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Lutger Schwienhorst Was macht einen Propheten aus - Schottenpfarre

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Univ. Prof. Dr. <strong>Lutger</strong> <strong>Schwienhorst</strong>-SchönbergerInstitut für Altes Testament d. Universität Wien Donnerstag, 12. III. 09WAS MACHT EINEN PROPHETEN AUS ?Am Beispiel des <strong>Propheten</strong> Jeremia<strong>Propheten</strong> sind kein einheitliches Phänomen. <strong>Propheten</strong> finden sich in vielen altenHochreligionen. Im griechischen Kulturraum z.B. gab es <strong>einen</strong> institutionalisiertenOrakelprophetismus, z.B. die Pythia in Delphi, ebenso im vorderen Orient inMesopotamien und Syrien. Zur bedeutendsten Ausprägung gelangte das <strong>Propheten</strong>tumin Religionen in denen der Prophet zum Künder des <strong>einen</strong> Gottes wurde.Im Judentum hat sich das <strong>Propheten</strong>tum <strong>aus</strong> zwei altorientalischen Traditionslinienentwickelt: dem nomadischen Seher und dem ortsansässigen Berufspropheten.Wir können verschiedene Typen von <strong>Propheten</strong> unterscheiden: Da gibt es einmal dieGenossenschaftspropheten, das waren die, die etwa im Umkreis von Elia und Elischawaren. Sie gehören ein wenig in den Bereich der Mantik, sind zum Teil vergleichbar mitDerwischen. Es gibt da einige Texte die darauf hin deuten, dass sie sich in Extaseversetzten. Auch der König Saul wird z.T. von dieser extatischen Stimmung ergriffen.Das war eine frühe Form der Prophetie Israels. Sie sind zu vergleichen etwa mitSchamanen und sind auch Heilpraktiker, haben auch kleine Wunderheilungenvollzogen. Man kennt sie unter dem Namen Ordens und Genossenschaftspropheten.Sie sitzen vor dem <strong>Propheten</strong>vater, abba – dem Abt und lernen von ihm ihren Beruf.Das gibt es die Hofpropheten: Sie sind Angestellte am königlichen Hof, Natan gehörtz.B. dazu. Prophetie gehört demnach auch zur Politik, wie auch im gesamten Orient.Schwierige Fragen konnten nur entschieden werden, wenn man sie zuvor den <strong>Propheten</strong>vorlegte. Generell war es die Aufgabe der <strong>Propheten</strong> das politische System zustabilisieren. Das System sollte durch sie erhalten und gefestigt werden.Dann gab es die <strong>Propheten</strong>, die an den Heiligtümern angestellt waren. Sie waren ähnlichden Priestern, die am jeweiligen Heiligtum wirkten, waren auch dort angestellt unddaher jedenfalls institutionell gebunden.Dann taucht in der 2. Hälfte des 8. Jhdts vor Chr., etwa ab 760 – 750 eine neue Gruppeauf, ein neuer Typ von <strong>Propheten</strong>. Israel befindet sich in einer gesellschaftlichen undpolitischen Krisensituation. Wie Sie sicher wissen, war Israel seit der NachfolgeSalomons in ein Nordreich und ein Südreich geteilt. Das Nordreich nennen wir Israelmit der Hauptstadt Samaria, das Südreich war Juda, mit der Hauptstadt Jerusalem.Das Nordreich wird nun 722 v.Chr. von den Assyrern erobert. Ein großer Teil derBevölkerung wird nach Assyrien deportiert und vermischt sich mit der dort ansässigenBevölkerung. Sie sind dort den kulturellen Assimilationstod gestorben, d.h. sie sindkulturell verschwunden. Diese Krise deutet sich zwischen 760 und 750 an. Die<strong>Propheten</strong>, die das erkannt haben waren die so genanntenoppositionellen Einzelpropheten.Dazu lese ich Ihnen eine Stelle vor, wo das sehr schön zum Ausdruck kommt:


Amos 7/ 10 ff„Amazja, der Priester von Bet-El, ließ Jeroboam, dem König von Israel, melden: Mittenim H<strong>aus</strong> Israel ruft Amos zum Aufruhr gegen dich auf; seine Worte sind unerträglichfür das Land. Denn so sagt Amos: Jeroboam stirbt durch das Schwert, und Israel musssein Land verlassen und in die Verbannung ziehen.“Wir befinden uns in Bet-El, das ist ein Heiligtum im Nordreich, im südlichen Teil.Bet-El ist der Konkurrent vom Jerusalemer Tempel. Der König des Nordreichs istJeroboam und das Heiligtum Bet-El ist ein Staatsheiligtum. Dort ist ein Priesterangestellt, der heißt Amazja. Er hat die Aufgabe zu schauen, dass es im Heiligtumordentlich zugeht. Jetzt taucht da plötzlich eine Gestalt auf namens Amos, der ruft zumAufruhr gegen den König auf – und der Priester sieht sich genötigt, das an die Zentralezu melden. Jetzt zitiert er den Amos: „Jeroboam stirbt durch das Schwert und Israelmuss sein Land verlassen und in die Verbannung ziehen.“ Amos sieht offenbar schondie Assyrische Invasion kommen. Das war schon deshalb erkennbar, weil die Assyreraufgerüstet haben um diesen Teil der Levante zu erobern. Israel war immer unter derOberherrschaft der Großmächte, die das Land umgaben: Ägypten, Mesopotamien,Babylon, Persien, Griechenland.Doch jetzt gibt der Priester dem <strong>Propheten</strong> Amos <strong>einen</strong> Tip: „ Zu Amos aber sagteAmazja: Geh, Seher, flüchte ins Land Juda! Iß dort dein Brot, und tritt dort als Prophetauf! In Bet-El darfst du nicht mehr als Prophet reden; denn das hier ist ein Heiligtumdes Königs und ein Reichstempel. Amos antwortete Amazja: Ich bin kein Prophet undkein <strong>Propheten</strong>schüler, sondern ich bin ein Viehzüchter, und ich ziehe Maulbeerfeigen.Aber der Herr hat mich von meiner Herde weggeholt und zu mir gesagt: „Geh und redeals Prophet zu meinem Volk Israel!“Hier haben wir das Phänomen der Berufung.Dieser vorexilische <strong>Propheten</strong>typ beginnt mit Amos gefolgt von Hosea, Micha, Jesaia,Joel, Nahum, Zefanja, Jeremia, Habakuk.Das waren die ersten oppositionellen Einzelpropheten. Sie traten erstmals in der 2.Hälfte des 8. Jhdts auf. Es ist der Assyrische Krieg. Diese Form der Prophetie ist eineKrisenprophetie. Diese <strong>Propheten</strong> traten in Opposition zu den staatstragendenInstitutionen, zum Tempel, zum Königtum und letztlich auch zu den Priestern undBeamten.Hören wir weiter Amos 7/16 – 18:„Darum höre jetzt das Wort des Herrn! Du sagst: Tritt nicht als Prophet gegen Israelauf, prophezei nicht gegen das H<strong>aus</strong> Isaak! Darum – so spricht der Herr: Deine Frauwird in der Stadt als Dirne leben, deine Söhne und Töchter fallen unter dem Schwert,dein Ackerland wird mit der Messschnur verteilt, du selbst aber stirbst in einemunr<strong>einen</strong> Land, und Israel muss sein Land verlassen und in die Verbannung ziehen.“Der Prophet spricht nicht <strong>aus</strong> sich her<strong>aus</strong>, nicht <strong>aus</strong> eigener Überlegung, wie z.B. dieWeisheitslehrer, die auf Grund ihrer eigenen Beobachtung, ihrer eigenen Überlegungund auf Grund der Thora sprechen, wie z.B. Jesus Sirach. Diesen <strong>Propheten</strong> wird einZugang eröffnet durch die Tätigkeit Gottes. Später wird das entfaltet in Form vonBerufungserzählungen (etwa Jesaia 6/ 1-16 , Jeremia 1/ 4 – 10 ) <strong>Propheten</strong> hören etwas,was andere Menschen nicht hören, sehen etwas, was andere Menschen nicht sehen. Ausdiesem tieferen Hören und Sehen her<strong>aus</strong> sprechen sie zum König, zu denVerantwortlichen, zur Gesellschaft. Sie decken auf, was ihnen deutlich wird, etwas, wasim Bewusstsein aller übrigen Menschen noch nicht vorhanden ist. Verborgenes wirdlicht, Zukünftiges <strong>aus</strong> der Berufung von Gott her verkündet.Amos verkündet: die politische Existenz des Staates Israel steht auf dem Spiel!!1


Bei Jeremia sehen wir das gleiche etwa 100 Jahre später, um 627 etwa. Diebabylonische Invasion des Südreiches, Juda, steht vor der Tür. Es geht zunächst einmaldarum, diese Grundstruktur der prophetischen Rede überhaupt zu verstehen. EineKatastrophe deutet sich an!Wie reagiert nun die Politik und die Gesellschaft? Sie versucht das Problem zu lösendurch Koalitionen, etwa mit den Ägyptern, man lässt Befestigungsanlagen bauen, manlässt aufrüsten.Die <strong>Propheten</strong> aber sagen: die eigentliche Ursache dieser Bedrohung liegt viel tiefer!Sie weisen daraufhin, dass innerhalb des Gottesvolkes die Solidarität zerbrochen ist.Israel verhält sich nicht wie ein Volk, das <strong>aus</strong> der Knechtschaft in Ägypten befreitwurde, es hält sich nicht mehr an die Weisung, die Thora, Gottes, sondern es gibtUnterdrückung, Ausbeutung und große Ungerechtigkeit im Volk.Man kann sich allerdings die Frage stellen, ob es wirklich im 8. Jhdt. innerhalb desVolkes so eine negative gesellschaftliche Entwicklung gegeben hat. Ich tendiere eher zuder Auffassung, dass es diese „Zustände“ mehr oder weniger immer gegeben hat, dassaber die prophetische Botschaft sensibilisiert gegenüber Phänomenen, die man bisherals nicht besonders anstößig empfunden hat. Der Prophet <strong>macht</strong> deutlich, dass da etwasnicht in Ordnung ist. <strong>Was</strong> sich äußerlich an ethischer, politischer und sozialer Krisezeigt, hat s<strong>einen</strong> tiefen Grund darin, dass Israel s<strong>einen</strong> Gott vergessen hat und sichdadurch selbst ins Unglück stürzt. Die Katastrophe ist also nicht Folge einesblindwütigen Schicksals, sondern im tiefsten Sinne kommt sie letztlich von Gott.Wir müssen darüber noch nachdenken: Wie ist diese Gerichtsbotschaft zu verstehen?Diese so genannten oppositionellen Einzelpropheten sind Gerichtspropheten.Ihre Botschaft ist zunächst einmal destruktiv. Allerdings ist diese Destruktion nicht dasEndresultat. Das Ziel ist eine erneuerte Gemeinschaft zwischen Gott und dem VolkSie können das vergleichen mit einer medizinischen Tätigkeit. Stellen Sie sich vor, Siemüssen zum Arzt, dieser <strong>macht</strong> eine Diagnose und sagt ganz nüchtern, was für eineKrankheit vorliegt. Das ist zunächst einmal sicher eine unangenehme Nachricht. WennSie dumm sind, sind Sie sauer auf den Arzt, aber wenn sie klug sind, denken Sie, das istzwar schlimm aber, wenn ich diese Operation jetzt machen lasse besteht dieMöglichkeit, dass ich geheilt werde. Sie könnten sich aber auch etwas vormachen undsagen, ich geh zu einem anderen Arzt und konsultieren so viele Ärzte, bis Sie <strong>einen</strong>finden, der Ihnen sagt: Alles ist in Ordnung – und nach 4 Wochen sind Sie tot.Genau das ist das Problem im Konflikt der <strong>Propheten</strong> mit den Verantwortlichen, denndie oppositionellen <strong>Propheten</strong> stehen den so genannten Heilspropheten gegenüber, diesagen:„Uns kann nichts passieren, denn wir haben den Tempel und in diesem Tempel ist Gottin unserer Mitte, Jerusalem kann gar nicht zerstört werden, denn uns ist ein Bund mitGott zugesagt am Berg Sinai! Shalom! Shalom!!!“Die Gerichtspropheten haben aber genau das angekündigt, nämlich dass der Tempelzerstört wird. Die Wahrheit kann etwas sehr Unangenehmes sein, aber sie muss ansLicht gebracht werden. Letztlich dient sie dazu, dem Volk die Heilung zu bringen. DieHeilsbotschaft ist auch bei den Gerichtspropheten der letzte Horizont. Letzten Endesmuss die Ursache aufgezeigt werden. Dieser Prozess ist sehr schmerzhaft, aber ohnediesen „Schnitt“ kann keine innere Heilung stattfinden.2


Wir sind nun in der Zeit zwischen 622 und 627. Israel ist eine assyrische Provinz. Esdeutet sich an, dass Juda von den Babyloniern erobert wird. Mitten in dieser Krisewird der Prophet Jeremia berufen.Jeremia 1/ 4-10„Das Wort des Herrn erging an mich: Noch ehe ich dich im Mutterleib formte, habe ichdich <strong>aus</strong>ersehen, noch ehe du <strong>aus</strong> dem Mutterschoss hervorkamst, habe ich dichgeheiligt, zum <strong>Propheten</strong> für die Völker habe ich dich bestimmt. Da sagt ich: Ach; meinGott und Herr, ich kann doch nicht reden, ich bin ja noch so jung. Aber der Herrerwiderte mir: Sag nicht: Ich bin noch so jung. Wohin ich dich auch sende, dahin sollstdu gehen, und was ich dir auftrage, das sollst du verkünden. Fürchte dich nicht vorihnen; denn ich bin mit dir, um dich zu retten – Spruch des Herrn. Dann streckte derHerr seine Hand <strong>aus</strong>, berührte m<strong>einen</strong> Mund und sagte: Hiermit lege ich meine Worte ind<strong>einen</strong> Mund. Sieh her! Am heutigen Tage setze ich dich über Völker und Reiche; dusollst <strong>aus</strong>reißen und niederreißen, vernichten und einreißen, aufbauen und einpflanzen.“Die Botschaft an Jeremia wird hier sehr drastisch wieder gegeben, Die 4 Verben dasAuftrags sind sehr destruktiv: <strong>aus</strong>reißen, niederreißen, vernichten und einreißen. Dassind Worte der Zerstörung. Jeremia bringt zunächst die Botschaft des göttlichenGerichts. Aber der Auftrag an den <strong>Propheten</strong> besteht nicht nur in der Zerstörung, er sollauch aufbauen und einpflanzen. Tatsächlich enthält das Buch Jeremia auch eineHeilsbotschaft, vor allem in den Kapiteln 29 – 33, aber das Heil folgt erst auf denUntergang.Diese Tatsache scheint von nicht unwesentlicher Bedeutung zu sein, auch für uns heute.Damit etwas Neues entstehen kann muss etwas Altes, eine Fehlform zugrunde gehen.Denken wir nur an uns selbst: Wir beten gern um die Gaben Gottes um das Heil und umSeine Nähe. Aber fragen wir uns auch, ob wir überhaupt in der Lage sind, diese GabenGottes zu empfangen. Bin ich überhaupt in der Lage die Nähe Gottes zu ertragen?Es gibt eine Form der Gottvergessenheit, eine Fehlhaltung, die zunächst einmal zuGrunde gehen muss, die zerstört werden muss und die k<strong>einen</strong> Bestand hat. Das ist derdestruktive Aspekt der prophetischen Botschaft. Sie ist die Vor<strong>aus</strong>setzung dafür, dassetwas Neues aufgebaut, etwas Neues eingepflanzt werden kann!Stellen Sie sich vor, Sie sind Besitzer eines Bauplatzes auf dem sich eine Ruinebefindet. Diese Ruine ist irreparabel, es ist nichts mehr mit ihr anzufangen. Sollten Siees trotzdem versuchen, so werden Sie feststellen, dass gar nichts mehr funktioniert, <strong>aus</strong>der Ruine wird kein schönes altes H<strong>aus</strong>, und das Neue H<strong>aus</strong> wird auch nicht gut.Also muss die Ruine zunächst abgetragen werden, der Boden muss gereinigt undumgepflügt werden. Das alles ist eine harte und schmerzhafte Arbeit, weil ja zunächstnoch gar nichts Neues entsteht Aber erst wenn der Bauplatz wirklich hergerichtet istkann aufgebaut und eingepflanzt werden. Das ist auch das letzte Ziel der prophetischenBotschaft.In dieser Beziehung ist die Botschaft des <strong>Propheten</strong> nach wie vor aktuell. Es gibtFehlhaltungen, die uns oft gar nicht bewusst werden, die auch damals nicht bewusstwaren, die aber von einzelnen, überzeugenden Gestalten aufgedeckt werden. Das istschmerzhaft, aber dann weisen diese <strong>Propheten</strong> auch den Weg der Heilung und desNeubeginns. Das ist die Grundstruktur der prophetischen Botschaft und dertheologische Ort der Gerichtsbotschaft. In dieser Situation wäre es falsch einfach nurshalom, shalom zu sagen! Denn im Nachhinein stellte sich her<strong>aus</strong>, die so sprachen3


Jeremia 2/ 6: „Sie fragten nicht: Wo ist der Herr, der uns <strong>aus</strong> Ägypten her<strong>aus</strong>geführt,der uns in der Wüste den Weg gewiesen hat, im Land der Steppen und Schluchten, imdürren und düsteren Land, im Land das keiner durchwandert und niemand bewohnt?“Das setzt vor<strong>aus</strong>, dass Gott durch den Auszug <strong>aus</strong> Ägypten und die Führung durch dieWüste heilvoll gehandelt hat. Das scheint von den Angesprochenen nicht bestritten zuwerden – doch sie gehen dem, was sie selbst erfahren haben, nicht weiter nach, siefragen nicht mehr nach dem Herrn, sie suchen ihn nicht. Das permanente Fragen nachdem Herrn gehört aber offensichtlich zu einem gesunden und guten Gottesverhältnis.Vers 8: „Die Priester fragten nicht: Wo ist der Herr?“ Es ist nicht damit getan, dass Gottsein Volk einmal <strong>aus</strong> der Macht des Todes rettet. Das Volk verlässt den Bund mit Gott –den Grund seines Wohlergehens.Vers 9 - 13. „Darum muss ich euch weiter anklagen – Spruch des Herrn – und gegeneure Kindeskinder Klage erheben. Geht doch hinüber zu den Inseln der Kittäer, und sehteuch um, oder schickt nach Kedar, forscht genau nach, und seht zu, ob irgendwo etwasÄhnliches geschah. Hat je ein Volk seine Götter gewechselt? Dabei sind es gar keineGötter. Mein Volk aber hat s<strong>einen</strong> Ruhm gegen unnütze Götzen vert<strong>aus</strong>cht. Entsetzteuch darüber ihr Himmel, erschaudert gewaltig – Spruch des Herrn. Denn mein Volkhat doppeltes Unrecht verübt: Mich hat es verlassen, den Quell des lebendigen <strong>Was</strong>sers,um sich Zisternen zu graben, Zisternen mit Rissen, die das <strong>Was</strong>ser nicht halten.“Es ist nicht so, dass Gott irgendwie beleidigt ist, es ist keine emotionale Kategorie in derbiblischen Tradition, sondern, wenn überhaupt, dann eine juridische. Wenn das Volkdiese Grundlage, nämlich den Bund JAHWE’S mit dem Volk, verlässt, dann richtet essich selbst zu Grunde. Dieser Grundsatz wird später auch auf alle Völker <strong>aus</strong>gedehnt –Der Mensch kann nicht bestehen, wenn er nicht nach der Wirklichkeit Gottes fragt!Doch wie ergeht es dem <strong>Propheten</strong>?Jer 1/17: „Du aber gürte dich, tritt vor sie hin, und verkünde ihnen alles, was ich dirauftrage. Erschrick nicht vor ihnen, sonst setze ich dich vor ihren Augen in Schrecken.Ich selbst mache dich heute zur befestigten Stadt, zur eisernen Säule und zur ehernenMauer gegen das ganze Land, gegen Könige, Beamte und Priester von Juda und gegendie Bürger des Landes. Mögen sie dich bekämpfen, sie werden dich nicht bezwingen;denn ich bin bei dir um dich zu retten – Spruch des Herrn.“Der Prophet leidet, er ist mit hinein genommen in die Katastrophe, er leidet am Auftrag,er leidet an der Katastrophe in die sein Volk gerät aber er erhält die Zusage, zwar nichtvom Leid verschont zu werden sondern im Leid zu bestehen.Jer 15/20 :„Dann mache ich dich für dieses Volk zur festen ehernen Mauer. Mögen sie dichbekämpfen, sie werden dich nicht bezwingen; denn ich bin mit dir, um dir zu helfen unddich zu retten – Spruch des Herrn. Ja, ich rette dich <strong>aus</strong> der Hand der Bösen, ich befreiedich <strong>aus</strong> der F<strong>aus</strong>t der Tyrannen.“Schon bei Mose haben wir eine ähnliche Situation: „……schick doch <strong>einen</strong> anderen, ichkann nicht gut reden etc“ Ebenso bei Jesaia und Ezechiel. Der Prophet wird von Gotthart ge<strong>macht</strong>, um diesem massiven Widerstand, den er vom Volk erfährt Stand zuhalten. Als dann die Katastrophe eintritt und das Land Juda von Babylon erobert wird,597 kommt es zur Einnahme Jerusalems und Ezechiel gehört zu den Deportierten.5


Ezechiel 11/ 19:„Ich schenke ihnen ein anderes Herz und schenke ihnen <strong>einen</strong> neuen Geist. Ich nehmedas Herz von Stein <strong>aus</strong> ihrer Brust und gebe ihnen ein Herz von Fleisch, damit sie nachm<strong>einen</strong> Gesetzen leben und auf meine Rechtsvorschriften achten und sie erfüllen. Siewerden mein Volk sein und ich werde ihr Gott sein. Die aber, deren Herz an ihrenGötzen und an ihren Gräueltaten hängt – Spruch Gottes des Herrn: Ihr Verhalten lasseich auf sie selbst zurückfallen.“Es geht hier um ein neues, ein empfängliches Herz das offen sein wird für die Thora.Die Aufgabe des Volkes ist es also, sich diesem Gott nicht zu verweigern. Bei Ezechielhaben wir wirklich das Bild einer Herztransplantation. Der letzte Handelnde ist Gott, erist es, der alle Wirklichkeit heilt. Ich muss mich dem transformierenden(verwandelnden) Handeln Gottes öffnen, bereit sein, für die Erneuerung, die in mirstattfindet. Dann werde ich <strong>aus</strong> diesem erneuerten Herzen her<strong>aus</strong> handeln, nicht mehrdurch Anstrengung, sondern durch eine Wirklichkeit, die mir von Gott her aufs Herzgeschrieben ist, das von Gott her erneuert worden ist.Das erneuerte Herz ist das Ziel der prophetischen Verkündigung. Das ist das Ziel derKontemplation, sich in die Gegenwart Gottes zu versetzen und sich dem Wirken Gotteszu öffnen.Dann wird es deutlich, dass wir in der Regel eine gewisse Verweigerungshaltung Gottgegenüber in uns tragen, und diese gilt es wahrzunehmen!Aber es gibt auch die Situation, dass Gott den Menschen sucht und nicht nur derMensch Gott. Eine der ersten Fragen im Buch Genesis lautet: Adam, wo bist du?nachdem Adam sich im Paradies versteckt hat. Unsere Aufgabe besteht darin, dass wirdiesen Fluchtmechanismus unterbrechen. In der Regel laufen wir vor Gott davon.Die Schmerzen sind auf dem Weg der Reinigung und der Heiligung notwendig – dochwir fürchten sie und m<strong>einen</strong>, sie täten uns nicht gut, und deshalb verweigern wir oftdiesen ersten entscheidenden Schritt. Dieser Bund Gottes mit seinem Volk verwirklichtsich aber in jedem einzelnen Menschen.Da taucht noch eine Frage auf: <strong>Was</strong> ist eigentlich unsere Aufgabe?Wir haben da in der christlichen Tradition etwas, das uns große Schwierigkeiten <strong>macht</strong>.Wir konzentrieren uns so einseitig auf das ethische Handeln und strengen unswahnsinnig an und schaffen es doch nicht. Wir m<strong>einen</strong>, wir könnten unser Heil durcheigene Anstrengung erreichen. Das ist meist die Krise der so genannten Frommen.Ich meine, unsere Aufgabe besteht lediglich darin inne zu halten, still zu werden undGott in seinem Handeln Raum zu geben, denn er will letztlich das Heil eines jedenMenschen. Sein Handeln kann schmerzlich sein, wenn Er „Ruinen“ einreißen muss. Die<strong>Propheten</strong> zeigen den Weg der schmerzlichen Erneuerung und dar<strong>aus</strong> ergibt sich dann,fast möchte ich sagen „automatisch“ das neue Handeln <strong>aus</strong> der Erneuerung desHerzens. An uns ist es immer wieder zu fragen: „Wo ist der Herr ?.“7

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