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Psychotherapie Aktuell 02/2010 - DPtV

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2. Jahrgang | Heft 2 | <strong>2010</strong><strong>Psychotherapie</strong><strong>Aktuell</strong>Zunahme Psychischer Erkrankungen– Antworten für die VersorgungDas Gutachterverfahren in der RichtlinienpsychotherapieNeue Aufgaben für die Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie?


2. Jahrgang | Heft 2 | <strong>2010</strong> InhaltGesundheitspolitikSymposium der <strong>DPtV</strong> am 10. Juni <strong>2010</strong> in Berlin2 Zunahme Psychischer Erkrankungen – Antworten für die VersorgungDieter BestEinführung in das Thema der VeranstaltungHans DörningPsychische Erkrankungen – Volkskrankheiten des 21. Jahrhunderts?Erkenntnisse und neue Daten aus der stationären VersorgungsanalyseBirgit Albs-FichtenbergInnovative Versorgungsansätze im Krankenhaus der Regelversorgung:ein PraxisbeispielThomas BallastÜber-, Unter- und Fehlversorgung bei psychisch KrankenBarbara LubischVersorgungsverbesserung durch Erweiterung der sozialrechtlichen Befugnissefür PsychotherapeutenMechthild Lahme / Anne Spreyer / Gudrun von StösserPodiumsdiskussion: Psychische Erkrankungen – Wer versorgt wann, wieund warum?Sabine Schäfer14 Das Gutachterverfahren in der RichtlinienpsychotherapieCarsten Frege20 Finanzierung des Gesundheitswesens:Lerneffekte für den Reformprozess – was zeigen die Niederlande?FachbeiträgeSabine Trautmann-Voigt22 Babys in Not und Mütter im Visier –Neue Aufgaben für die Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie?Angelika Enzian26 FAMOSes Projekt in PaderbornGrößtes Präventionsprogramm Deutschlands angelaufenAus Wissenschaft und ForschungCornelia Rabe-Menssen30 KBV-Messe „Versorgungsinnovationen <strong>2010</strong>“Aus der Praxis – für die PraxisRuna Niemann32 Praxiskauf – Tipps für den Erwerber35 InformationsblattSteuerliche Absetzbarkeit von (Auslands-)FortbildungenAusbildungSWR 1 interviewt PiA34 PiA ohne Geld – Diplompsychologen in Kliniken arbeiten während ihrerPsychotherapeutenausbildung unentgeltlichErika Behnsen37 Grundrechtlicher Spielraum für die Regelung der Profession des KJP, desEP, des PP oder des P – Zweiter TeilRechts- und VersicherungsfragenCaroline von Prittwitz41 Auch bei Insolvenz des Arztes ist die Verrechnung von zu viel gezahltenHonoraranteilen mit Abschlagszahlungen zulässigTimmy Klebb42 Flexibles Vorsorgekonzept zu Sonderkonditionen vereinbart –Psychotherapeuten profitieren von neuem GruppenvertragVeranstaltungenVeranstaltungskalender Juli bis September <strong>2010</strong>4344 KleinanzeigenVerbandsinternAdressen <strong>DPtV</strong>/Impressum45RezensionenChristiane Dittmann46 Der Wille, die Neurobiologie und die <strong>Psychotherapie</strong>Bd. I: Zwischen Freiheit und DeterminationBd. II: <strong>Psychotherapie</strong> des Willens. Theorie, Methoden und PraxisClaus Nowak47 Das GefühlsklavierVom stimmigen Umgang mit unseren EmotionenNachrufThomas Kornbichler48 Zum Tod von Prof. Dr. med. Nossrat Peseschkian<strong>Psychotherapie</strong> <strong>Aktuell</strong> 2/10 1


GesundheitspolitikZunahme Psychischer ErkrankungenSehr geehrte Gäste unseres diesjährigenSymposiums,liebe Referenten,liebe Kolleginnen und Kollegen,dass psychische Krankheiten zunehmen,und zwar nicht nur in Deutschland,ist eine Tatsache. Sie sind inzwischendie häufigste Ursache für Frühberentungenund sie verursachen,fast gleichauf mit Krebserkrankungen,die meisten Arbeitsunfähigkeitstage.In den Krankenkassenberichtenüber Arbeitsunfähigkeitszeiten tauchenpsychische Krankheiten immerwieder als Schwerpunkt auf, jüngstim TK-Report <strong>2010</strong>.Bei der Krankenhausbehandlung fallendurch überdurchschnittlich langeVerweildauern von 30 bis 40 Tagen,v.a. bei Depressionen, hohe Ausgabenan. Allein die Behandlungskosten beiDepressionen machen beim morbiditätsorientiertenFinanzausgleich imGesundheitsfonds 6% des zu verteilendenGeldes aus, das sind mehr als10 Milliarden Euro jährlich. PsychischeKrankheiten verursachen also einengroßen volkswirtschaftlichen Schaden.Es wird dabei immer wieder die Fragegestellt, nehmen diese Krankheitentatsächlich zu oder werden sie nurbesser erkannt? Manchmal schwingtbei dieser Frage auch mit: Wird danicht übertrieben? Sind diese Menschentatsächlich psychisch krankoder werden vorübergehende Befindlichkeitsstörungenals psychischeKrankheiten bezeichnet?Tatsächlich liegt bei der Diagnostikpsychischer Krankheiten noch Vielesim Argen, v.a. im hausärztlichen Bereich,wie sich an den oft ungenauenKodierungen zeigt. Aber es ist ja auchkein Wunder und es soll auch niemandemzum Vorwurf gemacht werden:Insgesamt herrscht in der somatischdominierten Medizin noch einSymposiumder Deutschen PsychotherapeutenVereinigungam 10. Juni <strong>2010</strong> in BerlinZunahme Psychischer Erkrankungen– Antworten für die VersorgungDieter BestDieter BestBundesvorsitzender der <strong>DPtV</strong>weit verbreitetes geringes Wissenüber psychische Krankheiten vor.Während einerseits psychische Krankheitenoft ungenau und manchmal zuUnrecht, viel häufiger aber nicht oderzu spät erkannt werden, kann mannicht verleugnen, dass sich in den letzten10 Jahren in der Wahrnehmungdieser Krankheiten und überhaupt inder Wahrnehmung psychischer Prozesseder Menschen ein Wandel in derGesellschaft vollzogen hat.Wie sonst könnte die enorme Aufmerksamkeiterklärt werden, die derTod von Robert Enke auf sich gezogenhat, oder posttraumatischeBelas tungsstörungen von Soldatenim Kriegseinsatz. War das früher jeein Thema? Oder jetzt die Aufklärungswelleüber den Missbrauch vonKindern und Jugendlichen in kirchlichenEinrichtungen und Internaten?Wir haben es hier mit einer im Vergleichzu früher viel größeren Bereitschaftzu tun, den Menschen in seinenseelischen Dimensionen wahrzunehmen.Es ist von daher nur selbstverständlich,wenn auch im Gesundheitswesendie Bedeutung psychischerKrankheiten immer stärker wahrgenommenwird und dass – gesundheitsökonomischgesprochen – bishernicht entdeckte und nicht behandelteMorbidität nun zum Gegenstand desGesundheitswesens wird.Und wie sich immer deutlicher zeigt,wirkt <strong>Psychotherapie</strong> nicht nur bei psychischenKrankheiten, sondern auchbei somatischen Krankheiten, bei denenpsychische Faktoren eine Rollespielen. Immer öfter wird in der medizinischenPresse darüber berichtet, dassKrankheitsverläufe, etwa bei koronarenHerzerkrankungen, bei Krebs, beiDiabetes, bei chronischem Schmerz, positivbeeinflusst werden können, wenndie Patienten zusätzlich zur medizinischenBehandlung in psychotherapeutischerBehandlung sind. Unser letztjährigesSymposium zur <strong>Psychotherapie</strong>bei somatischen Krankheiten hateindrucksvolle Beispiele dazu geliefert.Wie gehen wir als Psychotherapeuten,als KV-System, als Krankenkassenmit diesen Entwicklungen um?Zumindest letztere – die Krankenkassen- tun es anscheinend eher abwehrend.Denn auffällig ist, dass dieseReporte meist bei Zustandsbeschreibungenstehen bleiben und Vorschlägevermissen lassen. So tauchen <strong>Psychotherapie</strong>oder Psychiatrie als Begriffein diesen Reporten kaum auf.In einem durchökonomisierten Gesundheitswesenkostet die Behandlungdieser Patienten zunächst einmalGeld, und zwar Geld, das kaum zusätzlichzur Verfügung steht. Wir Vertreterin den Gremien der Selbstverwaltungkennen die Verteilungskämpfeund wissen aber auch, dass vielGeld mit fragwürdigem Nutzen ausgegebenwird. So wurden allein imletzten Jahr mehr als 800 Mio. Euro2<strong>Psychotherapie</strong> <strong>Aktuell</strong> 2/10


Zunahme Psychischer ErkrankungenGesundheitspolitikfür Akupunktur ausgegeben – 2/3 derGesamtausgaben für die ambulante<strong>Psychotherapie</strong> in Deutschland!Die Behandlungskapazitäten für psychischeKrankheiten sind zu gering,es bestehen in der Regel lange Wartezeitenbei Psychotherapeuten undPsychiatern.Was ist also zu tun, wenn einerseitsdie Nachfrage steigt, andererseits dieRessourcen beschränkt sind?Mit diesem Thema beschäftigt sich unserheutiges Symposium. Als Psychotherapeutenfordern wir eine Erhöhungder Behandlungskapazitäten und derMittel für die <strong>Psychotherapie</strong>, aberauch für die Psychiatrie. Es hat - nebenbeigesagt - auch überhaupt keinenSinn, diese beiden Behandlungsansätzegegeneinander ausspielen zu wollennach dem Motto: „Die Psychotherapeutenbehandeln mit 2/3 des Geldesnur 1/3 der Krankheiten, die Psy -chiater dagegen mit 1/3 des Geldes 2/3der Krankheiten“. Solche Sätze, die Äpfelmit Birnen vergleichen, diskriminierendie <strong>Psychotherapie</strong>, helfen derPsychiatrie nicht und schaden am Endedem gemeinsamen Anliegen.In unserem Gesundheitswesen müssenpsychische Krankheiten stärkereBeachtung finden. Bei insgesamt beschränktenMitteln kann das nur bedeuten,dass an anderen Stellen gespartwerden muss. Als Psychotherapeutensind wir in unseren Praxendauernd mit Beispielen übertriebenermedizinischer Diagnostik, unnötigenoder fragwürdigen somatisch orientiertenBehandlungen, unüberlegtenPsychopharmakabehandlungen odernicht notwendigen Krankenhausbehandlungenkonfrontiert.Wir müssen uns aber auch selbst fragen,welche strukturellen Maßnahmennotwendig sind, damit die beschränktenRessourcen auf hohem qualitativemNiveau und so kostengünstig wiemöglich eingesetzt werden. Wir Psychotherapeutenkönnten einiges dazubeitragen – wenn man uns nur ließe.Denn nach wie vor sind uns im SozialrechtFesseln angelegt, die fachlichnicht begründbar sind. Warum z.B.sollten Psychotherapeuten ihre Patientenim Rahmen des Gesamtbehandlungsplanesnicht in psychotherapeutischeoder psychiatrische Klinikenund Abteilungen einweisen können,warum ihre Patienten nicht an Ärzteüberweisen können, warum brauchensie für die Verordnung von Ergotherapieden Umweg über den Arzt?Unsere heutige Veranstaltung wird einigeImpulse für eine Verbesserungder Versorgung psychisch krankerMenschen geben.Lassen Sie mich abschließend nocheinen Mangel ansprechen, der unsbisher bei der Analyse dessen was ichgerade gesagt habe, behindert. Es istder Mangel an Versorgungsforschungim Bereich der nicht von der Arzneimittelindustrieund Medizintechnikunterstützten Forschung. Die Versorgungsforschungkönnte uns wertvolleHinweise auf die Verbesserung derVersorgung liefern. Wir haben eineDatendichte wie wahrscheinlich inkeinem anderen Land, und dennochliegen diese Daten noch weitgehendungenutzt herum. Wir fordern deshalbeine gesetzliche Vorgabe zur Finanzierungder nicht von der Indus -trie getragenen Forschung.Wir haben mit unseren Referenten ausder Wissenschaft, aus dem Bereich der„Kostenträger“ und aus dem Bereichder „Leistungsanbieter“ ein breitesSpektrum der hier angesprochenenFragestellungen abgedeckt.Den heutigen Vormittag moderiertunser Bundesvorstandmitglied Hans-Jochen Weidhaas.Nach der Mittagspause setzen wir um14.00 Uhr die Veranstaltung mit einerPodiumsdiskussion fort. Wir hatten alsVertreter der Politik Herrn Bahr, ParlamentarischerStaatssekretär des BMG,und Frau Mattheis von der SPD-Bundestagsfraktioneingeladen. Leidermussten beide ganz kurzfristig wegeneiner namentlichen Abstimmung imBundestag zum Einsatz im Kosovo absagen.Dies tut uns sehr leid, denn wirhätten gerne unsere Anliegen gern direktmit Vertretern der Politik diskutiert.Dennoch freuen wir uns auf einespannende Diskussion zwischen demuns ja schon seit langem gut bekanntenHerrn Ballast, Vorstandvorsitzenderdes Verbandes der Angestellten Krankenkassen,Herrn Dörning vom ISEGHannover, mir als Vertreter der DeutschenPsychotherapeutenVereinigungund natürlich Ihnen als aufmerksameZuhörer. Moderiert wird die Diskussionvon Wolfgang van den Bergh, demChefredakteur der Ärzte-Zeitung.Vielen Dank.Hans DörningPsychische Erkrankungen– Volkskrankheitendes 21. Jahrhunderts?Erkenntnisse und neueDaten aus der stationärenVersorgungsanalyseHans DörningGeschäftsführer des ISEG – Institutfür Sozialmedizin, Epidemiologieund GesundheitssystemforschungAnhand der Routinedatendaten vonKrankenkassen lässt sich aufzeigen,dass die Bedeutung psychischer Erkrankungensowohl in Bezug auf dieFallhäufigkeiten (Krankenhaus-, Arbeitsunfähigkeits-und Krankengeldfallhäufigkeiten)und ambulantenDiagnoseraten als auch in Bezug aufdie Anzahl an Krankenhaustagen undFehlzeiten (Arbeitsunfähigkeits- undKrankengeldtage) deutlich angestiegenist. Als beispielhafter Beleg, wieauf die aus der zunehmenden Relevanzvon psychischen Erkrankungenresultierenden erhöhten Anforderungenan die Versorgung reagiert werdenkann, können die Ergebnisse einesPay for Performance-Projekteszur Effektivität und Effizienz einerstationären rehabilitativen Interventiondienen, die aufzeigen, dass ein innovativesVersorgungskonzept erfolgreichumgesetzt werden kann.Um Aufschluss über die häufig propagiertegestiegene Relevanz von psychischenErkrankungen in Deutschlandzu erhalten, wird im Folgendenauf der Grundlage von Krankassenroutinedaten(Daten aus den diversenReporten der ehemaligen GEK bzw.der BARMER GEK sowie der TechnikerKrankenkasse) der Stellenwert unddie Entwicklung psychischer Erkran-<strong>Psychotherapie</strong> <strong>Aktuell</strong> 2/10 3


GesundheitspolitikPsychische Erkrankungen – Volkskrankheiten des 21. Jahrhunderts?Relative Veränderungen (1999 = 100 %)180,0 %160,0 %140,0 %120,0 %100,0 %80,0 %60,0 %1999 2000 2001 20<strong>02</strong> 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009Die besondere Bedeutung von psychischenErkrankungen resultiert jedochmaßgeblich aus den ausgesprokungenin den letzten Jahren genauerquantifiziert. Im Anschluss daranwerden, als Beispiel für empirisch belegte(kosten-)wirksame Interventionensowie für die Umsetzung innovativerVersorgungskonzepte, die Ergebnisseeines konkreten Projektes berichtet.Es handelt sich dabei um einso genanntes „Pay for Performance-Projekt“, d.h., dass sich die Vergütungdes Leistungserbringers an demerzielten Ergebnis der Behandlungorientiert.Stellenwert und Entwicklung psychischerErkrankungenPsychische Erkrankungen rangierenin Bezug auf Krankenhausfallhäufigkeiten,Diagnoseraten im ambulantärztlichenSektor sowie Arbeitsunfähigkeitsfallhäufigkeitenlediglich imMittelfeld unter allen Diagnosekapiteln.Lediglich in Zusammenhang mitKrankengeldfallhäufigkeiten belegtdas Diagnosekapitel „Psychische undVerhaltensstörungen“ – nach denbeiden Kapiteln „Krankheiten desMuskel-Skelett-Systems“ sowie „Verletzungenund Vergiftungen“ – zurzeitRangplatz drei unter den insgesamt21 Diagnosekapiteln.169,9141,9IIVIXXIIIAbb. 1. Relative Veränderungen der Krankenhausfallhäufigkeiten zwischen 1999 und2009 in relevanten Diagnosekapiteln (II: Neubildungen, V: Psychische Störungen, IX:Krankheiten des Kreislaufsystems, XIII: Krankheiten des Muskel-Skelett-Systems)Allerdings sind bereits auf der Ebeneder Diagnosekapitel durchgängig beiallen vier Parametern in den letztenfünf bis zehn Jahren zum Teil deutlicheAnstiege in den Fallhäufigkeitenund Diagnoseraten nachweisbar.hielten z.B. 29,2% der Bevölkerungzumindest einmal eine Diagnoseaus dem Diagnosekapitel psychischeStörungen).• Die Arbeitsunfähigkeitsfallhäufigkeitenvon psychischen Erkrankungennehmen bei Berufstätigen von2000 bis 2009 um 36% zu (auf insgesamt44 AU-Fälle je 1.000 Versicherungsjahreim Jahr 2009).• Bei den Krankengeldfallhäufigkeitenist bei Berufstätigen zwischen20<strong>02</strong> und 2009 ein Anstieg in Höhevon 20% zu verzeichnen (auf6,6 Krankengeldfälle je 1.000 Versicherungsjahreim Jahr 2009).„Angesichts des mittlerweile zentralenStellenwertes psychischer Erkrankungenbedarf es u.a. möglichst frühzeitigergezielter Interventionen auf der Basis empirischbelegter effektiver und möglichsteffizienter Maßnahmen und Programmesowie innovativer Versorgungskonzepte.“• Die Krankenhausfallhäufigkeitenvon psychischen Erkrankungensteigen von 1999 bis 2009 um insgesamt69,9% an (auf insgesamt12,4 Krankenhausfälle je 1.000Versicherungsjahre im Jahr 2009)(vgl. auch Abbildung 1).• Der Anteil an Versicherten mit mindestenseiner Diagnose im Kalenderjahraus dem Diagnosekapitel„Psychische und Verhaltensstörungen“erhöht sich von 2004 bis2008 um 5,8% (im Jahr 2008 er-chen langen Verweilzeiten im Krankenhaussowie den außerordentlichlangen Fehlzeiten (Arbeitsunfähigkeits-und Krankengeldtagen).Die Krankenhaustage je 1.000 Versicherungsjahresteigen von 1999 bis2009 von 201 auf 268 an. Seit dem Jahr2007 sind psychische Erkrankungendamit bei beiden Geschlechtern zumrelevantesten Diagnosekapitel nochvor Krankheiten des Kreislaufsystemsaufgestiegen (vgl. auch Abbildung 2).Auch die Arbeitsunfähigkeits- undKrankengeldtage sind von einemdeutlichen Anstieg gekennzeichnet.So nehmen die Arbeitsunfähigkeitstageje Versicherungsjahr aufgrund vonpsychischen Erkrankungen bei Berufstätigenim zeitlichen Verlauf zwischen2000 und 2009 von 1,14 auf1,7 zu. Damit belegt das Diagnosekapitel„Psychische und Verhaltensstörungen“mittlerweile den drittenRang unter allen Diagnosekapiteln.Bei den durchschnittlichen Krankengeldbezugszeitenist von 20<strong>02</strong> bis2009 bei der Gruppe der Berufstätigenebenfalls ein Anstieg beobachtbar(von 0,64 Tagen auf einen Tag jeVersicherungsjahr). Seit dem Jahr2008 führen psychische Erkrankungendabei die Rangliste unter allenDiagnosekapiteln an.Angesichts des mittlerweile zentralenStellenwertes psychischer Erkrankungenbedarf es u.a. möglichst frühzeitigergezielter Interventionen auf derBasis empirisch belegter effektiverund möglichst effizienter Maßnahmenund Programme sowie innovativerVersorgungskonzepte. Zudemmuss die Abstimmung zwischen denVersorgungssektoren bzw. die Verzahnungder Versorgungsbereichesubstanziell verbessert werden.Die nachfolgenden konkreten projektbezogenenAusführungen greifenzwei der aufgestellten Forderungenan eine Verbesserung der Versorgungssituationauf und zeigen beispielhaft,wie auf der Grundlage einesinnovativen Versorgungskonzeptesbei psychischen Erkrankungen effektivund effizient interveniertwerden kann.KH-Tage (je 1000 VJ)350,0 %300,0 %250,0 %200,0 %150,0 %100,0 %201,<strong>02</strong>68,0IIVIXXIIIKG-Tage je VJ (Berufstätige)1,21,00,80,60,40,20,641,00IIVXIIIXIX50,0 %1999 2000 2001 20<strong>02</strong> 2003 2004 2005 2006 2007 2008 20090,<strong>02</strong>0<strong>02</strong> 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009Abb. 2. Krankenhaustage je 1.000 Versicherungsjahre 1999 bis 2009 in relevantenDiagnosekapiteln (II: Neubildungen, V: Psychische Störungen, IX: Krankheiten desKreislaufsystems, XIII: Krankheiten des Muskel-Skelett-Systems)Abb. 3. Krankengeldtage je Versicherungsjahr 20<strong>02</strong> bis 2009 in relevanten Diagnosekapiteln(II: Neubildungen, V: Psychische Störungen, XIII: Krankheiten des Muskel-Skelett-Systems)4<strong>Psychotherapie</strong> <strong>Aktuell</strong> 2/10


Psychische Erkrankungen – Volkskrankheiten des 21. Jahrhunderts?GesundheitspolitikEffektivität und Effizienz einerstationären rehabilitativen Interventionbei psychischen Erkrankungen– Ergebnisse eines Pay forPerformance-ProjektesVor dem Hintergrund der schon Endeder 1990er Jahre absehbaren zukünftigenBedeutung psychischer Erkrankungenhat eine Krankenkasse (GEK)im Jahr 2000 mit einer Rehabilitationsklinik(AHG Klinik Waren) einen Vertragüber ein Pay for Performance-Projekt geschlossen. Vereinbart wurdeeine sechswöchige Interventionsmaßnahmebei Versicherten mitpsychischen Erkrankungen („AffektiveStörungen“ sowie „Neurotische,Belastungs- und somatoforme Störungen“)auf der Basis einer definiertenFallpauschale. Zusätzlich wurde eineBonus-/Malusregelung festgeschrieben.Die Regelung sieht vor,dass die durchführende Klinik für jedenTeilnehmer, der innerhalb einesZeitraums von 36 Monaten nachMaßnahmeende fallbezogen mindes -tens 35% geringere gesundheitsbezogeneLeistungsausgaben verursachtals der Durchschnitt einer Kontrollgruppe(Behandlung unter Alltagsbedingungen)und der zudemunter zusätzlichem Einbezug aller anfallendenAusgaben für das Pay forPerformance-Programm (Fallpauschale,anteilige Selektions- und Rekrutierungskosten,Fahrkosten sowieanteilige Evaluationskosten) wenigerKosten verursacht als der Durchschnittder Kontrollgruppe, eine zusätzlicheBonuszahlung in Höhe von10% der Fallpauschale erhält. Bei individuellnicht erreichter „Performance“erfolgt im Gegenzug eine Malusrückzahlungan die Krankenkasse vonebenfalls 10% der Fallpauschale.Zur Evaluation des Erfolgs der Maßnahmewurde eine kontrollierte prospektiveStudie mit einem Follow-upvon 36 Monaten durchgeführt. DieZielgruppe umfasst zum Ziehungszeitpunktausschließlich zwischen 42und 49 Tage arbeitsunfähig geschriebenePersonen, die nach definiertenEin- und Ausschlusskriterien im wöchentlichenRhythmus aus Krankenkassenroutinedatengezogen wurden.Die selektierten Versichertenwurden zunächst ausschließlich derInterventionsgruppe und danach derKontrollgruppe zugewiesen.Primäre Outcomes für das fallbezogenePay for Performance-Projekt warendie Parameter „Krankenhaustage“,„Krankengeldtage“ und „Medikamentenkosten“.Für eine zusätzlichdurchgeführte gruppenbezogeneEvaluation der Effektivität der Maßnahmewurden zudem die Parameter„Arbeitsunfähigkeitstage“ und „Medikamentenverordnungen“berücksichtigt.Von der ersten Studiengruppe erfüllen63,6% (n=182) und von der zweitenStudiengruppe 72,8% der Teilnehmer(n=99) das erste Bewertungskriterium.D.h. nahezu zwei Drittel bzw.knapp drei Viertel der Teilnehmer verursachenmindestens um 35% geringereLeistungsausgaben als der Durchschnittder Kontrollgruppe.Unter Einbezug des zweiten Bewertungskriteriums(zusätzlicher Einbe-„Mit dem hier vorgestellten Projekt liegteine prospektive kontrollierte Studiezur mittelfristigen (Kosten-)Wirksamkeiteines Programms bei erwerbstätigenPatienten mit affektiven und/oderneurotischen, Belastungs- undsomatoformen Störungen vor. “Bei der Evaluation im Rahmen desPay for Performance-Projektes wurden,um dem Umstand der „dynamischenVersichertenpopulation“ Rechnungzu tragen, zwei Analyseansätzezur Bestimmung des fallbezogenenErgebnisses gewählt. Zum einen wurden,unabhängig von der Vollständigkeitder Nachbeobachtungszeiten, alleTeilnehmer einbezogen, die den definiertenEin- und Ausschlusskriterienzu Beginn der Studie entsprachen(Studiengruppe 1: n=286, Kontrollgruppe:n=482), zum anderen wurdennur die Teilnehmer berücksichtigt,die vollständige 36 Monatenachbeobachtet werden konnten(Studiengruppe 2: n=136).In die zusätzlichen gruppenbezogenenAnalysen zur Effektivität wurdendagegen durchgängig alle Teilnehmerund Kontrollen unabhängig von derVollständigkeit der Nachbeobachtungszeiteinbezogen (Kontrollgruppe:n=482; Interventionsgruppe:n=286). Die Auswertungen erfolgtendabei alters-, geschlechts- und Diag -nose-adjustiert (direkte Standardisierung)unter rechnerischer Einbeziehungder individuellen Versicherungszeitenim 36-monatigen Nachbeobachtungszeitraum.Ergebnisse zum Pay for Performance-Projekt:zug der Fallpauschale und der Evaluationskosten)verursachen 60,8% (Studiengruppe1) bzw. 72,8% (Studiengruppe2) weniger Ausgaben als dieKontrollgruppe, so dass ein positivesErgebnis im Sinne der vereinbartenBonus-/Malus-Regelung vorliegt.Ergebnisse zur Effektivität:Die Ergebnisse der Analysen zeigen beiallen vier kontrollierten Outcome-Parameterneinen positiven Effekt der Maßnahme.Die Werte in der Interventionsgruppeliegen ausnahmslos substanziellund statistisch signifikant unterden Werten in der Kontrollgruppe.Literaturhinweis:Bitzer, Eva M, Grobe, Thomas G, DörningHans, Schwartz, Friedrich Wilhelm(2006-2008): GEK-Reporteakut-stationäre Versorgung, St. Augustin:Asgard-VerlagBitzer, Eva M, Grobe, Thomas G,Schilling, Elisabeth, Dörning Hans,Schwartz, Friedrich Wilhelm (2009):GEK-Report Krankenhaus 2009, St.Augustin: Asgard-VerlagGrobe, Thomas G, Dörning, Hans,Schwartz, Friedrich Wilhelm (2000-2005): GEK-Gesundheitsreporte, St.Augustin: Asgard-Verlag• Die Anzahl an Krankenhaustagenliegt im Nachbeobachtungszeitraummit durchschnittlich 8,43 Tagenum 7,94 Tage unter demDurchschnittswert in der Kontrollgruppe(16,37 Tage) (p


GesundheitspolitikInnovative Versorgungsansätze im Krankenhaus der RegelversorgungBirgit Albs-FichtenbergInnovative Versorgungsansätzeim Krankenhausder Regelversorgung:ein PraxisbeispielDr. Birgit Albs-FichtenbergLeiterin der Abteilung PsychologischerFachdienst, Krankenhaus derBarmherzigen Brüder, TrierDer Psychologische Fachdienst imKrankenhaus der Barmherzigen BrüderTrier ist eine eigenständige, psychotherapeutisch-neuropsychologischeAbteilung,die konsiliarisch wie auch im Liaisonverfahrenin einem Akutkrankenhaustätig wird. Dargestellt werdenkonzeptionelle Überlegungen und Organisationsprinzipiensowie Datenzur Inanspruchnahme. Chancen undSchwierigkeiten werden diskutiert.Das Krankenhaus der BarmherzigenBrüder Trier ist ein Haus der Schwerpunktversorgungmit 562 Betten in15 medizinischen Fachabteilungen.1997 wurde hier erstmals eine Stellefür eine Diplom-Psychologin geschaffen,die schwerst hirngeschädigte Patientender Neurologischen Frührehabilitationbehandelte und dem neurologischenChefarzt unterstellt war. Inden Folgejahren mehrten sich Anfragenunterschiedlicher medizinischerFachabteilungen nach psychologischerUnterstützung.2006 wurde die Abteilung PsychologischerFachdienst gegründet und damitNeuland betreten: Ziel war es, in einemKrankenhaus ohne Psychiatrie oderPsychosomatik eine eigenständige,nicht-bettenführende psychologischeAbteilung aufzubauen. Der Abteilungsaufbauerfolgte in mehreren Schritten:Während sich zu Beginn die Tätigkeitauf die Behandlung schwerst hirnge-schädigter Menschen der neurologischenFrührehabilitation sowie die psychoonkologischeBetreuung krebserkrankterMenschen beschränkte, werdenheute alle Abteilungen und Zentrendes Krankenhauses konsiliarisch oderim Liaisonverfahren betreut. Unter derLeitung einer Psychologischen Psychotherapeutinarbeiten im PsychologischenFachdienst zurzeit fünf PsychologischePsychotherapeutinnen/ Neuropsychologinnen.Die Abteilung ist demKrankenhausdirektorium unterstellt.Der Psychologische Fachdienst istanerkannte Weiterbildungsstätte fürNeuropsychologie (zertifiziert durchdie Gesellschaft für Neuropsychologiesowie die LandespsychotherapeutenkammerRheinland-Pfalz) sowiefür 600 Stunden der praktischen Tätigkeitbei der Ausbildung zum PsychologischenPsychotherapeuten derUniversität Trier.Konzeptionelle ÜberlegungenMit der Gründung einer eigenen psychotherapeutisch-neuropsychologi-jeweiligen medizinischen Abteilungenaufsucht und in enger Abstimmungmit behandelnden Ärzten undPflegeteams tätig wird. In der NeurologischenFrührehabilitation und denonkologischen Stationen arbeiten wirim Liaisonverfahren: Neuropsychologen/PsychologischePsychotherapeutensind täglich präsent, Absprachenfinden u.a. in Visiten und Teamsitzungenstatt. Nachbehandler erhalten einenpsychologischen Entlassbrief.Alle anderen Stationen fordern denPsychologischen Fachdienst per elektronischemKonsil an und formulierendabei auch eine diagnostischeoder psychotherapeutisch-neuropsychologischeFragestellung, Rück- undAbsprachen erfolgen telefonisch oderdirekt auf der Station. Die Konsiltätigkeitmündet in einen Konsilbefund.„Schnelle und qualifizierte Diagnostik– niederschwelliges und flexiblesBehandlungsangebot.“Der Zugang zu der elektronischen Patientenaktesowie die enge Zusammenarbeitmit behandelnden Ärztenund dem Pflegeteam ermöglichen es,fokussiert auf die aktuellen BeschenFachabteilung ohne Bettenführungwaren eine Vielzahl von Erwartungenverbunden: Es sollte eine Organisationsformentwickelt werden,die für unterschiedliche medizinischeAbteilungen effektiv und flexibel psychotherapeutisch-neuropsychologischeExpertise bereit stellt, eine amPatientenbedarf orientierte flexibleVersorgung sichert, eine psychologischeBetreuung auch in Urlaubszeitenoder im Krankheitsfalle gewährleis -ten kann und für die Krankenhausleitungdurch einen verantwortlichenAnsprechpartner vertreten ist.Interdisziplinär arbeiten im KonsilundLiaisonverfahrenOb chirurgische, internistische oderneurologische Patienten – bei ihnenallen können behandlungsbedürftigepsychische/neuropsychologische Problemeund Beschwerden bestehenund/oder auftreten.Der Psychologische Fachdienst wurdeals abteilungsübergreifender Dienstkonzipiert, der die Patienten auf denschwerden und Probleme des Patiententätig zu werden. Bei diagnostischenFragestellungen angesichtskomplexer und unklarer Beschwerdebilderist es ja gerade die Integrationvon medizinischen und psychodiag -nostisch-neuropsychologischen Ergebnissen,die zielführend ist. Bei konsiliarischenpsychotherapeutisch-neuropsychologischenBehandlungen gehtes meist um Krisen- und Kurzzeitinterventionenim Kontext der körperlichenErkrankung und die Anbahnung einergeeigneten Weiterbehandlung etwadurch niedergelassene ärztliche oderPsychologische Psychotherapeuten,Neurologen und Nervenärzte oderauch im Rahmen einer stationären Rehabilitation,psychiatrischen oder psychosomatischenBehandlung.Patientenorientierte Organisationsprozessezielen auf optimale und patientengerechteDiagnostik und BehandlungIn der Regel wird innerhalb von 24 Stundennach Konsilanforderung von der zuständigenPsychothera peu tin / Neuro -psychologin Kontakt zum Pflegeteamund dem behandelnden Arzt aufgenommenum zu klären, wo, wann undauch wie lange ein Patient gesehenwerden kann – unter Berücksichtigungder Belastbarkeit des Patienten,seiner Mobilität, anderen diagnostischen,medizinischen, pflegerischenund therapeutischen Notwendigkeitenu.ä. Im Liaisonverfahren erfolgtein Erstkontakt innerhalb von maximal48 Stunden nach Indikationsstellung.Ziel ist eine optimale und patientengerechtemultidisziplinäre Diagnostikund Behandlung. Dies fordert von allenBehandlern Verständnis und Offenheitfür die jeweils andere Disziplin,von Seiten des Psychologischen Fachdienstesauch ein sehr flexibles Vorgehenund ein gutes Zeitmanagement.Transparenz und Effektivität durchKommunikation und DokumentationIn den letzten Jahren haben wir unsereKernprozesse beschrieben undstark vereinheitlicht. Für und in Absprachemit medizinischen Zentrenhaben wir Indikationslisten erstellt,um die konsiliarische Zuweisung zumPsychologischen Fachdienst – auch inAbgrenzung zur psychiatrischen Konsiltätigkeit,Seelsorge und der Abteilungfür soziale Beratung und Betreuung– transparent zu gestalten.Häufigkeit und Dauer der Kontaktewerden dokumentiert und können etwain Zertifizierungsprozessen belegtwerden. Für das pflegerische Team undden zuständigen Arzt ist klar ersichtlich,wer psychotherapeutisch/neuropsychologischtätig ist.Schriftliche Befunde mit Diagnoseund Behandlungsvorschlag stehenam Ende jedes konsiliarischen Kontaktesund jeder längeren psychotherapeutisch-neuropsychologischenBehandlung,ein Kurzbefund für denärztlichen Entlassungsbrief bzw. eineigenständiger psychologischer Befundbriefsollen die Information desNachbehandlers sicherstellen und sowohlMehrfachdiagnostik – etwa inder nachfolgenden Rehabilitationsklinik– verhindern als auch Fehlbehandlungenvermeiden helfen.Diagnose und Behandlungsvorschlagbesprechen wir auch mit dem Patienten,um ihn dabei zu unterstützen gesundheitsbezogenesVerhalten zu6<strong>Psychotherapie</strong> <strong>Aktuell</strong> 2/10


Innovative Versorgungsansätze im Krankenhaus der RegelversorgungGesundheitspolitikentwickeln und ggf. eine adäquateBehandlungsmöglichkeit zu finden.Generelle und spezifische psychologischeFachexpertise für medizinischeHauptfachabteilungen gewährleistenIn der täglichen Arbeit im Krankenhaushat sich bewährt, für die medizinischenHauptfachabteilungen des Brüderkrankenhausesgenerelles und spezifischespsychologisches Wissen bereit zu stellen.So erwarben und erwerben alleKolleginnen Zusatzqualifikationen: dieAbteilung Psychologischer Fachdienstbildet als anerkannte Weiterbildungsstätte(LPK Rheinland-Pfalz und Gesellschaftfür Neuropsychologie GNP)Neuropsychologen aus. ZertifizierteFortbildungen in Psychoonkologie(WPO) gewährleisten ein spezifischesFachwissen in der Behandlung und Betreuungvon krebserkrankten Menschen,Fortbildungen in Psychotraumatherapie(DeGPT und EMDRIA zertifiziert)finden insbesondere in der Akutversorgungvon verunfallten MenschenAnwendung, mit einer Weiterbildungin Psychodiabetologie (LPK RLP) wirddie Behandlung von Menschen mitdiabetesbedingten psychischen Problemengewährleistet. Auch Kenntnisse inpsychologischer Schmerztherapie findenEingang in Behandlungen.Erst als eigenständiges Team konntenwir diese Bandbreite an spezifischempsychologischem Fachwissen aufbauen.Die Organisationsstruktur ermöglichtes zudem jedem Teammitglied, sichweiter zu entwickeln und auch neue inhaltlicheSchwerpunkte zu setzen.Daten zur Inanspruchnahme desPsychologischen Fachdienstes imKonsilverfahrenDie Dauer der Kontakte im Konsilverfahrenvariiert von 15 Minunten bismehrere Stunden, im Mittel beläuftsie sich auf 90 – 120 Minuten. In 80%aller Konsile finden 1 – 3 Kontaktestatt, das Maximum betrug im letztenJahr 11 Kontakte. Etwa die Hälfte allerKonsile werden von der Neurologieangefordert, 25% kommen auschirurgischen Abteilungen, 25% ausden Internistischen Abteilungen, derUrologie, Orthopädie, Anästhesieoder Intensivmedizin. Jedem 5. Patientenempfehlen wir eine ambulante<strong>Psychotherapie</strong> oder eine stationäreRehabilitation, bei etwa 17% bestehtbei Entlassung kein psychologischerHandlungsbedarf mehr.Schwierigkeiten und GrenzenDie dargestellte Fachabteilung ersetztkeine bettenführende psychosomatischeund psychiatrische Abteilung,Fach- oder Rehabilitationsklinik odertagesklinische Angebote. Gerade dieBehandlung komplexer und schwererpsychischer Erkrankungen benötigtein einheitliches stationäres Behandlungskonzeptund damit eine bettenführendeAbteilung oder ein tagesklinischesKonzept, das auf die primäreBehandlung psychischer Erkrankungenausgerichtet ist. Im Rahmen dervorgestellten Abteilung sind längerfristigeBehandlungen nur begrenzt undnach Maßgabe der körperlichen Erkrankungmöglich, sie sind u.a. durchdie immer weiter abnehmenden Liegezeitenim Krankenhaus limitiert.Wartezeiten auf einen ambulanten<strong>Psychotherapie</strong>platz sind hinlänglichbekannt, im Kontext einer körperlichenErkrankung – etwa einem Tumorleidenoder einem Diabetes – können sieauch zu ernsten körperlichen Konsequenzenführen. Das Neuropsychologiein Kostenträgerschaft der gesetzlichenKrankenkassen nur im stationären Bereichvorgehalten wird, hat im Einzelfallgroßes persönliches Leid zur Folgeund limitiert die im stationären Bereichmöglichen Behandlungserfolge.Chancen einer nicht-bettenführendenpsychotherapeutisch-neuropsychologischenFachabteilungDie Abteilung ermöglicht eine schnelleund qualifizierte Diagnostik psychischerStörungen und neuropsychologischerDefizite im Kontext körperlicherErkrankungen. Bei komplexenund unklaren Beschwerdebildernträgt sie zu einer fundierten Differentialdiagnostikbei. Sie gewährleistetein niederschwelliges und flexiblesBehandlungsangebot. Durch die Anbahnungeiner adäquaten Weiterbehandlungträgt sie dazu bei, Chronifizierungenund Fehlbehandlungen zuvermeiden bzw. zu vermindern.Mit ihrer täglichen patientenbezogenenArbeit und Präsenz auf den Stationen,aber auch durch informelleKontakte, Vorträge, Teamsitzungenetc., stärkt sie in allen Berufsgruppendas Verständnis für psychische Erkrankungenund deren vielfältige Wechsel-Beispiele für psychologische Konsile• Mediainfarkt – neuropsychologische Defizite? Rehapotential?• Schwerer Autounfall mit Polytrauma, massive Ängste, Albträume,Schlafstörungen – Bitte Mitbetreuung.• Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, kein somatischer Befund – Bitte umMitbeurteilung.• Lange Krankheitsgeschichte, aktuell Amputation rechter Fuß; Patientist „alles zuviel“ – Erbitte Mitbetreuung. Suizidal?• Erneute Vorstellung zur Chemo; mangelnde Compliance, Patientbegreift lebensbedrohliche Situation nicht - Bitte psychologischeIntervention.• Unklarer Rückenschmerz – differentialdiagnostische Beurteilung?Welche Abteilungen fordern Konsile an?Analyse von 300 KonsilenNeurologie 155 52,0%Unfallchirurgie 34 11,3%Allg. Chirurgie 30 10,0%Neurochirurgie 8 2,7%Herz- und Thoraxchirurgie 5 1,7%Innere Medizin I, II, III 33 11,0%Urologie 20 6,7%Orthopädie 4 1,4%Anästhesie/Intensiv 4 1,4%Zentrum für Gefäßmedizin 4 1,4%52,0%25,7%21,9%Behandlungsempfehlungen bei KonsilenAnalyse von 300 KonsilenKein weiterer Handlungsbedarf 56 16,7%Ambulante <strong>Psychotherapie</strong> (incl. Traumaspez.64<strong>Psychotherapie</strong> und Schmerzpsychotherapie)Weiterführung bestehende <strong>Psychotherapie</strong> 8 19,5%Psychosomatik Akutkrankenhaus 6 1,7%Stationäre Rehabilitation 63 18,6%Psychiatrie (stationär) 7 2,1Nervenärztliche Behandlung (ambulant) 23 6,8Palliativstation / Hospiz 6 1,8%Beratungsstelle (incl. Suchtberatung) 19 5,6%Psychosoziale Organisation 13 3,8%Jugendamt / Gesundheitsamt 1


GesundheitspolitikÜber-, Unter- und Fehlversorgung bei psychisch KrankenThomas BallastÜber-, Unter- undFehlversorgung beipsychisch KrankenThomas BallastVorsitzender des Vorstandes desvdekGuten Morgen, meine Damen undHerren, lieber Herr Best und lieberHerr Weidhaas.Vielen Dank, dass Sie mich eingeladenhaben. Die Ersatzkassen hatten schonimmer eine große Nähe zur <strong>Psychotherapie</strong>,was man in den letzten Monatensehr gut daran erkennen konnte,dass die drei größten MitgliedskassenVeröffentlichungen über die Zunahmepsychischer Erkrankungen publizierthaben. Ich selbst befasse mich seitnunmehr über 15 Jahren mit <strong>Psychotherapie</strong>,und bei allen Problemen derÜber-, Unter- und Fehlversorgung, diees in der <strong>Psychotherapie</strong> genauso gibtwie in anderen Bereichen unseres Gesundheitssystems,haben wir alle gemeinsamin den letzten zwei Jahrzehntensehr viel erreicht. Daher dürfenwir bei der Debatte über möglicheVersorgungsdefizite nicht vergessen,woher wir gekommen sind – und dassdie Psychotherapeuten natürlich auchmit anderen Versorgungsproblemenkonkurrieren.Lassen Sie mich zunächst ein paar allgemeineDaten zur Prävalenz psychischerErkrankungen in Deutschlandzitieren, die wir den Berichten unsererMitgliedskassen und den Daten derBundespsychotherapeutenkammersowie des Bundesgesundheitssurveys(vgl. Zusatzmodul „Psychische Störungen“von Jacobi et.al. 2006) entnommenhaben:Etwa 31% der Bevölkerung inDeutschland erkrankt innerhalb einesJahres an einer psychischen Störung.Frauen erkranken mit 37% wesentlichhäufiger als Männer mit 25,3%. Ungefähr40% aller Personen weisen mehrals eine psychische Störung auf, und esgibt Hinweise, dass die Häufigkeit psychischerStörungen mit dem Alter zunimmt.Die Zahl der krankheitsbedingtenFehltage aufgrund psychischerStörungen hat sich seit 1990 verdoppelt,mittlerweile werden psychischeErkrankungen sogar als zweithäufigsterGrund für Krankschreibungen genannt.Wenn wir den Daten des Gesundheitssurveysglauben wollen, leiden18 Millionen Deutsche an einerpsychischen Störung. Diese Entwicklungmutet ja schon fast apokalyptischan! Wird unsere Gesellschaft tatsächlichimmer kranker, beispielsweise aufgrundhoher Anforderungen im Arbeitslebenoder der steigenden Lebenserwartung?Oder gibt es andereUrsachen für diese Zahlen?Erfreulicherweise sind die Berührungsängstevon Patienten und Ärzten in Bezugauf psychische Krankheiten gesunken– dies ist sicherlich auch ein Verdienstdes Psychotherapeutengesetzes.Im Zusammenhang damit ist das Problembewusstseinfür psychische Störungengestiegen – ein Indiz hierfür ist,dass die Steigerung der psychischenErkrankungen bei den Arbeitsunfähigkeitstagenmit einem Rückgang beiden Herz-Kreislauf-Erkrankungen, denMuskel-Skelett-Erkrankungen und denVerletzungen einher geht. Zu erwartenist, dass das veränderte Diagnoseverhaltender Ärzte in den nächsten Jahrendurch die Anreize des Morbi-RSAweiter Auftrieb gewinnen wird.Wenn man sich die Versorgungslandschaftin Deutschland ansieht, stelltman fest, dass bereits sehr viel für diepsychisch Kranken getan wird: Es gibtbereits über 18.500 zugelassene Ärztlicheund Psychologische Psychotherapeuten,die über 300.000 Patientenjährlich ambulant in einem der dreiRichtlinienverfahren behandeln. DieBundespsychotherapeutenkammergibt die durchschnittliche Behandlungsdauermit ca. 80 Stunden an.Weitere 6.500 Ärzte unterschiedlicherFachrichtungen dürfen psychotherapeutischeLeistungen erbringen, da -runter insbesondere Nervenärzte undÄrzte für Psychiatrie und <strong>Psychotherapie</strong>.Zusätzlich gibt es ca. 12.500psychosoziale Beratungsstellen, dieInstitutsambulanzen können weitere175.000 Erwachsene und 120.000Kinder und Jugendliche versorgen,dazu kommen ca. 5.000 Plätze in Tageskliniken.Über 275.000 Patientenjährlich können stationär behandeltwerden und weitere 150.000 in Reha-Einrichtungen.Insgesamt könnenin Deutschland so über eine MillionMenschen der gesetzlichen Krankenversicherungenpro Jahr psychotherapeutischbehandelt werden.Dennoch wissen wir, dass es immerwieder Wartezeiten auf ambulanteoder stationäre Therapieplätze gibt. Vordem Hintergrund der stetig steigendenKosten in der GKV, die sich momentan(noch) in einem künstlich subventioniertenallgemeinen Beitragssatz von14,9% niederschlagen, der steigendenZahl an Krankenkassen, die Zusatzbeiträgeerheben müssen, sowie der politischenDiskussion über weitere Beitragsbelastungenist auch im Rahmender psychotherapeutischen Versorgungein zunehmendes Bewusstsein dafürerforderlich, dass <strong>Psychotherapie</strong> einknappes Gut ist! Vor einer Erweiterungder finanziellen Rahmenbedingungenist es daher dringend erforderlich, dassgemeinsame Anstrengungen unternommenwerden, um nach Effizienzreserveninnerhalb des Systems zu suchen,die es ermöglichen, mehr Menschenmit den vorhandenen Ressourcenzu versorgen.Wie Sie den Daten zur Bedarfsplanungentnehmen können, gibt es inkeinem einzigen Planungskreis Unterundnur in 32 Planungskreisen Regelversorgung.Alle anderen 370 Planungskreisesind überversorgt. Dennochgibt es durchschnittlich 3 bis 6Monate Wartezeiten in der ambulantenVersorgung. Bedeutet dies automatisch,dass die einzige Möglichkeit, dieWartezeiten zu reduzieren, die Zulassungvon mehr Psychotherapeuten ist?Nun, Wartezeiten sind nicht in jedemFall ein Problem – dies hängt stark vonder jeweiligen Störung ab – eine „normale“Psyche erholt sich in der Regelinnerhalb von 3 bis 12 Monaten vonleichteren Störungen. Wir wissen ferner,dass es ein Ost-West-Gefälle undein Stadt-Land-Gefälle gibt. Eine undifferenzierteZulassung von mehr Psychotherapeutenwürde diese Problemevoraussichtlich nicht in den Griff bekommen.Auch ist bekannt, dass es eineunbestimmte Anzahl „Teilzeitpsychotherapeuten“gibt. So könnte manz. B. darüber nachdenken, die Bedarfsplanungzeitgemäßer zu gestalten, umdamit auch der Feminisierung in der<strong>Psychotherapie</strong> besser Rechnung zutragen, sodass Familie und Beruf einfacherunter einen Hut zu bringen sind.Lassen Sie mich noch mal einen Blickzurück werfen auf das, was wir seitdes Inkrafttretens des Psychotherapeutengesetzesgeschafft haben: Es istgelungen, die psychotherapeutischenKapazitäten auszubauen, einen direktenZugang zum Psychotherapeutenzu schaffen und die <strong>Psychotherapie</strong> zuenttabuisieren. Auch die Evidenzbasierungder <strong>Psychotherapie</strong> ist in den letztenJahren sehr erfolgreich vorangebrachtworden. Die Ersatzkassen begrüßendiese Entwicklungen sehr.Gleichzeitig ist <strong>Psychotherapie</strong> ausden unterschiedlichsten Gründen jedochauch besonders anfällig für angebotsinduzierteNachfrage und damitder Überversorgung von Patienten.Ich erwähnte schon, dass diedurchschnittliche Behandlungsdauer8<strong>Psychotherapie</strong> <strong>Aktuell</strong> 2/10


Über-, Unter- und Fehlversorgung bei psychisch KrankenGesundheitspolitikin der ambulanten <strong>Psychotherapie</strong>laut Daten der Bundespsychotherapeutenkammerbei ca. 80 Stundenliegt. Dabei steigt die Wirksamkeit einerpsychotherapeutischen Behandlungbei den beiden StörungsbildernAngst und Depression, unter denen inDeutschland etwa 68% aller Menschenmit psychischen Störungen leiden,laut einer Metaanalyse von Margrafet. al. aus dem Jahr 2008 nacheinem Behandlungsumfang von mehrals 45 Stunden nicht mehr wesentlichan. Es ist daher zu vermuten, dassdurch eine gezielte Steuerung der Patientenhier Effizienzreserven zu findensind. Auch wäre eine differenzierteDiskussion darüber, ab wann eineDiagnose auch behandlungsbedürftigist, wichtig. Nicht umsonst fragen dieAutoren des Buches „The loss of sadness“,Allan W. Horwitz und Jerome K.Wakefield, ob man heutzutage einfachnur traurig sein darf, ohne gleich dieDiagnose „Depression“ zu erhalten.Neben der Unter- und Überversorgunggibt es, wie an vielen Stellen in unseremGesundheitssystem, auch in der<strong>Psychotherapie</strong> fehlversorgte Patienten.Fehlversorgung besteht aus unsererSicht dann, wenn man die folgendeFrage nicht eindeutig bejahen kann:„Wird jeder Patient für seine Störungenmit dem für ihn geeigneten Verfahrenvon einem „passenden“ Psychotherapeutenin dem medizinisch notwendigenUmfang psychotherapeutisch sowiemedikamentös behandelt?“Wie so oft fehlen zur Beantwortungdieser Frage auch hier zuverlässigeDaten für Deutschland, aber es gibtzahlreiche Hinweise, dass dem nichtso ist. Ich möchte Ihnen gerne einpaar Beispiele nennen.Anhand der Abrechnungsdaten hat dieTechniker Krankenkasse geprüft, welcheDiagnosen mit welchen Verfahrenin welchen Regionen Deutschlandswie häufig behandelt werden. Am Beispielder Indikation Depression (F32)lässt sich anschaulich darstellen, dasses Regionen gibt, in denen Depressionzu fast 30% mit analytischer <strong>Psychotherapie</strong>behandelt werden, wohingegenin anderen Regionen so gut wiegar keine analytische <strong>Psychotherapie</strong>zur Anwendung kommt. Auch bei derVerhaltenstherapie gibt es sehr große„Es ist dringend erforderlich, dass gemeinsameAnstrengungen unternommenwerden, um nach Effizienzreserven innerhalbdes Systems zu suchen, die es ermöglichen,mehr Menschen mit den vorhandenenRessourcen zu versorgen.“lung der Verfahren innerhalb Deutschlandssinnvoll sein könnte.Es ist ebenfalls bekannt, dass dieSchnittstelle zwischen Psychotherapeutund mitbehandelndem HausoderFacharzt und damit insbesonderedas Ineinandergreifen von psychotherapeutischerund medikamentöserBehandlung noch verbesserungsfähigist. So werden Patienten mit depressivenStörungen oft noch nicht leitliniengerechtbehandelt und erhalten sowohlzu früh, als auch zu spät Antidepressivaoder <strong>Psychotherapie</strong>.Eine große und spannende Herausforderungder nächsten Jahre wird esdaher sein, die aufgezeigte Über-, Unter-und Fehlversorgung zu reduzieren.Dafür bedarf es des gemeinsamen Willens,nach Effizienzreserven in dem bestehendenSystem zu suchen und alteStrukturen aufzubrechen. Ein möglicherAnsatzpunkt hierfür könnte eineÜberarbeitung der bestehenden Stundenkontingentesein. Diese sind in ihrerjetzigen Form vor über zehn Jahrenaufgrund der damals vorhandenen Erfahrungswertein die <strong>Psychotherapie</strong>-Richtlinie aufgenommen worden. Jenach Verfahren wurden zu bewilligendeMindeststundenkontingente von25 oder 160 Stunden bzw. maximal80, 100 oder 300 Stunden festgelegt.Durch eine intelligente neue Kontingentierungkönnte es gelingen, mehrBehandlungskapazitäten zu schaffen,ohne bei psychisch schwer krankenMenschen die Behandlungsdauer zureduzieren, wie Sie an folgendem Rechenbeispielsehen können. Dieses Rechenbeispielließe sich natürlich aufdie anderen Bewilligungsschritte genausoanwenden:Angenommen, es werden jährlich300.000 Patienten mit ambulanter<strong>Psychotherapie</strong> behandelt, von denen50% bzw. in absoluten Zahlen150.000 Kurzzeittherapien sind, beidenen das Stundenkontingent jeweilsvoll ausgeschöpft wird. Nehmen wirweiter an, dass bei einem Drittel dieserPatienten das Behandlungszielbereits nach 15 Stunden erreicht werdenkann. Auf diese Weise ließen sichKapazitäten für die Behandlung vonmehr als 30.000 weiteren Patientenà 15 Stunden gewinnen.Im Zuge der Prüfung der Richtlinienverfahrendurch den G-BA ist es daherunbedingt geboten, die bisherigenStundenkontingente daraufhinzu überprüfen, ob sie noch dem heutigenStand der Wissenschaft entsprechen,da eine nicht evidenzbasierteAnpassung der Stundenkontingenteauch den gegenteiligen Effekt habenkann. Aufgrund der engen Verknüpfungvon zu bewilligenden Stundenkontingentenund dem Gutachterverfahrenkann gegebenenfalls auch eineÜberarbeitung des Gutachterverfahrenserforderlich sein!Weitere Lösungsansätze zur Verbesserungder Versorgungssituation liegenaus unserer Sicht in innovativen undqualitätsgesicherten Projekten und besonderenVersorgungsformen, in denendie Richtlinienverfahren zur Anwendungkommen und eine zwischenallen Beteiligten besser abgestimmteund, wenn möglich, kosteneffektivereVersorgung gewährleisten. Auch beiVersorgungsunterschiede, so gibt esRegionen, in denen – immer noch beider Indikation Depression – gerademal 16% der Patienten verhaltenstherapeutischbehandelt werden, in anderenRegionen sind es hingegen bis zu77%. Die Dauer und Art der Behandlunghängt somit zu einem guten Teilvom Zufall ab. Je nachdem, wo ein Patientwohnt und für welchen Psychotherapeutener sich entscheidet, kanner bei gleicher Diagnose zwischen 25bis 300 Stunden <strong>Psychotherapie</strong> erhalten.Auch hier stellt sich die Frage, obim Rahmen der Bedarfsplanung künftignicht eventuell eine bessere Verteischwerpsychisch kranken Menschensind neue Versorgungswege denkbar.In beiden Bereichen führen die Ersatzkassenbereits Projekte durch, so z. B.der IV-Vertrag zur Depression der DAKoder das Netzwerk psychische Gesundheitder Techniker Krankenkasse.Zusammenfassend möchte ich feststellen,dass eine scheinbare Zunahme vonpsychischen Erkrankungen in Deutschlandbeobachtet wird. Die Ursachendieser Zunahme sind unklar und müssennicht in einer tatsächlich psychischimmer kränkeren Gesellschaft liegen,für eine genauere Beurteilung fehlenuns jedoch die Daten. Unbestritten ist,dass es in Deutschland im internationalenVergleich bereits eine sehr hoheVersorgungsdichte und Versorgungsqualitätfür Menschen mit psychischenStörungen gibt – sowohl im ambulanten,als auch im stationären Sektor.Und wenn im letzten Jahrzehnt durchdas Psychotherapeutengesetz bereitsgroße Fortschritte in der ambulantenpsychotherapeutischen Versorgung erzieltworden sind, sind wir noch nichtam Ende des Weges angekommen. Allerdingsdarf dabei nicht vergessenwerden, dass auch <strong>Psychotherapie</strong> einknappes Gut ist! Gemeinsam nach Effizienzreservenim bestehenden Sys -tem zu suchen, um auch zukünftig einmöglichst umfangreiches und differenziertesAngebot an psychotherapeutischerVersorgung finanzierbar zu halten,sollte daher unser Ziel sein.Schließen möchte ich mit einem Zitataus dem Buch „Irre, wir behandelndie Falschen. Unser Problem sind dieNormalen.“ von Manfred Lütz:„…Ohnehin sind psychotherapeutischeGespräche stets nur die zweitbes -te Form der Kommunikation. Sie sindimmer künstlich, wenn sie gut sindkunstvoll, aber niemals unmittelbar.Die beste Form der Kommunikationsind auch für Schizophrene, Depressiveund andere die Gespräche mitMetzgern, Bäckern und Verkäuferinnen,also mit normalen Menschen.Nur wenn das nicht mehr funktioniert,müssen die Psychoexperten ran, aberauch nur so lange, bis die erstbesteForm der Kommunikation wiederklappt. Daher ist die Kürze eine ethischeForderung jeder Therapie.“Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!<strong>Psychotherapie</strong> <strong>Aktuell</strong> 2/10 9


GesundheitspolitikBefugniserweiterung für PsychotherapeutenBarbara LubischVersorgungsverbesserungdurch Erweiterungder sozialrechtlichenBefugnisse für PsychotherapeutenBarbara LubischStellv. Bundesvorsitzende der <strong>DPtV</strong>Neben den rechtssystematischenGründen ist es der steigende und sichverändernde Versorgungsbedarf, deres notwendig macht, dass Psychotherapeuteneinen Katalog von sozialrechtlichenBefugnissen zur Verfügunghaben, wie ihn niedergelasseneÄrzte und Patienten von einer Praxiserwarten, die in die Versorgung vonPatienten eingebunden ist. Genau genommenhandelt es sich nicht um eineErweiterung von Befugnissen, sondernum die Aufhebung der Beschränkungen,die mit dem PsychThG1999 ins SGB V (und Folge-Regelungen)aufgenommen wurden.Mit dem PsychThG wurden zwei neueselbstständige, durch Approbationausgewiesene Heilberufe geschaffen,Psychologischer Psychotherapeut (PP)und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut(KJP). Selbstständig heißt:sie behandeln eigenverantwortlich,nicht auf Verordnung, nicht unter Aufsicht.Die Patienten haben das Erstzugangsrechtzum Psychotherapeuten,der PP/KJP stellt die Diagnose, die Indikation,die Behandlungsplanung.Durch das PsychThG erfolgten die berufsrechtlicheStatusgleichstellung derPsychotherapeuten mit den Ärztenund die gleichgestellte Einbeziehungin das ärztliche Vertragsarztrecht.Die Verbotsnorm des § 73 Abs. 2 Satz2 SGB V ist erst in den Ausschussbera-tungen in den Gesetzentwurf eingefügtworden, um der Unsicherheit bezüglichder Wirtschaftlichkeit des Behandlungsverhaltensder Psychotherapeutenin der gesetzlichen KrankenversicherungRechnung zu tragen (nachBehnsen auf dem BPtK-Symposium imSept. 2009). Nach über zehn Jahren derBewährung der Psychotherapeuten imSystem der GKV liegt eine fachliche Begründungdafür nicht (mehr) vor.Alle Zahlen der Krankenkassen-Reportsaus den letzten Jahren zeigen, dass dieHäufigkeit psychischer Erkrankungensteigt. Im TK-Report <strong>2010</strong>, der die ganzeDekade 2000-2009 betrachtet, findetsich in der Zusammenfassung:„Die Auswertungsergebnisse sprecheninsgesamt für die Annahme einerzunehmenden psychischen Belas -tung von Erwerbspersonen, die sichinsbesondere nach 2006 verstärktauch bei Berufstätigen bemerkbar gemachthat.“„Bei Berufstätigen haben Fehlzeitenunter der Diagnose psychischer Störungenvon 2006 bis 2009 stetig uminsgesamt 39 Prozent zugenommen.“„Bei Arbeitslosen haben Fehlzeitenunter der Diagnose psychischer Störungenin fast allen Jahren zwischen2000 und 2009 (um insgesamt 107Prozent) zugenommen.“Die epidemiologischen Studien zeigenauch: Komorbiditäten und wechselseitigerEinfluss von psychischen Erkrankungenund somatischen Erkrankungensind häufig, z.B. kommen Depressionenbei Diabetikern doppelt sohäufig vor wie bei Nicht-Diabetikern(Metaanalyse von Anderson et al.,Diabetes Care, 2001, nach Benecke).Die Berücksichtigung psychischerFaktoren bei somatischen Erkrankungenkann Krankheitsverläufe positivbeeinflussen und die Lebensqualitätverbessern (vgl. den Bericht über das<strong>DPtV</strong>-Symposium ‚<strong>Psychotherapie</strong> beikörperlichen Erkrankungen‘ in ‚<strong>Psychotherapie</strong><strong>Aktuell</strong>‘ 2/2009). Die regelmäßigeEinbeziehung von psychotherapeutischemWissen in die strukturiertenBehandlungsprogrammevon DMPs, z.B. bei COPD, KHK, Diabetes,Mamma-Ca, wäre für die Behandlungsfortschritteder Patientensinnvoll. Dabei geht es hier nicht primärum klassische Richtlinienpsychotherapie,sondern um flexible, an denPatienten und seine Erkrankung angepassteBehandlungsmodule.Viele Versorgungs-Mängel sind durchdie fehlenden Therapieplätze bedingt– nach Schätzungen der BPtK fehlenjährlich ca. 3,5 Millionen Behandlungsplätzefür schwer psychisch Erkrankte– andere Mängel entstehendurch die schlechte Verzahnung ambulant-stationär,die kaum abgestimmteKooperation der verschiedenenambulanten Behandler, die Umwege,die Patienten zwischen Psychotherapeutenund Ärzten zugemutetwerden: es gibt z.B. keine geregeltenÜberweisungen und Rück-Überweisungenzwischen Psychotherapeuteneinerseits, Ärzten und Kliniken andererseits.In den <strong>Psychotherapie</strong>-Richtliniensind keine kurzfristigen und unbürokratischen<strong>Psychotherapie</strong>angebotevorgesehen; alles was als <strong>Psychotherapie</strong>gilt, muss das AntragsundGenehmigungsverfahren durchlaufen.Die Versorgung chronisch psychischKranker erfolgt diskontinuierlich,die Behandlungsintervalle sindallerdings oft weniger durch die Indikation,sondern mehr durch die Therapiekontingenteund die Vorgaben der<strong>Psychotherapie</strong>richtlinien bestimmt.Um dem steigenden Versorgungsbedarfgerecht zu werden, braucht es einBündel verschiedener Maßnahmen: nebender dringend notwendigen Reformder sogenannten Bedarfsplanung –kleinräumig, sektorenübergreifend undin Kooperation mit den Landespsychotherapeutenkammern– sowie der Entwicklunginnovativer kooperativer sektorenübergreifenderBehandlungskonzepte– würde auch die Aufhebung derBerufsausübungseinschränkungen fürPsychotherapeuten deutlich zur Verbesserungder Versorgung beitragen.Psychotherapeuten werden sozialrechtlicheingeschränkt und dürfen infolgenden Bereichen nicht tätig werden:1. Prävention2. Verordnung von Heilmitteln, vonSoziotherapie3. Überweisung zu (Fach-)Ärzten4. Einweisung in Krankenhäuser5. Beurteilung und Bescheinigungvon Arbeitsunfähigkeit6. Veranlassung der gesetzlichen Unterbringung7. Leitung von Krankenhausabteilungenund MVZ8. <strong>Psychotherapie</strong> zusätzlich zurRichtlinientherapie9. Ergänzende psychotherapeutischeLeistungen im EBM.Psychotherapeuten sollen auf demGebiet der psychischen Erkrankungenauch präventiv tätig werden dürfen,Heilmittel (Ergotherapie, Logopädie)und Soziotherapie verordnen dürfen,Überweisungen ausstellen dürfen,zum Hausarzt und zum Facharzt, natürlichzum Psychiater überweisendürfen. Psychotherapeuten sollen dieBefugnis erhalten, Krankenhaus- oderReha-Behandlung anzuordnen, Arbeitsfähigkeitoder -unfähigkeit zu bescheinigen,und z.B. bei Suizidgefahrdie sogenannte Zwangseinweisungzu veranlassen – bislang können sietrotz ihrer Fachkenntnis nur die Feuerwehroder den Notarzt rufen wie jederandere Bürger auch. Die Leitung vonFachabteilungen in Krankenhäuserndurch Psychotherapeuten sollte ebensowie die fachliche Leitung von MVZselbstverständlich sein. Sinnvolle Ergänzungenin der Versorgung wärenauch die Erweiterung der <strong>Psychotherapie</strong>-Richtlinienum z.B. offeneSprechstunden, Kriseninterventionen,antragsfreie Gruppentherapie.Die fachliche Kompetenz für diese sozialrechtlichenBefugnisse ist bei Psychotherapeutenvorhanden:• Die Ausbildungs- und Prüfungsverordnungfür Psychotherapeuten(PsychThG-APrV) verlangt den Erwerbder entsprechenden Kenntnisseu.a. in Psychosomatischer Krankheitslehreund PsychiatrischerKrankheitslehre, in Diagnostik undDifferentialdiagnostik incl. Indikationsstellungund Prognose, in Krisenintervention,Prävention und Rehabilitation.Im Katalog der APrVwerden ebenso explizit benanntKenntnisse in medizinischen undpsychosozialen Versorgungssystemen,in Organisationsstrukturen desArbeitsfeldes, in Kooperation mitÄrzten und anderen Berufsgruppen.• Psychotherapeuten erstellen regelmäßigBefundberichte oder Stellungnahmenfür Versorgungsämter,für den Medizinischen Dienst10<strong>Psychotherapie</strong> <strong>Aktuell</strong> 2/10


Befugniserweiterung für PsychotherapeutenGesundheitspolitikder Krankenkassen (MDK), für dieBerufsgenossenschaften oder Rentenversicherungsträger,dabei wirdregelmäßig z.B. die Notwendigkeiteiner stationären Behandlung oderdie Arbeitsfähigkeit beurteilt. Beidiesen Maßnahmen geht es natürlichnur um psychisch erkranktebzw. psychotherapeutisch zu behandelndeoder mitzubehandelndePatienten.Zu 1, 2, 4 und 5:Präventive Leistungen, Verordnungvon Heilmitteln, Soziotherapie, Klinikbehandlung,AU-Bescheinigungenwerden im § 73 Abs. 2 SGB V benanntund mit dem lapidaren Satz „dieNummern …. gelten nicht für Psychotherapeuten“für Psychotherapeutengestrichen:§ 73 Abs. 2 SGB V:„Die vertragsärztliche Behandlungumfasst ….-….- Maßnahmen zur Früherkennungvon Krankheiten,- ärztliche Betreuung bei Schwangerschaftund Mutterschaft,- Verordnung von Leistungen zurmedizinischen Rehabilitation,- Verordnung von Arznei-, Verband-,Heil- und Hilfsmitteln,Krankentransporten sowie Krankenhausbehandlungoder Behandlungin Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen,- ...- Ausstellung von Bescheinigungenund Erstellung von Berichten, diedie Krankenkassen oder der MedizinischeDienst (§ 275) zur Durchführungihrer gesetzlichen Aufgabenoder die die Versicherten fürden Anspruch auf Fortzahlung desArbeitsentgelts benötigen,-….- Verordnung von Soziotherapie.Die Nummern 2-8, 10-12 und 9, soweitsich diese Regelung auf dieFeststellung und die Bescheinigungvon Arbeitsunfähigkeit bezieht, geltennicht für Psychotherapeuten.“Bei Aufhebung dieser Beschränkungenin § 73 Abs. 2 SGB V wäre esmöglich, Präventivmaßnahmen beigefährdeten Patienten durchzuführen(z.B. bei Kindern psychisch kranker Eltern),Ergotherapie oder Logopädie zuverordnen z.B. durch KJP/PP die an einemADHS-Netz teilnehmen, einensuizidalen Patienten ohne zusätzlicheUmwege über einen Arzt in eine Klinikeinzuweisen oder einen Patienten,der psychisch dekompensiert und keinenHausarzt hat, krankzuschreiben.Zu 3:Die Einschränkung bezüglich derÜberweisungs-Befugnis ist im Bundesmantelvertrag-Ärztezu finden:§ 24 Abs. 11 BMV-Ä:„Psychologische Psychotherapeutenund Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutenkönnen Überweisungennur im Rahmen des inden <strong>Psychotherapie</strong>-Richtlinien desGemeinsamen Bundesausschussesgeregelten Konsiliarverfahrens vornehmen.“Die gegenseitige Überweisung von Patientenzur diagnostischen Abklärungoder zur gemeinsamen Behandlungvon Patienten ist unter Ärzten ein ‚normales‘Mittel der Kooperation, vondem die Psychotherapeuten bislangausgeschlossen sind. Für Patienten istauch immer wieder befremdlich, dasssie zwar die Praxisgebühr bei Psychotherapeutenbezahlen, die PP/KJP aberkeine Überweisung sondern nur eineQuittung darüber ausstellen können.Dies ist keine Gleichstellung im Sys -tem der vertragsärztlichen Versorgung,sondern eine deutliche Asymmetrie,die nicht fachlich begründetwerden kann.Bei Aufhebung dieser Beschränkungenin § 24 Abs. 11 BMV-Ä wäre esmöglich, Patienten zum Facharzt fürPsychiatrie zur medikamentösen Mitbehandlungzu überweisen, bei unklarensomatischen Beschwerden zurdiagnostischen Abklärung an denHausarzt zu überweisen, Case-Managementzu übernehmen, offeneSprechstunden durchzuführen, in Ärztenetzenmitzuwirken. Zur Übernahmevon Fall-Management, also zurTherapieziel- bzw. Interventionsplanungunter Einbeziehung weiterer Behandlerund zur Planung anderer Unterstützungsmöglichkeitenist es unerlässlich,solche Maßnahmen nicht nurempfehlen, sondern auch einleiten zukönnen; dies gilt gleichermaßen fürdie Kooperation in Ärztenetzen.Zu 6:Bezüglich der Notfalleinweisung geltenin den Bundesländern die leichtunterschiedlichen Unterbringungsgesetzeder Länder. Allen ist gemeinsam,dass Psychotherapeuten vondieser Befugnis ausgenommen sind,wie z.B. nach PsychKG NRW (Gesetzüber Hilfen und Schutzmaßnahmenbei psychischen Krankheiten) zitiert:Psych-KG NRW, § 14:„Ist bei Gefahr im Verzug eine sofortigeUnterbringung notwendig,kann die örtliche Ordnungsbehördedie sofortige Unterbringungohne vorherige gerichtliche Entscheidungvornehmen, wenn einärztliches Zeugnis über einen entsprechendenBefund vorliegt ...Zeugnisse ... sind grundsätzlichvon Ärztinnen oder Ärzten auszustellen,die im Gebiet der Psychiatrieund <strong>Psychotherapie</strong> weitergebildetoder auf dem Gebiet derPsychiatrie erfahren sind.“Mindestens ‚Erfahrungen auf dem Gebietder Psychiatrie‘ werden verlangt –diese hat jeder approbierte PP/KJP vorzuweisen,trotzdem sind Psychotherapeutenvon der Beteiligung an gesetzlicherUnterbringung nach § 12 und §14 PsychKG-NRW ausgeschlossen.Bei Aufhebung dieser Beschränkungenin den Unterbringungsgesetzender Länder wäre es möglich, Patientenaußerhalb von psychiatrischenSprechzeiten ohne Umwege notfallmäßigunterzubringen, und damitauch offene Sprechstunden und Not-/Bereitschaftsdienste anzubieten.Statt mit einer Einweisung einenKrankenwagen rufen zu können, mussein Psychotherapeut zurzeit den Notarztbemühen, der mit ziemlicher Sicherheitvon psychischen Erkrankungenweniger versteht als der Psychotherapeut.Dieser Umweg verursachtauch zusätzliche Kosten. Bei offenenSprechstunden und erst recht bei z.B.Wochenend- oder Nachtdiensten istmit krisenhaften Situationen von Patientenzu rechnen. Der Psychothera-peut braucht dann entsprechende Befugnisse,um handlungsfähig zu sein.Zu 7:Die Leitung von Krankenhäusern bzw.Krankenhausabteilungen ist im § 107SGB V und in den jeweiligen Krankenhausgesetzender Länder geregelt.§ 107 SGB V:- „Krankenhäuser im Sinne diesesGesetzbuchs sind Einrichtungen,die fachlich-medizinischunter ständiger ärztlicherLeitung stehen“- „Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungenim Sinne diesesGesetzbuchs sind Einrichtungen,die…fachlich-medizinischunter ständiger ärztlicherVerantwortung….“.Die Leitung von Medizinischen Versorgungszentren(MVZ) ist im § 95Abs. 1 SGB V auf Ärzte oder kooperativeLeitung beschränkt:§ 95 Abs.1 SGB V:„MVZ sind fachübergreifende ärztlichgeleitete Einrichtungen ... Sindin einem MVZ Angehörige unterschiedlicherBerufsgruppen, die ander vertragsärztlichen Versorgungteilnehmen, tätig, ist auch eine kooperativeLeitung möglich.“Für die sinnvolle und im Sinne derKrankenbehandlung höchst effektiveBeteiligung von Psychotherapeutennicht nur in psychiatrischen oder psychosomatischenFachkliniken sondernauch im Konsiliar- und Liaisondienstan Regelkrankenhäusern, insbesonderez.B. in Kooperation mit unfallchirurgischenund onkologischen Stationen,gibt Albs-Fichtenberg (in diesemHeft) überzeugende Beispiele.Bei Aufhebung dieser Beschränkungenin den §§ 107 bzw. 95 SGB V wärees möglich, dass Psychotherapeutendie fachliche Leitung z.B. einernicht-bettenführenden Konsil-/Liaison-Abteilungübernehmen, eineTrauma-Ambulanz oder ein psychosomatisch-psychotherapeutischausgerichtetesMVZ leiten.<strong>Psychotherapie</strong> <strong>Aktuell</strong> 2/10 11


GesundheitspolitikBefugniserweiterung für PsychotherapeutenZu 8:<strong>Psychotherapie</strong> ist nur als Richtlinienpsychotherapiedefiniert, zu finden im§ 28 Abs. 3 SGB V, mit Verweis auf § 92(Abs. 6a) SGB V:§ 28 Abs. 3 SGB V:„Die psychotherapeutische Behandlungeiner Krankheit wirddurch Psychologische Psychotherapeutenund Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten(Psychotherapeuten),soweit sie zur psychotherapeutischenBehandlungzugelassen sind, sowie durch Vertragsärzteentsprechend den Richtliniennach § 92 durchgeführt.“Die psychotherapeutischen Handlungsmöglichkeitenumfassen mehr,als die PT-Richtlinien zurzeit vorsehen.Es ist nicht plausibel, dass dieoptimale Versorgung von z.B. akuttraumatisierten Menschen, von chronischpsychisch Kranken, von jugendlichenPatienten, von psychoonkologischzu versorgenden Menschenusw. immer nach dem gleichen Musterablaufen soll. Bei Aufhebung dieserBeschränkungen in § 28 Abs. 3SGB V wäre es möglich, kurzfristigeKriseninterventionen bei akuten Störungendurchzuführen, chronisch psychischKranke besser zu versorgen,verschiedene Behandlungsformen jenach Erfordernis des Patienten miteinanderzu kombinieren, z.B. EinzelundGruppenbehandlungen, einsichtsorientierteGespräche nebenÜbungsbehandlungen, wie es im Klinikalltagselbstverständlich und erfolgreichist (vgl. den Beitrag vonDörning in diesem Heft). Die Einführungeines Stepped Care-Vorgehens,d.h. flexible mehrschrittige Therapieplanungnach therapeutischer Notwendigkeitwäre z.B. bei Freigabe derBewilligungskontingente möglich.Zu 9:Im EBM sind verschiedene Leistungenfür Psychotherapeuten nicht vorgesehen,z.B.:- keine offene Sprechstunde (analogNr. 22221)- keine antragsfreie Gruppentherapie(analog Nr. 22222)- kein Zuschlag zur Behandlung amSamstag (Nr. 011<strong>02</strong>, 10 Euro).- keine Behandlungs-/Beratungsziffer(analog Nr. 22221).Auch die Aufhebung dieser Einschränkungenwürde unsere Handlungsunddamit Versorgungsmöglichkeitenerweitern. Insbesondere die vielen bürokratischenHemmnisse bei derGruppenpsychotherapie (Aufwand zurErlangung der Abrechnungsgenehmigung,in der Praxis oft nicht zu erfüllendeBedingungen bezüglich derGruppengröße, viele Berichte an denGutachter usw.) führen dazu, dassdieses oft sehr sinnvolle Verfahrenfast nicht durchgeführt wird.Das BMG hatte in seiner Ausschreibungdes Forschungsgutachtens zurReform der <strong>Psychotherapie</strong>ausbildungauch nach Empfehlungen zur ‚Kompetenzerweiterung‘gefragt. UmKompetenzerweiterung geht es nurbei der Verordnung von Psychopharmaka,die hier nicht diskutiert wird.Die Gutachter hatten sich dafür ausgesprochen,den Psychotherapeutendie Verordnung von Heil- und Hilfsmitteln,die Einweisung in Krankenhäuser,das Ausstellen von AU-Bescheinigungenzuzusprechen. DieseKompetenzen können bei jedem Psychotherapeutenvorausgesetzt werden,es geht um sozialrechtliche Befugnisse.Bezüglich der Zwangseinweisunghatten die Gutachter Bedenken;die anderen hier diskutiertenBefugnisse hatten sie nicht untersucht.Die Erweiterung der sozialrechtlichenHandlungsmöglichkeiten für Psychotherapeutenwurde von den Gutachternvor allem so begründet:- Psychotherapeuten können dieNotwendigkeit verschiedenerMaßnahmen meist besser erkennenals Hausärzte,- Umwege werden vermieden, wasvor allem in Krisen wichtig ist,- eine bessere Verzahnung ambulant-stationärwird ermöglicht,- das Case-Management des Psychotherapeutenwird gestärkt,- die Wettbewerbssituation des Psychotherapeutengegenüber Krankenhäusern(Ambulanzen)/MVZsund in Ärztenetzen wird gestärkt.Zur Frage der Kosten: Die Vergütungfür flexible PT-Leistungen müsste inder Größenordnung der Richtlinientherapieliegen, sonst ist eine wirtschaftlichePraxisführung nicht möglich.Mögliche Erweiterungen wärenkostenneutral, solange am Prinzip derzeitgebundenen Vergütung und derzeitorientierten Leistungsobergrenzefestgehalten wird. 50 Minuten bleiben50 Minuten, ob sie mit Richtlinientherapieoder Kriseninterventionetc. gefüllt werden, hat auf die benötigtenFinanzmittel keinen Einfluss.Die Aufhebung der Beschränkungenhinsichtlich Einweisung, Überweisungetc. würde keine zusätzlichenKosten verursachen, im Gegenteilwürden Umwege durch zusätzlicheArztbesuche und dadurch Zeit undKosten eingespart.In Veranstaltungen der PsychotherapeutenkammerHessen und der PsychotherapeutenkammerNRW hatsich die überwiegende Anzahl derPsychotherapeutinnen und Psychotherapeutennach gründlicher Diskussionvon Vor- und Nachteilen der Befugnissefür die Befugniserweiterungausgesprochen. Die Psychotherapeutensind bereit, sich den Versorgungsfragenzu stellen und Verantwortungzu übernehmen.Literaturhinweis:E. Behnsen: GrundrechtlicherSpielraum für die Regelung derProfession des KJP, des EP, des PPoder des P sowie einfachgesetzlicheFolgen einer Neuordnung fürdie Berufsangehörigen, Vortragauf dem BPtK-Symposium September2009 (vgl. Artikel in diesemHeft)A. Benecke: <strong>Psychotherapie</strong> beiDiabetes, in: <strong>Psychotherapie</strong> <strong>Aktuell</strong>,2/2009Techniker-Krankenkasse: Gesundheitsreport<strong>2010</strong>Mechthild LahmeAnne SpreyerGudrun von StösserPodiumsdiskussion:Psychische Erkrankungen– Wer versorgtwann, wie und warum?Schon beinahe traditionsgemäß moderierteWolfgang van den Bergh,Chefredakteur der Ärzte-Zeitung, dieabschließende Podiumsdiskussion unterder Überschrift: „Psychische Erkrankungen– Prioritäres Versorgungsproblem.Wer versorgt wann,wie und warum?“. Auf dem Podiumdie beiden Referenten Thomas Ballast,Vorstandsvorsitzender des vdek, undHans Dörning vom ForschungsinstitutISEG zusammen mit Dieter Best, Bundesvorsitzenderder <strong>DPtV</strong>. Zwischendem Podium und den mehr als 100Psychotherapeuten im Saal entfaltetesich eine angeregte Diskussion überdie Probleme und möglichen Lösungenfür eine bedarfsgerechte Versorgungvon Patienten mit psychischenErkrankungen. Die Diskussion knüpfteerfolgreich an die zahlreichen Anregungenund Fragen aus der Vormittagsrundean. Die wesentliche Diskussionsliniewird nachfolgend skizziert:Ein Schwerpunkt, auf den zahlreicheDiskussionsbeiträge immer wiederaufsetzten, war die Frage nach denwahren Hintergründen für die faktischeZunahme psychischer Erkrankungen,wie sie durch die jährlichen Krankenkassenreporteund andere Studienbelegt werden. Der Vertreter derKrankenkassen, Thomas Ballast, warfbereits am Vormittag die provokativeFrage auf, inwiefern es sich überhauptum eine tatsächlich steigende Inzidenzpsychischer Erkrankungen in derBevölkerung handelt oder ob diewachsende Erkrankungsrate vielmehrWolfgang van den Bergh,Ärzte-Zeitung12<strong>Psychotherapie</strong> <strong>Aktuell</strong> 2/10


Podiumsdiskussion – Psychische ErkrankungenGesundheitspolitikdas Ergebnis einer sensibleren Diag -nostik und Enttabuisierung der <strong>Psychotherapie</strong>sei oder sogar eher dieEffekte einer angebotsinduziertenNachfrage widerspiegeln würden.Aus den Reihen der Psychotherapeutenim Publikum wurde dagegen vermutet,dass es sich bei den Zahlen derKrankenkassen eigentlich nur um dieSpitze des Eisbergs handeln dürfe, dasie u. a. nicht die wachsende Zahl derpsychisch kranken älteren Menschenberücksichtigen, die mit Psychopharmakabehandelt werden, bei denenaber nie die Diagnose einer psychischenErkrankung gestellt würde.Insgesamt zeigte die Diskussion, dassder Interpretationsspielraum bezüglichdes tatsächlichen Bedarfs psychotherapeutischerVersorgung sehr weiträumigist und für eine gezielte Versorgungssteuerungnach wie vor aussagekräftigeDaten fehlen. Dieter Bestverwies darauf, dass es keinerlei Studiengäbe, die diese Hintergründe differenziertbeleuchten würden. Die überwiegendeZahl der Studien würde aufder Basis von Abrechnungsdiag nosenerstellt, die z. B. Komorbiditäten nichtausreichend erfassten. Erste Klärungenzu diesen Fragen erwartet Bestvon einer Studie, die die <strong>DPtV</strong> und KBVinitiiert haben. Diese Studie hat dieKonsistenz der Abrechnungsdiagnosemit der im Gutachterverfahren festgestellten„wahren“ Diagnose zum Gegenstandder Untersuchung. Die Übereinstimmungsgütebeider Diagnosenkönne als Indikator für die Validitätund Brauchbarkeit der Daten der Krankenkassengewertet werden. Weiterführendeempirische Ergebnisse werdenvon einer eigens von der <strong>DPtV</strong> Anfang<strong>2010</strong> durchgeführten Befragungihrer Mitglieder erwartet und an der2.500 Psychotherapeuten teilgenommenhaben. Dieses fundierte Zahlen-Dr. Andreas Soljan,<strong>DPtV</strong>-Landesgruppe Nordrheinwerk lasse sicherlich Rückschlüsse zuWartezeiten, zur Therapiedauer, Ausschöpfungder Therapiekontingenteetc. zu, prognostizierte Best. Erste Ergebnissezeigten, dass entgegen denVermutungen, die Thomas Ballast amVormittag äußerte, die bewilligten Behandlungskontingentenicht ausgeschöpftwürden, sondern durchschnittlichpro Behandlung 38 Therapiestundenstattfänden, bei einer hohenStreuung, welche durchaus als Indizfür die individuelle Ausrichtung derKontingente gewertet werden könne.Möglicherweise würden sich aus denErgebnissen auch fundierte Vorschlägezur Änderung der Bedarfsplanung undzur Modifizierung des Gutachterverfahrensableiten lassen, prognostizierteBest.Zusätzliche Studien auf dem Gebietder Versorgungsforschung seien unerlässlich,darüber waren sich alle Beteiligteneinig. Routinedaten der Krankenkassenseien vorhanden, so derEpidemiologe Hans Dörning, vomISEG Hannover. Ideal wäre eine Erweiterungdurch die Einbeziehung der Datender Renten- und Unfallversicherersowie der Berufsgenossenschaften,verknüpft mit spezifischen Befragungender Bevölkerung. Nur ein solcherDatenpool erlaube es, sys tematischeFragestellungen zu untersuchen. DasPodium appellierte an die nicht anwesendenPolitiker, entsprechend der Koalitionsvereinbarungen,gesetzlicheVorgaben zu erlassen, so dass auchauf den Gebieten Forschung betriebenwerden könne, an der die Industriekein Forschungsinteresse hat. Die<strong>DPtV</strong> hat Umsetzungsvorschläge bereitsan die Politik geleitet.Wachsende Komorbiditäten und langeZeitspannen bis zur sicheren Abklärungder richtigen Diagnose vergrößerndas Leid der Patienten. Eine„echte“ Bedarfsermittlung statt demVerharren in veralteten Planungsstrukturenund eine bessere Umverteilungder Gelder im System, warendie Forderungen der anwesendenPsychotherapeuten. Ballast wies ausdrücklichdarauf hin, dass aus Sichtder Kassen weiterhin eine Angebotsplanunggebraucht würde, auchwenn die derzeitige Steuerung antiquiertsei. Es müsse u. a. die Feminisierungdes Berufes und das Stadt-Land- Gefälle eingearbeitet werden,was auch in den entscheidenden Gremiendes G-BA berücksichtigt werde.Unerlässlich für die verbesserte Patientenversorgung,darüber warensich die praktizierenden Psychotherapeuteneinig, sei eine Erweiterung derim SGB V begrenzten sozialrechtlichenBefugnisse für Psychotherapeuten.Gefordert wurde die Möglichkeit,Krankenhauseinweisungen zu veranlassen,wenn psychische Erkrankungenvorliegen, die Überweisung zu Fachärztenund AU-Bescheinigungen ausstellenzu können und die Verordnung vonHeilmitteln, sowie die Übernahme derLeitung von Abteilungen in Krankenhäusern.Darüber sei man sich innerhalbder Profession einig, diese Möglichkeit,die jedem Psychotherapeutendanach frei stehe zu nutzen, bringenden Patienten durchweg Vorteile, soBest. Die anwesenden Psychotherapeutenuntermauerten die Forderungdurch zahlreiche Beispiele aus ihremPraxisalltag. Im Ergebnis ließen sich dieWege der Patienten verkürzen, die psychischeBelastung reduzieren, zeitlicheReibungsverluste vermeiden und somitletztendlich die Therapieziele schnellererreichen. Thomas Ballast als Vertreterder Kassen hielt einzelne Befugniserweiterungenfür Psychotherapeutenfür unterstützenswert, wenn sie dennfür die Kassen kostengünstig seien. Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung,Überweisungenzum Facharzt aber solltenden Hausärzten, als Lotsen im System,vorbehalten bleiben. Darauf entfaltetesich eine Kontroverse. Der Eindruck derin der Praxis tätigen Psychotherapeutenzeigte, das Hausärzte aufgrund derVielzahl ihrer Patienten, mit den psychischenStörungen, oftmals überlastetund die Lotsenfunktion nur unzureichendausüben könnten. Zur Optimierungder interdisziplinären Versorgungder Patienten mit psychischen Erkrankungenin Hausarztpraxen hat die<strong>DPtV</strong> deshalb ein Modell für ein geregeltesKonsiliarverfahren entwickelt,was mit Kassen erprobt werden kann.Erste Gespräche zur Umsetzung werdenderzeit geführt, so Dieter Best.Der gesamte Tag und die abschließendeDiskussion haben verdeutlicht, dassdie Psychotherapeuten Lösungen undModelle zur Verbesserung der Versorgunganzubieten haben. Dieter Bestbekräftigte abschließend, dass der Verbandweiterhin das Gespräch mit derPolitik suchen und die Vorschläge undForderungen in den Gremien der Bundespsychotherapeutenkammerundder Kassenärztlichen Bundesvereinigungnachdrücklich vertreten werde.Er äußerte sich zuversichtlich, weitereUnterstützung zu finden, um diese Forderungenbaldmöglichst umsetzten zukönnen, zum Wohle der Patienten undzur Stützung der Psychotherapeutenim Gesundheitssystem.Mechthild LahmeWissenschaftliche Referentin in derBundesgeschäftsstelle der <strong>DPtV</strong>Anne SpreyerWissenschaftliche Referentin in derBundesgeschäftsstelle der <strong>DPtV</strong>Gudrun von StösserAssistentin der Geschäfts führung/In formationsmanagement in derBundesgeschäftsstelle der <strong>DPtV</strong><strong>Psychotherapie</strong> <strong>Aktuell</strong> 2/10 13


GesundheitspolitikDas Gutachterverfahren in der RichtlinienpsychotherapieSabine SchäferDas Gutachterverfahren inder RichtlinienpsychotherapieDas Gutachterverfahren (GAV) ist imRahmen der Gesetzlichen Krankenversicherung(GKV) als ein dominanterStrukturbaustein für die Beantragungeiner <strong>Psychotherapie</strong> etabliert.Es folgt eine kurze Auseinandersetzungmit dem, was das GAV nach der<strong>Psychotherapie</strong>-Richtlinie (PT-R) leis -ten soll. Darüber hinaus werden dieVoraussetzungen, die Kollegen gemäßder PT-R vorweisen müssen, umsich als Gutachter zu bewerben, dargestelltsowie ein Blick in den Qualitätsberichtder KBV 2009 geworfen,der u.a. Aufschluss darüber gibt, wiesich die Gruppe der Gutachter zusammensetzt.Nach diesem Überblick werden dieKosten des GAV hochgerechnet undabschließend Ideen ausgeführt, wiekurzfristig umsetzbare, sinnvolle undkostensparende Innovationen desGAV aussehen könnten.Zur besseren Lesbarkeit des Artikels wurde auf einemännlich/weiblich Formulierung verzichtet. SämtlicheAusdrücke, die männlich formuliert sind, geltensinngemäß auch für Frauen.Die aktuell vom G-BA neu verabschiedeteQualitätssicherungsrichtliniesetzt Vorgaben für einrichtungsundsektorenübergreifende Maßnahmender Qualitätssicherung, mit dem„Ziel, die Ergebnisqualität zu verbessern,valide und vergleichbare Erkenntnisseüber die Versorgungsqualität“der Leistungserbringer zu gewinnen.Parallel fordert die PT-R einVerfahren „zur Evaluation der Prozess-und Ergebnisqualität“. Insgesamtkönnte hierdurch das Gutachterverfahrenvor einem Wandel stehen.Der Umfang dieses Wandels hängtgrößtenteils von den Innovationsforderungen(= neuen gesetzlichen Forderungen),den Innovationsmöglichkeiteninnerhalb der bestehenden gesetzlichenBedingungen und der Innovationsbereitschaftder Akteure (denTeilnehmern in den Gremien der KBV,DKG, GKV und des G-BA) ab.Alle ärztlichen Leistungen im GKV-Sys -tem müssen wirtschaftlich erbracht,notwendig, ausreichend und zweckmäßigsein. In diesem Zusammenhangmuss zunächst herausgestellt werden,dass nur in der <strong>Psychotherapie</strong> diesessehr engmaschige Netz der Qualitätssicherungbesteht: eine Vorab-Begutachtungmit Bewilligung einer indiziertenBehandlungsmaßnahme in kleinschrittigenBehandlungskontingenten.Kein Arzt muss alle fünf Monate dievon ihm indizierte medizinische Behandlungschriftlich begründen undbegutachten lassen, beispielsweisevor dem Verschreiben einer Ergotherapie,einer (teuren) medikamentösenTherapie oder anderen Maßnahmenbei einer chronischen Erkrankung.Für die antragspflichtige psychotherapeutischeLeistung soll diese Wirtschaftlichkeitsprüfungvorab, für jedenEinzelfall, im Sinne eines „Kostenvoranschlages“(Linden, 1998, S. 503)durch das GAV erfüllt werden. ÄrztlicheLeistungen und nichtgenehmigungspflichtigepsychotherapeutischeLeistungen unterliegen der nachträglichenWirtschaftlichkeitsprüfungdurch die Krankenkassen (Auffälligkeits-und Zufälligkeitsprüfungen).Bei allen anderen medizinischen Fachgruppenwird selbstverständlich davonvollziehbar. So wird das GAV von denKollegen oftmals „primär (als) Überprüfungvon Fachkunde statt Therapiequalität“erlebt (Köhlke 2000, S.164). Bezogen auf <strong>Psychotherapie</strong> alsBehandlungsmethode hat u.a. JürgenMargraf 2009 in seinem Buch„Kosten und Nutzen der <strong>Psychotherapie</strong>“die Kosten- und Nutzen -wertigkeit sowie die Wirtschaftlichkeitvon <strong>Psychotherapie</strong> aktuell erneutdargelegt.Ob das Gutachterverfahren tatsächlichin der Lage ist, eindeutige Antwortenim Hinblick darauf zu geben, ob ein geplanterpsychotherapeutischer Ansatzbei einem konkreten Patienten ausreichend,zweckmäßig und wirtschaftlichist, wird allerdings in der Fachöffentlichkeitimmer wieder bezweifelt.„So wird das GAV von den Kollegen oftmals,primär (als) Überprüfung von Fachkundestatt Therapiequalität’ erlebt.“A. Das Gutachterverfahren imLicht der QualitätssicherungIm Rahmen der Qualitätssicherung(QS) unterscheidet man zwischenStruktur-, Prozess- und Ergebnisqualiausgegangen,dass der Nachweis derFachkunde durch Aus- oder Weiterbildungden Arzt befähigt, auf dem sogenannten„Facharztstandard“ selbständigBehandlungsentscheidungen indem entsprechenden Gebiet zu treffenund der Arzt daraufhin gewissenhaftlege artis seine Patienten behandelt.Warum hier die Psychotherapeuten –trotz nachgewiesenem klinischen Nutzendes Behandlungsverfahrens – dieskontinuierlich vor jedem Behandlungsschrittneu darstellen und überprüfenmüssen, ist heute nicht mehr nachtät.Bezogen auf die ambulante psychotherapeutischeBehandlung in derGKV ist die Fachkunde (Approbation)ein Grundbaustein der Strukturqualität,ein weiterer Baustein sind die Regelungender <strong>Psychotherapie</strong>-Richtlinie(PT-R). Die PT-R zählt weitere Kriterienauf, um zusätzliche Strukturqualitätzu ermöglichen. Weiterhinzielen die gesetzlichen Forderungennach Einführung eines Qualitätsmanagement-Systemsund Fortbildungdarauf ab, die Strukturqualität zu verbessern.14<strong>Psychotherapie</strong> <strong>Aktuell</strong> 2/10


Das Gutachterverfahren in der RichtlinienpsychotherapieGesundheitspolitikIn den PT-R wird das sogenannteGutachterverfahren geregelt. Es giltals der Regelbaustein in der <strong>Psychotherapie</strong>,der – durch die Bewilligung/Ablehnungvon <strong>Psychotherapie</strong>-Kontingenten – vor allem die Strukturqualitätgewährleisten soll. Damitist gemeint, dass eine beantragte undgenehmigte <strong>Psychotherapie</strong> den Anforderungender PT-R genügt. Mit seinemBericht an den Gutachter sollsich der Psychotherapeut mit der Frageauseinandersetzen, warum dieserPatient eine <strong>Psychotherapie</strong> bei diesemPsychotherapeuten benötigt.D.h. der Bericht soll erklärend darstellen,dass der Patient tatsächlich einebehandlungsbedürftige Erkrankungim Sinne des Abschnitt D der PT-Rhat, die ggf. auch bei einem Umwandlungs-und Fortführungsantragnoch besteht und dass eine <strong>Psychotherapie</strong>mit dem gewählten Verfahrenindiziert ist (Abschnitt B der PT-R). Die Entwicklung eines Therapieplanssoll dazu dienen, die Prozessqualitätzu fördern.Die Beurteilungen des Gutachters basierenlediglich auf dem, was ihm vorder (Weiter-)Behandlung zur Verfügungsteht: ein schriftlicher Berichtdes Psychotherapeuten, ein kurzerKonsiliarbericht zum aktuellen körperlichenBefund und dessen Relationzur Indikationsstellung <strong>Psychotherapie</strong>sowie ggf. einige Unterlagen überVorbehandlungen, die der Behandleroder die Krankenkasse beifügt. In derPraxis bedeutet dies, die Bewilligungder Therapie ist im Wesentlichen davonabhängig, was der Therapeut jeweilsvor einer Behandlung schreibt.Ob die Behandlung letztendlich denProblemen des Patienten gerechtwird, oder auch dessen Erwartungenan das Ergebnis der Behandlung,bleibt dabei offen und betrifft letztlichneben der Prozessqualität auchdie Ergebnisqualität.Ob es sich beim GAV um eine qualitätssicherndeVorgehensweise handeltund ob der Bericht an den Gutachtertatsächlich Qualität sichert, istumstritten. Die Befürworter, darunterbezug der Psychotherapeuten in dieKonvergenzregelungen (so geschehenin Baden-Württemberg) führen überviele Quartale bis heute dazu, dass dieBerichte an den Gutachter (fast) unbezahltbleiben.Als Replik zu Köhlke sind die Aufsätze„Ob der Bericht an den Gutachter tatsächlichQualität sichert, ist umstritten.“von G. Rudolf et al. „Wie urteilen Psydieim System etablierten Gutachter,sehen in dem GAV die Absicherung,dass sich ein Psychotherapeut überden Patienten und seine Behandlungausführlich Gedanken macht und einGutachter bei ungünstigen Behandlungsverläufenund -prognosen supervisorischkorrigierend eingreifenkann. Auf den Seiten der Kritiker wirdimmer wieder auf eine repräsentativePraxisstudie von Dr. Hans-Ulrich Köhlke(2000) verwiesen, die in Zusammenarbeitmit Prof. Dr. Dahme vonder Universität Hamburg und 640niedergelassenen Kollegen realisiertwurde. Als Fazit wurde kritisiert, dassdas GAV nicht in der Lage sei, die vonihm angestrebten Ziele zu erreichenund die üblichen Gütekriterien zu erfüllen.Darüber hinaus wurde belegt,dass die überwiegende Mehrheit derKollegen (75% über alle Verfahren)den Bericht an den Gutachter als „Bewertungdes Formulierungsgeschikkes“„nicht der Therapiequalität“ erleben,die Rückmeldungen der Gutachterohne supervisorischen Wert für ihreBehandlung des Patienten sind unddarüber hinaus die Erstellung einesBerichtes mit 3 bis 4 Stunden schlechtbezahlt werde (Köhlke 2000, S. 161, S.96, S. 119). Niedrige Punktwerte,Punktzahlgrenzvolumen oder der Einchotherapiegutachter?“(20<strong>02</strong>) undS. Sulz et.al. „Wie urteilen Verhaltenstherapiegutachter?“(2003)zu werten,die Belege für die Reliabilität desVerfahrens geben: Gutachter urteilenüber die ihnen vorgelegten Berichteoftmals gleich. In der Kleinstudie vonRudolf et al. wurden allerdings nurdie Gutachter für TfP und AP untersucht– die häufig vorgetragenen Uneinigkeitenzwischen den TfP-Kollegen,die Berichte schreiben und derenAP/TfP-Gutachtern wurden in dieserStudie nicht beleuchtet (Gründe hierdellregionenfür fünf Jahre erprobt.Die Ergebnisse sollen im Herbst diesesJahres vorgestellt werden.Neben der immer wieder diskutiertenFrage, was das Gutachterverfahrenleistet und was nicht, ist das in denmeisten Gremien der Selbstverwaltungkonsentierte Defizit des GAV diefehlende Erhebung und Dokumentationder Ergebnisqualität. Da die Berichtean den Gutachter jeweils nurzu Beginn eines Therapieabschnittsgeschrieben werden, fehle der Blickauf die Katamnese. Dabei solle dochgerade dieser Aspekt das Hauptaugenmerkder Qualitätssicherung inder <strong>Psychotherapie</strong> sein, ob – und imbesten Fall – dass die Therapie „etwasgebracht hat“, also ein Therapieerfolgsich einstellt. Dieses Defizit istseit vielen Jahren auch im Blickfeldder Krankenkassen und der gemeinsamenSelbstverwaltung. So wurdeder bestehende Hinweis im § 28 (2)der <strong>Psychotherapie</strong>-Richtlinie am 17.Juli 2008 noch einmal von allen Bänkenim G-BA bestätigt: „Ein Verfahren„Ein Verfahren zur Dokumentationpsychotherapeutischer Leistungen und zurEvaluation der Prozess- und Ergebnis -qualität wird zwischen den Vertragspartnernder <strong>Psychotherapie</strong>-Vereinbarungenvereinbart“.für werden noch aufgegriffen, siehegrauen Kasten S. 22).Auch aufgrund dieser Kritiken wurdevon der Techniker Krankenkasse dassogenannte TK-Modell entwickelt, einMonitoring-System als Alternativezum GAV, und in verschiedenen MozurDokumentation psychotherapeutischerLeistungen und zur Evaluationder Prozess- und Ergebnisqualitätwird zwischen den Vertragspartnernder <strong>Psychotherapie</strong>-Vereinbarungenvereinbart“. Im Zuge der Umsetzungwerden sicherlich auch psychometrischeInstrumente überlegt.<strong>Psychotherapie</strong> <strong>Aktuell</strong> 2/10 15


GesundheitspolitikDas Gutachterverfahren in der RichtlinienpsychotherapieB. Der Weg zum GutachterGutachter und Obergutachter werden– nach Rücksprache mit den Spitzenverbändender Krankenkassen – vonder KBV benannt. Alle fünf Jahre(Dauer der Amtszeit) werden – jenach Bedarf – neue Gutachter benanntbzw. wird die Amtszeit der bereitsBenannten verlängert. Die neuzu besetzenden Ämter werden imDeutschen Ärzteblatt bzw. der AusgabePP etwa ein Jahr im Voraus ausgeschrieben,die letzte Ausschreibungerfolgte in Heft 24 vom 13. Juni 2008.Die letzte Benennung von Gutachternfand im Frühjahr 2009 statt. An dieserStelle sei noch erwähnt, dass sichPsychologische Psychotherapeutenund Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutenerst seit 1999 im Rahmendieser Nachbesetzungen alsGutachter bewerben konnten.Um als Gutachter in Betracht zu kommen,müssen bestimmte Voraussetzungengegeben sein. So bestimmendie <strong>Psychotherapie</strong>-Richtlinien die formalenBedingungen: Ein Bewerber beispielsweiseaus den Reihen der PsychologischenPsychotherapeuten mussapprobiert sein und die Fachkunde inVT oder die doppelte in TfP und AP besitzen.Darüber hinaus ist der Nachweiszu erbringen, dass der Bewerbermindestens fünf Jahre im jeweiligenVerfahren und hier auch fünf Jahre alsDozent sowie als Supervisor tätig war.Letztere Eigenschaft muss zum Zeitpunktder Bewerbung noch vorliegen.Die PT-R fordert zudem, dass der Bewerbermindestens drei Jahre an derambulanten psychotherapeutischenVersorgung teilgenommen hat undzum möglichen Beginn der Gutachtertätigkeitnoch nicht älter als 55 Jahreist. Für Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutenund ärztliche Psychotherapeutengelten entsprechende Regelungen.Nach dem Eingang der Bewerbungenwerden vier Bewerberlisten erstellt –jeweils eine Liste für Verhaltenstherapie-Erwachsenebzw. Kinder und Jugendlichesowie für die psychoanalytischbegründeten Verfahren (=TfPund AP) Erwachsene bzw. Kinder undJugendliche. Die Auswahl aus diesenBewerberlisten erfolgt anhand einigerübergeordneter Kriterien, die in§12 (6) der <strong>Psychotherapie</strong>-Vereinbarungen(PT-V) beschrieben werden:• Regionalverteilung• Geschlechtsverteilung• Verteilung ärztliche Psychotherapeuten/PsychologischePsychotherapeutenbzw. Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten• Erfahrungen mit Begutachtungenvon <strong>Psychotherapie</strong> im Rahmen einerTätigkeit für den MDK• Besondere Erfahrungen und/oderZusatzqualifikation in einem speziellenFach- oder Vertiefungsgebiet(z. B. Gruppentherapie) oder in einemspeziellen Aufgabenfeld (z. B.sozialmedizinische Begutachtung)• Altersverteilung• Tätigkeit in der ambulanten vertragsärztlichenVersorgung• Bereitschaft und Möglichkeit, diefür die sachgerechte Begutachtungnotwendige Zeit im jeweils erforderlichenUmfang zur Verfügungzu stellen• Wartezeit auf der Bewerberliste• Keine herausgehobene Position inBerufsverbänden der <strong>Psychotherapie</strong>• Bei Weiterbestellung als Gutachterdarf in der Regel kein höheres Lebensalterals 68 Jahre bestehen.Laufende Fälle sollen abschließendbearbeitet werden können.Die Gruppe der GutachterWie aus Abbildung 1 ersichtlich, warenz.B. im Jahre 2008 bundesweitinsgesamt 163 Gutachter tätig.Stellt man die oben genannte Gruppeder ca. 165 Gutachter (Schwankungender Anzahl aufgrund Veränderungeninnerhalb der 5-jährigen Amtszeit) derGruppe der Niedergelassenen gegenüber,ergibt sich folgendes Bild:Verhältnis der Verfahren unterden Gutachter 2008Verteilung der Verfahren überalle Berufsgruppen in 20088%TfP+AP14% AP45% VTAbb. 2. Quelle der Rohdaten: KBV-Qualitätsbericht200935% VT43% TfPAbb. 3. Quelle der Rohdaten: KBV-Grund -daten 2009Gutachterstatistiken im Zeitverlauf 2005-2008VerfahrenAnzahl(Ober-)GutachterAnzahl(Ober-)GutachtenNichtbefürwortung%Änderung%tiefenpsychologischfundierte undanalytische<strong>Psychotherapie</strong>Verhaltenstherapie2005200620072008200520062007200889 Gutachter 142.128 Gutachten 3,9 10,015 Obergutachter 1.765 Obergutachten 22,0 26,688 Gutachter 150.350 Gutachten 3,7 11,215 Obergutachter 1.982 Obergutachten 22,0 23,286 Gutachter 153.251 Gutachten 3,8 10,415 Obergutachter 2.064 Obergutachten 25,4 23,889 Gutachter 169.319 Gutachten 3,7 10,315 Obergutachter 2.332 Obergutachten 23,2 23,377 Gutachter 117.530 Gutachten 3,3 7,79 Obergutachter 656 Obergutachten 14,8 37,576 Gutachter 118.793 Gutachten 3,0 7,39 Obergutachter 710 Obergutachten 16,0 32,772 Gutachter 128.125 Gutachten 3,3 6,89 Obergutachter 767 Obergutachten 19,4 41,174 Gutachter 136.077 Gutachten 3,1 7,29 Obergutachter 607 Obergutachten 16,6 27,0Abb. 1: Quelle: KBV Qualitätsbericht 200916<strong>Psychotherapie</strong> <strong>Aktuell</strong> 2/10


Das Gutachterverfahren in der RichtlinienpsychotherapieGesundheitspolitikBei begründetenProblemen im Rahmender Antragstellungim Gutachterverfahren,die nicht mit dem Gutachterund dem Obergutachter zuklären sind (dieser wird nur beivollständiger Ablehnung eines Antrageseingeschaltet), können Siesich an die KBV, hier Herrn Dr.Dahm, wenden:therapeuten“, <strong>Psychotherapie</strong> <strong>Aktuell</strong>1/<strong>2010</strong>), nimmt die Anzahl der jungenKollegen ab, die eine Ausbildung sowohlin TfP als auch in AP machen,zugunsten der Entscheidung für einesder beiden Verfahren. Das momentanbestehende (Miss-)Verhältnis der vertretenenVerfahren unter den Gutachternlässt sich so erklären: Vor demPsychThG war in den klassischenAnalytischen Instituten die „verklammerteAusbildung“ die Regel.Grundberufe der Gutachter fürVT-Erwachsene36% ÄP52% PP12% beideAusbildungenGrundberufe der Gutachter fürTfP+AP-Erwachsene57% ÄP1% beideAusbildungen42% PPDr. Andreas DahmKassenärztliche BundesvereinigungDezernat 1 - Referat <strong>Psychotherapie</strong>Herbert-Lewin-Platz 2, 10623 BerlinPostfach 12 <strong>02</strong> 64, 10592 Berlin.Hier wird deutlich, dass die Gutachterfür TfP bzw. AP mit der gefordertendoppelten Fachkunde TfP/AP nur auseiner kleinen Gruppe der Niedergelassenen(8%) rekrutiert werden können.Wie in der letzten Ausgabe dargestellt(„<strong>Aktuell</strong>e Statistiken derKBV aus dem Blickwinkel der Psycho-Grundberufe der Gutachter überalle Verfahren in der Amtszeit2004 - 20099% KJP37% PP49% ÄP5%PP+ÄPAbb. 4. Quelle der Rohdaten: Gutachterlistenvon 2006-2008Grundberufe der niedergelassenenPsychotherapeuten überalle Verfahren 200863% PP23% ÄP14% KJPAbb. 5. Quelle der Rohdaten: KBV-Grunddaten2009, hier leider keine Angabe vonPsychotherapeuten mit beiden Grundberufen(ÄP+PP)Sie erinnern sich vielleicht, dass vordem PsychThG Psychologische Psychotherapeutenund Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutennur inder Delegation arbeiten durften, alsounter Aufsicht eines Arztes und dasses vor 1980 keine und danach kaumVerhaltenstherapie in der Versorgunggab. Die <strong>Psychotherapie</strong> in der GKVwar also überwiegende ärztlich undpsychoanalytisch und hat sich dannüber das Delegationsverfahren nursukzessive der Verhaltenstherapieund schließlich über das PsychThGgenerell der Berufsgruppe der PP undKJP geöffnet. Erst nach 1999 entstandendie neuen Institute, die sich aufdie moderne TfP mit ihren Kompetenzenkonzentrierten.Die noch junge Entwicklung der Eigenständigkeitder PP/KJP gepaartmit der Nachbesetzungspraxis derGutachterstellen, ist wohl – nebenanderem – der historische Grund dafür,dass bei einem Vergleich derGrundberufe der Gutachter die ärztlichenKollegen immer noch in derÜberzahl sind.Beim Vergleich der Verhältnisse derGrundberufe der Gutachter (Abb. 4)mit dem Verhältnis in der gesamtenPsychotherapeutenschaft (Abb. 5) fälltauf, dass Ärzte etwa die Hälfte allerGutachter stellen, während deren Anteilan der niedergelassenen Psychotherapeutenschaftnoch nicht einmalein Viertel ausmacht. Auch arbeitenca. 50 Kollegen, d.h. ca. 1/3 aller Gutachter(über alle Verfahren) nicht inder vertragspsychotherapeutischenambulanten Versorgung der GKV.Wie die Abbildungen 6 bis 9 zeigen,gilt dasselbe auch für die Obergutachter,die übrigens aus den Reihender Gutachter stammen: Es findetGrundberufe der Gutachter fürVT-KiJu23% ÄP77% KJPsich in der letzten Amtsperiode(2004-2009) kein einziger PP bzw.KJP unter den Obergutachtern, sondernausschließlich ärztliche Psychotherapeuten– lediglich zwei Gutachterhaben beide Grundberufe erlernt.Bei den VT-Obergutachter für KinderundJugendliche fällt das Ungleichgewichtbesonders auf: Hier sind beideObergutachter Ärzte, obwohl das Verhältnisvon PP/KJP zu Ärzten 10:3 beträgt(erstere also fast 80% stellen).Fazit: Auch wenn der Zustand derärztlichen Vorherrschaft historisch gewachsenist, sollte sich 10 Jahre nachInkrafttreten des PsychThG auch hierdie Aufstellung der Gutachter demaktuellen Gesicht der <strong>Psychotherapie</strong>landschaftanpassen. Bei der Auswahlder Gutachter muss in ZukunftGrundberufe der Gutachter fürTfP+AP-KiJu60% ÄP40% KJPAbb. 6 bis 9. Die Struktur der Gutachter im Einzelnen (Grundberufe)Quelle der Rohdaten: KBV Qualitätsbericht 2009, Gutachterlisten 2004-2008das Kriterium der Ausgewogenheitder Grundberufe noch mehr berücksichtigtwerden.C. Kosten des GutachterverfahrensDie Anzahl der Gutachten hat in denletzten Jahren deutlich zugenommen,von 2006 bis 2008 um ca. 13% (sieheTabelle 1).Insgesamt hat jeder Gutachter imDurchschnitt pro Jahr 1874 Gutachtenund ggf. als Obergutachter nochzusätzlich im Durchschnitt 122 Obergutachtenim Jahr erstellt.Für ein Kurzzeittherapie-Gutachtenzahlt die Krankenkasse 18,60 € anden Gutachter, für ein Langzeittherapie-Gutachten38,20 €, für ein Gutachtenüber den Obergutachter bei ei-2006 2007 2008Gutachten VT 118.793 128.125 136.077Gutachten TfP+AP 150.350 153.251 169.319gesamt 269.143 281.376 305.396Obergutachten VT 710 767 607Obergutachten TfP+AP 1982 2064 2332gesamt 2692 2831 2939Tab. 1. Gesamtanzahl der Gutachten pro Richtlinienverfahren 2006-2008, Quelle: KBVQualitätsbericht 2009<strong>Psychotherapie</strong> <strong>Aktuell</strong> 2/10 17


GesundheitspolitikDas Gutachterverfahren in der RichtlinienpsychotherapieTfP/AP-GutachterWie in Abb. 2 und 3ersichtlich, stammendie Gutachter für TfP/AP bezüglich ihrerformellen Qualifikationen aus einersehr kleinen Gruppe der niedergelassenenTfP und APler (8% der Behandlerstellen 55% der Gutachter).Infolge dessen eröffnet sich hier eineganz spezielle Situation: Als Gutachterfür die TfP und für die AP werdenausschließlich solche Psychotherapeutenals ausreichend qualifiziertbetrachtet, die beide Fachkunden besitzen.Es gibt für TfP-Anträge keineGutachter, die ausschließlich dieFachkunde TfP erlernt haben – unddies, obwohl es seit dem PsychThGviele Ausbildungsinstitute gibt, diedie TfP als eigenständiges modernesund kompetentes Verfahren lehren.Kolleginnen und Kollegen mit FachkundeTfP klagen häufig darüber,dass „ihre“ Gutachter einen Wechselzu einer AP vorschlagen (was dannmeist einen Behandlerwechsel nachsich ziehen würde), während die Behandlerund auch die Patienten dastiefenpsychologisch fundierte Settingals richtige Indikation betrachten.Gutachter mit der geforderten doppeltenFachkunde in AP und TfP habenin der Regel ihre Ausbildungenin analytischen Instituten absolviert,die den Stellenwert der AP betonen.Dies könnte ggf. zu Loyalitätskonfliktenführen, wenn eine Entscheidung,wann eine TfP und wann eine AP indiziertist, ansteht. Dies könnte auchdie Einschätzung darüber beeinflussen,was das jeweilige Verfahren zuleisten vermag. Eine Auflösung diesesDissenses scheint derzeit auch infachwissenschaftlichen Kreisenschwierig. Anzunehmen ist eine hoheÜberschneidung beim Indikationsspektrumund der Behandlungsmethodikbeider Verfahren. Der WissenschaftlicheBeirat <strong>Psychotherapie</strong>summiert die TfP und die AP zu einemVerfahren, welches er – wie internationalgebräuchlich – „Psychodynamische<strong>Psychotherapie</strong>“ nennt.Historische Betrachtung: Früherkonnte die <strong>Psychotherapie</strong>-Fachkunde(sogenannter „Zusatztitel“) überFortbildungen in Lindau oder auf anderen<strong>Psychotherapie</strong>kongressen erreichtwerden. Die Dozenten und Supervisorenfür die TfP kamen damalsausschließlich aus psychoanalytischenAbteilungen oder Ausbildungsinstituten.Die früheren TfP-Kolleginnen und Kollegen entschiedensich oft erst während der TfP-Ausbildung, eine psychoanalytischeAusbildung zu machen. Später, imRahmen der Identifikation mit denanalytischen Instituten, wurde dannoft die TfP als „Schmalspurverfahren“abgetan. 1972 wurde das sogenannteDelegationsverfahren für Diplompsychologenmit analytischerAusbildung eingeführt (1987 für Verhaltenstherapie).Erst im Zuge des PsychThG in 1999wurde die TfP als eigenständigesVerfahren mit eigener Fachkunderegelungetabliert. Mit der Integrationvon PP und KJP in die GKV wurdenhohe Standards für Aus- und Weiterbildungmit dem Ziel der Fachkundevorgegeben. In der (neuen) Berufsordnungfür PP/KJP wurde darüberhinaus die fachgerechte sorgfältigeDiagnostik, Planung und Durchführungvon Behandlungen explizit in§5 Abs.2, §7 Abs. 2 und §9 Abs.1festgehalten. Die Qualifikation zurFachkunde nimmt seitdem qualitativund quantitativ eine völlig andereForm an, als zu der Zeit, als das Gutachterverfahreneingerichtet wurde.Fazit: Es sollten zukünftig TfP-Berichtevon TfP-Gutachtern und AP-Berichtevon AP-Gutachtern begutachtetwerden. Es sollten also auch solcheKollegen als Gutachter benanntwerden, die über „nur“ eine Fachkundeentweder in TfP oder in APverfügen. Dies entspräche einer notwendigenAnpassung an den fachlichenStatus und würde zudem nochdie Bewerberlisten öffnen, was dieStrukturqualität der zukünftigenGutachter steigern dürfte.nem KZT-Antrag 35,80 €, bei einemLZT-, bzw. Fortführungsantrag 76,70 €.Über 50% aller <strong>Psychotherapie</strong>anträgewerden ohne einen Bericht an denGutachter gestellt. Die demzufolge305.396 erstellten Gutachten in 2008werden sich schätzungsweise hauptsächlichauf LZT-Gutachten inklusiveUmwandlungs- und Fortführungsanträgebeziehen, denn nur bei jungenKollegen wird im ersten Jahr der Zulassungnoch kein Sachstand der Befreiungvom Bericht zur KZT bestehen.Insofern sei an dieser Stelle ein Zahlenspielerlaubt, welches versucht, dieGesamtausgaben der KVen für dieKosten des GAV abzuschätzen:Unter Einbezug von geschätzten 7%gutachterpflichtigen KZT wird hier fürein Gutachten mit einem Durchschnittswertvon 37 € gerechnet. Unter dieserAnnahme beläuft sich das Gesamthonorarfür die 163 Gutachter in 2008 aufgut 11 Millionen € (siehe Abb. 10).Würde man diese 11.300.000 €gleichmäßigauf alle Gutachter verteilen,hätte jeder in 2008 damit einen Jahresumsatzvon ca. 70.000 € erwirtschaftet.Die Verteilung der Vergabe von Begutachtungender Krankenkassen wirdjedoch nicht per PT-R oder PT-V gere-Entwicklung des Gesamthonorars in € für Gutachten1200000010000000800000<strong>02</strong>006600000<strong>02</strong>007400000<strong>02</strong>00820000000Abb. 10. Entwicklung des Gesamthonorars in € für Gutachten im Rahmen des GAVQuelle der Rohdaten: KBV-Qualitätsbericht 200918<strong>Psychotherapie</strong> <strong>Aktuell</strong> 2/10


Das Gutachterverfahren in der RichtlinienpsychotherapieGesundheitspolitikSabine SchäferPsychologische Psychotherapeutin,Stellvertretende Bundesvorsitzendeder Deutschen Psychotherapeuten-Vereinigung, Mitglied der Vertreterversammlungder LandespsychotherapeutenkammerBaden-Württembergund in diversen Ausschüssen und Arbeitsgruppendes Gemeinsamen Bundesausschusses.gelt, weswegen die Verteilung der Begutachtungsaufträgeje Gutachter sehrunterschiedlich ausfällt.Zusätzlich kostet auch jede Berichterstellung:Der Psychotherapeut erhältnach dem EBM 2009 für einen Berichtzur KZT 26,60 € (EBM-Ziffer35130), für einen UmwandlungsoderFortführungsbericht 53,38 €(EBM-Ziffer 35131). Nimmt man dieAnzahl der Gutachten des Qualitätsberichtsvon 2008 und kombiniert siemit dem EBM 2009 (in 2008 gab esbundesweit noch uneinheitlichePunktwerte, zuzüglich Punktzahlgrenzvolumen,die in vielen KVen weder dieBezahlung für Probatorik noch fürden Bericht mehr zuließen), zahlt dieKrankenkasse in dieser Hochrechnungfür die Berichte an den Gutachterden Psychotherapeuten ein Jahresgesamthonorarvon 15.700.000 €.Die 2.939 Berichte an den Obergutachterkosten sie darüber hinausnoch einmal 151.000 €.Gemäß den oben gemachten Annahmenkostet das GAV das GKV-System:ein KZT-Antrag18,60 €+ 26,60 € = 45,20 €ein LZT- bzw. Fortführungsantrag38,20 €+ 53,38 € = 91,58 €Berichte an den Gutachter 15.766.438 €Berichte an den Obergutachter 151.730 €Gutachterliche Stellungnahmen 11.274.127 €Obergutachterliche Stellungnahmen 217.550 €27.409.845 €VT TfP APErwachsene Jugendliche Kinder Erwachsene Jugendliche Kinder Erwachsene Jugendliche KinderEinzelGruppeEinzelGruppeEinzelGruppeEinzelGruppeKZT 25 25 25 25 25 ./. 25 25 25 25 25 ./. entfälltLZT 45 45 45 45 45 45 50 40 90 40 70 40 160 80 90 40 70 401. Fortführung 15 15 15 15 15 15 30 20 50 20 50 20 80 40 50 20 50 2<strong>02</strong>. Fortführung 20 20 20 20 20 20 20 20 40 30 30 30 60 30 40 30 30 30Höchstgrenzeim Regelfall80 80 80 80 80 80 100 80 180 90 150 90 300 150 180 90 150 90Tab 2. Antragsschritte laut PT-Rein KZT-Obergutachten35,80 €+ 26,60 € = 62,40 €ein LZT-Obergutachten76,70 €+ 53,38 € = 130,08 €Das bedeutet, das GAV kostet dasGKV-System in der Hochrechnungjährlich fürZuzüglich zu den 27 Millionen € addierensich Kosten für ganze Abteilungenin den Krankenkassen alsauch Portokosten (Krankenkassen,Psychotherapeuten, Gutachter).Fazit: Insgesamt kann man feststellen,dass in Anbetracht der Kostendes GAV für die Solidargemeinschaft,eine Evaluation des GAV förderlichwäre, um die Zweifel, was das Gutachterverfahrenleistet und was nicht,auszuräumen. In dieser Hinsicht sindsicherlich schon erste Hinweise ausden Ergebnissen des TK-Modells zuerwarten, die Ende des Jahres veröffentlichtwerden sollen.Darüber hinaus scheint es sinnvoll,über Innovationen zum bisherigenVerfahren nachzudenken:EinzelGruppeEinzelGruppeD. Innovationsansätze bei den BewilligungsschrittenVon den 637.000 Anträgen an dieKrankenkassen – das sind im Schnitt31 Anträge pro Psychotherapeut –liefen knapp die Hälfte über das GAV(d.h. durchschnittlich 15 Berichte proPsychotherapeut). Dem Qualitätsbe-EinzelGruppeEinzelGruppeEinzelGruppericht der KBV kann leider nicht entnommenwerden, wie viele Gutachtenjeweils auf TfP- oder AP-Berichtefallen, da beide Verfahren von denselbenGutachtern beurteilt werden.Wenn man allerdings berücksichtigt,dass den 8.764 in 2008 zugelassenenTfPler zusammen halb so viele APler(2.769) und „Verklammerte“ (1.619)gegenüberstehen, kann man davonausgehen, dass von den psychodynamischen<strong>Psychotherapie</strong>-Anträgen imGros TfP-Berichte begutachtet werden.Dafür spricht auch, dass in der TfP ca.alle 25 Sitzungen ein Bericht geschriebenwerden muss, in der AP deutlichseltener. Wie ebenfalls in Tabelle 2 ersichtlich,sind in der VT bzw. TfP bis zurErreichung der Höchstgrenze von 80bzw. 100 Sitzungen insgesamt 1-4 Berichtean den Gutachter notwendig, fürdie AP dagegen für die Höchstgrenzevon 300 Sitzungen insgesamt nur 1-3Berichte.Mögliche kurzfristige Innovationena) Hinsichtlich der Wirtschaftlichkeitsollten die Antragsschritte in denVerfahren überdacht werden. DieBefreiung für KZT-Anträge für Kollegenmit 35 Berichten Erfahrungwurde bereits umgesetzt. Eine analogeRegelung für eine Befreiung fürLZT-Anträge für Kollegen, die 35LZT-Berichte geschrieben haben,könnte viel Geld einsparen, das ananderer Stelle – zum Beispiel bei derHonorierung von Testverfahren –dringend gebraucht würde. Eineähnliche Innovation wurde bereitsin 2000 von Köhlke gefordert. EineEingabe hierzu ist 20<strong>02</strong> im Arbeitsausschuss<strong>Psychotherapie</strong> des Bundesausschussesder Ärzte und Krankenkassen(heute G-BA) gescheitert.b) Weiter ist der 15-Stunden-Schritt inder VT unwirtschaftlich und unverständlich.Die Bewilligungsschritteund das Gesamtkontingent von TfPund VT sollten sinnvollerweise angeglichenwerden: D.h. auch die VTkönnte die Höchstgrenze von 100Sitzungen erreichen und damit fieleder kostenintensive 15 Stunden-Schritt in der VT: Für die Bewilligungeines Kostenvolumens von 1.215 €zahlt die Kasse für die Begutachtungder Weiterbehandlung weitere 7%dieses Kostenvolumens für diesen15-Stunden-Behandlungsschritt.Literaturhinweis:Das umfangreiche Literaturverzeichnisfinden Sie im Internet unterwww.dptv.de.<strong>Psychotherapie</strong> <strong>Aktuell</strong> 2/10 19


GesundheitspolitikFinanzierung des GesundheitswesensCarsten FregeFinanzierung des Gesundheitswesens:Lerneffekte für denReformprozess - waszeigen die Niederlande?Mit dem Koalitionsvertrag vomHerbst 2009 hat die schwarz-gelbeBundesregierung eine Reformagendaaufgeworfen, die eine Neuordnungder Finanzierung der Krankenversicherungvorsieht. Dabei setzt sie aufdas Modell von Gesundheitsprämienund will mehr Preiswettbewerb ermöglichen.In der Koalitionsvereinbarungwar dazu fixiert worden: „Langfristigwird das bestehende Ausgleichssystemüberführt in eine Ordnungmit einkommensunabhängigenArbeitnehmerbeiträgen, die sozialausgeglichen werden. Weil wir eineweitgehende Entkoppelung der Gesundheitskostenvon den Lohnzusatzkostenwollen, bleibt der Arbeitgeberanteilfest. Zu Beginn der Legislaturperiodewird eine Regierungskommissioneingesetzt, die die notwendigenSchritte dazu festlegt.“Inzwischen hat die interministerielleRegierungskommission ihre Arbeitaufgenommen, Sachverständige sindgeladen und Experten werden angehört.Während bei den Überlegungen derRürup- bzw. Herzog Kommission, diebereits vor einigen Jahren Modelle vonKopfpauschalen ins Visier nahmen, dervergleichende Blick noch gerne in dieSchweiz gelenkt wurde, interessiertsich die aktuelle Kommission offenkundigeher für die Niederlande. Vondort gibt es erste Ergebnisse, nachdem2006 eine grundlegende Umstellungder Gesundheitsfinanzierung auf dasPrämien- oder Kopfpauschalensystemstattgefunden hat. Infolgedessen berichteteder niederländische Gesundheitsministerkürzlich im BMG von denReformergebnissen der NiederländischenKrankenversicherungsreform.Grundstruktur und Struktur derReformDas niederländische Krankenversicherungssystembesteht aus drei Säulen:– Die Bürgerversicherung für dieAkutversicherung – ZVW deckt imWesentlichen die Akutversorgungab. Hierauf bezog sich die niederländischeReform 2006.– Die Pflege- und Langzeitversicherung– AWBZ dient der Absicherunggroßer Risiken, wie z.B. stationäreLangzeitversorgung von einemJahr und länger, chronischenKrankheiten, dauerhafte Pflegebedürftigkeit,Behindertenfürsorgeund Prävention. Sie ist für die gesamteBevölkerung obligatorisch.Es werden einkommensbezogeneBeiträge ohne Arbeitgeberanteilerhoben. Im Jahr 2009 lag der Beitragbei 12,15% des Bruttoeinkommens.– Die private Zusatzversicherung hatstets an Bedeutung gewonnen. Insbesonderezahnmedizinische Leistungenund alternative Heilmethoden,aber auch Physiotherapie unddie jüngst aus der ZVW entferntePsychoanalyse können hier abgesichertwerden. Die Prämienkalkulationerfolgt riskioäquivalent.Die 2006 erfolgte Reform sah in ihrenKernelementen eine privatrechtlicheOrganisation der Krankenversicherungmit Verschmelzung der GKV und PKVvor. Daneben stellte die vermehrte Einführungvon Wettbewerbselementenund flexibleren Gestaltungsmöglichkeiten(Selektivverträge, Gruppenversicherungen,Preiswettbewerb) einenweiteren Reformschwerpunkt dar.Grundsätzlich waren die Ausgangsvoraussetzungenin den Niederlandendeutlich günstiger als sie jetzt inDeutschland sind: Einerseits existierteeine breite gesellschaftliche und parteipolitischeÜbereinstimmung undandererseits waren bereits ca. 30%der Versicherten an eine private Krankenversicherunggebunden, bei übrigensweitgehend gleichem Leistungsumfangwie in der gesetzlichen Krankenversicherung.Diese PKV verfügtenicht über individualisierte Alterungsrückstellungen,was die Fusion erheblichvereinfachte. Außerdem war inden Niederlanden bereits ein verpflichtendesHausarztmodell als Hauptsäuleder ambulanten Grundversorgungetabliert und akzeptiert.Zweigliedrige FinanzierungsbasisDie Finanzierung der Ausgaben fürdie niederländische „Bürgerversicherungfür die Akutversorgung - ZVW“erfolgt auf einer zweigliedrigen Basis.Dabei werden einkommensabhängigund einkommensunabhängig jeweils50% der Ausgaben geschultert:20<strong>Psychotherapie</strong> <strong>Aktuell</strong> 2/10


Finanzierung des GesundheitswesensGesundheitspolitikCarsten FregeGeschäftsführer der Deutschen PsychotherapeutenVereinigung,Diplom-Politologe, betriebswirtschaftlicheFortbildungen, Zertifikat „Verbandsmanager“.Mitglied des Redaktionsbeiratesder <strong>Psychotherapie</strong> <strong>Aktuell</strong>.Einkommensabhängige Beiträge (50% der Ausgaben)– Einheitlich für alle Versicherten– Festlegung durch Gesundheitsministerium– Berücksichtigung sämtlicher Einkommensarten– Beitragsbemessungsgrenze ca. 30.000 € pro Jahr– 7,05% für abhängig Beschäftigte (Zahlung durch Arbeitgeber)– 4,95% für Selbständige (Zahlung durch Finanzamt)Einkommensunabhängige Beiträge (50% der Ausgaben)– Einheitlich für alle Versicherten eines Krankenversicherers– Festlegung durch Krankenversicherer– Höhe zwischen 900 und 1200 € pro Jahr– Finanzierung der Kinderprämien durch den Staat*Quelle: Prof. Dr. Stefan Greß, Vortrag auf dem Hauptstadtkongress am06.05.<strong>2010</strong> sowie Christian Weber und Frank Schulze-Ehring in gpk 11/2009Entwicklung der Pauschale unddes SozialausgleichsWährend sich die durchschnittlichePauschale seit Einführung 2006 umca. 25% erhöhte, sind auch die Zuschüsseangewachsen. Derzeit profitierenhiervon ca. 70% der niederländischenHaushalte.Der Sozialausgleich wird als Beitragszuschussgewährt. Die Anspruchsberechtigungwird einkommensabhängigdefiniert, d.h. bis etwa 25.000 €Jahreseinkommen für Singles und bisetwa 40.000 € Jahreseinkommen fürPartner. Die Festlegung erfolgt durchdas Finanzamt in Form von Direktauszahlungan die Versicherten. Dabeihandelt es sich um ein weitgehendDurchschnittlicheHöhe der Pauschalein € p.a.automatisiertes Antragsverfahren.Die Verwaltungskosten für das Managementdes Sozialausgleichs liegenaktuell bei ca. 59 Mio. € pro Jahr. Beieiner Hochrechnung auf deutscheVerhältnisse würden die Verwaltungskostenfür den Sozialausgleichca. 250 Mio. € pro Jahr ausmachen.Steuerzuschussin Mrd. € p.a.BezuschussteHaushaltein Mio. € p.a.2006 1015 2,5 4,92007 1059 2,6 5,<strong>02</strong>008 1200 3,4 5,12009 1209 3,7 k. A.*Quelle: Gesundheitsministerium der Niederlande, Prof. Dr. Stefan Greß <strong>2010</strong>BewertungMit der Reform in den Niederlandenwurde ein regulierter Wettbewerbeingeführt. Die Versicherer konzentrierensich auf einen Pool von vierAnbieterkonzernen. Ein morbiditätsorientierterRisikostrukturausgleichist etabliert. Zudem sind die vielfältigenMöglichkeiten für Selektivverträgegenutzt worden. Ein Preiswettbewerbist entfacht, der sich in jüngererVergangenheit zunehmend auf denstationären Bereich konzentriert.Die zahlreichen Gruppenversicherungsverträgeführen zu Preisverzerrungen,so dass definierte GruppenPreisvorteile genießen, zu Lasten andererVersichertengruppen. Hier scheintder staatliche Einfluss auf die Preisgestaltungbegrenzt. Defizite werden imBereich des Qualitätswettbewerbs beobachtet,die enge Bindung an Leis -tungsanbieter schafft Probleme. Eineechte Entlastung der Arbeitgeber konntedas niederländische Modell nichtleis ten. Es bietet zwar den Einstieg indie Abkoppelung der Gesundheitskos -ten von den Lohnkosten, allerdings wardieser Schritt eingeschränkt konsequent.Der Arbeitgeberanteil wächstbei steigenden Gesundheitsausgaben.Die erhoffte Zunahme von Wettbe -werbselementen für Kassen und Versichertehat eher zu einem Wettbewerbum stabile Prämien geführt statt, wiegewünscht, um bessere Leistungen.Eine Übertragung des niederländischenModells auf deutsche Verhältnisseist nicht ohne weiteres möglich.Die Reform dort wurde jahrzehntelangdurch schrittweise Vereinheitlichungder gesetzlichen und privaten Krankenversicherungvorbereitet. Erleichterndkam hier hinzu, dass individualisierteAlterungsrückstellungen, einKernmerkmal der Demografiereserveder deutschen PKV dort nicht existierten.Die deutschen Reformüberlegungengehen daher auch von einer weiterbestehenden privaten Krankenversicherungaus, was jedoch der RisikoselektionVorschub leistet (gesundeRisiken wandern verstärkt zur PKV ab)und Einfluss auf die Höhe und Dynamikder Gesundheitsprämie hätte.Monika Hauser, Trägerin des„Alternativen Nobelpreises“ 2008Gewaltgegen FrauenbekämpfenJetzt Einsatz zeigen:AlsGründerin von medica mondialesetze ich mich gegendie Vergewalti-gung von Frauen in Kriegs- und Krisen-gebietenein. Weil Gewalt gegenFrauenkeine Kriegswaffesein darf. SetzenauchSiesichein.Damit WürdeundRechte der Frauen gewahrtwerden.Spenden Sie. www.im-einsatz.orgSpendenk onto 45 000 163Sparkasse KölnBonn BLZ 370 501 98Im Einsatz für Frauen in Kriegs- und Krisengebieten<strong>Psychotherapie</strong> <strong>Aktuell</strong> 2/10 21


FachbeiträgeBabys in Not und Mütter im VisierSabine Trautmann-VoigtBabys in Not und Mütter imVisier – Neue Aufgaben fürdie Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie?Erschreckende Zahlen belegen, dassdie frühkindliche Entwicklung mitnichtenimmer förderlich abläuft.Hurrelmann (2007) stellt in einer internationalenStudie über Trauma -folgestörungen fest, dass Deutsch -land im Weltvergleich im oberen Drittelder Staaten liegt, in denen Extremformenvon Mobbing (5% derMädchen) und körperlicher Gewaltim Jugendalter (14 – 18 Jahren) auftreten- bei 1 bis 2% mit einkalkuliertrerTodesfolge. Etwa ein Viertel derJugendlichen sieht sich zurzeit diskriminiertund ist (latent) bereit, „dasSystem“ dafür verantwortlich zu machenund mit Gewalt zu reagieren.22% (12 –25 Jahre) haben mindes -tens 1-mal körperliche Attacken gegenjemand anders ausgetragen.Die Strafpraxis in Deutschland 1 stelltsich folgendermaßen dar:• 30% der Eltern isolieren ihre Kinder.• 15% sprechen mit ihnen über dreioder mehr Tage nicht.• 14% der Eltern ohrfeigen oder prügeln,• signifikant 2 bis 3% ab dem Säug -lingsalter (!).1Erst seit 2001 ist die körperliche Bestrafung in derFamilie strafgesetzlich verboten!• 3% der Eltern misshandeln soschwer, dass Krankenhaus ein wei -sungen notwendig werden.• <strong>Aktuell</strong>e Schätzungen gehen von150.000 bis 300.000 Fällen von sexuellemMissbrauch und Miss -handlung an Kindern pro Jahr aus.Im Ergebnis heißt dies: 1% derKleinstkinder (ca. 7000 pro Jahr!)stellen die absolute Risikogruppe fürzukünftige Gewalttaten dar.Welche gesellschaftlichen Trends liegenzugrunde?• Junge Familien vermissen helfendeHände von Nachbarn oder Verwandten.Was bedeutet „intuitive Elternschaft?• Zwei berufstätigen Eltern oder alleinerziehenden Müttern fällt esimmer schwerer, Beruf und Familiezu vereinbaren.• Armut und Arbeitslosigkeit verringernmaterielle und seelische Res -sourcen und beeinträchtigen dieemotionale kindliche Fürsorge.• Fehlendes oder falsches Wissenüber frühe kindliche Bedürfnissebelastet familiäre Beziehungenund schadet der Entwicklung derKinder.Der „Kindergipfel“ am 19.12.2007,bei dem die Bundeskanzlerin und dieMinisterpräsidenten der Länder ge -meinsame Maßnahmen zum Kinder -Fähigkeit, folgende Verhaltensweisen bezüglich eines Säuglings zumobilisieren: Spontanität umgehendes Einfühlungsvermögen Wahrnehmungsfähigkeit wache und/oder ruhige Aufmerksamkeit Zuordnungsfähigkeit zutreffende Interpretation von Signalen Promptheit schnelles Eingehen auf vermuteteBedürfnisse Explorationsfähigkeit Erprobung von Lösungsmöglichkeiten Handlungsfähigkeit Angemessene Verhaltensauswahl zurSpannungsreduktion oder zumSpannungsaufbau beim Säuglingschutz verabschiedeten, bildet den bisherigenHöhepunkt öffentlicher Kommunikationüber dieses Thema. Hel fensolche politischen Gipfel? Immer hinwurden inzwischen verbindliche Verpflichtungenzu Früherkennungsuntersuchungenbeim Kin derarzt eingeführt.Dies allein reicht aber nicht aus!Regulations- und Bindungsstörungen,später: emotionale und hyperkinetischeStörun gen oder beginnendeStörun gen des Sozialverhaltens könnenin U-Unter suchungen nicht erkanntwerden, weil entsprechendeScreening-Instrumen te, die auf die Beziehungzwischen Mutter/Vater undKind ausgerichtet sind, fehlen. Der KinderarztThomas Fischbach kritisiertdenn auch die Kinderrichtlinie des G-BA, die auf dem Stand der 70er Jahreeingefroren und rein kurativ ausgerichtetsei: Der rituelle Hinweis auf dienicht bestehende Evidenzbasierungneuerer Methoden, die die Interaktionskompetenzenvon Eltern erfassenkönnten, hält Fisch bach für bedauerlich– ich ebenfalls (Fischbach 2008,Trautmann-Voigt <strong>2010</strong>c)!Alle Spuren führen in die Familien. Esgibt inzwischen besonders in den sogenanntenunteren Schichten massiveDefizite im Erziehungswissen - gleich22<strong>Psychotherapie</strong> <strong>Aktuell</strong> 2/10


Babys in Not und Mütter im VisierFachbeiträgeWas beinhaltet „Interaktionskompetenz“?(erweitert, nach Papousek)qualitativ bestimmte Verfügbarkeit über: universell universelle Muster des Versorgens,Schützens, Wärmens unbewusst automatisches Bedürfnis der Hilfestellungeinem Hilflose(re)n gegenüber prompt unverzügliche, unbedingte Reaktion,z.B. bei Gefahr oder Not unwillkürlich spontane, nicht kognitiv geplante,liebevolle/freundliche Zuwendung ggf. lang andauernd nicht müde machende Bereitschaft zurWiederholung einer HandlungBeziehungswissen! Als Resultate vonVernachlässigung und Traumatisierungab dem Säuglingsalter zeigen sich vermehrtBindungsstörungen (Buchheimet.al., 20<strong>02</strong>; Strauß, 2008). Risikofaktorensind:• Materielle Unsicherheit und Kinder -armut• Migrationshintergrund• Soziale Isolierung• Krankheit oder Behinderung• Psychische Labilität oder Trauma -tisierung der Eltern• Familiäre Stresssituationen undbeengte Lebensverhältnisse.„Alle Spuren führen in die Familien.Es gibt inzwischen besonders in densogenannten unteren Schichten massiveDefizite im Erziehungswissen -gleich Beziehungswissen!“Diese Phänomene sind weder „intrapsychisch“,noch allein „interpersonell“zu erklären (Trautmann-Voigt <strong>2010</strong>a),sondern gehen auf massive Auf lö sun -gen festgeglaubter Normen zu rück:Familiäre Strukturen lösen sich auf, biszu 35% der Menschen leben in Single-Haushalten. Hinzu kommen verändertedemographische Entwicklungen, Erstgebärendefinden sich zu nehmend beiden über 40-jährigen. Alles wird im„world wide web“ sicht bar, und die Illusionder Teilhabe an allem und jedemdadurch verstärkt. Die Kinderarmut beiuns, in einer der reichsten Industrienationen,steigt weiter; 2005 waren wenigerals 15% der Min derjährigen vonArmut be droht, 2006 war en es schon17% oder jedes sechste Kind (ZEIT online,26.05.2008). Politisch wichtig warsicherlich die Ein führung des Eltern -geldes, das auch Männer in Anspruchnehmen können - was jedoch von denwenigsten Vätern genutzt wird.Werte verschwanden schon länger, wiedie Aufdeckung der Miss brauchs -skandale in den Kirchen und in christlichenErziehungs ein rich tun gen zeigt.Schnelle Taktung im Alltag führt zumehr innerem Stress. Zu hohe In -tensitätskonturen im Umgang mitKin dern, die grundsätzlich durch zuviele Wechsel und abrupte Kommu -nikationsangebote übererregt werden,führen zu Verstörung und Überflutung.Dies alles und noch viel mehrverhindert bei Säuglingen und Kleinkinderndie Integration sichererSelbst- und Fremdbilder bzw. stabilerSelbst- und Objektrepräsentanzen -aber nicht nur in der „Unter schicht“!Die Opfer der antiautoritären Erziehung– oder: „Laissez-faire-Opfer“Ein Teil der jungen Eltern folgt heute(unbewusst) dem Laisser-faire-Stil ihrerEltern, die ohne klare Strukturvorgaben„Autonomie“ und „Individualität“von ihnen forderten, weil sieselbst gegen die eigenen Eltern (der„Nazi-Generation“) Auto nomie und„innere Freiheit“ mehr oder minder erstrittenhaben. Die in der Mitte desletzten Jahr hunderts geborene Generationverwischte häufig die Genera -tionengrenzen und behandelte ihreKinder wie Freunde, was sich im Auf -kommen der Anrede mit Vornamen(statt „Mutti“ oder „Mama“ lieber„Gertrud“ oder „Angela“) zeigte. Äußerlichunterschieden sich Kinder undErwachsene immer weniger – die Elternwollten jung bleiben - auch heutenoch, wenn auch grauhaarig und etwasin die Jahre gekommen. VieleEntschei dungen wurden fortan gemeinsamausdiskutiert, was die Kinderoft völlig überforderte. Es verbreitetesich ein anti-autoritärer Erziehungsstil(Neill 1970), was bis weit in die 80erund 90er Jahre hinein das (unbewusste)Leitbild für junge Eltern blieb. Postman(1987) spricht vom Verschwindender Kindheit - auch als Folge der zunehmendenVerbreitung elektronischerMedien. An der damals fehlenden Reflexionüber sinnvolle Autori täts -strukturen krankt das Erziehungs -system (privat und in der Schule) nochheute: Viele junge Eltern scheinen inunbewusster Identifikation mit derLaisser-faire-Ideologie der Altvordereneine Abneigung gegen „zu viel Druck“entwickelt zu haben, was aber auchbedeutet, dass sie sich zu schnell durch„anstrengende“ und die „Selbst -verwirklichung“ einschränkende Anforderungen,wie die Betreuung einesBabys, unter Druck gesetzt fühlen. Siebleiben selten konsequent und ruhig,wenn das Baby nicht sofort „funktioniert“und erleben sich häufig in Konkurrenzmit anderen. „Laissez-faire-Opfer“ haben oft Angst vor Verantwortungund eine ambivalente Haltungzum Thema Leistung. Es zeigen sich inmanchen Biographien Versuche, überEss störun gen oder Alkohol- undDrogen konsum Gefühle von innererLeere, unbestimmtem Leistungsdruckund Versagensängsten zu kompensieren.Manche jobben und halten sich,weil sie allein erziehend keinen gutenJob bekommen, notdürftig über Wasser.Ihren Säuglingen können sie oft zuwenig Schutz und Geborgenheit geben.Die Opfer der Frauen eman zipa -tion oder: „Autonomie-Opfer“Auf der anderen Seite gibt es Frauen,die haben ihr Leben komplett durchstrukturiertund versuchen alles alleinzu regeln. Sie identifizieren sich mitdem (emotional abgespaltenen) Leis -tungsstreben der eigenen Mütter undderen Rolle der „alles bietenden, bestenaller Frauen“. Ihre Eltern hattenviel mit sich selbst und ihrem beruflichenAufstieg zu tun. Mehr oder minder„autonome“ Mütter des Emanzipationszeitalters(ab Ende der 60erJahre) vermittelten ihren Kindern, denMüttern von heute, zwar, dass man„viel tun muss“, um in dieser Gesellschaftals Frau „etwas zu werden“,aber nicht, wie eine gute Balance zwi-<strong>Psychotherapie</strong> <strong>Aktuell</strong> 2/10 23


FachbeiträgeBabys in Not und Mütter im Visierschen Leistung und emotionalerEntspann ung aussieht. So reagierenMütter heute unbalanciert, entwederüberfordert und depressiv, oder überaktivund hyperstrukturiert, wenn siesich in die „einfachen“ Bedürfnisse ihrerSäuglinge einfühlen sollen. In beidenVarian ten fühlen sie sich ausgebrannt.Diese Mütter, die ich als „Autonomie-Opfer“sehe, leben, wenn siedenn doch, (früher als geplant oder„auf den letzten Drücker“, um die 40),schwanger ge worden sind, meist allein.Ihre Wünsche nach Geborgen heitund Schutz wehren sie ab oder übertragensie auf das eigene Baby, das vonAnfang an heillos mit der emotionalenBedürftigkeit seiner „Leistungsmutter“überfordert wird. Leider sind die Väterin der Tat oft abwesend, oder die anspruchsvollenFrauen trennen sichschon während der Schwangerschaftoder im Laufe des ersten Lebensjahresvon den Er zeugern, ohne dass ein emotionalerKontakt des Elternpaares bestehenbleibt.Ein Teil der heutigen (jungen) Groß -eltern-Generation, die die 68er Zeit alsjunge Erwachsene erlebt haben, konntendie zwei sie prägenden Einflüsse -Härte und Arbeitseifer bis zur völligenErschöpfung versus Laisser-faire-Hal -tung und unreflektiertes, grenzenlosesAutonomie streben - nicht wirklich integrieren.Für die eigenen Kinder, dieheutigen jungen Eltern, resultieren darausgroße Probleme. Sie haben vor allemSchwierigkeiten damit, eine selbstbewusste,einfühlsame, tolerante undzudem strukturierende Haltung den eigenenKindern gegenüber einzunehmen– auch mit den oben beschriebenenmöglichen katastrophalen Folgen(Trautmann-Voigt & Moll, <strong>2010</strong>).Die Opfer der modernen Unter -schicht oder: „Struktur-Opfer“Das ehemalige „Proletariat“ hat sichaußerdem dramatisch gewandelt. Warenes am Ende des 19. Jahr hundertsArbeiter, die angesichts der industriellenRevolution zur verarmten Unterschichtmutierten, was Marx und Engelsveranlasste, politische Konsequenzenim Kommun ismus zu suchen, so istgegen Ende des 20. Jahrhunderts keineklare Schichtzuordnung mehr möglich.Es herrschen in „Sozialhilfe-Familien“seit Generationen Chaos und Struk -turlosigkeit, was beim (deutschen)„Mittelstand“ zu wachsendem Unverständnisführt. Längst hat sich die Gesellschaftin eine „strukturierte“ undeine „chaotische“ Schicht gespalten.Soziale Probleme und existenzbedrohendeNotlagen führen nicht selten zutiefer Nieder ge schlagenheit bei jungenMüttern, weil grundsätzliche Voraussetzungenfür eine intuitive Elternschaftfehlen. Die modernen „Unterschichtmütter“sind meist in extremenVerhältnissen aufgewachsen, habenGewalt, Missbrauch und/oder Alkoholund Drogen konsumierende Eltern erlebtund waren nicht selten schonmehrfach in psychiatrischer Behandlung– wenn sie denn überhaupt Hilfegesucht haben. Über ein Baby entstehtmanchmal der erste Kontakt zu einer„Viele junge Mütter, egal aus welchersozialen Schicht, fühlen sich in ihrSchicksal ,hineingeworfen’.“Klinik. Darüber werden dann „früheHilfssysteme“ aktiviert – manchmalrückt eine <strong>Psychotherapie</strong> (peripher)ins Blickfeld.Viele junge Mütter, egal aus welchersozialen Schicht, fühlen sich in ihrSchicksal „hineingeworfen“. Sicher -heit und Klarheit über die Zukunftfehlen, sie glauben kaum daran, dasssie ihrem Kind das Richtige mitgebenkönnen. Sie sind insofern „haltlos“,als dass ihnen grundlegende, moralischeLeitlinien fehlen, um im hektischenAlltag des neuen Jahrtausendszurechtzukommen.Welche Hilfssysteme gibt es?Zwischen 2006 und 2009 wurden vieleneue „Frühwarnsysteme“ etabliert.Kosten-Nutzen-Analysen zu Prä ven -tionsprogrammen wurden vor ge legtmit überwiegend positiven Er geb -nissen (Beelmann, 2006; Schnee wind& Berkic 2007).Das Bundesgesundheitsministeriumfördert Modellprojekte in ausgewähltenKommunen, die sich für einegezielte Verbesserung des „Kindes -wohls“ einsetzen. Die BundesstiftungKinderzukunftsnetz geht von min -destens 200 bis 300 solcher Projekteaus, die allerdings meist we nig voneinanderwissen 2 .Und wo bleibt die Psycho thera pieder Eltern mit ihren Säug lingen indieser Diskussion?Unsere Profession sollte ihr Be zie -hungswissen sowie eine übergeordneteVerstehensperspektive verstärkteinbringen und die Variablen gesunderInteraktionskompetenz im Zeit altermassiver gesellschaftlicher Herausforderungenin den Mittel punkt der Auf -merksamkeit rücken. Aus meiner Sichtmüssen, bezogen auf die Ziel gruppeder jungen Eltern, etablierte Umgangs -weisen mit Psycho thera pie hinterfragtwerden. Die massive Unterversorgungim Kinder- und Jugendbereich ist eingrundsätzliches Manko, auch wennAnfang <strong>2010</strong> die Mindestquote für KJPerhöht wurde! Die Zielgruppe der jungenEltern mit ihren Babys wird in unsererProfession viel zu wenig wahrgenommen.Gerade die KJP, die die früheEntwicklung des Kindes im System Familieausgiebig stu dieren, sollten verstärkteinbezogen werden. Sie könntenz. B. Sozialpädagogen in Jugendämternzur Seite stehen und aus einer mehrdimensionalenPerspektive (Trautmann-Voigt, Moll <strong>2010</strong>) gezielte Diagnostiksowie In ter ventionshilfen anbieten.Dies um fasst aller Erfahrung nach einebis fünf Stunden. WeiterführendeThera pien sind erst dann indiziert,wenn Mütter stärkere strukturelle Stö -r un gen bzw. Traumata aufweisen, diesich auf die Beziehung zu ihrem Säuglingmassiv auswirken.Bisher versteht sich <strong>Psychotherapie</strong>von Müttern im Richtlinienverfahrenentweder als Einzelbehandlung oderals Gruppenbehandlung, die an einemstarren Antragsverfahren ausgerichtetist. Das frühe Interaktions system, das -wissenschaftlich sowie klinisch anerkannt- die Keimzelle für spätere Störungenist, geschweige denn sozialeund kulturelle Deter minanten rückendabei kaum in den Fokus der Aufmerksamkeit!Zwar schließen die PT-Richtliniendie Behandlung von Säuglingennicht aus, ja, Beziehungsstörungenwerden sogar als Ausdruck von Krankheitenaufgefasst, doch in der Praxishabe ich im Rahmen der Bonner Eltern-Säuglings-Kleinkind-<strong>Psychotherapie</strong>-Ambulanzimmer wieder erlebt,2Quelle: Bundesministerium für Familie, Senioren , Frauen und Jugend BMSSFJ, 7. Familienbericht, Bericht der SachverständigenKommission 2005, Bonn, S. 7), Die Autorin arbeitet in Bonn am Modellprojekt zur Qualitätsentwicklungzum Kinderschutz, im „Arbeitskreis Opferschutz“ der Bonner Kripo und im Netzwerk „Frühe Hilfen“ mit.24<strong>Psychotherapie</strong> <strong>Aktuell</strong> 2/10


Babys in Not und Mütter im VisierFachbeiträgeDr. SabineTrautmann-VoigtPsychologische Psychotherapeutinund Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutinin eigenerPraxis. Leitung der Köln-Bonner Akademiefür <strong>Psychotherapie</strong> (KBAP),entwickelte eine Konzeption und Leitlinienfür eine psychodynamische Eltern-Säuglings-Kleinkind-<strong>Psychotherapie</strong>.Lehrbeauftragte an der UniversitätBonn, im Präsidium der DFT.LesetippDieses Lehr- und Arbeitsbuch willdabei helfen, Fachleute und Elternfür die „intuitive Elternschaft“ zusensibilisieren.Der gesellschaftliche Wandel führtzum Verlust tradierter Formen desUmgangs mit Säuglingen und zurVerunsicherung von Eltern. KlinischeErfahrungen und die neuere Säuglings-,Bindungs- und Hirnforschungverweisen jedoch auf die Bedeutungeines gelungenen Beziehungsaufbausund bestätigender früher Interaktionserfahrungen.Dieses Buchentwickelt eine dreidimensionaleKonzeption sowie Leitlinien für einepsychodynamisch fundierte Eltern-Säuglings-Kleinkind-<strong>Psychotherapie</strong>unter besonderer Berücksichtigungnonverbaler Interaktionen. FrühkindlicheStörungen sind häufig Ausdruckeiner dysfunktionalen Familiendynamikund zeigen sich im Umgang miteinander.Im Mittelpunkt stehen deshalbmehrdimensionale Analysenund Interpretationen von familiärenInteraktionen. Durch strukturierte Video-Mikroanalysenlassen sich klinischrelevante Aussagen über densich entwickelnden Bindungstyp sowieüber Beziehungsstrategien derBezugspersonen formulieren. Dieseempirisch gestützte Diagnostik derKörpersprache mit einer am StrukturundKonfliktniveau der Eltern orientiertenpsychodynamischen Orientierungzielt auf die Erfassung des dominanten,meist unbewussten Themasim komplexen Gefüge einer Familieab. Thematisch bezogene undRessourcen fördernde Interventioneneiner bindungs- und motivationsorientierten<strong>Psychotherapie</strong> von Elternmit ihren Kleinstkindern können helfen,eine gestörte Familiendynamikzu verwandeln. Theoretisch untermauertdurch vielfältig recherchierteForschungsergebnisse und eingebettetin die langjährige praktische Arbeitin der Eltern-Säuglings-Kleinkind-<strong>Psychotherapie</strong>entstand diesesBuch mit Fallvignetten, Anleitungen,Über sichten und einem Manual zurBindungsdiagnostik und Therapieplanungaus der Praxis für die Praxis.dass psychodynamisch gut begründeteAnträge von KJP abgelehnt wurdenmit der Begründung, die Störung sei„nicht im Kleinkind“ sondern „bei derMutter anzusiedeln“ und eine Langzeitbehandlungder Mutter dahernicht Aufgabe der KJP! Es geht umdie Anerkenntnis, dass Re gulations -stö r ungen, Bindungs störun gen, Traumatisierungenund psychosomatischeReaktionen nicht intrapsychisch „angelegt“sind, sondern auch und geradeim Interaktions system der jeweiligenFamilie in ihrem gesellschaftlichenKontext begründet liegen 3 .3Dabei ist im Blick zu behalten, welche besonderenHerausforderungen durch kulturelle Unterschiedeauftreten können (Trautmann-Voigt, Voigt 2009).Berufsrechtlich sind die Vorgaben desPsychThG nämlich so zu verstehen,dass eine gemeinsame Behandlung imSinne einer interaktionsorientierten<strong>Psychotherapie</strong> möglich ist: „Die Berechtigungzur Ausübung des Berufsdes KJP erstreckt sich auf Patienten, diedas 21. Lebensjahr noch nicht vollendethaben“ (§ 1(2) 1. Satz desPsychThG). Dies schließt Säuglinge undKleinkinder mit ein. „Ausnahmen vonSatz 1 sind zulässig, wenn zur Sicherungdes Therapieerfolges eine gemeinsamepsychotherapeutische Behandlungvon Kindern und Erwachsenenerforderlich ist...“ (Satz 2) DasPsychThG spricht in dieser Hinsicht sogarnoch eindeutiger als die PT-Richtlinienvon einer gemeinsamen therapeutischenBehandlung. Dass der Gesetzgeberdiese Art der Interaktionsbehandlungbeim KJP im Besonderenansiedelt, kommt in der AusbildungsundPrüfungsverordnung für KJP unterder Nr. B8 klar zum Ausdruck. Dortheißt es nämlich: „Einführung in dieSäuglingsbeobachtung und in den Umgangmit Störungen der frühen Vater-Mutter-Kind-Beziehung“ Dieser Aspektfehlt in der Prüfungsverordnung für PP.Doch in der Realität ist die bezahlte Arbeitmit der frühen Dyade für KJPschwierig. Aus meiner Sicht ist es einunhaltbarer Zustand, dass psychodynamischgut begründete KJP-Anträge andie Krankenkassen, die sich auf diesehr frühe Interaktion beziehen, nichtautomatisch als Begründungen für eine„krankheitswertige Störung“ an -erkannt werden! Es besteht meinesErachtens dringender Diskussionsbedarfüber die theoretischen Kontrollüberzeugungenvon Gutachtern imBereich der KJP für Behandlungenvon Kleinstkindern unter drei Jahrenmit ihren Eltern. Hinzu kommt, dassan vielen Institutionen, die KJP ausbilden,der Bereich der Eltern-Säuglings-Kleinkind-<strong>Psychotherapie</strong>vielzu wenig be rücksichtigt wird. Hier istein Nachbesserungsbedarf angezeigt,was in anderem Zusammenhang dargelegtwurde (Trautmann-Voigt &Moll, <strong>2010</strong>).FazitFrühe Interaktionserfahrungen sindweichenstellend für eine spätere gesundepsychische Entwicklung. EineFörderung intuitiver Elternschaft mitpsychotherapeutischem know how,was eine sichere Eltern-Kind-Bindungunterstützt, wirkt präventiv gegen drohendepsychische Labilisierung und istdamit gleichzeitig eine politisch zu unterstützendeMaßnahme, um gesundeBeziehungskompetenzen für die nachfolgendenGenerationen zu stärken.Der Berufsstand der PsychotherapeutInnen,insbesondere der KJP, kannzum gesellschaftlichen Integrationsauftrageiniges beitragen.Literaturhinweis:Das umfangreiche Literaturverzeichnisfinden Sie im Internet unterwww.dptv.de. Darüber hinaus kannes angefordert werden bei der Redaktionunter psychotherapieaktuell@dptv.de<strong>Psychotherapie</strong> <strong>Aktuell</strong> 2/10 25


FachbeiträgeFAMOSes Projekt in PaderbornAngelika EnzianFAMOSes Projektin PaderbornGrößtes Präventionsprogramm Deutschlands angelaufenEs ist eine konzertierte Aktion gewaltigenAusmaßes, die in der ostwestfälischenStadt Paderborn an den Startgegangen ist; mit dem Projekt FA-MOS (Familien optimal stärken) entstehteine bundesweit einmalige„Modellregion für Erziehung“. Eshandelt sich um den größten FeldversuchDeutschlands zur Überprüfungvon Präventionsprogrammen zurStärkung der elterlichen ErziehungsundBeziehungskompetenz und derFörderung der seelischen Gesundheitvon Kindern. Ziel ist es, generelle Aussagenzur Wirksamkeit von Präventionsprogrammenzu machen. Die Im-plementierungsphase geht über zweiJahre, die Evaluationsphase überzehn Jahre.Konzertierte AktionMit im Boot sind – neben der StadtPaderborn mit ihrem Jugendamt undanderen Institutionen – der Bund derRichter und Staatsanwälte in NRW,der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte,die PsychotherapeutenkammerNRW und der Verband Bildungund Erziehung NRW.Gefördert wird das Modellprojektvom Ministerium für Generationen,Frauen, Familien und Integration desLandes Nordrhein-Westfalen. Für dieImplementierungsphase stehen rund235.000 € zur Verfügung. Die wissenschaftlicheBegleitung wird vonder Universität Bielefeld übernommen(Federführung: Prof. Dr. NinaHeinrichs) und von der Stiftung DeutschesForum Kriminalprävention gefördert.Pendant zur „Interventionsstadt“Paderborn ist als „Kontrollstadt“Recklinghausen, von Bevölkerungszahlund –struktur sehr ähnlich.Projektpartner auf dem Foto: (v. l.) Monika Konitzer (Präsidentin der PTKNRW), Udo Beckmann (Landesvorsitzender Verband Bildung und Erziehung),Justizministerin NRW Roswitha Müller-Piepenkötter, Burkhard Lawrenz (Landesverbandsvorsitzenderder Kinder- und Jugendärzte), Beigeordneter derStadt Paderborn Wolfgang Walter, Projektkoordinator Marco de Luca (Jugendamtder Stadt), Jens Gnisa (Sprecher des Bundes der Richter und StaatsanwälteNRW und Vizepräsident des Landgerichts) und Bürgermeister Heinz Paus.Die Prävention gegen Jugendkriminalitätwar die Ausgangsidee des Großprojekts.Dementsprechend gingendie ers ten Anstöße vom Bund derRichter und Staatsanwälte in NRWund ihrem Sprecher, Jens Gnisa, ausund die Landesjustizministerin RoswithaMöller-Piepenkötter fungiert –neben Paderborns BürgermeisterHeinz Paus – als Schirmherrin.Dass FAMOS ausgerechnet nach Paderborngekommen ist, ist für dieStadt ein Glücksfall; sie verdankt dasnicht nur der Initiative Jens Gnisas,dem Paderborn als eine seiner Richterstationenbestens bekannt ist, son-26<strong>Psychotherapie</strong> <strong>Aktuell</strong> 2/10


FAMOSes Projekt in PaderbornFachbeiträgedern auch der Tatsache, dass in Paderborndurch kommunale und regionaleProjekte über Jahre der Boden bereitetwar: „Bündnis für Familie“, „Kind &Ko(mmune)“, „Starke Eltern – starkeKinder“ und das preisgekrönte Familien-Service-Centerim Rathaus, um nureinige Beispiele zu nennen.Der ProjekthintergrundDass die Prävention gegen Jugendkriminalitätam Anfang der Idee stand,verwundert nicht, sind doch an dieserStelle die Probleme am augenfälligsten,scheint doch an dieser Stelle diegesamte Gesellschaft besondersschmerzhaft getroffen. Doch die Problemeerstrecken sich über ein weitesFeld.Epidemiologische Studien zeigen,dass ca. 20% aller Kinder und Jugendlichenklinisch bedeutsame Verhaltensauffälligkeitenan den Tag legen:Neben aggressivem und oppositionellemVerhalten sind es geradeauch die „stillen Probleme“, die Ängsteund Depressionen. „Die PaderbornerProgramme übersehen diese stillleidenden Kinder und Jugendlichennicht“, hebt Monika Konitzer, Präsidentinder PsychotherapeutenkammerNRW, hervor. „Auch deshalb unterstütztdie PsychotherapeutenkammerNRW das Projekt.“20% aller Kinder und Jugendlichensind betroffen! Das sind zwei Millionenin Deutschland und dazu kommtdas gesamte familiäre und außerfamiliäreUmfeld, das gleichfalls belas -tet ist. Nicht selten handelt es sichum schwierige, chronische und kos -tenintensive Probleme, die mit gesundheitlichenBeeinträchtigungeneinhergehen. Studien zeigen, dass familiäreRisikofaktoren (inkonsistentesoder inkonsequentes Erziehungsverhalten,Konflikte, Trennung, häuslicheGewalt, Kontaktarmut etc.) die kindlicheEntwicklung maßgeblich beeinflussenkönnen.Vorbeugen ist also besser als behandeln.Denn <strong>Psychotherapie</strong> alleinkann sich ja nur wenigen Fällen zuwenden.Wenn die Einschätzungstimmt, dass 20% aller Kinder und JugendlichenHilfe brauchen, müsste jederKinder- und Jugendlichenpsychotherapeut1200 Patienten behandeln– selbst bei einer Verzehnfachung derTherapeutenzahl eine Sisyphusarbeit,die nicht zu bewältigen wäre. Zielmuss es daher sein, die Probleme vonvornherein möglichst klein zu halten,die Kinder und ihre Bezugspersonen(allen voran die Eltern) kompetent zumachen: „Kompetente Eltern habenmit hoher Wahrscheinlichkeit auchkompetente Kinder.“Merkmale, Ziele und Ansätze desProjektsIn dem größten Praxisprojekt Deutsch -lands zur Wirkungsforschung von Präventionsprogrammensollen drei solcherProgramme – und zwar evidenzbasierte,die bereits wissenschaftlichanerkannt sind – in der Stadt Paderbornflächendeckend eingeführt werdenunter Beteiligung des Jugendamtes,der freien Träger sowie weiterersozialer, pädagogischer und medizinischerInstitutionen. Neben den Angestelltensollen natürlich auch die niedergelassenenPsychotherapeutenund Ärzte beteiligt sein. Alle beteiligtenFachleute müssen umfassend miteinandervernetzt sein. Ziel ist es,1. die Basis zu schaffen für eine gesundeEntwicklung und Förderungvon Kindern,2. die Gewalt in Familien und die Gewaltbereitschaftvon Kindern undJugendlichen zu verringern,3. elterliche Erziehungskompetenzund kindliche Sozialkompetenz zustärken,4. aufeinander abgestimmte Fortbildungenfür zahlreiche Fachleuteunterschiedlicher Profession anzubieten.Die drei ausgewählten Präventionsansätzesind sowohl kindzentriert (EF-FEKT) als auch elternzentriert (PEP, TripleP) und sind pyramidal aufgebaut.Grundlage ist eine universelle Prävention,die nach Möglichkeit allen Familienflächendeckend zugute kommensoll, darauf baut sich eine selektivePrävention auf, die sich an Kinderbzw. Familien mit erhöhtem Risikowendet und schließlich – im oberenBereich – die indizierte Prävention,die speziell für die Betroffenen da ist,bei denen sich bereits erste konkreteAnzeichen einer Gefährdung zeigen.Die Rolle der Psychotherapeutenbei FAMOSDie Rolle der Psychotherapeuten inder Modellregion für Erziehung musseine doppelte sein: Einmal sind sie alsFachleute bei der Durchführung desProjekts gefragt, sie sind – nachdemsie sich für diese Aufgabe qualifizierthaben – als Leiter von Fortbildungenund als Supervisoren gesucht; siekönnten Intervisionsgruppen undQualitätszirkel initiieren. Auch in derdirekten Elternarbeit sind sie erwünscht.Zum anderen – und hiersind besonders die niedergelassenenKolleginnen und Kollegen aufgerufen– sind sie an der obersten Spitze derPyramide vonnöten, da nämlich woüber die indizierte Prävention hinausakuter Therapiebedarf besteht.Aber was heißt das in einer Versorgungslandschaft,wo auf einen Therapieplatzmehr als ein halbes, oft überein ganzes Jahr gewartet wird?! Dasmuss heißen: Herunter von dem imPraxisalltag verständlicherweise üblichenWeg „Wer zuerst kommt,mahlt zuerst“, hin zu der Bereitschaft,im Rahmen einer umfassendenVernetzung im Projekt verstärktFeuerwehrfunktionen zu übernehmen.Dazu gehört, die den Institutionenübertragene Verantwortung ernstzu nehmen und sich um diejenigenProblemfälle vorrangig zu kümmern,die von den Projektpartnern als dringendbehandlungsbedürftig vermitteltwerden. Doch da es keine wundersameZeitvermehrung gebenkann, muss alles da ran gesetzt werden,die Rahmenbedingungen weiterzu verbessern:Insbesondere sollte die KassenärztlicheVereinigung Westfalen-Lippedurch zügige Umsetzung der 20 %-Quote die Niederlassung weitererKinder- und Jugendlichenpsychotherapeutenvorantreiben – die <strong>DPtV</strong> insistiertschon lange energisch aufdie rechtskonforme Umsetzung, diein anderen KVen längst verwirklichtist.Ich persönlich halte es darüber hinausfür ein wichtiges Ziel, die Möglichkeitender Zusammenarbeit (Jobsharing,Anstellung etc.) so zu gestalten,dass <strong>Psychotherapie</strong>-Praxenwirklich in voller Höhe ausgelastetwürden. Weiterhin sollte eine Änderungder <strong>Psychotherapie</strong>-Richtliniendahin gehen, dass neben der Behandlungim Einzelfall auch präventiveMaßnahmen abgerechnet werdenkönnen.<strong>Psychotherapie</strong> <strong>Aktuell</strong> 2/10 27


FachbeiträgeFAMOSes Projekt in PaderbornEFFEKT – EntwicklungsFörderung in Familien: Eltern- und Kinder-TrainingArbeitsgruppe Prof. Dr. F. Lösel, Institut für Psychologie, Universität Nürnberg-ErlangenInterview mitMarco de LucaEFFEKT besteht aus einem Elternkurs und einem spielerischen Kinderkurs, beide können sowohl einzeln als auch inKombination angewendet werden. In einer Studie mit über 600 Familien konnte gezeigt werden, dass mit diesen Kursendie soziale Entwicklung der Kinder unterstützt werden kann. Zudem können Schwierigkeiten im Verhalten und in derErziehung verhindert werden. Der zugehörige Kinderkurs „Ich kann Probleme lösen IKPL“ besteht aus Spielen, findet in 15Kurseinheiten statt und ist für Kinder von vier bis sieben Jahren geeignet. Hier üben Kinder Gefühle bei sich selbst und anderen Kindern wahrzunehmen Gründe für das Verhalten anderer Kinder zu erkennen Folgen des eigenen Verhaltens einzuschätzen Lösungen für Konflikte mit anderen Kindern zu entwickeln.Im Rahmen der Modellregion für Erziehung soll der Kinderkurs eingesetzt werden.www.effekt-training.dePEP – Präventionsprogramm für expansives ProblemverhaltenArbeitsgruppe Prof. Dr. M. Döpfner, Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und <strong>Psychotherapie</strong> des Kindes- und Jugendalters,Universität KölnDieses Präventionsprogramm ist für Kinder mit expansiven Verhaltensauffälligkeiten gedacht und besteht aus zweiHauptkomponenten: einem Eltern-Programm und einem Erzieher-Programm.Beide Programme (jeweils 10 Sitzungen) werden parallel in Gruppen anhand von Manualen durchgeführt. Basis und Kerndes Programms ist die Stärkung der Erziehenden sowie der positiven Interaktion und damit der Beziehung zum Kind. Ineiner Trainingsgruppe werden bis zu fünf Kinder durch ihre Eltern oder ErzieherInnen repräsentiert. Die Teilnehmerzahlliegt daher bei zwei bis etwa fünf Teilnehmern; wenn beide Elternteile kommen, auch höher.Die Wirksamkeit des PEP konnte in einer von der Deutschen Forschungsgemeinschaft DFG geförderten klinischen Studienachgewiesen werden. Im Projekt soll das ErzieherInnen- und das Elterntraining eingesetzt werden.www.pep-programm.deTriple P – Positive Parenting ProgramArbeitsgruppe Prof. Dr. K. Hahlweg, Institut für Psychologie, Technische Universität BraunschweigTriple P ist ein wissenschaftlich fundiertes, präventives Erziehungsprogramm aus Australien, das Eltern – unterBerücksichtigung ihrer Stärken und Ressourcen – positive Erziehungskompetenzen vermittelt. Der Umfang deraufeinander abgestimmten Beratungs-, Trainings- und Unterstützungsangebote richtet sich nach den Bedürfnissen derEltern. Das Programm kann sowohl in Gruppen als auch mit einzelnen Familien durchgeführt werden. Weiterhin sindFortbildungen zur Kurzberatung oder qualifizierten Elterngesprächen sowie Vortragsreihen im Programm enthalten.Als Multiplikatoren kommen neben ErzieherInnen, z. B. auch KinderärztInnen, Ergotherapeuten, Pädagogen,Kinderkrankenpfleger und PsychologInnen in Betracht.Es gibt verschiedene schriftliche Materialien und Videos für die Selbsthilfe. Positive Erziehung bedeutet, die Entwicklungvon Kindern zu fördern und mit kindlichem Verhalten in einer konstruktiven und nicht verletzenden Art und Weiseumzugehen.Kinder, die viel Zuwendung bekommen, können ein positives Selbstbild aufbauen, ihre Fähigkeiten entwickeln undselbstständig werden. Triple P fördert das Selbstwertgefühl, die sozialen Kompetenzen der Kinder und ihre Fähigkeit,Gefühle auszudrücken.Triple P wurde in über 100 publizierten Studien untersucht, 30 davon folgen einer besonders strengen Methodik(randomisiertes Kontrollgruppendesign), die auf kausale Verursachung der Effekte schließen lässt. Triple P wird von derWHO zur Förderung einer gesunden Entwicklung von Kindern und zur Stressreduktion in Familien empfohlen. Im Rahmender Modellregion für Erziehung sollen verschiedene Varianten des Programms eingesetzt werden.www.triplep.deDiplom-Sozialarbeiter beim Jugendamtder Stadt Paderborn,Abt. Erzieherischer Kinder- und JugendschutzWas prädestiniert ausgerechnetPaderborn dazu, als Modellregionausgewählt zu sein?Paderborn ist besonders familienfreundlich,z.B. bekommen alle Neugeborenenund jede neu hinzugezogeneFa milie mit Kindern bis 3 Jahreneinen angemeldeten Begrüßungsbesuchdurch eine Ehrenamtliche, die ander Haustür das Elternbegleitbuch derStadt überreicht. Es enthält viele hilfreicheInformationen. Wenn die Besucherineintreten darf, kann sie dieMöglichkeiten auch im Gespräch erläutern.Wie können auch sozial benachteiligteFamilien in die Präventionsmaßnahmeneinbezogen werden?Wichtig ist zu betonen, dass alle Angebotefür die Eltern kostenlos sind.Am besten werden sie z.B. von denErzieherinnen im Kindergarten direktangesprochen und eingeladen. DerZugang geht über Vertrauen und das28<strong>Psychotherapie</strong> <strong>Aktuell</strong> 2/10


FAMOSes Projekt in PaderbornFachbeiträgeAngelika EnzianNiedergelassen als PPund KJP in Paderborn (VT,TP, AP), Mitglied im <strong>DPtV</strong>-LandesgruppenvorstandWestfalen-Lippe, Mitgliedder Kammerversammlung derPTK NRW, dort Mitglied im Ausschuss<strong>Psychotherapie</strong> in der ambulantenVersorgung, Mitglied der Vertreterversammlungder KVWL, dort Mitglied imBeratenden Fachausschuss <strong>Psychotherapie</strong>,Vorsitzende des PsychotherapeutenvereinsPaderborn-Höxter e.V.ist am ehesten gegeben, wenn manjemanden persönlich kennt.Was tun Sie, wenn Eltern kaumdeutsch sprechen können?Zusammen mit Kolleginnen aus Migrantenorganisationenbin ich in einerArbeitsgruppe für kommunale Integration;wir würden gerne Fachkräftegewinnen, die die jeweiligeSprache sprechen und Interesse an einerProjektmitwirkung haben. Dadurchdass Paderborn so überschaubarist und wir in den letzten Jahreneinige erfolgreiche Projekte durchgeführthaben, sind die Experten schonsehr gut vernetzt.Wie können alleinerziehende Mütteroder Väter an den Kursen teilnehmen?Viele Kitas bieten parallel zu einigenihrer Angebote eine Kinderbetreuungan, auch für Geschwisterkinder – dasdürfte für Elternseminare am Vormittagoder Nachmittag auch kein Problemsein.FEKT, 10 für PEP und der größte Teilbei Triple P mit den fünf Modulen.Welche Erwartungen haben Siean die PsychotherapeutInnen imHinblick auf das Projekt?Ich wünsche mir, dass sie die Informationenverbreiten, indem sie sich persönlicheinsetzen, Flyer auslegen undauch auf unsere zentrale geplanteOnline-Plattform hinweisen. Daswichtigste aber wäre, dass sie in ihrenPraxen die immensen Wartezeitenabbauen!Interview mitProf. Dr. Nina Heinrichsrungen des Sozialverhaltens z. B. inder Kriminalitätsstatistik und in derStatistik des Jugendamtes (Anzahlder Fremdunterbringungen etc.) zeigen.In unserem Projekt wäre es z. B.möglich, eine zeitliche Kontingenzfestzustellen zwischen der systematischenEinführung der Programmeund einer Reduzierung der Kindesmisshandlungen.Wie können Sie belegen, dass etwaigeVeränderungen wirklichauf die Durchführung der Programmeund nicht auf Zufall zurückzuführensind?Wir werden zwei Prä-Post-Messungenvornehmen, eine in Paderborn,eine in Recklinghausen. Dort werdendie Präventionsprogramme nicht implementiert,die Stadt dient als Kontrollgruppe,an der wir den „natürlichen“Verlauf der Statistiken beobachtenkönnen. In Telefonbefragungenwollen wir zunächst erheben, wiebekannt die Programme in der Bevölkerungsind.lang die Statistiken verfolgt, kannman schon feststellen, ob eine solcheflächendeckende Einführung hilfreichist.Welche Aufgaben sehen Sie speziellfür die PsychotherapeutInnenbei der Studie?Ich hoffe, dass viele Kollegen weitereKompetenzen erwerben wollen, dasssie sich mit den Präventionsprogrammenvertraut machen und sie in besonderenProblemfeldern anwenden,z. B. in der Arbeit mit Kindern psychischkranker Eltern oder auch mitGruppen von Eltern oder Fachleuten.Dabei wünsche ich mir, dass systemischeAspekte stärker beachtet werden;langfristig sollte es möglich sein,das gesamte Altersspektrum bedarfsorientiertund mit ganzheitlicher Perspektivebehandeln zu können.Welche Fachleute sollen die Elternkursedurchführen – werdenSie genügend finden?Das Interesse der Einrichtungen istsehr groß, viele haben sich schon zuden Fortbildungen angemeldet, obwohlder offizielle Anmeldestart nochnicht begonnen hat. Es sind Mitarbeitervon Erziehungsberatungsstellen,Gesundheitseinrichtungen wie demSozialpädiatrischen Zentrum, KinderundJugendpsychiatrie, Ergotherapeuten;Betreuerinnen aus Grundschulen,Menschen, die mit behindertenKindern arbeiten usw.Wie viele Fortbildungsplätze stehenzur Verfügung?Insgesamt sind ca. 230 Plätze in dendrei Programmen geplant: 20 bei EF-Klinische Kinder- und Jugendpsychologieund <strong>Psychotherapie</strong>, UniversitätBielefeldSie werden das Projekt FAMOSwissenschaftlich begleiten undevaluieren, welche sind Ihre zentralenFragestellungen?Wir wollen untersuchen, ob die breitflächigeEinführung solcher Präventionsprogrammelangfristig zu Veränderungenführt, ob effektive Präventionauf die Prävalenz- und Inzidenzratebestimmter Probleme Einflussnimmt. Dies könnte sich bei familiärenInteraktionsstörungen oder Stö-Wozu brauchen wir Prävention?Psychische Störungen kommen beiKindern und Jugendlichen sehr häufigvor und Therapieplätze sind rar, d. h.dass wir allein mit <strong>Psychotherapie</strong>dem Bedarf gar nicht gerecht werdenkönnen. Die Schwierigkeiten beziehensich oft nicht nur auf die individuelleEntwicklung zu dem jeweiligenZeitpunkt, sondern sie können sichüber lange Zeit verfestigen und auchnachfolgende Generationen beeinträchtigen.Die Kosten sind enorm.Halten Sie den Untersuchungszeitraumfür ausreichend?Es gibt nur wenige Langzeitstudienbisher. Doch wenn man bis zu zweiJahre lang Familien in ihren Entwicklungenbegleitet und bis zu 10 JahreLiteraturhinweis:N. Heinrichs u. K. Hahlweg„Primäre Prävention psychischerStörungen bei Kindern und Jugendlichen:ein gewinnbringender Ansatz?“Deutsche Medizinische Wochenschrift2007; 132: 14-17)<strong>Psychotherapie</strong> <strong>Aktuell</strong> 2/10 29


WissenschaftKBV-Messe „Versorgungs innovationen <strong>2010</strong>“Cornelia Rabe-MenssenKBV-Messe „Versorgungs -innovationen <strong>2010</strong>“Vom 29. bis zum 31. März <strong>2010</strong> fandin Berlin die KBV-Messe „Versorgungsinnovationen<strong>2010</strong>“ statt. DieIntention der KBV besteht darin, diesezum ersten Mal durchgeführteMesse als „maßgebliche Drehscheibefür Innovationen in der Vertrags- undKooperationswelt“ zu etablieren.Hierdurch sollen Anbieter und Nachfragerinnovativer Projekte zusammengebrachtwerden mit dem Ziel,Kooperationen zu fördern und Verträgeanzubahnen.Zu Beginn der Messe diskutierten nationaleund internationale Expertendie Perspektiven der Versorgungsplanungund den Einsatz sogenanntergeoreferenzierter Daten. Die KBVstellte zwei neue Projekte aus ihrerVertragswerkstatt vor (für Patientenmit Blutgerinnungsstörungen bzw. mitausgeprägter COPD). Am zweiten Tagstellten sich 32 Projekte Neuer Versorgungsformenaus ganz Deutschlandmit eigenen Ständen und Informationsmaterialvor. Unter diesen Projektenfanden sich viele Ärztenetze, aberauch Initiativen einzelner niedergelassenerÄrzte. Auch die KBV informierteumfangreich über Maßnahmen zur Sicherungder Qualität in der vertragsärztlichenVersorgung. Begleitendfanden thematische Foren statt, indenen insgesamt über 40 Referentenüber folgende Themen informierten:„Anforderungen an besondere Ver -sorgungsangebote“ (Rechtlicher Rahmen,Return on investment, IT-Lösungen,Monitoring und Evaluation) und„Versorgungsangeboten“ (Best PracticeBeispiele, Arzneimittelmanagement,Prävention und IndikationsübergreifendeVersorgung).Zum Abschluss des zweiten Messetagesfand eine politische Diskussionsrundestatt. Mitglieder des Bundestagessowie Patienten- und Ärztevertreterdiskutierten zum Thema „Versorgungsinnovationfür alle!?“. Hierwurde von Seiten der KBV Interessean einem Innovationsfonds geäußert,der die ausgelaufene Anschubfinanzierungfür innovative Versorgungsverträgeersetzen könnte. Das BMGvertrat jedoch die Ansicht, dass sichdie neuen Versorgungsverträge aussich selbst heraus finanzieren müssten.Der dritte Veranstaltungstag warfür eine Industrieausstellung vorgesehen(14 gewerbliche Anbieter, z.B.von Beratungsdienstleistungen, IT-Lösungen,aber auch die Apobank).Gleichzeitig fanden Seminare rundum das Thema Management von innovativenVersorgungsprojekten statt,im Einzelnen zu folgenden Themen:Selektivverträge als Chance, GesundesKinzigtal im Detail, Informationsmanagement,Qualitätsmanagement,Medizinische Erfolgsmessung undWirtschaftliche Erfolgsmessung.Im Verlauf der Veranstaltung wurdedeutliche Kritik an Hausarzt-Verträgennach §73b geäußert. Es wurdevon verschiedenen Seiten die Meinungvertreten, dass Verträge nach§73b nicht zu einer qualitativ besserenVersorgung führen. Die Veranstaltungbot den potentiellen Vertragspartnerndie Chance zusammenzukommen,gegenseitig ihre Standpunktezu verdeutlichen und zudiskutieren. Insgesamt wurde einhelligdafür eingetreten, dass das Kollektivvertragssystemgestärkt werdenmüsse und neue Versorgungsformen(im Sinne von „add-on“-Verträgen)zusätzlich geschaffen werden müssen.Es wurde deutliche Kritik an denKrankenkassen geübt, die ihre Routinedatennicht rechtzeitig und nicht inausreichendem Umfang zur Verfügungstellten, wodurch der Abschlussinnovativer Versorgungsverträge erschwertwerde.Viele der vorgestellten Projekte warenregional eng begrenzt. Auffällig war,dass eine Reihe der Projekte „psychosozialeBetreuung“ beinhalteten. DieseBetreuung wurde von unterschiedlichsten,nicht psychologisch geschultenPersonen durchgeführt. In einigenVerträgen wurde explizit „<strong>Psychotherapie</strong>“als Leistung aufgeführt. Diesewurde immer von Psychiatern durchgeführt.Psychologische Psychotherapeutentauchten in diesen Projektennur selten auf. Nachfragen bei den jeweiligenProjektkoordinatoren erbrachtenderen Wahrnehmung, dassPsychologische Psychotherapeutenkein Interesse an einer Mitarbeit indiesen Versorgungsverträgen hätten.Von Seiten der Psychiater hingegenwürde aktiv nach Beteiligungsmöglichkeitengesucht.Als Vorzeigebeispiele für größere Projektezur Integrierten Versorgung vonpsychisch Erkrankten gelten die desVereins für Psychiatrie und seelischeGesundheit e.V. (VPsG) und von PI-NEL. Der VPsG hat mit mehrerenKrankenkassen IV-Verträge für Berlinund Brandenburg geschlossen. Siebenennen diese als „Integrierte Versorgungfür psychiatrische Patienten“;die eingeschlossenen Diagnosenbilden ein breites Spektrum anpsychischen Erkrankungen ab. Beteiligtan diesem IV-Netz sind Psychiater/Nervenärzte,ambulante psychiatrischePflegedienste und Soziotherapie,einzelne Kliniken, der SozialpsychiatrischeDienst und der BerlinerKrisendienst. <strong>Psychotherapie</strong> wird30<strong>Psychotherapie</strong> <strong>Aktuell</strong> 2/10


KBV-Messe „Versorgungs innovationen <strong>2010</strong>“WissenschaftDr. CorneliaRabe-MenssenDiplom-Psychologin, Promotion inMedizinischer Psychologie, WeiterbildungPsychosoziale Onkologieund Gesundheitsökonomie. WissenschaftlicheReferentin der DeutschenPsychotherapeutenVereinigung.hier ausschließlich von Psychiaterndurchgeführt. Der Berliner Träger ambulantersozialpsychiatrischer BehandlungPINEL hat mit der TechnikerKrankenkasse das Netzwerk für PsychischeGesundheit (NWPG) gegründet.Psychisch Kranke sollen hiermöglichst im vertrauten Wohnumfeldbegleitet werden; Klinikaufenthaltesollen nach Möglichkeit vermiedenwerden; im Notfall bieten Krisenpensionenden Patienten Zuflucht. Daszentrale Fallmanagement spielt beiPINEL eine große Rolle. Auch in diesemProjekt sind Psychologische Psychotherapeutennicht vertreten. Esbestehen jedoch Überlegungen beiPINEL, Psychologische Psychotherapeutenmit einzubinden.Trauma first– Rettungsankerfür GewaltopferIn Sachsen-Anhalt hat die PsychologischePsychotherapeutin Dr. SabineAhrens-Eipper durch beispielhaftesEngagement ein bundesweit bislangeinmaliges Behandlungsangebotgeschaffen. Sie hat mit der KVSachsen-Anhalt und der TechnikerKrankenkasse einen § 73c-Vertragzur besonderen ambulanten Versorgungvon traumatisierten Kindern,Jugendlichen und jungen Frauengeschaffen, die sexuelle, körperlicheoder psychische Gewalt erlebt haben.Das Therapiekonzept umfasstdie Diagnostik, Einzel- und Gruppentherapien,Hausbesuche, Elterntraining,Familiengespräche sowiedie enge Kooperation mit Kinderärztenund Sozialämtern und wirdin ihrer Praxis von einem Team vonPsychologen, Sozialpädagogen undPsychotherapeuten umgesetzt. DiePatienten erhalten schnell einen Behandlungstermin,und es bestehtein lückenloses Qualitätsmanagementim gesamten Behandlungsablauf.Für die <strong>Psychotherapie</strong> vontraumatisierten Kindern liegen nochkeine standardisierten, wissenschaftlichevaluierten Behandlungskonzeptevor. Die Auswertung desProjektes durch KV und TK soll hierneue Erkenntnisse liefern. Das Projektwird derzeit bundesweit ausgedehntund ist offen für interessierteKollegen. Verhandlungen mit Krankenkassenlaufen noch.Wer sich für das Projekt interessiert,kann sich an folgende Ansprechpartnerinnenwenden:Frau Dr. Ahrens-Eipper/Frau NeliusTelefon: 0345 4782090Frau WernerVertragsabteilung KVSachsen-AnhaltTelefon: 0391 6276341E-mail: Lissi.Werner@kvsa.devon links: Dr. Albrecht Kloepfer (freier Journalist, hier: Moderator), Dr. Andreas Köhler (Vorstandsvorsitzender der KBV), Dr. Carola Reimann MdB (SPD),Jens Spahn MdB (CDU), Lars Lindemann MdB (FDP), Dr. Stefan Etgeton (Verbraucherzentrale Bundesverband).<strong>Psychotherapie</strong> <strong>Aktuell</strong> 2/10 31


Aus der PraxisPraxiskauf – Tipps für den ErwerberWer sich als Psychologischer Psychotherapeutselbständig macht, musssich entscheiden, ob er eine neue Praxiseröffnen oder eine bereits etabliertePraxis erwerben möchte. PsychologischePsychotherapeuten könnenaber auch mit Berufskollegen eine Berufsausübungsgemeinschaft(Gemeinschaftspraxis)gründen bzw. in eineGemeinschaftspraxis durch Erwerb einesGesellschaftsanteils eintreten odermit Angehörigen anderer in GesundheitsberufenTätigen kooperieren undsich mit ihnen in einer Praxisgemeinschaftzusammenschließen.Oftmals wird eine Praxis erworben, dieder bisherige Praxisinhaber aus Altersgründenaufgeben möchte und für dieein Nachfolger gesucht wird. Wer einePraxis veräußert, möchte nicht nurfür die Praxisausstattung, sondern insbesonderefür den Praxiswert eineVergütung erhalten, ohne dass derVeräußerungsgewinn einer hohensteuerlichen Belastung unterliegt.Doch auch der Praxisnachfolger mussentscheiden, welche Praxis für ihn geeignetist. Dem Käufer wird dabei natürlichregelmäßig daran gelegen sein,einen möglichst geringen Kaufpreis zuzahlen. Neben einem angemessenenKaufpreis spielen aber auch vertrags-,steuer- und haftungsrechtliche Frageneine entscheidende Rolle beim Erwerbeiner psychotherapeutischen Praxis.Runa NiemannPraxiskauf –Tipps für den ErwerberSteuerliche Folgen für den PraxiserwerberMit dem Kaufpreis werden in der Regelsowohl die materiellen als auchdie immateriellen Werte der Praxisvergütet. Zu den materiellen Wirtschaftsgüterngehören die Praxiseinrichtungund sonstige Praxisgeräte, d.h. das Praxismobiliar, die EDV-Ausstattungeinschließlich der Software,aber auch vorhandene Büromaterialienund Fachliteratur. Als Orientierungsgrößefür den Preis dient zwarder sogenannte Zeitwert. Aber auchein schon mehrere Jahre altes Praxismobiliarkann noch voll gebrauchsfähigsein und einen höheren Marktwertin sich bergen. Andererseitskann Software schon nach kurzer Zeitveraltet und nahezu wertlos sein. Einepsychotherapeutische Praxis weistauch einen inhaberbezogenen Goodwillauf, der sich im Zeitablauf verflüchtigtund daher abgeschriebenwerden kann. Dieser Praxiswert istein immaterielles Wirtschaftsgut, dassich vor allem aus dem Patientenbestand,der Lage und dem Ruf der Praxiszusammensetzt.Die Anschaffungskosten für die übernommenenmateriellen und immateriellenWirtschaftgüter mindern denGewinn der Praxis. Allerdings könnendie Kosten nicht unmittelbar bei derZahlung des Kaufpreises abgezogenwerden. Vielmehr müssen alle erworbenenWirtschaftsgüter in ein Verzeichnisaufgenommen und über diebetriebsgewöhnliche Nutzungsdauerabgeschrieben werden. D. h. sie mindernden Gewinn der Praxis ratierlichüber die Nutzungsdauer. Die betriebsgewöhnlichenNutzungsdauern könneneiner Tabelle entnommen werden,die die Finanzverwaltung zusammengestellthat.Auch der erworbene Praxiswert stelltein abnutzbares - immaterielles -Wirtschaftgut dar. Dabei wird bei einerEinzelpraxis von einer Nutzungsdauervon drei bis fünf Jahren ausgegangen.Bei einer Gemeinschaftspraxiswird meist eine doppelt so langeNutzungsdauer unterstellt. Ob auchdie Kassenzulassung als solche einselbständiges immaterielles Wirtschaftsgutdes Anlagevermögens darstellt,ist dagegen strittig. Lange Zeitwurde die Kassenzulassung als nichtisolierbarer Bestandteil des Praxiswertesangesehen, der als solcher mitabgeschrieben wird. Nach der Auffassungder Finanzverwaltung kann aberauch eine Kassenzulassung einzelnals eigenständiges Wirtschaftsgutveräußert werden, das aber grundsätzlichnicht abnutzbar ist. Dies würdebedeuten, dass sich die Aufwendungenfür die Kassenzulassung erstbei einer Weiterveräußerung der Praxissteuermindernd auswirken könnten.Daher sollte beim Praxiserwerbvermieden werden, dass für die Kassenzulassungein gesonderter Kaufpreisvereinbart wird.Keine Rolle spielt dagegen, ob derKaufpreis sofort bezahlt oder eine Ratenzahlungvereinbart wird. Und auchdie Aufnahme eines Bankdarlehenszur Begleichung der Kaufpreisschuldhat keinen Einfluss auf die steuerlicheBehandlung der Anschaffungskostenfür den Praxiserwerb. In diesem Fallsind die gezahlten DarlehenszinsenBetriebsausgaben, die den Gewinnder Praxis mindern. Die Tilgung desDarlehens mindert dagegen den Gewinnnicht.Beispiel:Zum <strong>02</strong>.01.<strong>2010</strong> wird eine psychotherapeutischePraxis erworben. DerKaufpreis von 50.000 € setzt sich folgendermaßenzusammen:WirtschaftsgutFür die nächsten Jahre ergeben sichfolgende gewinnmindernde Abschreibungen:ZeitwertNutzungsdauer8 JahrePraxismobilar 16.000EDV-Technik 6.000 2 JahrePraxiswert 28.000 4 JahreDie jährliche Abschreibung (Afa) beträgt:Praxismobiliar:1/8 * 16.000 € = 2.000 €EDV-Technik:1/2 * 6.000 € = 3.000 €Praxiswert:1/4 * 28.000 € = 7.000 €32<strong>Psychotherapie</strong> <strong>Aktuell</strong> 2/10


Praxiskauf – Tipps für den ErwerberAus der PraxisRuna NiemannSteuerberaterinZertifizierte Fachberaterin für denHeilberufebereich, ADVITAX Rostock,spezialisiert auf die Beratungvon Heilberuflern, Mitglied im ADVI-SION-Verbund, der Kooperationspartnerder Deutschen PsychotherapeutenVereinigungist.Afa <strong>2010</strong>: 2.000 € + 3.000 € + 7.000 € = 12.000 €Afa 2011: 2.000 € + 3.000 € + 7.000 € = 12.000 €Afa 2012: 2.000 € + 7.000 € = 9.000 €Afa 2013: 2.000 € + 7.000 € = 9.000 €Afa 2014: 2.000 € = 2.000 €Afa 2015: 2.000 € = 2.000 €Afa 2016: 2.000 € = 2.000 €Afa 2017: 2.000 € = 2.000 €Afa gesamt 50.000 €Da der Praxiswert nach vier Jahrenvollständig abgeschrieben ist, ergibtsich bei gleichbleibenden oder steigendenPraxiseinnahmen in 2014 einGewinnsprung und damit auch einespürbare Erhöhung der steuerlichenBelastung. Falls beispielsweise geplantist, für die Praxis ein Kfz anzuschaffenoder die EDV-Ausstattung zu erneuern,wäre das Jahr 2014 ein geeigneterZeitpunkt für diese Investitionen. Denndann würde wieder neues gewinnminderndesAbschreibungspotential generiert.Möglicherweise sind Investitionenaber auch erst für spätere Zeiträumegeplant. Dann kann ein sogenannterInvestitionsabzugsbetrag gebildetwerden. D. h., schon vor der Anschaffungeines beweglichen abnutzbarenWirtschaftsgutes des Anlagevermögenskann in Höhe von 40% der voraussichtlichenAnschaffungskosten einsteuerlicher Abzugsbetrag gewinnminderndberücksichtigt werden. Voraussetzungist, dass das geplante Wirtschaftsgutinnerhalb von drei Jahrennach Bildung des Abzugsbetragesauch angeschafft und mindestenszwei Jahre für die Praxis genutzt wird.Praxiskäufer kann in Verträge desVerkäufers eintretenWird der Praxisbetrieb in angemietetenRäumlichkeiten ausgeübt, mussbeachtet werden, dass ein Praxismietvertragnicht automatisch aufden neuen Praxisinhaber übertragenwird. Der Vermieter muss in die Verhandlungenüber eine etwaige Praxisübernahmemit einbezogen werden.Abhängig vom Ort und der Lagekann die Nachfrage nach gewerblichenMietflächen sehr unterschiedlichsein. So wird der Vermieter entwederein berechtigtes Interesse haben,die Praxisräume an den Praxisnachfolgerzu gleichen Konditionenweiterzuvermieten. Der neue Praxisinhabermüsste dann mit dem Vermietereinen eigenen Mietvertrag abschließen.Der Vermieter könnte denVertragswechsel aber auch nutzen,um den Mietzins anzuheben oder dieRäume anderweitig vermieten. Dahersollte der Praxiskäufer vor Abschlussdes Kaufvertrages sicherstellen, dasser zu möglichst günstigen Konditionendie bisherigen Praxisräume anmietenkann. Auch Versicherungsverträgesind regelmäßig nicht auf diePraxis als solche, sondern auf den betreffendenPraxisinhaber abgeschlossen.Der Praxisverkäufer muss bestehendeVerträge daher rechtzeitig kündigen,der Käufer neue Verträge abschließen.Auch hier sollten Käuferund Verkäufer gemeinsam agieren,damit günstige Konditionen übernommenwerden können.Hat der Veräußerer Arbeitnehmer beschäftigt,so führt der Praxisverkaufdagegen nicht automatisch zur Beendigungder bestehenden Arbeitsverhältnisse.Aufgrund des Betriebsübergangsauf den Praxiskäufer darf einemArbeitnehmer nur dann gekündigtwerden, wenn es neben demWechsel des Praxisinhabers nochweitere sachliche Gründe gibt, die eineKündigung rechtfertigen. Dies wärez. B. der Fall, wenn die Praxis verkleinertwerden soll. Ohne Kündigungbleiben die bisherigen Arbeitsverträgebestehen und der Erwerber tritt indie Arbeitgeberstellung des Veräußerersein. Vertragliche Änderungen undAnpassungen sind zulässig, sofernder Arbeitnehmer damit einverstandenist.Wenn eine bestehende Praxis übergebenwird, stellt sich regelmäßig auchdie Frage, was mit den Daten der bisherigenPatienten geschieht. Denn eineWeitergabe der Patientendaten istunter datenschutzrechtlichen Überlegungennicht ohne weiteres möglich.Grundsätzlich muss jeder betroffenePatient bereits vor dem Abschluss desPraxiskaufvertrages zustimmen, dassauch seine Daten „mitverkauft“ werden.Verweigert ein Patient sein Einverständnis,dürfen seine Daten nichtweitergegeben werden.Käufer haftet für betrieblicheSteuerschulden des PraxisveräußerersDie Haftung für Steuerschuldner desPraxisvorgängers kann für den Erwerbereiner Praxis ein nicht unerheblichesRisiko in sich bergen. Wirdeine psychotherapeutische Praxis erworben,so haftet der Käufer fürSteuern, die aus dem Praxisbetriebheraus entstanden sind. Dies gilt insbesonderefür die Umsatzsteuer. FallsArbeitnehmer beschäftigt werden,haftet der Erwerbende auch für dieLohnsteuer. Keine Haftung bestehtdagegen für die Einkommensteuerdes Veräußerers. Praxiskäufer solltendaher einen Nachweis verlangen,dass im Zeitpunkt der Praxisveräußerungkeine Lohn- oder Umsatzsteuerrückständemehr bestehen. Als Nachweiskann der Veräußerer eine Unbedenklichkeitsbescheinigungbeim Finanzamtbeantragen. Ein Risikoverbleibt aber dennoch. Denn nichtbei allen Leistungen eines PsychologischenPsychotherapeuten ist eindeutiggeklärt, ob es sich um umsatzsteuerfreieLeistungen handelt. Sokönnten bei einer eventuellen späterenBetriebsprüfung noch nicht bekannteSteuerschulden festgestelltwerden. Aber auch dieses Risiko lässtsich durch eine Anpassung des Kaufpreisesminimieren.Der Erwerb einer psychotherapeutischenPraxis sollte in jedem Fallrechtzeitig geplant werden, denn nebender Finanzierung eines (angemessenen)Kaufpreises spielen auch(berufs-)rechtliche, steuerliche, betriebswirtschaftlicheund persönlicheFaktoren eine wesentliche Rolle.Wenn Sie planen, eine Praxis zu erwerben,sollten Sie sich auf jeden Fallrechtzeitig steuerlich, rechtlich undbetriebswirtschaftlich beraten lassen,um die für Sie geeignete Praxis zu finden.Den „Praxisübernahme-Mustervertrag“können Siebei der Bundesgeschäftsstelleder <strong>DPtV</strong> anfordernunter bgst@dptv.de<strong>Psychotherapie</strong> <strong>Aktuell</strong> 2/10 33


AusbildungPiA ohne GeldSWR 1 interviewt PiAPiA ohne GeldDiplompsychologen in Kliniken arbeiten während ihrerPsychotherapeutenausbildung unentgeltlichNorman M. überlegt zweimal, ob ersich einen Kaffee gönnt oder eineJeans kauft. Er ist zwar schon seit einemJahr mit seinem Psychologiestudiumfertig, aber er macht jetzt nocheine Ausbildung zum Psychotherapeuten.Die braucht er, um spätermal seine eigene Praxis aufzumachenund auch in Kliniken hat er dann bessereChancen, einen Job zu bekommen.Wegen der Ausbildung brauchtNorman M. allerdings weiterhin finanzielleUnterstützung.Norman M.: Ich hätte es schon ganzgerne, dass ich jetzt nach meinemlangen Studium auch einmal zu meinenEltern sagen könnte: Ihr habtmich jetzt so viel unterstützt, jetztsteh ich auf eigenen Beinen. Ich binjetzt 30 dann, ne.Aber die Ausbildung, die von privatenInstituten angeboten wird, dauert 3bis 5 Jahre und kostet im Schnittmehr als 20.000 €. Nebenher bleibtnur wenig Zeit um Geld zu verdienen.Vor allem während der praktischenAusbildungsphase ist es schwierig.Rund anderthalb Jahre müssen diePiA, also die Psychotherapeuten inAusbildung, in Kliniken verbringen.Dort arbeiten sie in der Regel Vollzeit,betreuen und therapieren Patienten.Doch in der Zeit bekommen die Meis -ten nichts bezahlt. Norman M. hatGlück gehabt, dass er wenigsten einbisschen Geld erhält.Norman M.: Ich kriege 400 €Unkos tenvergütung jetzt im Monat,bezahle aber im Schnitt 400 bis 500 €Ausbildungsgebühren und da istnoch nicht Essen gerechnet, nichtWohnung gerechnet. Das heißt, ichmache im Moment Schulden, währendich Vollzeit tätig bin. Also faktisch arbeiteich für Null – für unter Null.Zum Vergleich: Auch Mediziner könnensich zum Psychotherapeuten weiterbilden.Sie bekommen aber vonden Kliniken ein Gehalt als Assistenzarzt,mit dem sie locker ihren Lebensunterhaltbestreiten können. Davonkann Norman M. nur träumen. Trotzdemfindet er, dass er es vergleichsweisegut erwischt hat, weil er viellernt und gut betreut wird. Das istnicht selbstverständlich. Viele PiAfühlen sich von den Kliniken ausgebeutetund mit der Arbeit überfordert,berichtet Gerd Dielmann 1 vonder Gewerkschaft ver.di.Gerd Dielmann: Da keine Vergütunggezahlt werden muss für diese Praxisphase,sind die Kliniken natürlichauch verführt, diese kostenlosen Arbeitskräfteauch auszunutzen. Zumalunter Kostendruck werden dann auchStellen von ausgebildeten Psychotherapeutenersetzt durch diese Psychotherapeutenin Ausbildung.Den Betroffenen bleibt nichts anderesübrig, als die Bedingungen zu akzeptieren.Denn die Klinikplätze sind rar,gerade in Städten, und ohne praktischeErfahrung gibt es keinen Abschluss.Gerd Dielmann sieht das Problemim Psychotherapeutengesetz.Das legt nur den Rahmen für die Ausbildungund die Praxisphase fest.Gerd Dielmann: Aber es regelt nichtdie Zeiten, nicht den Umfang, nichtdie Inhalte.Das müsse sich ändern, fordert ver.di.Die Gewerkschaft will außerdem,dass die Kliniken gesetzlich verpflichtetwerden, den angehenden Psychotherapeutenein angemessenes Gehaltzu bezahlen. Mindestens 1500€. Für bessere Bedingungen setztsich auch die Bundespsychotherapeutenkammerein, wenngleich VizepräsidentDietrich Munz 2 einräumt, dasses selbst innerhalb der Kammer sehrunterschiedliche Meinungen gibt.Dietrich Munz: Beispielsweise beider Frage der Vergütung gibt es Inte -ressengegensätze mit Klinikleitern.Auch bei der Frage der Kompetenzen,also was alles dürfen PsychologischePsychotherapeuten machen, gibt esauch immer wieder mit Ärzten, ja,Streitigkeiten.Der Politik sind die Probleme bekannt.Wann und wie das Psychotherapeutengesetznachgebessert wird,ist allerdings unklar. Sicher ist, dassNorman M nicht mehr profitierenwird. Trotzdem bleibt er zuversichtlich.Norman M.: Ich mache meine Arbeitso gut wie möglich. Ich denk dannhalt, wenn es schon so ist, dannmöchte ich mir nicht noch die Freudedaran nehmen lassen.Radiobeitrag undInterview mit NormanM. (PiA Baden-Württemberg)zur aktuellen Situation der PiAs(29.03.<strong>2010</strong> im Deutschlandradio,13.03.<strong>2010</strong> im SWR 1)1Gerd Dielmann, Fachbereichsleiter bei ver.di für die Berufspolitik (z.B. Kontakte mit Berufs- und Fachverbänden)und die berufliche Bildung der Gesundheitsberufe. In dieser Zuständigkeit betreut er als Gewerkschaftssekretäru.a. die Bundesfachkommission PP/KJP und die ver.di-PiA AG.3Dr. Dietrich Munz, Präsident der Landespsychotherapeutenkammer Baden-Württemberg, Vizepräsident derBundespsychotherapeutenkammer34<strong>Psychotherapie</strong> <strong>Aktuell</strong> 2/10


Deutsche PsychotherapeutenVereinigungBerufsverband Psychologischer Psychotherapeutinnen und Psychologischer Psychotherapeuten undKinder- und Jugendlichenpsychotherapeutinnen und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten e.V.BundesgeschäftsstelleAm Karlsbad 15 · 10785 BerlinFon 030/235 00 9 0 · Fax 030/23 50 09 44bgst@dptv.de · www.dptv.deInformation: Steuerliche Absetzbarkeit von (Auslands-)FortbildungenStand: Juni <strong>2010</strong>Bei den steuerlich absetzbaren Kostenwird unterschieden, ob sie für die Ausbildung,worunter man die erstmaligeBerufsausbildung bzw. das Erststudiumversteht, oder für die Fortbildung entstandensind.Im Gegensatz zur Ausbildung, wobeiAusbildungskosten nur als Sonderausgabenbis zu einer bestimmten Höhe (z. Zt.4000 €pro Jahr) anerkannt werden, sindFortbildungskosten in voller Höhe als Betriebsausgabenbzw. Werbungskosten beiAngestellten voll abzugsfähig. Hier ist beiKosten für Fortbildung, auch im Gegensatzzu Ausbildungskosten, eine „Übertragung“auf andere Jahre möglich.Bei der Fortbildung steht der Nutzen fürdie Sicherung der eigenen Erwerbsfähigkeitim Mittelpunkt. Sie dient dazu,Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeitenin einem erlernten oder ausgeübten Berufzu erhalten und zu vertiefen unddient der Anpassung an die Entwicklungder beruflichen Verhältnisse.Zu diesen beruflich veranlassten Kosten,die in der Regel von den Finanzämternals Betriebsausgaben bzw. Werbungskostenanerkannt werden, zählenim Einzelnen:− Gebühren jeder Art: Studiengebühren,Prüfungsgebühren, Kursgebühren zurPrüfungsvorbereitung, Teilnahmegebührenan Lehrgängen.− Eintrittsgelder - etwa für Fachmessenund Kongresse.− Fahrtkosten: Haben Sie einen dauerhaftenOrt Ihrer Fortbildung, geltendie Fahrten als Fahrten zur Arbeit. BeiVeranstaltungen von kurzer Dauerwie Messen, Kongresse oder auchPrüfungen bei einem Fernstudiumdürfen Sie die höheren Sätze fürDienstreisen abrechnen. In diesemFall können Sie auch die Kosten fürUnterkunft, Verpflegungspauschalbeträgeund Reisenebenkosten dem Finanzamtgegenüber ansetzen. GemäßUrteil des Bundesfinanzhofssind Fahrtkosten bei längerfristigenBildungsmaßnahmen außerhalb derregelmäßigen Arbeitsstätte für diegesamte Dauer nach Dienstreisegrundsätzenabsetzbar, d.h. mit dentatsächlichen Kosten oder mit derDienstreisepauschale von z.Zt. 30Cent je gefahrenen km (BFH-Urteilvom 10.4.2008, VI R 66/05).− Die Abrechnung nach Dienstreisegrundsätzenbedeutet, dass auch Reisenebenkosten,wie Parkgebühren,und ggf. Übernachtungskosten anerkanntwerden müssen. Nur für Verpflegungspauschalbeträgegilt, dassdiese gemäß ausdrücklicher gesetzlicherRegelung lediglich für die erstendrei Monate beansprucht werdenkönnen (§ 4 Abs. 5 Nr. 5 i.V.m. § 9Abs. 5 EStG).− Kosten für Arbeitsmittel, Arbeitszimmerund Fachliteratur.− Anwalts- und Prozesskosten, zumBeispiel bei einem Rechtsstreit umeine Prüfung.− Zinsen für ein Darlehen, das Sie fürIhre Ausbildung aufnehmen. Die reineRückzahlung des Darlehens (zumBeispiel BAföG, KfW-Studienkredit)ist nicht abzugsfähig.Bei der steuerlichen Anerkennung derFortbildungen im Ausland gab es immerwieder Ärger mit dem Finanzamt, weilhier ein erheblicher privater Erlebniswertanzunehmen sei. Doch die Globalisierungist mittlerweile in Sachen „Aus- und Fortbildung“beim Finanzamt angekommen.Nach einem BFH-Urteil vom Juni 20<strong>02</strong>müssen zumindest Kurse im EU-Auslandwie Kurse in Deutschland beurteilt werden:Bei einem dichten Unterrichtsplanund beruflichen Inhalten ist die Fortbildungsteuerlich abzugsfähig.Darüber hinaus hatten die obersten Finanzrichter2005 entschieden, dass diesteuerliche Abzugsfähigkeit einer Fortbildungnicht allein deshalb versagt werdenkann, weil sie in Ausland stattfindet.Erfolg vor Gericht hatte eine Teamassistentin,die einen Spanisch-Intensivkurs inAndalusien machte. Sie dürfe nicht nurdie Kursgebühren, sondern auch Ausgabenfür Flug, Unterkunft und Verpflegungabsetzen, weil es für den Kurs eine eindeutigeberufliche Veranlassung gegebenhat, so das Finanzgericht Hamburg (2 K25/06), da sie im Job Telefonate und Korrespondenzin Spanisch führen müsseund private Interessen bei der Reise imHintergrund geblieben seien.Auch Ärzte, die in der Skisaison an einemKongress in St. Anton teilnehmen,dürfen die Reisekosten absetzen –wenn sie belegen können, dass sie denKongress tatsächlich besucht haben(BFH, VI R 8/05).Allerdings darf aufgrund der Dauer desUnterrichts die Möglichkeit zu touristischenAusflügen und Freizeit nur sehr eingeschränktgegeben sein. Pech hatte folglicheine Religionslehrerin, die Ausgabenfür eine Studienreise mit dem Kollegiumnach Israel absetzen wollte. Nach Ansichtdes BFH diente die Reise „allgemeiner Information“– kein ausreichender beruflicherAnlass wurde gesehen (VI R 36/<strong>02</strong>).Allgemein sind (Auslands-)Reisen unterfolgenden Voraussetzungen als Fortbildungensteuerlich absetzbar:− Das Reiseprogramm muss auf diebesonderen beruflichen Bedürfnisseund Gegebenheiten des Steuerpflichtigenabgestellt sein.− Der Teilnehmerkreis muss im Wesentlichenhomogen sein.Gleiches gilt dann, wenn zwar kein unmittelbarerberuflicher Anlass für dieReise vorliegt, die berufliche Veranlassungaber bei weitem überwiegt undprivate Interessen wie Erholung oderBildung nach dem Anlass der Reise,dem vorgesehenen Programm und dertatsächlichen Durchführung nur von untergeordneterBedeutung sind.Der wesentliche Teil des Tages mussdurch die Fortbildung belegt sein. In seinemUrteil hat das Finanzgericht Hamburg(Az.: 2 K 25/06 v.13.11.2006) insgesamtfünf Zeitstunden Unterricht pro Tag,die sich auf 1,5 Stunden vormittags und3,5 Stunden nachmittags verteilten, alsausreichend angesehen.Daraus kann man folgern, dass fünf ZeitstundenFortbildung pro Tag ausreichen,damit die Reise von der Steuer abgesetztwerden kann, bei weniger Stunden könntees kritisch werden.Für Teilnehmer der Fortbildung gibt es aufkeinen Fall Probleme mit dem Finanzamt,wenn die Freizeit am Morgen oder amAbend liegt. Ein freies Wochenende istüblich und führt auch bei einer Fortbildungim Ausland nicht zu einem Verlustdes steuerlichen Abzugs.Anders ist es natürlich bei Referenten.Diese bestreiten oft nur einen Teil des Tages,naturgemäß haben sie den Rest frei,ohne dass diese relativ umfangreicheFreizeit etwa die berufliche Veranlassungder Reise in Frage stellt.„Alles oder Nichts“ war bisher die Devisebei Auslandsfortbildungen, die Reiseund damit die Aufwendungen wurdenentweder als privat oder beruflich veranlassteingeschätzt. Das hat sich jetzt zumVorteil des Steuerzahlers geändert. Nachneuester Rechtsprechung können die Reisekostenbei gemischt veranlassten Reisenin beruflich/betrieblich veranlassteWerbungskosten/Betriebsausgaben undnicht abziehbare private Anteile aufgeteiltwerden, wenn die beruflich veranlasstenZeitanteile nicht von untergeordneterBedeutung sind und sich klar feststellenlassen (Urteil des BFH v.21.09.2009, Az.: GrS 1/06).So könnte beispielsweise eine Studienreisemit 6 Übernachtungen in Peking miteinem Tag Fachprogramm (Besuch einerpsychiatrischen Klinik, DemonstrationAkupunktur-Behandlung bei Depressionenund Zwängen, Fachvorträge, Gedanken-und Meinungsaustausch mit chinesischenBerufskollegen), die anderen Tageallgemeines Bildungsprogramm, zu 1/6von der Steuer absetzbar sein.Natürlich müssen alle entstandenen Kostenin Form von Belegen nachgewiesenwerden. Ohne diese kann gar nichts vonder Steuer abgesetzt werden.Steuerzahler sollten darauf achten, dasssie die richtigen Belege sammeln. Es dürfenund können nur solche Aufwendungenbelegt und nachgewiesen werden,die den Teilnehmer selbst betreffen. Aufbewahrtwerden sollten deshalb nichtnur Hotelrechnungen, Fahrkarten undsonstige Belege, sondern auch Terminkalender,Agendas, Teilnahmezertifikate,Mitschriften und sonstige Nachweise,die die Teilnahme und berufliche Veranlassungdarlegen.Auch sollte man sich gegen die Fragedes Finanzamts, weshalb man im Einzelfalldie Fortbildung im fernen Auslandund nicht im Inland machen musste,wappnen.<strong>Psychotherapie</strong> <strong>Aktuell</strong> 2/10 35


PsychotherapeutenkalenderJetzt zum günstigenSubskriptionspreisvorbestellen!€19, 90(zzgl. Versandkosten)FAXANTWORT030 - 235 00 944Deutsche PsychotherapeutenVereinigungAm Karlsbad 15 · 10785 Berlin · Tel. 030/235 00 90 · Fax 030/235 00 944E-Mail: bgst@dptv.deHiermit bestelle ich:_______ Exemplar/-e Psychotherapeuten Kalender 2011als Mitglied zum Subskriptionspreis von € 19,90Dieser Preis ist gültig bis einschließlich 31. August <strong>2010</strong>, danach € 21,90als Mitglied zur jährlichen Fortsetzung bis auf Widerruf, Preis/Jahr € 19,90als Nichtmitglied zum Preis von € 24,90Zuzüglich € 2,50 Porto- und Versandkosten pro Exemplar, bei Mehrfachbestellungen einmalig € 4,50.Name: ____________________________________ Straße: _____________________________________PLZ/Ort: ___________________________________ E-Mail: _____________________________________Abbuchungserlaubnis:Kontonummer: ______________________ BLZ: __________________ Bank: _____________________________________________________________________________________________________________(Datum, Unterschrift / ggf. Stempel)


Spielraum für die Regelung der ProfessionAusbildungErika BehnsenGrundrechtlicher Spielraum für dieRegelung der Profession des KJP,des EP, des PP oder des Psowie einfachgesetzliche Folgen einer Neuordnung für die Berufsangehörigen – Zweiter TeilZweiter Teil4. Rechtshistorische und berufspolitische Bewertung einer Berufsverschmelzung5. Berufspolitische Überlegenheit des Modells „Direktausbildungplus Weiterbildung“6. Berufspolitische Vorbehalte gegen das Modell „Direktausbildungplus Weiterbildung“V. Modell der BundespsychotherapeutenkammerVI. Zusätzlicher Prüfungsauftrag an den BundesgesetzgeberErster Teil (in <strong>Psychotherapie</strong> <strong>Aktuell</strong> Heft 1/<strong>2010</strong>)I. EinführungII. Modell der gleichwertigen postgradualen Studienabschlüsseals Zugangsvoraussetzung für die Ausbildungen zum Beruf desPP sowie zum Beruf des KJP1. Geltendes Recht2. De lege ferenda3. ErgebnisIII. Postgraduale Ausbildung nach dem Modell des „commontrunk" zu zwei BerufenIV. Direktausbildung zum Beruf des Psychotherapeuten (P) mit anschließenderWeiterbildung zum Erwachsenenpsychotherapeuten(EP) oder zum Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten (KJP)1. Defizite der postgradualen Ausbildung2. Lösungsvorschlag3. Grundrechtliches Ergebnis4. Rechtshistorische und berufspolitischeBewertung einer BerufsverschmelzungDie am 01.01.1999 in Kraft getreteneNeuregelung der psychotherapeutischenVersorgung war das gesetzgeberischeEnde einer über 20 Jahredauernden Diskussion um die berufsrechtlicheRegelung des die <strong>Psychotherapie</strong>ausübenden Heilkundigenund dessen sachgerechte Einbeziehungin die psychotherapeutischeVersorgung der gesetzlich Versicherten:Aus Heilpraktikern wurden approbierteAngehörige eines Heilberufs,aus der Hilfsperson eines Arztesim Rahmen des Delegationsverfahrenswurde ein eigenständiger, wieder Arzt in das vertragsärztliche Leis -tungserbringersystem einbezogenerBehandler des Versicherten.Diese „kleine Revolution" 1 beruhtedarauf, dass sich der Gesetzgeber nicht,1vgl. SpeIlbrink in Schnapp/Wigge, Handbuch desVertragsarztrechts, § 14; Behnsen in KV 1998, S. 70ff. u. SGb 1998, S. 565 ff.; Schirmer in MedR 1998,S. 435 ff.wie beim ersten Versuch im Jahr 1978,darauf beschränkte, den berufsrechtlichenStatus zu regeln, sondern dass diebetroffenen Berufsangehörigen nachlangem Ringen – auch gegeneinander– letzten Endes erfolgreich dem Gesetzgebereine Konsenslösung für dieEinbeziehung der psychotherapeutischenLeistungserbringer in das Leis -tungserbringersystem der gesetzlichenKrankenversicherung vorgeschlagenhaben. Erinnert sei jedoch auch daran,dass diese Einigung auf das Integrationsmodellerst im zweiten Anlauf zumErfolg führte und dass dieser Erfolg biszum Schluss der Gesetzesberatungenauf Messers Schneide stand.Der Gesetzgeber hat wegen dieses krankenversicherungsrechtlichenSchwerpunktesder Reform die Berufe genausozweigleisig berufsrechtlich weiterhinverankert, wie er sie vorfand. Diese berufszugangsrechtlicheTrennung beruhtealso nicht auf einer evidenzbasiertenErkenntnis über das optimaleinhaltliche und organisatorische Konzeptvon Berufszugängen zur psycho-<strong>Psychotherapie</strong> <strong>Aktuell</strong> 2/10 37


AusbildungSpielraum für die Regelung der Professiontherapeutischen Versorgung durch dieneuen Approbationsberufe, sondernder Gesetzgeber hat vielmehr ganzschlicht die Anforderungen an die Berufszulassungdarauf abgestellt, dassdiejenigen, die bisher im Rahmen desDelegationsverfahrens an der psychotherapeutischenVersorgung der Versichertenbeteiligt waren, zukünftigrechtlich in der Lage sein würden, alseigenständige vertragsärztliche Leis -tungserbringer weiterzuarbeiten. Deshalbwurde das berufsrechtliche Anforderungsprofilfür die Teilnahme amDelegationsverfahren zum Zeitpunktdes Gesetzentwurfes auch für dieNeuregelung maßgeblich. In den Gesetzesmaterialienfindet sich – wiebereits oben unter II, 2 (siehe <strong>Psychotherapie</strong><strong>Aktuell</strong> 1/<strong>2010</strong> – Erster Teil)erwähnt – kein Hinweis darauf, dassder Gesetzgeber sich dezidiert nachAbwägung aller Handlungsmöglichkeitengerade für den Weg der zweiBerufe mit den unterschiedlichen Zugängenzur Ausbildung und mit unterschiedlichenApprobationen entschiedenhat.Mit anderen Worten, der Gesetzgeberhat sich nicht aufgrund einer bestimmtenversorgungsrelevanten Wertentscheidungfür die Schaffung zweierpsychotherapeutischer Berufe entschieden.Festzustellen ist lediglich,dass er davon ausging, dass spezifischeKenntnisse für die psychotherapeutischeBehandlung von Kindernund Jugendlichen von nicht unerheblicherBedeutung sind 2 .5. Berufspolitische Überlegenheitdes Modells „Direktausbildungplus Weiterbildung“Aufgrund der Ergebnisse des Forschungsgutachtenswäre der Gesetzgeberdurchaus befugt, die beiden Berufedes PP und des KJP zu einem Berufzu vereinheitlichen und, daraufaufbauend, altersgruppenbezogeneSpezialisierungen den Weiterbildungsordnungender Landespsychotherapeutenkammern3 sowie der Muster-Weiterbildungsordnung der Bundespsychotherapeutenkammerzu überlassen.Die Aufgabe, die Einheitlichkeitder Berufsausübung durch eine Mus-ter-Weiterbildungsordnung und durchMuster-Richtlinien zu dem Inhalt derWeiterbildung sicherzustellen, ist beispielsweisedie satzungsmäßige Aufgabeder Bundesärztekammer; diegleiche Aufgabe ist ebenfalls in § 2Abs. 2e der Satzung der Bundespsychotherapeutenkammerverankert.Natürlich bedürfte eine derartige Neuordnungeiner angemessenen Vorlaufzeitund entsprechender Übergangsregelungen.Sie würde aber nicht nureinige der im Forschungsgutachtenreferierten Probleme der Ausbildungsteilnehmerlösen, wie z. B. Ausbildungsförderungnach dem BAföG(derzeit: Problem des Zweitstudiumsund der Altersgrenze) und der Vergütungder psychotherapeutischen Tätigkeitdes Psychotherapeuten in derWeiterbildung (derzeit: Problem derVergütung der praktischen Tätigkeitund der praktischen Ausbildung).2vgl. Behnsen/Bernhardt S. 603vgl. z. B. §§ 33, 49 HeilBerG NW4vgl. hierzu § 36 Abs. 1 Satz 2 HeilBerG NW "Sie (die Weiterbildung) ist angemessen zu vergüten."„Mit anderen Worten, der Gesetzgeberhat sich nicht aufgrund einer bestimmtenversorgungsrelevanten Wertentscheidungfür die Schaffung zweier psychotherapeutischerBerufe entschieden. “Dieses Modell wäre auch berufspolitischförderlich: Die psychotherapeutischeSelbstverwaltung in den Kammernund der Bundespsychotherapeutenkammerbekäme dieselbe Definitionshoheitüber die inhaltlicheAusgestaltung der gebietsbezogenen<strong>Psychotherapie</strong> wie sie die ärztlicheSelbstverwaltung bei der Gestaltungder Weiterbildungsordnungen undder Muster-Weiterbildungsordnungschon seit vielen Jahrzehnten hat.Gegenüber diesen Vorteilen verblasstdie Klage über die sogenannte Entwertungder Approbation, denn dieApprobation würde bereits nach einemca. fünfjährigen Studium erteiltwerden können und dann dem alsWeiterbildungsassistenten auf derGrundlage eines Arbeitsvertrages arbeitendenPsychotherapeuten ermöglichen,eine angemessene Vergütungfür seine praktische Tätigkeit zu verlangen.So schreibt z. B. das nordrhein-westfälischeHeilberufsgesetzvor, dass die Weiterbildung angemessenzu vergüten ist. 4Der dann ca. drei Jahre weitergebildeteFachpsychotherapeut wäre inder gesetzlichen Krankenversicherunggenauso zulassungsfähig wieder fünf Jahre weitergebildete ärztlichePsychotherapeut.Die entscheidende Attraktivität diesesModells liegt meines Erachtens für dieProfession darin, dass sie durch dieAusgestaltung der Gebiete und sonstigenSpezialisierungen in den Weiterbildungsordnungenund der Muster-Weiterbildungsordnung die berufsrechtlichenQualifikationsanforderungen,auf die das Vertragsarztrecht beider Zulassung zur vertragsärztlichenVersorgung und bei Qualifikationsanforderungennach § 135 Abs. 2 Satz 2SGB V Bezug nimmt, selbst gestaltet.Auf die Anforderungen für die Approbationserteilungkann sie dagegen nurmittelbar durch Einwirken auf denBundesgesetzgeber Einfluss nehmen.Die psychotherapeutische Professionhätte mit diesem Modell dann endlichalso die gleiche berufsausübungsgestaltendeDefinitionshoheitwie die berufliche Selbstverwaltungder Ärzteschaft.6. Berufspolitische Vorbehalte gegendas Modell „Direktausbildungplus Weiterbildung"Allerdings sind mir auch die grundlegendenEinwände gegen das Modellder Direktausbildung bekannt:− die Einschätzung, dass die Universitäteneiner derartigen Ausbildungsanstrengungkurz- und mittelfristigmangels entsprechenderLehrkapazität nicht gewachsenseien,− die Befürchtung, dass sich die anden Universitäten gelehrte <strong>Psychotherapie</strong>noch mehr als bisher einseitigauf die Vermittlung der Verhaltenstherapiebeschränken würde,− die Prognose, dass den nach derachtjährigen Qualifikationsphasein das heilkundliche Berufslebeneintretenden relativ jungen Psychotherapeuteninsbesondere fürdie psychodynamischen Verfahrendie notwendige persönliche Kompetenzfehle,− die Angst, dass die privaten Ausbildungsinstituteüber kurz oder langkeine eigenständige Daseinsberechtigungmehr hätten.Deshalb ist es nicht schwer einzuschätzen,dass sich die Profession –zumindest derzeit – noch nicht aufdas Modell der Direktausbildung einigenwird. Zwar ist dieses Modell dasklarste, eindeutigste und hinsichtlichdes inhaltlichen Gestaltungsspielraumsfür die Profession das freiheitlichste,jedoch ist die Zeit dafür offensichtlichnoch nicht reif.Wie aber gerade der Rückblick aufdie Neuregelung des Jahres 1999deutlich gemacht hat, ist für die Reformerfolgsentscheidend, dass diepsychotherapeutische Profession gegenüberden gesetzgebenden KörperschaftenEinigkeit zeigt, sich also aufeinen gemeinsam vertretenden Reformvorschlageinigt.V. Modell der BundespsychotherapeutenkammerDie Chance, ein derartiges Konsensmodellzu werden, hat nach meiner Einschätzungder Vorschlag der Bundespsychotherapeutenkammerin ihremDiskussionspapier vom 16.09.2009und dem Eckpunktpapier vom10.11.2009.Dieses Modell bezweckt ebenfalls dieVerschmelzung zu einem Beruf mit einemBerufszugang, der die approbiertenPsychotherapeuten berufsrechtlichsowohl zur psychotherapeutischenBehandlung von Erwachsenenals auch von Kindern und Jugendlichenberechtigt. Allerdings soll – imGegensatz zur Direktausbildung – dieAusbildung so gestaltet werden, dasszusätzlich bereits zur Approbationentweder der krankenversicherungs-38<strong>Psychotherapie</strong> <strong>Aktuell</strong> 2/10


Spielraum für die Regelung der ProfessionAusbildungrechtlich relevante Fachkundenachweisfür die psychotherapeutischeBehandlung von Erwachsenen oderalternativ für die psychotherapeutischeBehandlung von Kindern und Jugendlichenerworben werden kann.Zusätzlich kann der vertiefende Befähigungserwerb,bezogen auf die jeweilsandere Altersgruppe, nach derApprobation nachgeholt werden.„Die Chance, ein derartiges Konsensmodellzu werden, hat nach meiner Einschätzungder Vorschlag der Bundespsychotherapeutenkammerin ihrem Diskussionspapiervom 16.09.2009 und dem Eckpunktpapiervom 10.11.2009. “Dieses Modell ist grundrechtlich genausozulässig wie die oben diskutierten.Es ist auch kompetenzrechtlich in Ordnung,d. h. es weist dem Bundesgesetzgeberkeine Regelungsbefugnis zu, dieverfassungsrechtlich in die ausschließlicheGesetzgebungskompetenz der Länderfällt. Allerdings sollte das Modell,um entsprechenden Missverständnissenvorzubeugen, keine Begriffe verwenden,bei denen eine Verwechslungsgefahrmit Bezeichnungen besteht,die herkömmlicherweise in demden Landesgesetzgebern vorbehaltenenWeiterbildungsrecht gebrauchtwerden, wie im vorliegenden Fall derBegriff der „Schwerpunktsetzung“.Da das Psychotherapeutengesetz denBegriff der vertieften Ausbildung verwendet5 , der Begriff der Vertiefung alsoim Recht des psychotherapeutischenBerufszugangs bereits gesetzlicheingeführt ist, bietet es sich an,anstelle von „Schwerpunktsetzung“von „Vertiefung“, z. B. von altersgruppenbezogenerVertiefung und verfahrensbezogenerVertiefung, zu sprechen.Dann würden kompetenzrechtlicheMissverständnisse vermieden.Gegen das Modell des Psychotherapeutenmit einheitlicher Approbationfür die Behandlung der Erwachsenensowie der Kinder und Jugendlichenund sowohl altersgruppenbezogenerals auch verfahrensbezogener Vertiefungwird eingewandt, dass dieser5vgl. § 8 Abs. 3 Nr. 1 PsychThGPsychotherapeut, sofern er für dieverfahrensbezogene Vertiefung einVerfahren gewählt hat, das nur bezogenauf eine der beiden Altersgruppenals wissenschaftlich anerkanntgilt, wie z. B. die Gesprächspsychotherapienur für die Behandlung Erwachsener,nicht berechtigt sei, Kinderund Jugendliche zu behandeln.Eine beide Altersgruppen umfassendeApprobation könne es deshalb wegenaltersgruppendifferenzierenderVerfahren nicht geben (so ein Einwandaus dem Kreis der KJP).Dieser Einwand gegen die Berufsverschmelzungist nicht stichhaltig: DerPsychotherapeut in der oben geschildertenFallkonstellation könntedurchaus auch Kinder und Jugendlichebehandeln, zwar nicht mit demVerfahren der Gesprächspsychotherapie,jedoch mit jedem anderen wissenschaftlichanerkannten psychotherapeutischenVerfahren. Dazu ister aufgrund seiner Approbation berechtigt,denn der durch die Approbationvermittelte Berufszugang berechtigtberufsrechtlich zur psychotherapeutischenBehandlung mit allenwissenschaftlich anerkanntenVerfahren, nicht nur zur Anwendungdes eigenen Vertiefungsverfahrens.Ein Element dieses Konzepts, die eingeschränkteBehandlungserlaubnisunter Supervision oder Aufsicht – dieseBegriffe werden, soweit ich das sehe,in den Papieren der Bundespsychotherapeutenkammervom 10.11.2009und vom 16.<strong>02</strong>.<strong>2010</strong> synonym verwandt– halte ich allerdings weder fürsachlich gerechtfertigt noch für dieVerfolgung des finanziellen Ziels, dasdahinter steht, für notwendig.Was bedeutet die Verleihung der eingeschränktenBehandlungserlaubnisan einen Teilnehmer der psychotherapeutischenAusbildung?Es ist die statusrechtlich relevante Befähigung,heilkundliche <strong>Psychotherapie</strong>gemäß § 1 Psychotherapeutengesetz– wenn auch unter Supe r -vision/Aufsicht – auszuüben. Der dazugehörige Eckpunkt im Papier der Bundespsychotherapeutenkammervom10.11.2009 formuliert: „Mit dieser eingeschränktenErlaubnis sind sie befugt,im Rahmen der Ausbildung entsprechenddem curricular geregelten Kompetenzfortschrittdefinierte heilkundlicheTätigkeiten unter Supervision oderAufsicht durchzuführen."Beweggrund dieser Konstruktion ist,Vergütungsansprüche der Ausbildungsteilnehmerwährend der praktischenAusbildung I und II zu begründen.Ein finanzieller Beweggrund istjedoch noch keine sachliche Rechtfertigungfür eine berufsrechtlicheStatus verleihung. Die relevante Prüffragelautet vielmehr, ob bereits derAuszubildende in der Lage ist – zumindestunter Aufsicht oder Supervision– <strong>Psychotherapie</strong> im Sinne des § 1Abs. 3 PsychThG auszuüben. Die Beschreibungder Lernziele der praktischenAusbildung I auf Seite 15, 16des Papiers der Arbeitsgruppe derBundespsychotherapeutenkammervom 16.<strong>02</strong>.<strong>2010</strong> zeigt, dass die Auszubildendenin diesem Ausbildungsabschnittdie Befähigung, die Voraussetzungeiner derartig statusrechtlichenQualifizierung wäre, geradenoch nicht erworben haben, sondernin der Ausbildung erst erwerben sollen.Dies gilt auch für den 2. Teil derpraktischen Ausbildung, der sogenanntenAusbildung II, in dem laut derSeite 8 des Eckpunktepapiers vom10.11.2009 die Auszubildenden eigenverantwortlichunter Supervisionschwerpunktmäßig im ambulantenBereich psychotherapeutisch tätigsein sollen. Auch in diesem Ausbildungsabschnittsind sie noch Lernende.Das geltende Recht ermöglichtderartige praktische Lernerfahrung –ohne Statusveränderung –, indem esin § 117 Abs. 2 SGB V i.V.m. § 8 <strong>Psychotherapie</strong>vereinbarungerlaubt,dass Auszubildende nach Absolvierungder Hälfte der Ausbildung undNachweis ausreichender Kenntnisseund Erfahrungen in dem betreffenden<strong>Psychotherapie</strong>verfahren unter Supervisiondafür qualifizierter Therapeuten<strong>Psychotherapie</strong>n durchführen können.Dieses Qualifizierungsstadium istdeshalb vergleichbar mit dem einesMedizinstudenten im praktischenJahr (PJ). Das PJ soll den Studierendenbefähigen, dass theoretisch Erlerntezu kontrollieren, aufgrund eigenerAnamnese zu entscheiden undzu handeln und dadurch schrittweiseärztliche Verantwortung zu übernehmen.Das PJ ist deshalb als letzter Teilder praktischen Ausbildung im letztenJahr des Medizinstudium zu absolvieren;die Ausbildung am Patienten sollim Mittelpunkt stehen. Dennoch istdas PJ nicht mit einer besonderenstatusrechtlichen Befugnisverleihungverknüpft und auch nicht mit einemgesetzlichen Vergütungsanspruch –zum Leidwesen der Studenten im PJ;in der FAZ vom 17./18. Oktober 2009wurde dieses Problem kürzlich als„Hungerlohn für Hakenhalter“ charakterisiert.Soweit mir bekannt, ist das einzigezum Heilberuf qualifizierende Ausbildungsstadium,in dem vor Erteilungder umfänglichen Berufserlaubnis eineErlaubnis zur eingeschränkten Berufsausübungerteilt worden ist, derAusbildungsabschnitt des 1994 abgeschafftenArztes im Praktikum (AiP).Dieser AiP hatte sein Medizinstudiumbereits absolviert. Er war deshalb Arztmit allen Rechten und Pflichten einesapprobierten Arztes wie Pflichtmitgliedschaftin der Ärztekammer undPflicht zum Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung.Allerdingswar die AiP-Phase dennoch Ausbildungsbestandteil,deshalb durfte derAiP nur unter Aufsicht eins approbiertenArztes tätig werden. Im Unterschiedzur Ausbildung im PJ brauchteder ausbildende Arzt allerdings bereitszu Anfang der AiP-Phase nichtständig und für alle Verrichtungendes AiP anwesend zu sein. Dem AiPkonnten Aufgaben zur selbstständigenAusführung übertragen werden,die nach Vergewisserung durch denaufsichtsführenden Arzt – durchStichprobenkontrolle – seinem Kenntnis-und Fähigkeitsstand entsprachen.Auch bei den im geltenden ärztlichenBerufsrecht vorhandenen Tatbeständen,die nach § 10 Bundesärzteordnungdie Erteilung einer Erlaubnis zur eingeschränktenBerufsausübung rechtferti-<strong>Psychotherapie</strong> <strong>Aktuell</strong> 2/10 39


AusbildungSpielraum für die Regelung der ProfessionErika BehnsenMinisterialrätin a.D. (bis Ende 2007Leiterin des Referats Vertragsarztrechtim BMG). Im Bundesministeriumfür Gesundheit fachlich zuständigfür den krankenversicherungsrechtlichenTeil des Gesetzes vom16.06.1998 (BGBI I S. 1311) zur Neuregelungder psychotherapeutischenBerufe.Foto: www.bptk.degen, wird regelmäßig eine abgeschlossenAusbildung für den ärztlichenBeruf vorausgesetzt. Einen vergleichbarenNachweis kann wederder Teilnehmer an der Psychotherapeutenausbildungin Phase 2 nocherst recht nicht in Phase 1 erbringen.Es wäre deshalb ein äußerst begründungspflichtigesSonderrecht, das fürPsychotherapeuten in Ausbildung mitder Forderung nach Erteilung der eingeschränktenBehandlungserlaubnisverlangt würde.Nebenbei sei dabei angemerkt, dasssich mit einer solchen eingeschränktenBehandlungserlaubnis die Haftungstatbeständezu Lasten des Aus-„Dennoch wäre es sinnvoll, wenn die Profession diesesvermittelnde Konzept dem Gesetzgeber als Konsensmodellvorschlüge; nur im Konsens hätte sie die Chance, die von derMehrheit als notwendig eingeschätzte Reform mit demnötigen Nachdruck anzustoßen.“zubildenden verschieben könnten.Denn eine derartige öffentlich-rechtlicheStatusverleihung berechtigte denaufsichtsführenden Ausbilder zu einerweitmaschigeren Kontrolle als bei derAufsicht über einen "normalen" Auszubildendenohne diesen formalenQualifikationsnachweis.Was die Frage der Vergütung anbelangt,ist ebenfalls der Blick auf dieärztliche AiP-Phase lehrreich:Der Gesetzgeber des Jahres 1985 verknüpftedie Einführung des AiP nämlichnicht mit einem gesetzlichen Vergütungsanspruch.Allerdings empfahlder Bundesrat tarifvertragliche Regelungenfür eine Vergütung zur Sicherungdes Lebensunterhalts; solche Ta-Zusammenfassend ist dieses Modellals eine Vereinigung beider Berufe –also keine Berufsschließung eines Berufeszugunsten des anderen überlebendenBerufes – zu bewerten, dieden zukünftigen psychotherapeutischenHeilkundlern die größtmöglicheFlexibilität hinsichtlich Zeitpunktund Anzahl der Realisierung von Spezialisierungsoptioneneröffnet. DasModell hat allerdings den Nachteil,der allen Modellen anhaftet, die dieVertiefung zeitlich vor der Approbatirifverträgewurden auch abgeschlossen.Statusrechtlich hervorgehobeneQualifizierungen führen also auchnicht automatisch zu den erwünschtenVergütungsansprüchen.Nach meiner Einschätzung ist der statusrechtlicheSonderweg einer eingeschränktenBehandlungserlaubniswäh rend der praktischen Ausbildungder Psychotherapeuten im Verhältniszu den Ausbildungen in vergleichbarenHeilberufen nicht begründbar. Deshalbsollte der Weg zu Verbesserung der finanziellenSituation der Auszubildendeneher in tarifvertraglichen Regelungengesucht werden. Auch dabei müssteStellung genommen werden zu derFrage, warum die in <strong>Psychotherapie</strong>Auszubildenden während der praktischenAusbildungsphase besser zustellen sind als die Auszubildenden deranderen Heilberufe.on ansiedeln, hinsichtlich Dauer derAusbildung, Vergütung der Ausbildungsteilnehmer,Einfluss der Professionauf die Ausbildungsinhalte.Dennoch wäre es sinnvoll, wenn dieProfession dieses vermittelnde Konzeptdem Gesetzgeber als Konsensmodellvorschlüge; nur im Konsenshätte sie die Chance, die von derMehrheit als notwendig eingeschätzteReform mit dem nötigen Nachdruckanzustoßen.VI. Zusätzlicher Prüfungsauftragan den BundesgesetzgeberUnabhängig davon, ob sich der Bundesgesetzgeberfür die Beibehaltungder zwei Berufe entscheidet, und unabhängigdavon, wie er zukünftig dieAusbildung inhaltlich und organisatorischgestaltet – postgradual mit Vorbildungauf Masterniveau oder Direktausbildung–, ist es rechtspolitischnach zehnjähriger Bewährungder psychotherapeutischen Neuregelungan der Zeit, zu überprüfen, ob esweiterhin gerechtfertigt ist, vertragsärztlichpsychotherapeutisch tätigeLeistungserbringer, die nicht Ärztesind, von den in § 73 Abs. 2 Satz 2SGB V aufgezählten Befugnissen auszuschließen.Zu denken ist hier insbesonderean die Möglichkeit der Feststellungund Bescheinigung von Arbeitsunfähigkeit,der Verordnung vonHeilmitteln, z. B. Logopädie, und derVerordnung von Krankenhausbehandlung.Die Verbotsnorm des § 73Abs. 2 Satz 2 SGB V ist erst in denAusschussberatungen in den Gesetzentwurfeingefügt worden 6 . Sie warder Unsicherheit der sonstigen Akteureim Gesundheitswesen und derFachöffentlichkeit geschuldet bezüglichder Wirtschaftlichkeit des Behandlungsverhaltensder Psychotherapeutenin der gesetzlichen Krankenversicherung.Derartige Berufsausübungseinschränkungensind bei einer grundlegendenNeuordnung, wie es die Einbeziehungder Psychotherapeuten in die psychotherapeutischeVersorgung der gesetzlichVersicherten 1999 war, für einegewisse Zeit lang grundrechtlichtolerabel. Jedoch ist auch der formelleGesetzgeber – genauso wie es dieständige Rechtsprechung z. B. vomuntergesetzlichen Normgeber der gemeinsamenSelbstverwaltung in dergesetzlichen Krankenversicherungverlangt – verpflichtet, die Berechtigungdes Fortbestehens dieserGrundrechtseinschränkung nach einerhinreichenden Einführungszeit zuüberprüfen. Nach meiner Einschätzungsind zehn Jahre hierfür ausreichend.Es wäre deshalb an der Zeit,dass die Profession den Gesetzgeberauffordert, für das Fortbestehen dieserund anderer Einschränkungen einefachlich fundierte Begründung zuliefern.Dies gilt z. B. auch für das Unterlassender Anpassung der Regelung des§ 107 SGB V an die berufsrechtlicheStatusgleichstellung der Psychotherapeutenmit den Ärzten durch das Psychotherapeutengesetz.§ 107 SGB Vverlangt immer noch, dass Krankenhäuser,Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungenausnahmslos unterärztlicher Leitung stehen müssen;Psychotherapeuten sind deshalb voneiner derartigen Leitungsfunktionausgeschlossen. Auch diese Regelungbedarf hinsichtlich ihrer fachlichenFundierung einer gesetzlichen Überprüfung.Mein Damen und Herren,Sie sehen, Sie haben viel zu tun. Deshalbpacken Sie es an. Ihnen als Psychotherapeutenbrauche ich nicht zusagen, dass es im wirklichen Lebennichts Vorteilhaftes gibt, das nicht zugleichauch Nachteile hat. Deshalb einigenSie sich auf ein gemeinsames Modellund stoßen Sie damit die Gesetzgebungan. Ansonsten erreichen Sie auchnicht die kleinste Verbesserung.6vgl. BT-Drs. 13/9212, S. 1840<strong>Psychotherapie</strong> <strong>Aktuell</strong> 2/10


Insolvenz des Arztes und VerrechnungRechtsfragenCarolinevon PrittwitzRechtsanwältinDr. Halbe – RECHTSANWÄLTEBesondere Schwerpunkte: Arbeitsrecht/Chefarztrecht,Arztrecht/Psychotherapeutenrecht,Kooperationenim Gesundheitswesen/Gesellschaftsrecht,Medizinprodukterecht,Mietrecht, Praxisgründung, -abgabe,-übernahme, Recht der Pflege- undRehabilitationseinrichtungen.Caroline von PrittwitzAuch bei Insolvenz des Arztesist die Verrechnung vonzu viel gezahlten Honorar -anteilen mit Abschlags -zahlungen zulässigIn Fällen von Überzahlungen undRückforderungen von Honorar kanndie Kassenärztliche Vereinigung denfestgestellten Betrag grundsätzlichsofort mit Ansprüchen des Vertragsarztesverrechnen. Diese Verrechnungenfinden sich dann im jeweiligenHonorarbescheid aufgeführt.Das Bayerische Landessozialgericht(LSG) hatte sich jüngst (Urteil vom25.11.2009, Az. L 12 KA 20/08) miteinem Fall zu beschäftigen, in welchemder Insolvenzverwalter eines insolventgewordenen Facharztes fürOrthopädie einen Rückzahlungsanspruchgegenüber der KassenärztlichenVereinigung (KV) Bayern geltendmachte. Der Insolvenzverwalterwar der Ansicht, die Tatbestandsvo -raussetzungen in § 130 Abs. 1 Satz 1Nr. 2 InsO (Kenntnis des Beklagtenvon der Zahlungsunfähigkeit des Insolvenzschuldnersoder dem Eröffnungsantrag)seien gegeben. Die Verrechnung,die zuvor von der KV vorgenommenworden war, verstoße dahergegen § 81, 91 InsO, sei damit unwirksamund im Ergebnis zur Insolvenzmassezurück zu gewähren.Die beklagte KV war hingegen derAuffassung, die Eröffnung des Insolvenzverfahrenstangiere weder dieMitgliedsrechte noch die Zulassungdes insolventen Vertragsarztes. Deraus den Leistungen des Arztes errechneteHonorarbetrag könne sofort mitAnsprüchen der Beklagten gegen denjeweiligen Adressaten auf Honorarbasisverrechnet werden. Das bedeute,dass der Honorarbetrag um den zuverrechnenden Betrag im Honorarbescheidgemindert werde. Die Forderungdes Arztes gegen die KV entstehenicht im Augenblick, in dem dieBehandlung des Patienten vorgenommenwerde, sondern erst mit Erstellungdes Honorarbescheides.Darüber hinaus sei schon fraglich, obin der Sonderrechtsbeziehung zwischenKassenarzt und KV nicht ausschließlichKassenarztrecht, also öffentlichrechtlicheNormen anzuwendenseien.Das erstinstanzlich angerufene SozialgerichtMünchen stützte die Ansichtder Beklagten und bestätigte, dass eineVerrechnung einer bereits entstandenenForderung nicht stattgefundenhabe. Erst der Erlass des Honorarbescheideslasse die Honorarforderungdes Vertragsarztes entstehen.Daraufhinwendete sich der Kläger gegendas erstinstanzliche Urteil und argumentierte,dass eine Aufrechnung miteiner Forderung, die überhaupt nochnicht entstanden ist, nach den Vorschriftender Aufrechnung gemäß den§§ 387 ff. BGB nicht möglich sei.Das Bayerische LSG folgte der Argumentationdes Klägers nicht, sondernstellte klar, dass sich die Berechtigungzur Verrechnung für die Beklagte aus§ 5 Abs. 9 der ab dem 01.04.2005geltenden Abrechnungsbestimmungender Beklagten ergebe. Außerdemgehe der Senat davon aus, dass dieBeklagte bewusst von einer Verrechnungspreche und nicht von einerAufrechnung. Die Verrechnung imSinne der vorgenannten Vorschriftenmeint die Einstellung einer festgestelltenForderung (aus Überzahlungoder Rückforderung) in das Abrechnungskontodes Arztes als unselbständigerAbrechnungsposten undderen Verrechnung mit (Abschlagsbzw.Rest-) Zahlungen an den Vertragsarzt.Die Regelung in den Abrechnungsbestimmungenfinde zudem in § 81 Abs.1 Nr. 4 SGB V eine ausreichendeRechtsgrundlage, nach welcher dieSatzung Bestimmungen über dieRechte und Pflichten der Organe derMitglieder enthalten müsse. Bei derVerrechnung der zu viel gezahltenHonoraranteile mit den Abschlagszahlungenund den Restzahlungenkommen die Regelungen der Anrechnungzur Anwendung. Bei demRechtsprinzip der Anrechnung seiendie Regeln der Aufrechnung nicht anwendbar.Die Verrechnung von unselbständigenRechnungspositionenim Sinne einer Anrechnung bleibeauch im Rahmen einer Insolvenz zulässig,da die insolvenzrechtlichenAufrechnungsverbote nicht einschlägigseien.Es handelt sich hier um eine Entscheidung,welche verdeutlicht, dassder Honoraranspruch eines Vertragsarzteserst durch Festsetzung mittelsHonorarbescheid und nicht bereitsdurch Erbringung der ärztlichen Leistungentsteht. Die Abschlagszahlungen,welche vor endgültiger Honorarbescheidungliegen, unterliegendaher nicht den Regeln der Aufrechnung.<strong>Psychotherapie</strong> <strong>Aktuell</strong> 2/10 41


VersicherungsfragenFlexibles Vorsorgekonzept zu Sonderkonditionen vereinbartTimmy KlebbGeneralbevollmächtigter der DeutschenÄrzteversicherung AG, Mitgliedim Vorstand der DeutschenÄrzte Finanz AG. Verantwortlich fürdas Produktmanagement und dieBetreuung der StandesorganisationenTimmy KlebbFlexibles Vorsorgekonzept zuSonderkonditionen vereinbartPsychotherapeuten profitieren von neuem GruppenvertragDeutsche Ärzteversicherung –Kooperationspartner der Deutschen PsychotherapeutenVereinigungDie Deutsche PsychotherapeutenVereinigunghat für ihre Mitglieder mit derDeutschen Ärzteversicherung, Köln, einenbundesweit gültigen Gruppenvertragabgeschlossen. Dieser Gruppenvertragbietet unter dem Markennamen„DocD’or“ allen Mitgliedern derDeutschen PsychotherapeutenVereinigungflexible Vorsorgemöglichkeitenfür das Alter, den Fall der Berufsunfähigkeitund zur Absicherung der Familie.Mit der Beratung der Mitgliedersind die Repräsentanten der DeutschenÄrzte Finanz beauftragt.Zielsetzung der Zusammenarbeit istes, die wirtschaftlichen, politischenund sozialen Belange ihrer Mitgliederzu wahren.Die Deutsche Ärzteversicherung ist einSpezialversicherer, dessen Versicherungs-und Vorsorgeprodukte nur denAngehörigen der akademischen Heilberufevorbehalten sind. Das Unternehmenist eine Tochtergesellschaftder AXA-Gruppe, einem weltweit führendenVersicherungs- und Finanzdienstleistungskonzern.Es wurde imJahr 1881 von Ärzten – darunter derspäter mit dem Nobelpreis ausgezeichneteRobert Koch – in Berlin gegründet.Die stringente Fokussierungauf die Zielgruppe der akademischenHeilberufe und die fundierte Vertrautheitmit deren beruflichen Bedürfnissenist ohne Zweifel der größte Nutzenfür den Psychotherapeuten als Kundeder Deutschen Ärzteversicherung.Vernetzte PartnerEine enge Vernetzung mit starkenPartnern der akademischen Heilberufezeichnet das Unternehmen aus. Sobestehen mit den wichtigsten berufsständischenOrganisationen festevertragliche Verbindungen und engeZusammenarbeit. So arbeiten zumBeispiel 13 von 17 Ärztekammern mitdem Unternehmen auf vertraglicherBasis im Bereich Berufshaftpflichtversicherungzusammen. Ein solcher Vertrauensbeweisspricht für ein nachhaltigesBemühen um eine vertrauensvollePartnerschaft mit klaren Produktkonzepten,die die Partnerüberzeugen und die im Markt überlegensind. Neben den Körperschaftensind Kooperationen mit den großenfachübergreifenden Berufsverbändenwie Marburger Bund, Hartmannbund,Deutscher Hausärzteverband undFreier Verband Deutscher Zahnärzteder Kern eines festen Heilberufenetzwerkes.Dies ist in Deutschland einzigartigund ermöglicht die praxisorientierteEntwicklung von immer aktuellenLösungen zu Vorsorge- undAbsicherungsfragen. Dieses Netzwerkwird ergänzt durch eine exklusivebundesweite Kooperation mit derDeutschen Apotheker- und Ärztebank,die die Entwicklung von attraktivenProduktkonzepten im Fondsbereichmöglich macht.Ein Beirat als KundenschutzAls einzige deutsche Versicherungsgesellschafthat die Deutsche Ärzteversicherungeinen Kundenbeirat mitweitgehenden, vertraglich abgesichertenMitwirkungsrechten (Ombudsmannfunktion).Eine ganz entscheidendeRolle übernimmt er beider Beurteilung von Meinungsverschiedenheitenim Leistungsfall.Ausgezeichnet – die VorsorgeprodukteAus ihrer Tradition heraus verstehtsich die Deutsche Ärzteversicherungals Begleiter der Angehörigen derakademischen Heilberufe in den BereichenSicherheit und Finanzen. Dabeiwerden keine Produkte „von derStange“ angeboten, sondern Problemlösungen.Individuell auf dieKunden zugeschnitten und flexibel anneue Berufs- und Lebensphasen angepasstsind die Hauptmerkmale dieserProduktkonzepte.So auch bei DocD’or. Über DocD’orwerden Leistungen bei Berufsunfähigkeitmit dem Aufbau der Altersvorsorgesinnvoll verknüpft. Von der erstenBeitragszahlung an ist der Kunde nichtnur durch eine Berufsunfähigkeitsrenteabgesichert, sondern es wird auchfür eine zusätzliche Rente im Alter angespart.Im Falle der Berufsunfähigkeit– bei nur 50 Prozent Berufsunfähigkeitwird die volle vereinbarte Rente bezahlt– werden diese Sparbeiträgedann von der Deutschen Ärzteversicherungübernommen.Das Vorsorgekonzept DocD’or bietetintelligenten Vermögensaufbau, kombiniertmit überzeugenden Sicherheitsleistungen.Hinzu kommt eine individuellevorgeschaltete Bedarfsanalyseund Beratung.Weitere Informationenüber die DeutscheÄrzteversicherungund zu DocD’orkönnen unter der Internetadressewww.aerzteversicherung.de oderunter der Telefonnummer <strong>02</strong>21148-22700 abgerufen werden.42 <strong>Psychotherapie</strong> <strong>Aktuell</strong> 2/10


Veranstaltungskalender Juli bis September <strong>2010</strong>VeranstaltungenVeranstaltungskalenderJuli bis September <strong>2010</strong>Juli09.07. – 11.07.<strong>2010</strong> (München)7. Internationaler Kongress überTheorie und Therapie von Persönlichkeitsstörungen.Resilienz & VulnerabilitätAuskünfte/Kontakt:Iris Menrath/Schattauer GmbHFon 0711 2298746E-Mail Iris.Menrath@schattauer.de16.07.<strong>2010</strong> (München)Symposium „Alkoholmissbrauchbei Kindern und Jugendlichen“Wie gehen wir damit um? Wie kanngeholfen werden? Wie kann man Betroffeneoptimal aufklären?Auskünfte/Kontakt:Deutsche Kinderhilfe e.V.,Julia GliszewskaFon 030 24342940Fax 30 24342949E-Mail presse@kinderhilfe.deSeptember09.09. – 12.09.<strong>2010</strong> (Berlin)10. Tagung der Europäischen Gesellschaftfür GestalttherapieLost in transformation? – Changingidentities in a changing world.Auskünfte/Kontakt:DVG Geschäftsstelle,Grünberger Str. 14, 1<strong>02</strong>43 BerlinFon 030 74078284E-Mail info@gestalt<strong>2010</strong>.eu11.09.<strong>2010</strong> (Düsseldorf)Qualitätsmanagement in der PsychotherapeutischenPraxisWS „QEP®-Praxishandbuch“Referent: Dr. Heribert JoistenAuskünfte/Kontakt:Bundesgeschäftsstelle der DeutschenPsychotherapeutenVereinigungFon 030 2350090Fax 030 23500944E-Mail bgst@dptv.de15.09.-18.09.<strong>2010</strong> (Heidelberg)Jahrestagung der Deutschen Gesellschaftfür Systemische Therapieund Familientherapie e.V. (DGSF)Vom guten Leben in schwierigen Zeiten.Tagung zum 10-jährigen Bestehender DGSF.Auskünfte/Kontakt:E-Mail info@hsi-heidelberg.com16.09.–18.09.<strong>2010</strong> (Raum München)…..und wenn´s dann richtigkracht?Workshop. Systemische Gesprächsführungin Mehrpersonen-SettingsReferent: Michael FischerAuskünfte/Kontakt:Zentrum für Systemische Therapie,<strong>Psychotherapie</strong> im höheren LebensalterBei rund einem Viertel der älterenMenschen wird eine psychische Störungdiagnostiziert. Im Gegensatz zuden Jüngeren ist ihre Suizidalitätsratedoppelt so hoch. Zu selten werdendiese Menschen mit <strong>Psychotherapie</strong>behandelt und zu häufig mit Psychopharmaka.Noch immer glaubenselbst Fachleute, dass bei älterenMenschen eine <strong>Psychotherapie</strong> nichtsbringe oder sinnlos sei. Dabei zeigtsich, dass auch hier die <strong>Psychotherapie</strong>sehr gute Erfolge zeigt und zu erheblicherVerbesserung der Lebensqualitätbeiträgt.Die <strong>DPtV</strong> hat in Kooperation mit derBundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen(BAGSO) eineBroschüre herausgegeben, die alsRatgeber für ältere Menschen und fürderen Angehörige und Hausärzte gedachtist und helfen soll, einen leichterenZugang zur <strong>Psychotherapie</strong> zufinden. Die Broschüre „Wenn die Seelekrank ist – <strong>Psychotherapie</strong> im höherenLebensalter“ wurde anlässlicheiner Pressekonferenz am 21. Mai<strong>2010</strong> im Haus der Bundespressekonferenz,Berlin, der Öffentlichkeit vorgestellt.Supervision und BeratungSandstrasse 4180335 MünchenFon 089 5236343Fax 089 5236978E-Mail info@istob.de17.09.-21.09.<strong>2010</strong> (Freiburg)86. VerhaltenstherapiewocheSoziale Beziehung - soziale StörungAuskünfte/Kontakt:IFT-GesundheitsförderungEllen AndersssonFon 089 63080494E-Mail andersson@ift.de24.09. - 26.09.<strong>2010</strong> (Lindau)61. Jahrestagung der DeutschenGesellschaft für Psychoanalyse,<strong>Psychotherapie</strong>, Psychosomatikund Tiefenpsychologie (DGPT) e.V.AngstAuskünfte/Kontakt:Geschäftsstelle der DGPTFon 040 3192619Fax 040 3194300E-Mail psa@dgpt.de26.09.-30.09.<strong>2010</strong> (Bremen)47. Kongress der Deutschen Gesellschaftfür Psychologie (DGPs)Psychologische Kompetenz – Erklären,Entscheiden, PlanenAuskünfte/Kontakt:E-Mail dgps<strong>2010</strong>@bremen-tourism.deDie Broschüre kannvon der Homepage der<strong>DPtV</strong> heruntergeladenwerden unter www.dptv.deStopptdas»Vogel-Strauß-Syndrom«Menschen werden belästigt, bedroht,geschlagen, sexuell gedemütigt –vor unseren Augen.Die Opfer hoffen auf unsere Hilfe.Viel zu oft jedoch vergebens. Jeder vonuns kann helfen. Auch Sie!ZeigtZivilcourage.Ruft Hilfe:110www.weisser-ring.deSpendenkonto 34 34 34Deutsche Bank Mainz (BLZ 550 700 40)Opfer-Telefon 0800 0800 343<strong>Psychotherapie</strong> <strong>Aktuell</strong> 2/1043


KleinanzeigenRezensionsangeboteNachfolgende Veröffentlichungen stehen derzeit als kostenlose Besprechungsexemplarezur Verfügung. Sie verpflichten sich zur Rezension innerhalbvon drei Monaten. Die Beiträge sollen 2.500 bis max. 4.000 Zeichen(inkl. Leerzeichen) umfassen. Die Redaktion behält sich Kürzungenvor. Da jeweils nur ein Rezensionsexemplar zur Verfügung steht, könnennicht alle Anfragen berücksichtigt werden. Die Bücher können angefordertwerden beiRedaktion <strong>Psychotherapie</strong> <strong>Aktuell</strong>Fon <strong>02</strong>08 6282701 – Fax <strong>02</strong>08 62827<strong>02</strong>E-Mail psychotherapieaktuell@dptv.deArnoud ArntzHanni van GenderenSchematherapie bei Borderline-Persönlichkeitsstörung<strong>2010</strong>, Beltz187 Seiten / 34,95 €Gabi BleichhardtAlexandra MartinHypochondrie undKrankheitsangstReihe: Fortschritte der <strong>Psychotherapie</strong><strong>2010</strong>, Hogrefe80 Seiten / 15,95 €Hrsg. von Claudia FrankLudger M. HermannsElfriede LöchelJahrbuch der PsychoanalyseBand 60Perversionen – Zur Theorie und Behandlungstechnik<strong>2010</strong>, frommann holzboog200 Seiten / 52,00 €Hans LiebAndreas von PeinDer kranke Gesunde2009, Trias192 Seiten / 19,95 €Hans LiebSo hab ich das noch niegesehenSystemische Therapie für Verhaltenstherapeuten2009, Carl-Auer-Verlag270 Seiten / 29,95 €Tilmann MüllerBeate PaterokSchlaftrainingEin Therapiemanual zur Behandlungvon Schlafstörungen<strong>2010</strong>, Hogrefe153 Seiten inkl. CD-Rom / 36,95 €Jochen PeichlJedes Ich ist viele TeileDie inneren Selbst-Anteile als Ressourcenutzen<strong>2010</strong>, Kösel159 Seiten / 16,95 €WeitereRezensions -angebotefinden Sie im Internet unterwww.dptv.deErarbeitung Ihres individuellenQM – Handbuchsdurch qualifizierteDipl.-Psychologin.Persönlich, preiswert und zeitnah.Tel.: 030 / 89 54 28 80Mobil: 0172 31 37 900E-Mail: YvonneWeberling@gmx.deKleinanzeigenPraxissuche/Praxiskaufverkauf/PraxistauschFreiburg: Psychologischer Psychotherapeutsucht halben oder vollenKV-Sitz zu sofort oder später. Fon04355/181881Darmstadt: Psychologische Psychotherapeutin(VT) sucht Praxis oderPraxisanteil zu kaufen. KV-Zulassungoder Teilzulassung erwünscht. Fon0179/5268496 oder 06151/9510679Bonn: KV-Sitz (VT), Vollzeit zu tauschengesucht. Gewünschter Ort: Köln(möglichst Köln-West). Kontaktaufnahmeunter Fon <strong>02</strong>244/912053Lehre (zwischen Braunschweig uWolfsburg): Ganzer Praxissitz zum01.10.<strong>2010</strong> abzugeben, TfP, Fon05306/990379, Kettelerc@aol.comWestliches Ruhrgebiet: KJP-KV-Praxis zeitnah abzugeben, Raumübernahmemöglich; Inventarübernahmeerwünscht; Patientenstammund gute Kooperationen vorhanden;Preis VB. Antworten erbeten unter:kjp-kv-praxis@web.deRäume/VermietungDüsseldorf: Große Seminar- und Tagungsräume/Therapieräumein repräsentativerPraxis in verschiedenenGrößen, zentrale Lage, zu vermieten,Fon <strong>02</strong>11/59837783Raum Potsdam bzw. Potsdam-Mittelmark:Psychologische Psychotherapeutin(Erw. VT) sucht stunden-/tageweisePraxisraum zur Miete. 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Arztregis -tereintrag sind Voraussetzung, aussagekräftigeBewerbungen bitte an MatthiasHeidt, Pirmasenser Str. 23b, 66994Dahn oder Matthias.Heidt@t-online.deChemnitz: Sicherstellungsassistent/infür psychotherapeutische Praxis (Erwachsene,VT) ab 01.08.<strong>2010</strong> oderspäter gesucht. Fon 0371/27393773VerschiedenesSie wollen ihr Qualitätsmanagementsystemaufbauen, aktualisieren oderzertifizieren lassen? Ich biete Ihnenhierzu individuelle Unterstützung/Beratungan. Kompetent, flexibel, zuverlässig,vertrauensvoll. Info: C. Thamm,Fon 040/88128615, qms@clemensthamm.deKartenlesegerät ORGA 6041 L eGK unbenutztin Originalverpackung günstigabzugeben. Fon <strong>02</strong>271/42308Kartenlesegerät Hypercom GmbH medCompact V 2.0 Neupreis 474,- € günstigabzugeben. Fon <strong>02</strong>403/37887Hamburg: Psychologischer Psychoth.(TP) sucht Intervisionsgruppe. Fon040/4207196Anzeigenannahme:<strong>Psychotherapie</strong> <strong>Aktuell</strong>Am Karlsbad 1510785 BerlinFon 030 235 009-0Fax 030 235 009-44anzeigen@psychotherapieaktuell.deDie Mediadaten unserer Zeitschriftsowie Anzeigen- und Beilagenpreisefinden Sie aufwww.psychotherapieaktuell.deGern können Sie Kontakt zu unsererAnzeigenabteilung aufnehmen,wir erstellen Ihnen aufWunsch ein individuelles Angebot.Zuschriften auf Chiffre-Anzeigenrichten Sie bitte unter Angabe derChiffre-Nr. an die Adresse der <strong>DPtV</strong>.44 <strong>Psychotherapie</strong> <strong>Aktuell</strong> 2/10


VerbandsinternAdressen <strong>DPtV</strong>BundesgeschäftsstelleAm Karlsbad 1510785 BerlinFon 030 235009-0Fax 030 235009-44Geschäftsführer: Carsten FregeMo u. Fr 9.00 – 14.00 UhrDi, Mi, Do 9.00 – 15.00 Uhrbgst@dptv.deBundesvorstandBundesvorsitzenderDieter BestPostfach 14011667<strong>02</strong>1 LudwigshafenFon 030 235009-0Fax 030 235009-44Achtung Hier kommt Text.DieterBest@dptv.deStellv. BundesvorsitzendeGebhard HentschelNeubrückenstr. 6048143 MünsterFon <strong>02</strong>51 4829061Fax <strong>02</strong>51 4829062GebhardHentschel@dptv.deBarbara LubischSchmiedstr. 152062 AachenFon <strong>02</strong>41 4011539Fax <strong>02</strong>41 5791183B.Lubisch@t-online.deDr. Hans NadolnySchwachhauser Ring 528213 BremenFon 0421 490322Fax 0421 2237144DrHansNadolny@dptv.deSabine SchäferTobelwasenweg 1073235 WeilheimFon 07<strong>02</strong>3 749147Fax 07<strong>02</strong>3 749146SabineSchaefer@dptv.deHans-Jochen WeidhaasWellsring 43a67098 Bad DürkheimFon 06322 982107Fax 06322 66903HansJochenWeidhaas@dptv.deAnsprechpartner/Landesvorsitzendein den BundesländernBaden-WürttembergDr. Alessandro CavicchioliZollhüttengasse 1874523 Schwäbisch HallFon 0791 94016973Fax 0791 857<strong>02</strong>6Gs-bw@dptv.deBayernRudolf BittnerKlötzlmüllerstr. 1484034 LandshutFon 0871 45018Fax 08704 928649rudi-bittner@t-online.deBerlinWinfried JakschRingstr. 5212205 BerlinFon 030 88629478Fax 030 88629479mail@dpvberlin.deBrandenburgHartmut UhlBenzstr. 8914482 PotsdamFon 0331 7481478HU0331@aol.comBremenHelga Friehe-RüdebuschLüneburger Str. 2<strong>02</strong>8203 BremenFon 0421 7059<strong>02</strong>Fax 0421 7940962helga@friehe.comHamburgHeike PeperMax-Brauer-Allee 4522765 HamburgFon 040 41912821Fax 040 41912972Heike.Peper@web.deHessenElse DöringAm Weißen Stein 1160431 FrankfurtFon 069 515351Fax 069 50682615elsedoering@t-online.deGeschäftsstelle Hessenc/o Michael RuhSteinweg 1135066 FrankenbergFon 06451 718557Fax 06451 718556Mo.-Fr. 09.00-12.00 Uhrdptv-hessen@t-online.deMecklenburg-VorpommernKaren FranzRudolf-Breitscheid-Str. 723936 GrevesmühlenFon 03881 79050Fax 03881 7589924info@dptv-mv.deNiedersachsenWilfried HauerMagnitorwall 438100 BraunschweigFon 0531 2338192Fax 0531 6176226Mi 10.00-12.00 Uhr (05333 1301)nicht i. d. SchulferienHauer-Scheiber@t-online.deNordrhein-WestfalenNordrheinBarbara LubischGeschäftsstelle Nordrheinc/o Dr. Andreas ŠoljanBenderstraße 7640625 DüsseldorfFon <strong>02</strong>11 9233064Fax <strong>02</strong>11 96659823Di 13.00-16.00 UhrFr 09.00-13.00 Uhrgs-nordrhein@dptv.deWestfalen-LippeGebhard HentschelNeubrückenstr. 6048143 MünsterFon <strong>02</strong>51 4829061Fax <strong>02</strong>51 4829062Mo., Mi., Fr. 09.00-11.00 UhrGS-Westfalen-Lippe@dptv.deRheinland-PfalzPeter Andreas StaubBahnhofstr. 6567251 FreinsheimFon 06353 5080573i.d.R. werktags 11.30-12.15 Uhrpeter.a.staub@dptv-rlp.deSaarlandBernhard PetersenBahnhofstr. 4166111 SaarbrückenFon 0681 9385045Fax 0681 9385046Bernhard.Petersen@t-online.deSachsenDr. Peter SchusterKrenkelstr. 701309 DresdenFon 0351 3125005Fax 0351 8048415schuster@dpap.deGeschäftsstelle Sachsenc/o Angela GröberBahnhofstr. 601640 CoswigFon 03523 78<strong>02</strong>5Fax 03523 78<strong>02</strong>2<strong>DPtV</strong>.Sachsen@gmx.deSachsen-AnhaltChristiane DittmannBahnhofstr. 3239638 GardelegenFon 03907 739369Fax 03907 420693christianedittmann@hotmail.comSchleswig-HolsteinHeiko BorchersVinetaplatz 524143 KielFon 0431 731760Fax 04347 708839Praxis.borchers@kielnet.netThüringenChristiane RottmayerSchöne Aussicht 1298617 MeiningenFon 03693 9300045Fax 03693 9300045Rottmayer-Meiningen@t-online.deVorstand der Delegierte nversammlungMichael Ruh (Vorsitzender)Kontaktdaten s. Landesgruppe HessenDr. Alessandro Cavicchioli (Stellv. Vors.)Kontaktdaten s. Landesgruppe Baden-WürttembergImpressumDie Zeitschrift „<strong>Psychotherapie</strong> <strong>Aktuell</strong>“ hatsich zum Ziel gesetzt, die Anliegen der PsychologischenPsychotherapeuten und Kinder-und Jugendlichenpsychotherapeuten inden Mittelpunkt zu stellen. Sie widmet sichregelmäßig aktuellen gesundheitspolitischenund juristischen Themen und gibtpraktische Hilfestellung für den Praxisalltag.Sie ist Verbandszeitschrift der DeutschenPsychotherapeutenVereinigung (<strong>DPtV</strong>) e.V.Die Zeitschrift „<strong>Psychotherapie</strong> <strong>Aktuell</strong>“erscheint i. d. R. viermal jährlich. Sonderausgabensind möglich. Für Mitglieder derDeutschen PsychotherapeutenVereinigungist der Bezugspreis durch den Mitgliedsbeitragabgegolten.Verlag und HerausgeberDeutsche PsychotherapeutenVereinigungAm Karlsbad 15 · 10785 BerlinFon 030 2350090 · Fax 030 23500944E-Mail bgst@dptv.de – Internet www.dptv.deVerantwortliche SchriftleitungSabine Schäfer (v.i.s.d.P.)Tobelwasenweg 10 · 73235 Weilheim/TeckFon 07<strong>02</strong>3 749147 · Fax 07<strong>02</strong>3 749146E-Mail SabineSchaefer@dptv.deKontaktanschrift der RedaktionRegine HoltzDohlenstr. 36 · 46145 OberhausenFon <strong>02</strong>08 6282701 · Fax <strong>02</strong>08 62827<strong>02</strong>E-Mail psychotherapieaktuell@dptv.deBildnachweisTitelbild: Jasmin Merdan / Fotolia.comSeite 20: B.Broianigo / pixelio.deSeite 22: Lydia Margerdt / pixelio.deSeite 30/31: Kassenärztliche BundesvereinigungSeite 34: Michael Stütz / pixelio.deAnzeigen und BeilagenMary Anne GottwaldDeutsche PsychotherapeutenVereinigungBundesgeschäftsstelleAm Karlsbad 15 · 10785 BerlinFon 030 2350090 · Fax 030 23500944E-Mail anzeigen@psychotherapieaktuell.deRedaktionsbeiratDieter Best, Sabine Schäfer, Carsten Frege,Mechthild LahmeFür unverlangt eingesandte Manuskripte und Fotoswird keine Haftung übernommen. 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Rezensionenfür Sie gelesen...Hilarion G. Petzold / Johanna Sieper(Hrsg.)Der Wille, die Neurobiologie unddie <strong>Psychotherapie</strong>Bd. I: Zwischen Freiheit und Determination2008, Edition Sirius331 Seiten, 12 Abb., kart.29,80 €ISBN 978-3-89528-642-1Rezensiert vonChristiane DittmannHilarion G. Petzold / Johanna Sieper(Hrsg.)Der Wille, die Neurobiologie unddie <strong>Psychotherapie</strong>Bd. II: <strong>Psychotherapie</strong> des Willens.Theorie, Methoden und Praxis2008, Edition Sirius419 Seiten, 16 teilw. farbige Abb., kart.29,80 €ISBN 978-3-89528-643-8Die beiden Bände dieses Buches in Paperbackmit einem Einband in dunklerFarbe und weißer Schrift wirken optischbescheiden, sind es aber nicht.Der Inhalt ist anspruchsvoll. Die Orientierungüber das Inhaltsverzeichnis inden beiden Bänden geht nur mit demersten Band. Dort ist auch das Inhaltsverzeichnisdes zweiten Bandes enthalten.Im zweiten Band kann das Inhaltsverzeichnisdes ersten Bandesnicht eingesehen werden. Ein Personenregister,ein Schlagwortregisterund das Verzeichnis der Autoren undAutorinnen gibt es dagegen nur imzweiten Band. Das fand ich beim Lesendes ersten Bandes etwas mühsam zurOrientierung. Die Herausgeber habendas Schlagwortregister auch im Internetzugänglich gemacht (www.fpi-publikationenen.de/polyloge).Das erscheintmir für Interessenten wichtig,auch wenn ich selbst nicht so intensivüber das Internet arbeite. Ein Literaturverzeichnisfindet sich am Ende jedesTextes.Diese Strukturierungen geben den beidenBänden die Form eines Handbuches,in dem jeder schnell und präzisezu dem geeigneten Text geführt wird,entsprechend der ihn interessierendenFrage zum Willensthema. In beidenBänden gibt es auch ein sehr ausführlichesVorwort der Herausgeber, dasauf den jeweiligen Band und seineTexte einstimmt. Das fand ich gut, daich mich mit dem Willensthema in dieserAusführlichkeit bisher noch nichtbeschäftigt hatte.Ich fühlte mich von dem Herausgeberim Vorwort gut eingestimmt auf dasAnliegen des Buches, in dem sie mitgroßem Engagement schreiben: Den„Ort der Kontrolle“ über das eigeneLeben sollte ein Mensch in seinen eigenenHänden haben! Damit fühlteich mich in dem Anliegen meiner therapeutischenArbeit und dem Wunschmeines persönlichen Lebens voll angesprochen.Die Herausgeber gebenzu bedenken, dass die ständige Beeinträchtigungoder Unterdrückungindividueller Willensäußerungen undWillensstrebungen im sozialen Kontext,in Familie oder im Arbeitsleben,Konflikte schaffen, die sozialen Stressbewirken und der führt zu Auflehnung,Reaktanz, Widerstand, Aggression.Perpetuiert sich dieses repressive Milieu,sind Resignation, Ohnmachtserleben,Störungen, Krankheiten dieFolge. Es fehlen „Selbstwirksamkeit“(Bandura) und „persönliche Souveränität“(Petzold), dafür gibt es „erlernteHilflosigkeit“ (Seligman), beschädigtesSelbstwertgefühl, Passivitätund daraus resultierende Störungen,die wir in der therapeutischen Arbeitständig vor Augen haben. Dabei sindsich die Herausgeber mit den Autorenund Autorinnen dieser beiden Bändeeinig: Ganz gleich aus welcher psychotherapeutischenRichtung mandas Thema angeht, man gelangt stetszum Stressparadigma.Bei der Psychoanalyse ist es die versagendeMutter; der überstrenge Vater.Systemische Therapie geht vonfehlgeleiteter Kommunikation in Familiensystemenaus. Andere Therapieschulenbenennen es anders, aber immerbeschneiden solche KonstellationenWillensäußerungen und die willentlicheRealisierung von Absichtenund Zielen, oder sie werden negativsanktioniert. Damit ist der „Locus ofcontrol“ extern bestimmt. Aus einerneurobiologischen Perspektive betrachtet,wird damit belastendesStresserleben verursacht, werden befriedigendeVerhaltensperformationenverhindert, erfolgen Fehlbahnungenbzw. Bahnungen von dysfunktionalenEntlastungsstrategien, die adäquatesBewältigungsverhalten undkreative Problemlösungen blockieren.Mit diesen bekräftigten Mustern lassensich Potentiale nicht auf Dauerverwirklichen bei den verschiedenenEntwicklungsaufgaben. So gibt esdann neue Störungen, die von bewusstintendierten Willensanstrengungenallein nicht mehr beeinflusstwerden können, denn ein untergründiges„anderes Wollen“ ist inzwischenam Werk.Nur eine psychologisch und neurowissenschaftlichfachkompetente Beratungund Behandlung kann dannWege weisen, wie er seine Willenskräftewieder zurückgewinnt. Damithaben wir Therapeuten, unabhängigvon welcher Therapieschule aus, täglichmit den Patienten zusammen zuklären, was der Wille des Patientenbewirken wird, wenn er und ob er ihnzu seinem Willen macht.Für jede Therapie ist der Wille für denErfolg unverzichtbar! Das ist die starkeAussage dieses Werkes! Dennochist dieses Thema in der <strong>Psychotherapie</strong>nicht zentral, nach Meinung derAutoren, „Warum es das so langenicht war und immer noch nicht ist,nicht zum Gegenstand substanziellerTheorienentwicklungen wurde und inder therapeutischen Praxis keine expliziteBedeutung hatte, diese Frage, dieauch als eine Frage nach „kollektiverSkotomisierung“ des psychotherapeu-46<strong>Psychotherapie</strong> <strong>Aktuell</strong> 2/10


für Sie gelesen...Rezensionentischen Feldes in dieser Sache gesehenwerden kann, ist nicht nur auf der Ebenetheoretischer Diskurse abzuhandeln,sondern die Therapeuten müssensie auch an sich selbst richten,wenn sie dem Willensproblem bislangkeine oder nur geringe Beachtung geschenkthaben.“(S.8, Bd .I).Auch die Herausgeber haben vor vielenJahren eine Willensentscheidunggetroffen: Ein Projekt zu dem Thema„ Wille“ in Angriff zu nehmen. Es istinterdisziplinär gestaltet und 2001 erschienvon Petzold ein erster Band zudem Willensthema, in dem zum erstenMal aus der Sicht der Philosophie,Psychologie, Pädagogik, Theologieund <strong>Psychotherapie</strong> disziplinübergreifendTexte veröffentlicht wurden(Petzold (Hrsg.) „Wille und Wollen –Psychologische Modelle und Konzepte“Göttingen, Vandenhoeck & Ruprecht2001).Die Position der großen psychotherapeutischenSchulen zur Willensfragewurde in einem weiteren Band veröffentlicht(Petzold, Sieper „Der Willein der <strong>Psychotherapie</strong>“ 2 Bände Göttingen;Vandenhoeck & Ruprecht2004). Nun legen Petzold und Sieperdieses zweibändige Werk vor, das ichals eine Fortsetzung sehe. Die Herausgeberbetonen im Vorwort, dass inden schulenübergreifenden Publikationenzum Willensthema in der <strong>Psychotherapie</strong>bisher von keinem derAutoren und Autorinnen auf neurowissenschaftlicheZusammenhängeund Literatur zurückgegriffen wurde.Diese Lücke ist jetzt geschlossen. Andererseitsbleiben aber auch philosophischeFragen nach dem freien Willennicht unberücksichtigt.Im ersten Band werden Grundlagenfragenaufgegriffen, (z.B. Wuketits„Evolution zum freier Willen?“; Kornhuberund L. Deecke „Wille und Gehirn-Integrative Perspektiven“; B. Libet„Besitzen wir Willensfreiheit“ u.UnsereRezensions -angebotefinden Sie auf Seite 44 oder im Internetunter www.dptv.dea.). Damit sind nur wenige der inte -ressanten Titel im ersten Band genannt,ohne dass andere ungenannteweniger spannend wären.Die Auswahl der Autoren und Autorinnen,Themen und Thesen trafen dieHerausgeber danach, wie intensiv aufdas Problem der „Passung“ in therapeutischenBeziehungen oder das„Leib-Seele“ bzw. „Körper-Seele-Geist-Problem“ eingingen. Diese Auswahlerscheint mir sehr gut gelungenund vermittelte Spaß am Lesen.Im zweiten Band, dessen Untertitelheißt „Theorien, Methoden und Praxis“wird auf praxeologische undmethodologische Fragen des Umgangsmit dem Willen in der <strong>Psychotherapie</strong>eingegangen. Hier erweisensich die Herausgeber mit ihren eigenenText und die Autorinnen und Autorenals Praktiker, die über große Erfahrungin der therapeutischen Arbeitverfügen.Jeder dieser beiden Bände kann fürsich stehen. Mir hat die Kopplungoder auch der Brückenschlag zwischenden Bereichen Grundlagenfragenund Anwendungskonzepten gutgefallen. In der Einleitung der beidenBände stellen die Herausgeber dieThesen und Themen der Autoren undAutorinnenrecht ausführlich vor. Ichfand das eine gute Einstimmung aufdie Thesen der Autoren und Autorinnenund hatte dennoch das Gefühl,mir zu jedem eine eigene Meinungbilden zu können. So entstand fürmich mit den Herausgebern eine innereDiskussion, die den Spaß am Lesenbeider Bände aufrecht hielt. Ichmöchte hier nicht auf jede dieser Thesenvon den hervorragenden Autorenund Autorinnen eingehen. Das würdeden Rahmen einer Rezension sprengenfür mein Gefühl. Aber in meineArbeit hat es das Willensthema klarereingebracht und dafür bin ich denHerausgebern dankbar.Thomas PrünteDas GefühlsklavierVom stimmigen Umgang mitunseren Emotionen2009, DGVT Verlag464 Seiten19,80 € (D)ISBN 978-3-87159-093-1Rezensiert vonClaus NowakSchon die ersten Seiten machen eingutes Gefühl, wecken sie doch persönlicheErinnerungen an den engen Zusammenhangvon Musik und Emotion.Die Metaphern „Klangkörper“ und„Klaviatur“ für die Wahrnehmung undden Ausdruck menschlicher Gefühlebieten eine Fülle von Analogien. MitAnalogien zu arbeiten ist nicht einfach:sind sie unpassend, wirken sie oft peinlich.Treffen sie jedoch den Punkt, wiein diesem Fall, dann ermöglichen sieErkenntnisse und Differenzierungen,wie sie eine reine Beschreibung niemalsbieten kann. Beispielsweise,wenn der Autor den Zusammenhangzwischen Stimme und Stimmung herstellt,das Selbstwertgefühl als„Grundakkord“ bezeichnet oder wenner empfiehlt, das Spektrum der eigenen„Töne“ und „Schwingungen“ zunächstzu erforschen, dann das eigene„Instrument“ zu stimmen, bisher ungewohnteTöne einzuüben undschließlich die eigene „Komposition“zu spielen. Diese Bezüge zwischen Musikund Gefühl durchziehen das ganzeBuch ohne jemals gezwungen zu wirken.Allein das macht das Buch schonlesenswert.Thomas Prünte ist Therapeut. Und soerfährt man eine Menge über natürlicheund neurotische Gefühlszustände.Die Vermittlung dieses spannendenThemas erfolgt mittels zahlreicher lebensnaherBeispiele aus der eigenentherapeutischen Praxis ebenso wieüber alte und neue Erkenntnisse ausder Emotionsforschung („wir weinennicht weil wir traurig sind – sondernwir sind traurig, weil wir weinen.“).Die angenehmen wie die unangenehmenGefühle werden in ihrer Vielgestaltigkeitbeschrieben, einschließlichihrer funktionalen und dysfunktionalenBedeutung.Im ersten Abschnitt werden die unangenehmenGefühle in ihren extrovertierten(wie Ärger, Trauer, Neid, Schuld,Ekel) und introvertierten Ausprägungen(wie Einsamkeit, Ohnmacht, Angst,Scham, Zweifel) vorgestellt. Und trotzaller Problematik gibt es immer wiederkonstruktive Hinweise beispielsweisezum Umgang mit Sorgen-Arien oderder Orchestrierung von Einsamkeit.Im zweiten Teil geht es um die angenehmenGefühle wie Liebe, Lust undLeidenschaft, aber auch Zuneigungund Dankbarkeit. Interessant, dassdieser Abschnitt nur halb so lang istwie der erste, eine gute Relation angesichtsder Tatsache, dass es siebzehnmalmehr Studien zu negativenals zu positiven Empfindungen gibt.Das Spektrum negativer Gefühle inMoll ist offensichtlich reichhaltigerund beschäftigt uns stärker als dienegativen Empfindungen in Dur.Umso erfreulicher ist es da zu erfahren,dass die Kurve der Zufriedenheit in derRegel bis ins hohe Alter ansteigt!Alle diese Inhalte, verbunden mit vielenund hilfreichen Anregungen werdenwissenschaftlich fundiert dochnicht distanziert dargestellt. Manmerkt es dem Autor an, dass ihm dasBuch emotional wichtig ist, dass erselbst „mitschwingt“ nicht nur bei denvielen Hinweisen auf die Musik der70er und 80er Jahre. Um auch beim LeserResonanzen zu erzeugen, bietendie zahlreichen „Etüden“ Möglichkeitenzur vertiefenden Selbstreflexion.Ein informatives und wichtiges Buch,einfühlsam geschrieben mit viel Lebenserfahrungund „Good Vibrations“.Nicht nur für Musiker und Therapeuten,sondern für alle, die mehr über eigeneGefühle und die ihrer Mitmenschen erfahrenwollen.<strong>Psychotherapie</strong> <strong>Aktuell</strong> 2/10 47


NachrufPositive Psycho therapie im Dialog der KulturenThomas KornbichlerPositive Psycho therapieim Dialog der KulturenZum Tod von Prof. Dr. med. Nossrat PeseschkianDr. ThomasKornbichlerlebt und arbeitet als Psychotherapeutund Publizist in Berlin-Brandenburg.Er ist u.a. Autor von „NossratPeseschkian Morgenland-Abendland“.Am 27. April <strong>2010</strong> verstarb der Neurologe,Psychiater und PsychotherapeutNossrat Peseschkian, der vor allemals Begründer der Positiven <strong>Psychotherapie</strong>sowie als Autor zahlreicherBücher weithin Bekanntheiterlangte. Sein Wirken beschränktesich jedoch nicht nur auf den Gesundheitsbereich.Auch in der kulturübergreifendenVerständigung hat er mitHumor und feinsinnigen Gedankenvielerlei Brücken gebaut.Es gibt keinen Fahrstuhl zum Glück– man muss die Treppe nehmen!Wie finde ich das richtige Verhältniszwischen Arbeit und Familie? Wie geheich mit dem Verlust eines geliebtenMenschen um? Warum bin ich eifersüchtig?Wie finde ich Kraft, wennich meinen Job verliere? Nossrat Peseschkiansuchte stets kreative Antwortenauf die großen Fragen des Lebens– nicht abstrakt, sondern bezogenauf unsere Lebenswirklichkeit. Esgibt keinen Fahrstuhl zum Glück –man muss die Treppe nehmen!Im Humor und im gemeinsamenLachen solidarisieren sich Psychotherapeutund Patient und findeneinen Ausweg aus einer schierausweglosen SituationFrüh hatte er erkannt, dass und wieLachen und Humor in der Medizin alsHeilmittel angewendet werden könnenund welchen Einfluss sie auf unsereGesundheit und unsere Krankheitennehmen können. Keiner seinerPatienten sollte sein Sprechzimmerverlassen, bevor er nicht mindestensdreimal gelacht hatte. Humor und dieFähigkeit zu lachen und sich an lustigenDingen zu erfreuen, ist eine ungemeinwichtige und heilvolle Eigenschaftder Menschen. Art und Weisedes Humors eines Menschen sind diag -nostisch aufschlussreich, was den Gesundheitszustandangeht. Nossrat PeseschkiansWeisheit in diesem Zusammenhanglautete: „Humor ist dasSalz des Lebens. Wer gut gesalzen ist,bleibt lange frisch.“Seelische Störungen erleiden wiraus einem Ungleichgewicht unsererErwartungen, Fähigkeiten undMöglichkeiten heraus„Sich-in-Ordnung-Bringen“ ist mehrals ein rationales Strukturieren. Einesinnvolle Ordnung unseres Lebensentsteht aus der gelebten Balanceunserer ganzheitlichen Bedürfnisse,wie sie uns aus unserer körperlichen,sozialen, natürlichen und geistigenExistenz erwachsen. Seelische Störungenerleiden wir aus einem Ungleichgewichtunserer Erwartungen,Fähigkeiten und Möglichkeiten heraus.Positive <strong>Psychotherapie</strong> ist einezeitgemäße Methode ganzheitlicherHeilkunde und hilft uns, unsere Liebes-und Erkenntnisfähigkeiten zunutzen und zu entwickeln. Sie gründetin einer mehr als hundertjährigenGeschichte der <strong>Psychotherapie</strong> underweist sich vor allem als praktische,allgemeinverständliche und breit anwendbareMethode bewusster Lebensgestaltung.Positive <strong>Psychotherapie</strong> als Grundlageder GanzheitsmedinLandauf landab sind wir seit JahrenZeugen einer finanztechnischen Debattehinsichtlich einer Reform desGesundheitswesens. Was aber Nottut, ist eine inhaltsorientierte Strukturreformdes Gesundheitswesens.Diese wird gelingen, wenn wir unsüber die naturwissenschaftliche Körpermedizinhinaus vermehrt die Möglichkeiteneiner bereits bestehendenhuman- und geisteswissenschaftlichenGanzheitsmedizin erschließen.Das bedeutet aber nichts weniger alseine Revolution des derzeit herrschendenärztlichen Weltbildes, daseinseitig einer materialistischen Gesundheitsindustrieverpflichtet ist.Positive und Transkulturelle <strong>Psychotherapie</strong>im Zeitalter der GlobalisierungNossrat Peseschkian wurde 1933 imIran geboren und lebte seit 1954 inDeutschland. Von 1969 bis 2000 führteer eine psychotherapeutische Tagesklinikin Wiesbaden. Er war Leiterder Internationalen Akademie für Positiveund Transkulturelle <strong>Psychotherapie</strong>(Peseschkian-Stiftung). Aus Persienstammend, hatte Peseschkian inDeutschland seine zweite Heimat gefunden.In alle Regionen unserer Weltausgreifend, systematisierte er daspsychotherapeutische Wissen unsererZeit vor dem Hintergrund uralterMenschheitstraditionen in Ost undWest und baute es zu einem äußersthilfreichen, weltweit verständlichenInstrument sinnvoller Lebensgestaltungaus. Leben und Werk von NossratPeseschkian zeigen, was aus einempositiven Dialog der Kulturenentstehen kann. Statt auf den Kampfsetzte er auf die Kommunikation.Peseschkian ist Begründer der Positiven<strong>Psychotherapie</strong> und Autor von ca.30 Büchern. Seine Werke wurden in23 Sprachen übersetzt. RegelmäßigeVortrags- und Seminartätigkeitenführten ihn in 73 Länder und Territoriender Welt. Die Fülle der Sinnsprücheund Geschichten, die er stets parathatte, entsprach seiner positivaufbauenden Eigenart. Nossrat Peseschkianwar nie um ein heilsamesGleichnis verlegen. Vielmehr verfügteer über ein Füllhorn an Lebensweisheiten,das aus orientalischen undabendländischen Quellen der Lebenskenntnis,Menschenkenntnis undSelbsterkenntnis schöpfte.„Wer sich selbst und andere kennt,wird auch hier erkennen:Orient und Okzidentsind nicht mehr zu trennen.“(Johann Wolfgang von Goethe,„West-östlicher Diwan“)Nossrat Peseschkian hat als Begründerzahlreicher Einrichtungen weltweit aufallen Kontinenten viel zur Aus-, WeiterundFortbildung einer ganzen Generationvon Psychotherapeuten und Beraternbeigetragen (von 1974–<strong>2010</strong> wurdeninsgesamt etwa 38.000 Ärzte, Psychologenund Pädagogen fort- undweitergebildet). In Anerkennung seinerLeistungen erhielt Nossrat Peseschkianzahlreiche Auszeichnungen (u. a. Richard-Merten-Preis1997, Ernst-von-Bergmann-Plakette 1998, Bundesverdienstkreuzam Bande 2006, InternationalerAvicenna-Preis 2006 von derVereinigung der Iranischen Ärzte undZahnärzte in der BRD , Preis EncyclopaediaIranica in Genf 2006).Der Tod von Nossrat Peseschkian kamunerwartet und erfüllt weltweit vieleMenschen mit schmerzlicher Trauer.Er war ein großer Liebender und wirdauf Dauer von vielen Menschen inLiebe erinnert werden. Lesetipp48 <strong>Psychotherapie</strong> <strong>Aktuell</strong> 2/10


Für alle Kolleginnen und Kollegen die Ihr QM-Praxishandbuch (QM-H) einfach undunkompliziert in einem A4-Ringordner fertigstellen möchten, ist von der Deutschen PsychotherapeutenVereinigungein QM-H erschienen, das die Mindestanforderungen derQualitätsmanagementrichtlinie des G-BA erfüllt. Die Definition der QEP ® -Qualitätszielebasiert auf den Kriterien des QEP ® -Qualitätszielkatalogs der KBV von 2005.Darin finden Sie zugeschnitten auf eine Einzelpraxis ohne Mitarbeiter:Bearbeitungsvorschläge für ca. 33 QEP ® -Kernziele*Beispielprozessbeschreibungen, die einfach individualisiert und/oder einfachübernommen werden könnenWir bieten Ihnen das QM-Praxishandbuch im praktischen Ordner mit farbigem Registerkomplett sortiert an.Preis für Mitglieder: 49,90 €Nichtmitglieder zahlen 100% AufpreisBestellungen richten Sie bitte an die Deutsche PsychotherapeutenVereinigungAm Karlsbad 15 · 10785 Berlin · Tel. 030/235 009 0 · Fax 030/235 009 44 · bgst@dptv.de*QEP ® ist einQualitätsmanagementsystem der KVen und der KBV.Originalwerk: Diel F, Gibis B (Hrsg), Qualitätsziel-Katalog kompakt, Version 2005, Deutscher Ärzte-VerlagSie erhalten als Mitglied der <strong>DPtV</strong> in der Bundesgeschäftsstellekostenfreie individuelle berufsbezogene Beratung- per Telefon, Telefax, schriftlich oder per Mailin allen Fragen zu folgenden Themenschwerpunkten:• Berufsrechtliche und sozialrechtliche Voraussetzungen des Berufes• Praxisgründung, Kauf, Verkauf, Ruhenlassen, Zulassungsfragen• Praxisorganisation, Praxismanagement, Qualitätsmanagement• Psychotherapeuten in Anstellung• Gestaltung der <strong>Psychotherapie</strong>, spezielle Probleme in der <strong>Psychotherapie</strong> und Nebenpflichten des Psychotherapeuten• Finanzielle Absicherung der Psychotherapeuten, Honorare, Abrechnungsfragen EBM, GOP u.a.• Neue Perspektiven durch das Vertragsarztrechtsänderungsgesetz (VÄndG), Kooperationsmöglichkeiten, IntegrierteVersorgung, Selektivverträge etc.• u.v.m.Die Sie beratenden Mitarbeiterinnen(Psychotherapeutin/Psychologin) sind zu folgendenZeiten erreichbar:Montag und Freitag9.00–14.00 UhrDienstag bis Donnerstag9.00–15.00 UhrFon 030 23 50 09-0Fax 030 23 50 09-44E-Mail bgst@dptv.de


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