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Arbeitsblatt 1.2 Interview Harun Ahmed, (El Obeid ... - Discover Sudan

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Unterrichtsbaustein 1 I Flüchtlinge<strong>Discover</strong> <strong>Sudan</strong>: Mathew (US-Amerikanischer Volontär im Ausbildungszentrum der Salesianer DonBoscos, Anm. d. Red.) hat mir erzählt, als die Janjaweed angegriffen haben, da hättest du etwas sehrMutiges getan. Würdest du mir von diesem Tag erzählen?<strong>Harun</strong>: (Sieht zu Boden) Ich war mit meinen kleinen Brüdern auf dem Feld. Wir haben dort gearbeitet.Dann haben die Janjaweed angegriffen, mit Jeeps kamen sie angefahren. Wir sind sofort weggelaufen,aber sie haben auf uns geschossen und meine beiden Brüder wurden getroffen. Sie waren beide soforttot. Da habe ich sie nach Hause getragen.<strong>Discover</strong> <strong>Sudan</strong>: Aber dann konntest du selbst ja nicht mehr so schnell rennen.<strong>Harun</strong>: Nein, aber ich konnte sie doch nicht einfach so alleine liegen lassen.<strong>Discover</strong> <strong>Sudan</strong>: War das der schlimmste Tag deines Lebens?<strong>Harun</strong>: Ja. (Pause) Das war der schlimmste Tag.<strong>Discover</strong> <strong>Sudan</strong>: Vermisst du deine Familie hier in <strong>El</strong> <strong>Obeid</strong>?<strong>Harun</strong>: Ja, sehr. Ich will unbedingt nach Darfur zurück. Ich weiß, dass sie mich brauchen.<strong>Discover</strong> <strong>Sudan</strong>: Was lernst du hier im Don Bosco Vocational Training Center?<strong>Harun</strong>: Morgens gehe ich mit den anderen Jungs zur Schule. Wir haben Englisch, Arabisch,Mathematik und Geschichte. Nachmittags lerne ich das Holzhandwerk.<strong>Discover</strong> <strong>Sudan</strong>: Willst du lieber Häuser bauen oder Möbel machen?<strong>Harun</strong>: (Legt seine Hand auf den Schreibtisch aus Massivholz, an dem er sitzt) So etwasmöchte ich machen, wenn der Krieg vorbei ist.<strong>Discover</strong> <strong>Sudan</strong>: Wann, glaubst du, ist der Krieg zu Ende?<strong>Harun</strong>: Wenn es nach mir geht, sofort. Ganz egal mit welchem Ergebnis. Hauptsache, es hört auf.<strong>Discover</strong> <strong>Sudan</strong>: Was willst du denn machen, wenn du nach Dreij zurückkommst?<strong>Harun</strong>: Ich lerne hier ziemlich viel, und wenn ich zurück bin, will ich unbedingt einen Job finden,um meine Familie zu unterstützen. Und ich will Geld sparen, damit ich später weiter lernen kann.<strong>Discover</strong> <strong>Sudan</strong>: Würdest du gerne Familie haben?<strong>Harun</strong>: Ja, sehr gerne.<strong>Discover</strong> <strong>Sudan</strong>: Spielst du Fußball, <strong>Harun</strong>?<strong>Harun</strong>: (grinst) Ja, auch sehr gerne.<strong>Discover</strong> <strong>Sudan</strong>: Welche Position?<strong>Harun</strong>: Verteidiger.<strong>Discover</strong> <strong>Sudan</strong>: Ich finde, das passt hervorragend zu dir. Danke für dieses Gespräch.(Ergänzung von Mathew, US-Volontär im VTC in <strong>El</strong> <strong>Obeid</strong>: Die beiden kleinen Brüder warenvermutlich zwischen drei und fünf Jahren alt, jedenfalls sehr klein. Und jemand scheint geholfenzu haben, die zweite Leiche zu tragen.)<strong>Interview</strong>: Benedict Steilmannwww.discover-sudan.de© UNTERRICHTSMATERIAL DER DON BOSCO AKTION „DISCOVER SUDAN“2


Unterrichtsbaustein 1 I Flüchtlinge<strong>Arbeitsblatt</strong> <strong>1.2</strong><strong>Interview</strong>: Lilian Simone (18), Maria Lino (19), Ama (21)1. Menschen im <strong>Sudan</strong> und ihre Schicksale<strong>Discover</strong> <strong>Sudan</strong>: Ich freue mich sehr, dass ihr drei bereit seid, mit mir zu sprechen.(An die jungen Männer im Raum:) Seid so freundlich und redet den Mädchen nichtdazwischen, denn mich interessiert gerade ganz besonders, was junge Mädchen,deren Familien während des Bürgerkriegs nach Khartoum geflohen sind, von ihrerZukunft erwarten. Wo seid ihr drei eigentlich geboren?Lilian Simone: Ich bin in Tambura geboren, das ist eine kleine Stadt in der Nähevon Yambio, dicht an der Grenze zu Zentralafrika und zu Kongo.Maria: Ich komme aus Abiyé. Das liegt im Grenzgebiet zwischen Nord und Süd,da wo im Krieg die Front verlaufen ist.Ama: Ich bin in Khartoum geboren worden. Als meine <strong>El</strong>tern geflohen sind, war meine Mutter geradeschwanger mit mir. Meine <strong>El</strong>tern sind aus Wau.<strong>Discover</strong> <strong>Sudan</strong>: Kann sich eine von euch erinnern, wie das früher im Süden war?Maria: Nein, ich war erst drei Monate alt, als wir in Khartoum ankamen.Lilian Simone: Ich war vier Jahre alt. Ich kann mich gut an den Weg zur Krankenstation erinnern. MeineMutter ist Krankenschwester und hat mich auf dem Weg zur Arbeit immer zur Schule (vermutlich eherein Kindergarten, Anm. d. Red.) gebracht.<strong>Discover</strong> <strong>Sudan</strong>: Wie haben eure Familien den Weg hier hoch nach Khartoum bewältigt?Lilian Simone: Wir sind mit einem LKW gekommen, der voll mit anderen Flüchtlingen war. Wir hattenalle kein Gepäck, weil so viele mitfahren wollten. Alles, was wir hatten, ist in Tambura geblieben.<strong>Discover</strong> <strong>Sudan</strong>: Wie war die Fahrt, Lilian?Lilian Simone: Furchtbar lange. Bestimmt zwei Wochen. Meine Mutter sagt, wir hätten immer Durstgehabt und viel geweint. Ich kann mich aber nicht mehr erinnern.Maria: Wir sind auch mit einem LKW gekommen, aber ich kann mich auch nicht erinnern.Ama: Mein Vater war damals Soldat in der Armee der Regierung. Deswegen wurden meine Mutter undmeine Geschwister mit einem Schiff den Nil herauf gebracht. Das war etwas bequemer.<strong>Discover</strong> <strong>Sudan</strong>: War denn eine von euch schon mal wieder im Süden, seit der Krieg vorbei ist?Ama: Vor zwei Jahren, in 2005, war ich einmal für fünf Monate im Süden.<strong>Discover</strong> <strong>Sudan</strong>: Hat es dir da gefallen?Ama: Ja, ich mochte die Menschen und das Wetter. Es ist nicht so trocken wie hier. Und es herrschtjetzt Einigkeit und Frieden. Das ist sehr gut.<strong>Discover</strong> <strong>Sudan</strong>: Wollt ihr gerne dauerhaft in den Süden zurückkehren?(Alle drei nicken.) Ama: Aber das ist nicht ganz einfach. Es gibt im Süden noch keine Arbeit. Die meistenMänner können eigentlich nur als Bauern arbeiten, weil sie nichts anderes gelernt haben. Da ist einegroße Bildungslücke (lack of education, Anm. d. Red.). Und Mädchen können dort oft nicht mal zur Schulegehen, weil sie auf Kinder aufpassen oder auf den Feldern arbeiten müssen.Maria: Aber ich will trotzdem zurück.www.discover-sudan.de© UNTERRICHTSMATERIAL DER DON BOSCO AKTION „DISCOVER SUDAN“3


Unterrichtsbaustein 1 I FlüchtlingeLilian Simone: Ich auch. Da ist meine Heimat.Ama: Beides ist schwer: Hierbleiben geht nämlich auch nicht.Lilian Simone: Es gibt Gründe, zurück in den zu Süden zu gehen oder hierzubleiben.<strong>Discover</strong> <strong>Sudan</strong>: Was glaubt ihr denn, was euch im Süden am meisten fehlen wird?Maria: Ich würde lieber gehen, wenn es dort eine Universität gäbe, an der ich studieren könnte.(Ama nickt zustimmend.)Lilian Simone: Wir wären auch nicht mehr zusammen, so wie jetzt hier in Mayo.<strong>Discover</strong> <strong>Sudan</strong>: Wer weiß denn schon, wann es zurückgeht?Lilian Simone: Meine Mutter ist schon zurück nach Tambura gegangen. Sie hat dort einen Job alsKrankenpflegerin gefunden. Ich gehe in einigen Monaten hinterher. Nur meine Schwester bleibt beieinem Onkel, bis sie die Schule fertig hat.Ama: Ich weiß es noch nicht. Es kostet ja auch viel Geld, wenn man nicht darauf warten will, dass einendie IOM (Inernational Organisation for Migration) zurückbringt. Ich fände es auch nicht schlimm, wennes noch etwas dauert, damit ich weiter studieren kann. Zwei Fachbereiche sind zwar schon wieder nachJuba verlegt worden (Community Studies und Rural Development, Anm. d. Red.), aber meine <strong>El</strong>ternwollen schon so schnell wie möglich zurück.<strong>Discover</strong> <strong>Sudan</strong>: Was studierst du denn, Ama?Ama: Ich studiere Journalismus hier an der Uni im Khartoum, im zweiten Jahr. Ich will unbedingtJournalistin werden und sehr gerne noch zu Ende studieren.<strong>Discover</strong> <strong>Sudan</strong>: Warum?Ama: Ich will mit anderen Menschen in Kontakt sein. Ich möchte über den Süden schreiben und über denKrieg, der jetzt zu Ende ist, damit die Generation nach uns nicht wieder die gleichen Dummheiten macht.Und ich möchte Frauen ermutigen, sich mehr in die Gesellschaft einzubringen.<strong>Discover</strong> <strong>Sudan</strong>: Und ihr?Maria: Ich will Ärztin werden. Wir brauchen im Süden so viele Ärzte, weil so viele Menschen ständigkrank sind. Ich würde ihnen gerne helfen, vor allem Kindern, älteren Menschen und Frauen.Lilian Simone: Ich möchte Rechtsanwältin werden.<strong>Discover</strong> <strong>Sudan</strong>: Warum denn gerade Anwältin?Lilian Simone: Zuerst einmal interessiert mich das. Aber ich würde gerne Leuten beistehen, denen keinRecht gegeben wird, und sie vor Unrecht beschützen. Hier im <strong>Sudan</strong> gibt es sehr viel Unrecht, besondersim Süden und in Darfur.<strong>Discover</strong> <strong>Sudan</strong>: Wie geht das denn mit eurem Studium, wenn ihr im Süden seid?Lilian Simone: Wir können das Studium beginnen, sobald die Fachbereiche dort angeboten werden.Das soll nicht mehr lange dauern.<strong>Discover</strong> <strong>Sudan</strong>: Können eure <strong>El</strong>tern denn die Studiengebühren bezahlen?Maria: Das wird schwer. (Lilian nickt und schaut zu Boden.)<strong>Discover</strong> <strong>Sudan</strong>: Das heißt, es ist noch gar nicht sicher, dass ihr studieren könnt?Maria: Was wir brauchen, ist noch ganz, ganz viel Glück.<strong>Discover</strong> <strong>Sudan</strong>: Wie stellt ihr euch denn dann die Zukunft vor? Ama, wenn du Journalistin bist,kannst du dann neben deiner Arbeit auch eine Familie haben?www.discover-sudan.de© UNTERRICHTSMATERIAL DER DON BOSCO AKTION „DISCOVER SUDAN“4


Unterrichtsbaustein 1 I FlüchtlingeAma: Ich will auf jeden Fall eine Familie. Aber dann müssen eben alle arbeiten. Mein Mann müsste danneben auch mal auf die Kinder aufpassen. Das Beste wäre, wenn wir beide nur halb arbeiten würden.<strong>Discover</strong> <strong>Sudan</strong>: Das heißt, nur zu Hause arbeiten und Kinder hüten, das kommt für euch nicht in Frage?Ama: (Schüttelt heftig den Kopf) Nein, auf keinen Fall, wozu mache ich mir denn die Mühe und gehe zurUni?Maria: Ich würde gerne eine eigene Praxis eröffnen. Dann hätte ich die Freiheit, Familie und Beruf zukoordinieren.<strong>Interview</strong>: Benedict Steilmannwww.discover-sudan.de© UNTERRICHTSMATERIAL DER DON BOSCO AKTION „DISCOVER SUDAN“5

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