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DR. ALEXANDRA HILDEBRANDT - Rudolf X. Ruter

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W EW O M E N + E C O N O M Y - S P E C I A LAlexandra Hildebrandt:Erreicht habe ich immer das jeweils Machbareüber den (Um-)Weg der kleinen Schritte, der ja auch zielführend ist.Spuren dieses Tuns finden sich zum Beispiel auch in „Momo“ von MichaelEnde, wo es heißt: „Man darf nie an die ganze Straße auf einmaldenken, verstehst du? Man muss nur an den nächsten Schritt denken, anden nächsten Atemzug, an den nächsten Besenstrich. Und immer wiedernur an den nächsten. (…) Dann macht es Freude; das ist wichtig,dann macht man seine Sache gut. Und so soll es sein. (…) Auf einmalmerkt man, dass man Schritt für Schritt die ganze Straße gemacht hat.Man hat gar nicht gemerkt wie, und man ist nicht außer Puste.“ Es warmir wichtig, einfach anzufangen, zu machen, ein stabiles Netz zu schaffen,das auch trägt, wenn alles andere zerrissen ist. Nur über das Tun ansich konnte ich die ständigen Politikwechsel im Unternehmen nachhaltigund glaubwürdig überstehen und so manches Thema – wie die Gründungeines Nachhaltigkeits-Councils – über alle Zeiten hinweg bewahren.Ich habe ein paar Akzente gesetzt, Menschen den Kern der Nachhaltigkeitnahegebracht und mich im Versuchen geübt, auch im Scheitern.Dabei habe ich immer alle Möglichkeiten ausgeschöpft,das Beste aus der jeweiligen Situation zu machen.Anne Lehr: Arcandor fand ja ein recht unrühmliches Ende.Wie sind Sie damit umgegangen und was konnten Sie im Sinnevon Gesellschaftspolitik in der Endabwicklung noch tun?Alexandra Hildebrandt: Ich konnte nichts mehr tun. DerProzess der Konzerninsolvenz war wie ein Sterben auf Raten.Es ist schwer, dafür Worte zu finden. Doch habe ich das Gefühl,dass sich ein Kreis für mich geschlossen hat, weil ich biszum Ende blieb und alles durchlebt habe. Der Zusammenbruchdes Unternehmens hat viele Lebensentwürfe brutaldurchkreuzt und gezeigt, dass das, was im Leben stabil scheint,sehr schnell zerbrechen kann. Ich nutzte die Zeit danach fürmich, um Klarheit darüber zu gewinnen, was mir wirklichwichtig ist, wie ich mein Leben weiter gestalten will. Dazumusste ich die Vergangenheit annehmen und durfte sie nichtals verlorene Zeit ansehen, sondern als Zeit des Sammelns vonErfahrungen und letztlich als Reifeprozess. Viele Menschenfragen sich: Wo finde ich einen sicheren Job? Und was muss ichtun, um diesen Job zu bekommen und ihn möglichst lange zu behalten?– Doch es gibt keine Sicherheiten, nur eine innere Haltung und einGrundvertrauen, das uns wirklich trägt. Ich entschied mich zur Selbstständigkeitund unterstütze seither Inhaber und Geschäftsführer mittelständischerUnternehmen sowie Wirtschaftsverbände und -initiativendarin, ihre Geschäftspolitik nachhaltig auszurichten bzw. zu verbessern.Das ist besonders erfüllend, weil gerade in Familienunternehmen einstabiles Wertesystem vorhanden ist, das der Inhaber und Geschäftsführerdurch sein Handeln vorgibt. Im Mittelstand finden sich im Gegensatzzu vielen Großunternehmen noch echte Ärmelaufkrempler undRückhaltgeber, die ihr Unternehmen mit Herz und Hand lenken undihren Mitarbeitern wirklich nahe stehen. Häufig können diese Unternehmennicht nur Menschen, sondern auch ihre Marken besser führenals so mancher Konzern, der zu weit entfernt ist vom Kunden und zu sehrum sich selbst kreist oder extern von Agenturen gesteuert wird.Meine Entscheidung, mich in Zukunft ausschließlich dem Unternehmertumdes Mittelstands zu widmen, fußtzum einen auf den Erfahrungen im Konzern,aber auch auf einer langen Tradition. Vieles,was mir wichtig ist, finde ich im Leitbild desehrbaren Kaufmanns wider, das nicht nurSelbstverständnis der alten Hansekaufleutewar, sondern auch heute ein Kompass für Managersein sollte. Die mit dem Leitbild einhergehendenVerhaltensrichtlinien waren einGrundstein des historischen Erfolgs von verantwortungsbewusstemUnternehmertum,sie sind aber auch Bedingungen für den nachhaltigenErfolg von Unternehmen. Die aktuelleVertrauenskrise gründet auf vernachlässigtenTugenden wie Mäßigung, Wahrhaftigkeitund Courage, die eine persönlicheHaltung und VerantwortungsbewusstseinHenriette Schmidt-Burkhardt, Unternehmerin,Lebkuchen-Schmidt.voraussetzen und das Leitbild des ehrbarenKaufmanns verkörpern. Gerade in wirtschaftlichschwierigen Zeiten kann es die notwendigeOrientierung bieten.Anne Lehr: Sie haben die Initiative „Verantwortungtragen“ ins Leben gerufen, die ineine Stiftung übergehen wird. Was bedeutet„Verantwortung tragen“ als Projekt, was bedeutetes für Sie persönlich?Alexandra Hildebrandt: Die Verantwortungsinitiativeist gewissermaßen eineWiederholung meiner Nachhaltigkeitsarbeitbzw. – besser – „Berufung“ auf einer anderenEbene. Hier zeigt sich, was Nachhaltigkeitwirklich ist oder sein kann. Auch hier galt wieFoto: John R. BraunW W W . J O U R N A L M U E N C H E N . D EI 9

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