schweriner kundenmagazin - Hauspost
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hauspost September 2011 | Seite 3<br />
orfer Strand<br />
Titelthema Fakten<br />
Anfang der 1920er-Jahre noch inoffiziell als „Luftkurort Zippendorf“ und „Bad Zippendorf“ bezeichnet, hat das beliebte Ausflugsziel<br />
mit den Jahren viel an Prestige verloren. 1997 wurde der Strand von der Stradt zwar umfangreich saniert, doch die ehrwürdigen<br />
Häuser wie das Strandhotel und das Kurhaus sind inzwischen verfallen Fotos: privat<br />
Zippendorfs ältester Bewohner gibt der hauspost Einblicke in die Vergangenheit des Ortes<br />
Hier auf dem Bauernhof groß geworden<br />
Zippendorf • Karl-Erich Sabban (Foto)<br />
ist der älteste Bewohner Zippendorfs.<br />
hauspost traf sich mit ihm zum Interview<br />
und erhielt einen kleinen Einblick in die<br />
Vergangenheit des Ortes.<br />
hauspost: Herr Sabban, Sie sind 1923<br />
geboren und als Sohn eines Bauern groß<br />
geworden. Wie haben Sie das Leben von<br />
damals in Erinnerung?<br />
Karl-Erich Sabban: Meinem Vater<br />
gehörten 14 Hektar Land. Da mussten<br />
meine Geschwister und ich natürlich mit<br />
anpacken - wir haben die Tiere versorgt und<br />
bei der Ernte geholfen. Aber ich hatte eine<br />
unbeschwerte Kindheit.<br />
hauspost: Woran erinnern Sie sich da am<br />
liebsten?<br />
Karl-Erich Sabban: Das Erntedankfest. Das<br />
Zippendorf entwickelt sich<br />
Strand wurde<br />
Ausflugsort<br />
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich Zippendorf<br />
langsam zu einem beliebten Erholungs-<br />
und Ausflugsort für die Bewohner Schwerins.<br />
Selbst Gäste aus Hamburg und Berlin kamen<br />
in den kleinen Ort. 1852 fuhr das erste<br />
Dampfschiff von dort zur Insel Kaninchen -<br />
werder. Wenig später entstanden<br />
eine Gastwirtschaft und eine Pension.<br />
Außerdem eröffnete das Waldbad.<br />
Aus dem beschaulichen Ort wurde ein<br />
Strandbad mit neuen Villen, Gaststätten<br />
und Pensionen.<br />
war wirklich immer ein Höhepunkt. Jedes<br />
Jahr wurde auf einem anderen Hof die Erntedankkronegebunden<br />
und gemeinsam<br />
mit allen Bauern ins<br />
Gasthaus getragen,<br />
wo dann zünftig<br />
gefeiert, gegessen<br />
und getanzt wurde.<br />
hauspost: Was änderte sich für Sie und die<br />
übrigen Bauern mit dem Krieg?<br />
Karl-Erich Sabban: Ein Großteil unserer<br />
Ländereien lag auf dem Gebiet des heutigen<br />
Dreesch. Den nutzte die Wehrmacht<br />
als Exerzierplatz und mein Vater wurde<br />
enteignet. Glücklicherweise hatten wir noch<br />
kleinere Flächen auf die wir ausweichen<br />
konnten. Dort haben wir durch den Anbau<br />
von Obst und Gemüse einen Ausgleich<br />
schaffen können. Ich musste meine Lehre<br />
abbrechen und wurde eingezogen. Nach<br />
dem Tod meines Bruders, der den Hof<br />
übernommen hatte, gingen Land und Vieh<br />
an die LPG in Mueß.<br />
hauspost: Was wünschen Sie sich für<br />
Zippendorf?<br />
Karl-Erich Sabban: Ich finde es schade,<br />
dass die Bahnlinie eingestellt worden ist.<br />
Als ich jung war, konnte man noch direkt<br />
vom Marienplatz an den Strand fahren.<br />
Aber viel schlimmer ist es, dass das Kurhaus<br />
und das Strandhotel dem Verfall<br />
preisgegeben werden. Da muss man sich<br />
als Bürger doch fragen, ob die Stadtväter<br />
von angeblichen Investoren aufs Glatteis<br />
geführt wurden. Es wäre schön, wenn<br />
Zippendorf etwas von seinem alten Charme<br />
zurückbekäme.<br />
Das Strandhotel mit Musikbühne gehörte zu den Prachtbauten am Zippendorfer Strand<br />
Liebe Leserinnen und<br />
Leser,<br />
in den<br />
vergilbtenFotoalben<br />
meines Vaters entdeckte<br />
ich vor 17 Jahren<br />
Fotos und Postkarten<br />
vom würdigen Kurhaus<br />
Zippendorf. Eingedeckte<br />
Tische im Restaurant<br />
unter prunkvollen<br />
Kronleuchtern waren<br />
zu sehen und in den<br />
Berg gebaute Sonnenplateaus.<br />
Neugierig<br />
kletterte ich die inzwischenheruntergekommende<br />
Portaltreppe bis<br />
unters Dach direkt in<br />
den Aussichtsturm. Ein<br />
herrlicher Blick, wie auf<br />
der alten Farbpostkarte,<br />
auf den Zippendorfer<br />
Strand tat sich auf.<br />
Das war 1994. Die<br />
Tapetenwände in den<br />
längst verlassenen<br />
Zimmern erzählten mir<br />
noch die Geschichten<br />
von damals, als in den<br />
60er Jahren ein Fußballer<br />
eine schöne Frau<br />
auf einem Foto an der<br />
Wand des Zimmerkameraden<br />
entdeckte und<br />
sagte: „Die werde ich<br />
mal heiraten.“ Das alte<br />
Haus ist heute dem Verfall<br />
preisgegeben, die<br />
Menschen von damals<br />
sind aber tatsächlich<br />
zusammengekommen<br />
und noch heute verheiratet.<br />
Nicht jede<br />
Geschichte rund um<br />
Zippendorf wird den<br />
Weg in die Archive finden.<br />
Vielleicht geraten<br />
sie irgendwann in Vergessenheit.<br />
Mit hunderten<br />
von gesammelten<br />
Zippendorf-Postkarten<br />
hält der Journalist Peter<br />
J. Harke dagegen. Er<br />
sammelt die Geheimnisse<br />
des kleinen Ortes<br />
mit seinem fast eintausend<br />
Meter langen<br />
Strand akribisch und<br />
hat damit wohl die<br />
größte Postkartensammlung<br />
von Zippendorf<br />
überhaupt. So bleibt<br />
ein Stück Geschichte<br />
erhalten und bietet<br />
spannende Einblicke.<br />
Gehen Sie auf Entdeckungsreise.<br />
Herzlichst,<br />
Ihr Holger Herrmann