Vanessa C. Duss Jacobi - Erste Europäische Internetzeitschrift für ...
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damit männlichen) Kantonsbürgern, davon musste die Mehrzahl das Anwalts- oder Notariatspatent<br />
besitzen – vervollständigen das Portrait des durch politisch engagierte, juristisch<br />
gebildete Persönlichkeiten repräsentierten Jubilaren. Dieser Befund – man könnte es weitgehende<br />
Kongruenz von Schweizerischer Justiz-, Politik-, Verwaltungs- und Bildungselite<br />
zu Beginn des Bestehens des eidgenössischen wie der obersten kantonalen Gerichte nennen<br />
– deckt sich vollkommen mit Befunden aus Untersuchungen der Richterbiografien der<br />
Bundesrichter Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts. 18 Der Jubilar reiht sich in<br />
die Schar einer stattlichen Zahl solcher von der ordentlichen Gerichtsbarkeit unabhängigen,<br />
spezialisierten Verwaltungsgerichte, die gegen Ende des 19. Jh. in zahlreichen Staaten des<br />
deutschsprachigen Raums nach deutschen Vorbildern entstanden.<br />
Prof. Dr. Thomas Gächter zeichnet in seinem Beitrag den Prozess der Einbindung der Sozialversicherungsgerichtsbarkeit<br />
19 in die Verwaltungsgerichtsbarkeit nach. Dazu mussten in<br />
den vergangenen 100 Jahren einige Probleme gelöst werden, und es galt, ein Modell zu<br />
entwickeln, das in seiner heute im Kanton Bern praktizierten Art keineswegs eine Selbstverständlichkeit<br />
darstellt. Als Grund- bzw. Gretchenfrage <strong>für</strong> die Ausgestaltung des<br />
Rechtsschutzes in Sozialversicherungsangelegenheiten ist dabei die Frage nach der Natur<br />
des Sozialversicherungsrechts anzusehen. Mögliche Antworten gibt es drei: erstens, es ist<br />
besonderes Verwaltungsrecht, zu beurteilen durch die allgemeine Verwaltungsgerichtsbarkeit,<br />
zweitens, es liegt näher beim Zivilrecht und deswegen durch die zivilrechtlichen Instanzen<br />
zu beurteilen, und drittens, es ist als eigenes Rechtsgebiet zu qualifizieren, weshalb<br />
die Rechtsprechung durch spezialisierte Instanzen zu erfolgen hat. Zwar wird das Sozialversicherungsrecht<br />
heute unbestrittenermassen und richtigerweise überwiegend dem Verwaltungsrecht<br />
und damit dem öffentlichen Recht zugerechnet, 20 jedoch sind Vorbehalte<br />
gegen diese Variante bis heute nicht gewichen. Eine Wahlverwandtschaft scheint es denn<br />
auch nicht zu sein, ist das Sozialversicherungsrecht doch gerade eines jener Rechtsgebiete,<br />
das zur Überbrückung systematischer Unzulänglichkeiten und Lösung von Übergangsfragen<br />
und Koordinationsproblemen am stärksten auf die allgemeinen Lehren des Verwaltungsrechts<br />
zurückgreift – dies mit dem schönen aber wenig beachteten Nebeneffekt, dass<br />
viele Rechtsfiguren des allgemeinen Verwaltungsrechts im Sozialversicherungsrecht weiterentwickelt<br />
wurden. Als spezifisch sozialversicherungsrechtlich kann die Komplexität<br />
und die Menge der zu berücksichtigenden Judikatur angesehen werden, was aber nicht<br />
rechtfertigt, die Materie vom übrigen Verwaltungsrecht zu separieren – es gibt denn auch<br />
weitere hochspezialisierte Verwaltungsrechtsgebiete wie das Umwelt-, das Vergabe- oder<br />
Vielfalt des Gerichts präsentiert.<br />
18 Wie das Forschungsprojekt „Die schweizerische Justizelite zwischen Politik und Recht, 1848 –<br />
1998“zutage gefördert hat, vgl. Michele Luminati, Das ZGB und seine Richter, in: Justice - Justiz - Giustizia.<br />
Die Schweizer Richterzeitung, 2008/3, Rz 8 ff., v.a. Rz 48.<br />
19 Gemeint ist die Sozialversicherungsgerichtsbarkeit im engeren Sinne, d.h. die Gerichtsbarkeit mit direk-<br />
tem Rechtsschutzbezug <strong>für</strong> Versicherte.<br />
20 Vgl. FN 6 des Beitrags von Thomas Gächter mit Verweisen auf die einschlägigen Lehrbücher zum Sozialversicherungsrecht<br />
von Thomas Locher, Alfred Maurer und Ulrich Meyer.<br />
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