Überzeugende Vorstellung - TM Technischer Gerätebau
Überzeugende Vorstellung - TM Technischer Gerätebau
Überzeugende Vorstellung - TM Technischer Gerätebau
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Technik · Test<br />
<strong>Überzeugende</strong> <strong>Vorstellung</strong><br />
Der komfortabel ausgestattete Setra-Hochbodenbus 415 H spricht Kunden an, die Überlandlinien<br />
ebenso absolvieren wollen wie Kurzreisen oder InterCity-Verkehre.<br />
TExT: JÜRgen göRgleR FOTOS: JÜRgen göRgleR (2) · DaImleR (5)<br />
Es waren Anregungen aus der Setra-Familie – zu der die<br />
Kundschaft der Traditionsmarke seit jeher zählt –, die<br />
zur Entwicklung eines neuen Kombibusses geführt hatten:<br />
Unterhalb der ComfortClass angesiedelt, jedoch mit höherer<br />
Reisetauglichkeit als die Doppelverdiener der MultiClass.<br />
Die Umsetzung vor zwei Jahren geschah dann auch flott – und<br />
rationell. Denn die beiden neu entwickelten H-Busse sind das<br />
Ergebnis einer Kombination von Fahrwerks- und Rahmenkomponenten<br />
der ComfortClass (GT, GT-HD) mit dem Aufbau der<br />
MultiClass-Überlandbusse (UL). Ausschließlich als Zweiachser<br />
gebaut, zeichnet die beiden Varianten S 415/416 H mit 12,2<br />
Oben: Fahrgastraum des Setra 415 H mit Travel-Einzelsitzen und mit<br />
Wassertanks zwecks Auslastung zur Verbrauchsmessung.<br />
22 Regionalverkehr 3-2011<br />
und 13,04 Metern Länge ein 1,04 Meter hoher Fußboden aus.<br />
Somit ergibt sich das gewünschte Plus an Kofferraum (6,4 bzw.<br />
7,9 Kubikmeter) – das ist viel mehr, als es die gängigen Doppelverdiener<br />
mit 86 Zentimeter Bodenhöhe bieten können. Dieses<br />
Höchstmaß gilt nämlich als Vorgabe für die Bezuschussung<br />
von Linienbussen. Doch die Förderung wird längst nicht mehr<br />
durchgängig gewährt und der praktische Nutzen gibt zunehmend<br />
den Ausschlag für das jeweilige Modell. Darüber hinaus<br />
liegen die Hochbodenbusse – wenn man sich an den Zulassungszahlen<br />
2010 für Westeuropa orientiert und sie der Kategorie<br />
Intercity zuordnet – mit rund 5200 Einheiten nur knapp<br />
hinter den typischen Reisebussen (rund 6100 Einheiten). Dies<br />
hebt die Bedeutung dieser Kategorie auch international hervor,<br />
mit hohem Anteil in Deutschland und Frankreich.<br />
Manuell oder Automatik?<br />
Auch wenn der Trend zur Automatik anhält, spielen herkömmliche<br />
Getriebe immer noch eine große Rolle – zumal der Aufpreis<br />
für einen Wandlerautomaten oder eine automatisierte<br />
Schaltung saftig sein kann und nicht überall als wirtschaftlich<br />
vertretbar angesehen wird. Für die beiden Setras sind verschiedene<br />
Lösungen möglich, je nachdem, welche Motorleistung der<br />
Reihensechszylinder OM 457 hLA zur Verfügung stellen soll:<br />
In der Ausführung mit 220 Kilowatt stehen das konzerneigene<br />
Sechsgangschaltgetriebe MB-GO 190 oder der Wandlerautomatat<br />
ZF-EcoLife zur Wahl. Für die mittlere Leistungsstufe mit<br />
260 Kilowatt kommt als dritte Alternative die automatisierte<br />
Schaltung GO 240 PowerShift mit acht Schaltstufen hinzu. Die<br />
300-Kilowatt-Version wird nur mit GO 190 oder PowerShift<br />
angeboten, hier entfällt der Wandlerautomat als Option.<br />
Sparsam im Verbrauch?<br />
Unser Testbus Setra 415 H trat in der Kombination 260 Kilowatt<br />
Motorleistung und Sechsgangschaltgetriebe zum Verbrauchstest<br />
an. Dazu war er mittels Wassertanks und Sandsäcken<br />
bis auf 17,5 Tonnen ausgelastet worden, gefüllter Tank<br />
und Fahrer inklusive. Derart gerüstet, absolvierten wird zunächst<br />
reguläre Überlandlinien im Kreis Ahrweiler: Von Bad<br />
Neuenahr aus über Altenahr, Ahrbrück und das Kesselinger<br />
Tal, hinauf bis nach Ramersbach (440 Meter über Normalnull)<br />
und zurück zum Ausgangspunkt. Insgesamt 44 Kilometer, inklusive<br />
31 Haltestellenstopps, jeweils mit Türbetätigung. Bei
Ganz oben: Für die Überlandlinie lässt sich der Setra 415 H mit allem Nötigen ausstatten, wozu auch die Fahrtzielanzeige von LAWO gehört.<br />
Oben links: Übersichtliches Cockpit mit guter Funktionalität und Sicht. Oben rechts: Große <strong>TM</strong>-Kühlbox vor dem Reiseleiterplatz.<br />
einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 33 Stundenkilometern<br />
erzielten wir einen Schnitt von 31,3 Lietern Diesel. Ein sehr<br />
günstiger Wert, der mit zügiger, jedoch vorausschauender<br />
Fahrweise erzielt wurde. Nach der Zwischenmessung folgte die<br />
zweite Etappe auf den Autobahnen A61/A48 in Richtung Kaisersesch<br />
und retour, die mit durchschnittlich 91 Stundenkilometern<br />
einen Durchschnittsverbrauch von 27,6 Litern ergab;<br />
dies ist für einen Reisebus kein Spitzenwert, aber vertretbar;<br />
vor allem, wenn man berücksichtigt, dass die Achsübersetzung<br />
nicht konsequent auf den Fernverkehr ausgelegt war. Denn<br />
sein maximales Drehmoment von 1600 Newtonmetern leistet<br />
der Motor bereits bei 1100 Umdrehungen pro Minute, wogegen<br />
Tempo 100 im sechsten Gang erst bei 1653 Umdrehungen ansteht.<br />
Im längsten Gang optimal sind dagegen die Drehzahlen<br />
im Bereich von 70 bis 80 Stundenkilometer. Dies wurde auch<br />
durch die abschließende Messung bestätigt, die mit einem<br />
Durchschnittstempo von 78 Stundenkilometer auf freier Strecke<br />
und ohne Zwischenstopp einen Schnitt von nur 21,3 Litern<br />
Diesel ergab. Bleibt also die Erkenntnis, dass eine längere<br />
Achsübersetzung eine Überlegung wert ist, wenn der Bus nur<br />
gelegentlich auf der Linie betrieben werden soll. Eine elegante<br />
Lösung wäre zweifelsohne auch das automatisierte PowerShift-<br />
Getriebe, das mit seinen acht Schaltstufen mehr Flexibilität<br />
hinsichtlich der Drehzahlen bietet. Nicht gemessen hatten wir<br />
den Verbrauch des Additivs AdBlue, da dies bei einer Tagesstrecke<br />
kaum exakt möglich ist. Fünf Prozent AdBlue in Bezug<br />
auf den Dieselverbrauch sind allerdings die Regel, wie auch<br />
immer wieder bestätigt wird. Insgesamt bot der Antrieb unseres<br />
ausgelasteten Setra eine überzeugende <strong>Vorstellung</strong>, auch<br />
was die nötige Power bei Steigungen betraf.<br />
Regionalverkehr 3-2011 23
Technik · Test<br />
Technische Daten Testbus Setra 415 H<br />
antrieb und Fahrwerk:<br />
• mB Om 457 hla, Reihensechszylinder, liegend, abgasturbolader,<br />
ladeluftkühlung, euro 5 durch SCR-Technik<br />
• nennleistung: 260 kW bei 2000 U/min<br />
• max. Drehmoment: 1600 nm bei 1100 U/min<br />
• Sechsgangschaltgetriebe gO 190 mit Joystickschaltung und<br />
Servounterstützung<br />
• Vorderachse: ZF Rl 75 eC (einzelradaufhängung)<br />
• Hinterachse: mercedes-Benz HO6 (starr)<br />
lenkung und Bremsanlage:<br />
• lenkung: ZF-Servocom 8098, variabel übersetzt<br />
• Bremsanlage: elektronisch geregelte Zweikreisdruckluftbremse<br />
(Knorr), Scheiben rundum, Federspeicherfeststellbremse, elektronisches<br />
Stabilitätsprogramm (eSP), Bremsassistent (BaS),<br />
aniblockiersystem (aBS), antischlupfregelung (aSR), Voith-<br />
Turbo-Retarder VR 115 e<br />
Karosserie und ausstattung:<br />
• Selbsttragender aufbau, verschweißtes gerippe aus Vierkantstahl,<br />
umlaufende Ringspanten, verschweißte und geklebte<br />
Karosseriemodule aus Stahlblech/gfK, unfallkritische Punkte<br />
geschraubt, Überrollfestigkeit nach eCe R 66, KTl-Tauchlackierung<br />
als Rostvorsorge, außenschwenktüren, Kinderwagenplatz<br />
mit Wechselpodest<br />
• Sonderausstattung u.a.: Hebe- und Senkanlage, elektronische<br />
niveauregulierung, Zentralverriegelung für Kofferraumklappen,<br />
Rollo an Frontscheibe links, abblendlicht litronic, doppelverglaste<br />
Seitenscheiben, Tempomat, Brandmeldeanlage,<br />
aufdachklimaanlage 32 kW, Radio/CD, Fahrgastsignalanlage,<br />
laWO-Fahrtzielanlage, multimediabox über Fahrerarbeitsplatz<br />
mit Uhr, Temperatur- und Stoppanzeige, Wegfahrsperre,<br />
lederlenkrad<br />
maße und gewichte:<br />
• länge/Breite/Höhe: 12,2/2,55/3,35 m (inkl. Dachklimaanlage)<br />
• Radstand: 6,08 m<br />
• Überhang vorne/hinten: 2,82/3,3 m<br />
• einstieg vorn: 4 Stufen 35/17/17/17 cm (plus 17,5 cm zum<br />
mittelgang)<br />
• einstieg hinten: 4 Stufen 36,5/23/23/23 cm<br />
• Bodenhöhe/Stehhöhe: 1,04/2 m<br />
• Podesthöhe mittelgang: 15 cm<br />
• Wendekreis: 21,07 m<br />
• Tankvolumen: 340 l Diesel plus 45 l adBlue<br />
• Kofferraum: 6,7 m³ (mit Toilette: 1,2 m³)<br />
• leergewicht (betankt)/Zul. gesamtgewicht: 12,8/18 t<br />
• achslasten vorne/hinten: 7,1/11,5 t<br />
• Testgewicht: 17,6 t<br />
• Sitzplätze: 51 (plus Fahrer und Beifahrer)<br />
• Preis Testbus: 235.000 euro<br />
24 Regionalverkehr 3-2011<br />
Der Sechszylindermotor mit 220, 260 oder 300 Kilowatt Leistung.<br />
Guter Komfort?<br />
Das Cockpit des Setra entspricht der UL-Baureihe: übersichtliche<br />
Armaturen in halbrunder Konsole, funktionsgerechte Anordnung<br />
der Schalter, Ablagen fensterseitig und mittig vor der<br />
Windschutzscheibe, davor die abgedeckte Einbuchtung für<br />
eine Zahlvorrichtung. Das dort eingelassene Mikrofon kann<br />
auch gut vom Reiseleitersitz aus erreicht werden. Darunter befinden<br />
sich die Einschübe für Radio/CD und den digitalen Tachografen.<br />
Guten Komfort bietet der ausreichend nach hinten<br />
verstellbare Fahrersitz von Grammer; natürlich lässt sich auch<br />
die Lenksäule entsprechend anpassen. Die Sicht nach vorne sowie<br />
über die Spiegel ist ausgezeichnet. Individuell verstellen<br />
kann man auch den Beifahrersitz, dessen Beinfreiheit und Abstellfläche<br />
für die Füße dagegen eingeschränkt ist. In der Konsole<br />
steht eine riesige Kühlbox des Herstellers <strong>TM</strong> <strong>Technischer</strong><br />
<strong>Gerätebau</strong> zur Verfügung, die auch notwendig ist, wenn man<br />
den Testbus für Ausflüge oder Kurzreisen einsetzen wollte –<br />
denn auf den Einbau einer Küche und eines weiteren Kühlschranks<br />
wurde zugunsten der Kapazität verzichtet. Demnach<br />
stehen 51 Fahrgastplätze im Dreisterneabstand zur Verfügung,<br />
davon 46 verstellbare Sitze des Typs Travel plus fünf in der<br />
Ausführung Tourist in der letzten Reihe. Mit einem Leergewicht<br />
von 12,8 Tonnen (betankt) kann der Betreiber nach gängiger<br />
Formel, die auch den Kofferraum mit 100 Kilogramm pro<br />
Kubikmeter einbezieht, Gewichtskontrollen gelassen entgegen<br />
sehen. Auch der Einbau einer WC-Anlage und einer Küche<br />
würde keine Probleme bereiten, da sich Fahrgastkapazität und<br />
Gepäckraum entsprechend reduzieren. Eine mittig hinter der<br />
Frontscheibe installierte elektronische Fahrtzielanzeige des<br />
Herstellers LAWO – Mark IV Industries zeigt an, wohin die<br />
Reise (im Linieneinsatz) geht.<br />
Die Messung des Geräuschpegels bei 80 bis 100 Stundenkilometern<br />
ergab im Cockpit 65 Dezibel, im Fahrgastraum durchschnittlich<br />
62. Nur auf Höhe der zweiten Tür wurde es lauter<br />
(65 Dezibel), dagegen richtig kernig im Heck, wenn Gas gegeben<br />
wurde (69 bis 70 Dezibel). Dazu der Hinweis: Diese Werte
Eine der Stärken der Baureihe H ist der große Kofferraum. Die beiden einzelnen Schwenkschiebetüren gehören zur Grundausstattung.<br />
wurden durch ein mobiles Messgerät auf möglichst freier Straße<br />
ermittelt, jedoch nicht unter konstanten Prüfbedingungen.<br />
Es geht uns hier stets darum, den subjektiven Eindruck zu unterstreichen<br />
– der auch durch andere Geräuschquellen litt:<br />
Knistern und Klappern schon bei geringen Fahrbahnunebenheiten.<br />
Ob dies ein Ausrutscher war? An unbesetzten Sitzen<br />
kann es auf jeden Fall nicht gelegen haben, denn die waren mit<br />
angeschnallten Wasserbehältern ordentlich belastet.<br />
Das Regionalverkehr-Fazit<br />
Setras H-Busse stellen eine wirtschaftliche Lösung dar, wenn<br />
flexible Einsätze geplant sind und dabei für Touren ein ordentlicher<br />
Kofferraum gefordert ist. Die Ausstattung als Reisebus<br />
ist in vielfacher Hinsicht gegeben. Lediglich die alternativ<br />
schräge Reisefront der UL-Busse gibt es hier nicht. Wer noch<br />
mehr Reisekomfort will, sollte auf die GT-Klasse umsteigen, die<br />
über weitere Extras, Varianten und den passiven Aufprallschutz<br />
Front Collison Guard verfügt. Doch auch die H-Busse<br />
sind sicherheitstechnisch gut gerüstet: Elektronisches Bremssystem,<br />
Bremsassistent und Stabilitätsprogramm sind bereits<br />
serienmäßig an Bord, der Überrollschutz entspricht der Norm<br />
ECE 66. Dem Einsatz als Linienbus kommen die sehr flachen<br />
Stufen vor allem vorne entgegen, zumal wenn der Antritt (35<br />
Zentimeter) per Kneeling noch um einige Zentimeter gesenkt<br />
werden kann. Auch ältere Teilnehmer an Ausflugstouren werden<br />
dies zu schätzen wissen – die hohen Stufen der »richtigen«<br />
Reisebusse können hier nämlich eine Qual sein. Darüber hinaus<br />
lassen sich in den H-Bussen verschiedene Türanordnungen<br />
umsetzen. Das Wechselpodest gegenüber der zweiten Tür ist<br />
übrigens serienmäßig vorhanden. |<br />
Regionalverkehr 3-2011 25