Vanessa C. Duss Jacobi - Erste Europäische Internetzeitschrift für ...
Vanessa C. Duss Jacobi - Erste Europäische Internetzeitschrift für ...
Vanessa C. Duss Jacobi - Erste Europäische Internetzeitschrift für ...
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Recht auf Akteneinsicht, 60 der Pflicht zur Information über den Umfang der Mitwirkungspflicht<br />
bei der Sachverhaltsfeststellung 61 und der Pflicht zu Rückweisung, Nachfristansetzung<br />
62 und Hinweis auf die Säumnisfolgen 63 bei unklaren oder unvollständigen Beschwerdeschriften<br />
können richterliche Handlungspflichten im Sinne von Hilfs- und Aufklärungspflichten<br />
gefolgert werden. Der Beitrag zeigt im Ergebnis, dass die öffentlich-rechtlichen<br />
Verfahrenserlasse durchaus – wenn auch nicht explizit – richterliche Aufklärungs- und Fürsorgepflichten<br />
enthalten, formuliert als direkte Handlungsanweisungen an die Richtenden<br />
oder indirekt als Parteirechte oder Information über Parteipflichten. Diese Hilfs- und Aufklärungspflichten<br />
sind aber zugleich funktional begrenzt, sie dienen letztlich der Sicherstellung<br />
eines fairen Verfahrens, sie erfahren ihre Grenze demnach dort, wo entsprechende<br />
Handlungen der Richtenden mit entgegenstehenden Interessen der Gegenpartei oder der<br />
Öffentlichkeit am Vertrauen in die Justiz oder an einer fairen Rechtspflege kollidieren.<br />
Mit einer weiteren richterlichen Handlungspflicht setzt sich Prof. Dr. Markus Müller in<br />
seinem Beitrag über die innere Unabhängigkeit des Richters auseinander. Er geht darin<br />
einerseits der Frage nach, weshalb die Verwaltungsgerichtsbarkeit als Krönung des Rechtsstaats<br />
gelten soll. Andererseits, was der Krone ihre Strahlkraft verleiht, und kommt zu zwei<br />
Schlüssen: Als Krönung gilt die Verwaltungsgerichtsbarkeit deshalb, weil sie dem Bürger<br />
die Möglichkeit gibt, die Entscheide der Verwaltung durch eine eigens da<strong>für</strong> geschaffene<br />
dritte Staatsgewalt – die Justiz – auf Verfassungs- und Gesetzmässigkeit zu überprüfen, und<br />
ihre besondere Strahlkraft erhält die Krone durch den in der Front eingemitteten Diamanten,<br />
die richterliche Unabhängigkeit. Den Glanz verleihen dem Diamanten zwei Facetten:<br />
die institutionelle Unabhängigkeit einerseits und die innere und damit individuelle Unabhängigkeit<br />
andererseits, wobei letztere als conditio sine qua non <strong>für</strong> erstere angesehen werden<br />
muss. Demnach muss ernsthaftes Nachdenken über die Unabhängigkeit der Verwaltungsgerichtsbarkeit<br />
bei der inneren Unabhängigkeit des einzelnen Richters einsetzen –<br />
sozusagen dem Echtheitszertifikat des Diamanten. Gefahr droht denn auch gleich von mehreren<br />
Seiten: enge Beziehungen zu einer Partei positiver wie negativer Art, Vorbefassung in<br />
einem früheren Verfahrensstadium, thematische Exponiertheit durch engen Sachbezug von<br />
eigenen, in der Öffentlichkeit geäusserten politischen Anschauungen mit der Verfahrensthematik<br />
sowie Druck von aussen 64 oder innen 65 . Zu diesen sichtbaren Problemen treten<br />
eine Vielzahl weiterer, verdeckter hinzu, die ihren Ursprung im Unterbewusstsein haben<br />
und – ganz ihrer Natur gemäss – kaum je Gegenstand vertiefter Betrachtung waren. 66 Der<br />
60 Art. 23 Abs. 1 VRPG; Art. 26 VwVG vgl. auch Art. 60 Abs. 1 Satz 4 BZP.<br />
61 Art. 20 VRPG; Art. 13 VwVG.<br />
62 Art. 33 Abs. 1 und 2 VRPG; Art. 52 Abs. 1 VwVG.<br />
63 Art. 33 ABs. 2 VRPG; Art. 52 Abs. 2 und 3 VwVG.<br />
64 Öffentlichkeit, Medien, politische Parteien, gesellschaftliche Gruppen, Verwaltung, Exekutive etc.<br />
65 Umstände, die im Innern der Behörde liegen, wie Kommunikationsstörungen verschiedenster Art.<br />
66 Studien dazu gibt’s z.B. von Ulrich Falk (Mannheim): Urteilsverzerrungen: hindsight bias und anchoring.<br />
Einleitende Fragen zu einem interdisziplinären Problem, in: Kai Brodersen (Hrsg.), Vincere Scis,<br />
Victoria Uti Nescis. Aspekte der Rückschauverzerrung in der Alten Geschichte, Berlin 2008, S. 9-17;<br />
21