Vanessa C. Duss Jacobi - Erste Europäische Internetzeitschrift für ...
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12. März 2000 eingeleitete Justizreform, welche die verwaltungsinterne Rechtspflege in<br />
eine neue Rolle drängt: Auf Bundesebene wurde die Rechtspflege des Bundesrates auf wenige<br />
Rechtsgebiete reduziert und beurteilt das Bundesverwaltungsgericht mit wenigen Ausnahmen<br />
anstelle der Beschwerdedienste der Departemente als erste ordentliche Rechtsmittelinstanz<br />
Verfügungen von Bundesbehörden. Auf kantonaler Ebene verpflichten Rechtsweggarantie<br />
und Bundesgerichtsgesetz die Kantone dazu, die letztinstanzliche Beurteilung<br />
von öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten in beinahe ausnahmslos allen Bereichen einem<br />
oberen Gericht zuzuweisen. Erlaubt bleibt die Überprüfung eines Entscheids mit „vorwiegend<br />
politischem Charakter“ durch eine andere Behörde als eine gerichtliche – diese kann<br />
dennoch Vorinstanz des Bundesverwaltungsgerichts sein. Als echte Alternative zum verwaltungsgerichtlichen<br />
Rechtsschutz hat die verwaltungsinterne Rechtspflege somit ausgedient,<br />
Ausnahmen von der Rechtsweggarantie bedürfen des ‚vorwiegend politischen Charakters’<br />
und sind also rar geworden. Es führt nur ein sehr schmaler Grat noch am obersten<br />
kantonalen Gericht vorbei, und die Stimmen, die <strong>für</strong> eine Abschaffung der verwaltungsinternen<br />
Rechtspflege votieren (wegen der Verzögerungen und der hohen Kosten, die sie verursacht),<br />
mehren sich, nicht nur in der Schweiz. Ordnet man der Verwaltungsjustiz im Allgemeinen<br />
und der verwaltungsinternen Rechtspflege im Besonderen ihre genuinen Funktionen<br />
– Filterfunktion, 25 Unterstützungsfunktion 26 und Wissensvermittlungsfunktion 27 – zu,<br />
hat die verwaltungsinterne Rechtspflege auch nach Inkrafttreten der Rechtsweggarantie<br />
nicht einfach ausgedient. Im Gegenteil, wie der Beitrag aufzeigt: Die Beurteilung durch<br />
eine kompetente obere Verwaltungsbehörde bringt in vielen Fällen Vorteile <strong>für</strong> die Rechtssuchenden,<br />
und in den Fällen, wo sie sich nachteilig auswirkt, sollte mit der Möglichkeit<br />
einer Sprungbeschwerde oder eines Sprungrekurses ausgeholfen werden.<br />
Im Beitrag von Prof. Dr. Andreas Lienhard geht es um die Selbstverwaltung der bernischen<br />
Gerichtsbarkeit im Sinne eines Bestandteils der institutionellen Unabhängigkeit, die ihrerseits<br />
wiederum Bestandteil der richterlichen Unabhängigkeit bildet. Die beschriebene Phase<br />
des Wandels der Dritten Gewalt im Kanton Bern, die kantonale Justizreform, begann mit<br />
der sog. Justizreform 1, welche die Reduktion der 26 erstinstanzlichen Amtsgerichte auf 13<br />
25 Filterfunktion: Es wird immer nur ein Teil der Entscheide an die obere Verwaltungsinterne Instanz weitergezogen,<br />
ein grosser Teil wird „ausgefiltert“ – im Kanton Bern liegt der Prozentsatz der an das Verwaltungsgericht<br />
weitergezogenen Fälle bei 5 bis 27%.<br />
26 Unterstützungsfunktion: Die verwaltungsinternen Rechtspflegebehörden haben bei der Rechtskontrolle<br />
grundsätzlich dieselben Arbeiten auszuführen, wie die nachfolgenden Gerichtsbehörden: Sie überprüfen<br />
die angefochtene Verfügung auf Sachverhaltsunstimmigkeiten und Rechtsfehler und stellen zu diesem<br />
Zweck den rechtserheblichen Sachverhalt von Amtes wegen fest. So kann bei einem zweistufigen Instanzenzug<br />
das obere Gericht auf den Vorarbeiten der verwaltungsinternen Rechtspflegebehörden aufbauen,<br />
was das Gericht sehr entlastet und effiziente Verfahrenserledigung darstellt, denn Gutachten<br />
müssen nur noch ergänzt, Augenscheine müssen nicht und Protokolle der Partei- und Zeugeneinvernahmen<br />
können verwendet werden.<br />
27 Wissensvermittlungsfunktion: Bei der Auseinandersetzung mit Beschwerden und den Vorbereitungen<br />
von Verwaltungsjustizentscheiden hat sich die Verwaltung mit der Auslegung und der Anwendung von<br />
Rechtserlassen auseinanderzusetzen, was erlaubt, Unstimmigkeiten, Unklarheiten oder Lücken in den<br />
Rechtserlassen zu erkennen - Wissen und Erfahrungen die beim Redigieren neuer Erlasse wieder einfliessen.<br />
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