Der Portfolio-Ansatz in der Schülerbeurteilung der USA und seine ...
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Konstruktivistisch angelegte <strong>Portfolio</strong>-Ansätze, wie sie Wile <strong>und</strong> Tierney (1996,<br />
S. 208−213) def<strong>in</strong>ieren, eignen sich offenk<strong>und</strong>ig nicht für gesellschaftliche bzw. summative<br />
Funktionen, wo e<strong>in</strong> M<strong>in</strong>destmass e<strong>in</strong>heitlicher <strong>und</strong> allgeme<strong>in</strong> anerkannter Beurteilungskriterien<br />
sowie an Vergleichbarkeit <strong>der</strong> Lernleistungen e<strong>in</strong>gefor<strong>der</strong>t wird. Insofern<br />
s<strong>in</strong>d konstruktivistische <strong>Portfolio</strong>s „nur“ für pädagogische bzw. formative<br />
Funktionen <strong>der</strong> <strong>Schülerbeurteilung</strong> geeignet. Legt man den <strong>in</strong> Kapitel 3 angesprochenen<br />
Student <strong>Portfolio</strong>s die Abgrenzung von konstruktivistischen <strong>und</strong> positivistischen<br />
<strong>Portfolio</strong>-Ansätzen zugr<strong>und</strong>e, so lässt sich feststellen, dass ke<strong>in</strong>es <strong>der</strong> ausführlich<br />
geschil<strong>der</strong>ten Beispiele <strong>und</strong> auch ke<strong>in</strong>es <strong>der</strong> Auswertung <strong>der</strong> Forschungsstudien<br />
umschriebenen <strong>Portfolio</strong>s dieser konstruktivistischen <strong>Portfolio</strong>-Konzeption vollumfänglich<br />
entspricht.<br />
Von den drei ausführlich beschriebenen <strong>Portfolio</strong>-Ansätzen tendiert das Employability<br />
Skills <strong>Portfolio</strong> von Michigan noch am stärksten <strong>in</strong> Richtung e<strong>in</strong>er konstruktivistischen<br />
Ausrichtung. Hier liegen zwar mit dem Employability Skills Profil generelle Beurteilungskriterien<br />
vor, aber e<strong>in</strong>e summative Beurteilung <strong>und</strong> Bewertung erfolgt zum<strong>in</strong>dest<br />
während <strong>der</strong> Schulzeit nicht. Zudem bemüht sich dieser <strong>Portfolio</strong>-<strong>Ansatz</strong> aktiv<br />
darum, sowohl die schulische wie ausserschulische Erfahrungswelt im <strong>Portfolio</strong> repräsentiert<br />
zu sehen. Zudem ist primär die lernende Person dafür verantwortlich, die schulischen<br />
<strong>und</strong>/o<strong>der</strong> ausserschulischen Belege auszuwählen, die nach ihrem Verständnis<br />
am besten aufzeigen können, wie gut sie die „employability skills“ zu erfüllen vermögen.<br />
Prozess <strong>und</strong> Inhalte des <strong>Portfolio</strong>s s<strong>in</strong>d so relativ stark <strong>in</strong> <strong>der</strong> Verantwortung <strong>der</strong><br />
Lernenden. Etwa ähnlich ist auch <strong>der</strong> <strong>Portfolio</strong>-<strong>Ansatz</strong> von Arts PROPEL e<strong>in</strong>zuschätzen,<br />
<strong>der</strong> sich zwar auf die schulische Erfahrungswelt beschränkt, dennoch aber den<br />
Lernenden grosse <strong>in</strong>dividuelle Freiheiten e<strong>in</strong>räumt <strong>und</strong> <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e bei <strong>der</strong> Beurteilung<br />
<strong>und</strong> Bewertung auf e<strong>in</strong> <strong>in</strong>terpretativ-argumentatives System setzt, was den Beurteilungs-<br />
<strong>und</strong> Bewertungsvorstellungen des konstruktivistischen <strong>Ansatz</strong>es relativ nahe<br />
kommt. Bereits sehr deutlich positivistisch ausgerichtet ist dagegen <strong>der</strong> <strong>Ansatz</strong> von<br />
Vermont, <strong>der</strong> nicht nur klare Vorgaben h<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong> <strong>Portfolio</strong>-Inhalte macht, son<strong>der</strong>n<br />
die Leistungen nach e<strong>in</strong>em bestimmten vorgegebenen Verfahren mit Hilfe ebenfalls<br />
vorgegebener Beurteilungsraster <strong>und</strong> -skalen bewertet. Diese Eigenschaften teilt<br />
Vermont mit nahezu allen <strong>in</strong> Forschungsstudien untersuchten <strong>Portfolio</strong>-Ansätzen.<br />
E<strong>in</strong>zig bei den Erfahrungsberichten von Lehrpersonen (siehe z.B. Belanoff & Dickson,<br />
1991 o<strong>der</strong> Graves & Sunste<strong>in</strong>, 1992) stösst man vere<strong>in</strong>zelt auf <strong>Portfolio</strong>-Ansätze, welche<br />
stärker konstruktivistisch orientiert s<strong>in</strong>d, d.h. bei denen die Selbstverantwortung<br />
<strong>der</strong> Lernenden für das <strong>Portfolio</strong> im Zentrum steht <strong>und</strong> die Frage <strong>der</strong> Beurteilung <strong>und</strong><br />
Bewertung e<strong>in</strong>e sehr ger<strong>in</strong>ge o<strong>der</strong> überhaupt ke<strong>in</strong>e Rolle spielt. Auch die Studie von<br />
Calfee <strong>und</strong> Perfumo (1996b, S. 63−81), <strong>in</strong> <strong>der</strong> sich für die <strong>Portfolio</strong>-Praxis <strong>in</strong> den<br />
Klassenzimmern e<strong>in</strong>e nur sehr ger<strong>in</strong>ge Bereitschaft <strong>der</strong> Lehrpersonen offenbarte, <strong>Portfolio</strong>s<br />
tatsächlich summativ zu bewerten, unterstützt die These, dass konstruktivistische<br />
<strong>Portfolio</strong>-Ansätze <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie auf <strong>der</strong> Stufe des e<strong>in</strong>zelnen Klassenzimmers<br />
vorkommen. Sobald e<strong>in</strong>e verb<strong>in</strong>dlichere Beurteilung <strong>und</strong> Bewertung zu beabsichtigen<br />
ist, wie z.B. bei den grossflächigen <strong>Portfolio</strong>-Programmen, folgen die <strong>Portfolio</strong>s mehr<br />
o<strong>der</strong> weniger ausgeprägt <strong>der</strong> von Wile <strong>und</strong> Tierney (1996, S. 208−213) def<strong>in</strong>ierten<br />
positivistischen <strong>Portfolio</strong>-Konzeption.