Vanessa C. Duss Jacobi - Erste Europäische Internetzeitschrift für ...
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20 Jahre später, gegen Ende der 1970-er Jahre, zeigten sich wiederum strukturelle Unzulänglichkeiten<br />
in der Verwaltungsrechtspflegeordnung: Die Trennung von Klage- und Beschwerdematerien<br />
beruhte auf Zufälligkeiten, das Absprechen der Verfügungskompetenz<br />
von Kanton und Gemeinden in gewissen Bereichen erschien unzeitgemäss, der Unterbau<br />
der nachträglichen Verwaltungsrechtspflege (Anfechtungsstreitverfahren) war unzureichend,<br />
weil ein Verfahren auf Erlass von Verfügungen fehlte, und der Rechtsmittelweg<br />
im Anfechtungsstreitverfahren verzettelte sich oftmals über mehrere Instanzen mit gleicher<br />
Prüfungsbefugnis. Alte Zweifel an der Enumerationsmethode und an der Eignung des Gesamtregierungsrats<br />
als letzte verwaltungsinterne Instanz waren nach wie vor existent. Materielles<br />
Bundesverwaltungsrecht verquickt mit kantonalem Recht und der sog. Vollzugsföderalismus<br />
hiessen die Gemeinden, nicht nur kommunales, sondern zunehmend auch kantonales<br />
und eidgenössisches Recht anzuwenden. Eine Veränderung musste her und kam in<br />
Form einer Totalrevision, welche nicht nur das VRPG 89 sondern auch den geänderten Art.<br />
40 StV zutage förderte, mit welchem der Kanton Bern erstmals das nichtstreitige Verwaltungsverfahren<br />
einführte. 116 Zudem wurde der Instanzenzug <strong>für</strong> das Anfechtungsstreitverfahren<br />
nach Möglichkeit zweistufig gestaltet, was bedingte, dass die Verfügungsbefugnis<br />
praktisch durchgehend von der Fachdirektion auf deren untere Verwaltungseinheit(en) delegiert<br />
werden musste (und als erste, verwaltungsinterne Beschwerdeinstanz die Fachdirektion<br />
eingesetzt wurde). Als zweite Beschwerdeinstanz wurde eine verwaltungsexterne Instanz<br />
– das Verwaltungsgericht – bestimmt, wobei <strong>für</strong> dessen Zuständigkeit neu eine Generalklausel<br />
117 (auch im Bereich des Sozialversicherungsrechts) sorgte und der Regierungsrat<br />
als Vorinstanz des Verwaltungsgerichts ausschied. Er blieb im Rahmen der nachträglichen<br />
Verwaltungsrechtspflege kantonal einzig bzgl. Ermessens- oder bei fachtechnischen Fragen<br />
und bei speziell politischen Angelegenheiten zuständig, die wenig bis nicht justiziabel waren.<br />
Diese Regelung sollte sich wegen der Kollision mit Art. 6 Ziff. 1 EMRK noch als<br />
problematisch erweisen. Mit dem VRPG 89 mutierte das Verwaltungsgericht zum Berufsgericht,<br />
118 was sich angesichts der erneut gestiegenen Geschäftslast insbesondere im Sozialversicherungsrecht<br />
aufgedrängt hatte. Hatte die Teilrevision VRPG 61 noch die Klammer<br />
„Gesamtgericht“ um Verwaltungs- und Versicherungsgericht gezogen, war die fachliche<br />
Spezialisierung im Sozialversicherungswesen nun so weit fortgeschritten, dass diese<br />
rechtspflege, Tagblatt des Grossen Rates 1971, Beilage 6, vgl. FN 36 und 30 des Beitrags.<br />
116 Auf der Basis der Idee des Vorrangs der Verfügung wurde damit ein Verfahren auf Erlass einer Verfü-<br />
gung eingerichtet.<br />
117 Dies bedingten einen Systemwechsel in der Umschreibung der verwaltungsgerichtlichen Zuständigkeit<br />
von der Enumerationsmethode mit Teilgeneralklauseln des VRPG 61 zur Generalklausel nach Art. 74<br />
Abs. 1 VRPG 89 mit einem Ausnahmekatalog in Art. 75 bis 78 VRPG 89, was erlaubte dass alle nicht<br />
ausgenommenen Verfügungen und Entscheide der Regierungsstatthalter, Direktionen und des Regierungsrates<br />
neu direkt mit Beschwerde beim Verwaltungsgericht anzufechten, ganz egal, ob eidgenössisches,<br />
kantonales oder kommunales Recht zugrunde lag.<br />
118 Mit 12 bis 19 vollamtlichen Mitgliedern und 8 Ersatzrichtern, wobei alle Mitglieder über eine abgeschlossene<br />
juristische Ausbildung verfügen mussten, die sie zur Ausübung des Berufes des Anwalts oder<br />
Notars im Kanton Bern berechtigte. Für Grossräte bestand Wahlbarkeitsausschluss, und alle mussten<br />
eine der beiden Landessprachen Deutsch und Französisch beherrschen.