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Vanessa C. Duss Jacobi - Erste Europäische Internetzeitschrift für ...

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zeigt, was auf der Hand lag: dass es um das Verhältnis von Bürger und Staat und die Ausgestaltung<br />

des „Rechtsstaats“ ging. Alle drei Modelle wurden, wie der Beitrag anschliessend<br />

aufzeigt, denn auch innerhalb von ca. hundert Jahren praktisch umgesetzt, 15 bis sich<br />

schliesslich das Verwaltungsgerichtsmodell durchsetzte.<br />

Prof. Dr. Benjamin Schindler fertigt in seinem Beitrag „ein Portrait“ des Verwaltungsgerichts<br />

von 1909 an, wobei er ebenfalls kurz auf die Entstehungsgeschichte und die drei in<br />

Sybille Hofers Beitrag beschriebenen Modelle zurückblickt und erwähnt, dass <strong>für</strong> die<br />

Schweiz bis 1798, d.h. im Ancién Régime, das Modell der Administrativjustiz den Normalfall<br />

darstellte, dieses Modell der verwaltungsinternen Rechtspflege die Schweiz lange prägte<br />

und auch heute noch bei der erstinstanzlichen Überprüfung von Verwaltungsentscheiden<br />

in den Kantonen verbreitet ist. Erst das 1909 geschaffene Verwaltungsgericht des Kantons<br />

Bern darf als erstes unabhängiges und von der ordentlichen Gerichtsbarkeit vollständig<br />

getrenntes Verwaltungsgericht der Schweiz angesehen werden – die nächsten Verwaltungsgerichte<br />

erhielten lange 50 Jahre später zwei Kantone: Zürich und Basel-Landschaft.<br />

Die Pionier- und Wegbereiterrolle in Sachen Verwaltungsgerichtsbarkeit ist demnach klar<br />

dem bernischen Verwaltungsgericht von 1909 zuzuschreiben, ermöglicht wurde sie durch<br />

die am 1. Juli 1893 in Kraft getretene Staatsverfassung des Kantons Bern. 16 Die erste Wirkungsstätte<br />

war das Berner Rathaus, also Sitz des Grossen Rats (Kantonsparlaments) und<br />

der Kantonsregierung. Die ersten neun Richter 17 – gewählt unter stimmberechtigten (und<br />

15 In einer ersten Phase herrschte das Administrativjustizmodell, beginnend mit der Mediationsverfassung<br />

des Kantons Bern von 1803 und dem Gesetz über Administrativstreitigkeiten von 1818, wonach der<br />

Kleine Rat als letzte Instanz <strong>für</strong> Verwaltungsstreitigkeiten zuständig war, jedenfalls in allen Fällen, in<br />

denen neben privaten auch staatliche Interessen berührt waren (in allen anderen Fällen das Appellationsgericht).<br />

Mit den Verfassungen von 1831 und 1846 vollzog sich ein Übergang zum Justizstaatmodell,<br />

wo „sämmtliche Administrativprozesse dem Civilrichter überwiesen [...] und nur alle reinen Verwaltungsstreitigkeiten<br />

[...] der Regierungsrath [...] beurtheilen wird (S. 11). In einer dritten Phase, mit<br />

dem Gesetz über öffentliche Leistungen von 1854, vollzog sich eine Rückkehr zur Administrativjustiz,<br />

in der vierten Phase wurde vergeblich um die Administrativjustiz gekämpft, Verwaltungsgerichtshöfe<br />

aber – dies trotz Nichtbeachtung des damals wichtigsten Werks in der zeitgenössischen, wissenschaftlichen<br />

Debatte zum Thema Verwaltungskontrolle, dem 1864 erschienen Buch „Der Rechtsstaat“ von Otto<br />

Bähr, durch welches die Forderung „Man schaffe die Gerichte des öffentlichen Rechts“ berühmt wurde<br />

– die ersten Erwähnungen fanden. In einer fünften Phase, von der Kantonsverfassung von 1893 bis zum<br />

Gesetz betreffend die Verwaltungsrechtspflege 1909, wurde dann die Verwaltungsgerichtsbarkeit ausgestaltet.<br />

16 Mit ihrem Art. 40 Abs. 2, der da lautete: „Durch das Gesetz soll ein besonderes Verwaltungsgericht eingeführt<br />

und dessen Zuständigkeit bestimmt werden.“<br />

17 Ein ständiger Präsident, ein nichtständiger Vizepräsident und sieben nichtständige Richter. Die personelle<br />

Zusammensetzung gestaltete sich äusserst interessant und prominent, es befanden sich darunter der<br />

Sohn eines Friedensnobelpreisträgers (Ernst [Ernest] Gobat, Sohn von Albert Gobat, zusammen mit Élie<br />

Ducommun Friedensnobelpreisträger 1902), ein amtierender Nationalrat (Friedrich Bühlmann, Vizepräsident<br />

des Gerichts), zwei künftige Nationalräte (Jakob Hadorn, 1919-1928 BGB; Emil[e] Ryser, 1914-<br />

1922 SPS) ein künftiger Regierungsrat (Fritz [Friedrich] Volmar, 1920-26 BGB-Mitglied des Berner<br />

Regierungsrats) und ein künftiger Bundesrichter (Karl Z’Graggen, seit 1913 <strong>für</strong> die SPS Ersatzrichter<br />

am Bundesgericht und 1920-1929 Bundesrichter). Z’Graggens Tochter Lily wurde als erste Frau zum<br />

Berner Fürsprecherexamen zugelassen, wo<strong>für</strong> Z’Graggen gekämpft hatte – dies unter Berufung auf die<br />

bürgerliche Ehrenfähigkeit im Einführungsgesetz zum Zivilgesetzbuch des Kantons Bern, einem Gesetz,<br />

welches Kollege Friedrich Bühlmann entworfen hatte). Der Beitrag Schindlers enthält Kurzbiografien<br />

des Vizepräsidenten Bühlmann und Karl Z’graggen, welche Schindler exemplarisch <strong>für</strong> die schillernde<br />

13

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