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DAS TÜRKISCHE MODELL IM KAUKASUS UND INZENTRALASIEN NACH DER WENDE IN DER UDSSR 1991Dr. Necati İyikan● ● ●1991 Tarih<strong>in</strong>de Sovyetler Birliği’n<strong>in</strong> Dağılması Sonrasında Kafkasya veOrta Asya’daki Türk ModeliÖzet1991 yılında Sovyetler Birliği’n<strong>in</strong> dağılması, bunun akab<strong>in</strong>de bölgede ortaya çıkan gelişmeler veözellikle de yeni politik oluşumlar, dünya kamuoyu iç<strong>in</strong> önemli bir yer tutmuştu; bu önem bugün de devametmektedir. Bu makalede öncelikle Türkiye’de uygulanan ve adına “Türk Modeli” denilen siyasal sistem<strong>in</strong>Kafkasya ve Orta Asya’daki Türk kökenli devletler olan Azerbaycan, Özbekistan, Türkmenistan, Kazakistanve Kırgızistan’da 1991 den sonraki dönemde uygulanmaya geçiş aşaması <strong>in</strong>celenmektir.Türk Modeli’n<strong>in</strong> kendis<strong>in</strong>e has en önemli özellikler<strong>in</strong>den birisi devlet ve d<strong>in</strong> işler<strong>in</strong><strong>in</strong> birbir<strong>in</strong>denayrılmasıdır. 1991 yılındaki tarihi dönüşümün ardından Türk Model<strong>in</strong>e Batı ve de özellikle ABD siyaset<strong>in</strong><strong>in</strong>bakışı, bunun bölgede uygulanması yönünde olağanüstü çabaları ve bunun sebepleri irdelenmeyeçalışılmaktadır. Makalen<strong>in</strong> bir diğer ağırlıkla ele almaya çalıştığı konu da, Sovyetler Birliği’nde önemligörevlerde bulunan ve sonraki aşamada adı geçen ülkelerde Cumhurbaşkanlığı gibi önemli görevleri üstlenensiyaset dünyasının güçlü politikacılarını “Türk Modeli’ni” ben<strong>im</strong>semeye ve uygulamaya iten faktörleri<strong>in</strong>celemektir.Yazarın amacı, adı geçen ağırlıklı konuların analizi ile “Türk Modeli”n<strong>in</strong> sadece Kafkasya, OrtaAsya iç<strong>in</strong> değil, aynı zamanda Avrupa kıtasında da barış faktörüne olası katkılarını dile getirmeye çalışmaktır.Anahtar Kel<strong>im</strong>eler: Türk modeli, Kafkasya, Orta Asya, Sovyetler Birliği’n<strong>in</strong> dağılması, ABD.ZusammenfassungDie mit dem Ende des Bestehens <strong>der</strong> Union <strong>der</strong> Sozialistischen Sowjetrepubliken (UdSSR) 1991zusammenhängenden Entwicklungen, vor allem politische Umstrukturierungen, waren für die Öffentlichkeit<strong>der</strong> Welt wichtig. In diesem Aufsatz handelt es sich pr<strong>im</strong>är um die Thematik <strong>das</strong> “türkische Modell <strong>in</strong> <strong>der</strong>Turkei <strong>und</strong> desen Umnsetzung <strong>in</strong> den türkisch-stämmigen Län<strong>der</strong>n <strong>im</strong> Kaukasus <strong>und</strong> <strong>in</strong> Zentralasien wieAserbaidschan, Usbekistan, Turkmenien, Kasachstan <strong>und</strong> Kirgisien.Das “türkische Modell” bedeutet unter an<strong>der</strong>em die Trennung von Politik <strong>und</strong> Religion, die <strong>in</strong> <strong>der</strong>islamischen Welt zum ersten Mal praktiziert wurde. Die Wende <strong>in</strong> <strong>der</strong> UdSSR 1991 hat nicht nur diepolitische, son<strong>der</strong>n auch geographische Bedeutung <strong>der</strong> Türkei mit ihrem politischen Modell drastischverän<strong>der</strong>t. Das führte dazu, <strong>das</strong>s die westliche, vor allem die amerikanische Politik die Bedeutung <strong>der</strong>E<strong>in</strong>führung des türkischen Modells <strong>in</strong> <strong>der</strong> Region wahrgenommen hat. Die Gründe für die Forcierung destürkischen Modells durch die westliche Politik <strong>und</strong> die ehemaligen kommunistischen Funktionäre <strong>im</strong>Kaukasus <strong>und</strong> <strong>in</strong> Zentralasien waren unterschiedlich.Schüsselwörter: Türkisches <strong>modell</strong>, e<strong>in</strong>führung des Türkischen <strong>modell</strong>s, gefahr desf<strong>und</strong>amentalismus, <strong>in</strong>teresse des westens am Türkischen <strong>modell</strong>, unterstützung <strong>der</strong> ehemaligenkommunistischen funktionäre für <strong>das</strong> Türkische model.


Necati İyikan • Das Türkische Modell <strong>im</strong> Kaukasus <strong>und</strong> <strong>in</strong> Zentralasien <strong>nach</strong> <strong>der</strong> Wende <strong>in</strong> <strong>der</strong> UdSSR 1991 • 169Die türkischen Quellen werden nur <strong>im</strong> Literaturverzeichnis <strong>in</strong> diedeutsche Sprache übersetzt. Sie werden bei Wie<strong>der</strong>holung nur mit dem Namendes jeweiligen Verfassers <strong>und</strong> mit <strong>der</strong> entsprechenden Nummer <strong>der</strong> Fußnote bei<strong>der</strong> ersten Angabe wie<strong>der</strong>gegeben.Die Län<strong>der</strong>, die die Unabhängigkeit 1991 <strong>nach</strong> <strong>der</strong> Wende <strong>in</strong> <strong>der</strong> UdSSRerreicht haben, heißen offiziell Aserbaidschan, Kasachstan, Kirgisien, Turkmenien<strong>und</strong> Usbekistan. Sie werden jedoch <strong>im</strong> Westen auch “dietürksprachigen Republiken”, dagegen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Türkei e<strong>in</strong>fach “die türkischenLän<strong>der</strong>” genannt. Der Verfasser verwendet die unterschiedlichen Begriffe.1. Das türkische ModellUnter dem Term<strong>in</strong>us “Modell” versteht man unter an<strong>der</strong>em “Vorbild,Entwurf, Form, Beschaffenheit, Maßverhältnisse veranschaulichendeAusführung e<strong>in</strong>es vorhandenen o<strong>der</strong> noch zu schaffenden Gegenstandes <strong>in</strong>best<strong>im</strong>mtem Maßstab”. Das türkische Modell bedeutet e<strong>in</strong>e radikaleVerän<strong>der</strong>ung, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e <strong>im</strong> Bereich <strong>der</strong> Politik. Diese Verän<strong>der</strong>ung beziehtsich auf die Trennung von Politik <strong>und</strong> Religion bei <strong>der</strong> Gesetzgebung. Ke<strong>in</strong>eReligion hat laut türkischer Verfassung E<strong>in</strong>fluss auf die Gestaltung <strong>der</strong> Gesetze.Artikel 2 <strong>der</strong> Verfassung von 1937 verankerte diese Beson<strong>der</strong>heit <strong>der</strong> neuentürkischen Republik unter Mustafa Kemal Atatürk: “Der türkische Staat istrepublikanisch, nationalistisch, volksverb<strong>und</strong>en, <strong>in</strong>terventionistisch, laizistisch<strong>und</strong> revolutionär. Se<strong>in</strong>e Amtssprache ist Türkisch.” (KREISER, 1988: 211)Dieses F<strong>und</strong>ament <strong>der</strong> türkischen Republik wurde auch <strong>nach</strong> den Militärputschenvon 1961, 1971 <strong>und</strong> 1982 beibehalten. Die Verfassung von 1982 hatheute noch ihre Gültigkeit. Bedenkt man, <strong>das</strong>s <strong>der</strong> Bevölkerungsanteil <strong>der</strong>Musl<strong>im</strong>e <strong>in</strong> <strong>der</strong> Türkei 99,2% beträgt (BATEMAN/EGAN, 1997: 384), <strong>und</strong> nurdie Türkei von den <strong>in</strong>sgesamt 48 islamischen Län<strong>der</strong>n über <strong>das</strong> laizistischedemokratische System verfügt <strong>und</strong> e<strong>in</strong>e pluralistische, marktwirtschaftlicheGesellschaft bildet (ERHAN, 2004), wird die Bedeutung dieser e<strong>in</strong>maligen,beispielhaften Entwicklung deutlich. Dass dadurch e<strong>in</strong>e zeitgemäße islamischeAuffassung (ÖZTÜRK, 1997: 46-98; ÖZTÜRK, 2001: 161-164 1 ) stattf<strong>in</strong>denkann, verleiht dem Modell e<strong>in</strong> beson<strong>der</strong>es Gewicht.1 Yaşar Nuri Öztürk, islamischer Wissenschaftler <strong>in</strong> <strong>der</strong> Türkei, ist für se<strong>in</strong>e mutige <strong>und</strong>zeitgemäße Interpretation bekannt <strong>und</strong> f<strong>in</strong>det bei <strong>der</strong> türkischen Bevölkerung hoheAufmerksamkeit. Er wird jedoch von e<strong>in</strong>em gewissen Kreis, <strong>der</strong> den Islam alsReligion mit <strong>der</strong> Politik vere<strong>in</strong>heitlichen will, scharf kritisiert. Er war Abgeordneter<strong>der</strong> Republikanischen Volkspartei <strong>im</strong> türkischen Parlament, trat aber aus <strong>der</strong> Partei169


170 • Ankara Üniversitesi SBF Dergisi • 61-3Säkularisierung bzw. Laizismus s<strong>in</strong>d ke<strong>in</strong>e Entscheidung <strong>der</strong> zivilisiertenGesellschaften, son<strong>der</strong>n e<strong>in</strong>e natürliche <strong>und</strong> notwendige Entwicklung.Diejenigen Gesellschaften, die diesen Übergang zu e<strong>in</strong>er säkularen Gesellschaftnoch nicht absolviert haben, s<strong>in</strong>d nicht nur rückständig, son<strong>der</strong>n auch e<strong>in</strong>eernstzunehmende Bedrohung für den Frieden <strong>im</strong> eigenen Land <strong>und</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Welt(HAFIZOĞULLARI, 1998: 89) 2 . Das Datum 11. September 2001 verleiht demtürkischen Modell unter diesem Aspekt – mag es auch übertrieben kl<strong>in</strong>gen –e<strong>in</strong>e historische Rolle, die vor allem <strong>im</strong> Bereich <strong>der</strong> Sicherheit zu sehen ist.Davon s<strong>in</strong>d nicht nur die USA, son<strong>der</strong>n auch Europa betroffen.Das türkische Modell besteht aus drei Hauptelementen:1. Politik2. Wirtschaft3. SoziabilitätZu 1: Die türkische Republik be<strong>in</strong>haltet Demokratie, Laizismus <strong>und</strong>Rechtsstaatlichkeit. Das Mehrparteiensystem ist <strong>in</strong> diesem Modell als e<strong>in</strong> festerFaktor zu sehen. Die Demokratie <strong>in</strong> <strong>der</strong> Türkei hat <strong>das</strong> westliche Niveau zwarnoch nicht erreicht, sie verfügt aber unter den islamischen Län<strong>der</strong>n, wenn auchnoch nicht ausreichend, über die e<strong>in</strong>zige Demokratie.Zu 2: Die türkische Wirtschaft erlebte drei Perioden:a) die vom Staat diktierte Wirtschaftb) ab 1960 die teils vom Privatsektor, teils noch vom Staat geregelteWirtschaftc) ab 1980 die Bemühung um Umsetzung <strong>der</strong> MarktwirtschaftZu 3: Der soziale Bereich ist durch Atatürks Reformen geprägt. Dietürkische Gesellschaft verfolgt <strong>das</strong> von Atatürk festgelegte Ziel, nämlich diezeitgemäße Zivilisation e<strong>in</strong>zuholen (MÜTERCİMLER, 1993:301, 317,318),womit sich die Türkei von den islamischen Län<strong>der</strong>n radikal unterscheidet.Die Türkei wurde mit Spanien verglichen. Dafür s<strong>in</strong>d drei Gründeanzuführen:am 20.04.2004 aus, weil die Partei se<strong>in</strong>er islamischen Auffassung kaum schenkte. Ergründete am 16.02.05 die Partei Aufstieg des Volkes (Halkın Yükselişi).Der Verfasser hält se<strong>in</strong>e politischen Aktivitäten für durchaus diskussionswürdig, dennes besteht nämlich die Gefahr, <strong>das</strong>s se<strong>in</strong>e wertvolle islamische Auffassung <strong>im</strong>politischen Geschäft ihre Bedeutung verliert.2 Siehe auch für Laizismus: (COŞTUROĞLU, 1981: 235-245).170


M. Sandiford / Tectonophysics 305 (1999) 109–120 113Fig. 2. (a) Modelled heat production prior to bas<strong>in</strong> development,characterised by an upper crustal layer of thickness h r produc<strong>in</strong>gheat at rate H c . (b) Heat production distribution follow<strong>in</strong>gbas<strong>in</strong> stretch<strong>in</strong>g (by factor þ) sufficient to generate bas<strong>in</strong>-fillof thickness z s . (c) Schematic geotherms before (solid l<strong>in</strong>e),and after (<strong>das</strong>hed l<strong>in</strong>e), rift<strong>in</strong>g and associated thermal subsidence.The changes <strong>in</strong> the heat production distribution lead tochanges <strong>in</strong> temperature at a given depth (∆T z — see <strong>in</strong>set).The Moho temperature changes .∆T Moho / differ from ∆T z becauseMoho depths (as represented by small circles) are likelyto be reduced <strong>in</strong> the long-term l<strong>im</strong>it of an isostatically balancedrift-bas<strong>in</strong> (see text for discussion). ∆T .4/ provides a measureof the cool<strong>in</strong>g due to the change <strong>in</strong> depth of the Moho, with∆T Moho D ∆T z C ∆T .4/ (see text for discussion).Fig. 3. (a) Geotherms and (b, c and d) ∆T z as a function of depthfor various values of bas<strong>in</strong>-fill (z s D 0, 4, 8 and 12 km). Defaultparameters values are as listed <strong>in</strong> Table 1 with exceptions notedon the <strong>in</strong>dividual figures.where hk c i is the mean thermal conductivity ofthe crust. Note that this relation applies only atlevels below that conta<strong>in</strong><strong>in</strong>g heat production, i.e.z > z s C h r =þ. Fig.3cshows∆T z due to attenuationand burial of the pre-exist<strong>in</strong>g heat production fora variety of different heat production distributions,us<strong>in</strong>g default thermal parameters as listed <strong>in</strong> Table 1.Note that <strong>in</strong>creas<strong>in</strong>g the thickness of the heat-produc<strong>in</strong>glayer, while keep<strong>in</strong>g the total amount of heatproduced by the layer constant, causes significantreductions <strong>in</strong> ∆T z (cf. Fig. 3c,d).Clastic sed<strong>im</strong>ents typically conta<strong>in</strong> significant concentrationsof heat-produc<strong>in</strong>g elements and the additionalheat production contributed by the bas<strong>in</strong>-fill(typically 1–3 µW m 3 ) will cause some heat<strong>in</strong>g ofFig. 4. (a) the effect of bas<strong>in</strong>-fill heat production on the thermalreg<strong>im</strong>e of the upper crust (∆T .2/). (b) The effect of conductivitycontrasts between the bas<strong>in</strong>-fill and the <strong>und</strong>erly<strong>in</strong>g crust(∆T .3/). The solid l<strong>in</strong>e illustrates schematic geotherms with (a)no heat production <strong>in</strong> the bas<strong>in</strong>-fill and (b) no thermal conductivitycontrast across the bas<strong>in</strong>-fill and the <strong>und</strong>erly<strong>in</strong>g crust. The<strong>das</strong>hed l<strong>in</strong>es <strong>in</strong>dicate the general form of geotherms expected by(a) <strong>in</strong>troduc<strong>in</strong>g significant heat production <strong>in</strong> the sed<strong>im</strong>ent, and(b) lower<strong>in</strong>g the mean conductivity of the bas<strong>in</strong>-fill relative tothe <strong>und</strong>erly<strong>in</strong>g crust.


174 • Ankara Üniversitesi SBF Dergisi • 61-3<strong>der</strong> Sowjetunion mit dem Islam e<strong>in</strong>e wichtige Rolle. Der Islam war von <strong>der</strong>russischen Kolonialverwaltung vor 1917 kaum berührt worden (HALBACH,1991: 3). Erst die sowjetischen Behörden hatten <strong>in</strong> den späten 20er-Jahren mit<strong>der</strong> antireligiösen Kampagne begonnen. Sie hatten erwartet, man könne den Islamebenso wie an<strong>der</strong>e Glaubensgeme<strong>in</strong>schaften durch Zerschlagung se<strong>in</strong>ergeistlichen „Infrastruktur“ beseitigen. Dies war e<strong>in</strong>e stupide Erwartung, weilsich <strong>der</strong> Islam als Geme<strong>in</strong>schaft <strong>und</strong> nicht als Amtskirche manifestiert(HALBACH, 1991: 20-21). Die Frage jedoch, ob e<strong>in</strong>e heterogene islamischeAuffassung <strong>in</strong> Zentralasien <strong>und</strong> <strong>im</strong> Kaukasus unter den islamischen Län<strong>der</strong>nbestehe, ist mit e<strong>in</strong>em klaren Ne<strong>in</strong> zu beantworten.Das weltbekannte Bild vom Islam, nämlich „die une<strong>in</strong>heitlicheislamische Orientierung“, war <strong>und</strong> ist bei den türkisch-musl<strong>im</strong>ischen Län<strong>der</strong>n<strong>in</strong> <strong>der</strong> Region wie Kasachstan, Kirgisien, Turkmenien, Usbekistan <strong>und</strong>Aserbaidschan ebenfalls vorhanden. Dies war die Auswirkung <strong>der</strong> Ereignisse <strong>in</strong><strong>der</strong> Geschichte auf die Gegenwart, was auch dazu führte, <strong>das</strong>s diese Län<strong>der</strong> e<strong>in</strong>jeweils unterschiedliches Verhältnis zum Islam haben. Das bedeutete jedochke<strong>in</strong>eswegs, <strong>das</strong>s diese Län<strong>der</strong> die verschiedenen antagonistischen politischenSysteme <strong>nach</strong> dem Zerfall <strong>der</strong> UdSSR bevorzugten. Die Staaten also, die überke<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>heitliche islamische Auffassung verfügten, waren zu e<strong>in</strong>eme<strong>in</strong>heitlichen Ergebnis gekommen: Trennung von Staat <strong>und</strong> Religion. Für e<strong>in</strong>en<strong>der</strong> Beweggründe zu diesem Schritt hält <strong>der</strong> Verfasser dieses Aufsatzes die vorhandenepotenzielle Situation zur Radikalisierung des Islam <strong>in</strong> <strong>der</strong> Region, <strong>in</strong><strong>der</strong> soziale, kulturelle <strong>und</strong> wirtschaftliche Probleme <strong>nach</strong> <strong>der</strong> UdSSR-Zeitzunahmen. Halbachs Schil<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Situation von 1991 weist bereits daraufh<strong>in</strong>: “[...] Allerd<strong>in</strong>gs existieren <strong>in</strong> Zentralasien durchaus e<strong>in</strong>ige <strong>der</strong>sozialkulturellen <strong>und</strong> materiellen Bed<strong>in</strong>gungen, die die islamische Oppositiongegen bestehende Staats- <strong>und</strong> Gesellschaftsstrukturen <strong>in</strong> an<strong>der</strong>en Teilen <strong>der</strong>islamischen Welt begünstigt haben. [...] E<strong>in</strong>e panislamische Perspektive wurde1990 durch die Gründung <strong>der</strong> „islamischen Partei <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>geburt“ aufAllunionsebene eröffnet.”(HALBACH, 1991: 2) Die regierende Elite <strong>in</strong> denLän<strong>der</strong>n Zentralasiens neigt zu e<strong>in</strong>em mo<strong>der</strong>nen Staatssystem, <strong>in</strong> dem diesäkularen Werte Übergewicht haben, statt zu e<strong>in</strong>em Staat, <strong>in</strong> dem <strong>der</strong> radikaleIslam <strong>und</strong> die nationale Ideologie herrschen. 5 Diese Tendenz, die ausgerechnet<strong>nach</strong> <strong>der</strong> Wende <strong>in</strong> <strong>der</strong> UdSSR bei den kommunistischen Funktionären aufe<strong>in</strong>mal populär wurde, muss gewisse H<strong>in</strong>tergründe haben. Sowohl <strong>der</strong>5 Ian, Cuthbertson (1994), “The new ”Great Game” (Central Asia and theTranscaucasus),” World policy journal, vol 11. No. 4, s. 31-42, <strong>in</strong>: (BİNGÖL,1998:10)ı.174


176 • Ankara Üniversitesi SBF Dergisi • 61-31.1.2. Gefahr des religiösen F<strong>und</strong>amentalismusEs gibt e<strong>in</strong>ige Untersuchungen des islamischen F<strong>und</strong>amentalismus <strong>in</strong> denpostsowjetischen Republiken, die die Gefahr dessen verharmlosten,vere<strong>in</strong>fachten o<strong>der</strong> teilweise wi<strong>der</strong>sprüchliche Schlussfolgerungen zogen. NachGünden Peker tendieren die Bevölkerungen <strong>in</strong> Zentralasien we<strong>der</strong> zu e<strong>in</strong>erislamischen noch zu e<strong>in</strong>er kommunistischen Revolution (PEKER, 1996: 77).Zakir Avşar <strong>und</strong> die an<strong>der</strong>en <strong>in</strong> <strong>der</strong> Quelle genannten Verfasser schätzten dieWahrsche<strong>in</strong>lichkeit e<strong>in</strong>er religiösen Radikalisierung <strong>in</strong> den neuen türkischenStaaten ziemlich ger<strong>in</strong>g e<strong>in</strong> (AVŞAR/SOLAK/YORULMAZ/YORULMAZ,1994: 145). Demirel, <strong>der</strong> ehemalige M<strong>in</strong>ister- <strong>und</strong> Staatspräsident <strong>der</strong> Türkei,vertrat die Me<strong>in</strong>ung, <strong>das</strong>s <strong>der</strong> islamische F<strong>und</strong>amentalismus nicht <strong>das</strong>erstrangige Problem <strong>der</strong> neuen Republiken sei, da sie lange Zeit <strong>in</strong> dem denGlauben ablehnenden sozialistischen Reg<strong>im</strong>e gelebt hätten 6 . Diepostsowjetischen Republiken würden <strong>nach</strong> Erol Müterc<strong>im</strong>ler durch die“sowjetische Erziehung“ statt zu e<strong>in</strong>em religiösen Reg<strong>im</strong>e eher zu e<strong>in</strong>erDemokratisierung neigen (MÜTERCİMLER, 1993:311).Nicht nur die Öffentlichkeit, son<strong>der</strong>n auch e<strong>in</strong>ige Wissenschaftler <strong>und</strong>Strategen <strong>im</strong> Westen hatten die M<strong>in</strong><strong>der</strong>heiten <strong>in</strong> <strong>der</strong> UdSSR nichtwahrgenommen. Die Musl<strong>im</strong>e, <strong>der</strong>en Zahl 18 % <strong>der</strong> Gesamtbevölkerung <strong>der</strong>aufgelösten UdSSR betrug, erhalten heute aber mehr Aufmerksamkeit 7 . Derreligiöse F<strong>und</strong>amentalismus könnte sich laut Müterc<strong>im</strong>ler so stark entwickeln,<strong>das</strong>s daraus langfristig gefährliche Folgen entstehen würden. Dieser Vorganghabe sich <strong>nach</strong> <strong>der</strong> Auflösung <strong>der</strong> UdSSR beschleunigt (MÜTERCİMLER,1993: 311) . Die Wende bot den politischen Akteuren <strong>der</strong> Region dieMöglichkeit, eigene nationale Interessen zu vertreten. Der Faktor Islam bildetee<strong>in</strong>e günstige Basis dafür. Die Ereignisse <strong>in</strong> Afghanistan <strong>und</strong> Tadschikistan <strong>und</strong><strong>der</strong>en mögliche Auswirkungen auf die Region s<strong>in</strong>d nur e<strong>in</strong> Beispiel dafür. Derzu Ende gegangene Bürgerkrieg <strong>in</strong> Afghanistan wurde am 28. April 1992 durchdie Beiträge von Iran, Saudi-Arabien <strong>und</strong> Pakistan erneut ausgelöst, <strong>und</strong> dief<strong>und</strong>amentalistischen Strömungen <strong>in</strong> Afghanistan kamen durch die Unterstützungvon diesen Län<strong>der</strong>n rasch voran. Auch <strong>in</strong> Tadschikistan, dessenReg<strong>im</strong>e mit dem Afghanistans vergleichbar war, wurde durch die Beziehungzum Iran am 26. April 1992 ebenfalls e<strong>in</strong> Bürgerkrieg ausgelöst. Der E<strong>in</strong>fluss6 Öznal, Erdoğan, Değişik Dünya Dengeleri ve Türkiye’n<strong>in</strong> Stratejik Önemi,Genelkurmay Başkanlığı ATASE Yayını, Ankara 1992, s. 9, <strong>in</strong>:(MÜTERCİMLER, 1993: 293).7 Ben<strong>in</strong>gsen, Alexan<strong>der</strong>, “Stratejik Açıdan Sovjet Müslümanları,” Yeni Forum,Ankara, 1988, s. 324, <strong>in</strong>: (MÜTERCİMLER, 1993: 311).176


178 • Ankara Üniversitesi SBF Dergisi • 61-3noch: Die wirtschaftliche Krise, die gesellschaftliche Unruhe <strong>und</strong> die politischeInstabilität könnten die Tendenz zum militanten Islam stärken (PEKER, 1996:79). Dass beispielsweise ausgerechnet die <strong>in</strong> dem genannten Gebiet Ferganatalbestehenden Probleme wie ethnische Gemengelagen, Bodenknappheit, hoheArbeitslosigkeit <strong>und</strong> ökologische Probleme e<strong>in</strong>e Krisensituation entstehenließen (HALBACH, 1996:7-8), erleichtert jede Art <strong>der</strong> Radikalisierung.Unruhen, Krisen <strong>und</strong> politische Instabilität waren jedoch <strong>in</strong> <strong>der</strong> gesamtenRegion <strong>nach</strong> <strong>der</strong> UdSSR-Zeit zu verzeichnen. Man könnte also schlussfolgern,<strong>das</strong>s die nicht vorhandene Homogenität <strong>in</strong> Zentralasien <strong>und</strong> <strong>im</strong> Kaukasus ke<strong>in</strong>eGarantie dafür war <strong>und</strong> ist, <strong>das</strong>s <strong>der</strong> F<strong>und</strong>amentalismus <strong>in</strong> den Län<strong>der</strong>n mitüberwiegend islamischer Bevölkerung nicht die Oberhand gew<strong>in</strong>nen würde.Nach Öznal, Generalleutnant <strong>der</strong> türkischen Armee, könnteF<strong>und</strong>amentalismus <strong>in</strong> <strong>der</strong> Region entstehen, wenn <strong>der</strong> Westen denNachfolgestaaten <strong>der</strong> UdSSR nicht genügend Hilfe <strong>im</strong> Bereich <strong>der</strong> Politik <strong>und</strong>Wirtschaft leistet <strong>und</strong> sie dadurch enttäuscht, so <strong>das</strong>s Armut weiter an <strong>der</strong>Tagesordnung bleibt (MÜTERCİMLER, 1993: 293). Wenn man vor allem dieReligiosität <strong>und</strong> die Bemühungen e<strong>in</strong>iger islamischen Staaten zur Islamisierungberücksichtigt, wird die Ernsthaftigkeit <strong>der</strong> Situation deutlich. Tadschikistanwar <strong>das</strong> e<strong>in</strong>zige postsowjetische Land, <strong>das</strong> durch enormen Druck <strong>und</strong>Unterstützung vom Iran <strong>und</strong> Saudi-Arabien aus dem kyrillischen <strong>in</strong> <strong>das</strong>arabische Alphabet übergegangen ist. In Tadschikistan betrug die Zahl <strong>der</strong>Moscheen 20 bis 25 11 , <strong>im</strong> Jahr 1992 jedoch schon 2 500 (MÜTERCİMLER,1993: 312). Der Iran war nicht <strong>das</strong> e<strong>in</strong>zige Land, <strong>das</strong> sich für die islamischenLän<strong>der</strong> <strong>im</strong> Kaukasus <strong>und</strong> <strong>in</strong> Zentralasien <strong>nach</strong> dem UdSSR-Reg<strong>im</strong>e<strong>in</strong>teressierte. Pakistan <strong>und</strong> Saudi-Arabien bemühten sich ebenfalls umE<strong>in</strong>flussnahme <strong>und</strong> hatten sogar Erfolg. In <strong>der</strong> Gegend zwischen dem KaspischenMeer <strong>und</strong> <strong>der</strong> Mongolei, <strong>in</strong> Turkestan 12 , gab es bis 1991 150 Moscheen.Zwei Jahre später stieg die Zahl auf mehr als 5 000 an(MÜTERCİMLER, 1993: 312). Die genannten Län<strong>der</strong> leisteten diese <strong>in</strong>tensiveUnterstützung nicht aus religiöser Überzeugung, son<strong>der</strong>n aus politischenGründen. Dass ihre religiösen Auffassungen dadurch vertreten s<strong>in</strong>d, bedeutetauch auf ke<strong>in</strong>en Fall, <strong>das</strong>s es sich hier um islamischen Pluralismus handelt,son<strong>der</strong>n eher die Instrumentalisierung <strong>der</strong> Religion zum eigenen Zweck. Durchdie Zuspitzung <strong>der</strong> Lage könnte <strong>der</strong> F<strong>und</strong>amentalismus ausgerechnet <strong>in</strong> dieserRegion, <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>nach</strong> Peker die Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit dafür ger<strong>in</strong>g ist, zunehmen.11 Die genaue Anzahl <strong>der</strong> Moscheen (20 o<strong>der</strong> 25) sowie <strong>das</strong> Jahr s<strong>in</strong>d dem Text nichtzu entnehmen. Es dürfte 1991, also noch <strong>in</strong> <strong>der</strong> UdSSR-Zeit gewesen se<strong>in</strong>.12 Turkestan bestand aus e<strong>in</strong>em Raum, <strong>der</strong> vom Kaspischen Meer bis weit <strong>nach</strong> Ch<strong>in</strong>a<strong>und</strong> von <strong>der</strong> Grenze Kasachstans bis weit <strong>nach</strong> Persien <strong>und</strong> Afghanistan reichte.178


Necati İyikan • Das Türkische Modell <strong>im</strong> Kaukasus <strong>und</strong> <strong>in</strong> Zentralasien <strong>nach</strong> <strong>der</strong> Wende <strong>in</strong> <strong>der</strong> UdSSR 1991 • 179Das würde zur politischen <strong>und</strong> wirtschaftlichen Instabilität führen, <strong>und</strong>wie<strong>der</strong>um günstige Voraussetzungen für die islamische Opposition, dieMachthabenden <strong>in</strong> diesen Län<strong>der</strong>n stürzen zu können, schaffen. Der nächsteSchritt <strong>der</strong> sich verschlechternden Situation wäre <strong>der</strong> Terror, <strong>der</strong> dann nichtmehr so e<strong>in</strong>fach zu stoppen se<strong>in</strong> würde. Unruhe <strong>und</strong> politisches Chaos würdendann nicht nur auf diese Region beschränkt bleiben. Beispiele dafür waren dieUnruhen, die es <strong>nach</strong> dem Sturz von Schah Reza Pahlewi <strong>im</strong> Iran 1979 <strong>und</strong> <strong>im</strong>Libanon, Sudan, Kaschmir sowie <strong>in</strong> Algerien gab (MÜTERCİMLER, 1993:312).Nach dem Ende <strong>der</strong> UdSSR war die Frage offen, welches Modell dieislamischen Län<strong>der</strong> <strong>im</strong> Kaukasus <strong>und</strong> <strong>in</strong> Zentralasien bevorzugen werden. Dieantagonistischen Modelle aus <strong>der</strong> Türkei <strong>und</strong> dem Iran kamen <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie <strong>in</strong>Frage. Die ehemaligen kommunistischen Funktionäre haben jedoch <strong>das</strong>Hauptelement des türkischen Modells, die Trennung von Staat <strong>und</strong> Religion,recht schnell e<strong>in</strong>geführt <strong>und</strong> <strong>in</strong> allen GUS-Staaten umgesetzt (HALBACH,1996: 25). Sie haben den S<strong>in</strong>n <strong>und</strong> Zweck dieser Trennung nicht h<strong>in</strong>terfragt <strong>und</strong>diese nicht aus Überzeugung, son<strong>der</strong>n eigennützig e<strong>in</strong>geführt, um zwei Zieleverfolgen zu können:1. Den Islam unter Kontrolle zu halten2. Die Stabilität <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Land, <strong>in</strong> dem außer den islamischenGlaubensangehörigen noch an<strong>der</strong>e Religionen vertreten s<strong>in</strong>d, zugewährleistenSie unterstützten den staatstreuen Islam durch ihre Politik. Das führteautomatisch dazu, <strong>das</strong>s <strong>der</strong> nonkonformistische <strong>und</strong> von <strong>der</strong> oppositionellenPolitik geprägte Islam ke<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>fluss mehr hatte. Das vom usbekischenPräsidenten Kar<strong>im</strong>ow gegründete <strong>in</strong>ternationale islamische Kulturzentrum <strong>in</strong><strong>der</strong> Hauptstadt Taschkent (HALBACH, 1996: 7) beispielsweise ist nichts an<strong>der</strong>esals religiöse Dekoration, womit er be<strong>im</strong> konservativen Volk e<strong>in</strong>enreligiösen E<strong>in</strong>druck erweckte. Das Komitee für Religionsangelegenheiten <strong>in</strong>Turkmenien, e<strong>in</strong> Kontrollorgan über die Religion, untersteht ohneh<strong>in</strong> demStaatspräsidenten Nijasow (HALBACH, 1996:27). Dass <strong>der</strong> <strong>in</strong>zwischenverstorbene Alijew <strong>in</strong> Aserbaidschan gelegentlich am Ende se<strong>in</strong>er Ansprachenden Namen Allahs beschwor (LERCH, 1995), war kaum Bedeutungzuzumessen.Die Aussage des Direktors des Kasachstan-Instituts für strategischeStudien <strong>der</strong> Republik Kasachstan <strong>in</strong> Almaty, Umirserik T. Kassenov, dieStaaten Zentralasiens seien <strong>in</strong> ihrem Charakter laizistisch <strong>und</strong> werden deshalbe<strong>in</strong>e Politisierung von Religionsgeme<strong>in</strong>schaften <strong>und</strong> erst recht subversive179


180 • Ankara Üniversitesi SBF Dergisi • 61-3Aktivitäten auf religiöser Gr<strong>und</strong>lage niemals zulassen (KASSENOW, 1995:13), verdient unter diesen Umständen kaum Aufmerksamkeit.1.2. Gründe für <strong>das</strong> Interesse des Westens amtürkischen Modell <strong>im</strong> Kaukasus <strong>und</strong> <strong>in</strong> ZentralasienDer Verfasser des Aufsatzes beschreibt die Region Kaukasus <strong>und</strong>Zentralasien mit <strong>der</strong> neuen politischen <strong>und</strong> wirtschaftlichen Konstellation <strong>nach</strong>dem Ende des kalten Krieges zwischen den USA <strong>und</strong> <strong>der</strong> UdSSR als„politischen <strong>und</strong> wirtschaftlichen Treffpunkt des Westens mit dem türkischenModell“. Bereits <strong>nach</strong> <strong>der</strong> UdSSR-Zeit wies <strong>der</strong> Westen auf die Popularität desModells <strong>in</strong> <strong>der</strong> Region h<strong>in</strong>. Manfred Wörner, <strong>der</strong> frühere NATO-Generalsekretär, bezeichnete die Türkei bei se<strong>in</strong>em Besuch <strong>in</strong> Ankara <strong>im</strong> März1992 als stabilisierenden Faktor <strong>und</strong> Vorbild (Reuter, 20.03.1992, <strong>in</strong>BROWN/FULLER, 1994:15).Der ehemalige amerikanische Außenm<strong>in</strong>ister Baker nötigte Kasachstan<strong>und</strong> Kirgisien bei se<strong>in</strong>er Reise durch Zentralasien <strong>im</strong> Dezember 1991 <strong>das</strong>türkische Modell auf. Er hob auch 1992 bei jedem Stopp auf <strong>der</strong> Reise durchTadschikistan, Turkmenien <strong>und</strong> Usbekistan <strong>das</strong> türkische Modell als Vorbildhervor, dem je<strong>der</strong> Staat folgen solle (Die Welt, 18.02.1992, <strong>in</strong>:BROWN/FULLER, 1994:21).Baker warnte alle politische Führungen <strong>in</strong> Zentralasien vor demislamischen F<strong>und</strong>amentalismus <strong>und</strong> riet vom iranischen System ab (RAŞİT,1996:60). Der französische <strong>und</strong> <strong>der</strong> britische Außenm<strong>in</strong>ister, die <strong>nach</strong> BakerZentralasien besuchten, machten ebenfalls auf die Bedeutung des türkischenModells für die Region aufmerksam (BROWN/FULLER, 1994:21). Derehemalige deutsche B<strong>und</strong>eskanzler Helmut Kohl unterstützte, wenn auch mittelbar,<strong>das</strong> türkische Modell mit <strong>der</strong> folgenden Aussage: „Deutschland <strong>und</strong> dieTürkei könnten zusammenarbeiten, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e <strong>in</strong> jenen Republiken, <strong>der</strong>enFührer die Bereitschaft bek<strong>und</strong>et hätten, <strong>das</strong>s sie <strong>das</strong> türkische Modellübernehmen wollten.“(Agence France Presse, 21. 05. 1993, <strong>in</strong>BROWN/FULLER, 1994: 50)Müterc<strong>im</strong>ler, <strong>der</strong> bei <strong>der</strong> türkischen Armee als Lehrkraft tätig <strong>und</strong> fürse<strong>in</strong>e <strong>in</strong>tensiven Untersuchungen bekannt ist, nennt vier Gründe, aus denen <strong>der</strong>Westen <strong>das</strong> türkische Modell unterstützte. Der Verfasser wird diese kurzdarstellen <strong>und</strong> fügt dem eigene fünf Argumente h<strong>in</strong>zu:1. Müterc<strong>im</strong>ler bezieht sich auf Len<strong>in</strong>s Def<strong>in</strong>ition des Imperialismus, dieŞükrü Gürel <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Schrift erwähnte: „Der Imperialismus entstehtdurch den Monopolkapitalismus, <strong>und</strong> dieser strebt an, die Energie <strong>in</strong> den180


Necati İyikan • Das Türkische Modell <strong>im</strong> Kaukasus <strong>und</strong> <strong>in</strong> Zentralasien <strong>nach</strong> <strong>der</strong> Wende <strong>in</strong> <strong>der</strong> UdSSR 1991 • 181jeweiligen Län<strong>der</strong>n unter Kontrolle zu br<strong>in</strong>gen. Er kontrolliert dann auchmit zunehmen<strong>der</strong> Geschw<strong>in</strong>digkeit die Quellen <strong>der</strong> Energien, wodurch erziemlich mächtig wird. Diese Quellen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Welt werden von denNationalvertretern des Monopolkapitalismus untere<strong>in</strong>an<strong>der</strong> verteilt“, <strong>und</strong>davon ausgehend stellt er die Frage, welche Folgen es gegeben hätte,wenn die ehemaligen UdSSR-Län<strong>der</strong>, die unter dem Marxismus lebten,die Auffassung vertreten hätten, <strong>das</strong>s <strong>der</strong> westliche Kapitalismus zu<strong>im</strong>perialistischen Zwecken <strong>in</strong> die Region kam? Der Westen bräuchte<strong>in</strong>folgedessen e<strong>in</strong> Land, <strong>das</strong> selbst ke<strong>in</strong>e <strong>im</strong>perialistische Vision hat. DieTürkei wäre von <strong>der</strong> westlichen Politik <strong>und</strong> Presse daher <strong>in</strong> denVor<strong>der</strong>gr<strong>und</strong> gerückt worden, da sie e<strong>in</strong>e geme<strong>in</strong>same Religion, Sprache<strong>und</strong> Kultur mit den neuen türkischen Län<strong>der</strong>n hat (GÜREL, 1979: 14). 132. Müterc<strong>im</strong>ler macht auf e<strong>in</strong>en an<strong>der</strong>en wichtigen Aspekt, nämlich dieNukleargefahr <strong>in</strong> <strong>der</strong> Region aufmerksam. Das ehemalige UdSSR-Reg<strong>im</strong>e verfügte über schätzungsweise 150 Tonnen des zur Herstellungvon Atomwaffen notwenigen Urans, wovon 0,5 kg <strong>der</strong> Energie 4 360 kgKohle gleichkommt. In Kasachstan wurden 15 Tonnen Uran gelagert. 14Nach Müterc<strong>im</strong>ler wäre <strong>das</strong> türkische Modell nicht unterstützt worden,wenn die Gefahr <strong>der</strong> Nuklear-Waffen kontrollierbar wäre(MÜTERCİMLER, 1993:305-306). Der Verfasser teilt gr<strong>und</strong>sätzlichdiese Me<strong>in</strong>ung. Es ist aber dabei nicht klar zu ersehen, wie <strong>das</strong> türkischeModell für Sicherheit <strong>im</strong> Bereich <strong>der</strong> Nukleargefahr sorgen könnte. Dieerste gedankliche Variation wäre jedoch, <strong>das</strong>s die Türkei e<strong>in</strong> zuverlässigerBündnispartner des Westens, vor allem <strong>der</strong> USA ist <strong>und</strong> dadurch diewestlichen, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e amerikanischen Interessen verfolgt werden.Dies könnte die These Müterc<strong>im</strong>lers schwächen, denn Ankara würdedurch se<strong>in</strong>e politischen <strong>und</strong> wirtschaftlichen Aktivitäten unmittelbar, mito<strong>der</strong> ohne die E<strong>in</strong>führung des türkischen Modells, die oben erwähntenErwartungen des Westens als loyaler Partner erfüllen. Dabei sollte mannicht unberücksichtigt lassen, <strong>das</strong>s, um für Sicherheit <strong>in</strong> dieser Region zusorgen, we<strong>der</strong> alle<strong>in</strong> <strong>das</strong> türkische Modell noch die entsprechendepolitische Initiative <strong>der</strong> Türkei ausreichend wäre. Diese Argumentationsche<strong>in</strong>t dem Verfasser deswegen irrational zu se<strong>in</strong>.13 Len<strong>in</strong>, Imperialism, The Highest Stage of Capitalism, London 1969, ab s. 228, <strong>in</strong>:(MÜTERCİMLER, 1993: 305- 306).14 E<strong>in</strong>e genauere Ortsangabe ist <strong>der</strong> genannten Quelle nicht zu entnehmen.(MÜTERCİMLER, 1993: 305).181


182 • Ankara Üniversitesi SBF Dergisi • 61-3Die zweite gedankliche Variation für die Befürwortung wäre dieVerh<strong>in</strong><strong>der</strong>ung <strong>der</strong> nuklearen Gefahr. Die Außenpolitik <strong>der</strong> USA widmetebeson<strong>der</strong>e Aufmerksamkeit <strong>der</strong> laizistischen <strong>und</strong> demokratischen Türkei,weil die Verh<strong>in</strong><strong>der</strong>ung durch e<strong>in</strong> demokratisches System, <strong>in</strong> dem es durchdie verschiedenen Institutionen sichere Kontrollmöglichkeiten gibt,gewährleistet werden könnte.3. Die mögliche Verbreitung des religiösen F<strong>und</strong>amentalismus <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regionwie bereits <strong>im</strong> Iran würde gegen die Interessen <strong>der</strong> USA verstoßen. DieUSA sorgten <strong>im</strong> Westen dafür, <strong>das</strong>s die Hilfe <strong>der</strong> Türkei dabeiunvermeidbar <strong>und</strong> notwendig ist. Auch <strong>nach</strong> Graham E. Fuller <strong>und</strong> lan O.Lesser hätten die westlichen Län<strong>der</strong> <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie auf Druck <strong>der</strong> USA<strong>der</strong> Türkei die Rolle e<strong>in</strong>es Modelllandes zugeteilt(MÜTERCİMLER,1993: 306). 154. Die Türkei ist <strong>der</strong> größte Abnehmer <strong>der</strong> landwirtschaftlichen Produkte<strong>der</strong> neuen türkischen Staaten. Außerdem bildet sie mit <strong>der</strong> RussischenFö<strong>der</strong>ation den Gleichgewicht schaffenden Faktor zwischenAserbaidschan, Armenien <strong>und</strong> Georgien. Dies ist wie<strong>der</strong>um e<strong>in</strong> konkretesBeispiel für die <strong>im</strong>mer wie<strong>der</strong> vertretene These, die Türkei diene alsBrücke zwischen Osten <strong>und</strong> Westen (MÜTERCİMLER, 1993:306). E<strong>in</strong>Zusammenhang zwischen landwirtschaftlicher Produktion <strong>und</strong> demgenannten Faktor ist für den Verfasser nicht zu erkennen. Wegen <strong>der</strong>dabei betonten Brückenrolle <strong>der</strong> Türkei hält er diese Argumentation aberfür erwähnenswert.Fünf Argumente des Verfassers dieses Aufsatzes für die Unterstützungdes Westens, vor allem <strong>der</strong> USA, werden wie folgt angeführt:1. Die USA brauchen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Region zuverlässige Partner. Die Türkei erfülltneben Israel <strong>im</strong> Nahen Osten diese Erwartungen <strong>der</strong> USA. Dielogistische Unterstützung über den Militärflughafen Incirlik/Adana <strong>im</strong>Golfkrieg 1991 gegen den Irak mag als Beispiel dienen. We<strong>der</strong> <strong>das</strong>türkische Modell alle<strong>in</strong> noch die geographische Bedeutung <strong>der</strong> Türkeihätte für die Unterstützung <strong>der</strong> USA <strong>im</strong> Kaukasus <strong>und</strong> <strong>in</strong> Zentralasienausgereicht, wenn sie sich auf die Türkei nicht hätte verlassen können.2. Die USA plädierten bisher nicht – auch nicht andeutungsweise – dafür,<strong>das</strong> seit 1923 bekannte türkische Modell, <strong>das</strong> <strong>nach</strong> den USA e<strong>in</strong> ideales15 Graham E., Fuller and lan O., Lesser, Turkey’s New eopolitics From the Balkans toWestern Ch<strong>in</strong>a, Boul<strong>der</strong>, Westview Pres,1993, <strong>in</strong>: Behar, Büşra Ersanlı, Türkçülük,Türkiye’de ve Azerbaycan’da, (1990’lı Yıllar), <strong>in</strong>: Avrasya Etüdleri, TIKA, Ankara3 – 1996, s. 6- 7.182


Necati İyikan • Das Türkische Modell <strong>im</strong> Kaukasus <strong>und</strong> <strong>in</strong> Zentralasien <strong>nach</strong> <strong>der</strong> Wende <strong>in</strong> <strong>der</strong> UdSSR 1991 • 183Modell für die islamischen Län<strong>der</strong> sei, <strong>in</strong> den Län<strong>der</strong>n wie z.B. Iran, Irak,Syrien <strong>und</strong> <strong>in</strong> Saudi-Arabien e<strong>in</strong>zuführen. Das liegt an <strong>der</strong> real geführtenamerikanischen Politik, worunter e<strong>in</strong>e re<strong>in</strong>e Interessenpolitik zu verstehenist. Deshalb bildete <strong>das</strong> türkische Modell <strong>nach</strong> <strong>der</strong> Wende <strong>in</strong> <strong>der</strong>UdSSR unter an<strong>der</strong>em die geeignete Gr<strong>und</strong>lage dafür.3. E<strong>in</strong> an<strong>der</strong>er Gr<strong>und</strong> für die Unterstützung des türkischen Modells war dieauf Frieden abzielende türkische Außenpolitik Ankaras <strong>in</strong> Bezug auf dietürkisch-musl<strong>im</strong>ischen M<strong>in</strong><strong>der</strong>heiten <strong>in</strong> Russland, Ch<strong>in</strong>a, Syrien, Irak<strong>und</strong> Iran sowie die auf Stabilität beruhende Außenpolitik mit Zypern, denLän<strong>der</strong>n <strong>im</strong> Nahen <strong>und</strong> Mittleren Osten <strong>und</strong> vor allem mit Armenien <strong>und</strong>Georgien <strong>im</strong> Kaukasus. Die von <strong>der</strong> Türkei geführte friedlicheAußenpolitik ist also ausgerechnet <strong>in</strong> <strong>der</strong> geographisch <strong>und</strong> politisch sehrwichtigen <strong>und</strong> konfliktreichen Region <strong>das</strong> Markenzeichen <strong>der</strong> vonAtatürk gegründeten mo<strong>der</strong>nen türkischen Republik. Auch die türkischenM<strong>in</strong><strong>der</strong>heiten <strong>in</strong> den verschiedenen Län<strong>der</strong>n s<strong>in</strong>d für die politischeStabilität wichtig (ARIK, 1995/96: 9).Folgende Fragen wurden, soweit dem Verfasser bekannt ist, bisher nichte<strong>in</strong>mal andeutungsweise untersucht:a) Inwieweit ist <strong>das</strong> türkische Modell für die politische Stabilität nicht nur<strong>im</strong> Kaukasus <strong>und</strong> <strong>in</strong> Zentralasien, son<strong>der</strong>n auch <strong>in</strong> Ch<strong>in</strong>a <strong>in</strong> Bezug auf dieM<strong>in</strong><strong>der</strong>heiten bedeutend?b) Welchen Stellenwert hat <strong>das</strong> türkische Modell bei den politischenBeziehungen zwischen Ch<strong>in</strong>a <strong>und</strong> se<strong>in</strong>en türkischen Nachbarlän<strong>der</strong>n wieKasachstan, Kirgisien <strong>und</strong> dem islamischen Land Tadschikistan? WelcheAuswirkungen hätte es auf die politische Stabilität <strong>in</strong> Ch<strong>in</strong>a, wenn dieTürkei ihr Modell beispielsweise aus <strong>in</strong>nenpolitischen Gründen aufgeben<strong>und</strong> die türkische Außenpolitik <strong>in</strong> dieser Region pronationale bzw.islamische Ambitionen verfolgen würde?Die politische Lage <strong>im</strong> autonomen Gebiet X<strong>in</strong>jiang-Uighur <strong>in</strong> Ch<strong>in</strong>a(İYİKAN, 2005: 48-54) könnte e<strong>in</strong> Beispiel se<strong>in</strong>. Die Aktivitäten <strong>der</strong> dortlebenden M<strong>in</strong><strong>der</strong>heiten wie Uighuren, Kasachen <strong>und</strong> Kirgisen weisene<strong>in</strong>deutige tendenzielle Unabhängigkeitsbestrebungen von Ch<strong>in</strong>a auf. DieRolle <strong>und</strong> <strong>das</strong> Ausmaß <strong>der</strong> türkischen Politik <strong>in</strong> <strong>der</strong> Region f<strong>in</strong>det se<strong>in</strong>eDef<strong>in</strong>ition <strong>in</strong> <strong>der</strong> Aussage des verstorbenen Staatspräsidenten Özal: „DieE<strong>in</strong>flusssphäre <strong>der</strong> türkischen Politik reicht von <strong>der</strong> Adria bis zurch<strong>in</strong>esischen Mauer.“ (BROWN/FULLER, 1994: 13)Die von Blank vertretene Me<strong>in</strong>ung, wo<strong>nach</strong> sich politische Ereignisse <strong>in</strong>den Län<strong>der</strong>n dieser Region aufe<strong>in</strong>an<strong>der</strong> auswirken können (BLANK,1995: 5), verdeutlicht die Frage, welche Interessen die türkische183


184 • Ankara Üniversitesi SBF Dergisi • 61-3Außenpolitik <strong>in</strong> dieser Angelegenheit verfolgt. E<strong>in</strong>e proislamische o<strong>der</strong>pronationalistische türkische Außenpolitik würde heißen, e<strong>in</strong>en Funken<strong>in</strong>s Pulverfass zu werfen. Dieses Pulverfass f<strong>in</strong>det se<strong>in</strong>e Bedeutung <strong>in</strong>Braekers Beschreibung <strong>der</strong> neuen Konstellation <strong>in</strong> <strong>der</strong> Region: „Imhistorischen Verlauf wurde <strong>das</strong> islamische Bewusstse<strong>in</strong> <strong>der</strong>Bevölkerungen <strong>im</strong> Kaukasus <strong>und</strong> <strong>in</strong> Transkaukasien 16 <strong>und</strong> Zentralasiendurch den Nationalismus gestärkt. Sie haben den Islam als geme<strong>in</strong>samenGlauben bezeichnet <strong>und</strong> die ethnischen Unterschiede <strong>und</strong>Geme<strong>in</strong>samkeiten zu den an<strong>der</strong>en Nationen wahrgenommen <strong>und</strong>beispielsweise die Unterschiede zu den Russen <strong>und</strong> Ch<strong>in</strong>esen <strong>und</strong>Geme<strong>in</strong>samkeiten mit denjenigen, die an <strong>der</strong> Grenze zu Ch<strong>in</strong>a lebten,bemerkt.” 17Auch die türkische Politik <strong>im</strong> Balkan, Kaukasus <strong>und</strong> Nahen Osten lieferte<strong>in</strong>en Gr<strong>und</strong> für die Unterstützung des türkischen Modells: DieBedeutung des Balkans für die Sicherheit <strong>der</strong> Region nahm <strong>nach</strong> <strong>der</strong>Auflösung Jugoslawiens <strong>und</strong> den darauf folgenden politischenEreignissen zu. Die Türkei erwies sich auch hier <strong>in</strong> vorbildlicher Weiseals stabilisieren<strong>der</strong> Faktor, <strong>in</strong>dem sie zu Bosnien-Herzegow<strong>in</strong>a, Kroatien,Makedonien, Bulgarien <strong>und</strong> Rumänien gute, friedliche politischeBeziehungen pflegte. Was die Türken <strong>in</strong> Rumänien, Bulgarien,Makedonien <strong>und</strong> die Musl<strong>im</strong>e <strong>in</strong> Bosnien-Herzegow<strong>in</strong>a <strong>und</strong> Albanienanbelangt, leistete die türkische Politik e<strong>in</strong>en maßgeblichen Beitrag zumFrieden <strong>in</strong> <strong>der</strong> Region (ARIK, 1995/96: 8).Die unparteiische Politik Ankaras <strong>in</strong> H<strong>in</strong>blick auf Israel <strong>und</strong> Paläst<strong>in</strong>awurde von vielen arabischen Län<strong>der</strong>n scharf kritisiert, weil die Türkei alse<strong>in</strong> Land mit überwiegend islamischer Bevölkerung politischeBeziehungen mit Israel pflegte. Diese wurde sogar als fe<strong>in</strong>dseligeHaltung <strong>der</strong> Türkei gegenüber den islamischen Län<strong>der</strong>n <strong>in</strong>terpretiert(TAŞHAN, 1994: 65). Ankara ist dieser Strategie trotzdem bis heute treugeblieben. Die NATO-Mitgliedschaft <strong>der</strong> Türkei seit 1952 ist für denWesten wichtig. Ankara hatte se<strong>in</strong>e Verpflichtungen aus dem NATO-Bündnis stets erfolgreich erfüllt. Zwar gab es <strong>in</strong> <strong>der</strong> VergangenheitProbleme, beispielsweise die Frustration Ankaras wegen <strong>der</strong> Haltung <strong>der</strong>16 Transkaukasien ist <strong>der</strong> südliche Teil des Kaukasus.17 Braeker, Hans, “Soviet Policy Toward Islam”, Andreas Kappeler, Gerhard S<strong>im</strong>on,Georg Brunner, Edward Allworth (Eds.), Musl<strong>im</strong> Communities Reemerge:Historical Perspectives on Nationality, Politics, and Opposition <strong>in</strong> the FormerSoviet Union and Yugoslavia (Tra.Carol<strong>in</strong>e Sawyer) (Durham, North Carol<strong>in</strong>a:Duke University Press) 1994, s. 159, <strong>in</strong>: (BLANK, 1995: 7).184


Necati İyikan • Das Türkische Modell <strong>im</strong> Kaukasus <strong>und</strong> <strong>in</strong> Zentralasien <strong>nach</strong> <strong>der</strong> Wende <strong>in</strong> <strong>der</strong> UdSSR 1991 • 185westlichen Verbündeten <strong>in</strong> <strong>der</strong> Zypernfrage <strong>in</strong> den 70er-Jahren, dochwurde die NATO-Mitgliedschaft <strong>in</strong> <strong>der</strong> Türkei nie <strong>in</strong> Frage gestellt(HALBACH, 1986: 4). Genauso viel Wert legt die Türkei auf friedlicheVerhältnisse mit den Län<strong>der</strong>n am Schwarzen Meer Ukra<strong>in</strong>e <strong>und</strong>Georgien <strong>und</strong> dem be<strong>nach</strong>barten Moldawien (ARIK, 1995/96: 8). Dietürkische Politik ist also unverzichtbar für <strong>das</strong> politische Gleichgewicht<strong>im</strong> Balkan, <strong>im</strong> Kaukasus, <strong>in</strong> Zentralasien <strong>und</strong> <strong>im</strong> Nahen Osten.Um Missverständnissen vorzubeugen, sei gesagt, <strong>das</strong>s Ankara nichtalle<strong>in</strong> für den Frieden <strong>in</strong> diesen Regionen sorgen kann. Der Verfasser desAufsatzes stellt jedoch die Frage, was geschehen wäre, wenn es e<strong>in</strong>eislamisch o<strong>der</strong> nationalistisch e<strong>in</strong>gestellte radikale Regierung <strong>in</strong> Ankaragegeben hätte? Um die Konsequenzen zu veranschaulichen, werden diepolitischen, kulturellen <strong>und</strong> f<strong>in</strong>anziellen Aktivitäten <strong>der</strong> Türkei <strong>im</strong>Kaukasus (<strong>in</strong> Aserbaidschan) <strong>und</strong> <strong>in</strong> Zentralasien nur <strong>in</strong> den ersten vierJahren <strong>nach</strong> <strong>der</strong> Wende <strong>in</strong> <strong>der</strong> UdSSR 1991 dargestellt:• Die Türkei empf<strong>in</strong>g 10 000 Studenten• 1 000 Fachleute kamen zur Weiterbildung <strong>in</strong> die Türkei• Der türkische TV-Sen<strong>der</strong> Avrasya wurde überall <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regionempfangen• Es gab über 200 türkische Schulen• Die Union <strong>der</strong> türkischsprachigen Nachrichten wurde <strong>in</strong>s Lebengerufen• Die Union <strong>der</strong> geme<strong>in</strong>samen Universitäten <strong>in</strong> Eurasien wurdegegründet• Die Türkei nahm als Investor <strong>in</strong> <strong>der</strong> Region den zweiten Platz <strong>nach</strong>den USA e<strong>in</strong>• Ihr Umsatz <strong>in</strong> <strong>der</strong> Region betrug 10 Milliarden Dollar• Sie gewährte Kredite <strong>in</strong> Höhe von 1 Milliarde Dollar• Es gab 9 000 türkische Geschäftsleute• Die Türkei spendete 380 Millionen Dollar. Damit stand sie an vierterStelle• Es gab Flugverb<strong>in</strong>dungen zwischen <strong>der</strong> Region <strong>und</strong> <strong>der</strong> Türkei, die direktdie Türkei m<strong>in</strong>destens zwei Mal wöchentlich mit denHauptstädten verbanden185


186 • Ankara Üniversitesi SBF Dergisi • 61-3• Die Region öffnete sich durch die kurzen <strong>und</strong> günstigenTransportmöglichkeiten über die Türkei <strong>in</strong> Richtung Mittelmeer <strong>und</strong>Europa sowie die Welt (ARIK, 1995/96: 9).Bedenkt man nur die Bedeutung dieses türkischen TV-Sen<strong>der</strong>s Avrasyabei <strong>der</strong> Verbreitung von politischen Weltanschauungen, dann zeigt sichdie Wichtigkeit <strong>der</strong> türkischen Politik für die politische Stabilität <strong>und</strong> denFrieden. Aus dieser Perspektive ist die Unterstützung des Westens, vorallem <strong>der</strong> USA, für <strong>das</strong> türkische Modell <strong>nach</strong>vollziehbar.4. Die folgende Argumentation taucht bislang <strong>in</strong> ke<strong>in</strong>en Untersuchungen,soweit dem Verfasser bekannt ist, auf, <strong>das</strong>s die E<strong>in</strong>führung <strong>und</strong>sukzessive erfolgreiche Umsetzung des türkischen Modells <strong>in</strong> den neuentürkischen Staaten Aserbaidschan, Usbekistan, Kasachstan, Turkmenien<strong>und</strong> Kirgisien e<strong>in</strong>en wichtigen Beitrag zur Verankerung des türkischenModells <strong>in</strong> <strong>der</strong> Türkei leistet. Die Gefahr, <strong>das</strong>s sich <strong>der</strong> islamischeF<strong>und</strong>amentalismus <strong>in</strong> <strong>der</strong> Türkei ansiedeln könnte, wäre dann ziemlichger<strong>in</strong>g, da e<strong>in</strong> islamisches Reg<strong>im</strong>e <strong>in</strong> Ankara auf den heftigsten Protestzuerst bei diesen Län<strong>der</strong>n stoßen würde. Aserbaidschans Öl wird z.B. ab2005 durch die Pipel<strong>in</strong>e über die Türkei <strong>nach</strong> Europa transportiert. Dasführt dazu, <strong>das</strong>s die Bedeutung <strong>der</strong> Türkei für die Sicherheit nochzunehmen wird.Das türkische Modell ist also e<strong>in</strong> wertvoller Garant für den Friedensowohl <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> türkischen Grenze als auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> gesamten Region.Aus diesem Gr<strong>und</strong> bleibt <strong>der</strong> laizistischen Türkei die politischeUnterstützung <strong>der</strong> USA erhalten.5. Das türkische Modell kann zudem die Kommunikation aufwirtschaftlicher Ebene zwischen dem Westen <strong>und</strong> <strong>der</strong> Region deutlichverbessern. Nicht nur zahlreiche europäische Län<strong>der</strong> <strong>in</strong>vestieren über dieTürkei <strong>in</strong> diese Region, son<strong>der</strong>n auch die zweitstärkste Wirtschaftsmacht<strong>der</strong> Welt Japan bot <strong>der</strong> Türkei Zusammenarbeit an (MÜTERCİMLER,1993: 310). Gorbatschow muss die wirtschaftlichen Vorteile <strong>der</strong> Türkeivorausgesehen haben, denn er sagte e<strong>in</strong>mal: “Die Türkei wird <strong>das</strong> Japan<strong>der</strong> Region, <strong>und</strong> Zentralasien wird unter ihren E<strong>in</strong>fluss geraten.” 18 Dasführt wie<strong>der</strong>um unmittelbar dazu, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> türkische Modell nicht nurwirtschaftlich gestärkt, son<strong>der</strong>n auch die politische Stabilität <strong>in</strong> Ankaragewährleistet wird. Das liegt nicht nur <strong>im</strong> Interesse <strong>der</strong> Türkei, son<strong>der</strong>n18 Öznal, Erdoğan, Değişik Dünya Dengeleri ve Türkiye’n<strong>in</strong> Stratejik Önemi, (Ankara:Genelkurmay Başkanlığı ATASE Yayını),1992, s. 24, <strong>in</strong>: (MÜTERCİMLER, 1993:310).186


Necati İyikan • Das Türkische Modell <strong>im</strong> Kaukasus <strong>und</strong> <strong>in</strong> Zentralasien <strong>nach</strong> <strong>der</strong> Wende <strong>in</strong> <strong>der</strong> UdSSR 1991 • 187auch <strong>der</strong> USA <strong>und</strong> Westeuropas. Dieser Faktor gewann <strong>im</strong> Jahr 2001e<strong>in</strong>en beson<strong>der</strong>en Stellenwert. Die von den USA zugesagte Hilfe <strong>in</strong>Rekordhöhe 19 , um die Wirtschaftskrise zu bewältigen, kann nur mit <strong>der</strong><strong>nach</strong> dem 11. September deutlich gewachsenen strategischen Bedeutung<strong>der</strong> Türkei (SCHLÖTZER, 2001) begründet werden. Auch die schonlange besprochene Möglichkeit, die 5 Milliarden Dollar Militärschulden<strong>der</strong> Türkei bei den USA zu streichen, wurde <strong>nach</strong> dem 11. September umso dr<strong>in</strong>glicher gefor<strong>der</strong>t. Der stellvertretende US-Präsident Dick Cheneyversicherte dem Wirtschaftsm<strong>in</strong>ister Kemal Derviş, <strong>der</strong> Türkei bei <strong>der</strong>Bewältigung <strong>der</strong> Wirtschaftskrise zu helfen (HÜRRİYET, 07.10.2001).Die Feststellung, <strong>das</strong>s nationale Probleme rasch <strong>in</strong>ternationales Echo hervorrufen(İLHAN, 1995: 24), gew<strong>in</strong>nt unter dieser Perspektive <strong>in</strong> <strong>der</strong>Türkei e<strong>in</strong> an<strong>der</strong>es Gewicht.Der Verfasser kommt auf zwei Ergebnisse:1. Die Unterstützung des Westens erleichtert die Fortsetzung des Modells <strong>in</strong><strong>der</strong> Türkei. Die dafür notwendigen Voraussetzungen wie dieVerbesserung <strong>der</strong> Wirtschaft, die weiteren Fortschritte <strong>im</strong>demokratischen Prozess, <strong>der</strong> überzeugte politische Kampf gegen denislamischen F<strong>und</strong>amentalismus <strong>und</strong> die Verh<strong>in</strong><strong>der</strong>ung des Religionsmissbrauchesdurch die Politik müssen jedoch auf Dauer geschaffen werden.2. Die erfolgreiche Fortsetzung dieses Modells wirkt sich auf die Stabilität<strong>im</strong> Kaukasus <strong>und</strong> <strong>in</strong> Zentralasien durchaus positiv aus.Nach Müterc<strong>im</strong>ler sei es die Aufgabe <strong>der</strong> westlichen Welt zu verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n,<strong>das</strong>s die türkischen Län<strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Region durch iranischen E<strong>in</strong>fluss <strong>in</strong> e<strong>in</strong>ef<strong>und</strong>amentalistische Richtung geraten (MÜTERCİMLER, 1993: 303). Ob dieAufgabe alle<strong>in</strong> dem Westen überlassen werden kann, ist diskutabel. Die Frage,mit welchen Mitteln <strong>der</strong> Westen dieses Ziel überhaupt erreichen kann, hatjedoch e<strong>in</strong>e enorme Wichtigkeit. E<strong>in</strong>es davon wäre <strong>der</strong> <strong>in</strong>tensive Kampf gegendie antilaizistischen islamischen Gruppen aus <strong>der</strong> Türkei <strong>in</strong> Europa, die denLaizismus <strong>in</strong> <strong>der</strong> Türkei <strong>im</strong> Visier haben. Der islamische F<strong>und</strong>amentalismus hatsich nämlich bereits auch <strong>nach</strong> Europa ausgebreitet <strong>und</strong> dort e<strong>in</strong>en festen Platz19 Die genaue Höhe ist diesem Bericht nicht zu entnehmen.Der von Schlötzer verwendete Begriff „Hilfe“ ist nicht mit „Spende“ zuverwechseln, denn es handelt sich dabei um den vom InternationalenWährungsfonds erhaltenen Kredit, den die Türkei mit Z<strong>in</strong>sen zurückzuzahlen hat.187


188 • Ankara Üniversitesi SBF Dergisi • 61-3e<strong>in</strong>genommen. E<strong>in</strong> Beispiel dafür ist Deutschland, wo e<strong>in</strong>ige islamischeGruppen ihre politischen Flügel <strong>in</strong> <strong>der</strong> Türkei vor allem vor den Wahlenf<strong>in</strong>anziell kräftig unterstützen. Diese s<strong>in</strong>d dafür bekannt, <strong>das</strong>s sie Laizismus <strong>und</strong>Demokratisierung <strong>in</strong> <strong>der</strong> Türkei für nicht islamisch halten <strong>und</strong> dagegen, vonEuropa aus gesteuert, e<strong>in</strong>en heftigen politischen <strong>und</strong> f<strong>in</strong>anziellen Kampf führen.Jedes Land ist bei <strong>der</strong> Bekämpfung des F<strong>und</strong>amentalismus auf an<strong>der</strong>e Län<strong>der</strong>angewiesen. Dazu gehört auch die Weltmacht USA, die am 11. Septemberdurch Terror gedemütigt wurde. Der <strong>in</strong>tensive Appell Ankaras, Maßnahmengegen diese Gruppen zu ergreifen, stieß <strong>in</strong> <strong>der</strong> BRD auf ke<strong>in</strong> politisches Echo.Erst <strong>nach</strong> dem 11. September 2001 reagierte die deutsche Politik darauf. E<strong>in</strong>edieser Gruppen ist die f<strong>und</strong>amentalistische “Islamische Union” <strong>in</strong> Köln, diedem militanten islamischen F<strong>und</strong>amentalismus zuzuordnen ist. Deren Führerwar <strong>der</strong> mittlerweile verstorbene Cemalet<strong>in</strong> Kaplan, genannt “KölnerKhome<strong>in</strong>i”. Die Ideologie dieser Gruppe ist extrem f<strong>und</strong>amentalistisch <strong>und</strong>strebt die islamische Revolution <strong>in</strong> <strong>der</strong> Türkei <strong>nach</strong> iranischem Vorbild an(NIRUMAND; 1990: 42, 122). Wenn die Überlegungen zur Ergreifung scharferMaßnahmen beispielsweise wie sie zu verbieten (HÜRRİYET, 10. 11. 2001),weil Deutschland <strong>in</strong>zwischen zu <strong>der</strong> Erkenntnis kam, <strong>das</strong>s es selbst darunter zuleiden hat, nicht erst <strong>nach</strong> dem 11. September 2001, son<strong>der</strong>n vorherstattgef<strong>und</strong>en hätten, wäre diese Politik angebrachter <strong>und</strong> <strong>der</strong> deutsche Beitragzur Beibehaltung des türkischen Modells <strong>in</strong> <strong>der</strong> Türkei bzw. zum Frieden <strong>in</strong> <strong>der</strong>Region bedeutsamer gewesen. Der bekannte türkische Journalist Uğur Mumcuschrieb e<strong>in</strong> schon <strong>im</strong> Jahr 1993 veröffentlichtes Buch über Cemalet<strong>in</strong> Kaplan<strong>und</strong> an<strong>der</strong>e islamische Gruppen <strong>in</strong> Deutschland <strong>und</strong> <strong>der</strong> Türkei, wodurch er dieÖffentlichkeit darauf aufmerksam machte, wie <strong>nach</strong>lässig türkische <strong>und</strong>deutsche Politik mit den haarsträubenden Entwicklungen <strong>in</strong> beiden Län<strong>der</strong>numgangen seien (MUMCU, 1993: 69-196) 20 . Die nächsten Reaktionen weisenauf die erhöhte Aufmerksamkeit <strong>der</strong> deutschen Politik h<strong>in</strong>:B<strong>und</strong>es<strong>in</strong>nenm<strong>in</strong>ister Otto Schily teilte bei <strong>der</strong> Bekanntgabe des Berichtes desDeutschen Verfassungsschutzes vom Jahr 2001 mit, <strong>das</strong>s die islamische Gruppe„Milli Görüş“ mit 27.500 Mitglie<strong>der</strong>n <strong>in</strong> Deutschland die stärkste islamische20 Uğur Mumcu wurde am 24.01.1993 ermordet <strong>und</strong> <strong>der</strong> (o<strong>der</strong> die) Täter ist (s<strong>in</strong>d) bisheute nicht gefasst. Vermutlich stehen h<strong>in</strong>ter dieser Tat F<strong>und</strong>amentalisten. DerVerlag Tek<strong>in</strong> veröffentliche <strong>nach</strong> se<strong>in</strong>em Tod e<strong>in</strong> Buch (Tarikat, Siyaset, Ticaret,Istanbul, 1993), <strong>das</strong> aus e<strong>in</strong>er Sammlung se<strong>in</strong>er letzten Zeitungsartikel besteht, dievor allem auf den Zusammenhang zwischen Religion, Politik <strong>und</strong> Geschäft <strong>in</strong> <strong>der</strong>Türkei aufmerksam machten (MUMCU, 1993b:5-176)..188


Necati İyikan • Das Türkische Modell <strong>im</strong> Kaukasus <strong>und</strong> <strong>in</strong> Zentralasien <strong>nach</strong> <strong>der</strong> Wende <strong>in</strong> <strong>der</strong> UdSSR 1991 • 189Gruppe sei, die <strong>das</strong> Ziel habe, <strong>das</strong> laizistische Reg<strong>im</strong>e <strong>in</strong> <strong>der</strong> Türkei zuzerstören (Hürriyet, 25.05.2002, Deutsche Ausgabe). Bayerns Innenm<strong>in</strong>isterGünther Beckste<strong>in</strong> gab bekannt, <strong>das</strong>s islamische Gruppen <strong>in</strong>tensiv beobachtet<strong>und</strong> sogar die Freitagspredigten sorgsam verfolgt werden müssen (Hürriyet,22.03.2002, Deutsche Ausgabe).Es ist dem Verfasser wichtig, erneut zu betonen, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> türkischeModell e<strong>in</strong> unersetzliches, wertvolles, politisches Mittel gegen den islamischenF<strong>und</strong>amentalismus <strong>in</strong> <strong>der</strong> Türkei ist. Die Tatsache, <strong>das</strong>s es die letzte <strong>und</strong>sicherste Schranke gegen den F<strong>und</strong>amentalismus vor Europa bildet, verleihtihm auch für diesen Kont<strong>in</strong>ent e<strong>in</strong>e enorme Wichtigkeit. Dieses Modellverdient e<strong>in</strong>e angemessene Würdigung <strong>und</strong> ehrliche <strong>und</strong> ernsthafteUnterstützung.X Siehe für weitere E<strong>in</strong>zelheiten zu diesem Thema: Iyikan, Necati, Diepolitischen Beziehungen zwischen <strong>der</strong> Türkei <strong>und</strong> Aserbaidschan (1992-2003)unter beson<strong>der</strong>er Berücksichtigung des türkischen Modells <strong>im</strong> Kaukasus <strong>und</strong> <strong>in</strong>Zentralasien <strong>und</strong> dessen Bedeutung <strong>nach</strong> den Anschlägen vom 11. September2001 <strong>in</strong> den USA, Hamburg 2005.ZusammenfassungDas “türkische Modell” bedeutet unter an<strong>der</strong>em die Trennung von Politik<strong>und</strong> Religion, die <strong>in</strong> <strong>der</strong> islamischen Welt zum ersten Mal praktiziert wurde.Die Wende <strong>in</strong> <strong>der</strong> UdSSR 1991 hat nicht nur die politische, son<strong>der</strong>n auchgeographische Bedeutung <strong>der</strong> Türkei mit ihrem politischen Modell drastischverän<strong>der</strong>t.Die Antwort auf die Frage, warum die ehemaligen kommunistischenFunktionäre die E<strong>in</strong>führung des türkischen Modells <strong>im</strong> Kaukasus <strong>und</strong> <strong>in</strong>Zentralasien forcierten, wird durch die Trennung von Religion <strong>und</strong> Staatverständlich, weil sie die mittelbare Kontrolle über dieGlaubensgeme<strong>in</strong>schaften bedeutete <strong>und</strong> bedeutet. Sie wurde auf Verfassungsebenedurchgeführt <strong>und</strong> war nichts an<strong>der</strong>es als politischer Selbstschutz<strong>und</strong> Sicherung <strong>der</strong> Machtverhältnisse <strong>im</strong> Lande. Es wurde also dadurch <strong>der</strong>E<strong>in</strong>fluss <strong>der</strong> Religion auf die Gesetzgebung <strong>und</strong> auf die Politiker theoretischbeseitigt. Letzteres war für Kar<strong>im</strong>ow (Usbekistan), Akajew (Kirgisien),Nijasow (Turkmenien), Nasarbajew (Kasachstan) <strong>und</strong> Alijew (Aserbaidschan)nicht nur deshalb wichtig, weil sie <strong>nach</strong> <strong>der</strong> Wende auf die wirtschaftlichen <strong>und</strong>politischen Beziehungen zum Westen angewiesen waren, son<strong>der</strong>n weil dieWirkung <strong>der</strong> vom nonkonformistischen Islam geprägten Opposition m<strong>in</strong><strong>im</strong>iertwurde.189


190 • Ankara Üniversitesi SBF Dergisi • 61-3Der Gr<strong>und</strong>, warum <strong>das</strong> türkische Modell <strong>nach</strong> <strong>der</strong> Wende <strong>in</strong> <strong>der</strong> UdSSR<strong>im</strong> Kaukasus <strong>und</strong> <strong>in</strong> Zentralasien von <strong>der</strong> westlichen Politik, vor allem vonWash<strong>in</strong>gton, energisch unterstützt <strong>und</strong> sogar <strong>in</strong>tensiv propagiert wurde, lag <strong>in</strong>erster L<strong>in</strong>ie an <strong>der</strong> amerikanischen Interessenpolitik <strong>in</strong> dieser Region. DieserOpportunismus wird umso klarer, <strong>nach</strong>dem sich die USA bisher nicht e<strong>in</strong>malleise dafür ausgesprochen haben, <strong>das</strong> seit 1923 bekannte türkische Modell <strong>in</strong>an<strong>der</strong>en islamischen Län<strong>der</strong>n e<strong>in</strong>zuführen. Da die USA ihre Politik auch <strong>in</strong>islamischen Län<strong>der</strong>n ohne laizistische <strong>und</strong> demokratische Orientierungverfolgten, woran Wash<strong>in</strong>gton sich <strong>in</strong> ke<strong>in</strong>er Weise störte, dürften die Gründeihrer Unterstützung dafür woan<strong>der</strong>s gelegen haben. E<strong>in</strong>er davon warmöglicherweise die Verh<strong>in</strong><strong>der</strong>ung <strong>der</strong> E<strong>in</strong>führung des iranischen Modells <strong>und</strong>E<strong>in</strong>flusses <strong>in</strong> dieser Region.Die erfolgreiche Umsetzung des türkischen Modells ist nicht nur für dieTürkei, den Kaukasus <strong>und</strong> Zentralasien wichtig, son<strong>der</strong>n auch für Europa, weildie Religion auf den Gesetzgebungsprozess ke<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>fluss hat <strong>und</strong> dief<strong>und</strong>amentalistische Richtung den Frieden nicht gefährden kann. Der Beitrage<strong>in</strong>er stabilen Türkei <strong>im</strong> Bereich <strong>der</strong> Politik <strong>und</strong> <strong>der</strong> Wirtschaft sowie zumFrieden <strong>in</strong> Europa ist dadurch nicht unerheblich.LiteraturverzeichnisALHAN, M. Ferhat (1997), Ebülfez Ali Elçibey Dönemi Türkiye Azerbaycan İlişkileri (Yüksek LisansTezi, İstanbul: T.C. Marmara Üniversitesi Sosyal Bil<strong>im</strong>ler Enstitüsü TürkiyatAraştırmaları Enstitüsü Tarih Ana Bil<strong>im</strong> Dalı Genel Türk Tarihi Bil<strong>im</strong> Dalı).ARIK, Umut (1995-96), “21. Yüzyılda Uluslararası Güvenlik Sistemi ve Türkiye“ Avrasya Etüdleri .AVŞAR, Zakir / SOLAK, Ferruh / YORULMAZ, Ferhan / YORULMAZ, Ayşe (1994), Yeni Bir YüzyılınEşiğ<strong>in</strong>de Türkiye ve Türk Cumhuriyetleri (Ankara).BATEMAN,Graham / EGAN/Victoria (1997), Geografie <strong>der</strong> Welt, E<strong>in</strong>e Enzyklopädie, Umwelt(Augsburg: Kultur Wirtschaft Politik).BEHAR ERSANLI, Büşra (1996), “Türkçülük, Türkiye’de ve Azerbaycan’da, (1990’lı Yıllar),”Avrasya Etüdleri.BİNGÖL, Yılmaz (1998), “Sovyet Sonrası Orta Asya Karşısında Türkiye’n<strong>in</strong> Politikası, Fırsatlar veÇözülmesi Gereken Meseleler,“ Avrasya Etüdleri.BLANK, Stephen (1995), “Orta Asya, Güney Asya ve Asya Güvenliği,“ Avrasya Etüdleri.BROWN, Bess / FULLER, Elisabeth (1994), Die Türkei <strong>und</strong> die musl<strong>im</strong>ischen Republiken <strong>der</strong>ehemaligen Sowjetunion (Sankt August<strong>in</strong>: Konrad-Adenauer-Stiftung).ERHAN, Çağrı (14.06.2004), TRT Telegün ve Sabah Haberleri, TRT INT,Ankara..COŞTUROĞLU, Mustafa (1981), Sosyal Şizofreni ve Atatürk (Ankara).HAFIZOĞULLARI, Z. (1998), “Bir Kültür Ürünü Olarak Hukuk Düzeni” Avrasya Etüdleri.HALBACH, Uwe (1986), Die Türkei <strong>im</strong> Spanungsfeld zwischen „atlantischer“ <strong>und</strong> „regionaler“Außen– <strong>und</strong> Sicherheitspolitik: Aktuelle Entwicklungen <strong>und</strong> sowjetische Kritik (Köln:Berichte des Bun-des<strong>in</strong>stituts für ostwissenschaftliche <strong>und</strong> <strong>in</strong>ternationale Studien).190


Necati İyikan • Das Türkische Modell <strong>im</strong> Kaukasus <strong>und</strong> <strong>in</strong> Zentralasien <strong>nach</strong> <strong>der</strong> Wende <strong>in</strong> <strong>der</strong> UdSSR 1991 • 191HALBACH, Uwe (1991), Islam, Nation <strong>und</strong> politische Öffentlichkeit <strong>in</strong> den zentral-asiatischen(Unions-) Republiken (Köln: Berichte des B<strong>und</strong>es-<strong>in</strong>stituts für ostwissenschaftliche <strong>und</strong><strong>in</strong>ternationale Studien).HALBACH, Uwe (1996), Der Islam <strong>in</strong> <strong>der</strong> GUS: Die regionale <strong>und</strong> e<strong>in</strong>zelstaatliche Ebene (Köln:Berichte des B<strong>und</strong>es<strong>in</strong>stituts für ostwissenschaftliche <strong>und</strong> <strong>in</strong>ternationale Studien).İLHAN, Suat (1995), “Jeopolitik Gelişmeler ve Türk Dünyası,“ Avrasya Etüdleri.İYİKAN, Necati (2005), Die politischen Beziehungen zwischen <strong>der</strong> Türkei <strong>und</strong> Aserbaidschan(1992-2003) unter beson<strong>der</strong>er Berücksichtigung des türkischen Modells <strong>im</strong> Kaukasus<strong>und</strong> <strong>in</strong> Zentralasien <strong>und</strong> dessen Bedeutung <strong>nach</strong> den Anschlägen vom 11. September2001 <strong>in</strong> den USA (Hamburg).KASSENOW, Umirserik T. (1995), Zentralasien <strong>und</strong> Russland, <strong>der</strong> dornige Weg zu gleichberechtigtenBeziehungen (Köln: Berichte des B<strong>und</strong>es<strong>in</strong>stituts für ostwissenschaftliche<strong>und</strong> <strong>in</strong>ternationale Studien).KREISER, Klaus (1998), “Die Rolle <strong>der</strong> türkischen Völker,” Weltmacht Islam, BayerischeLandeszentrale für politische Bildungsarbeit (München).KUBICEK, Paul (1996), “Orta Asya’da Topluluklar Arası Etnik İlişkiler<strong>in</strong> İdaresi: Teori ve Uygulama”Avrasya Etüdleri.LERCH, Wolfgang Günter (21.06.1995), “Von F<strong>und</strong>amentalisten ke<strong>in</strong>e Spur,” FrankfurterAllgeme<strong>in</strong>e Zeitung.LORCA, V. Alejandro (1995), “Türkiye: Orta Asya’ya Açılan Kapı,“ Avrasya Etüdleri.MUMCU, Uğur (1993), Rabıta (İstanbul).MUMCU, Uğur (1993), Tarikat, Siyaset, Ticaret (İstanbul).MÜTERCİMLER, Erol (1993), 21. Yüzyılın Eşiğ<strong>in</strong>de Uluslararası Sistem ve Türkiye-TürkCumhuriyetleri İlişkiler Modeli (İstanbul).NIRUMAND, Bahman (1990), Im Namen Allahs: Islamische Gruppen <strong>und</strong> <strong>der</strong> F<strong>und</strong>amen-talismus <strong>in</strong><strong>der</strong> B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland (Köln).PEKER, Günden (1996), “İslamiyet Orta Asya’da Mit mi Gerçek mi?“ Avrasya Etüdleri.ÖZTÜRK, Yaşar Nuri (1997), Yeniden Yapılanmak, Kurana Dönüş (İstanbul).ÖZTÜRK, Yaşar Nuri (2001), Cevap Veriyorum (Gerçek D<strong>in</strong>i Arayanlarla Başbaşa) (İstanbul).RAŞİT, Ahmet (1996), Orta Asya’nın Dirilişi, İslam mı, Milliyetçilik mi? (İstanbul).SCHLÖTZER, Christiane (01.12.2001), “Anmache <strong>in</strong> Ankara,” Süddeutsche Zeitung.TAŞHAN, Seyfi (1994),“Ortadoğu Barış Süreci ve Türkiye,“ Balkanlar, Kafkasya ve Ortadogu ’dakiGelişmeler ve Türkiye (İstanbul: Kıbrıs Araştırmalar Vakfı).TRT Telegün, Nachrichten <strong>im</strong> Bildschirmtext des türkischen Fernsehens, Ankara.Internetf<strong>und</strong>stellenTİKA: Türk İşbirliği ve Kalkınma Ajansı, http://www.tika.gov.tr/hakk<strong>in</strong>da.asp (2004-10-17).Volksdeputierten zu se<strong>in</strong>er ersten Session zusammen, http://www.2plus4. de/chronik.php3?datevalue=25.05.8909.06.&sort=000-000 (2005-01-09).191

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