Vanessa C. Duss Jacobi - Erste Europäische Internetzeitschrift für ...
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erseits darin, dass der Vorinstanz die prinzipielle Verantwortung <strong>für</strong> die korrekte Sachverhaltsermittlung<br />
zukommt. 93 Vorab werden einige Besonderheiten genannt 94 und dann der<br />
Einfluss der bernischen auf die bundesrechtliche Rechtsprechung hinsichtlich folgender<br />
Fragestellungen untersucht: Unterstellung unter die und Finanzierung der Sozialversicherung,<br />
deren Leistungen, koordinationsrechtliche Aspekte und sozialversicherungsrechtliches<br />
Verfahren. Im Ergebnis konstatiert Kieser eine grosse Selbständigkeit des bernischen<br />
Verwaltungsgerichts, sowie dass es ihm gelungen ist, zentrale Entwicklungen der bundesrichterlichen<br />
Rechtsprechung zu initiieren, 95 konstant zu verfolgen 96 und erfolgreich<br />
Grundsatzentscheide zu provozieren 97 . Das Verwaltungsgericht des Kantons Bern zeigt<br />
sich also – das ergibt die Analyse der rund 250 Urteile – als Erfolgsmodell eines kantonalen<br />
Gerichts, welches seine Aufgabe wahrnimmt, Weiterentwicklungen einer feststehenden<br />
Praxis in wichtigen Rechtsbereichen (wie hier des Sozialversicherungsrechts) einzuleiten<br />
und die Legitimität der höchstrichterlichen Rechtsprechung stets auf Neue zu verifizieren.<br />
Denn – dies sei betont – es obliegt in erster Linie der kantonalen Rechtsprechung gesellschaftliche<br />
Entwicklungen rasch zu erfassen.<br />
Stefan Wyler’s Beitrag stellt <strong>für</strong> einmal keinen wissenschaftlichen sondern vielmehr einen<br />
journalistischen Essay dar und dreht sich um die Aussensicht der Medien auf das Berner<br />
Verwaltungsgericht. Der Beitrag ist kongruent mit dem Vortrag, den der Journalist am 6.<br />
November 2009 am Symposium „100 Jahre Verwaltungsgericht Kanton Bern“ gehalten hat<br />
und ist deswegen im Vortragsstil wiedergegeben. Zunächst konstatiert er ein allgemeines<br />
Interesse der Medien an den Konflikten zwischen Bürger und Staat und begründet dieses<br />
93 Vgl. Art. 97 BGG.<br />
94 Nämlich, dass sämtliche Urteile (BGE) in den Bänden 97 V bis 98 V (1971 und 1972, total 10 Urteile)<br />
zu einer teilweisen oder ganzen Gutheissung geführt haben, dass die längste Reihe von Urteilen, bei denen<br />
weder der Versicherungsträger noch die Aufsichtsbehörde Beschwerde eingereicht hatte, aus 20 Urteilen<br />
in den Jahren 1972 bis 1974 besteht und dass diese beiden Instanzen hingegen in den Jahren 1982<br />
(75%), 1984 (67%), 1988 (78%), 1995 (60%) und 2003 (67%) diejenige Prozesspartei waren, die am<br />
häufigsten vor Bundesgericht ging.<br />
95 Prominentestes Beispiel: Bei der Unterstellung unter die Sozialversicherung waren im Rechtsvollzug<br />
viele Abgrenzungsfragen zu klären, da die Leistungspflicht der verschiedenen Versicherungen an unterschiedlichen<br />
Kriterien anknüpfen (z.B. am Wohnsitz, Aufenthalt, Nicht-/Erwerbstätigkeit, Selbständig-<br />
/Unselbständigkeit). Hier hat das bernische Gericht die Rechtsprechung zur AHV-rechtlichen Erfassung<br />
von Konkubinatspartnern und -partnerinnen wesentlich geprägt, indem es eine Praxisänderung einläutete:<br />
galt der nicht erwerbstätige Konkubinatspartner in Bezug auf die Haushaltführung als nicht selbständig<br />
erwerbend, nahm das Gericht statt einer unselbständigen Erwerbstätigkeit eine Nichterwerbstätigkeit<br />
an. Das Bundesgericht hob zwar diesen Entscheid von 1982 noch auf, liess sich aber im Jahr 1997 (BGE<br />
125 V 205) zu einer Praxisänderung bewegen.<br />
96 Eine Entwicklung erfolgte in der Regel über Jahre hinweg, wie z.B. bei der Frage nach dem einheitlichen<br />
Invaliditätsgrad in der Sozialversicherung oder bei der Entwicklung der Rechtsprechung zum Kausalzusammenhang,<br />
wo die bernische Vorinstanz massgebende Entwicklungen lange Zeit beeinflusste.<br />
97 Z.B. bei der Frage der Finanzierung der Sozialversicherung: die Abgrenzung zwischen selbständiger und<br />
unselbständiger Tätigkeit ist dort zentral, weil sich danach die Unterstellung und damit auch Finanzierung<br />
der einzelnen Versicherungszweige richtet. Hier hatte das bernische Verwaltungsgericht bezüglich<br />
AHV-rechtlicher Qualifikation des Empfangs von Schmiergeldern (es taxierte dies als unselbständige<br />
Erwerbstätigkeit) einen Entscheid zu fällen, der vom Bundesgericht bestätigt und als Grundsatzentscheid<br />
bezeichnet wurde.<br />
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