilung oder Linderung vonkrankhaften Störungen im Bereich der Wahrnehmung, des Verhaltens, der Erlebnisverarbeitung, dersozialen Beziehungen oder der Körperfunktionen“ 2 , wenn diese Ursprung von „Krisen seelischenGeschehens oder psychogen sind“ 2 . Der Therapeut kann entweder mit einem oder mehreren Patienten,mit Paaren oder auch mit Familien arbeiten. Ein sexuell missbrauchtes Kind leidet meist unter einemTrauma. Nun ist es an der Psychotherapie dem Kind bei der Bewältigung dieses Traumas zu helfen.Um einer Person helfen zu können muss der Therapeut folgende Grundsätze der Traumatherapiebeherrschen und anwenden:• Der Helfer muss dem Patienten helfen wieder zur Normalität zurückzufinden und ihm zeigen, dassseine Reaktionen völlig normal sind, da der Patient seine Reaktionen meist als unnormal einstuft.• Ein „maßgeschneiderter Behandlungsplan“ 3 ist zu erstellen, der auf die Individualität des Patienteneingeht.• Der Therapeut muss dem Opfer dabei helfen das Leben wieder in die eigenen Hände zu nehmenund es selbst zu gestalten. Er muss aber auch helfen, damit der Patient wieder Zugang zu seinenStärken und eigenen Bewältigungsstrategien findet.• Um Erfolg zu erzielen ist Zusammenarbeit zwischen Therapeut und Patient aber auch mit Familieund Freunden sehr wichtig• Der Therapeut muss zusammen mit dem Opfer intensiv über das erlebte sprechen und es vertiefen.Nur so ist die Möglichkeit der guten Verarbeitung gegeben. Außerdem sollte geübt werdenKontrolle über die aufkommenden Erinnerungen zu halten.1 www.uni-bamberg.de/~ba3sw1/referate-stud0001/hacker-christina-kizei/hacker-christina-kizei.htm2 Brockhaus Enzyklopädie, Band 17, Seite 599, Stichwort Psychotherapie3 Gitti Hentschel: „Skandal und Alltag – Sexueller Missbrauch und Gegenstrategien“, Seite 127


22• Auch das Deuten und einsetzen von Symbolen aus Träumen, kann zur Verarbeitung beitragen.• Nach einer Sitzung muss der Therapeut seinen Patienten wieder in einen entspannten Zustandzurückversetzen.Wenn der Helfer all diese Grundsätze kennt und anzuwenden weis, kann er dem Patienten schon vielhelfen.Wenn ein Patient zu einem Psychotherapeuten kommt, will dieser meist erst einmal wissen warum erkommt und um Hilfe bittet. Der Therapeut schätzt nun den Zustand seines Patienten ein und schaut aufdessen näheres Umfeld. Den Menschen um das Opfer herum gibt er wertvolle Tipps, wie sie sich ihmgegenüber verhalten sollen um ihm ebenfalls helfen zu können. Danach wird sich der Therapeut mitseinem Klienten zusammensetzen und mit ihm einen individuell auf den Patienten zugeschnittenenBehandlungsplan ausarbeiten, nach welchem die Therapie ablaufen soll. Im Rahmen dieses Planesfinden in regelmäßigen Abständen Sitzungen statt, die fast immer gleich ablaufen• Zu Beginn der Sitzung soll der Patient meist erst einmal von seinen Empfindungen erzählen die erletzen Tage gehabt hat. Der Therapeut erhält so einen Einblick in die zwischenzeitlicheEntwicklung seines Patienten.• Nun soll sich der Patient eine Erinnerung auswählen über die er mit dem Therapeuten sprechenwill. Bei der Behandlung von sexuell missbrauchten Kindern steht noch das Spielen zur Wahl.• Patient und Therapeut reden nun gemeinsam über die Erinnerung und gehen genauesten auf jedeKleinigkeit ein, wie zum Beispiel auf Gerüche, Geschmäcker, Stimmen oder Geräusche.• Der Therapeut hilft nun die damit verbundenen negativen Erinnerungen zu verarbeiten und zuvergessen.• Nun möchte der Therapeut noch wissen wie sich sein Patient jetzt fühlt.• Am Ende einer jeden Sitzung werden noch einmal entspannende Übungen durchgeführt um denPatienten wieder in einen entspannten Zustand zurückzuversetzen.5.3 Kunst- und GestaltungstherapieDiese Form der Therapie ist eine Möglichkeit sich durch z. B. zeichnen, malen oder plastizierenauszudrücken und zu versuchen das erlebte Geschehen zu verarbeiten, die Gestaltung kann denMenschen dabei helfen.In den bildnerischen Gestaltungen der Patienten findet die Imagination einen starken Ausdruck, dieserkann von anderen Menschen wahrgenommen werden, genauso wie er auch mit anderen geteilt werdenkann.Das künstlerische gestalten zeigt eine „Verstärkung und Vertiefung der Imagination“ 1 , die Imaginationist eine Einbildung bzw. eine Einbildungskraft, dadurch entsteht ein bildhafte Fantasie oder einbildhaftes Denken. Man kann davon ausgehen, dass das Malen und Plastizieren die 1. Möglichkeit istum sich der inneren Bilderwelt angstfrei zuzuwenden und ebenso den Zugang zu1 Riedel, 1999 In: Luise Reddemann „Imagination als Heilsame Kraft- zur Behandlung von Traumafolgen mitressourcenorientierten Verfahren“


23Imaginationsübungen zu erleichtern. Außerdem wird durch Imagination die Möglichkeit desAusdrucks und der Handlungserfahrung gezeigt.Sehr positiv ist, dass das Gestalten, bei Patienten die unter innerer Überflutung leiden, eineStrukturierung und Differenzierung, der als durcheinander erlebten inneren Welt, bewirkt.Anzubringen ist auch das die Gestaltung nicht nur Bewusstes sichtbar macht, sondern ebensoUnbewusstes, das bildet in der Therapie einen Schlüssel zu den individuellen Belastungen undRessourcen der Patienten. Die Gestaltung wird zu einer Art Konfrontation oder Spiegel, mit dem sichder Patient identifizieren und auseinander setzen kann, dies bringt eine „direkt erlebbareHerausforderung zur Verwandlung, eine Chance zur Veränderung“ 1 .Die notwendigen und blockierenden destruktiven Wahrnehmungs- und Handlungsmuster findenanfangs ihren Ausdruck in Inhalt und Umgang mit der bildnerischen Gestaltung als Selbstrepräsentanzund Übertragungsobjekt, daher ist es wichtig eine therapeutische Begleitung zu haben, die dasGestalten in einer aufbauenden und lebensbejahenden Weise wirksam werden lässt.5.3.1 StabilisierungMan ist sich bewusst, dass während des freien Malens spontan Bilder entstehen können, die dastraumatische Geschehen real oder nur symbolisch verschlüsselt abbilden. Dies äußert sich in Dingendie erlebt wurden und dem Bewusstsein bis zu diesem Moment nicht zugänglich waren, dieseErlebnisse konnten auch noch nicht in Worte gefasst werden. Ebenso weiß man, dass es beimsexuellen Missbrauch ein hohes Schweigegebot gibt, jedoch kein Malverbot. Diese Bilder könnendann wichtige Mitteilungsträger sein und die tiefe Isolation durchbrechen.Therapeuten müssen auch immer ihre Patienten unterstützen und ihnen gegenüber aufmerksam seinund sie nicht ihren Empfindungen und Gefühlen ausliefern.Das Gestalten ist an und für sich entlastend und spannungslösend, doch es wurde festgestellt dasPatienten die unter schweren dissoziativen Störungen leiden, das genannte nicht zutrifft. Denn dasspontane Malen traumatischer Erlebnisse kann wieder auflebende Zustände auslösen oder verstärken,wenn der Patient noch nicht in der Lage ist, sich von belastenden Bildern zu befreien und den Kontaktzu tröstenden und heilenden Symbolen aufzunehmen. Wenn das freie Malen die Person nicht in einenstabilen Zustand bringt, werden dem Patienten Kreisbilder (Mandala) empfohlen, bis sie selbst in derLage sind ihren eigenen Malprozess selbst zukontrollieren. Denn diese Bilder werden in vielenKulturen zur Beruhigung, Sammlung, Konzentration und Zentrierung verwendet. Am günstigstenkönnen die Mandalas bei inneren Unruhe, Überflutungs- und Selbstauflösungsängsten helfen, da sieeine klare Umgrenzung haben und somit eine strukturierende und beruhigende Wirkung haben.Die Patienten sollen sich dann das Kreisbild als einen Raum vorstellen und sich in ihn hinein versetzenund dort alle Wahrnehmungen, Empfindungen und Gefühle zulassen. Am Ende wird dem Mandalanoch ein Titel gegeben, der einen Teil vom subjektiv Erlebten preisgibt.Die Verwendung eines Mandala – Vordrucks befreit die Patienten vor der Furcht, beim Gestalten dieKontrolle zu verlieren und zu früh zu viel von sich preiszugeben.


24Zu Beginn der Therapie malen Patientinnen häufig bodenlose Löcher, Tunnel, Spiralen, Strudel oderWirbel, von denen sich die Frauen/Mädchen in unendliche Weite oder Tiefe gezogen fühlen. Durchein geschicktes Lenken der Aufmerksamkeit auf die Quellen der Gestaltungen können Gegenbilderentstehen und die Patientin kann einen >Pendelschwung< zwischen destruktiven und konstruktivenRepräsentanzen ermöglichen.Viele Patienten haben Angst ihre Gefühle zuzulassen, besonders wenn sie mit ihrer Wut in Kontaktkommen, führt das zu Aggressionen die sie gegen sich selbst richten. In der Gestaltungstherapie äußertsich das in einer zwanghaften Zerstörung von bildnerischen Gestaltungen, in einer selbstquälerischenBeschäftigung mit Schreckensbildern und in einer körperlich schädigenden Art und Weise, mit sichselbst und dem Material umzugehen.Während einer Therapie ist es wichtig, die Patienten in der sorgfältigen Unterscheidung von heftigenReaktion (Erregung) zu unterstützen, ihnen zu helfen Kontrolle über ihre Aggressionen zu haben. Istselbstzerstörerisches Verhalten im Gestalten sichtbar, so kann die Therapeutin die Gründe untersuchenund mit den Patienten Möglichkeiten suchen sie in ihren Problemen zu unterstützen und dieaggressiven Impulse zu tätigen, ohne sich selbst oder anderen Schaden zuzufügen.Um den Druck der eigenen Verletzung herab zu setzen, hilft die Gestaltung eines sicheren Rahmens.Um ein Blatt Papier wird zunächst ein Rahmen gestaltet, der stabil und sicher sein soll, so dass er auchden ganzen Körper schützen kann. Der Patient wählt Größe der Malfläche, die Farbe, Breite undDichte des Rahmens selbst. Die mit der Aggression verbundenen Bewegungsimpulse können hier zumAusdruck gebracht werden, insbesondere kann man die Wut in eine feste und damit leichterkontrollierbare Form bringen. Die Wut wird dann in das Innenfeld, des sicheren Rahmens,hineingestaltet. Diese Art der Vorgangsweise lässt sich auch „für alle anderen ängstigenden Bilder,Körperempfindungen und Gefühle einsetzen“ 1 .1 Luise Reddemann: „Imagination als Heilsame Kraft- zur Behandlung von Traumafolgen mitressourcenorientierten Verfahren“


25ZusammenfassungNachdem wir uns über viele Monate im Rahmen unserer Recherchen zur <strong>Seminarfacharbeit</strong> intensivmit dem Thema Sexueller Missbrauch von Kindern beschäftigt haben, gibt es für uns nur eineSchlussfolgerung:Reagieren statt ignorieren!Dieses Motto könnte für jeden Abschnitt unserer Arbeit Teilüberschrift sein.Jedes Kind welches sexuell Missbraucht wurde, zeigt bestimmte Erkennungskriterien auf, die niemandmissachten sollte. Die Mitmenschen dürfen nicht wegsehen, sondern müssen dem Opfer glaubenschenken und es ermutigen mehr zu erzählen, wenn sie die Vermutung haben, dass etwas nicht stimmt.Ein Kind braucht sieben Anläufe, bis ein Erwachsener die Signale erkennt.Es ist schwer einen Täter zu identifizieren, da er aus jeder sozialen Schicht stammen kann und keinbesonderes Aussehen besitzt. Wenn jedoch Auffälligkeiten bestehen, die auf einen Täter hinweisenkönnten, sollte man unbedingt aufmerksam werden und eine Beratungsstelle aufsuchen. Schauen Sieauf keinen Fall weg!Bestimmte Verhaltensweisen von Kindern können direkte Hinweise auf einen sexuellen Missbrauchsein, wie zum Beispiel Konzentrationsstörungen, übertriebene Wachsamkeit, Schreckreaktionen,Weinkrämpfe und Wutausbrüche. Dabei ist zu berücksichtigen und zu unterscheiden, ob diesesVerhalten der Normalität entspricht, oder übertrieben und überangepasst ist. Auch hier ist besonderswichtig: Reagieren statt ignorieren!Wenn ein Kind sexuellen Missbrauch erfahren musste, ist es ganz wichtig, diesem Kind beizustehenund ihm mit professionellen therapeutischen Maßnahmen zu helfen, die seelischen Wunden desMissbrauchs aufzuarbeiten. Trotz guter Therapiemöglichkeiten bleiben immer „Narben der sexuellenGewalt“ 1 zurück.Am Ende unserer Ausführungen möchten wir auf unseren Seminarfachbetreuer Herrn Gans vomStrohhalm e. V. Jena aufmerksam machen, der uns das ganze Jahr über fachlich begleitet und beratenhat.Er hat stets für uns Zeit gefunden, uns geduldig alle Fragen beantwortet, uns Hinweise gegeben und erhat uns auch mit entsprechendem Material zum Thema versorgt. Dafür möchten wir ihm ganz herzlichdanken. Es hat uns viel Freude gemacht, mit ihm zusammen zu arbeiten.1 Ursula Enders: „Zart war ich bitter war` s – Handbuch gegen sexuellen Missbrauch“, Seite 163

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