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Forschung mit Synchrotronstrahlung in Deutschland 2009 - SNI-Portal

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Weltraumchemie im Labor untersuchtUntersuchungen bei FLASH zeigen, dass bisherige Modellrechnungenfür die Wechselwirkung von Molekülen <strong>mit</strong>energiereicher Strahlung unvollständig s<strong>in</strong>d.Mit Hilfe von Radioteleskopen und Satelliten-Missionenhaben Wissenschaftler <strong>in</strong>zwischen mehr als hundert verschiedene,zum Teil komplexe Moleküle im Weltraum nachweisenkönnen – darunter auch die Bauste<strong>in</strong>e des Lebens. Doch überdie chemischen Schritte, die zu diesen Molekülen führen, istsehr wenig bekannt – nicht zuletzt weil sie <strong>in</strong> Anwesenheit sehrenergiereicher Strahlung ablaufen, ähnlich wie die Prozesse <strong>in</strong>der Erdatmosphäre unter der E<strong>in</strong>wirkung von Sonnenlicht.Im Jahr 2007 haben Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Kernphysik <strong>in</strong> Heidelberg, des Weizmann-Instituts<strong>in</strong> Rehovot, Israel, sowie der Universität Aarhus, Dänemark, <strong>in</strong>Zusammenarbeit <strong>mit</strong> DESY <strong>in</strong> Hamburg <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Pionierexperimenterstmals den Aufbruch von Molekülionen durch Strahlungim extremen Ultraviolett (XUV) abgebildet. Die Ergebnissee<strong>in</strong>es Experiments am Freie-Elektronen-Laser FLASH weisennach, dass bisherige Modellvorstellungen unvollständig s<strong>in</strong>d,und demonstrieren zugleich e<strong>in</strong>en experimentellen Zugang zubestimmten chemischen Prozessen im Universum.Freie-Elektronen-Laser revolutionieren die experimentellenMöglichkeiten <strong>in</strong> diesem Feld: Während die meisten Moleküleim sichtbaren Licht <strong>in</strong>takt bleiben und sich allenfalls zu höhererchemischer Aktivität anregen lassen, platzen sie unter XUVoderRöntgenstrahlung häufig <strong>in</strong> ihre Bestandteile auf. Die Elektronendes Moleküls nehmen dabei die Energie e<strong>in</strong>es Strahlungsquantsauf und es entsteht e<strong>in</strong> energiereiches, <strong>in</strong>stabilesGebilde, das <strong>in</strong>nerhalb kürzester Zeit zerfällt. Dabei ordnen sichdie Atome neu an oder fliegen als Bruchstücke – kle<strong>in</strong>ere Moleküleoder auch Atome – weg. Diese Prozesse s<strong>in</strong>d von großerBedeutung für chemische Reaktionsketten und -zyklen <strong>in</strong> <strong>in</strong>terstellarenMolekülwolken und im frühen Universum, aberauch <strong>in</strong> der hohen Atmosphäre und <strong>in</strong> <strong>in</strong>dustriellen Plasmen.Ziel des Experiments war es, den Aufbruch e<strong>in</strong>zelner Moleküledurch die Wechselwirkung <strong>mit</strong> den <strong>in</strong>tensiven Strahlungspulsenvon FLASH zu beobachten und möglichst alleBruchstücke <strong>in</strong> ihrer Bewegung und ihrem <strong>in</strong>neren Zustand zuvermessen. Hierzu brachten die Forscher Molekülionen auf hoheGeschw<strong>in</strong>digkeit. Während des schnellen Fluges wurde ihr Zerfalldurch die Wechselwirkung <strong>mit</strong> der energiereichen Strahlungvon FLASH ausgelöst. Die Bruchstücke flogen dann <strong>in</strong>e<strong>in</strong>em engen W<strong>in</strong>kelbereich nach vorne weiter, jedes e<strong>in</strong>zelnehatte dabei genug Energie, um auf Nachweisgeräten zuverlässigabgebildet zu werden.In den ersten Experimenten bei FLASH wurde das Verhaltenvon Heliumwasserstoff-Ionen (HeH + ) erforscht. In denExperimenten wurde untersucht, <strong>in</strong>wieweit das Ause<strong>in</strong>anderbrechender Moleküle von der Polarisation der Strahlung abhängt,also der Richtung, <strong>in</strong> der die Strahlung schw<strong>in</strong>gt.Zerbricht das Molekül entlang der Polarisation der FLASH-Blitze, so erhält man e<strong>in</strong> langsameres und e<strong>in</strong> schnelleres Fragment,welche nache<strong>in</strong>ander auf den Detektor auftreffen.Umgekehrt werden beim Aufbruch senkrecht zur Polarisationdie Fragmente praktisch zeitgleich an verschiedenen Orten aufdem Detektor nachgewiesen.Das Ergebnis der Messungen ergab nun e<strong>in</strong>e Überraschung:Die bisher theoretisch betrachteten Molekülzustände hatten fürdiesen Prozess e<strong>in</strong>en Aufbruch entlang der Polarisation vermutenlassen. Dagegen fand die Kollaboration um die Max-Planck-Forscher überwiegend senkrecht zur Polarisation gerichteteFragmente, was darauf h<strong>in</strong>deutet, dass bei Modellrechungenviele der wesentlichen Molekülzustände von HeH + für diesenProzess bisher nicht genug Beachtung gefunden haben unddass bereits e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>faches System wie HeH + überraschende Ergebnisseliefert.Die Messungen bei FLASH demonstrieren e<strong>in</strong>e Methode,Molekülfragmentation durch energiereiche Strahlung abzubilden.In Zukunft wollen die Forscher diese Prozesse auch beikomplexeren Molekülen untersuchen. Die so zu gew<strong>in</strong>nendenDaten s<strong>in</strong>d von weitreichender Bedeutung z. B. für die Frage derSynthese organischer Moleküle im <strong>in</strong>terstellaren Raum undihrer Überlebensfähigkeit <strong>in</strong> den Strahlungsfeldern dort.L<strong>in</strong>ke Abbildung:Aufbruch der chemischenB<strong>in</strong>dung des MolekülionsHeH + durch extremesUltraviolettlicht bei 32nm Wellenlänge parallel(a) und senkrecht (b) zurPolarisationsrichtung derPhotonen (blauer Doppelpfeil)Rechte Abbildung:Flugzeiten und Orte dernachgewiesenen Fragmente.Die Farbskala (vonblau nach rot) gibt dieHäufigkeit der Ereignissean. Es wird vorzugsweisee<strong>in</strong> Aufbruch des Molekülssenkrecht zur Polarisation(Doppelpfeil)beobachtet. Die Ereignisseformen e<strong>in</strong>en R<strong>in</strong>g,dessen Radius Auskunftüber die Energiebilanz derReaktion liefert.WissenschaftlicheVeröffentlichung:H. B. Pedersen, S. Altevogt,B. Jordon-Thaden,O. Heber et al.: CrossedBeams PhotodissociationImag<strong>in</strong>g of HeH + withVacuum Ultraviolet Free-Electron Laser Pulses.Physical Review Letters,Vol. 98, 223202 (2007)<strong>Synchrotronstrahlung</strong> <strong>2009</strong> 35

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