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Fatigue - Wannsee-Schule e.V.

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Tab1 Entstehungsmechanismen von <strong>Fatigue</strong>Therapiebedingt Tumorbedingt Tumorbedingt oder Diverse EinflussfaktorenBegleiterkrankungenZytostatika Behinderte Blutversorgung Anämie Körperliche Überanstrengungvon OrganenBestrahlung Metastasierung Kachexie Psychische BelastungOperation Knochenmarkinfiltration Infekte Chronische SchmerzenImmuntherapie Zytokine Immobilität Depression, AngstHormontherapie Metaboliten Tumorfieber SchlafstörungenNeuromuskuläre Kardiale, pulmonale AlterVeränderungenErkrankungenDehydrationElektrolytverschiebung(Calcium, Kalium, Natrium)In Anlehnung an den Standard in der Onkologie: Müdigkeit in der Onkologiepflege Schweiz 2005GeschlechtBehandlungsnebenwirkungen(z.B. Opiate)„Müdigkeit ist, was immer der Patientsagt, dass es ist, wann immer er sagt,dass sie da ist.“ Wird <strong>Fatigue</strong> tabuisiertund weder von Betroffenem noch vonPflege und Behandler angesprochen,bleibt sie unentdeckt.Untersuchungen (Glaus 1994) mit gesundenund krebskranken Menschenzeigen, das Gesunde im Lauf des Tagesmüder werden und nach ausreichendemNachtschlaf wieder erholt sind.Krebskranke haben morgens bereitshohe Müdigkeitswerte, die über den Tagnur mäßig ansteigen, sodass sie abendszu wenig müde zum Schlafen sind undtrotz Dauererschöpfung unter Schlafstörungenleiden.Die WHO definiert folgende Symptomefür <strong>Fatigue</strong>:• Müdigkeit, Energiemangel oder inadäquatgesteigertes Ruhebedürfnis• Gefühl der generalisierten Schwäche oderGliedschwere• Konzentrationsstörungen• Mangel an Motivation oder Interesse, dennormalen Altersaktivitäten nachzugehen• Gestörtes Schlafmuster (Schlaflosigkeitoder übermäßiges Schlafbedürfnis)• Erleben des Schlafes als wenig erholsam• Gefühl, sich zu jeder Aktivität zwingen zumüssen• Ausgeprägte emotionale Reaktion auf dieempfundene Erschöpfung (Niedergeschlagenheit,Frustration, Reizbarkeit)• Schwierigkeiten bei der Bewältigung desAlltags• Störungen des Kurzzeitgedächtnisses• Nach körperlicher Anstrengung mehrereStunden andauerndes UnwohlseinDas ThemaAssessmentDa <strong>Fatigue</strong> nicht mit physiologischenParametern gemessen werden kann,kommt dem Erfassen von <strong>Fatigue</strong> imRahmen der Pflegeanamnese eine zentraleBedeutung zu. Wie beim Schmerzassessmentist die SelbstbeurteilungMittel der Wahl. Dazu können strukturierte<strong>Fatigue</strong>-Erfassungsbogen genutztwerden.Um die Intensität der Müdigkeit zu objektivierenkann wie bei der Schmerzerfassungeine numerische Rating-Skala(NRS: O = überhaupt nicht müde;10 = stärkste Müdigkeit, die vorstellbarist) verwendet werden.Darüber hinaus sollte erfragt werden:• Auswirkung auf Aktivitäten, die Selbständigkeit,Stimmung und Lebensqualität• Individuelle Bedeutung der Erschöpfung(Be- oder entlastend)• Körperliche Auswirkungen der<strong>Fatigue</strong>• Verlaufsmuster der Erschöpfung(Energie-Tagebuch führen)• Auslösende Begleitumständewie: Schmerzen, Anämie,emotionaler Stress, Schlafstörungen,Krankheitsstadium,Begleiterkrankungen• Einflussfaktoren, die dieErschöpfung lindernFestlegen von PflegezielenDie Pflege- und Behandlungszielesind mit dem Betroffenen individuellauszuhandeln und an seine Prioritätenverminderte Aktivitäterhöhtes Bedürfnis nach Ruheund sein Erkrankungsstadium (akuteTherapie, Reha, Chronischer Verlauf, palliativeVersorgung) anzupassen:• Verbesserung bzw. Erhalt der Lebensqualität,des Wohlbefindens• Verbesserung bzw. Erhalt des KräfteundEnergiehaushalts• Verbesserung bzw. Erhalt der Selbständigkeit,Selbstpflege und Selbstkontrolle• Verbesserung bzw. Erhalt der Arbeitsfähigkeit• Verbesserung bzw. Erhalt der Kommunikationin der Familie• Verbesserung bzw. Erhalt der Hoffnung• Verbesserung bzw. Erhalt der Akzeptanzder Müdigkeit und den darausfolgenden Einschränkungen• Reduktion von Therapieabbrüchen<strong>Fatigue</strong>verminderte<strong>Fatigue</strong>Teufelskreisverminderter AntriebLeistungsfähigkeitSchwächeAbb. 1Nr. 51 · 12/2009 5


Pflegeinterventionen und-beratungDa <strong>Fatigue</strong> ein multikausales Symptomist, sollten auch die Interventionen multimodalund multiprofessionell sein.Pflegende, Ärzte, Physiotherapeuten,Sozialarbeiter und Psychoonkologensollten dabei intensiv zusammenarbeiten.Die wichtigste Pflegeintervention bei<strong>Fatigue</strong> ist die Beratung und Informationder Patienten und Angehörigenzu folgenden Themen:1. Ursachen und Einflussfaktoren bei derEntstehung von <strong>Fatigue</strong>2. Erleben, Symptome und Auswirkungenvon <strong>Fatigue</strong>3. Strategien zum Umgang mit <strong>Fatigue</strong>• Energie- und kräftesparende Maßnahmen• Energieerhaltende Aktivitäten• Energieerhöhende Aktivitäten• Krankheitsverarbeitung und ablenkendeAktivitäten4. Medikamentöse BehandlungsmöglichkeitenZiel der Pflegeberatung ist, mit den Betroffenenindividuell angepasste Maßnahmenauszuwählen und ihre vorhandenenRessourcen einzubeziehen. DerBeratung der Angehörigen kommt einebesondere Bedeutung zu.Partner, Angehörigen und Freunde sindoft „Mitbetroffene“ der <strong>Fatigue</strong>. Sie sindteilweise überfordert, hilflos, ungeduldigund können, da Müdigkeit unsichtbarist, die Reaktionen der Betroffenen nurschwer verstehen.Bei chronischer <strong>Fatigue</strong> nach Behandlungsendeist das Konfliktpotenzial besondershoch: der Betroffene ist eigentlichgeheilt und alle wollen zurück zur„Normalität“ und das Leben wieder aktivgestalten, doch die <strong>Fatigue</strong> schränkt dieAktivitäten weiterhin ein.Daher sollten besonders Angehörigeüber das <strong>Fatigue</strong>-Syndrom informiertund beraten werden.Dabei ist besonders wichtig, dass die dieBetroffenen mit ihren Angehörigen insGespräch kommen und die Sprachlosigkeitüberwunden wird; so können siesich über ihr Befinden, ihre Erwartungenund Bedürfnisse austauschen und lernenbesser mit der belastenden Situationumzugehen.Dann können gemeinsam notwendigeAnpassungen an den Alltag vereinbartwerden.Energie- und kräftesparendeMaßnahmenBetroffene ermutigen• ihre Prioritäten für Aufgaben aufzuschreiben• unwichtigere Dinge zu delegieren• wichtige Dinge zu Zeiten zu erledigen mitgeringer Müdigkeit• nicht zu viele Dinge auf einmal zuerledigen• ihren Tagesablauf zu planen und zustrukturieren.• Dinge langsamer zu tun und Pauseneinzulegen• Erleichterungen im Alltag einzusetzenz.B. Hilfsmittel bei der Körperpflege undMobilität, Energiespartipps im Haushalt,beim Einkaufen und Kochen• die Balance zwischen Anstrengendemund weniger Anstrengendem zu haltenEnergieerhaltende Aktivitäten• Maßnahmen zur Schlafförderung empfehlen,• Nickerchen am Vormittag und Nachmittagvon max. 30 -60 Minuten• Stress und Belastungen reduzieren z.B.Gespräche über Sorgen/Ängste bzw.Schönes/Angenehmes• Entspannungstechniken und Ruhegenießen• Lieblingsbeschäftigungen nachgehen• therapeutische Angebote nutzen (Psychotherapie,Kunst-/Musiktherapie),• persönliche Energiequellen nutzen• Mangelernährung verhindern oder reduzieren• häufige kleine Mahlzeiten• ausreichende Trinken stabilisiert denElektrolyt- und Flüssigkeitshaushalt• Ernährungsberatung und evtl. SubstitutionEnergieerhöhende Aktivitäten• Eine gute Balance von Ruhe und bewussterAktivität hilft, den Teufelskreis zwischenreduzierter Aktivität und <strong>Fatigue</strong>(Abb.1) zu durchbrechen.• spezielle Sportangebote für Krebskrankenvon Selbsthilfegruppen und Gesundheitsorganisationen• Spaziergänge, Gymnastik und individuellesTraining (evtl. unter Anleitung einesPhysiotherapeuten)Aktivität ist in Studien die Interventiongegen <strong>Fatigue</strong> mit der höchsten EvidenzKrankheitsverarbeitung und ablenkendeAktivitätenGegengewicht gegen die Belastungendurch Krankheit und Therapie durch• Tätigkeiten, die Spaß machen und mit Lebensqualitätverbunden sind• Soziale Kontakte pflegen• Aufrechterhalten von Hobbys• gemeinsamen Unternehmungen, Spielen,Vorlesen lassen, Malen, Handarbeitenetc..• Liebgewonnene Tätigkeiten und Menschen• sich selbst verwöhnen• Das Reden und Austauschen über <strong>Fatigue</strong>(mit Freunden und Familie, in Selbsthilfegruppenoder mit professionellen Begleitern)• Arbeitsprozess bis zur Überlastungsgrenzewieder aufnehmenIst die Erkrankung bereits weiter fortgeschritten,gehört die Müdigkeit und diesich immer weiter reduzierende Aktivitätzum natürlichen Sterbeprozess.Gemeinsam mit dem Betroffenen sollteeingeschätzt werden, wie sehr jemandunter <strong>Fatigue</strong> leidet und welche Maßnahmenzur Linderung angemessen sind.So aktivierende Pflege verzichtet werdenund die Erschöpfung und Kraftlosigkeitwird akzeptiert d.h. Pflegende übernehmenHilfestellungen, auch wenn Patientensie noch selbst durchführen könnten,damit diese Energie für wichtigereDinge (z.B. Gespräche) aufsparen können.Pharmakologische InterventionenAusschlaggebend für die Reduktion der<strong>Fatigue</strong>-Symptomatik ist das Erkennenund Behandeln von Entstehungsmechanismen:• Bei Schmerzen: angepasste Schmerztherapieund pflegerisches Schmerzmanagement• Bei Depression: Psychotherapie undAntidepressiva• Bei Mangelernährung: Ernährungsberatung,Vitaminsubstitution, Nahrungsergänzung,enterale/parenteraleErnährung• Bei Schlafstörungen: Antidepressiva,Neuroleptika,• Bei Begleiterkrankungen z.B. Hypothyreoidose:Substitution; bei Hyperkalzämie:Aredia, Bisphosphanate6 Nr. 51 · 12/2009Das Thema


Bild: Alex Doll• Bei Anämie: IV-Transfusion von Erythrozyten-Konzentraten,Erythropoetins.c. (Erythropoese Stimulierendes Protein)• Bei Medikamentennebenwirkungen:modifizierte MedikationIn Studien gibt es Therapieversuche mitnoch ungesicherten positiven Effekteauf <strong>Fatigue</strong>: Ritalin, Megestrol, Cortison,Antidepressiva, Aricept, Vigil, ZybanEvaluation und DokumentationEs ist für alle wichtig immer wieder denErfolg der Veränderungen zu evaluieren,da <strong>Fatigue</strong> unter Umständen ein langandauerndes Symptom ist und die vorgeschlagenenVerhaltensänderungen nurschrittweise und mit viel Geduld umgesetztwerden können. Ein Energietagebuchkann helfen den Verlauf, die Verbesserungen,Ausnahmen undFortschritte für Betroffene und Begleitersichtbar zu machen. Bestätigung, Lobund kleine Erfolgserlebnisse stärken dieAdhärenz der Betroffenen; Strategienohne gewünschten Effekt können entsprechendangepasst werden.Internetseiten• www.kraftgegenkrebs.de• www.deutsche-fatigue-gesellschaft.deBroschüren:• Krebshilfe: Die blauen RatgeberNr. 34: <strong>Fatigue</strong>• Deutsche <strong>Fatigue</strong> Gesellschaft:18 Fragen und Antworten zu tumorbedingter <strong>Fatigue</strong>• Berliner und Deutsche Krebsgesellschaft:<strong>Fatigue</strong>• Krebsliga Schweiz: Rundum müdeFilme:INFOSDeutsche Krebshilfe: <strong>Fatigue</strong> bei KrebsOrtho Biothek: Wendepunkt Krebs –anders Leben mit <strong>Fatigue</strong>Telefonberatung:Deutscher Krebsinformationsdienst:0800-4203040Verwendete Literatur:Action on <strong>Fatigue</strong>. Eons, ISNCC;Janssen-Cilag; Ex-cerpta mediacaCommunications B.V., Amsterdam, 1996Ahlberg, K.: Cancer-related <strong>Fatigue</strong>. In:Kearney, N., Richardson, A. (Hrsg.):Nursing Patients with Cancer, Elsevier,Edinburgh 2006Bausewein, C., Rémi, C., Twycross, R.,Wilcock, A. (Hrsg.): Arzneimitteltherapiein der Palliativmedizin.Elsevier, München 2005Deutsche <strong>Fatigue</strong> Gesellschaft: 18 Fragenund Antworten zu tumorbedingter<strong>Fatigue</strong>. Broschüre (ohne Datum)Doenges, M., Moorhouse, M., Geissler-Murr, A.: Pflegediagnosen und Maßnahmen.Bern: Huber, 2002European Oncology Nursing Society Guidelines.Section 2 Anaemia Guidelines.2006 (www.cancerworld.org 3.3.07)Glaus Hartmann, M: Ermüdung/Erschöpfung.In: Käppeli, S.: Pflegekonzepte.Band 2, Huber, Bern 1999Glaus, A., Crow, R., Hammond, S.:Müdigkeit/<strong>Fatigue</strong> bei Gesunden undkrebskranken Menschen. Eine qualitativeStudie. Teil 1 Pflege, 1 (1999) 11-19 undTeil 2 Pflege, 2 (1999) 75-81Mock, V., Atkinson, A., Barsevick A., et al:National Comprehensive CancerNetwork – Clinical Practice Guidelines inOncology. Cancer-related <strong>Fatigue</strong>.Version 2.2005Oncology Nursing Society (ONS) PuttingEvidence into Practice (PEP) Card:<strong>Fatigue</strong>. ONS Pittsburg, 2005Onkologiepflege Schweiz: Standards inder Onkologie: Müdigkeit bei Patientenmit einer Krebserkrankung. OnkologiepflegeSchweiz, Bern 2003Van Dijk, G., Dijkstra, A.: Kraftlosigkeitanerkennen. Pflegezeitschrift 6 (2006)362-365Weis, J., Bartsch, H.H.: <strong>Fatigue</strong> bei Tumorpatienten:eine neue Herausforderungfür Therapie und Rehabilitation.Karger, Basel 2000Axel Doll<strong>Wannsee</strong>akademie, BerlinDiplom-Pflegepädagoge (RbP)Fachkrankenpfleger für OnkologieKommunikationstrainerPalliative Care Traineradoll@wannseeschule.deDer Autor ist Mitautor des Buches"Onkologische Pflege", welches imThieme-Verlag erschienen ist.Rolf Bäumer, Andrea Maiwald (Hrsg.)THIEMEs Onkologische Pflege 2008428 S., 300 Abb., kart.Plus DVD mit 49 FilmenISBN: 9783131438713EUR [D] 44,95 / EUR [A] 46,30 /CHF 76,40 (CH/UVP)inkl. gesetzl. MwSt., zzgl. EUR 3,95Versandkosten [D].Versandkostenfreie Lieferung ab EUR50,00 Bestellwert [D].Das ThemaNr. 51 · 12/2009 7

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