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Herbst 07 - Selbsthilfe-Kontaktstelle Frankfurt e.V.

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Lesetipp<br />

EINMAl HANS MIt ScHArFEr SoSSE –<br />

leben in zwei Welten<br />

Von Reiner Stock<br />

Die Stimmung, die deutsche Medien über die Türkei und<br />

die hier lebenden Türken mit ihren Berichten verbreiten,<br />

ist oft mies. Für viele Deutsche ohne Kontakt zu Menschen<br />

mit „Migrationshintergrund“ ist das sicherlich ansteckend:<br />

Islamismus und Kopftuch sind Begriffe, die Misstrauen und<br />

Angst schüren und Bundestag und Regierung scheinen mit<br />

ihren politischen Stellungnahmen in den Medien und ihren<br />

Gesetzen zur Angstmacherei beizutragen.<br />

Quasi ein Gegenmittel gegen das Bangemachen hat die<br />

„Deutsch-Türkin“ Hatice Akyün mit ihrem Buch<br />

„Einmal Hans mit scharfer Soße“ geschrieben – Eine Liebeserklärung<br />

an die Menschen beider Kulturen. 1972 kam<br />

sie mit ihren Eltern im Alter von drei Jahren aus der Türkei<br />

nach Duisburg, wo sie aufwuchs. Jetzt ist sie Journalistin<br />

und schreibt für renommierte Publikationen.<br />

Sie zielt mit ihrem ersten Buch auf die Herzen der<br />

LeserInnen und trifft voll ins Schwarze. Autobiographisch<br />

erzählt sie Geschichten aus dem türkisch-deutschen Alltag.<br />

Alle kriegen liebevoll ihr Fett weg: die Mokkagläser mit<br />

Goldrand ihrer Mutter, die Grillorgien im Garten und in<br />

den Parks, die mit Emotionen leicht zu überfordernden<br />

deutschen Männer, die türkischen Machos mit ihren Statussymbolen,<br />

die Behaarungsphobie und Schönheitsrituale<br />

der türkischen Frauen und die ständig an ihrem Äußeren<br />

zweifelnden deutschen Frauen. Und gleichzeitig erzählt<br />

sie sehr beeindruckende Geschichten aus dem Leben ihrer<br />

Familie, die exemplarisch sind für die türkischen Einwanderer<br />

in Deutschland seit 35 Jahren.<br />

Einerseits schreibt sie sehr witzig und doch bleibt einem<br />

immer wieder einmal das Lachen im Halse stecken. Man<br />

merkt den Details an, dass Hatice Akyün sich und ihre Umgebung<br />

sehr gut beobachtet hat. Es entstehen tiefgründige<br />

gesellschaftliche Analysen und prägnante Beschreibungen<br />

von deutschen und türkischen Charaktereigenschaften.<br />

Alles wirkt authentisch, nichts aufgesetzt und künstlich.<br />

Das Buch unterscheidet sich stark durch seinen humorvollen,<br />

selbstironischen und gleichzeitig emotional<br />

packenden Stil, weil es eben einmal nicht problemorientiert<br />

an sein Thema herangeht. Es ist mit sehr viel<br />

Empathie geschrieben. Das tut gut und hebt es heraus aus<br />

den vielen anderen Büchern und Artikeln, die das Thema<br />

Migration manchmal schlecht recherchiert, unglaubwürdig<br />

und eben oft mit einem Angst machenden Tonfall behandeln.<br />

Wer keinen großen Bekanntenkreis von Menschen mit<br />

Migrationshintergrund hat, dem sei der persönlich humorvolle<br />

Einblick in das Leben einer Deutschen, die auch<br />

Türkin ist, besonders empfohlen. „Sie müsse jetzt mal<br />

wieder ihren Migrationshintergrund aufräumen“ schreibt<br />

sie in einem Beitrag zu diesem neudeutschen Begriff und<br />

meint damit ihren Wohnungsputz.<br />

Ihr gebührt ein herzliches Dankeschön für ein tolles<br />

Leseerlebnis. Ein Buch in das man versinkt und gar nicht<br />

wieder daraus auftauchen möchte. Und das soviel Substanz<br />

hat, dass es einen noch tage- oder wochenlang beschäftigt.<br />

Zum Glück ist die Fortsetzung schon in Arbeit.<br />

Hatice Akyün<br />

Einmal Hans mit scharfer Soße – Leben in zwei Welten<br />

Goldmann Verlag, München 20<strong>07</strong><br />

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