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Forschung mit Synchrotronstrahlung in Deutschland 2009 - SNI-Portal

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SYNCHROTRONSTRAHLUNGEINE STUDIE DES KOMITEES FÜR FORSCHUNG MIT SYNCHROTRONSTRAHLUNG <strong>2009</strong><strong>Forschung</strong> <strong>mit</strong> <strong>Synchrotronstrahlung</strong><strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong>Status und Perspektiven


E<strong>in</strong>leitung 3Visions and recommendations 4Visionen und Empfehlungen 5Randbed<strong>in</strong>gungen 6Der <strong>in</strong>ternationale Kontext 9<strong>Synchrotronstrahlung</strong> – Lichtquelle <strong>mit</strong> fast unerschöpflichem Potential 10MaterialwissenschaftenWerkstoffe der Zukunft erforschen 12Mit <strong>Synchrotronstrahlung</strong> zu besseren Katalysatoren 13NanowissenschaftenE<strong>in</strong>sichten <strong>in</strong> den Nanokosmos 14SMART auf Oberflächen geschaut 15LebenswissenschaftenDen Molekülen des Lebens auf der Spur 16Blicke <strong>in</strong> die Motoren des Lebens 17KulturwissenschaftenAltes <strong>in</strong> neuem Licht 18Die Himmelsscheibe von Nebra 19UmweltwissenschaftenSpürnasen für die Umwelt 20Analyse radioaktiver Sedimente 21GeowissenschaftenE<strong>in</strong>blicke <strong>in</strong>s Erd<strong>in</strong>nere 22Unerwartete Sp<strong>in</strong>s im Erd<strong>in</strong>neren 23Struktur und Eigenschaften der kondensierten MaterieFestkörper und weiche Materie ergründen 24Ultraschelle Entmagnetisierung 25Atome, Moleküle, Cluster und freie NanoteilchenE<strong>in</strong>faches untersuchen, um Komplexes zu verstehen 26Elektronenpaare <strong>in</strong> Quantenfernbeziehungen 27Physik und Chemie an OberflächenMit <strong>Synchrotronstrahlung</strong>en an Grenzen gehen 28Probleme der organischen Schichtarbeit 29Materie unter extremen Bed<strong>in</strong>gungenMehrfach-extreme Bed<strong>in</strong>gungen erforschen 30Supraleiter unter Druck 31Methoden, Instrumente und StandardsMethodische Möglichkeiten voll ausnutzen 32Blitzaufnahmen bei FLASH 33Freie-Elektronen-LaserBereit für die Revolution 34Weltraumchemie im Labor untersucht 35Industrielle AnwendungenMit brillanten E<strong>in</strong>sichten zum <strong>in</strong>dustriellen Erfolg 36<strong>Synchrotronstrahlung</strong> überwacht Schlankheitskur 37BESSY IIam Helmholtz-Zentrum Berl<strong>in</strong> 38DORIS III und PETRA IIIam Helmholtz-Zentrum DESY <strong>in</strong> Hamburg 40ANKAam <strong>Forschung</strong>szentrum Karlsruhe 42FLASH und FLASH IIam Helmholtz-Zentrum DESY <strong>in</strong> Hamburg 44European XFEL<strong>in</strong> Hamburg und Schenefeld 46ESRF<strong>in</strong> Grenoble – das Flaggschiff der europäischen <strong>Forschung</strong><strong>mit</strong> <strong>Synchrotronstrahlung</strong> 48Die Rossendorf-Beaml<strong>in</strong>e an der ESRF <strong>in</strong> Grenoble 50DELTA an der Technischen Universität Dortmund 51Ausführliche Empfehlungen 52Autorenverzeichnis 582


E<strong>in</strong>leitungMit dieser Broschüre legt das Ko<strong>mit</strong>ee für <strong>Forschung</strong> <strong>mit</strong><strong>Synchrotronstrahlung</strong> <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> (KFS) Empfehlungen fürzukünftige Entwicklungen der Nutzung von <strong>Synchrotronstrahlung</strong>vor. <strong>Synchrotronstrahlung</strong> bereichert aufgrund ihrer ganzbesonderen Eigenschaften viele wissenschaftliche Diszipl<strong>in</strong>enum äußerst attraktive Messmethoden. Die <strong>Forschung</strong> <strong>mit</strong> dieserStrahlung wird von etwa 3.000 deutschen Wissenschaftlernregelmäßig betrieben und besitzt e<strong>in</strong> anhaltendes Wachstumspotential.Im Jahr 2001 hat das damalige KFS erstmals solche Empfehlungenvorgelegt, <strong>in</strong> die die Erfahrungen und Bedürfnisseder deutschen Nutzer von <strong>Synchrotronstrahlung</strong> e<strong>in</strong>geflossens<strong>in</strong>d. Die damaligen Empfehlungen des KFS beruhten auf dengerade erkennbaren neuen Möglichkeiten von Freie-Elektronen-Lasern und dem explodierenden Bedarf an hochbrillanter Röntgenstrahlung.E<strong>in</strong> knappes Jahrzehnt später ist erkennbar, dass e<strong>in</strong>igeGroßprojekte wie der Bau von Freie-Elektronen-Lasern für ultravioletteund für harte Röntgenstrahlung, sowie der Ausbaue<strong>in</strong>es früheren Beschleunigerr<strong>in</strong>gs zu e<strong>in</strong>em Labor für hochbrillante<strong>Synchrotronstrahlung</strong> <strong>in</strong> Hamburg <strong>mit</strong> wesentlicherUnterstützung des BMBF gut auf den Weg gebracht bzw. umgesetztworden s<strong>in</strong>d. Weiterh<strong>in</strong> besteht das sehr erfolgreichedeutsche Engagement an der europäischen <strong>Synchrotronstrahlung</strong>squelle<strong>in</strong> Grenoble. Die große Erfahrung aus e<strong>in</strong>er Projektstudiean der Berl<strong>in</strong>er <strong>Synchrotronstrahlung</strong>squelle ist<strong>in</strong>zwischen <strong>in</strong> das vom BMBF geförderte Projekt für e<strong>in</strong>e weitereultraviolette Photonenquelle e<strong>in</strong>geflossen. Das s<strong>in</strong>d große Erfolgeund Meilenste<strong>in</strong>e für die Entwicklung der <strong>Forschung</strong> <strong>mit</strong><strong>Synchrotronstrahlung</strong> <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong>. Dank des deutlichen Zuwachsesan Förder<strong>mit</strong>teln aus der Verbundforschung s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>eVielzahl von Universitätsgruppen an der Instrumentierung undMethodenentwicklung an deutschen <strong>Synchrotronstrahlung</strong>squellenund am Freie-Elektronen-Laser <strong>in</strong> Hamburg beteiligtund tragen ganz wesentlich zu e<strong>in</strong>er dynamischen Entwicklungder <strong>Forschung</strong> <strong>mit</strong> <strong>Synchrotronstrahlung</strong> <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> bei.Erste spektakuläre Ergebnisse demonstrieren das enorme Potentialder Freie-Elektronen-Laser, bei denen <strong>Deutschland</strong> gegenwärtige<strong>in</strong>e weltweit führende Rolle <strong>in</strong>nehat. An denexistierenden R<strong>in</strong>gquellen <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>, Hamburg, Karlsruhe undDortmund werden neue Anwendungsgebiete der <strong>Synchrotronstrahlung</strong><strong>in</strong> den Nanowissenschaften, der Materialforschungund den Lebenswissenschaften erschlossen sowie neue Generationenvon jungen Wissenschaftlern und Technikern ausgebildet.In dieser Broschüre werden e<strong>in</strong>ige herausragendeBeispiele der <strong>Forschung</strong> <strong>mit</strong> <strong>Synchrotronstrahlung</strong> und diewichtigsten <strong>Forschung</strong>srichtungen, an denen deutsche Forscherexperimentieren, vorgestellt.Inzwischen hat sich die wissenschaftliche Landschaft durchneue nationale <strong>Synchrotronstrahlung</strong>squellen <strong>in</strong> Europa starkverändert. Neben <strong>Deutschland</strong> haben Länder wie Frankreich,Großbritannien und Spanien eigene nationale Strahlungslaborsaufgebaut bzw. <strong>mit</strong> deren Aufbau begonnen. Die SchweizerQuelle <strong>in</strong> Vill<strong>in</strong>gen hat <strong>in</strong>zwischen e<strong>in</strong>e Qualität erreicht, die dasWeltniveau <strong>in</strong> ausgewählten Fachgebieten bestimmt. Das europäischeFlaggschiff der <strong>Forschung</strong> <strong>mit</strong> <strong>Synchrotronstrahlung</strong>,die ESRF, hat gerade ihr sehr ambitioniertes Erweiterungsprogrammbegonnen, zu dem auch <strong>Deutschland</strong> beiträgt. Das stelltdie Strategie hierzulande vor völlig neue Herausforderungen.In dieser Broschüre will das KFS dazu Stellung beziehen und vordiesem H<strong>in</strong>tergrund Empfehlungen für die weitere Entwicklungder <strong>Forschung</strong> <strong>mit</strong> Photonen <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> aussprechen. DasZiel ist es, weiterh<strong>in</strong> <strong>Forschung</strong> auf höchstem <strong>in</strong>ternationalenNiveau zu ermöglichen und sicherzustellen, dass <strong>Deutschland</strong>auch <strong>in</strong> Zukunft se<strong>in</strong>e führende Rolle auf dem Gebiet der wissenschaftlichenNutzung der <strong>Synchrotronstrahlung</strong> beibehält.3


Visions and recommendationsFuture l<strong>in</strong>es of development <strong>in</strong> research with synchrotron radiation and free-electron lasers are based on the follow<strong>in</strong>g visions:1. Improve the understand<strong>in</strong>g of biomolecular structure and dynamics – from s<strong>in</strong>gle molecules to entire cells –for better health and biotechnology2. Develop new materials for the environmental, energy, transportation, and <strong>in</strong>formation technologies3. Follow chemical reactions <strong>in</strong> real time and understand their molecular structure and reaction pr<strong>in</strong>ciples4. Strengthen Germany’s lead<strong>in</strong>g role <strong>in</strong> the development of time resolv<strong>in</strong>g and tunable photon sources, with energiesup to the X-ray range5. Provide optimum <strong>in</strong>strumentation and <strong>in</strong>frastructure to promote outstand<strong>in</strong>g research and to open up new research areasThe realization of these visions needs to take the follow<strong>in</strong>g steps:1. Further development of r<strong>in</strong>g sources• Increase of the capacity of PETRA III• Improvement of the source and beaml<strong>in</strong>es at BESSY II• Implementation of a full-energy <strong>in</strong>jector and extension of <strong>in</strong>strumentation at ANKA• Full support of the upgrade program at ESRF2. Further development of Free-Electron Lasers• Construction of FLASH II• Realisation of the full version of the European XFEL3. Development of X-ray sources for the future• Construction of prototype energy recovery l<strong>in</strong>ac „BERL<strong>in</strong>Pro“ as a foundation for a future user facility4. Required <strong>in</strong>frastructure activities• Provision of optimum sample environment and <strong>in</strong>tegration of on-site equipment for sample preparation andsample characterization5. New development of optical elements and detectors for advanced time- and spatial resolution6. Extension of Verbundforschung as a subject oriented <strong>in</strong>strument for promotion of research• Development of subject oriented platforms of research at German research centers <strong>in</strong> co-operation with users,if necessary at sources abroad7. User support at <strong>in</strong>ternational level• Implementation of ESRF-standards at German user facilitiesDetailed recommendations see page 524 <strong>Synchrotronstrahlung</strong> <strong>2009</strong>


Visionen und EmpfehlungenDie zukünftigen Entwicklungsl<strong>in</strong>ien der <strong>Forschung</strong> <strong>mit</strong> <strong>Synchrotronstrahlung</strong> und Freie-Elektronen-Lasern basiert auf den folgendenVISIONEN. Es wird darauf ankommen, ...1. e<strong>in</strong> besseres Verständnis der Struktur und Dynamik von Biomolekülen – vom e<strong>in</strong>zelnen Molekül bis zur ganzen Zelle –für die Erfordernisse der Gesundheitsforschung und Biotechnologie zu erzielen,2. neue Materialien für die Umwelt-, Energie-, Verkehrs-, und Informationstechnik zu entwickeln und technischumzusetzen,3. chemische Reaktionen <strong>in</strong> Echtzeit zu beobachten und zu verstehen sowie deren Struktur- und Funktionspr<strong>in</strong>zipienzu erforschen,4. die weltweit führende Rolle bei der Entwicklung zeitauflösender und durchstimmbarer Strahlungsquellen bis <strong>in</strong> denRöntgenbereich zu erhalten und zu stärken,5. die optimale Instrumentierung und Infrastruktur zur Förderung herausragender <strong>Forschung</strong> und zur Erschließung neuerWissenschaftsfelder bereitzustellen.Zur Umsetzung der Visionen s<strong>in</strong>d folgende Schritte notwendig:1. Weiterentwicklung der R<strong>in</strong>gquellen• Ausbau der Kapazität von PETRA III• Verbesserung der Quelle und der Experimentiere<strong>in</strong>richtungen bei BESSY II• Implementierung e<strong>in</strong>es Full-Energy-Injektors und Ausbau der Instrumentierung für ANKA• Unterstützung des Erweiterungsprogramms der ESRF2. Weiterentwicklung von Freie-Elektronen-Lasern• Aufbau von FLASH II• Vollausbau des European XFEL3. Entwicklung von Strahlungsquellen für die Zukunft• Bau des Prototyps e<strong>in</strong>es Energy-Recovery-L<strong>in</strong>acs „BERL<strong>in</strong>Pro“ als Grundlage für e<strong>in</strong>e künftige Nutzerquelle4. Notwendige Infrastrukturmaßnahmen• Schaffung von optimierten Probenumgebungenund <strong>in</strong>tegrierten Präparations- und Charakterisierungse<strong>in</strong>richtungen5. Neuentwicklung von optischen Elementen sowie Detektoren für höhere Zeit- und Ortauflösung6. Ausbau der Verbundforschung zu e<strong>in</strong>em themenorientierten Förder<strong>in</strong>strument• Schaffung von thematischen <strong>Forschung</strong>splattformen an den Zentren unter aktiver Mitwirkung der Nutzer,ggf. auch an anderen Quellen im Ausland7. Qualität der Nutzerbetreuung auf <strong>in</strong>ternationalem Niveau• Implementierung der ESRF-Standards an allen deutschen QuellenAusführliche Empfehlungen ab Seite 52<strong>Synchrotronstrahlung</strong> <strong>2009</strong> 5


Randbed<strong>in</strong>gungenIn <strong>Deutschland</strong> werden r<strong>in</strong>ggetriebene Quellen für harteRöntgenstrahlung <strong>in</strong> Hamburg (DORIS III) und Karlsruhe(ANKA) betrieben. <strong>Deutschland</strong> ist außerdem zu 25,5 % amFlaggschiff der europäischen <strong>Synchrotronstrahlung</strong>squellen,der ESRF, beteiligt.BESSY II <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> ist die führende europäische Quelle derdritten Generation vom Infrarotbereich (THz) bis zur weichenRöntgenstrahlung. Die neue deutsche Quelle der drittenGeneration für harte Röntgenstrahlung, PETRA III, wirdgerade bei DESY aufgebaut, <strong>2009</strong> <strong>in</strong> Betrieb gehen und <strong>in</strong> e<strong>in</strong>igenParametern die Leistungsfähigkeit der ESRF erreichen bzw.übertreffen.<strong>Deutschland</strong> ist weltweit führend auf dem Gebiet der Entwicklungund des Betriebs von Freie-Elektronen-Lasern im Ultraviolettenund im Röntgenbereich. FLASH <strong>in</strong> Hamburg ist die derzeite<strong>in</strong>zige europäische Nutzere<strong>in</strong>richtung, die ultrakurze Pulse imextremen Ultraviolett (XUV) und im weichen Röntgenbereich<strong>mit</strong> extrem hoher Brillanz liefert. Unterstützt durch die E<strong>in</strong>richtunge<strong>in</strong>es BMBF-<strong>Forschung</strong>sschwerpunkts werden hierPionierexperimente <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er ganzen Reihe von Wissenschaftsfeldernunter maßgeblicher Beteiligung deutscher Gruppendurchgeführt. Im harten Röntgenbereich trägt <strong>Deutschland</strong> <strong>mit</strong>e<strong>in</strong>em Anteil von 50 % federführend zum European XFEL bei,dessen Bau im Januar <strong>2009</strong> begonnen wurde und der 2014 <strong>in</strong>Betrieb gehen wird.E<strong>in</strong>e Bewertung deutscher <strong>Synchrotronstrahlung</strong>squellenim Jahr 2008 ist nur vor dem H<strong>in</strong>tergrund der weltweitenEntwicklung s<strong>in</strong>nvoll. Seit der Studie des KFS im Jahr 2001 hatsich schon alle<strong>in</strong>e die europäische Landschaft der <strong>Synchrotronstrahlung</strong>squellengrundlegend geändert. Mit der SLS <strong>in</strong>Vill<strong>in</strong>gen (Schweiz), SOLEIL <strong>in</strong> Paris (Frankreich), ELETTRA <strong>in</strong>Triest (Italien) und DIAMOND <strong>in</strong> Oxfordshire (Großbritannien)wurde das Angebot an <strong>Synchrotronstrahlung</strong>squellen derdritten Generation nachhaltig erweitert. Weitere Quellen<strong>in</strong> Barcelona (ALBA) und <strong>in</strong> Lund (MaxLab IV) s<strong>in</strong>d im Bau bzw.<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em vorgerückten Stadium der Planung. Die bereitsgenutzten Quellen SLS, SOLEIL und DIAMOND, die bei e<strong>in</strong>er Elektronenenergievon ca. 2,5 GeV betrieben werden, wurden <strong>mit</strong>der modernsten verfügbaren Technologie gebaut und stellenMessplätze <strong>mit</strong> höchstem Qualitätsanspruch bereit. Trotz derüberwiegend nationalen Bestimmung wird der Zugang für europäischeNutzer zu diesen Quellen üblicherweise über das europäische„Access-Program for Large Facilities“ (IntegratedInfrastructure Initiative) ermöglicht.6<strong>Synchrotronstrahlung</strong> <strong>2009</strong>


Auch <strong>in</strong> den USA, Russland und <strong>in</strong> Japan wird an der Entwicklungneuer Quellen für <strong>Synchrotronstrahlung</strong> gearbeitet.Neben sogenannten Table-Top-Quellen, die ihren Markt vorallem <strong>in</strong> der Mediz<strong>in</strong> vermuten, wird das Konzept e<strong>in</strong>es Energy-Recovery-L<strong>in</strong>acs erforscht, wobei man sich erhofft, die exzellentenBrillanzeigenschaften e<strong>in</strong>es L<strong>in</strong>earbeschleunigers aufR<strong>in</strong>gquellen für den parallelen Betrieb vieler Messstationenzu übertragen.E<strong>in</strong> weiterer Trend <strong>in</strong> vielen Bereichen der <strong>Forschung</strong> <strong>mit</strong>Photonen ist die zunehmende Spezialisierung der Probenumgebungenzur Durchführung komplexer Experimente untermöglichst kontrollierten Bed<strong>in</strong>gungen. E<strong>in</strong> Beispiel dafür s<strong>in</strong>drobotische Lösungen für den Probenwechsel oder Kristallzuchte<strong>in</strong>richtungendirekt an der Strahlführung für die Prote<strong>in</strong>kristallographie.Hochvakuumkammern für die OberflächenoderHalbleiterphysik, Hochdruckpressen für die Geologie oderspeziell große Diffraktometer für die Materialwissenschaft könnennicht e<strong>in</strong>fach vom Nutzer für e<strong>in</strong> mehrtägiges Experiment<strong>mit</strong>gebracht werden, sondern müssen vor Ort verbleiben unddort auch von sachkundigem Personal betreut und gewartetwerden. Ähnliches gilt für Kühle<strong>in</strong>richtungen und Vorbereitungslabors<strong>in</strong> der Biologie. Diese Entwicklung ist vor allem <strong>in</strong>jenen Gebieten zu beobachten, <strong>in</strong> denen die Synchrotronmethodikso ausgereift ist, dass Investitionen <strong>in</strong> teure Probenumgebungengerechtfertigt s<strong>in</strong>d. Dieser Fortschritt geht Hand <strong>in</strong>Hand <strong>mit</strong> der Weiterentwicklung der Nutzungsmöglichkeitenvon Photonen, bei der zurzeit vor allem die Möglichkeiten derPhasenkohärenz und der extremen Zeitauflösung modernerQuellen im Vordergrund stehen. E<strong>in</strong>en speziellen Platz nimmthier der Freie-Elektronen-Laser FLASH e<strong>in</strong>, dessen enorme Möglichkeitenfür die <strong>Forschung</strong> <strong>mit</strong> Photonen gerade entwickeltwerden.<strong>Synchrotronstrahlung</strong> <strong>2009</strong>7


Aus den genannten Randbed<strong>in</strong>gungen erwachsen neueHerausforderungen für die Nutzung von <strong>Synchrotronstrahlung</strong>an Großforschungszentren:• Diversifizierung der <strong>Synchrotronstrahlung</strong>squellen <strong>in</strong>Europa und des da<strong>mit</strong> verbundenen Zugangs für deutscheNutzer• Diversifizierung der Anforderungen an Quelle und Strahlführungje nach Wissenschaftsgebiet• Notwendigkeit stärkerer Investitionen <strong>in</strong> spezialisierteoptische Elemente und Detektoren• Notwendigkeit der Betreuung zunehmend „synchrotronunerfahrener“Nutzer, welche neben Rout<strong>in</strong>emessverfahren gelegentlichauch kompliziertere Experimente <strong>mit</strong> komplexerProbenumgebung durchführen wollen.• Notwendigkeit der Investition <strong>in</strong> sehr spezialisierte(und da<strong>mit</strong> teure) Probenumgebungen <strong>in</strong> bestimmten Wissenschaftsbereichen,<strong>in</strong> denen die <strong>Forschung</strong> <strong>mit</strong> Photonene<strong>in</strong> zentraler Bestandteil des wissenschaftlich-technischenArsenals ist.• Methodische und appararative Weiterentwicklung der<strong>Forschung</strong> <strong>mit</strong> Photonen zur Nutzung von Kohärenz, Zeitauflösung,Brillanz und anderer hervorragender Eigenschaften vonSynchrotron- und Freie-Elektronen-Laser-Strahlung.Aus Sicht des KFS ist die E<strong>in</strong>richtung thematischer <strong>Forschung</strong>splattformendie beste Antwort auf diese Herausforderungen.Diese Plattformen s<strong>in</strong>d nicht auf den Betrieb e<strong>in</strong>erStrahlführung konzentriert, sondern gruppieren sich um e<strong>in</strong>wissenschaftliches Thema, welches den Betrieb mehrererStrahlführungen, der da<strong>mit</strong> verbundenen (teilweise sehr komplexen)Probenumgebungen sowie geeigneter Labors umfasst.Diese thematischen <strong>Forschung</strong>splattformen gew<strong>in</strong>nen durchdie <strong>in</strong> den Synchrotrone<strong>in</strong>richtungen betriebene Eigenforschungund dem daraus resultierenden Know-how zusätzlichan Gewicht und werden auch wenig geübte Nutzer anziehen.8<strong>Synchrotronstrahlung</strong> <strong>2009</strong>


Der <strong>in</strong>ternationale KontextDie europäische <strong>Forschung</strong> <strong>mit</strong> <strong>Synchrotronstrahlung</strong> istsehr breit aufgestellt <strong>mit</strong> leistungsfähigen Masch<strong>in</strong>en im Niedrigenergiebereich(MAX-LAB, ELETTRA), Mittelenergiebereich(ALBA, ANKA, BESSY II, Diamond, DORIS III, SOLEIL, SLS) undHochenergiebereich (ESRF, PETRA III). Die genannten Quellenwerden bis auf die ESRF <strong>in</strong> nationaler Trägerschaft betriebenund befriedigen <strong>in</strong>sbesondere den jeweiligen nationalen Bedarfan <strong>Synchrotronstrahlung</strong>. Die Mehrzahl der Masch<strong>in</strong>en decktdaher e<strong>in</strong> breites, zum großen Teil überlappendes Spektrum anAnwendungen der <strong>Synchrotronstrahlung</strong> ab. Die wachsendeZahl an Quellen und Strahlführungen hat dennoch nicht zue<strong>in</strong>er verm<strong>in</strong>derten Nachfrage nach Strahlzeit an den e<strong>in</strong>zelnenQuellen geführt. Da der steigende Bedarf an <strong>Synchrotronstrahlung</strong>durch die vorhandenen und geplanten Quellen immernoch nicht abgedeckt wird, bleibt der Überbuchungsgrad anallen Quellen weiterh<strong>in</strong> hoch.Allgeme<strong>in</strong> wird erwartet, dass die zunehmende Zahl vonStrahlführungen <strong>mit</strong> ähnlichen Kennzahlen zu e<strong>in</strong>er Spezialisierungder Messplätze <strong>in</strong>sbesondere im H<strong>in</strong>blick auf optimierteProbenumgebungen und unterstützende Laboratorien vor Ortführen wird. Der da<strong>mit</strong> verbundene erhebliche f<strong>in</strong>anzielle Aufwandwird der Entwicklung zu thematischen <strong>Forschung</strong>splattformenan den e<strong>in</strong>zelnen Quellen Vorschub leisten, die nebender Grundversorgung der Nutzer <strong>mit</strong> Standardmessplätzen zue<strong>in</strong>er optimierten Bereitstellung von spezialisierten Messplätzen<strong>mit</strong> höchster Leistung führt. Aus der Sicht der Nutzer ist esdr<strong>in</strong>gend erforderlich, den Zugang zu diesen hochspezialisiertenMessplätzen europaweit und <strong>in</strong>ternational zu öffnen, danationale Nutzergeme<strong>in</strong>den e<strong>in</strong>zelner Länder <strong>in</strong> vielen Fällen zukle<strong>in</strong> se<strong>in</strong> werden, um den Bau und Betrieb derart spezialisierterStrahlführungen zu rechtfertigen. Als Beispiel für e<strong>in</strong>enoptimierten Betrieb kann die Organisation der Nutzung der e<strong>in</strong>zigeneuropäischen Quelle ESRF dienen. Hier hat e<strong>in</strong>e breiteNutzergeme<strong>in</strong>schaft aus ganz Europa <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em gut e<strong>in</strong>gespieltenAntragsverfahren Zugang zu hochspezialisierten Messplätzen.Dieses erfolgreiche Konzept hat dazu geführt, dasseuropäische Gruppen <strong>in</strong> vielen Gebieten der <strong>Forschung</strong> <strong>mit</strong><strong>Synchrotronstrahlung</strong> weltweit die Spitzenstellung e<strong>in</strong>nehmen.E<strong>in</strong> illustratives Beispiel dafür s<strong>in</strong>d Experimente der resonantenKernstreuung. Diese werden <strong>in</strong> Europa ausschließlich an derESRF betrieben, weil dort die dafür besten Strahlbed<strong>in</strong>gungenzur Verfügung stehen. Deutsche Wissenschaftler nutzen nahezu50 % der bereitgestellten Messzeit. Aus Sicht der Forscher istdie E<strong>in</strong>richtung entsprechender Verfahren zur Nutzung solchspezialisierter Experimentierplätze auch an den nationalenQuellen unbed<strong>in</strong>gt erforderlich. Derartige Verfahren begünstigenneben der Bildung <strong>in</strong>ternational führender und länderübergreifender<strong>Forschung</strong>scluster auch an nationalen Quellendie weitere Vernetzung von <strong>Forschung</strong>saktivitäten auf europäischerEbene unter effizienter Nutzung der zur Verfügungstehenden F<strong>in</strong>anz<strong>mit</strong>tel.Auf dem Gebiet der Freie-Elektronen-Laser ist die Dynamikder Entwicklung und da<strong>mit</strong> auch die Konkurrenzsituation weltweitextrem hoch. Bei SPr<strong>in</strong>g-8 <strong>in</strong> Japan ist im letzten Jahr e<strong>in</strong>Freie-Elektronen-Laser für den ultravioletten Spektralbereich <strong>in</strong>Betrieb gegangen; e<strong>in</strong> Freie-Elektronen-Laser für den hartenSpektralbereich bef<strong>in</strong>det sich im Aufbau und soll 2011 ersteErgebnisse liefern. In den USA wird die L<strong>in</strong>ear CoherentLight Source (LCLS) <strong>in</strong> Stanford <strong>in</strong> diesem Jahr zunächst <strong>mit</strong>weicher Röntgenstrahlung starten und ab 2010 ebenfalls harteRöntgenstrahlung liefern. Darüber h<strong>in</strong>aus wird am LawrenceBerkeley National Laboratory an e<strong>in</strong>em Konzept für e<strong>in</strong>e Freie-Elektronen-Laserquelle für mehrere gleichzeitige Nutzer im weichenRöntgenbereich gearbeitet und an der Cornell Universitätwird e<strong>in</strong> Energy-Recovery-L<strong>in</strong>ac für den harten Spektralbereichentwickelt.In Europa wird bei ELETTRA <strong>mit</strong> dem FERMI-Projekt e<strong>in</strong>Freie-Elektronen-Laser für ultraviolette Strahlung gebaut. Überlegungenfür weitere nationale Quellen gibt es <strong>in</strong> Schweden(MAX IV), <strong>in</strong> Frankreich (ARC-EN-CIEL), <strong>in</strong> Großbritannien (NewLight Source) und <strong>in</strong> der Schweiz (PSI-FEL). In Russland wird ane<strong>in</strong>em alternativen Konzept für e<strong>in</strong>en Energy-Recovery-L<strong>in</strong>acgearbeitet.Vor diesem H<strong>in</strong>tergrund ist es sehr wichtig, dass <strong>Deutschland</strong>se<strong>in</strong>e führende Stellung auf dem Gebiet der Entwicklungund Nutzung von Strahlungsquellen, die e<strong>in</strong>e hohe Zeitauflösungerlauben und gleichzeitig bis <strong>in</strong> den Röntgenbereichdurchstimmbar s<strong>in</strong>d, <strong>mit</strong> Projekten wie FLASH II, dem Vollausbaudes European XFEL sowie BERL<strong>in</strong>Pro ausbaut.<strong>Synchrotronstrahlung</strong> <strong>2009</strong>9


<strong>Synchrotronstrahlung</strong> –<strong>mit</strong> fast unerschöpflichem Potential<strong>Synchrotronstrahlung</strong> ermöglicht E<strong>in</strong>blicke <strong>in</strong> die belebteund unbelebte Welt von nicht gekannter Präzision. Insbesondereder extrem große Spektralbereich vom Infraroten bish<strong>in</strong> zu energiereicher Röntgenstrahlung und die untersuchbarenZeitskalen machen <strong>Synchrotronstrahlung</strong> zu e<strong>in</strong>em unerlässlichenWerkzeug für die moderne Wissenschaftslandschaft.Die <strong>Forschung</strong> <strong>mit</strong> <strong>Synchrotronstrahlung</strong> ergänzt dabeiandere Techniken an Großlaboren (wie z. B. die Neutronenstreuung)und konventionelle Labormethoden (wie z. B. die Laserspektroskopie).Die Strahlung moderner Quellen ermöglicht vielfältige,<strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>är angesiedelte Anwendungen, die von e<strong>in</strong>erbreiten Nutzerschaft durchgeführt werden. Die <strong>Forschung</strong>sbereiche,die heutzutage von der <strong>Synchrotronstrahlung</strong> profitieren,erstrecken sich von der Physik über die Chemie,Materialforschung, Geo- und Umweltwissenschaften bis zuden Lebenswissenschaften Biologie und Mediz<strong>in</strong>. Weltweitwird heute beispielsweise die weit überwiegende Anzahlvon Prote<strong>in</strong>strukturen <strong>mit</strong> Hilfe von <strong>Synchrotronstrahlung</strong>entschlüsselt. Der <strong>in</strong> diesem Bereich gestiegene Bedarf nachExperimenten spiegelt sich <strong>in</strong> den weltweit neu aufgebauten<strong>Synchrotronstrahlung</strong>squellen wider. Darüber h<strong>in</strong>aus istder Wunsch nach hochwertiger Strahlung vor allem h<strong>in</strong>sichtlichEnergie- und Ortsauflösung, Intensität, Brillanz,Polarisationsvariation und Zeitauflösung beständig gewachsen.Die stetig ansteigenden Nutzerzahlen unterstreichen dieNotwendigkeit und die Vorteile hochbrillanter <strong>Synchrotronstrahlung</strong>.Auf den Seiten 12 bis 37 dieser Broschüre wird anhand vonE<strong>in</strong>blicken <strong>in</strong> verschiedene Wissenschaftsdiszipl<strong>in</strong>en die Bedeutungder <strong>Forschung</strong> <strong>mit</strong> <strong>Synchrotronstrahlung</strong> unterstrichenund deren <strong>mit</strong>telfristige Entwicklungen <strong>in</strong> den jeweiligen<strong>Forschung</strong>sfeldern diskutiert. Beispiele aus <strong>Forschung</strong>sarbeiten,die <strong>in</strong> führenden Wissenschaftsjournalen veröffentlicht wurden,beschreiben Ergebnisse zu aktuellen <strong>Forschung</strong>sthemen.Allerd<strong>in</strong>gs kann hier nur e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>er Ausschnitt aus der spannenden<strong>Forschung</strong> wiedergegeben werden.Moderne beschleunigerbasierte StrahlungsquellenWird die Bahn von Elektronen durch e<strong>in</strong> Magnetfeld gekrümmt,so senden die Teilchen elektromagnetische Strahlungaus. Je nach Energie der Elektronen und der Stärke des Magnetfeldeswird auf diese Weise <strong>Synchrotronstrahlung</strong> <strong>mit</strong> verschiedenenWellenlängen und Intensitäten erzeugt.In Teilchenbeschleunigern für die Teilchenphysik ist diese<strong>Synchrotronstrahlung</strong> e<strong>in</strong> Ärgernis, denn die Elektronen verlierenbei dem Prozess Energie. Im Laufe der Zeit zeigte sichaber, dass <strong>Synchrotronstrahlung</strong> als Werkzeug genutzt werdenkann, das für die heutige <strong>Forschung</strong> unersetzlich ist.Dazu wurden R<strong>in</strong>gbeschleuniger gebaut, die <strong>mit</strong> speziellenMagnetstrukturen ausgestattet für die Erzeugung von hochbrillanter<strong>Synchrotronstrahlung</strong> optimiert wurden. Durchgeeignete Monochromatoren und Strahlführungssystemekann Licht e<strong>in</strong>er gewünschten Wellenlänge extrahiert und fürzahlreiche Experimente genutzt werden. An e<strong>in</strong>em R<strong>in</strong>gbeschleunigerkönnen auf diese Weise mehr als 50 Experimentegleichzeitig ablaufen.Mit dediziert für die Erzeugung von Röntgenlicht aufgebauten<strong>Synchrotronstrahlung</strong>squellen der sogenannten zweitenGeneration (z. B. DORIS III <strong>in</strong> Hamburg, BESSY I <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>)konnten ab Mitte der 1970er Jahre zahlreiche Experimente zurUntersuchung der kondensierten Materie <strong>mit</strong> <strong>in</strong>tensiverStrahlung unterschiedlicher Wellenlänge und variabler Polarisationdurchgeführt werden.Mit dem Aufbau von Strahlungsquellen der dritten Generation(z. B. ESRF, BESSY II, PETRA III), die sich durch stärkergebündelte Teilchenstrahlen und den E<strong>in</strong>bau von Undulatorenauszeichnen, ergab sich e<strong>in</strong>e drastische Steigerung der Leuchtstärke(Brillanz). Diese Steigerung resultiert daraus, dass die geladenenTeilchen e<strong>in</strong>e periodische Magnetstruktur durchlaufenund die dabei e<strong>mit</strong>tierte Strahlung sich kohärent überlagernkann. Die höhere Brillanz hat neue <strong>Forschung</strong>sfelder stimuliertund neue Experimente ermöglicht. So basieren unter anderemder Erfolg der mikroskopisch abbildenden Experimente oderauch die höchstauflösende Spektroskopie auf der hohen Brillanzdieser Quellen.10 <strong>Synchrotronstrahlung</strong> <strong>2009</strong>


L<strong>in</strong>earbeschleunigerbasierte Röntgenquellen (Freie-Elektronen-Laserund künftige Energy-Recovery-L<strong>in</strong>acs) br<strong>in</strong>gen<strong>in</strong> vielfacher H<strong>in</strong>sicht e<strong>in</strong>en weiteren Gew<strong>in</strong>n: Neben e<strong>in</strong>erdeutlichen Steigerung an Kohärenz eröffnen sie e<strong>in</strong>e variableZeitstruktur und e<strong>in</strong>e drastisch gesteigerte Brillanz. Bisher vollständigunbekannte Phänomene lassen sich erforschen, unteranderem kann man nicht-l<strong>in</strong>eare Prozesse vom VUV bis <strong>in</strong> denRöntgen-Bereich h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> untersuchen.In Freie-Elektronen-Lasern (FEL) wird die Strahlung <strong>in</strong>extrem langen Undulatoren erzeugt. FEL benutzen dazu hochenergetischeElektronenpakete extrem hoher Bündelung undkurzer Dauer, die im Undulator auf e<strong>in</strong>en Slalomkurs gezwungenwerden. Dabei senden die Elektronen <strong>Synchrotronstrahlung</strong>aus, die <strong>in</strong> Wechselwirkung <strong>mit</strong> den Elektronenpaketentritt und ihnen nach und nach e<strong>in</strong>e Substruktur auf derLängenskala der Wellenlänge des e<strong>mit</strong>tierten Lichtes aufprägt.Letztlich überlagert sich die von diesen Subpaketene<strong>mit</strong>tierte <strong>Synchrotronstrahlung</strong> kohärent. Die so erzeugteFEL-Strahlung zeichnet sich durch e<strong>in</strong>e hohe Brillanz, vollständigeräumliche sowie teilweise zeitliche Kohärenz, kurze Pulsdauernund e<strong>in</strong>e ger<strong>in</strong>ge Energiebreite aus.E<strong>in</strong> Energy-Recovery-L<strong>in</strong>ac (ERL) vere<strong>in</strong>t die Vorteile e<strong>in</strong>esL<strong>in</strong>earbeschleunigers <strong>mit</strong> denen e<strong>in</strong>es Speicherr<strong>in</strong>gs. ERL habengegenüber Freie-Elektronen-Lasern den Vorteil, dass zahlreicheNutzer gleichzeitig <strong>mit</strong> der <strong>in</strong>tensiven und hochbrillanten Strahlungbei flexiblen Bed<strong>in</strong>gungen der Pulslänge, Pulsfrequenzund Kohärenz experimentieren können.<strong>Deutschland</strong> spielt <strong>in</strong> der Entwicklung der beschleunigergetriebenenPhotonenquellen <strong>in</strong>ternational e<strong>in</strong>e führende Rolle.Mit den Freie-Elektronen-Laser-Anlagen <strong>in</strong> Hamburg (FLASH,European XFEL) werden e<strong>in</strong>zigartige Experimentierbed<strong>in</strong>gungenfür die <strong>Forschung</strong> <strong>mit</strong> hochenergetischen Strahlungspulsen <strong>mit</strong>e<strong>in</strong>er Länge von ca. 20 Femtosekunden geschaffen. Bei kurzenStrahlungspulsen im Bereich von wenigen Femtosekundenkonkurrieren die beschleunigergetriebenen Strahlungsquellen<strong>mit</strong> Laborlaserquellen, die derzeit Pulse bis <strong>in</strong> den Attosekundenbereichliefern. Allerd<strong>in</strong>gs s<strong>in</strong>d diese Quellen kaum <strong>in</strong> vergleichbaremMaße wie die <strong>Synchrotronstrahlung</strong> oder FEL-Strahlung durchstimmbar.<strong>Deutschland</strong> ist am Betrieb und Aufbau zahlreicher<strong>Synchrotronstrahlung</strong>squellen sowie Freie-Elektronen-Laserbeteiligt. Die Beschreibungen dieser Quellen auf den Seiten 38bis 51 ermöglichen deren Vergleich.Vergleich der Spitzenleuchtkraftder Strahlungsquellender drittenGeneration <strong>mit</strong> denFreie-Elektronen-Lasern.Dort wird gegenüberheutigen Quellen e<strong>in</strong>eSteigerung um etwa 10Größenordnungenerwartet.<strong>Synchrotronstrahlung</strong> <strong>2009</strong> 11


MATERIALWISSENSCHAFTENWerkstoffe der Zukunft erforschen<strong>Synchrotronstrahlung</strong> gew<strong>in</strong>nt <strong>in</strong> den Materialwissenschaftenzunehmend an Bedeutung. E<strong>in</strong> besonderes <strong>Forschung</strong>s<strong>in</strong>teresserichtet sich dabei auf möglichstrealistische Prozesse.Materialien bee<strong>in</strong>flussen die technologische und gesellschaftlicheEntwicklung <strong>in</strong> besonderer Weise: Ganze Periodender Menschheitsgeschichte wurden nach den jeweils dom<strong>in</strong>ierendenMaterialien wie Kupfer, Bronze oder Eisen e<strong>in</strong>geteilt undauch heute noch prägen neue Materialien den technischenForschritt. Ob bei Halbleitern, Gläsern, Kunststoffen oder Stahl– erst die Entwicklung neuer Werkstoffe ermöglicht viele Neuerungenwie etwa <strong>in</strong> der Informationstechnologie, Textil<strong>in</strong>dustrieoder Architektur.Die Eigenschaften von Materialien werden durch derenAufbau von den Atomen bis zum Bauteil bestimmt. E<strong>in</strong>en wesentlichenAnteil daran haben die Dimensionen vom Nanometerbis zum Mikrometer, die <strong>mit</strong> <strong>Synchrotronstrahlung</strong> <strong>in</strong>unvergleichlicher Weise studiert werden können. Seit vielenJahren schon leistet die <strong>Synchrotronstrahlung</strong> e<strong>in</strong>en wichtigenBeitrag zur Materialforschung und ergänzt ganz wesentlich dieMöglichkeiten anderer hochauflösender Methoden wie etwader Elektronenmikroskopie. E<strong>in</strong>e Analyse aller Veröffentlichungenaus diesem <strong>Forschung</strong>sfeld zeigt, dass die Zahl der Publikationen<strong>in</strong> der Materialforschung, welche das Stichwort„Synchrotron“ enthalten, seit den späten 1980er Jahren praktischl<strong>in</strong>ear von null auf heute mehr als 450 pro Jahr angestiegenist (Quelle: Web of Science). Die meistzitierten Veröffentlichungennutzen dabei klassische Werkzeuge der <strong>Synchrotronstrahlung</strong>,zum Beispiel Pulverdiffraktometrie, Reflektivität,Kle<strong>in</strong>w<strong>in</strong>kelstreuung und spektroskopische Technikenwie EXAFS. Daher ist es extrem wichtig, diese klassischen Technikenauf sehr hohem Niveau verfügbar zu halten.Neue Entwicklungen gehen dah<strong>in</strong>, nicht nur Strukturen,sondern auch Prozesse zu erforschen. Das hilft bei derEntwicklung von Syntheseverfahren, beim Verständnis der mechanischenVerformung oder der Analyse von Umwandlungsreaktionen.Die Voraussetzung für solche Untersuchungen istdie Möglichkeit e<strong>in</strong>er Messung <strong>in</strong> Abhängigkeit der Zeit sowiedie Verfügbarkeit von Probenumgebungen, die e<strong>in</strong>e kontrollierteVeränderung der Probe erlauben. E<strong>in</strong> hervorragendes Beispielfür e<strong>in</strong>e Untersuchung dieser Art ist die Erforschung von Katalyseprozessen(siehe <strong>Forschung</strong>sbeispiel) <strong>mit</strong>tels Photoelektronenspektroskopieim Röntgenlicht. E<strong>in</strong> besseres Verständnis desProzesses wird hier über die direkte Beobachtung während derReaktion erreicht. Dazu ist e<strong>in</strong>e komplexe maßgeschneiderteProbenumgebung nötig, die es erlaubt, die realen Bed<strong>in</strong>gungenso genau wie nötig nachzustellen. Ähnliches gilt für viele anderematerialwissenschaftliche Probleme, bei denen mehrere physikalischeParameter (wie etwa Druck, Temperatur, Feuchte, mechanischeBelastung) gleichzeitig kontrolliert und verändertwerden, um die jeweilige Antwort des Materials darauf zu studieren.Neue <strong>Synchrotronstrahlung</strong>squellen wie PETRA III <strong>in</strong>Hamburg und – <strong>in</strong> noch viel höherem Maße – die zukünftigenFEL-Quellen werden es <strong>in</strong> Zukunft erlauben, die Zeitauflösungso sehr zu verbessern, dass es möglich se<strong>in</strong> wird, Details vonchemischen Reaktionen sichtbar zu machen.Moderne Materialien zeichnen sich <strong>in</strong> besonderem Maßedurch ihre strukturelle Komplexität aus. Elektronische Bauelemente,Biomaterialien oder neuartige Kunststoffe s<strong>in</strong>d auf verschiedenenGrößenskalen unterschiedlich strukturiert, ihrAufbau kann dabei vom Kle<strong>in</strong>en (Nanometerebene) bis zurnächsten Skala (Mikrometerebene) variabel se<strong>in</strong>. Das macht dieCharakterisierung extrem schwierig. E<strong>in</strong> vielversprechender Ansatzist die Verwendung von extrem fe<strong>in</strong>en Röntgenstrahlen <strong>mit</strong>Durchmessern im Mikrometer- oder Nanometerbereich, welche<strong>in</strong> den letzten Jahren an hochbrillanten <strong>Synchrotronstrahlung</strong>squellenwie der ESRF <strong>in</strong> Grenoble entwickelt wurden. DieGröße des Strahls bestimmt, <strong>in</strong> welchem Bereich die Probeanalysiert wird. E<strong>in</strong>e noch bessere Verfügbarkeit von Röntgenquellen<strong>mit</strong> extremer Brillanz ist daher für die Materialforschungvon höchster Bedeutung. Auch Abbildungsmethoden<strong>mit</strong>tels kohärenter Strahlung s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> diesem Kontext e<strong>in</strong> sehrwichtiges Zukunftsthema.Die neuen Röntgenquellen <strong>mit</strong> hoher Brillanz und Kohärenzwerden <strong>in</strong> der modernen Materialforschung e<strong>in</strong>e wesentlicheRolle spielen. Zusätzlich erfordert die Erforschung vonProzessen und Verfahren wie der Materialsynthese sehr komplexeProbenumgebungen und entsprechende Präparationslabors.Es wird daher auch für die Materialforschung zunehmendwichtig, dedizierte Laborräume und begleitende Untersuchungsmöglichkeitendirekt an der <strong>Synchrotronstrahlung</strong>squellezur Verfügung zu haben.12 <strong>Synchrotronstrahlung</strong> <strong>2009</strong>


Mit <strong>Synchrotronstrahlung</strong> zu besseren KatalysatorenE<strong>in</strong> besseres Verständnis von chemischen Reaktionen ander Oberfläche von Katalysatoren ermöglicht den optimiertenE<strong>in</strong>satz der Reaktionsbeschleuniger.Katalyse bezeichnet den Vorgang, durch den chemischeProzesse schneller oder überhaupt erst ablaufen. Sie bee<strong>in</strong>flusstunsere Gesellschaft <strong>in</strong> starker, wenn auch eher unauffälliger Artund Weise. Der Autokatalysator ist das bei Weitem bekanntesteBeispiel und spielt e<strong>in</strong>e wichtige Rolle zur Reduktion der Schadstoffemission.In der chemischen Industrie werden über 90 %der Materialien durch katalytische Prozesse hergestellt. Katalysatorensparen Ressourcen, Energie, sie schützen unsere Umweltund haben e<strong>in</strong>e immense wirtschaftliche Bedeutung.Die elementaren Reaktionen auf der Oberfläche e<strong>in</strong>es Katalysatorswerden von Chemikern und Physikern seit Jahrzehntenuntersucht. Im Jahr 2007 erhielt Gerhard Ertl, ehemaligerDirektor am Fritz-Haber-Institut <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>, den Nobelpreis fürChemie für se<strong>in</strong>e Pionierarbeiten auf diesem Gebiet. Trotzdemist für die meisten realen katalytischen Prozesse noch weitgehendungeklärt, <strong>in</strong> welcher genauen Abfolge die elementarenReaktionsschritte erfolgen.Um der Wirkungsweise von Katalysatoren auf die Spur zukommen, s<strong>in</strong>d hochkomplexe, technisch aufwendige Experimentenötig, die meistens <strong>in</strong>tensive Strahlen von Elektronen,Neutronen oder Photonen erfordern. <strong>Synchrotronstrahlung</strong>squellenliefern Photonen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em breiten Spektralbereich, dieWissenschaftler für diese Experimente nutzen.Von heterogener Katalyse spricht man, wenn der Katalysatorund die zu reagierenden Stoffe <strong>in</strong> verschiedenen Aggregatzuständenvorliegen. Dies ist etwa beim Autokatalysator der Fall,der – wie <strong>in</strong> den meisten heterogenen Fällen – e<strong>in</strong> Feststoff ist.Die heterogene Katalyse f<strong>in</strong>det hier an der Oberfläche statt. Umdiese Prozesse genauer zu studieren, ist es wichtig, Experimentezu realisieren, die genau diese Oberfläche und e<strong>in</strong> paar der darunterliegendenAtomlagen untersuchen.Die In-situ-Photoelektronenspektroskopie im Röntgenbereicheignet sich hervorragend für solche Untersuchungen.Diese Methode erlaubt es, die Zusammensetzung und die chemischeNatur der Katalysatoroberflächen unter chemischenReaktionsbed<strong>in</strong>gungen zu entschlüsseln. Sie ist an der ISISS-Strahlführung (<strong>in</strong>novative station for <strong>in</strong> situ spectroscopy) der<strong>Synchrotronstrahlung</strong>squelle BESSY II am Helmholtz-ZentrumBerl<strong>in</strong> für Materialien und Energie möglich.E<strong>in</strong> Team um Detre Teschner vom Fritz-Haber-Institut Berl<strong>in</strong>hat dort das H<strong>in</strong>zufügen von Wasserstoff an Alk<strong>in</strong>en unterder Beteiligung e<strong>in</strong>es Palladiumkatalysators erforscht. Alk<strong>in</strong>es<strong>in</strong>d Kohlenwasserstoffe, die zwei oder vier Wasserstoffatomepro Molekül aufnehmen können. In den meisten Anwendungenist dabei nur das H<strong>in</strong>zufügen von zwei Wasserstoffatomen erwünscht,die Addition von vier Wasserstoffatomen gilt es h<strong>in</strong>gegenzu vermeiden.Mit Hilfe von Synchrotronlicht konnten die Wissenschaftlerbeobachten, dass das Palladium wie erwünscht nur zweiWasserstoffatome an den Kohlenwasserstoff abgibt, wenn dieOberfläche und die obersten zwei bis fünf Atomlagen durch denE<strong>in</strong>bau von Kohlenstoff modifiziert s<strong>in</strong>d. Dann bildet sich e<strong>in</strong>eArt Haut auf dem Palladium. Unter den Bed<strong>in</strong>gungen, bei denenvier Wasserstoffatome den Alk<strong>in</strong>en h<strong>in</strong>zugefügt werden, ist dieAusbildung dieser dünnen Schicht h<strong>in</strong>gegen nicht zu beobachten.Daraus lässt sich der Schluss ziehen, dass die Haut wie e<strong>in</strong>eBarriere wirkt, so dass Wasserstoff, der sich unter der Oberflächebef<strong>in</strong>det, nicht an der Reaktion teilnehmen kann.Mit Hilfe der oben geschilderten Resultate, die <strong>in</strong> Scienceveröffentlicht wurden, lassen sich nun neue Familien von Katalysatorenauf Palladiumbasis konzipieren, <strong>in</strong>dem man die Löslichkeitvon Wasserstoff <strong>in</strong> den entsprechenden Materialienm<strong>in</strong>imiert. Das kann man z. B. dadurch erreichen, dass man dieKatalysatoren so präpariert, dass sie gleich aus e<strong>in</strong>em stabilenGemisch von Palladium und e<strong>in</strong>em anderen Element wie etwaGallium entstehen.Dieses Beispiel zeigt, dass der E<strong>in</strong>satz von <strong>Synchrotronstrahlung</strong><strong>in</strong> Komb<strong>in</strong>ation <strong>mit</strong> anderen Techniken erlaubt, dasgrundsätzliche Verständnis von chemischen Reaktionen deutlichzu erweitern und Wege aufzuzeigen, wie Materialien fürKatalysatoren und den E<strong>in</strong>satz <strong>in</strong> der chemischen Industrie verbessertwerden können.Abbildung:Mit Hilfe von <strong>Synchrotronstrahlung</strong>zeigte sich,wie sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Palladiumschichte<strong>in</strong>gelagerterKohlenstoff auf e<strong>in</strong>enKatalyseprozess auswirkt.Durch den Kohlenstoffsteht weniger Wasserstoffzur Verfügung und eskommt eher zum gewünschtenH<strong>in</strong>zufügenvon zwei (l<strong>in</strong>ks) anstellevon vier (rechts) Wasserstoffatomen.WissenschaftlicheVeröffentlichung:D. Teschner, J. Borsodi,A. Wootsch, Zs. Révay,M. Hävecker, A. Knop-Gericke, S. D. Jackson,R. Schlögl: The Roles ofSubsurface Carbon andHydrogen <strong>in</strong> Palladium-Catalyzed AlkyneHydrogenation.Science 320 (2008) 86<strong>Synchrotronstrahlung</strong> <strong>2009</strong> 13


NANOWISSENSCHAFTENE<strong>in</strong>sichten <strong>in</strong> den NanokosmosAufgrund ihrer kurzen Wellenlänge eignet sich Röntgenstrahlungideal zur Untersuchung und Abbildung kle<strong>in</strong>sterStrukturen auf der Nanometerskala.Aus Experimenten an E<strong>in</strong>kristallen lassen sich Kristallmodelleerrechnen, welche die Bestimmung von Atompositionen<strong>mit</strong> Genauigkeiten von weniger als e<strong>in</strong>em hundertstel Nanometererlauben. Durch die Bündelung der Strahlung <strong>mit</strong>tels geeigneterRöntgenl<strong>in</strong>sen kann zudem auch die Kristallstrukturvon isolierten nanoskaligen Objekten vermessen werden. So lassensich kle<strong>in</strong>ste strukturelle Veränderungen <strong>in</strong> Abhängigkeitder Größe oder der Oberflächeneigenschaften nachweisen. Darüberh<strong>in</strong>aus werden Röntgenl<strong>in</strong>sen zur direkten Abbildung e<strong>in</strong>gesetzt.In den vergangenen 10 Jahren wurden an allen großen<strong>Synchrotronstrahlung</strong>squellen entsprechende Röntgenmikroskopeentwickelt und <strong>in</strong> Betrieb genommen. Diese dienen nichtnur der re<strong>in</strong>en Bildgebung, sondern erlauben zudem, die Elementverteilungenoder den chemischen Zustand der untersuchtenSysteme auf der Nanometerskala zu er<strong>mit</strong>teln.Oberflächen können auf der Nanoskala unter E<strong>in</strong>satz vonPhotoelektronenemissionsmikroskopen im weichen Röntgenbereichuntersucht werden. Die Vielzahl entsprechender Instrumentebei BESSY II am Helmholtz-Zentrum Berl<strong>in</strong> im Vergleichzu anderen Strahlungsquellen weist auf e<strong>in</strong>e gewisse Dom<strong>in</strong>anzdeutscher Forschergruppen <strong>in</strong> diesem Bereich h<strong>in</strong>. Die Anwendungenzielen <strong>in</strong> vielen Fällen darauf, magnetische Mikro- undNanostrukturen und den zeitlichen Ablauf von Magnetisierung<strong>mit</strong> Nanosekundenauflösung zu untersuchen. Die derzeitigeNotwendigkeit von extremen Vakuumumgebungen und e<strong>in</strong>erteilweise spezifischen Probenpräparation erschweren jedoche<strong>in</strong>en flexiblen E<strong>in</strong>satz der Instrumente.Die meisten röntgenmikroskopischen Untersuchungen konzentrierensich auf den großen Bereich der Materialwissenschaften.Nanomaterialien, Nanopartikel, Nanoröhren undartifizielle Nanostrukturen gew<strong>in</strong>nen zunehmend <strong>in</strong> technologischenAnwendungen an Bedeutung, so dass der Bedarf anhochauflösenden Untersuchungsmethoden jenseits der konventionellenElektronen- oder Rastersondenmikroskopien stetigwächst. Beste Ortsauflösung erfordert hochbrillante Strahlungsquellenbei möglichst flexiblem E<strong>in</strong>satz. Die derzeit verfügbarenInstrumente – <strong>in</strong>sbesondere an der ESRF – s<strong>in</strong>d starküberbucht, so dass dem steigenden Bedarf nur durch den Aufbau<strong>in</strong>novativer Instrumentierung begegnet werden kann. Imharten Röntgenbereich können da<strong>mit</strong> unterschiedlichste Probenumgebungenbei flexiblem E<strong>in</strong>satz vom lebenden Insekt biszur Materie bei tiefen Temperaturen e<strong>in</strong>facher realisiert werden.Im weichen Röntgenbereich stehen unterschiedliche Detektionsmöglichkeitenebenso wie e<strong>in</strong>e große Flexibilität bei denProben im Fokus.Der weiche Röntgenbereich ist für die 3D-Mikroskopiekle<strong>in</strong>ster biologischer Objekte von großer Bedeutung. Dieses –die Elektronenmikroskopie ergänzende – Gebiet erlaubt dieAbbildung lebender Zellen <strong>in</strong> ihrer natürlichen Umgebung.Die Relevanz dieses Feldes wird nicht zuletzt durch die E<strong>in</strong>richtunge<strong>in</strong>es entsprechenden nationalen <strong>Forschung</strong>slabors an derAdvanced Light Source <strong>in</strong> Kalifornien unterstrichen. Doch auch<strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> besteht e<strong>in</strong> ideales Umfeld, um <strong>in</strong> diesem Bereiche<strong>in</strong>e führende Rolle zu übernehmen. Dies erfordert jedochdie Errichtung e<strong>in</strong>er entsprechenden Infrastruktur an den Strahlungsquellen.Zudem ist e<strong>in</strong> hohes methodisches Entwicklungspotentialgegeben. Insbesondere im H<strong>in</strong>blick auf die derzeit verfügbarenOrtsauflösungen s<strong>in</strong>d Verbesserungen wünschenswert. EntsprechendeInitiativen sollten gefördert werden – wie etwa beiden modernen l<strong>in</strong>senlosen Abbildungsverfahren.Röntgenlicht kann auch für Strukturierungsverfahren e<strong>in</strong>gesetztwerden, bei denen <strong>mit</strong>tels Belichtung Muster auf verschiedenstenMaterialien aufgebracht werden. Aufgrund se<strong>in</strong>erkurzen Wellenlänge bietet Röntgenlicht dabei gegenüber Lichtim sichtbaren Spektralbereich große Vorteile. Das sogenannteLIGA-Verfahren, das bei ANKA und BESSY II teilweise kommerzielle<strong>in</strong>gesetzt wird, erlaubt die Herstellung kle<strong>in</strong>ster Strukturenbeispielsweise für mikromechanische Bauteile. DieStrukturierung <strong>mit</strong> Hilfe von Röntgenlicht auf der Skala wenigerNanometer ist jedoch noch immer e<strong>in</strong>e Herausforderung,<strong>in</strong> der großflächigen Fertigung periodischer Struktur steckt allerd<strong>in</strong>gsnoch ausreichend Entwicklungspotential – selbst fürden kommerziellen E<strong>in</strong>satz. Firmenausgründungen wie beispielsweiseam Paul-Scherrer-Institut <strong>in</strong> der Schweiz unterstreichendie Vermarktungsmöglichkeiten. Sie erfordern allerd<strong>in</strong>gse<strong>in</strong>e ausreichende Verfügbarkeit entsprechender Quellen<strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung <strong>mit</strong> der notwendigen Infrastruktur wie etwaRe<strong>in</strong>räumen.14 <strong>Synchrotronstrahlung</strong> <strong>2009</strong>


Abbildung 1 Abbildung 2 Abbildung 3SMART auf Oberflächen geschautBeim SMART-Mikrospektroskop werden durch die Korrekturvon Abbildungsfehlern Auflösungungen im Nanometerbereichrealisiert.Mit Elektronen lassen sich kle<strong>in</strong>ste Strukturen abbilden, dasich Elektronen gemäß der Quantentheorie teilweise wie Wellenverhalten. Die Elektronenmikroskopie liefert e<strong>in</strong>e bis zu3.000-fach bessere Auflösung als die Lichtmikroskopie und lässtsich zudem vielseitiger <strong>mit</strong> anderen Messmethoden komb<strong>in</strong>ieren.Bei der Photoelektronenemissionsmikroskopie werden zurAbbildung ke<strong>in</strong>e Elektronen aus e<strong>in</strong>er externen Elektronenquellegenutzt, sondern Elektronen aus der Probe selbst, die<strong>mit</strong> Hilfe von <strong>Synchrotronstrahlung</strong> aus den Atomen gelöstwerden (<strong>in</strong>nerer Photoeffekt).Da diese Photoelektronen direkt aus den untersuchten Probenkommen, tragen sie wichtige Informationen über chemische,elektronische und magnetische Eigenschaften der Probe,die durch geeignete Verfahren analysiert werden können.In der Elektronenmikroskopie ersetzen magnetische oderelektrostatische L<strong>in</strong>sen die Glasl<strong>in</strong>sen <strong>in</strong> der Lichtmikroskopie.Während aber die Abbildungsfehler der Glasl<strong>in</strong>sen nahezu vollständigu. a. durch Komb<strong>in</strong>ationen konkaver und konvexer L<strong>in</strong>senkorrigiert werden können und die Auflösung nur nochdurch die Wellenlänge des Lichtes begrenzt wird, lassen sichke<strong>in</strong>e konkaven L<strong>in</strong>sen für Elektronen konstruieren. Durch dieVerwendung von Blenden erreichte man bisher e<strong>in</strong>e bestmöglicheAuflösung von rund 10 Nanometern, das ist rund zehnmalschlechter als pr<strong>in</strong>zipiell möglich. Zudem wird die Abbildungdurch das Ausblenden des Großteils des Elektronenstrahlsdeutlich dunkler. Dies erschwert u. a. die Beobachtung von zeitaufgelöstenProzessen oder strahlungsempf<strong>in</strong>dlichen Proben.Beim durch das BMBF geförderten SMART-Projekt gelanges Forschern nun, die L<strong>in</strong>senfehler <strong>mit</strong> Hilfe e<strong>in</strong>es Elektronenspiegelszu korrigieren. Als Folge wird die Auflösung auf wenigeNanometer und gleichzeitig der Akzeptanzw<strong>in</strong>kel desObjektivs verbessert. Dadurch wird die Transmission des Mikroskopsdeutlich erhöht und die Strahlungsbelastung der Probedrastisch erniedrigt.Das SMART-Instrument ist derzeit bei BESSY II an e<strong>in</strong>erHochfluss-Strahlführung <strong>in</strong>stalliert. Die Designparameter, diee<strong>in</strong>e Auflösung von zwei Nanometern anzielen, s<strong>in</strong>d <strong>mit</strong> e<strong>in</strong>ernachgewiesenen Ortsauflösung von 3,1 Nanometern nahezuerreicht. Die anvisierte Auflösung ist ideal geeignet, um Nanostrukturenan Oberflächen <strong>mit</strong>tels Spektromikroskopie zu analysieren.E<strong>in</strong>e der bisherigen Hauptanwendungen des SMART-Projektszielt auf die Untersuchung des Wachstums von organischenDünnschichten auf Metalloberflächen. Auf diese Weiselässt sich während der Schichtherstellung das Wachstum derSchichten als Funktion der Zeit, Temperatur oder Aufdampfrateverfolgen. Die mikroskopische Abbildung erlaubt unter anderem,den E<strong>in</strong>fluss von Oberflächendefekten, atomaren Stufenauf der zu bedampfenden Oberfläche, auf das Wachstumsverhaltenund den E<strong>in</strong>bau großer Moleküle zu studieren.Mit Hilfe des SMART-Mikroskops wurde beispielsweise untersucht,wie sich Stufen auf e<strong>in</strong>er zu bedampfenden Silberoberflächeauf die Ausbildung e<strong>in</strong>er Schicht aus PTCDA-Molekülen auswirkten. PTCDA (3,4,9,10-Perylentetracarbonsäuredianhydrid)wird u. a. für organische Halbleiter-Bauelementeverwendet. Durch geeignete Kristallpräparation lassensich regelmäßig gestufte Silberoberflächen präparieren, auf diedas PTCDA aufgedampft wurde. Die Elektronenspektroskopiemacht dabei e<strong>in</strong>e Verschiebung der elektronischen Niveausdeutlich, durch die auf die (kovalente) Art der B<strong>in</strong>dung zwischenPTCDA und Silber geschlossen werden kann. Bei nicht-gestuftenOberflächen bilden sich langreichweitig geordnete Bereicheaus, d. h. die PTCDA-Moleküle lagern sich periodisch an derGrenzfläche zum Metall an, wobei die Strukturparameter nahedem organischen E<strong>in</strong>kristall liegen.Im Fall der gestuften Silberoberfläche zeigt sich e<strong>in</strong> erstaunlicherEffekt: Aufgrund der starken Kopplung der PTCDA-Moleküle wird <strong>in</strong> der gestuften Oberfläche e<strong>in</strong>e sogenannteFacettierung <strong>in</strong>duziert, d. h. die Atome <strong>in</strong> der Silberunterlage lagernsich großflächig um, so dass die Stufen „wandern“ undsich letztlich unter den Bereichen bef<strong>in</strong>den, <strong>in</strong> denen die Molekülegeordnete Domänen ausbilden. Diese (adsorbat-<strong>in</strong>duzierte)Facettierung ist durch die Absenkung der freien Oberflächenenergiebegründet und konnte <strong>mit</strong> Hilfe des SMART-Mikroskopserstmalig <strong>in</strong> Echtzeit nachgewiesen werden.Abbildung 1:SMART-Spektromikroskopim KomplettaufbauAbbildung 2:Topographie derbedampften Oberfläche(Hellfeld-Darstellung)Abbildung 3:Dunkelfeldbild der Oberfläche.Der Kontrast entsprichtder Facettierungder Oberfläche aufgrundder Umorientierung derSilberunterlage.Siehe auch:H. Marchetto, U. Groh,Th. Schmidt, H. Kuhlenbeck,R. F<strong>in</strong>k, H.-J. Freund,E. Umbach: Influence ofthe substrate morphologyon the organic layer growthof PTCDA on Ag(111), Chem.Phys. 325 (2006) 178.<strong>Synchrotronstrahlung</strong> <strong>2009</strong> 15


LEBENSWISSENSCHAFTENDen Molekülen des Lebens auf der Spur<strong>Synchrotronstrahlung</strong> hat enorm zum Verständnis desLebens auf molekularer Ebene beigetragen. Diese Möglichkeitengilt es auszubauen.Im Laufe der letzten Jahrzehnte wurde die atomare Strukture<strong>in</strong>er Vielzahl großer Biomoleküle wie den Prote<strong>in</strong>en erstmalsentschlüsselt. In jüngster Zeit gelang es sogar, e<strong>in</strong>ige dergrößten bekannten Komplexe wie etwa das Ribosom und e<strong>in</strong>eReihe von besonders schwer kristallisierbaren Prote<strong>in</strong>en derZellmembran zu untersuchen. Da<strong>mit</strong> ist die Strukturbiologie zue<strong>in</strong>er zentralen <strong>Forschung</strong>srichtung <strong>in</strong> den Lebenswissenschaftengeworden – sowohl im Bereich der Grundlagenforschungals auch für wichtige Anwendungen der pharmazeutischen Industrieund Biotechnologie. Überdurchschnittlich viele Beiträgekommen dabei aus <strong>Deutschland</strong>.Diese rasante Entwicklung wäre ohne <strong>Synchrotronstrahlung</strong>nicht möglich gewesen. Die überwiegende Zahl von Strukturen– <strong>in</strong>sbesondere diejenigen von großen Prote<strong>in</strong>komplexenund Membranprote<strong>in</strong>en – wird <strong>in</strong>zwischen <strong>mit</strong> Hilfe der Beugungvon Röntgenstrahlung an kristall<strong>in</strong>en Strukturen aufgeklärt.Analytische Methoden wie die Kle<strong>in</strong>w<strong>in</strong>kelstreuung,spektroskopische Methoden und direkte Abbildungstechnikenprofitieren von der hohen Brillanz und der Strahlqualität derneuesten <strong>Synchrotronstrahlung</strong>squellen und nehmen stark anBedeutung zu.Derzeit stehen Experimente für lebenswissenschaftlicheAnwendungen im Wesentlichen bei der ESRF, bei BESSY II amHZB und bei der EMBL-Außenstelle bei DESY zur Verfügung.Vier neue Messstationen werden ab 2010/11 an PETRA III beiDESY nutzbar. Im Rahmen ihres Erweiterungsprogramms werdenan der ESRF bestehenden Messstationen deutlich verbessert.Bei FLASH <strong>in</strong> Hamburg laufen derzeit Machbarkeitsstudienfür die Entwicklung neuartiger Abbildungsmethoden an biologischenMaterialien.Für die Entwicklung der Lebenswissenschaften s<strong>in</strong>d folgendeGesichtspunkte von zentraler Bedeutung:Zukünftige <strong>Forschung</strong>splattformen müssen Zentren der Integrationwerden: Sie müssen sowohl das weite Spektrumstrukturbiologischer Methoden zusammenführen als auchderen Integrationen <strong>in</strong> andere Bereiche der Lebenswissenschaften(Zellbiologie, Systembiologie, Molekulargenetik, Biotechnologie)und mediz<strong>in</strong>ische Anwendungen (Tumorforschung,Infektionsbiologie, neurodegenarative Erkrankungen)unterstützen. Die Kle<strong>in</strong>w<strong>in</strong>kelstreuung hat als Methode –neben bildgebenden Verfahren wie der Elektronenmikroskopieund der hochauflösenden Fluoreszenzmikroskopie – besondersstark an Bedeutung gewonnen.E<strong>in</strong>e effiziente Nutzung des gesamten strukturbiologischenMethodenspektrums setzt e<strong>in</strong>e durchgehende Automatisierungder Messvorgänge und Datenprozessierung voraus und stellthöchste Anforderungen an das Datenmanagement.Da <strong>in</strong> vielen Fällen die zu untersuchenden Kristalle umsokle<strong>in</strong>er werden, je größer die zu erforschenden biologischenKomplexe s<strong>in</strong>d, müssen Messstationen, die Objekte im Mikrometerbereichuntersuchen können, höchste Priorität haben.Darüber h<strong>in</strong>aus s<strong>in</strong>d geeignete Infrastrukturmaßnahmen zurVorbereitung von Experimenten essentiell. In Grenoble wird diesemAspekt <strong>mit</strong> dem Projekt MASSIF bereits Rechnung getragen.In Hamburg bef<strong>in</strong>det sich e<strong>in</strong>e ähnliche E<strong>in</strong>richtung im Rahmendes Projektes „EMBL@PETRA-3“ im Aufbau.Um diese Messstationen ständig technisch und wissenschaftlichweiterzuentwickeln, müssen sie <strong>in</strong> führende lokale<strong>Forschung</strong>saktivitäten e<strong>in</strong>gebunden werden. Auf dem Geländeder ERSF geschieht dies durch das <strong>Forschung</strong>sumfeld des PSB(Partnership for Structural Biology). In Hamburg bestehen aufdem DESY-Gelände derzeit <strong>Forschung</strong>smodule seitens EMBL,MPG (bis 2011), GKSS und e<strong>in</strong>em Verbund der UniversitätenHamburg und Lübeck. E<strong>in</strong> <strong>Forschung</strong>szentrum für synchrotronbasierteSystembiologie <strong>mit</strong> Schwerpunkt Infektionsbiologie(Center for Structural Systems Biology, CSSB) ist derzeit <strong>in</strong>Planung und könnte im Falle e<strong>in</strong>er Realisierung Hamburg zue<strong>in</strong>em <strong>in</strong>ternational führenden <strong>Forschung</strong>szentrum <strong>in</strong> derStrukturbiologie machen. In Berl<strong>in</strong> s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>e Reihe von <strong>Forschung</strong>sorganisationenund -verbünden, die sich vor allem ausden Berl<strong>in</strong>er Universitäten rekrutieren, <strong>mit</strong> dem HZB BESSY IIassoziiert. Letztendlich müssen stimulierende Maßnahmen fürzukünftige <strong>Forschung</strong>sideen unterstützt werden, die zur Entwicklungvon neuartigen Experimenten im Bereich der Lebenswissenschaften<strong>mit</strong> den neuen FEL-Quellen führen können. Mitden bereits bestehenden und sich im Bau bef<strong>in</strong>dlichen Quellen(FLASH bei DESY bzw. European XFEL) existieren herausragendeMöglichkeiten, im Bereich der Lebenswissenschaften e<strong>in</strong>e weltweitführende Rolle zu übernehmen.16 <strong>Synchrotronstrahlung</strong> <strong>2009</strong>


Blicke <strong>in</strong> die Motoren des LebensUntersuchungen <strong>mit</strong> <strong>Synchrotronstrahlung</strong> ermöglichene<strong>in</strong>zigartige E<strong>in</strong>sichten <strong>in</strong> das komplexe Wechselspiel derKomponenten des Lebens – wie das der Muskeln.Unter dem Mikroskop gleicht e<strong>in</strong> Muskel Millionen w<strong>in</strong>ziger,<strong>in</strong> langen Reihen nebene<strong>in</strong>ander angeordneter Fäden. Diesensogenannten Sarkomeren verdanken wir Menschen unsere Bewegungsfähigkeit.Es handelt sich um hochkomplexe Strukturen,die an ihren Enden über breite Bänder aus dichtgepacktenMolekülen (Z-Scheiben) <strong>mit</strong>e<strong>in</strong>ander verbunden s<strong>in</strong>d. Seit vielenJahren wird der Aufbau und die Bildung dieser Strukturenuntersucht. Insbesondere der Vernetzung der Sarkomere <strong>in</strong> derZ-Scheibe kommt dabei e<strong>in</strong>e zentrale Bedeutung zu. Wie dieseVernetzungen genau aussehen, war bis jetzt weitgehend unbekannt.Die Forschergruppen um Matthias Wilmanns, Leiter derEMBL-Außenstelle bei DESY, und Mathias Gautel, e<strong>in</strong>em EMBL-Alumnus, der jetzt am Londoner K<strong>in</strong>g's College forscht, habennun gezeigt, dass Tit<strong>in</strong>, das größte menschliche Prote<strong>in</strong>, beteiligtund <strong>in</strong> der Z-Scheibe verankert ist. Von dort aus erstrecktsich Tit<strong>in</strong> <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er vollen Länge über das halbe Sarkomer. Die Arbeitenwurden <strong>in</strong> Nature veröffentlicht.Die jüngste Untersuchung gibt nach mehr als zehn Jahren<strong>Forschung</strong> e<strong>in</strong>e Antwort auf die Frage nach dem Ablauf des Zusammenbaus.Peijan Zou und Nikos P<strong>in</strong>otsis aus WilmannsLabor ist es gelungen, Teile des Tit<strong>in</strong>moleküls im Verbund <strong>mit</strong>e<strong>in</strong>em weiteren Prote<strong>in</strong> namens Telethon<strong>in</strong> zu kristallisieren. Ander EMBL-Außenstelle <strong>in</strong> Hamburg analysierten sie die Kristalle<strong>mit</strong> hochenergetischer Röntgenstrahlung. Auf der hochdetailliertenAufnahme der Verb<strong>in</strong>dungen zwischen den Prote<strong>in</strong>enentdeckten die Forscher, dass Telethon<strong>in</strong> die Enden von zwei Tit<strong>in</strong>fädenauf e<strong>in</strong>e Weise <strong>mit</strong>e<strong>in</strong>ander verb<strong>in</strong>det, die Anhaltspunkteüber den Aufbau von Sarkomeren geben kann.Mit Hilfe moderner Mikroskopiermethoden konnten dieForscher im Labor von Gautel beobachten, wie sich die Moleküle<strong>in</strong> der lebenden Zelle <strong>mit</strong>e<strong>in</strong>ander verb<strong>in</strong>den. Es war bekannt,dass Telethon<strong>in</strong> am Ende des Tit<strong>in</strong>-Moleküls als e<strong>in</strong>e Art „Kappe“fungiert, nicht jedoch wie es zwei e<strong>in</strong>zelne Prote<strong>in</strong>e zusammenbr<strong>in</strong>gt.Die neuen Untersuchungen haben gezeigt, dass Telethon<strong>in</strong>e<strong>in</strong>e Symmetrie aufweist, durch die es zwei ause<strong>in</strong>anderstrebendeTit<strong>in</strong>-Moleküle festzuhalten vermag. Das istetwas Neues. Zuvor wurden bereits andere e<strong>in</strong>zelne Prote<strong>in</strong>egefunden, die sich als „Pal<strong>in</strong>drome“ an DNA-Moleküle heftenkönnen – hier aber wurde erstmals beobachtet, dass Prote<strong>in</strong>eselbst auf diese Weise <strong>mit</strong>e<strong>in</strong>ander verbunden se<strong>in</strong> können.Aus den Sarkomeren zu beiden Seiten der Z-Scheibe dr<strong>in</strong>genandere Moleküle <strong>in</strong> das Verb<strong>in</strong>dungsband e<strong>in</strong> – nach Ansichtder Wissenschaftler könnte e<strong>in</strong> Teil dieser Verb<strong>in</strong>dungen durchausdem Muster von Tit<strong>in</strong> und Telethon<strong>in</strong> folgen. Beide Teamswerden nun nach neuen Beispielen dieser Art suchen.Mit dem Molekülkomplex <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er endgültigen Zusammensetzung,dem Thema ihrer <strong>Forschung</strong>sarbeiten, decken dieForscher allerd<strong>in</strong>gs lediglich e<strong>in</strong>en m<strong>in</strong>imalen Teil des Muskelprote<strong>in</strong>riesenTit<strong>in</strong> ab, das Zehntausende von Am<strong>in</strong>osäuren be<strong>in</strong>haltet.Vermutlich existieren Hunderte oder gar Tausendeweiterer Wechselwirkungen. Die Erforschung e<strong>in</strong>es der komplexestenSysteme im Körper des Menschen <strong>mit</strong> Hilfe der <strong>Synchrotronstrahlung</strong>hat so<strong>mit</strong> gerade erst begonnen. Diese Arbeitveranschaulicht <strong>in</strong> e<strong>in</strong>drucksvoller Weise, wie die moderne biomediz<strong>in</strong>ische<strong>Forschung</strong> Ansätze aus Zellbiologie, Biophysikund Strukturbiologie <strong>mit</strong>e<strong>in</strong>ander komb<strong>in</strong>iert. Zudem eröffnetsie neue Wege auf der Suche nach den Zusammenhängen zwischenKrankheiten und bekannten Mutationen im Muskelprote<strong>in</strong>Tit<strong>in</strong>.Abbildung:Strukturaufklärung durch<strong>Synchrotronstrahlung</strong>zeigt, dass es die symmetrischeForm des Prote<strong>in</strong>sTelethon<strong>in</strong> vermag, zweiause<strong>in</strong>anderstrebendeTit<strong>in</strong>-Moleküle im Muskelfestzuhalten.WissenschaftlicheVeröffentlichung:P. Zou, N. P<strong>in</strong>otsis,S. Lange, Y.-H. Song,A. Popov, I. Mavridis,O. M. Mayans,M. Gautel & M. Wilmanns:Pal<strong>in</strong>dromic assembly ofthe giant muscle prote<strong>in</strong>tit<strong>in</strong> <strong>in</strong> the sarcomericZ-disk. Nature, 2006 Jan12, 439(7073): 229-33<strong>Synchrotronstrahlung</strong> <strong>2009</strong> 17


KULTURWISSENSCHAFTENAltes <strong>in</strong> neuem Licht<strong>Synchrotronstrahlung</strong> ermöglicht zerstörungsfreie E<strong>in</strong>blicke<strong>in</strong> historische Objekte. Die multidiszipl<strong>in</strong>äre <strong>Forschung</strong>stellt dabei eigene Anforderungen an die Infrastrukturder Strahlungsquellen.Wer unsere heutige Kultur verstehen will, dem helfen vielfachE<strong>in</strong>sichten <strong>in</strong> die Bedeutung historischer Objekte. DetaillierteKenntnisse über die Entstehung von Kunstwerken oderden E<strong>in</strong>satz von Kult- oder Gebrauchsgegenständen ermöglichene<strong>in</strong> tieferes historisches Verständnis.Die e<strong>in</strong>zigartigen Möglichkeiten zur zerstörungsfreien Materialuntersuchung<strong>mit</strong> <strong>Synchrotronstrahlung</strong> haben dazu geführt,dass entsprechende Methoden verstärkt bei derUntersuchung historischer Objekte e<strong>in</strong>gesetzt werden. Die Untersuchungsobjektereichen dabei von Bildern antiker Meisterbis zu Teilen versunkener Schiffe, von Schriften des Archimedesbis zu Kultgegenständen wie der Himmelsscheibe von Nebra(siehe rechte Seite) sowie von den Qumran-Rollen bis zum Berl<strong>in</strong>erGoldhut. In der Regel stehen dabei Fragen der Entstehung,der Herkunft, der Echtheit und Aspekte der Konservierung imVordergrund.Die zerstörungsfreie und räumlich aufgelöste Untersuchungder chemischen Zusammensetzung <strong>mit</strong>tels Röntgenfluoreszenzanalyseist dabei e<strong>in</strong>e der gebräuchlichstenTechniken. Bei dieser Methode wird das Phänomen der Fluoreszenzausgenutzt, bei dem bestimmte Stoffe Licht niedrigerEnergie abgeben, wenn sie <strong>mit</strong> Licht höherer Energie beschienenwerden.Aufgrund der Prom<strong>in</strong>enz der untersuchten Objekte und derRelevanz der <strong>Forschung</strong>sergebnisse für unser Weltbild ist dieÖffentlichkeitswirkung dieser Aktivitäten sehr groß. Oft werdendie Resultate dieser <strong>Forschung</strong> <strong>mit</strong> <strong>Synchrotronstrahlung</strong> <strong>in</strong> denMassenmedien verbreitet. Es ergibt sich daher e<strong>in</strong>e willkommeneMöglichkeit, die Arbeit von und <strong>mit</strong> <strong>Synchrotronstrahlung</strong>squellene<strong>in</strong>er breiten Öffentlichkeit darzustellen.Die Nutzer <strong>in</strong> diesem Bereich kommen <strong>in</strong> der Regel nichtaus dem angestammten Kreis der <strong>Synchrotronstrahlung</strong>sgeme<strong>in</strong>schaft,sondern s<strong>in</strong>d multidiszipl<strong>in</strong>äre Gruppen, die sichbeispielsweise aus Archäologen, Historikern, Konservatoren undNaturwissenschaftlern zusammensetzen. Die Gesamtzahl derNutzer ist noch vergleichsweise kle<strong>in</strong>, steigt aber <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong>zusammen <strong>mit</strong> der weltweiten Entwicklung kont<strong>in</strong>uierlich.E<strong>in</strong>e signifikante Ausweitung dieser Aktivitäten erfordert <strong>in</strong> ersterL<strong>in</strong>ie die Bereitstellung geeigneter Laborumgebungen fürdie ungewöhnlichen Proben. Die Erfordernisse s<strong>in</strong>d so verschiedenwie die Untersuchungsobjekte. Beispiele s<strong>in</strong>d klimatisierteProbenhütten oder Tresore für die Zwischenlagerung deroft sehr wertvollen Objekte. Zusätzlich ist wesentlich, dass die<strong>Synchrotronstrahlung</strong>squellen Ansprechpartner bereitstellen,welche die Untersuchungsmöglichkeiten aufzeigen und imE<strong>in</strong>zelfall sogar angepasste Lösungen für Experimente schaffenkönnen.Trotz der Vielfältigkeit des Feldes gibt es übergreifendeTrends für technische Verbesserungen. Diese zielen auf dieEmpf<strong>in</strong>dlichkeit der Analysemethoden bei gleichzeitiger Verr<strong>in</strong>gerungder Strahlendosis, um die Objekte nicht zu beschädigen.In diesen Bereich fällt die Entwicklung und Nutzung effizientererDetektoren und schnellerer Messsysteme. Weiterh<strong>in</strong> ist esfür viele Nutzer wesentlich, e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>heitliches Koord<strong>in</strong>atensystemfür die Kopplung verschiedener Untersuchungsmethoden anderselben Probe etablieren zu können. Die Fähigkeit e<strong>in</strong>er externen,mikrometergenauen lichtmikroskopischen Orientierungder Probe und die Möglichkeit, diese Koord<strong>in</strong>aten für ortsaufgelösteMessungen <strong>in</strong> alle beteiligten <strong>Synchrotronstrahlung</strong>s-Messstationen zu übernehmen, würde zu e<strong>in</strong>er substantiellenVerbesserung der Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen führen. Gegenüber diesenpotentiellen Verbesserungen ist die gegenwärtige Weiterentwicklungder <strong>Synchrotronstrahlung</strong>squellen zu höhererBrillanz sekundär.Die <strong>in</strong> den Kultur- und Geisteswissenschaften ebenso wie<strong>in</strong> den Naturwissenschaften e<strong>in</strong>gebettete Archäometrie bildetderzeit e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>es, aber aufstrebendes Anwendungsgebiet der<strong>Synchrotronstrahlung</strong>, das von den überragenden spektroskopischenund mikroskopischen Untersuchungsmethoden <strong>in</strong>Komb<strong>in</strong>ation <strong>mit</strong> der Zerstörungsfreiheit der Methoden lebt. DieAktivitäten an deutschen <strong>Synchrotronstrahlung</strong>squellen sowiean der ESRF s<strong>in</strong>d auf höchstem <strong>in</strong>ternationalem Niveau, wiezahlreiche Arbeiten <strong>in</strong>sbesondere an BESSY II <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> (sieheSeite 38), DORIS III <strong>in</strong> Hamburg (siehe Seite 40) sowie der ESRF<strong>in</strong> Grenoble (siehe Seite 48) belegen. Insbesondere über die Verbesserungder oben genannten weichen Faktoren im Umfeldder Infrastruktur der Strahlungsquellen werden sich diese Aktivitäten<strong>in</strong> Zukunft ausweiten lassen.18 <strong>Synchrotronstrahlung</strong> <strong>2009</strong>


Die Himmelsscheibe von NebraE<strong>in</strong>e zerstörungsfreie Analyse e<strong>in</strong>es nahezu viertausendJahre alten Kultobjektes bietet wichtige E<strong>in</strong>blicke <strong>in</strong> denHerstellungsprozess.Die Himmelsscheibe von Nebra stellt e<strong>in</strong>en der bedeutendstenarchäologischen Funde der letzten hundert Jahre dar. Eshandelt sich dabei um die älteste bekannte Abbildung desnächtlichen Sternenhimmels. Die esstellergroße Bronzescheibeist gut zwei Kilogramm schwer und hat e<strong>in</strong>en Durchmesser vonetwa 32 Zentimetern. Auf ihr wurden 37 Goldbleche <strong>mit</strong> e<strong>in</strong>erDicke von etwa 0,4 Zentimetern e<strong>in</strong>gelassen.Im Jahr 1999 stießen Raubgräber bei illegalen Ausgrabungen<strong>in</strong> der Nähe der Stadt Nebra <strong>in</strong> Sachsen-Anhalt auf dieHimmelsscheibe. Seit 2002 gehört sie zum Bestand des Landesmuseumsfür Vorgeschichte Sachsen-Anhalt <strong>in</strong> Halle (Saale).Dargestellt s<strong>in</strong>d Sterne, von denen sieben den Plejaden entsprechen– e<strong>in</strong>er Sterngruppe, die <strong>in</strong> vielen Kulturen zu kalendarischenZwecken gebraucht wurde. Zudem bef<strong>in</strong>den sich zweigroße Himmelskörper auf der Scheibe, die entweder die Sonneund den Mond oder den Vollmond und den zunehmendenMond darstellen. Ferner waren auf der Bronzeplatte drei goldeneBleche aufgebracht. Zwei davon stellten vermutlich denHorizont dar (von denen nur noch e<strong>in</strong>es erhalten ist), das drittewird als Boot <strong>in</strong>terpretiert.Die Scheibe wurde zusammen <strong>mit</strong> anderen Objekten gefunden(zwei Bronzeschwertern, zwei Beilen, e<strong>in</strong>em Meißelsowie Armspiralen). Diese Fundstücke können Archäologen <strong>mit</strong>großer Sicherheit auf 1600 vor Christus datieren. Da<strong>mit</strong> ist dieHimmelsscheibe von Nebra die erste bekannte Darstellung exaktbeobachteter Gestirne <strong>in</strong> Europa.Mittels e<strong>in</strong>er synchrotronstrahlungsbasierten Röntgenfluoreszenzanalysebei BESSY II am heutigen Helmholtz-ZentrumBerl<strong>in</strong> für Materialien und Energie haben Ernst Pernickaund Christian-He<strong>in</strong>rich Wunderlich zusammen <strong>mit</strong> Mart<strong>in</strong>Radtke und He<strong>in</strong>rich Riesemeier die chemische Zusammensetzungder Goldbleche untersucht. Der entscheidende Vorteil gegenüberder klassischen Röntgenfluoreszenzanalyse bestanddabei dar<strong>in</strong>, dass man nicht nur nachweisempf<strong>in</strong>dlicher, sondernauch ortsauflösend und zerstörungsfrei arbeiten kann. Soließen sich am Objekt millimeterkle<strong>in</strong>e Bereiche ohne Probennahmeanalysieren. Andere Verfahren wie etwa die Elektronenrastermikroskopieschieden aufgrund der Größe des Objektesaus.Bei der Analyse wurden drei verschiedene Goldblechsortenauf der Scheibe ausgemacht: So unterscheidet sich der Silbergehaltdes Bootes von den anderen Goldblechen erheblich.Zudem entsprechen sich der verbliebene Horizont und e<strong>in</strong>er derSterne im Z<strong>in</strong>ngehalt.Es ist also anzunehmen, dass die Himmelsscheibe <strong>in</strong> verschiedenenPhasen erschaffen wurde. Die Horizonte wurdenbeispielsweise erst nachträglich angebracht, wobei Sterne verdecktbeziehungsweise versetzt wurden. Erst danach kam dasBoot h<strong>in</strong>zu. Daraus lassen sich Vermutungen über die Funktionsänderungder Scheibe im Laufe von mehreren Generationenableiten.Aus der chemischen Zusammensetzung lässt sich e<strong>in</strong>e Herkunftdes Goldes aus dem heute rumänischen Siebenbürgenvermuten. Das Kupfer stammt wohl aus Österreich, die Herstellungskundeaus Griechenland. Die Himmelsscheibe von Nebraist da<strong>mit</strong> e<strong>in</strong> frühes europäisches Projekt, dem <strong>Synchrotronstrahlung</strong>zum<strong>in</strong>dest e<strong>in</strong>ige se<strong>in</strong>er Geheimnisse entlockenkonnte.Abbildungen:Mit Hilfe von <strong>Synchrotronstrahlung</strong>ließen sichdie unterschiedlichenKonzentrationen vonSilber und Kupfer <strong>in</strong> dene<strong>in</strong>zelnen Goldblechenauf der Himmelsscheibevon Nebra (unten)zerstörungsfrei er<strong>mit</strong>teln.WissenschaftlicheVeröffentlichung:E. Pernicka,C.-H. Wunderlich:NaturwissenschaftlicheUntersuchungen an denFunden von Nebra.Archäologie <strong>in</strong> Sachsen-Anhalt (2002) Nr.1:17-22<strong>Synchrotronstrahlung</strong> <strong>2009</strong> 19


UMWELTWISSENSCHAFTENSpürnasen für die Umwelt<strong>Synchrotronstrahlung</strong> liefert wichtige Analysemethodenzur Untersuchung der Umwelt.E<strong>in</strong>e der großen Herausforderungen unserer Zeit besteht <strong>in</strong>der Erhaltung der Lebensbed<strong>in</strong>gungen auf unserem Planeten.Das Vordr<strong>in</strong>gen der Menschheit <strong>in</strong> nahezu jeden Bereich derBiosphäre sowie die tiefgreifenden Veränderungen unserer Umweltdurch technologische Prozesse erfordern e<strong>in</strong> umfassendesVerständnis komplexer Wechselwirkungen – <strong>in</strong> allen und zwischenallen Teilen unserer Umwelt. So verändert sich etwadurch die Produktion und anschließende Verteilung von natürlichnicht vorkommenden Materialien die Bioverfügbarkeit vielerStoffe. Neue Technologien wie die Nanotechnologieermöglichen die Kontrolle, aber auch die Verbreitung stetigkle<strong>in</strong>er werdender Objekte. Dem Nachweis dieser Materialienund Stoffe <strong>in</strong> der Biosphäre sowie der durch sie ausgelöstenProzesse kommt daher überragende Bedeutung zu.Analysemethoden <strong>mit</strong>tels <strong>Synchrotronstrahlung</strong> bietendurch ihre e<strong>in</strong>malige Komb<strong>in</strong>ation von Eigenschaften wie Multielementsensitivitätund hohe räumliche Auflösung e<strong>in</strong> universellesWerkzeug zur zerstörungsfreien Untersuchung von<strong>in</strong>dustriell oder natürlich erzeugten Materialen. Die zu untersuchendenMaterialien reichen dabei von nanoskaligen Objektenwie Partikeln aus extraterrestrischen Quellen und derBiosphäre (Aerosole, Bodenpartikel) bis zu tief vergrabenenMaterialien (E<strong>in</strong>schlüsse). Neben den klassischen anthropogenenQuellen (Bergbau, Nukleartechnologie) treten zunehmendneue Quellen etwa durch die rasch fortschreitende Entwicklungder Nanotechnologie <strong>in</strong> den Vordergrund.E<strong>in</strong> Bestandteil vieler Fragestellungen ist der elementspezifischeNachweis von Spurenelementen – wie beispielsweise <strong>in</strong>der Klima- und Paläoklimaforschung, der Geomikrobiologie,oder der Mediz<strong>in</strong> (Biom<strong>in</strong>eralisation). Wesentliche Aspekte s<strong>in</strong>ddabei die Bioverfügbarkeit und Langzeitstabilität, <strong>in</strong>sbesonderevon toxischen oder radioaktiven Materialen aus natürlichen und<strong>in</strong>dustriellen Quellen (siehe nebenstehendes <strong>Forschung</strong>sbeispiel).Dies erfordert den E<strong>in</strong>satz hochentwickelter analytischerVerfahren, die es erlauben, unterschiedliche Materialeigenschaftenvon der atomaren Ebene bis h<strong>in</strong> zu Teilchenagglomeratenzu erfassen.Im Bereich der Umweltwissenschaften kommt daher dieganze Bandbreite von <strong>Synchrotronstrahlung</strong>stechniken wieetwa den klassischen Methoden der Absorptions- und Fluoreszenzspektroskopie,der Spektromikroskopie, der Röntgenbeugungzur Phasenanalyse und Strukturbestimmung sowieabbildenden und tomographischen Verfahren zum E<strong>in</strong>satz.Spezialisierte Messplätze für die Anwendung von <strong>Synchrotronstrahlung</strong><strong>in</strong> den Umweltwissenschaften s<strong>in</strong>d an allen Quellenverfügbar (ANKA, BESSY II, DORIS III, ESRF, PETRA III) wieetwa die Messplätze zur Untersuchung radioaktiver Proben, INEbei ANKA und ROBL an der ESRF.Fragestellungen aus dem Bereich der Umweltwissenschaftenprofitieren un<strong>mit</strong>telbar von Verbesserungen verfügbarersynchrotronbasierter Charakterisierungstechniken. So lassenWeiterentwicklungen <strong>in</strong> der Strahlführung (Mikro- und Nanostrahlen,Energieauflösung) und Detektion (Multielementdetektoren,schnelle Flächendetektoren) e<strong>in</strong>e deutliche Verschiebungder Nachweisgrenzen bei höherer räumlicher Auflösungerwarten. Häufig ist der E<strong>in</strong>satz weiterer Methoden erforderlichund legt daher den gezielten Ausbau von<strong>Synchrotronstrahlung</strong>squellen <strong>mit</strong> <strong>in</strong>tegrierten Laboratoriennahe, die e<strong>in</strong>e kontam<strong>in</strong>ationsfreie, umfassende Untersuchungkle<strong>in</strong>ster Probenmengen erlauben.Die Umweltwissenschaften stellen e<strong>in</strong>en rasch wachsendenBereich der Nutzung von <strong>Synchrotronstrahlung</strong>squellendar, der zum Teil von Nutzern ohne spezifische Kenntnisse <strong>in</strong>Instrumentierung und Betrieb von Messplätzen getragen wird.Der adäquaten Betreuung der Nutzer <strong>in</strong> diesem Bereich kommtdaher große Bedeutung zu.20 <strong>Synchrotronstrahlung</strong> <strong>2009</strong>


Abbildung 1:Lichtmikroskopische Aufnahmee<strong>in</strong>es Bohrkernausschnittesaus e<strong>in</strong>ernatürlichen uranhaltigenAbbildung 1Lagerstätte (Mitte, Ausschnitt710 µm x 120 µm).Analyse radioaktiver SedimenteVerfahren zum Nachweis radioaktiver Elemente <strong>in</strong> der natürlichenUmwelt spielen e<strong>in</strong>e zentrale Rolle <strong>in</strong> den Umweltwissenschaften.Dies ist <strong>in</strong>sbesondere bei gesundheitlich kritischen Elementen,die aus natürlichen Uranlagerstätten oder nuklearen Endlagernentweichen können, der Fall.Um etwa die genaue Zusammensetzung natürlicher uranreicherSedimente zu untersuchen, nutzte e<strong>in</strong> Team um MelissaA. Dennecke die <strong>Synchrotronstrahlung</strong>squelle DORIS III <strong>in</strong> Hamburg.In e<strong>in</strong>er Studie wurden <strong>mit</strong> Hilfe von mikrofokussierterRöntgenstrahlung hochauflösende Fluoreszenz-, Absorptionsspektroskopie-und Beugungsmessungen an Bohrkernen <strong>mit</strong>aktivem Material durchgeführt, welches aus der Nähe e<strong>in</strong>erUranlagerstätte <strong>in</strong> der tschechischen Republik stammt.Da<strong>mit</strong> ließ sich die Verteilung verschiedener Elemente(Eisen, Arsen, Uran), die Bestimmung der Valenzzustände derElemente bzw. e<strong>in</strong>e ortsaufgelöste, röntgenographische Bestimmungm<strong>in</strong>eralischer Phasen (Pyrit, Siderit, Arsenopyrit) <strong>in</strong>den Proben vornehmen. Studien von solchen sogenannten natürlichenAnaloga zu möglichen nuklearen Endlagern haben dasZiel, die Mechanismen für die Immobilisierung von Uran <strong>in</strong> Sedimentenzu identifizieren und zu charakterisieren. Langfristigsollen da<strong>mit</strong> zuverlässige Langzeitsicherheitsanalysen und dieEntwicklung <strong>in</strong>telligenter, mehrstufiger E<strong>in</strong>schlussverfahren zurEntsorgung nuklearen Abfalls ermöglicht werden.Aus den Ergebnissen dieses spezifischen Beispiels ist es gelungen,e<strong>in</strong>en der vorherrschenden Immobilisierungsprozessedes Urans zu identifizieren, das chemische Milieu bei der Entstehungdes Sediments abzuschätzen, und e<strong>in</strong>e thermodynamischeBeschreibung des Prozesses zu erstellen.Das Uran, das durch Witterungsprozesse aus nahe liegendenGranitformationen aufgelöst wurde, wird als sogenanntemobile hexavalente U(VI)-Spezies im Grundwasser transportiert.Das mobile U(VI) wurde am M<strong>in</strong>eral Arsenopyrit <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em tieferliegenden anoxischen Horizont reduziert, wobei schwerlöslichestetravalentes U(IV) ausfiel und As(V) entstand.Abbildung 2+3:Aus den ortsaufgelöstenµ-Fluoreszenz- undµ-Diffraktionsmessungenlassen sich die Verteilungvon Elementen(Abbildung 2) undm<strong>in</strong>eralischen Phasen(Abbildung 3)rekonstruieren.WissenschaftlicheVeröffentlichungen:M. A. Denecke et al.,Environmental Science &Technology. 39, 2049(2005);M. A. Denecke et al.,Abbildung 2 Abbildung 3Spectrochimica Acta PartB 63, 484 (2008).<strong>Synchrotronstrahlung</strong> <strong>2009</strong> 21


GEOWISSENSCHAFTENE<strong>in</strong>blicke <strong>in</strong>s Erd<strong>in</strong>nereDas Erd<strong>in</strong>nere entzieht sich der direkten Beobachtung.<strong>Synchrotronstrahlung</strong> ermöglicht jedoch <strong>in</strong>direkte E<strong>in</strong>sichten.Die e<strong>in</strong>zigartigen Eigenschaften der <strong>Synchrotronstrahlung</strong>erlauben die Anwendung e<strong>in</strong>er Vielzahl analytischer Techniken.Mit ihnen lassen sich wichtige Informationen über die Naturvon M<strong>in</strong>eralien und anderen Erdmaterialien gew<strong>in</strong>nen, darunterderen kristall<strong>in</strong>e Struktur, chemische Zusammensetzung, dieOberflächen- und Grenzflächenstruktur, die elektronischeStruktur sowie Elastizität und Porosität.Erdmaterialien s<strong>in</strong>d oftmals heterogen zusammengesetztund Röntgen-Mikrostrahlen, <strong>mit</strong> Auflösungen von bis zu 100Nanometern, können dabei helfen, diese Komplexität zu entschlüsseln.Zudem bietet die große Durchdr<strong>in</strong>gung von <strong>in</strong>sbesonderehochenergetischer Röntgenstrahlung den Vorteil,Proben unter nahezu natürlichen Bed<strong>in</strong>gungen zu untersuchen,zum Beispiel bei Drücken und Temperaturen, wie sie im Erdkernoder Erdmantel vorliegen.Die simultane Anwendung mehrerer Methoden ermöglichtes beispielsweise, die Verteilung von Elementen und deren M<strong>in</strong>eralogiean ausgewählten Stellen des Geste<strong>in</strong>s <strong>mit</strong> e<strong>in</strong>er Genauigkeitvon besser als e<strong>in</strong>em Atom <strong>in</strong> Millionen von anderenzu bestimmen.Die Komb<strong>in</strong>ation von Absorptions- und Fluoreszenztechnikenist besonders hilfreich bei geochemischen Untersuchungenetwa der Bildung von Metall- und Hydroe<strong>in</strong>schlüssen sowieder Prozesse <strong>in</strong> Magmakammern. E<strong>in</strong> gutes Beispiel für dieLösung geochemischer Probleme bei niedrigen Temperaturenliefert hier die erfolgreiche Er<strong>mit</strong>tlung der Verteilung von Chrom<strong>in</strong> natürlichen Proben und der Verunre<strong>in</strong>igung des Erdbodens<strong>mit</strong> gefährlichen chemischen Verb<strong>in</strong>dungen <strong>mit</strong> Nickel, Cobalt,Z<strong>in</strong>k, Cäsium oder Plutonium.Röntgen-Mikrotomographie-Aufnahmen ermöglichen es,die Verteilung von Verunre<strong>in</strong>igungen <strong>in</strong> m<strong>in</strong>eralisierten Pflanzenzu bestimmen, M<strong>in</strong>eraliene<strong>in</strong>schlüsse <strong>in</strong> aus dem Erd<strong>in</strong>nerenkommenden Diamanten zu orten, die Belastungen von Böden<strong>mit</strong> Öl und Wasser zu visualisieren und die Formen von Dampfblasen<strong>in</strong> Schmelzen zu beobachten. Besonders attraktiv an derMikrotomographie ist dabei, dass ke<strong>in</strong>e Probenpräparation vorgenommenwerden muss und nahezu jedes Objekt untersuchtwerden kann – darunter die Zähne von Neandertalern, D<strong>in</strong>osaurierembryosund 100 Millionen Jahre alte Fossilien, die <strong>in</strong>undurchsichtigem Bernste<strong>in</strong> e<strong>in</strong>geschlossen s<strong>in</strong>d.Die zentrale wissenschaftliche Idee h<strong>in</strong>ter der M<strong>in</strong>eralphysikbesteht dar<strong>in</strong>, dass wir durch e<strong>in</strong> besseres Verständnis derBestandteile der Erde wichtige Informationen über unseren Planetengew<strong>in</strong>nen können. Die Geophysik etwa untersucht derzeitdie Größe und räumliche Veränderung der Schallgeschw<strong>in</strong>digkeit,der elektrischen Leitfähigkeit und der Magnetisierung imErdmantel. Die ausgemachten Variationen spiegeln die Prozesseim Erd<strong>in</strong>neren wider und s<strong>in</strong>d <strong>mit</strong> dem Ursprung der Plattenverschiebung,<strong>mit</strong> Erdbeben und Vulkanen verknüpft. OhneKenntnis der physikalischen Eigenschaften der Materialien, ausdenen die Erde besteht, können Geowissenschaftler die geophysikalischenund geochemischen Beobachtungen jedochnicht richtig deuten. Wesentlich s<strong>in</strong>d hier die Temperatur, derFluss von Materie und Wärme sowie Phasenübergänge. DieEigenschaften von M<strong>in</strong>eralien werden dazu <strong>mit</strong> den verschiedenenexperimentellen und theoretischen Methoden bei immerhöheren Drücken und Temperaturen untersucht. Nur so kannden extremen Bed<strong>in</strong>gungen im Erd<strong>in</strong>neren Rechnung getragenwerden.Hochenergetische <strong>Synchrotronstrahlung</strong> ermöglicht Experimente<strong>in</strong> Apparaturen zur Erzeugung hoher Drücke wieGroßvolumenpressen und Diamant-Stempel-Zellen <strong>mit</strong>telsRöntgenbeugung, <strong>in</strong>elastischer Röntgenstreuung sowie Kernresonanzstreuung.Zusätzlich können die Proben auf hohe Temperaturenerhitzt werden. Proben von wenigen Nanogramm(Pulver oder e<strong>in</strong>zelne Kristalle) lassen sich auf diese Weise aufüber 200 Gigapascal und <strong>mit</strong>tels Laserbestrahlung auf mehreretausend Grad Celsius br<strong>in</strong>gen – dies s<strong>in</strong>d die Bed<strong>in</strong>gungen, wiesie im äußeren Erdmantel herrschen (siehe <strong>Forschung</strong>sbeispielauf der rechten Seite). Die Ergebnisse dieser Experimenteliefern wesentliche Informationen über die tiefsten Regionenunseres Planeten.22 <strong>Synchrotronstrahlung</strong> <strong>2009</strong>


Unerwartete Sp<strong>in</strong>s im Erd<strong>in</strong>nerenStudien <strong>mit</strong> <strong>Synchrotronstrahlung</strong> bei hohem Druck undhohen Temperaturen haben e<strong>in</strong>e unerwartete Änderungder Elektronenstruktur bei zweiwertigem Eisen im Innerender Erde ans Tageslicht gebracht.Das Innere der Erde ist größtenteils unzugänglich für direkteUntersuchungen. Will man hier Modelle erstellen, so istman <strong>in</strong> der Regel auf <strong>in</strong>direkte geophysikalische Daten wie dievon Erdbeben sowie Messungen im Labor angewiesen. SolcheModelle können nicht nur erklären, wie sich etwa die Temperaturund der Druck <strong>mit</strong> der Tiefe ändert, sondern auch, wie sichMateriebewegungen im Tiefen der Erde auf Prozesse an derOberfläche wie die Plattentektonik oder die Atmosphärenchemieauswirken.Das <strong>in</strong> der Erde am häufigsten auftretende M<strong>in</strong>eral, e<strong>in</strong> magnesium-und eisenhaltiges Silikat <strong>mit</strong> e<strong>in</strong>er Perowskit-Struktur,ist Gegenstand vieler Laboruntersuchungen. Da Studien <strong>in</strong> Gegenwartdes Eisens schwieriger durchzuführen s<strong>in</strong>d, werden oftnur die re<strong>in</strong>en Magnesiumsilikate untersucht.Eisen gehört jedoch zu den sogenannten Übergangselementen,die ihre Elektronenstruktur ändern können und dieserUmstand kann Auswirkungen auf die Eigenschaften des Erd<strong>in</strong>nerenhaben. Zweiwertiges Eisen kommt beispielsweise <strong>in</strong> dreiverschiedenen Sp<strong>in</strong>zuständen vor. E<strong>in</strong> hoher Sp<strong>in</strong> liegt vor,wenn es vier ungepaarte Elektronen gibt, e<strong>in</strong> <strong>mit</strong>tlerer Sp<strong>in</strong> beizwei ungepaarten Elektronen und e<strong>in</strong> niedriger Sp<strong>in</strong>, wenn ke<strong>in</strong>esder äußeren Elektronen gepaart ist.Übergänge zwischen diesen Zuständen im Erd<strong>in</strong>neren wurdenvor nahezu 50 Jahren vorhergesagt, aber erst <strong>in</strong> den letztenJahren wurden sie bei Bed<strong>in</strong>gungen, wie sie im unterenErdmantel herrschen, experimentell direkt beobachtet.Untersuchungen <strong>mit</strong> <strong>Synchrotronstrahlung</strong> im Jahr 2003zeigten, dass die zweithäufigste Phase im unteren Erdmantel(Mg,Fe)O, e<strong>in</strong> Magnesium- und Eisenoxid, e<strong>in</strong>en Übergang vomhohen zum niedrigen Sp<strong>in</strong>zustand unterläuft. Aber die Sp<strong>in</strong>zuständevon zweiwertigem Eisen im Perowskit im unteren Erdmantelwaren immer noch ungeklärt.Im Jahre 2008 nahmen sich Forscher der Universität Bayreuth<strong>in</strong> Zusammenarbeit <strong>mit</strong> Kollegen der ERSF dieses Problemsan und entdeckten klare H<strong>in</strong>weise auf e<strong>in</strong>en Übergangdes Sp<strong>in</strong>zustandes. Die Forscher untersuchten das M<strong>in</strong>eral beihohem Druck und hoher Temperatur <strong>mit</strong> Hilfe e<strong>in</strong>er Diamant-Stempel-Zelle und e<strong>in</strong>er M<strong>in</strong>iatur-Heizapparatur unter E<strong>in</strong>satzvon <strong>Synchrotronstrahlung</strong>. Sie machten die überraschende Entdeckung,dass der <strong>mit</strong>tlere Sp<strong>in</strong>zustand <strong>in</strong> großen Bereichen desunteren Erdmantels stabil ist.Diese überraschende Stabilität steht wahrsche<strong>in</strong>lich <strong>mit</strong> derungewöhnlichen Umgebung des Eisenatoms im unteren Erdmantel<strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung. Mit Hilfe von Computersimulationen unddes E<strong>in</strong>satzes konventioneller Methoden lässt sich dieses Verhaltenbisher nicht reproduzieren. Um die Natur zufriedenstellendzu beschreiben, müssen also komplexere Modelleherangezogen werden.Die neuen Erkenntnisse wirken sich dabei auch auf die Annahmenaus, auf denen Modelle der Erde beruhen. Denn dieSp<strong>in</strong>zustände können auch die elektrische und die Wärme-Leitfähigkeitbestimmen. Sie haben da<strong>mit</strong> E<strong>in</strong>fluss auf den Wärmetransport<strong>in</strong> der Erde und da<strong>mit</strong> darauf, wie sich etwaSuperplume formen, wie Konvektion im Erdmantel erfolgt undwie das Magnetfeld und Wärme aus dem Erd<strong>in</strong>neren an dieOberfläche des Planeten gelangen.Abbildung:Querschnitt des unterenErdmantels. Der Übergangvon gelb nach grün zeigtden Wechsel der Häufigkeitvon zweiwertigemEisen vom hohen zum<strong>mit</strong>tleren Sp<strong>in</strong>zustand.Temperaturänderungenim oberen Bereich desunteren Erdmantels,aufgrund von Materiebewegungen,s<strong>in</strong>d für dieVerteilung der beidenSp<strong>in</strong>zustände verantwortlich.WissenschaftlicheVeröffentlichung:C. McCammon, I. Kantor,O. Naryg<strong>in</strong>a, J. Rouquette,U. Ponkratz, I. Sergueev,M. Mezouar, V. Prakapenka,L. Dubrov<strong>in</strong>sky:Stable <strong>in</strong>termediate-sp<strong>in</strong>ferrous iron <strong>in</strong> lowermantle perovskite. NatureGeoscience 1 (2008) 684<strong>Synchrotronstrahlung</strong> <strong>2009</strong> 23


STRUKTUR UND EIGENSCHAFTEN DER KONDENSIERTEN MATERIEFestkörper und weiche Materie ergründenDie Festkörperphysik profitiert <strong>in</strong> ihrer Vielfalt besondersvon den zahlreichen Untersuchungsmöglichkeiten, die<strong>Synchrotronstrahlung</strong>squellen zur Verfügung stellen.Die Festkörperphysik <strong>mit</strong> ihrer extremen Vielseitigkeit istder Wegbereiter für nahezu alle bisherigen und zukünftigentechnologischen Innovationen – angefangen von der Halbleitertechnologie,der Photovoltaik bis h<strong>in</strong> zur Informationstechnologie.Die Festkörperforschung analysiert und modelliertdabei die strukturellen, dynamischen, optischen und magnetischenEigenschaften sowie Transportaspekte von geordnetenund ungeordneten Materialien auf verschiedenen Längenskalen.Dabei kommt der Festkörpertheorie e<strong>in</strong>e herausragende Rollezu: Sie erklärt fundamentale Zustände und Phasenübergänge,leitet optische, elektrische und magnetische Eigenschaften abund besitzt durch Simulation der Elektronendichte e<strong>in</strong>e hoheVorhersagekraft für physikalische Parameter.Da auch die weiche Materie <strong>in</strong> Form von Polymeren, Mizellenund Kolloiden sowie organische Materialien und Flüssigkeiten<strong>in</strong> zunehmendem Maße <strong>in</strong> den Fokus der Festkörperforschungrücken, charakterisiert die Bezeichnung „<strong>Forschung</strong>der kondensierten Materie“ zutreffender die derzeitigenund zukünftigen Aktivitäten dieses <strong>Forschung</strong>sbereiches als dieältere Bezeichnung „Festkörperforschung“.Trotz der Vielfalt der untersuchten Materialien und ihrer Eigenschaftenkönnen <strong>in</strong> der heutigen <strong>Forschung</strong> drei Hauptrichtungenunterschieden werden:• e<strong>in</strong> vertieftes und fundamentales Verständnis von physikalischenEigenschaften bekannter Materialien,• die Komb<strong>in</strong>ation bekannter Materialien zur Erzeugungneuer bahnbrechender Eigenschaften,• die Entwicklung neuer Materialien <strong>mit</strong> maßgeschneidertenEigenschaften wie photonische Kristalle, Shape-memory-Legierungen, <strong>in</strong>klusive der Strukturierung durch Top-downoderBottom-up-Verfahren.Die Festkörperforschung benötigt grundsätzlich die gesamtePalette physikalischer Messmethoden, um die vielfältigenFacetten von geordneten oder ungeordneten Materialenauf Längenskalen bestimmen zu können, die vom Makroskopischenzum Nanoskopischen reichen. Bei dieser Analyse spieltdie <strong>Synchrotronstrahlung</strong> e<strong>in</strong>e entscheidende Rolle, da siee<strong>in</strong>e besonders große Vielfalt analytischer Methoden zurVerfügung stellt. Zur Strukturbestimmung stehen Beugungsmethoden(XRD, XRR, SAXS, Stand<strong>in</strong>g waves), spektroskopischenMethoden (EXAFS) und mikroskopische Methoden (XTM,XPEEM, Holographie) zur Verfügung.Die Elektronenverteilung von Festkörpern sowie Korrelationseffektezwischen Elektronen können über zahlreiche spektroskopischeMethoden bestimmt werden, die vom fernenInfrarot bis zur harten Röntgenstrahlung reichen (THz-Spektroskopie,ARPES, Auger, nukleare Resonanz, etc.). Für magnetischeUntersuchungen ist die Palette der Methoden besondersgroß und umfasst sowohl magnetisch-sensitive resonanteStreumethoden (XRMS) als auch spektroskopische Methoden,<strong>mit</strong> deren Hilfe die Sp<strong>in</strong>- und Orbital-Komponenten derMagnetisierung quantitativ bestimmbar s<strong>in</strong>d (XMCD). Allediese Methoden können <strong>mit</strong> komplexen Probenumgebungenwie hohen Magnetfeldern, hohen Drücken und tiefen Temperaturenkomb<strong>in</strong>iert werden.Viele Untersuchungsmethoden erfordern e<strong>in</strong>e Präparationvon Proben im Ultrahochvakuum (<strong>in</strong>-situ). Darüber h<strong>in</strong>aus wird<strong>in</strong>zwischen e<strong>in</strong>e Reihe von Methoden, die bisher im Laborpraktiziert wurden, an <strong>Synchrotronstrahlung</strong>squellen <strong>mit</strong>erhöhter Intensität durchgeführt wie z. B. die Mößbauer-Spektroskopie, die ferromagnetische Resonanz sowie die Infrarot-und Terahertz-Spektroskopie.Weiterh<strong>in</strong> eröffnet der Vorstoß <strong>in</strong> bisher nicht erreichbareZeit- und Längendimensionen völlig neue E<strong>in</strong>blicke <strong>in</strong> die Strukturund Dynamik von Festkörpern. Z. B. zeigen Echtzeitexperimente<strong>mit</strong> Auflösungen bis <strong>in</strong> den Femtosekundenbereich ganzneue Experimentiermöglichkeiten auf, die wiederum zu neuenFragestellungen <strong>in</strong> der Festkörperphysik führen. Als Beispiel seidie überraschend schnelle Entmagnetisierung bestimmter Metallenach gepulster Anregung genannt, während die Remagnetisierungum Größenordnungen langsamer erfolgt. DerMechanismus dah<strong>in</strong>ter ist noch ungeklärt (siehe <strong>Forschung</strong>sbeispielrechts).Sehr große Fortschritte s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> den letzten Jahren h<strong>in</strong>sichtlichder Fokussierung von <strong>Synchrotronstrahlung</strong> erzieltworden. Daher können im Bereich der Nanobeugung sowie derNanomikroskopie <strong>mit</strong> <strong>Synchrotronstrahlung</strong> an Clustern undQuantenpunkten große Fortschritte <strong>in</strong> der Zukunft erwartetwerden.24 <strong>Synchrotronstrahlung</strong> <strong>2009</strong>


Ultraschnelle EntmagnetisierungDie <strong>Forschung</strong> <strong>mit</strong> <strong>Synchrotronstrahlung</strong> dr<strong>in</strong>gt bei derUntersuchung von Magnetisierungen <strong>in</strong> immer kürzereZeitbereiche vor.Auf dem Gebiet des Magnetismus liegen Grundlagenforschungund technologische Anwendung oft sehr nahe beie<strong>in</strong>ander.Das zeigt beispielsweise die Entdeckung des Riesenmagnetwiderstandesund dessen heutige Nutzung bei der magnetischenDatenspeicherung.Wichtig für e<strong>in</strong>e weitere M<strong>in</strong>iaturisierung magnetischerSpeicherelemente ist die Frage nach der kürzesten Zeitskala füre<strong>in</strong>e Umkehr von Nord- und Südpol bei magnetischen Bits.Experimente <strong>mit</strong> Magnetfeldpulsen von weniger als 2 Pikosekunden(2 billionstel Sekunden) Dauer deuten auf e<strong>in</strong>e Geschw<strong>in</strong>digkeitsbegrenzungdurch e<strong>in</strong> nichtdeterm<strong>in</strong>istischesVerhalten der magnetischen Momente auf dieser Zeitskala h<strong>in</strong>,die durch e<strong>in</strong> Phänomen <strong>mit</strong> Namen Drehimpulsdissipation gegebenist. E<strong>in</strong> noch schnelleres Zeitregime kann durch Heizenmagnetischer Bits <strong>mit</strong>tels Femtosekunden-Laserpulsen im Bereichvon billionstel Sekunden erreicht werden. Hierbei ist e<strong>in</strong>ezentrale Fragestellung, auf welcher Zeitskala der Sp<strong>in</strong>drehimpulsder Elektronen auf die Atome des Gitters übertragen werdenkann. E<strong>in</strong>e solche ultraschnelle Entmagnetisierung vonferromagnetischen Materialien ist unter dem Namen E<strong>in</strong>ste<strong>in</strong>de-Haas-Prozessbekannt.Der E<strong>in</strong>satz von hundert Femtosekunden kurzen Röntgenpulsen<strong>mit</strong> variabler Polarisation erlaubte es erstmalig, die zeitlicheEvolution von Sp<strong>in</strong>- und Orbitalmomenten auf derFemtosekunden-Zeitskala zu verfolgen. Dabei gehören die Nutzungdes sogenannten Röntgenzirkulardichroismus (XMCD) unddie Anwendung von Summenregeln seit nunmehr fast zweiJahrzehnten zu den Standardwerkzeugen, die es Experimentatorenan <strong>Synchrotronstrahlung</strong>squellen ermöglichen, Sp<strong>in</strong>- undOrbitalmomente elementspezifisch zu bestimmen.Seit Inbetriebnahme der Femtosekunden-Slic<strong>in</strong>g-Quelle beiBESSY II am Helmholtz-Zentrum Berl<strong>in</strong> für Materie und Energieist es nun erstmals möglich, die Anwendung dieser Methodeauf ultrakurze Zeitskalen auszudehnen. E<strong>in</strong> Forscherteam umHermann Dürr untersuchte auf diese Weise die Entmagnetisierungvon Nickel und fand heraus, dass dies bei e<strong>in</strong>er charakteristischenZeitkonstante von nur 120 Femtosekunden erfolgt.Die Arbeiten wurden <strong>in</strong> Nature Materials veröffentlicht. DasErgebnis belegt, dass sowohl Sp<strong>in</strong>- als auch Bahndrehimpulsaus dem elektronischen System abgegeben werden. Die erstaunlichkurze Zeitkonstante von nur 120 Femtosekundenliegt im Bereich der kürzesten Gitterschw<strong>in</strong>gungsdauern unddeutet auf e<strong>in</strong>e starke, noch unverstandene Sp<strong>in</strong>-Gitter-Kopplung h<strong>in</strong>.Durch die kont<strong>in</strong>uierliche Verbesserung der Femtosekunden-Slic<strong>in</strong>g-Quellesowie der zukünftigen Inbetriebnahme neuartigerFreie-Elektronen-Laser wird es erstmals möglich se<strong>in</strong>,ähnliche Prozesse auch <strong>in</strong> komplizierteren Materialen zu untersuchen,deren Funktionalität wie Hochtemperatursupraleitung,kollosalem Magnetwiderstand oder Ferroelektrizität durchstarke Kopplung von elektronischen, Sp<strong>in</strong>- und Gitterfreiheitsgradenbestimmt ist.Abbildung unten:XMCD-Signal (L3-Kante) e<strong>in</strong>er 15 Nanometer dicken Nickelschicht <strong>in</strong> Abhängigkeitder Zeit nach dem Heizen <strong>mit</strong> Hilfe e<strong>in</strong>es Femtosekunden-Lasers.Die durchgezogene L<strong>in</strong>ie ergibt sich aus e<strong>in</strong>em Modell, <strong>mit</strong> dessen Hilfe dieEntmagnetisierungszeit zu 120 ± 70 Femtosekunden bestimmt werden kann.Die Messungen wurden <strong>mit</strong> 100 Femtosekunden kurzen Röntgenpulsen an derFemtosekungen-Slic<strong>in</strong>g-Quelle von BESSY II durchgeführt.Abbildung:Schematische Darstellungder Femtosekunden-Slic<strong>in</strong>g-Quellebei BESSY II.E<strong>in</strong> Femtosekunden-Laserwirkt derart auf die Elektronenpaketee<strong>in</strong>, dassFemtosekunden-Röntgenpulseerzeugt werden können.Im Experiment desTeams um Herrmann Dürrwurde die Probe von e<strong>in</strong>emTeil des Laserpulsesmagnetisch angeregt.Mit Hilfe der Röntgenpulsewurden diese angeregtenZustände dann über e<strong>in</strong>eschnelle Photodiode nachgewiesen.Durch e<strong>in</strong>erotierende Scheibe, denChopper, konnte bestimmtwerden, ob die Probe imangeregten oder im nichtangeregtenZustand vermessenwerden soll.WissenschaftlicheVeröffentlichung:C. Stamm, T. Kachel,N. Pontius, R. Mitzner,T. Quast, K. Holldack,S. Khan, C. Lupulescu,H. A. Dürr, W. Eberhardt:Femtosecond modificationof electron localization andtransfer of angular omentum<strong>in</strong> nickel. Nature Materials2007/6:740-743<strong>Synchrotronstrahlung</strong> <strong>2009</strong> 25


ATOME, MOLEKÜLE, CLUSTER UND FREIE NANOTEILCHENE<strong>in</strong>faches untersuchen, um Komplexes zu verstehenDas Studium e<strong>in</strong>facher Objekte wie Atomen und Molekülenstellt e<strong>in</strong>en wichtigen Schlüssel zum Verständnis derkomplexen Natur da. Neue Strahlungsquellen dr<strong>in</strong>gendabei <strong>in</strong> unbekannte Regionen vor.Grundlegende Eigenschaften der Materie werden <strong>mit</strong> <strong>Synchrotronstrahlung</strong>seit langem an e<strong>in</strong>fachen Objekten <strong>in</strong> derGasphase untersucht. Hierzu gehören Atome, Moleküle, Clusterund Nanopartikel. E<strong>in</strong> genaues Verständnis der Elektronenverteilungund des zeitlichen Verhaltens dieser relativ e<strong>in</strong>fachenBauste<strong>in</strong>e ist von grundlegendem Interesse, um die deutlichkomplexeren Prozesse <strong>in</strong> kondensierter Materie zu verstehen.Darüber h<strong>in</strong>aus s<strong>in</strong>d Atome und Moleküle <strong>in</strong> den BereichenAstrophysik und atmosphärische Umwelt von Bedeutung, sodass entsprechende Experimente <strong>mit</strong> <strong>Synchrotronstrahlung</strong>auch e<strong>in</strong>en Beitrag zur <strong>Forschung</strong> <strong>in</strong> diesen Gebieten leisten.Die Atom-, Molekül- und Clusterphysik hat <strong>in</strong> den vergangenenJahren unter Nutzung von <strong>Synchrotronstrahlung</strong>squellender dritten Generation entscheidende Schritte getan:Hochauflösende Studien, teils <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung <strong>mit</strong> Laserstrahlung,liefern wichtige Beiträge zum Verständnis der Abläufe aufkürzesten Zeitskalen bis <strong>in</strong> den Femtosekundenbereich. Hierzugehört die Ionisation durch Photonen, die Relaxation der durchIonisation gebildeten angeregten Zustände, der nachfolgendeZerfall <strong>in</strong> geladene und neutrale Bruchstücke sowie die Kopplungelektronisch angeregter Zustände (siehe <strong>Forschung</strong>sbeispiel).Dies schließt auch die aus quantentheoretischer Sichtäußerst <strong>in</strong>teressante w<strong>in</strong>kel-, sp<strong>in</strong>- und energieaufgelöstenMessung der Photoemission e<strong>in</strong>. Durch gleichzeitigen Nachweisder geladenen Bruchstücke lassen sich die Mechanismen derZerfälle hochgeladener Ionen bestimmen.Künftige Entwicklungen zu Studien an Atomen, Molekülen,Clustern und freien Nanopartikel s<strong>in</strong>d eng <strong>mit</strong> der Verfügbarkeitneuer Quellen für hochbrillante Strahlung verbunden. Hierzugehören zum Beispiel zeit- und wellenlängenabhängige Untersuchungenim weichen Röntgen- und angrenzenden Vakuum-Ultraviolettbereich, die <strong>mit</strong> neuen Methoden (z. B. derFourier-Transformation-Spektroskopie) e<strong>in</strong>en deutlichen Fortschrittgegenüber traditionellen Methoden (Gitter-Spektroskopie)liefern. Hochbrillanzquellen werden es ermöglichen,Objekte variabler Größe und Komplexität <strong>in</strong> hochverdünnterGasphase zu untersuchen. Hierzu gehören u. a. Radikale, angeregteAtome, Moleküle sowie Ionen e<strong>in</strong>schließlich Clustern, diebis <strong>in</strong> den Bereich der Nanopartikel reichen. Hier richten sichdie Hoffnungen auf die neue Quelle PETRA III, die weiter verbesserteQuelle BESSY II sowie künftige ERL-Quellen. Da<strong>mit</strong> wirdes <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung <strong>mit</strong> verfe<strong>in</strong>erten Verfahren der Probenpräparationund Detektion möglich, <strong>mit</strong> besonderer Genauigkeitund Selektivität e<strong>in</strong>zelne Quantenzustände zu untersuchen.Durch Freie-Elektronen-Laser hat das Feld der Atom-, Molekül-und Clusterphysik besonders profitiert. Hier konnte bereits<strong>in</strong> Pionierexperimenten wissenschaftliches Neulandbeschritten werden (siehe FLASH). Wohlbekannte Systeme wiee<strong>in</strong>fache Atome, Moleküle und Cluster s<strong>in</strong>d besonders gut dazugeeignet, die Physik <strong>in</strong> dem bisher weitgehend unbekanntenGebiet der extrem starken Felder, wie sie <strong>mit</strong> Hilfe von Freie-Elektronen-Lasern erreicht werden können, zu studieren unddie experimentellen Beobachtungen <strong>mit</strong> theoretischen Modellrechnungenzu vergleichen.Zeitliche Prozesse <strong>in</strong> Atomen und Molekülen liegen im Bereichunter hundert billiardstel Sekunden. Untersuchungen dieserProzesse erfordern hoch<strong>in</strong>tensive und kurze Röntgenblitzeaus Freie-Elektronen-Lasern, teils <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung <strong>mit</strong> Kurzpulsblitzenaus modernen Laserquellen. Das Ziel liegt dar<strong>in</strong>, das zeitlicheVerhalten <strong>in</strong> Echtzeit an e<strong>in</strong>fachen, wohldef<strong>in</strong>iertenModellsystemen untersuchen zu können. In Verb<strong>in</strong>dung <strong>mit</strong> dergezielten Kontrolle der Kern- und Elektronendynamik wird esmöglich se<strong>in</strong>, Prozesse bis h<strong>in</strong> zu grundlegenden Beiträgen zumVerständnis von Quanten<strong>in</strong>formation und deren Nutzungsowohl im Sp<strong>in</strong>- als auch im Ortsraum zu erforschen. Die Erwartungenrichten sich an die stetige Verbesserung der Strahlungsquellenbezüglich ihrer Stabilität, Brillanz, Kohärenz unde<strong>in</strong>fachen Durchstimmbarkeit. Die Leistungsfähigkeit künftigerQuellen wird e<strong>in</strong>en Beitrag dazu leisten, neuartige Studien anAtomen, Molekülen, Clustern und freien Nanopartikeln im Bereichder harten Röntgenstrahlung voranzutreiben, um hier bisherunbekannte Phänomene zu entdecken. Hierfür wird derkünftige European XFEL e<strong>in</strong>e Schlüsselstellung e<strong>in</strong>nehmen.26 <strong>Synchrotronstrahlung</strong> <strong>2009</strong>


Elektronenpaare <strong>in</strong> QuantenfernbeziehungenExperimente <strong>mit</strong> <strong>Synchrotronstrahlung</strong> liefern E<strong>in</strong>sichten<strong>in</strong> die Mysterien der Quantenphysik.Die Quantenmechanik stellt unsere Vorstellungskraft aufe<strong>in</strong>e harte Probe. E<strong>in</strong>iges g<strong>in</strong>g da sogar Albert E<strong>in</strong>ste<strong>in</strong> zu weit.1935 veröffentlichte er zusammen <strong>mit</strong> Boris Podolsky und NathanRosen e<strong>in</strong>en Artikel, <strong>in</strong> dem die Autoren zu dem Schlusskommen, dass – wenn die Quantenmechanik stimme und dieWirklichkeit unabhängig von unseren Beobachtungen sei, esQuantenobjekte <strong>in</strong> spukhaften Quantenfernbeziehungen gebenmüsse. Und das könne e<strong>in</strong>fach nicht se<strong>in</strong>.Generell s<strong>in</strong>d Eigenschaften von Quantenobjekten oft erstnach e<strong>in</strong>er Messung bestimmt. Die Eigenschaften von zwei Objekten<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Quantenfernbeziehung s<strong>in</strong>d dabei auf e<strong>in</strong>e mysteriöseWeise <strong>mit</strong>e<strong>in</strong>ander verknüpft. Denn wenn man e<strong>in</strong> Paarvon zwei Objekten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em sogenannten verschränkten Zustanduntersucht, <strong>in</strong>dem man e<strong>in</strong>e Messung e<strong>in</strong>er bestimmtenEigenschaft an e<strong>in</strong>em der beiden vornimmt, so ist die entsprechendeEigenschaft un<strong>mit</strong>telbar auch für den Partner festgelegt– auch wenn sich dieser am anderen Ende des Universumsbef<strong>in</strong>den sollte.In den ersten Jahren nach der Veröffentlichung von E<strong>in</strong>ste<strong>in</strong>,Rosen und Podolsky fand die Arbeit nicht allzu viel Beachtung,erschien sie vielen doch eher philosophischer Natur.Ideen für e<strong>in</strong>e experimentelle Überprüfung dieser grundlegendenAnnahmen zur Struktur der Wirklichkeit gab es damalsnicht. Erst John Bell hat das auch EPR-Paradoxon genannte Problem1961 auf e<strong>in</strong>e experimentell nachprüfbare Basis gestellt.Bells bahnbrechende Arbeit erlaubt, zwischen der Existenz e<strong>in</strong>erlokal realistischen und e<strong>in</strong>er quantenmechanischen Welt messtechnischzu unterscheiden. Realistisch bedeutet <strong>in</strong> diesem Zusammenhang,dass die Messungen nicht von e<strong>in</strong>em Beobachterabhängen; von Lokalität sprechen Physiker, wenn sich entfernteEreignisse nicht un<strong>mit</strong>telbar bee<strong>in</strong>flussen können. In se<strong>in</strong>er Arbeitaus dem Jahr 2003 g<strong>in</strong>g Anthony J. Leggett noch e<strong>in</strong>enSchritt weiter, <strong>in</strong>dem er die Nichtlokalität der Wirklichkeit bereitsberücksichtigte. Als entscheidender Faktor für den messbarenUnterschied zwischen klassischer Welt und Quantenweltbleibt dann nur noch der Realitätsbegriff. Es geht dann um diegrundlegende Frage, ob Elemente der Realität – wie die charakteristischenEigenschaften e<strong>in</strong>es geme<strong>in</strong>samen Paar-Zustandes– <strong>in</strong> der Wirklichkeit unabhängig von e<strong>in</strong>em Beobachterexistieren oder nicht.E<strong>in</strong>ste<strong>in</strong> war fest davon überzeugt, dass dies unabhängigvom Beobachter se<strong>in</strong> müsse. Untersuchungen zur Verschränkungder Eigenschaften der Elemente unserer Wirklichkeithaben jedoch das Gegenteil bewiesen. Den Komponenten e<strong>in</strong>esmaximal verschränkten Paares kann man nicht e<strong>in</strong>mal teilweisedef<strong>in</strong>ierte <strong>in</strong>dividuelle Eigenschaften zuordnen.In den vergangenen Jahrzehnten konnten Experimente dieGültigkeit der quantenmechanischen Interpretation der Wirklichkeit<strong>mit</strong> steigender Präzision belegen. Dabei wurden aber –e<strong>in</strong>em Vorschlag David Bohms folgend – anstelle von Orts- undImpulseigenschaften Drehimpulseigenschaften ausgenutzt.H<strong>in</strong>gegen wurden E<strong>in</strong>ste<strong>in</strong>s, Podolskys und Rosens eigentlicheVorschläge zur Überprüfung des Wirklichkeitsbegriffs h<strong>in</strong>sichtlichkont<strong>in</strong>uierlicher Variablen wie Ort und Impuls bisher experimentellnicht überprüft. Dieses Dunkel bezüglich derVerschränkung kont<strong>in</strong>uierlicher Variablen dauerte fast e<strong>in</strong> Dreivierteljahrhundertan.Erst <strong>in</strong> fortgeschrittenen Experimenten an zweiatomigenMolekülen wie N2 <strong>mit</strong>tels <strong>Synchrotronstrahlung</strong> wurde diese VisionWirklichkeit. Hier verwendeten Forscher <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Team umArbeitsgruppen aus dem Fritz-Haber-Institut <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>, derUniversität Frankfurt und dem California Institute of Technology<strong>in</strong> Pasadena (Kalifornien) <strong>Synchrotronstrahlung</strong> dazu, denAtomen zwei Elektronen aus den <strong>in</strong>nersten Schalen zu entreißen.Diese Elektronen verlassen das Atom <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Quantenfernbeziehung,deren Verschränkungseigenschaften experimentellüberprüft werden konnten.Das Ergebnis war e<strong>in</strong>e klare Bestätigung der Quantenmechanik,diesmal jedoch für die lange Zeit ignorierten kont<strong>in</strong>uierlichenVariablen Ort und Impuls. Das Verständnis dieserZusammenhänge ist <strong>in</strong> vieler H<strong>in</strong>sicht e<strong>in</strong>e der Grundlagen zurRealisation zukünftiger Quantencomputer, bei denen die Gesetzmäßigkeitender Quantenmechanik ausgenutzt werden sollen,um parallele Rechnungen zugleich durchzuführen zukönnen.Abbildung:Das Diagramm zeigt verschiedeneIntensitätender geraden (g) und ungeraden(u) Symmetriezustände<strong>in</strong> Abhängigkeitvom Impuls der Photoelektronen.Die experimentellenDaten passenvortrefflich zur Modellrechnung,auf die Cohenund Fano (CF) als ersteh<strong>in</strong>gewiesen haben.WissenschaftlicheVeröffentlichungen:B. Zimmermann, D. Rolles,B. Langer, R. Hentges,M. Braune, S. Cvejanovic,O. Geßner, F. Heiser,S. Korica, T. Lischke,A. Re<strong>in</strong>köster, J. Viefhaus,R. Dörner, V. McKoy,U. Becker, Nature Physics4, (2008) 649M. S. Schöffler, J. Titze,N. Petridis, T. Jahnke,K. Cole, L. Ph. H. Schmidt,A. Czasch, D. Akoury,O. Jagutzki, J. B. Williams,N. A. Cherepkov,S. K. Semenov,C. W. McCurdy,T. N. Rescigno, C. L. Cocke,T. Osipov, S. Lee,M. H. Prior, A. Belkacem,A. L. Landers, H. Schmidt-Böck<strong>in</strong>g, Th. Weber,R. Dörner, Science 320,(2008) 920<strong>Synchrotronstrahlung</strong> <strong>2009</strong> 27


PHYSIK UND CHEMIE AN OBERFLÄCHENMit <strong>Synchrotronstrahlung</strong> an Grenzen gehenDer E<strong>in</strong>satz von <strong>Synchrotronstrahlung</strong> liefert e<strong>in</strong>e Vielzahlwichtiger Beiträge zum Verständnis der Phänomene, diesich auf Ober- und Grenzflächen abspielen.Mit <strong>Synchrotronstrahlung</strong> können sowohl physikalische Eigenschaftenwie die räumliche Struktur oder die Elektronenverteilungvon Oberflächen als auch chemische Eigenschaftenvon sauberen und bedeckten Metall- und Metalloxid-Oberflächener<strong>mit</strong>telt werden. Der E<strong>in</strong>satz von <strong>Synchrotronstrahlung</strong>zur Erforschung von weicher Materie wie Polymeren oder Kolloidennimmt ständig zu und auch biologische Grenzschichtenwerden <strong>in</strong> letzter Zeit <strong>in</strong> zunehmendem Maße <strong>mit</strong> <strong>Synchrotronstrahlung</strong>untersucht.Für die Untersuchung von Oberflächen kommen unterschiedlicheMethoden zum E<strong>in</strong>satz:Nach wie vor ist die Photoelektronenspektroskopie diewichtigste Methode zur Er<strong>mit</strong>tlung der chemischen Zusammensetzungfester Oberflächen. Dabei werden die Elektronenvermessen, die aus der Probe bei e<strong>in</strong>er Bestrahlung herausgelöstwerden. Durch die an <strong>Synchrotronstrahlung</strong>squellen verfügbarenhöheren Intensitäten und besseren Strahlqualitätenkönnen Experimente <strong>mit</strong> fester Photonenenergie wie die Photoelektronenspektroskopie(XPS, UPS) und Röntgenbeugung(XRD) im Vergleich zum Labor erweitert werden. Die an Synchrotronsstrahlungsquellenfrei wählbaren Photonenenergienermöglichen – im Unterschied zu den bei fester Wellenlängebetriebenen Laborgeräten – <strong>in</strong> e<strong>in</strong>facher Weise die Er<strong>mit</strong>tlungvon XPS-Tiefenprofilen. In letzter Zeit hat XPS <strong>mit</strong> Photonenhoher Energie viel Aufmerksamkeit erfahren, weil <strong>mit</strong> dieserMethode verborgene Grenzflächen untersucht werden können.Die Möglichkeit, die Photonenenergie zu variieren, spielt auche<strong>in</strong>e wichtige Rolle auf dem Gebiet von UPS, bei der ultraviolettestatt Röntgenstrahlung zum E<strong>in</strong>satz kommt. In diesemZusammenhang stehen auch die photoelektronenbasierteMikroskopie und die Spektromikroskopie, für die <strong>in</strong> vielenFällen <strong>Synchrotronstrahlung</strong> unabd<strong>in</strong>gbar ist.Um unbedeckte E<strong>in</strong>kristalloberflächen sowie organischeDünnstschichten zu untersuchen, kommt die Oberflächenröntgenbeugungzum E<strong>in</strong>satz. E<strong>in</strong> besonderes <strong>Forschung</strong>s<strong>in</strong>teresseerfahren dabei Langmuir-Blodgett-Filme, Polymere, selbstassemblierendeMonolagen und metallorganische Gerüste.Oberflächen werden auch <strong>mit</strong> Hilfe der Absorptionsspektroskopieuntersucht, bei der die Durchlässigkeit der Proben <strong>in</strong>Abhängigkeit der Photonenergie er<strong>mit</strong>telt wird. Während e<strong>in</strong>eder grundlegenden Absorptionsspektroskopietechniken, dieRöntgenabsorptionsfe<strong>in</strong>strukturspektroskopie (extended X-rayabsorption f<strong>in</strong>e structure spectroscopy, EXAFS), nur wenig zurErforschung von Oberflächen e<strong>in</strong>gesetzt wird, ist die Nahkanten-Röntgenabsorptionsfe<strong>in</strong>struktur-Spektroskopie(near edgex-ray absorption f<strong>in</strong>e structure spectroscopy, NEXAFS) e<strong>in</strong>e vonvielen Arbeitsgruppen verwendete Methode, um die chemischenEigenschaften von Oberflächen zu untersuchen oder die räumlicheStruktur und Elektronenverteilung organischer und molekularerSchichten zu bestimmen. Dieses Gebiet ist nicht nurfür die heterogene Katalyse von Bedeutung, sondern auch generellfür die Erforschung von Grenzflächen zwischen Metallenund weicher Materie. E<strong>in</strong> besonders wichtiges Beispiel ist dieorganische Elektronik, bei der NEXAFS angewendet wird, um dieOrientierung und das Wachstum molekularer Adsorptionsschichtenauf festen Substraten zu studieren (siehe <strong>Forschung</strong>sbeispielauf der rechten Seite). Auch im Zusammenhang<strong>mit</strong> der Selbstassemblierung organischer Moleküle auf MetallundMetalloxid-Oberflächen spielt NEXAFS e<strong>in</strong>e wichtige Rolle.Kürzlich wurde e<strong>in</strong>e auf NEXAFS beruhende Mikroskopiemethodeetabliert, durch die wertvolle E<strong>in</strong>blicke <strong>in</strong> die Mikrostrukturvon (Bio-)Polymeren gewonnen werden konnten.E<strong>in</strong>e weitere Technik, der <strong>in</strong> letzter Zeit immer größere Aufmerksamkeitgewidmet wird, ist die Röntgenemissionsspektroskopie(X-ray emission spectroscopy, XES). Sie ist e<strong>in</strong>e universelle<strong>in</strong>setzbare Methode, <strong>mit</strong> der sich sogar die Elektronenverteilungvon Isolatoren bestimmen lässt. Da bei dieser Technikweder primäre noch sekundäre Elektronen, sondern Photonengemessen werden, können Experimente auch bei höheren Drükkenund an pulverförmigen Materialien durchgeführt werden.Durch die E<strong>in</strong>dr<strong>in</strong>gtiefe der Strahlung ermöglicht die XES darüberh<strong>in</strong>aus die Untersuchung verborgener Grenzflächen. Die(Fluoreszenz-) Ausbeute ist jedoch relativ ger<strong>in</strong>g; aussagefähigeMessergebnisse können nur unter Verwendung von sehr<strong>in</strong>tensiver <strong>Synchrotronstrahlung</strong> erhalten werden.28 <strong>Synchrotronstrahlung</strong> <strong>2009</strong>


Abbildung 1 Abbildung 2Probleme der organischen SchichtarbeitUntersuchungen <strong>mit</strong> <strong>Synchrotronstrahlung</strong>squellen liefernden Grund für Li<strong>mit</strong>ierungen bei der Herstellung dünnerHalbleiterschichten aus e<strong>in</strong>em organischen Material.Moderne Synchrotronquellen ermöglichen Nachweisverfahren,<strong>mit</strong> denen auch kle<strong>in</strong>ste Änderungen <strong>in</strong> der Struktur vonorganischen Molekülen <strong>in</strong> dünnen Filmen sichtbar gemachtwerden können. Weiche organische Materie weist dabei beimFilmwachstum Besonderheiten gegenüber anorganischen Materialienauf, die aus der komplexeren molekularen Struktur undder daraus resultierenden Flexibilität entstehen.Mittels Nahkanten-Röntgenabsorptionsspektroskopie(NEXAFS) konnte e<strong>in</strong> Forscherteam an BEESY II des Helmholtz-Zentrum Berl<strong>in</strong> für Materialien und Energie zeigen, dass dieKristallisation von dünnen Filmen aus Rubren (C42H28) allgeme<strong>in</strong>dadurch erschwert wird, dass die Atome des Moleküls <strong>in</strong> derGasphase beziehungsweise im Kristallverband verschieden angeordnets<strong>in</strong>d (siehe Abbildung 1). Diese Erkenntnis ist von entscheidenderBedeutung, da Rubren im Bereich der organischenElektronik als Halbleiter – z. B. <strong>in</strong> organischen Feldeffekt-Transistoren– e<strong>in</strong>gesetzt wird und nur leistungsfähige Bauteile hergestelltwerden können, wenn die Rubrenfilme hochkristall<strong>in</strong>s<strong>in</strong>d.Die Forscher verglichen die NEXAFS-Daten von Rubrenfilmenunterschiedlicher Schichtdicke und entdeckten e<strong>in</strong>e anderespektroskopische Signatur für jene Filme, die sehr dünnwaren oder kalt aufgedampft wurden. Während für alle anderenPräparationsbed<strong>in</strong>gungen drei scharfe Adsorptionsl<strong>in</strong>ien(siehe Abbildung 2a) zu sehen s<strong>in</strong>d, konnte e<strong>in</strong>e vierte L<strong>in</strong>ie nurfür Filme gefunden werden, die entweder bei Temperaturenunter 300 K aufgedampft wurden oder die dünner als 12 nmwaren (siehe Abbildungen 2 b-d). Das Auftreten dieser zusätzlichenSpitze kann darauf zurückgeführt werden, dass die Rubrenmoleküle<strong>in</strong> sehr dünnen Filmen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er verdrillten Formvorliegen. E<strong>in</strong>e solche Konformation ist charakteristisch für dieGasphase, während für dickere Filme die Moleküle – wie im perfektenKristallverband – e<strong>in</strong>e fast exakte planare Geometrie aufweisen.Wenn der Film bei nicht allzu hohen Temperaturen entsteht,werden die Rubrenmoleküle aus der Gasphase kommend <strong>mit</strong>e<strong>in</strong>er verdrillten Geometrie auf der Oberfläche e<strong>in</strong>gefroren, dadie für e<strong>in</strong>e Umwandlung <strong>in</strong> die planare Konformation erforderlicheEnergie von rund 200 Millielektronenvolt zunächstnicht aufgebracht werden kann. Bei höheren Temperaturen istdie Umwandlung <strong>in</strong> die Volumenkristallstruktur h<strong>in</strong>gegen möglich,wobei zusätzlich die resultierende Gitterenergie frei wird.Die Umwandlung f<strong>in</strong>det auch oberhalb e<strong>in</strong>er kritischen Filmdickefür Filme statt, die bei niedrigeren Temperaturen hergestelltwurden, da der Gew<strong>in</strong>n an Kristallenergie irgendwann denEnergieaufwand zur Konformationsänderung überkompensiert.E<strong>in</strong>e genaue Analyse der NEXAFS-Daten zeigt, dass dies bei etwaneun Moleküllagen der Fall ist. In den Daten verschw<strong>in</strong>det diezusätzliche Absorptionsl<strong>in</strong>ie dann vollständig, also nehmendann auch die etwa neuen Lagen des bisherigen dünnen Filmsdie Volumenkristallstruktur an.Bei dünnen Filmen oder solchen, die auf kalte Substrateaufgedampft wurden, kommt es aufgrund des Vorliegens unsymmetrischer,nicht effizient packbarer Moleküle und e<strong>in</strong>er zum<strong>in</strong>destpartiellen Teil-Reorientierung, zu e<strong>in</strong>er hohenDefektdichte. Dies hat negative Folgen für die Verwendung derFilme <strong>in</strong> organischen Bauelementen. Zur Herstellung von leistungsfähigenBauelementen werden hochkristall<strong>in</strong>e Schichtenbenötigt, die entsprechend bei hohen Temperaturen erzeugtwerden müssen.Da die Moleküle an der direkten Oberfläche verglichen <strong>mit</strong>solchen <strong>in</strong>nerhalb dickerer Filme immer e<strong>in</strong>e andere Konformationaufweisen, wird e<strong>in</strong>e wichtige Voraussetzung für die Molekularstrahlepitaxie,e<strong>in</strong> Verfahren zur Herstellung dünnerSchichten, nicht erfüllt. Das weitere Filmwachstum wird immeraus verdrillten Molekülen erfolgen. Da die meisten (auch der imBereich organische Elektronik verwendeten) großen organischenMoleküle mehrere energetisch dicht beie<strong>in</strong>ander liegendeKonformationen aufweisen, ist diese Wachstumsli<strong>mit</strong>ierung vongroßer Bedeutung für die Methoden zur Filmherstellung – wiedie organische Molekularstrahldeposition (OMBD) bzw. die organischeMolekularstrahlepitaxie (OMBE).Abbildung 1:Der Umbau des verdrilltenMoleküls <strong>in</strong> der Gasphase(l<strong>in</strong>ks) <strong>in</strong> die Konformationim Rubrenkristallrechts bedarf e<strong>in</strong>erEnergie von 210 meV, diedurch erhöhte Temperaturoder Gew<strong>in</strong>n an Gitterenergieaufgebracht werdenmuss.Abbildung 2:a) NEXAFS-Spektrume<strong>in</strong>es 30 nm dickenRubrenfilms;b) und c) Ausschnittehöchster Auflösung für0,5 bzw. 2 nm dicke Filmeaufgewachsen bei 170und 300 K auf Au(111)d) Die Entwicklung derFläche der Zusatzspitze.WissenschaftlicheVeröffentlichung:D. Käfer, L. Ruppel,G. Witte and Ch. Wöll:The role of molecularconformations <strong>in</strong> th<strong>in</strong> filmgrowth: Why soft mattercan be special. Phys. Rev.Lett. 95, 166602 (2005)<strong>Synchrotronstrahlung</strong> <strong>2009</strong> 29


MATERIE UNTER EXTREMEN BEDINGUNGENMehrfach-extreme Bed<strong>in</strong>gungen erforschen<strong>Synchrotronstrahlung</strong> bietet e<strong>in</strong>zigartige Möglichkeiten,Materie unter extremen Bed<strong>in</strong>gungen zu erforschen. E<strong>in</strong>eBündelung der deutschen Anstrengungen wird zu <strong>in</strong>ternationalerWettbewerbsfähigkeit führen.Neben Zusammensetzung, Temperatur und externen Feldernist der Druck e<strong>in</strong> fundamentaler Parameter, um die chemischen,physikalischen und biologischen Eigenschaften vonMaterie zu verändern. Durch Fortschritte <strong>in</strong> der Detektortechniks<strong>in</strong>d hier bei der <strong>Forschung</strong> <strong>mit</strong> <strong>Synchrotronstrahlung</strong> <strong>in</strong> denletzten Jahren wichtige Durchbrüche erzielt worden. Die <strong>Forschung</strong>sschwerpunkteumfassen die Gebiete Physik, Chemie,Geo- und Materialwissenschaften sowie zunehmend auch Biologie.Charakteristisch ist e<strong>in</strong>e enge Verzahnung der experimentellenArbeiten <strong>mit</strong> Berechnungen der elektronischenStruktur und Computersimulationen. <strong>Synchrotronstrahlung</strong> istfür viele Arbeiten von besonderer Bedeutung, da die Größe derProben oft deutlich unter e<strong>in</strong>em zehntel Millimeter Kantenlängeliegt. Nur die Intensität und hohe Auflösung von <strong>Synchrotronstrahlung</strong>squellender dritten Generation ermöglicht die Bestimmungvon komplexen Strukturmustern, deren <strong>in</strong>teressanteOrganisation e<strong>in</strong>e Reihe von hochkarätigen Veröffentlichungenhervorgebracht hat.Der Trend geht zur Komb<strong>in</strong>ation unterschiedlicher extremerBed<strong>in</strong>gungen: z. B. hoher Druck und sehr tiefe Temperatur(Physik), hoher Druck und sehr hohe Temperatur (Chemie, Geowissenschaften,Materialforschung) oder hoher Druck bei tiefenTemperaturen und starken magnetischen Feldern (Festkörperphysik).Letztlich sollen die Ergebnisse dieser Messungen zue<strong>in</strong>em gezielten Materialdesign führen.Instrumentelle Verbesserungen ermöglichen nicht nur dieStrukturuntersuchung grundlegender Materialien wie chemischerElemente, e<strong>in</strong>facher Moleküle oder Gasmischungen, dieauch für die Planetenphysik relevant s<strong>in</strong>d, sondern tragen auchzur Strukturanalyse anorganischer Werkstoffe und Supraleiterbei. Dadurch können neue Felder wie das der Bio- oder Geomaterialienweiter erschlossen werden. Zur letzten Gruppe gehörenauch superharte Stoffe, die <strong>in</strong> der Werkstoffbearbeitunge<strong>in</strong>e auch wirtschaftlich zentrale Rolle spielen.Die im Bereich extremer Bed<strong>in</strong>gungen arbeitenden Wissenschaftlers<strong>in</strong>d <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> stark zersplittert: Zwei Geoforschungs<strong>in</strong>stitute,drei Max-Planck-Institute und etwa zehnUniversitäten nutzten m<strong>in</strong>destens neun europäische Strahlungsquellenfür Arbeiten bei hohen Drücken. Die Koord<strong>in</strong>ationder deutschen Aktivitäten wurde und wird gegenwärtig fastausschließlich über Schwerpunktprogramme der DFG geleistet.Im Gegensatz dazu haben sich andere Nationen an der Weltspitzeentschieden, entweder starke Gruppen an den <strong>Synchrotronstrahlung</strong>squellenzu organisieren oder die Expertise <strong>in</strong>selbstständigen Gruppen oder Instituten zu bündeln: In Japan<strong>mit</strong> sieben Wissenschaftlern (NIMS), <strong>in</strong> den USA <strong>mit</strong> zehn Wissenschaftlern(Universität Chikago am APS) und <strong>in</strong> Großbritannien<strong>mit</strong> 50 Wissenschaftlern (CSEC). Diese Strategie ist auchden <strong>in</strong>strumentell anspruchsvollen Komb<strong>in</strong>ationen mehrerer extremerBed<strong>in</strong>gungen geschuldet. Dieser Trend ist nur <strong>mit</strong> Kont<strong>in</strong>uitätan technischem und wissenschaftlichem Know-how –und da<strong>mit</strong> Personal – zu bewältigen. Daher ist es für e<strong>in</strong>en Erfolgder Hochdruckstation von Petra III bei DESY von grundlegenderBedeutung, die bestehende Infrastruktur gezieltweiterzuentwickeln. Die dazu vorgesehene relativ kle<strong>in</strong>e Abteilungder Hochdruck-Spezialisten am DESY sollte zu diesemZweck durch e<strong>in</strong>e wissenschaftlich breiter orientierte Gruppeim Bereich „Extreme Bed<strong>in</strong>gungen“ an der Universität Hamburgunterstützt und ergänzt werden. Diese muss die Bandbreite von(Festkörper-)Physik über Materialsynthese bis zu biologischenFragestellungen abdecken; dabei s<strong>in</strong>d Prioritäten zu setzen. Aufgrunddes erheblichen <strong>in</strong>strumentellen Aufwands ist e<strong>in</strong>e Ausstattung<strong>mit</strong> eigenen f<strong>in</strong>anziellen Mitteln wesentlich, um <strong>mit</strong>konzentrierter und langfristig angelegter Expertise e<strong>in</strong> nationalrelevantes und <strong>in</strong>ternational sichtbares Kompetenzzentrum <strong>in</strong>der europäischen <strong>Forschung</strong>slandschaft zu schaffen. Parallel zuder geplanten Laserheizung und dem E<strong>in</strong>satz kondensierterGase wird es Durchsatz und Qualität der E<strong>in</strong>richtung steigern,neue Synthesemethoden abdecken, ergänzende spektroskopischeMessmöglichkeiten aufbauen und Technologien für die Erzeugungvon Drücken oberhalb von e<strong>in</strong>em Megabar zurallgeme<strong>in</strong>en Verfügung stellen.Dabei können <strong>in</strong> der deutschen Synchrotronlandschaftneben PETRA III als Quelle der dritten Generation, welche dieHauptlast der Beugungsexperimente bewältigen wird, Quellender zweiten Generation ergänzende Techniken wie optischeSpektroskopie <strong>in</strong>ternational wettbewerbsfähig abdecken.30 <strong>Synchrotronstrahlung</strong> <strong>2009</strong>


Supraleiter unter DruckAbbildung 1 Abbildung 2Abbildung 1:Ausschnitt aus derKristallstruktur desSupraleiters SrFe2As2.Dargestellt ist e<strong>in</strong>eSchicht aus Arsen- (rot)und Eisenatomen(orange). Die Ausrichtungder lokalen Momente <strong>in</strong>der magnetisch geordnetenPhase ist durch Pfeilewiedergegeben.Die Untersuchung e<strong>in</strong>er neuen Klasse von Hochtemperatursupraleitern<strong>mit</strong> <strong>Synchrotronstrahlung</strong> bei hohen Drükkenbestätigt die theoretischen Vorhersagen.Im Bereich neuer Materialien bilden Werkstoffe zur Steigerungder Energieeffizienz e<strong>in</strong>en breit gefächerten Interessenschwerpunkt.Von besonderer Bedeutung s<strong>in</strong>d Stoffe zumwiderstandslosen Stromtransport, die sogenannten Supraleiter.Seit kurzer Zeit stehen Verb<strong>in</strong>dungen von Eisen <strong>mit</strong> Arsen imMittelpunkt zahlreicher Untersuchungen, da bei e<strong>in</strong>igen dieserstrukturell vergleichsweise e<strong>in</strong>fachen Verb<strong>in</strong>dungen der Effektder Supraleitung bei überraschend hohen Temperaturen beobachtetwird.Das Verständnis der Supraleitung ist trotz <strong>in</strong>tensiver undumfangreicher Studien <strong>in</strong> den letzten beiden Jahrzehnten unvollständiggeblieben, so dass die zu Grunde liegenden Mechanismenimmer noch Gegenstand der <strong>Forschung</strong> s<strong>in</strong>d. NeueMaterialklassen werden daher oft nicht zielgerichtet entwickelt,sondern entdeckt und anschließend optimiert.Die neuen supraleitenden Materialien werden bei Temperaturenvon bis zu etwa 50 Kelv<strong>in</strong> (-220° Celsius) supraleitendund zählen da<strong>mit</strong> zur Klasse der Hochtemperatursupraleiter, dafür andere Supraleiter viel tiefere Temperaturen nötig s<strong>in</strong>d.Die Verb<strong>in</strong>dungsklasse weist als geme<strong>in</strong>sames StrukturmerkmalSchichten auf, die aus Eisen- und Arsenatomen gebildetwerden. In e<strong>in</strong>er der Strukturfamilien dieser Verb<strong>in</strong>dungenwerden unterhalb von etwa 200 Kelv<strong>in</strong> Änderungen der Symmetriebeobachtet, die <strong>mit</strong> der Ausbildung e<strong>in</strong>er speziellen magnetischenOrdnung <strong>in</strong> den Kristallen verbunden ist. Dabeiordnen sich die auf den Eisenatomen lokalisierten magnetischenMomente antiparallel entlang der e<strong>in</strong>en Achse im Kristallan, während sich die Momente <strong>in</strong> Richtung der um etwa e<strong>in</strong>Prozent verkürzten anderen Achse parallel anordnen (siehe Abbildung1). Die mikroskopische Ursache für diese besondere magnetischeOrdnung wird derzeit noch <strong>in</strong>tensiv diskutiert.Durch Änderung der chemischen Zusammensetzung kanndiese Anordnung der magnetischen Momente zu tieferen Temperaturenverschoben und schließlich vollständig unterdrücktwerden. Mit dem Verschw<strong>in</strong>den der magnetischen Ordnung iste<strong>in</strong> E<strong>in</strong>setzen der Supraleitung verbunden, <strong>in</strong> dieser Substanzfamiliebei Temperaturen zwischen 12 Kelv<strong>in</strong> und 38 Kelv<strong>in</strong>. Allerd<strong>in</strong>gsbee<strong>in</strong>flusst der Austausch von chemischen Elementennicht nur den Abstand der Atome, sondern auch die elektronischeStruktur der Verb<strong>in</strong>dungen. Um den Effekt der Abstandsabhängigkeit<strong>in</strong> re<strong>in</strong>er Form untersuchen zu können, s<strong>in</strong>d daherMessungen bei hohen Drücken und tiefen Temperaturen durchgeführtworden.Durch Komb<strong>in</strong>ation von Untersuchungen der Kristallstrukturund des elektrischen Widerstandes ist es gelungen, den Zusammenhangzwischen magnetischer Ordnung und atomarerAnordnung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em ausgedehnten Bereich der <strong>in</strong>teressantenParameter experimentell nachzuweisen (siehe Abbildung 2).Das E<strong>in</strong>setzen der magnetischen Ordnung wird durch e<strong>in</strong>eausgeprägte Änderung der Temperaturabhängigkeit des elektrischenWiderstandes angezeigt. Dieser Übergang verschiebtsich <strong>mit</strong> zunehmendem Druck zu tieferen Temperaturen. Die <strong>mit</strong>der magnetischen Ordnung e<strong>in</strong>hergehende Änderung der Kristallsymmetriekann durch e<strong>in</strong>e Aufspaltung von L<strong>in</strong>ien <strong>in</strong> denRöntgenbeugungsdiagrammen direkt beobachtet werden. InÜbere<strong>in</strong>stimmung <strong>mit</strong> den Widerstandsmessungen verschiebtsich der strukturelle Phasenübergang bei zunehmendem Druckzu tieferen Temperaturen. Da<strong>mit</strong> stehen die Ergebnisse derExperimente <strong>in</strong> guter Übere<strong>in</strong>stimmung <strong>mit</strong> der theoretischenVorhersage, dass <strong>mit</strong> zunehmendem Druck die Übergangstemperaturstark abnimmt.Die untersuchte Klasse von supraleitenden Eisen-Arsen-Verb<strong>in</strong>dungen unterscheidet sich dadurch grundsätzlich vonden kupfer- und sauerstoffhaltigen Hochtemperatursupraleitern,die <strong>in</strong> den letzten 20 Jahren Gegenstand der <strong>Forschung</strong>waren. Während <strong>in</strong> diesen die magnetische Ordnungstemperatur<strong>mit</strong> dem Druck zunimmt, zeigen die neuen Materialien e<strong>in</strong>eAbnahme und da<strong>mit</strong> ähnliche Eigenschaften wie klassische supraleitendeVerb<strong>in</strong>dungen von Metallen. Die deutlich höherenÜbergangstemperaturen zusammen <strong>mit</strong> e<strong>in</strong>er erhöhten Stabilität<strong>in</strong> magnetischen Feldern machen die neuen Materialien zuaussichtsreichen Kandidaten für wissenschaftliche und technischeAnwendungen im Bereich des widerstandslosen Stromtransports.Abbildung 2:Stabilitätsfelder hoher(weiß) und gebrochenerSymmetrie (grau) desSupraleiters SrFe2As2.Die Untersuchungenzeigen, dass die Widerstandsänderungen(T0 aus ρ [elektrischerWiderstand]) und diestrukturellen Verzerrungen(T0 aus RD[Röntgendiffraktion])bei den gleichenBed<strong>in</strong>gungen auftreten.WissenschaftlicheVeröffentlichung:M. Kumar, M. Nicklas,A. Jesche, N. Caroca-Canales, M. Sch<strong>mit</strong>t,M. Hanfland, D. Kas<strong>in</strong>athan,U. Schwarz, H. Rosner,C. Geibel:Effect of pressure on themagnetostructuraltransition <strong>in</strong> SrFe2As2.Physical Review B 78184516 (2008)<strong>Synchrotronstrahlung</strong> <strong>2009</strong> 31


METHODEN, INSTRUMENTE UND STANDARDSMethodische Möglichkeiten voll ausnutzenNur e<strong>in</strong>e gezielte Weiterentwicklung der e<strong>in</strong>gesetzten Methodenund Instrumente lassen die Möglichkeiten heutigerund zukünftiger Strahlungsquellen voll ausschöpfen.Die großen Fortschritte bei der <strong>Forschung</strong> <strong>mit</strong> <strong>Synchrotronstrahlung</strong>der letzten Jahre s<strong>in</strong>d nicht zuletzt auf die rasanteEntwicklung neuer Methoden und Instrumentezurückzuführen. Die <strong>in</strong>strumentellen Entwicklungen s<strong>in</strong>d sehrvielseitig und umfassen das gesamte Experiment – von der Erzeugungder <strong>Synchrotronstrahlung</strong> über die röntgenoptischeStrahlführung, die Probenumgebung, die Detektion der Strahlungbis h<strong>in</strong> zur Verarbeitung der gemessenen Daten. Dabei s<strong>in</strong>d<strong>mit</strong> fortschreitender Optimierung die e<strong>in</strong>zelnen Aspekte e<strong>in</strong>esExperiments immer schwerer vone<strong>in</strong>ander zu trennen. Die Automatisierungder Messung, Datenerfassung und -auswertungsowie die Probenvorbereitung und -charakterisierung <strong>in</strong> geeignetenLaboratorien <strong>in</strong> der Nähe der Strahlführungen gew<strong>in</strong>nte<strong>in</strong>e immer größere Bedeutung. Durch methodische und <strong>in</strong>strumentelleVerbesserungen können wesentliche Fortschritteerzielt werden.<strong>Synchrotronstrahlung</strong> wird seit e<strong>in</strong>igen Jahrzehnten genutzt,wobei sich e<strong>in</strong>e Vielzahl von Methoden etabliert hat.Durch den Bau der <strong>Synchrotronstrahlung</strong>squellen der drittenGeneration wie BESSY II oder die ESRF konnte die Qualität derStrahlung wesentlich verbessert werden. Insbesondere wurdeihre Brillanz um viele Größenordnungen gesteigert, so dass dieAuflösung vieler Röntgenverfahren wesentlich verbessert beziehungsweiseüberhaupt erst ermöglicht wurden (siehe<strong>Forschung</strong>sbeispiel rechts). Die im Bau bef<strong>in</strong>dliche <strong>Synchrotronstrahlung</strong>squellePETRA III bei DESY wird weltweit die brillantesteQuelle im harten Röntgenbereich se<strong>in</strong>. Sie kommt deridealen speicherr<strong>in</strong>gbasierten Quelle schon so nahe, dass wesentlicheSteigerungen der Brillanz ganz neue Konzepte erfordernwie etwa die des Freie-Elektronen-Lasers oder desEnergy-Recovery-L<strong>in</strong>acs. E<strong>in</strong>e solche Steigerung der Brillanzgegenüber dem heutigen Stand ist notwendig, um zum Beispieldie Orts- und Zeitauflösung struktureller Untersuchungen <strong>in</strong>den atomaren Bereich zu br<strong>in</strong>gen.Die hohen Brillanzen moderner und zukünftiger Quellen erforderne<strong>in</strong>e anspruchsvolle Instrumentierung. In den letztenJahren wurden hier große Fortschritte erreicht, <strong>in</strong>sbesondereauch im H<strong>in</strong>blick auf zukünftige Quellen wie den European XFEL.Dennoch s<strong>in</strong>d Optiken, mechanische Komponenten und Detektorenheute meist vom Stand der Technik begrenzt. Das führtdazu, dass die experimentellen Möglichkeiten der heutigen und<strong>in</strong>sbesondere der zukünftigen Quellen <strong>mit</strong> den derzeitigen Mittelnnoch nicht vollständig ausgeschöpft werden können. Mitneuen Undulatoren können <strong>in</strong> Zukunft die Brillanz und andereStrahlungsparameter wie etwa Polarisation weiter optimiertwerden. Besonders hohe Anforderungen stellt dies an die optischenElemente – darunter Filter, Spiegel, Monochromatorenund erste fokussierende Elemente, die trotz hoher Belastungihre Funktion unter möglichst ger<strong>in</strong>ger Bee<strong>in</strong>trächtigung derStrahlqualität erfüllen sollen. E<strong>in</strong>e optimale Nutzung der Strahlungerfordert e<strong>in</strong>e Weiterentwicklung dieser Komponenten. Mitwachsender Orts- und Zeitauflösung steigen auch die Anforderungenan fokussierende und abbildende Elemente. Auch hiers<strong>in</strong>d <strong>in</strong>strumentelle Weiterentwicklungen nötig.Für die meisten Experimente stellen die heutigen Detektorene<strong>in</strong>e starke E<strong>in</strong>schränkung dar. Dies gilt <strong>in</strong>sbesondere fürihre Orts-, Zeit- und Energieauflösung sowie Empf<strong>in</strong>dlichkeitund Dynamik. Wegweisend s<strong>in</strong>d die derzeit aufkommenden Pixeldetektoren,die e<strong>in</strong>e massiv parallele Datennahme ermöglichen.Sie bef<strong>in</strong>den sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er frühen Phase der Entwicklung.Insbesondere für ihren E<strong>in</strong>satz an FEL-Quellen besteht noch erheblicherEntwicklungsbedarf.<strong>Synchrotronstrahlung</strong> ermöglicht das Innere e<strong>in</strong>er Probe zuuntersuchen. Dies wird zunehmend <strong>in</strong> Experimenten genutzt,bei denen Proben zum Beispiel <strong>in</strong> chemischen Reaktoren unterhohen Drücken, bei verschiedenen Temperaturen oder <strong>in</strong> hohenMagnetfeldern untersucht werden. Hier kann die Entwicklungspezieller Probenumgebungen zur Untersuchung von Materieunter kontrollierten – auch zeitlich veränderlichen – Bed<strong>in</strong>gungenbeitragen, die <strong>mit</strong> anderen Methoden nicht möglich ist.Neben der <strong>in</strong>strumentellen s<strong>in</strong>d auch methodische Entwicklungennotwendig – etwa im Bereich der Datennahme und -<strong>in</strong>terpretation.Letztere erlangt e<strong>in</strong>e Schlüsselrolle, z. B. <strong>in</strong> der Tomographieoder bei der Rekonstruktion e<strong>in</strong>es Objekts aus se<strong>in</strong>emBeugungbild (siehe <strong>Forschung</strong>sbeispiel rechts).Wie bereits <strong>in</strong> der makromolekularen Kristallographie e<strong>in</strong>drucksvolldemonstriert, ist e<strong>in</strong>e systematische Standardisierungund Optimierung der Abläufe notwendig, um das Potentialmoderner und zukünftiger Quellen auszuschöpfen.32 <strong>Synchrotronstrahlung</strong> <strong>2009</strong>


Abbildung 1Blitzaufnahmen bei FLASHE<strong>in</strong> Meilenste<strong>in</strong> auf dem Weg zur Methode der hochauflösendenRöntgenmikroskopie gelang Forschern am Freie-Elektronen-Laser FLASH bei DESY <strong>in</strong> Hamburg.Bei der Abbildung kle<strong>in</strong>ster Objekte <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Mikroskop begrenztdie zur Abbildung verwendete Optik neben der Wellenlängedes Lichts die Schärfe des Bildes. Mit zunehmenderAuflösung wird es immer schwieriger, e<strong>in</strong>e geeignete Optik zubauen.Daher haben Wissenschaftler des Teams um Henry Chapman<strong>in</strong> ihren Arbeiten im Jahre 2006 die Strahlungspulse desFreie-Elektronen-Lasers FLASH bei DESY <strong>in</strong> Hamburg verwendet,um <strong>mit</strong> Hilfe der sogenannten Abbildung durch Streuung<strong>mit</strong> kohärenter Strahlung ohne abbildende Optiken auszukommen.Sie nutzten dabei die Laserlichtartigkeit (Kohärenz) derStrahlung aus. Die Arbeit wurde <strong>in</strong> Nature veröffentlicht.Experimentell ist das Verfahren leicht zu verstehen: Zunächstwurde <strong>mit</strong> Hilfe e<strong>in</strong>es Nanostrukturierungsverfahrensdie Testprobe hergestellt (zwei Strichmännchen unter der Sonne<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er dünnen Siliziumnitridmembran). Der ultrakurze Laserpulsvon FLASH wurde leicht auf diese Probe fokussiert und belichtetesie für etwa 25 billiardstel Sekunden (25 fs) – e<strong>in</strong>e Zeit,<strong>in</strong> der die Bewegung der Atome e<strong>in</strong>gefroren ist. Das von derProbe gestreute Licht wurde dann über e<strong>in</strong>en Spiegel auf e<strong>in</strong>enDetektor gelenkt, während der direkte ungestreute Strahl durche<strong>in</strong> Loch im Spiegel weitergeleitet wurde. Auf diese Weise entstande<strong>in</strong> Streubild, das <strong>mit</strong> Hilfe des Computers zurückgerechnetwerden kann. Das rekonstruierte Bild zeigt e<strong>in</strong>e hoheDetailtreue und hat e<strong>in</strong>e Ortsauflösung von 62 nm, was etwae<strong>in</strong>em Tausendstel e<strong>in</strong>er Haaresbreite entspricht.Die kurze Belichtungszeit und hohe Ortsauflösung hat hierjedoch ihren Preis: Die Intensität im FEL-Puls war so hoch, dasssich die Probe auf ca. 60.000 Grad erhitzte bevor sie verdampfte.Die Kürze des beleuchtenden Pulses reichte jedoch aus, zuvore<strong>in</strong> scharfes Bild aufzuzeichnen. Die Ortsauflösung ist hierdurch die Wellenlänge der Laserstrahlung und den beleuchtetenÖffnungsw<strong>in</strong>kel des Detektors beschränkt und hat da<strong>mit</strong>das Potential, <strong>in</strong> Zukunft am European XFEL erheblich gesteigertzu werden.Mit diesem Experiment wurden sowohl die Abbildung <strong>mit</strong>e<strong>in</strong>zelnen FEL-Pulsen demonstriert als auch Modelle zur Entstehungvon Strahlenschäden bei Beleuchtung <strong>mit</strong> <strong>in</strong>tensiverFreie-Elektronen-Laserstrahlung verifiziert. Es stellt so<strong>mit</strong> e<strong>in</strong>enMeilenste<strong>in</strong> auf dem Weg zur hochauflösenden Röntgenmikroskopiedar, <strong>in</strong>sbesondere für strahlenempf<strong>in</strong>dliche biologischeProben, die während längerer Belichtung zerstört würden undso<strong>mit</strong> nicht <strong>mit</strong> herkömmlichen Verfahren abgebildet werdenkönnen. Durch geeignete <strong>mit</strong> dem Laserpuls synchronisierte Anregungder Probe, etwa durch e<strong>in</strong>en ebenso kurzen Laserpulsim sichtbaren Bereich, können <strong>mit</strong> dieser Methode auch strukturelleVeränderungen auf atomarer Zeitskala er<strong>mit</strong>telt werden.Ziel ist es, die Ortsauflösung zu erhöhen, bis h<strong>in</strong> zur Wellenlängeder e<strong>in</strong>gesetzten Strahlung, die für harte Röntgenstrahlungim atomaren Bereich liegt.Abbildung 2Abbildung 3Abbildung 1:Der Freie-Elektronen-Laserstrahl(von l<strong>in</strong>ks) wirdauf e<strong>in</strong>e Testprobe gebündelt,die aus zwei Strichmännchenund e<strong>in</strong>erSonne besteht. Die Längedes Balkens im Bild entsprichte<strong>in</strong>em Mikrometer.Die von der Probe gestreuteLaserstrahlungwird <strong>mit</strong> Hilfe e<strong>in</strong>es Spiegelsauf e<strong>in</strong>en Detektorreflektiert, während derungestreute Strahl, derden Detektor <strong>in</strong> hohemMaße überbelichtenwürde, durch e<strong>in</strong> Loch imSpiegel weitergeleitetwird.Abbildung 2:Streubild der Testprobe,das <strong>mit</strong> e<strong>in</strong>em e<strong>in</strong>zigenPuls von ca. 25 FemtosekundenLänge aufgezeichnetwurde.Abbildung 3:Bild der Probe, das ausdem Streubild <strong>mit</strong> Hilfedes Computers rekonstruiertwurde.WissenschaftlicheVeröffentlichung:Henry Chapman, et al.:Femtosecond diffractiveimag<strong>in</strong>g with a soft-X-rayfree-electron laser.Nature Physics 2 839-843(2006)<strong>Synchrotronstrahlung</strong> <strong>2009</strong> 33


FREIE-ELEKTRONEN-LASERBereit für die RevolutionIm Bereich der Freie-Elektronen-Laser nimmt <strong>Deutschland</strong>e<strong>in</strong>e Führungsposition e<strong>in</strong>. Diese gilt es <strong>in</strong> den nächstenJahren zu sichern und auszubauen.Freie-Elektronen-Laser (FEL) liefern Röntgenblitze von unerreichterQualität. Mit hundertmillionenfach erhöhter Brillanzbei gleichzeitig mehr als 10.000 Mal kürzeren Pulszeiten imVergleich zu den besten bisherigen Quellen eröffnen sich völligneue Dimensionen. Diese Quellen haben das Potential, e<strong>in</strong>e Revolution<strong>in</strong> den verschiedensten Wissensgebieten e<strong>in</strong>zuleiten.Mit Hilfe dieser Röntgenlaser wird es <strong>in</strong>nerhalb des nächstenJahrzehnts möglich se<strong>in</strong>, Echtzeitaufnahmen vom Ablaufchemischer Reaktionen <strong>mit</strong> atomarer Auflösung zu erstellen –<strong>mit</strong> Auswirkungen auf für die chemische Industrie relevanteProzesse. Zudem wird die geometrische Struktur von e<strong>in</strong>zelnenNanoteilchen wie etwa großen Biomolekülen und deren Elektronenverteilungzugänglich werden – <strong>mit</strong> entscheidender Bedeutungfür die mediz<strong>in</strong>ische und die pharmazeutische<strong>Forschung</strong>. Die kurzen Pulse im Zusammenhang <strong>mit</strong> der Laserlichtartigkeit(Kohärenz) der Strahlung erlauben völlig neueE<strong>in</strong>blicke <strong>in</strong> Nanomaterialien auf atomaren Zeit- und Längenskalen– <strong>mit</strong> höchster Relevanz für die Entwicklung neuerMaterialien und Speicher für die Computer- und Elektronik<strong>in</strong>dustrie.Röntgenlaser werden aber auch fundamental neue Erkenntnisseüber die Grundlagen der Licht-Materiewechselwirkungan e<strong>in</strong>fachen Systemen aus Atomen und Ionen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>emIntensitätsbereich liefern, der viele Größenordnungen entferntvon bisher Bekanntem ist. Sie ermöglichen erstmals die Untersuchungder Bildung und des Zerfalls von Molekülionen undRadikalen unter E<strong>in</strong>fluss von energiereicher Strahlung <strong>in</strong> irdischenLabors. Beide Reaktionen s<strong>in</strong>d von höchster Bedeutung –nicht nur <strong>in</strong> der Atmosphärenchemie unter Sonnene<strong>in</strong>strahlung,sondern auch für das Verständnis der Grundlagen der Molekülentstehungim Weltraum, wo man <strong>in</strong>zwischen mehr alshundert verschiedene, zum Teil komplexe Moleküle bis h<strong>in</strong> zuden Konstituenten des Lebens nachgewiesen hat (siehe <strong>Forschung</strong>sbeispielauf der rechten Seite).Nicht zuletzt s<strong>in</strong>d Röntgenlaser aufgrund der enormenSpitzen<strong>in</strong>tensitäten <strong>in</strong> der Lage, heiße Plasmen, wie sie etwa imKernbereich von Planeten auftreten, zu erzeugen und derendynamisches Verhalten zeitaufgelöst zu verfolgen.<strong>Deutschland</strong> ist weltweit führend auf dem Gebiet der Freie-Elektronen-Laser. Bei DESY <strong>in</strong> Hamburg wird FLASH als weltweiterster FEL für Nutzer betrieben. Er liefert äußerst kurzePulse im extremen Ultraviolet (XUV) und da<strong>mit</strong> im für die Lebenswissenschaftenwichtigen Wellenlängenbereich des Wasserfensters.Bei FLASH werden unter Federführung odermaßgeblicher Beteiligung von Gruppen aus <strong>Deutschland</strong> zurzeitPionierexperimente <strong>in</strong> vielen Wissenschaftsfeldern durchgeführt.Unterstützt wird dies durch die E<strong>in</strong>richtung desBMBF-<strong>Forschung</strong>sschwerpunkts „FLASH: Materie im Licht ultrakurzerund extrem <strong>in</strong>tensiver Röntgenpulse“. Die Nutzung derphantastischen Möglichkeiten der neuen Quellen wird durchdie Gründung <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>ärer <strong>Forschung</strong>szentren wie desCenter for Free-Electron Laser Science (CFEL) <strong>in</strong> Hamburg gefördert.<strong>Deutschland</strong> hat e<strong>in</strong>e herausragende Stellung bei derEntwicklung von FEL-Quellen für den XUV- und Röntgenspektralbereichund ist federführend beim Bau des European XFEL.Mittel- und langfristig ist es entscheidend, die Führungsposition<strong>Deutschland</strong>s bei Entwicklung, Betrieb und Nutzung von FEL-Quellen zu sichern und auszubauen. Dazu s<strong>in</strong>d folgende Maßnahmennotwendig:• die starke deutsche Beteiligung am European XFEL <strong>mit</strong> demZiel e<strong>in</strong>er signifikanten Mitwirkung an der Konzeption und Realisierungder Experimentiermöglichkeiten und dem Aufbau e<strong>in</strong>erstarken deutschen Nutzergeme<strong>in</strong>de für den European XFEL,• die Weiterentwicklung von FLASH zu FLASH II durch die Zusammenarbeitvon DESY und dem Helmholtz-Zentrum Berl<strong>in</strong><strong>mit</strong> dem Ziel, XUV-Strahlung für e<strong>in</strong>e größere Nutzerschaft zurVerfügung zu stellen und gleichzeitig neue Konzepte zu realisieren,die z. B. Experimente ermöglichen, bei denen Terahertzundoptische Pulse <strong>mit</strong> den FEL-Pulsen perfekt synchronisierts<strong>in</strong>d,• die deutsche Beteiligung bei LCLS <strong>in</strong> Stanford, die <strong>2009</strong> alserste FEL-Quelle für Röntgenstrahlung <strong>in</strong> Betrieb gehen wird• und die Intensivierung der Zusammenarbeit <strong>mit</strong> der traditionellenLaserphysik <strong>mit</strong> dem Ziel, die komplementäre Entwicklungim Bereich der Quellen für höhere Harmonische, sowieder durch kompakte Laser getriebenen Beschleuniger- und Attosekundenquellenfür FELs zu nutzen und den Transfer vonetablierten experimentellen Konzepten und neuen Entwicklungenaus der Laserphysik an die FEL-Quellen zu ermöglichen.34 <strong>Synchrotronstrahlung</strong> <strong>2009</strong>


Weltraumchemie im Labor untersuchtUntersuchungen bei FLASH zeigen, dass bisherige Modellrechnungenfür die Wechselwirkung von Molekülen <strong>mit</strong>energiereicher Strahlung unvollständig s<strong>in</strong>d.Mit Hilfe von Radioteleskopen und Satelliten-Missionenhaben Wissenschaftler <strong>in</strong>zwischen mehr als hundert verschiedene,zum Teil komplexe Moleküle im Weltraum nachweisenkönnen – darunter auch die Bauste<strong>in</strong>e des Lebens. Doch überdie chemischen Schritte, die zu diesen Molekülen führen, istsehr wenig bekannt – nicht zuletzt weil sie <strong>in</strong> Anwesenheit sehrenergiereicher Strahlung ablaufen, ähnlich wie die Prozesse <strong>in</strong>der Erdatmosphäre unter der E<strong>in</strong>wirkung von Sonnenlicht.Im Jahr 2007 haben Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Kernphysik <strong>in</strong> Heidelberg, des Weizmann-Instituts<strong>in</strong> Rehovot, Israel, sowie der Universität Aarhus, Dänemark, <strong>in</strong>Zusammenarbeit <strong>mit</strong> DESY <strong>in</strong> Hamburg <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Pionierexperimenterstmals den Aufbruch von Molekülionen durch Strahlungim extremen Ultraviolett (XUV) abgebildet. Die Ergebnissee<strong>in</strong>es Experiments am Freie-Elektronen-Laser FLASH weisennach, dass bisherige Modellvorstellungen unvollständig s<strong>in</strong>d,und demonstrieren zugleich e<strong>in</strong>en experimentellen Zugang zubestimmten chemischen Prozessen im Universum.Freie-Elektronen-Laser revolutionieren die experimentellenMöglichkeiten <strong>in</strong> diesem Feld: Während die meisten Moleküleim sichtbaren Licht <strong>in</strong>takt bleiben und sich allenfalls zu höhererchemischer Aktivität anregen lassen, platzen sie unter XUVoderRöntgenstrahlung häufig <strong>in</strong> ihre Bestandteile auf. Die Elektronendes Moleküls nehmen dabei die Energie e<strong>in</strong>es Strahlungsquantsauf und es entsteht e<strong>in</strong> energiereiches, <strong>in</strong>stabilesGebilde, das <strong>in</strong>nerhalb kürzester Zeit zerfällt. Dabei ordnen sichdie Atome neu an oder fliegen als Bruchstücke – kle<strong>in</strong>ere Moleküleoder auch Atome – weg. Diese Prozesse s<strong>in</strong>d von großerBedeutung für chemische Reaktionsketten und -zyklen <strong>in</strong> <strong>in</strong>terstellarenMolekülwolken und im frühen Universum, aberauch <strong>in</strong> der hohen Atmosphäre und <strong>in</strong> <strong>in</strong>dustriellen Plasmen.Ziel des Experiments war es, den Aufbruch e<strong>in</strong>zelner Moleküledurch die Wechselwirkung <strong>mit</strong> den <strong>in</strong>tensiven Strahlungspulsenvon FLASH zu beobachten und möglichst alleBruchstücke <strong>in</strong> ihrer Bewegung und ihrem <strong>in</strong>neren Zustand zuvermessen. Hierzu brachten die Forscher Molekülionen auf hoheGeschw<strong>in</strong>digkeit. Während des schnellen Fluges wurde ihr Zerfalldurch die Wechselwirkung <strong>mit</strong> der energiereichen Strahlungvon FLASH ausgelöst. Die Bruchstücke flogen dann <strong>in</strong>e<strong>in</strong>em engen W<strong>in</strong>kelbereich nach vorne weiter, jedes e<strong>in</strong>zelnehatte dabei genug Energie, um auf Nachweisgeräten zuverlässigabgebildet zu werden.In den ersten Experimenten bei FLASH wurde das Verhaltenvon Heliumwasserstoff-Ionen (HeH + ) erforscht. In denExperimenten wurde untersucht, <strong>in</strong>wieweit das Ause<strong>in</strong>anderbrechender Moleküle von der Polarisation der Strahlung abhängt,also der Richtung, <strong>in</strong> der die Strahlung schw<strong>in</strong>gt.Zerbricht das Molekül entlang der Polarisation der FLASH-Blitze, so erhält man e<strong>in</strong> langsameres und e<strong>in</strong> schnelleres Fragment,welche nache<strong>in</strong>ander auf den Detektor auftreffen.Umgekehrt werden beim Aufbruch senkrecht zur Polarisationdie Fragmente praktisch zeitgleich an verschiedenen Orten aufdem Detektor nachgewiesen.Das Ergebnis der Messungen ergab nun e<strong>in</strong>e Überraschung:Die bisher theoretisch betrachteten Molekülzustände hatten fürdiesen Prozess e<strong>in</strong>en Aufbruch entlang der Polarisation vermutenlassen. Dagegen fand die Kollaboration um die Max-Planck-Forscher überwiegend senkrecht zur Polarisation gerichteteFragmente, was darauf h<strong>in</strong>deutet, dass bei Modellrechungenviele der wesentlichen Molekülzustände von HeH + für diesenProzess bisher nicht genug Beachtung gefunden haben unddass bereits e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>faches System wie HeH + überraschende Ergebnisseliefert.Die Messungen bei FLASH demonstrieren e<strong>in</strong>e Methode,Molekülfragmentation durch energiereiche Strahlung abzubilden.In Zukunft wollen die Forscher diese Prozesse auch beikomplexeren Molekülen untersuchen. Die so zu gew<strong>in</strong>nendenDaten s<strong>in</strong>d von weitreichender Bedeutung z. B. für die Frage derSynthese organischer Moleküle im <strong>in</strong>terstellaren Raum undihrer Überlebensfähigkeit <strong>in</strong> den Strahlungsfeldern dort.L<strong>in</strong>ke Abbildung:Aufbruch der chemischenB<strong>in</strong>dung des MolekülionsHeH + durch extremesUltraviolettlicht bei 32nm Wellenlänge parallel(a) und senkrecht (b) zurPolarisationsrichtung derPhotonen (blauer Doppelpfeil)Rechte Abbildung:Flugzeiten und Orte dernachgewiesenen Fragmente.Die Farbskala (vonblau nach rot) gibt dieHäufigkeit der Ereignissean. Es wird vorzugsweisee<strong>in</strong> Aufbruch des Molekülssenkrecht zur Polarisation(Doppelpfeil)beobachtet. Die Ereignisseformen e<strong>in</strong>en R<strong>in</strong>g,dessen Radius Auskunftüber die Energiebilanz derReaktion liefert.WissenschaftlicheVeröffentlichung:H. B. Pedersen, S. Altevogt,B. Jordon-Thaden,O. Heber et al.: CrossedBeams PhotodissociationImag<strong>in</strong>g of HeH + withVacuum Ultraviolet Free-Electron Laser Pulses.Physical Review Letters,Vol. 98, 223202 (2007)<strong>Synchrotronstrahlung</strong> <strong>2009</strong> 35


INDUSTRIELLE ANWENDUNGENMit brillanten E<strong>in</strong>sichten zum <strong>in</strong>dustriellen Erfolg<strong>Forschung</strong> <strong>mit</strong> <strong>Synchrotronstrahlung</strong> stellt e<strong>in</strong> wichtigesInstrument für e<strong>in</strong>e Vielzahl von anwendungsorientiertenUntersuchungen dar.Die e<strong>in</strong>zigartigen Eigenschaften von <strong>Synchrotronstrahlung</strong>werden für zahlreiche Anwendungsbereiche genutzt, die zumTeil e<strong>in</strong>e große gesellschaftliche Herausforderung darstellen.Das Spektrum der untersuchten Systeme reicht von w<strong>in</strong>zigenNanostrukturen für die Chipherstellung bis h<strong>in</strong> zu Bauteilen fürdie Flugzeug<strong>in</strong>dustrie. Praktisch alle wesentlichen Methoden,die an <strong>Synchrotronstrahlung</strong>squellen verfügbar s<strong>in</strong>d, kommendabei zum E<strong>in</strong>satz.Beispiele <strong>in</strong>dustrieller Anwendung s<strong>in</strong>d:• Wasserstofftechnologie: Die Notwendigkeit, den Ausstoßdes Treibhausgases Kohlendioxid bei der Energieerzeugung zuverr<strong>in</strong>gern, erfordert neue Materialien <strong>mit</strong> maßgeschneidertenEigenschaften sowie darauf abgestimmte neue Herstellungstechnologien.E<strong>in</strong>e große Herausforderung stellt beispielsweisedie Entwicklung neuer Materialien für die Speicherung vonWasserstoff <strong>mit</strong> hoher Dichte bei ger<strong>in</strong>gen Kosten und ger<strong>in</strong>gemGewicht dar. E<strong>in</strong>e weitere wichtige Aufgabe besteht <strong>in</strong> derOptimierung der Technologie von Brennstoffzellen. AnomaleBeugung und Spektroskopie <strong>mit</strong> <strong>Synchrotronstrahlung</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>emweiten Energiebereich, z. T. <strong>in</strong>-situ, d. h. während des Betriebs,liefert entscheidende Informationen für die Entwicklung dieserZukunftstechnologien.• Leichtbauweise: Steigende Energiepreise und wachsendesUmweltbewusstse<strong>in</strong> stellen ständig neue Anforderungen anMaterialien, Bauteile und ihre Herstellungsprozesse. NachhaltigeMobilität erfordert zur Energiee<strong>in</strong>sparung neue Leichtbaukonzepte,die auf umweltfreundlichen lasttragendenMaterialien und besseren Fügetechnologien für den Bau vonFahrzeugen und Flugzeugen <strong>in</strong>klusive ihrer Antriebse<strong>in</strong>heitenberuhen. Zur Charakterisierung und Optimierung von Bauteilenund Schweißnähten liefern Messungen von <strong>in</strong>neren Spannungenund Texturen sowie Poren und Rissen <strong>mit</strong> Diffraktionund hochauflösender Tomographie <strong>mit</strong> <strong>Synchrotronstrahlung</strong>oft wesentliche Beiträge (siehe <strong>Forschung</strong>sbeispiel auf der rechtenSeite).• Medikamente und Implantate: Das Verständnis von Struktur,Dynamik, Selbstorganisation und Wechselwirkung von Biomaterieauf verschiedenen Längenskalen von Makromolekülenüber Membranen bis zu ganzen Zellen auf molekularer und atomarerEbene ist die Basis für e<strong>in</strong> besseres Verständnis von physiologischenProzessen, für die Heilung von Krankheiten sowiebessere und spezifischere Medikamente. Neue bioverträglicheMaterialen ermöglichen haltbarere Implantate, die <strong>in</strong> e<strong>in</strong>eralternden Gesellschaft von großer Bedeutung s<strong>in</strong>d. Prote<strong>in</strong>kristallographie,Röntgenmikroskopie- und Computertomographie,sowie Photonenkorrelationsspektroskopie <strong>mit</strong> <strong>Synchrotronstrahlung</strong>tragen entscheidend zu dieser <strong>Forschung</strong> bei.• M<strong>in</strong>iaturisierung: Die Informationstechnologie sowie dieneuen Technologien auf Basis von Nano- und Biosystemen s<strong>in</strong>dvon ständig wachsender Bedeutung <strong>in</strong> vielen Lebensbereichen– von der Kommunikationstechnologie bis zur mediz<strong>in</strong>ischenTechnologie. Der ständige Bedarf an weiterer M<strong>in</strong>iaturisierungund Funktionalisierung geht dabei e<strong>in</strong>her <strong>mit</strong> e<strong>in</strong>em wachsendenBedarf an Charakterisierungsmethoden von Nanomaterialienauf verschiedenen Skalen bis zur atomaren Ebene und vondynamischen Prozessen auf verschiedenen Zeitskalen. Streuungunter streifendem E<strong>in</strong>fall wie etwa an Sp<strong>in</strong>tronik-Bauelementen,hochauflösende Spektroskopie sowie die Nutzung vonFemtosekunden-Röntgenpulsen liefern wesentliche Informationenüber die Struktur und das zeitliche Verhalten von Nanostrukturen.Dabei wird teilweise <strong>Synchrotronstrahlung</strong> <strong>mit</strong>Strahldurchmessern im Mikro- und Nanometerbereich genutzt,um e<strong>in</strong>e hohe Ortsauflösung zu erzielen.In all diesen Beispielen kann <strong>Synchrotronstrahlung</strong> wesentlicheE<strong>in</strong>sichten liefern, die <strong>mit</strong> Hilfe anderer Methodennicht gewonnen werden können. Zu den Nutzern von <strong>Synchrotronstrahlung</strong>zur anwendungsorientierten <strong>Forschung</strong> zählendabei Hochschulen und außeruniversitäre <strong>Forschung</strong>se<strong>in</strong>richtungenebenso wie Industrieunternehmen, die Synchrotronstrahlzeitim Rahmen von <strong>in</strong>dustrieller <strong>Forschung</strong> undEntwicklung oder zur Qualitätskontrolle kaufen. Um den speziellenAnforderungen von Industriekunden gerecht werden zukönnen, unternehmen die Quellenbetreiber besondere Anstrengungen.Hierzu gehört die Bereitstellung von speziell geschultemPersonal für die komplette Abwicklung von kurzfristigenIndustrieaufträgen, e<strong>in</strong>schließlich der Interpretation der Messergebnisseund dem Abschluss von Geheimhaltungsverträgen.36 <strong>Synchrotronstrahlung</strong> <strong>2009</strong>


<strong>Synchrotronstrahlung</strong> überwacht SchlankheitskurenMittels <strong>Synchrotronstrahlung</strong> im Röntgenbereich untersuchenForscher neue Schweißmethoden für den Flugzeugbau.Das Ziel s<strong>in</strong>d leichtere Flugzeuge, die wenigerTreibstoff verbrauchen.Flugzeugbauer gehen mehr und mehr dazu über, metallischeVerb<strong>in</strong>dungen <strong>in</strong> Flugzeugen zu schweißen und so die klassischeVerb<strong>in</strong>dungstechnik des Nietens zu ersetzen. Schweißverb<strong>in</strong>dungenhaben entscheidende Vorteile gegenüber Nieten:Sie s<strong>in</strong>d schneller zu produzieren, sie können Probleme <strong>mit</strong> Korrosionreduzieren und sie verr<strong>in</strong>gern das Gewicht des Flugzeugs.Um bis zu e<strong>in</strong>em Kilogramm pro Meter Naht können Flugzeugedurch das Schweißen leichter werden. Insbesondere die Gewichtsreduzierungspielt e<strong>in</strong>e bedeutende Rolle, da sie zu ger<strong>in</strong>geremTreibstoffverbrauch und höherer Nutzlast führt.Als Schweißverfahren für die im Flugzeugbau verwendetenAlum<strong>in</strong>iumlegierungen eignen sich <strong>in</strong>sbesondere das Reibrührschweißenund das Laserstrahlschweißen.Das Reibrührschweißen wurde erst zu Beg<strong>in</strong>n der 1990erJahre entwickelt. Da es sich hierbei um e<strong>in</strong>en Festkörperprozesshandelt, bei dem die zu verb<strong>in</strong>denden Metalle nicht schmelzen,sondern bei erhöhter Temperatur <strong>mit</strong>e<strong>in</strong>ander verrührt werden,haben diese Verb<strong>in</strong>dungen hervorragende mechanische Eigenschaften.Insbesondere lassen sich auch Alum<strong>in</strong>iumlegierungenverb<strong>in</strong>den, die <strong>mit</strong> herkömmlichen Schmelzschweißverfahrennicht oder nur sehr schlecht geschweißt werden können. Diesmacht das Reibrührschweißen nicht nur für den Flugzeugbau,sondern auch für andere Industriezweige <strong>in</strong>teressant.In e<strong>in</strong>em weltweit bislang e<strong>in</strong>zigartigen Versuchsaufbau hatdas GKSS-<strong>Forschung</strong>szentrum die leistungsfähige Reibrührschweißanlage„Flexi-Stir“ (siehe Abbildung) für In-situ-Versuchean se<strong>in</strong>er Hochenergie-Beaml<strong>in</strong>e HARWI-II an DORIS IIIbei DESY <strong>in</strong>stalliert. Das Projekt wird im Rahmen des virtuellenInstituts IPSUS (Improv<strong>in</strong>g Performance and Productivity ofIntegral Structures through Fundamental Understand<strong>in</strong>g ofMetallurgical Reactions <strong>in</strong> Metallic Jo<strong>in</strong>ts) von der Helmholtz-Geme<strong>in</strong>schaft gefördert.Hohe Röntgenenergien s<strong>in</strong>d erforderlich, da sich nur so diezu schweißenden Bleche durchdr<strong>in</strong>gen und die Veränderungendes Werkstoffs <strong>in</strong> der un<strong>mit</strong>telbaren Nähe des Schweißwerkzeugsstudieren lassen. Zwar lassen sich viele Aspekte auch„post mortem“ an nach dem Schweißen erkalteten Material untersuchen,jedoch kann man dynamische Effekte, die nicht nurdurch das Temperaturfeld, sondern auch durch dessen zeitlicheund örtliche Variation sowie den Materialfluss während desRührens zustande kommen, nur <strong>in</strong>-situ, d. h. während desSchweißens untersuchen. Auf diese Weise kann man wichtigeInformationen für die Prozessmodellierung erlangen, die für dieOptimierung des Schweißprozesses wesentlich ist. Nur hoch<strong>in</strong>tensive<strong>Synchrotronstrahlung</strong> ermöglicht e<strong>in</strong>e h<strong>in</strong>reichendschnelle Messung für derartige In-situ-Experimente.Laserstrahlschweißen wird heute im Flugzeugbau erst anwenigen Stellen des Flugzeugrumpfes e<strong>in</strong>gesetzt. Die Mikro-Computertomographie bietet für die Untersuchung vonLaserschweißnähten exzellente Möglichkeiten. Bei der Computertomographierekonstruiert e<strong>in</strong> Computer Objekte dreidimensionalaus e<strong>in</strong>er Vielzahl e<strong>in</strong>zelner zweidimensionaler Projektionsbildern.Zwar gibt es heute bereits sehr leistungsfähigeLabortomographen, die mancherorts <strong>in</strong> der Industrie e<strong>in</strong>gesetztwerden, jedoch bleibt diesen Geräten e<strong>in</strong> Bereich verschlossen,zu dem man nur <strong>mit</strong> sehr <strong>in</strong>tensiver monochromatischer <strong>Synchrotronstrahlung</strong>Zugang hat. Mit letzterer kann man so hoheDichteauflösungen erzielen, dass sich beispielsweise zwei verschiedeneAlum<strong>in</strong>iumlegierungen und die Schweißnaht unterscheidenlassen. Das Material der Schweißnaht lässt sich <strong>in</strong> demdreidimensionalen Datensatz entfernen, so dass man z. B. Poren(<strong>in</strong> der Abbildung blau dargestellt) sichtbar machen kann. Diedabei heute rout<strong>in</strong>emäßig erreichbare Ortsauflösung liegtbereits bei e<strong>in</strong>em Mikrometer. Da<strong>mit</strong> kann beispielsweise dieAusbreitung von Rissen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Schweißnaht und deren Wechselwirkung<strong>mit</strong> vorhandenen Poren als Funktion der Schweißparameter<strong>mit</strong> dem Ziel der Prozessoptimierung untersuchtwerden.L<strong>in</strong>ke Abbildung:Die Reibrührschweißapparatur„FlexiStir“ ander Hochenergie-Beaml<strong>in</strong>eHARWI-II@DESY.Die Masch<strong>in</strong>e wird zumSchweißen auf 60° gekippt,da<strong>mit</strong> der Röntgenstrahldie Schweißnahtdurchdr<strong>in</strong>gen und zumDetektor gelangen kann.Rechte Abbildung:Tomographische Rekonstruktione<strong>in</strong>es Bereichese<strong>in</strong>er Laserschweißverb<strong>in</strong>dungvon zwei Alum<strong>in</strong>ium-Legierungen.Verschiedene Grauwerterepräsentieren verschiedeneMaterialdichten(1, 2 und 3). Der Ausschnittzeigt sichtbargemachte Poren <strong>in</strong> derSchweißnaht.WissenschaftlicheVeröffentlichungen:[F. Beckmann et al.,Adv. Eng. Mat. 9 (2007)939-950J. Herzen et al., Proc. ofSPIE 7078 (2008) 70781V<strong>Synchrotronstrahlung</strong> <strong>2009</strong> 37


BESSY IIam Helmholtz-Zentrum Berl<strong>in</strong>Der Elektronenspeicherr<strong>in</strong>g BESSY II des Helmholtz-ZentrumsBerl<strong>in</strong> für Materialien und Energie (HZB) ist nun seit überzehn Jahren <strong>in</strong> Betrieb und ist immer noch die e<strong>in</strong>zige deutsche<strong>Synchrotronstrahlung</strong>squelle der dritten Generation. Der Ausbauder Nutzere<strong>in</strong>richtungen war sehr rasant. Bereits zwei Jahrenach Beg<strong>in</strong>n des Nutzerbetriebs waren 29 Strahlführungen <strong>in</strong>Betrieb und weitere 13 im Aufbau. Heute ist der Platz <strong>in</strong> derExperimentierhalle rar, denn <strong>mit</strong> rund 50 Strahlführungen undebenso vielen speziellen Experimentiere<strong>in</strong>richtungen ist derVollausbau nahezu erreicht.BESSY II stellt rund 25 % der europäischen <strong>Forschung</strong>s<strong>in</strong>frastrukturim XUV-Bereich (extremes Ultraviolett). Dabei kannBESSY II auf e<strong>in</strong>en selbst für <strong>Synchrotronstrahlung</strong>squellen extrembreiten Spektralbereich zurückgreifen, der von Terahertzbiszur harten Röntgenstrahlung (0,0006 – 150.000 eV) reicht.Dies wird durch zwei Entwicklungen ermöglicht: Zum e<strong>in</strong>endurch die Möglichkeit, den Speicherr<strong>in</strong>g im sogenannten Low-Alpha-Modus zu betreiben, wodurch BESSY II als erste Quelle <strong>in</strong>der Welt kohärente <strong>Synchrotronstrahlung</strong> im fernen Infrarotund Terahertzbereich erzeugen kann. Der Bereich der hartenRöntgenstrahlung wird durch den E<strong>in</strong>satz von supraleitendenMagnetstrukturen erreicht, von denen der 17-polige 7-Tesla-Wiggler herausragt.Durch die enorme Breite des Spektralbereichs s<strong>in</strong>d an BESSYII Methoden möglich, die man vorher nur an mehreren unterschiedlichen<strong>Synchrotronstrahlung</strong>squellen nutzen konnte oderdie gar nicht möglich waren: beispielsweise Prote<strong>in</strong>kristallo-graphie, Röntgentomographie, und -fluoreszenzanalyse sowieenergie-dispersive Diffraktion bzw. THz-spektroskopischeUntersuchung von Hochtemperatursupraleitern. So können nundie Struktur von Prote<strong>in</strong>en und Werkstoffen bestimmt undzerstörungsfreie Materialanalysen an <strong>in</strong>dustriellen Werkstoffenoder Kunstobjekten durchgeführt werden.Auch im XUV-Spektralbereich, für den BESSY II optimiertist, haben sich besonders durch den E<strong>in</strong>satz elliptischer Undulatorenneue experimentelle Möglichkeiten eröffnet. Diese komplexenMagnetanordnungen werden vom HZB an vordersterFront entwickelt und erlauben die volle Kontrolle über die Richtungund Art der Polarisation der erzeugten Strahlung. DieseOptionen kommen jedoch erst durch die entsprechenden Monochromatorenund Strahloptiken richtig zu Geltung. Das anBESSY II entwickelte Design wird nun von führenden Hardwareherstellern(FMB, Jenoptik) <strong>in</strong> Lizenz für ihre Produkte e<strong>in</strong>gesetzt.E<strong>in</strong> besonderer elliptischer Undulator kommt beimFemtosekunden-Slic<strong>in</strong>g-Aufbau zum E<strong>in</strong>satz. Hier können <strong>mit</strong>Hilfe e<strong>in</strong>es Hochleistungslasers polarisierte Röntgenpulse vonetwa 120 Femtosekunden Pulsdauer generiert werden. Da<strong>mit</strong>s<strong>in</strong>d erstmalig ultraschnelle Magnetisierungsprozesse spektroskopischuntersucht worden. Da für diese Experimente nur e<strong>in</strong>Elektronenpaket im Speicherr<strong>in</strong>g verwendet wird, bietet BESSYII seit e<strong>in</strong>iger Zeit den Hybrid-Betriebsmodus an, bei dem <strong>in</strong>die normalerweise vorhandene Lücke <strong>in</strong> der R<strong>in</strong>gfüllung e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>zigesElektronenpaket e<strong>in</strong>geführt wird. Da<strong>mit</strong> bee<strong>in</strong>flussendie Nutzer am Femtoslic<strong>in</strong>g-Messplatz nicht die Ergebnisse deranderen Nutzer.Die Methodenentwicklung für bildgebende Verfahrenbildet e<strong>in</strong>en besonderen Schwerpunkt bei BESSY II. Die Röntgenmikroskopie<strong>mit</strong> Hilfe von Fresnell<strong>in</strong>sen erlaubt die 3D-Darstellungvon Zellen bis zu e<strong>in</strong>er Auflösung von weniger als 15Nanometern, ohne zusätzliche Kontrast<strong>mit</strong>tel e<strong>in</strong>setzen undohne Schnitte anfertigen zu müssen. Die Röntgenholografie iste<strong>in</strong>e weitere vielversprechende Methode, um Mikroskopie <strong>mit</strong>kurzen Pulsen zu betreiben und da<strong>mit</strong> dynamische Prozesse abzubilden– z. B. durch den E<strong>in</strong>satz an e<strong>in</strong>em Freie-Elektronen-Laser. Mit der sp<strong>in</strong>aufgelösten Photoelektronenmikroskopie(SPEEM) kann hervorragend Domänenbildung <strong>in</strong> magnetischenMaterialien verfolgt werden. Darüber h<strong>in</strong>aus stehen Messplätzefür THz-Nahfeldmikroskopie, Infrarotmikroskopie und Rönt-38<strong>Synchrotronstrahlung</strong> <strong>2009</strong>


gentomografie sowie konfokale Röntgenfluoreszenzanalysenzur Verfügung.E<strong>in</strong> wichtiger und langjähriger Partner ist die Physikalisch-Technische Bundesanstalt, durch die BESSY II das europäischeStrahlungsnormal für Kalibrierungen von Lichtquellen und Detektorenwurde und die da<strong>mit</strong> Meilenste<strong>in</strong>e <strong>in</strong> der Photonenmetrologiegesetzt hat. Jüngster Spross dieser Zusammenarbeitist die neue „Metrology Light Source“ <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>-Adlershof, e<strong>in</strong>Niederenergiespeicherr<strong>in</strong>g, der vom früheren BESSY konzipiertund gebaut wurde und von der PTB seit 2007 betrieben wird.Weitere Kooperationspartner s<strong>in</strong>d die Bundesanstalt fürMaterialforschung und -prüfung (BAM), die Max-Planck-Gesellschaft, das IFW Dresden, das Max-Born-Institut, das <strong>Forschung</strong>szentrumJülich, das Max-Delbrück-Centrum sowiemehrere Universtäten, darunter auch die Universitäten ausMoskau und St. Petersburg, die an dem Konsortium Russisch-Deutsches Strahlrohr beteiligt s<strong>in</strong>d. Zahlreiche Kooperationspartnerkommen aber auch aus der Industrie <strong>in</strong>sbesonderedurch die Aktivitäten des „Anwenderzentrum für Mikrotechnik“(AZM). Hier werden Verfahren für die Herstellung mikromechanischerPräzisionsbauteile entwickelt und für die Industrie bereitgestellt.Dazu gehören Zahnräder und Präzisionsgetriebe,hydrophobe Oberflächen und Mikroreaktoren, die durch Nanostrukturierung<strong>mit</strong> lithographischen Verfahren hergestellt werden.Auch ist das „Vergegenständlichen“ von Hologrammenmöglich, die als diffraktive optische Elemente zur Strahlformungund Justierung von Lasern e<strong>in</strong>gesetzt werden.Als Betreiber e<strong>in</strong>er nationalen Strahlungsquelle arbeitet dasHZB an der Entwicklung zukünftiger Strahlungsquellen. So istdas HZB an der Entwicklung e<strong>in</strong>es supraleitendenden Photo<strong>in</strong>jektorsbeteiligt. In dem HoBiCaT-Teststand werden supraleitendeKavitäten auf ihre Tauglichkeit für den Dauerstrichbetriebgetestet. Außerdem wird das HGHG- und HHG-basierte Impfenvon Freie-Elektronen-Lasern wie bei FLASH II <strong>in</strong> Hamburg untersucht.Schließlich entwickelt das HZB e<strong>in</strong>en Prototypes e<strong>in</strong>esEnergy-Recovery-L<strong>in</strong>ac (BERL<strong>in</strong>Pro) – das derzeit e<strong>in</strong>zige Projektdieser Art <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong>.Zurück zum Beg<strong>in</strong>n: Vor zehn Jahren unterzeichnetenBESSY und das Hahn-Meitner-Institut e<strong>in</strong>en Kooperationsvertragüber die Intensivierung der wissenschaftlich-technischenZusammenarbeit. Aus der Kooperation wurde e<strong>in</strong>e Fusion undals neues „Helmholtz-Zentrum Berl<strong>in</strong> für Materialien und Energie“leistet man seit <strong>2009</strong> geme<strong>in</strong>sam Beiträge zur Lösunggroßer und drängender Fragen von Gesellschaft, Wissenschaftund Wirtschaft.<strong>Synchrotronstrahlung</strong> <strong>2009</strong>39


DORIS III und PETRA IIIam Helmholtz-Zentrum DESY <strong>in</strong> HamburgBei DESY steht für Experimente <strong>mit</strong> harter Röntgenstrahlungder Speicherr<strong>in</strong>g DORIS III <strong>mit</strong> 33 Strahlführungen und 40Experimentierplätzen zur Verfügung. Der Speicherr<strong>in</strong>g DORIS IIIhat e<strong>in</strong>en Umfang von etwa 300 Metern und wird bei e<strong>in</strong>er Teilchenenergievon 4,45 GeV betrieben. Auf etwa 5.000 StundenMesszeit können hier Nutzer im Jahr zurückgreifen – größtenteilsfür Experimente <strong>mit</strong> harter Röntgen-, aber auch <strong>mit</strong> ultravioletterStrahlung. Diese <strong>Synchrotronstrahlung</strong>squelle bietetsehr gute Möglichkeiten für Experimente, die e<strong>in</strong>en hohen Photonenflussim harten Spektralbereich benötigen wie zumBeispiel die Katalysatorenforschung oder die Materialwissenschaften.DORIS III wird jährlich von etwa 2.200 Wissenschaftlernund Ingenieuren für Experimente genutzt. Je e<strong>in</strong> Drittel derMessgäste arbeitet im Bereich der Strukturbiologie bzw. demder Materialwissenschaften, das restliche Drittel verteilt sichauf andere Wissenschaftsgebiete wie die Physik, Chemie, Umwelt-und Geowissenschaften sowie Mediz<strong>in</strong>.Die Experimente für Strukturbiologie werden hauptsächlichvon der Außenstation des europäischen Labors für MolekularbiologieEMBL (Heidelberg) betrieben, <strong>mit</strong> Beiträgen derUniversitäten Hamburg und Lübeck. E<strong>in</strong>en weiteren strukturbiologischerMessplatz unterhalten die Max-Planck-Arbeitsgruppenfür Strukturbiologie. Die Helmholtz-Zentren GKSS(Geesthacht) und GFZ (Potsdam) betreiben an DORIS III jeweilsspezialisierte Messplätze für die Material- und Geoforschung.Darüber h<strong>in</strong>aus experimentieren verschiedene Universitätsgruppen(vor allem aus Hamburg) an DORIS III – für die Nutzergeme<strong>in</strong>deund für ihre eigene <strong>Forschung</strong>.Ab dem Jahr 2010 wird bei DESY die neue <strong>Synchrotronstrahlung</strong>squellePETRA III für Experimente <strong>mit</strong> harter und sehrbrillanter Röntgenstrahlung an 14 Strahlführungen und etwa30 Experimentierplätzen bereitstehen.Der umgerüstete 2,3 Kilometer lange Speicherr<strong>in</strong>g PETRAIII, der bislang als Vorbeschleuniger für die Teilchenphysikdiente, wird die brillanteste Speicherr<strong>in</strong>g-Röntgenstrahlungsquelleder Welt se<strong>in</strong>. Nach vollständiger Inbetriebnahme sollPETRA III rund 5.000 Stunden Messzeit für Nutzerexperimenteanbieten. Für die Umrüstung wurden knapp 300 Meter desSpeicherr<strong>in</strong>gs komplett umgebaut und e<strong>in</strong>e neue 280 Meterlange Experimentierhalle errichtet. PETRA III wird <strong>mit</strong> e<strong>in</strong>er Teilchenenergievon 6 GeV betrieben und energiereiche Röntgenstrahlungbis über 100 keV Photonenenergie <strong>mit</strong> besondershoher Leuchtstärke liefern. So wird diese Strahlung auf e<strong>in</strong>erFläche von e<strong>in</strong>em e<strong>in</strong>zigen Quadratmillimeter e<strong>in</strong>en ebensohohen Photonenfluss liefern wie DORIS III heute auf e<strong>in</strong>igenQuadratzentimetern.PETRA III wird exzellente <strong>Forschung</strong>smöglichkeiten für dieNanowissenschaften und die Nanotechnologie bieten, die extremkle<strong>in</strong>e Proben untersuchen und Informationen <strong>mit</strong> bishernicht erreichter Auflösung über die Anordnung der Atome gew<strong>in</strong>nenmöchten. Molekularbiologen werden an PETRA III auch<strong>mit</strong> Hilfe sehr kle<strong>in</strong>er Kristalle die dreidimensionale Struktur vonProte<strong>in</strong>en bestimmen können und da<strong>mit</strong> dabei helfen, derenFunktion im Organismus aufzuklären. Die sehr kle<strong>in</strong> fokussiertenRöntgenstrahlen an PETRA III werden es <strong>in</strong> Chemie, Umweltforschungund Materialwissenschaften unter anderemerlauben, Informationen über das Innere von Proben und Werkstücken<strong>mit</strong> sehr hoher räumlicher Auflösung zu messen, ohnediese dabei zu zerstören.Zum Bau und Betrieb der Strahlführungen an PETRA III tragendas EMBL (Strukturbiologie), das GKSS-<strong>Forschung</strong>szentrum(Materialwissenschaften), die Max-Planck-Gesellschaft, der <strong>Forschung</strong>sbereichGesundheit der Helmholtz-Gesellschaft sowiedie Universitäten Hamburg und Lübeck bei.Die externen Nutzer der DESY-Photonenquellen kommenzum größten Teil aus Universitäten, aber auch von außeruni-40 <strong>Synchrotronstrahlung</strong> <strong>2009</strong>


versitären <strong>Forschung</strong>se<strong>in</strong>richtungen wie der Max-Planck- oderder Leibnitz-Gesellschaft. Über das EU-Programm „Access toResearch Infrastructures“ wird der Zugang von Forschern ausEU-Staaten durch Übernahme der Reisekosten und Beiträgenzu den Betriebskosten erleichtert. Die Aktivitäten auf dem Gebietder <strong>Forschung</strong> <strong>mit</strong> Photonen bei DESY haben sich <strong>in</strong> engerZusammenarbeit <strong>mit</strong> Universitätsgruppen entwickelt. Die Kooperation<strong>mit</strong> den physikalischen Instituten der UniversitätHamburg und anderen Universitäten <strong>in</strong> Norddeutschland istdabei besonders eng. Mitarbeiter und Mitarbeiter<strong>in</strong>nen vonDESY beteiligen sich auch an der Ausbildung von Studierenden.Bei den DESY-Speicherr<strong>in</strong>gquellen ist langfristig geplant, die Experimentiertechnikenim Bereich harter Röntgenstrahlung anPETRA III weiter auszubauen. Dabei handelt es sich vorwiegendum Experimente, die bisher nur an DORIS III betrieben werden.Darunter fallen unter anderem Techniken unter E<strong>in</strong>satz sehrharter Röntgenstrahlung im Bereich der <strong>in</strong>genieurwissenschaftlichenMaterialforschung (Textur- und Spannungsuntersuchungen)und der Absorptionsspektroskopie (z. B. Katalyseforschung).In Summe sollen die Experimentiermöglichkeitenbei PETRA III um 5 bis 10 Strahlführungen erweitert werden.Hierbei kann e<strong>in</strong> großer Teil der bei DORIS III vorhandenen Instrumentierungwiederverwendet werden. Dieser Ausbau vonPETRA III wird es erlauben, DORIS III <strong>mit</strong>telfristig stillzulegen.Im Bereich der Infrastruktur für <strong>Forschung</strong> <strong>mit</strong> Photonenbei DESY wurden verschiedene Maßnahmen begonnen, anderes<strong>in</strong>d <strong>in</strong> der Planung. So ist <strong>in</strong> naher Zukunft der Aufbau e<strong>in</strong>esNano-Labors im Umfeld von PETRA III und FLASH (siehe Seite44) geplant, um <strong>Synchrotronstrahlung</strong>sexperimente an nanoodernanostrukturierten Proben zu ermöglichen bzw. zu komplementieren.Dieses Labor soll zum e<strong>in</strong>en die lokale Expertiseund <strong>Forschung</strong>smöglichkeiten bei DESY für derartige Untersuchungenstärken und zum anderen den Nutzern der DESY-Photonenquellendie Vorbereitung und Durchführung ihrer Experimenteerleichtern. Mit e<strong>in</strong>er analogen Zielsetzung plantGKSS das „Eng<strong>in</strong>eer<strong>in</strong>g Materials Science Center at DESY“, dasMöglichkeiten zur Probenvorbereitung und – charakterisierung,verschiedene In-situ-Probenumgebungen sowie Nutzerunterstützungbei der Datenanalyse anbieten wird.Im Bereich der Lebenswissenschaften ist bei DESY unterFederführung des Helmholtz-Instituts für Infektionsforschung(HZI, Braunschweig) und der Universität Hamburg e<strong>in</strong> „Centerfor Structural Systems Biology“ (CSSB) geplant, welches vorallem die neuen Messmöglichkeiten für Strukturbiologie beiDESY nutzen wird. E<strong>in</strong>es der Hauptarbeitsgebiete dieses Zentrumssoll die Infektionsforschung se<strong>in</strong>. Zusätzlich zu den beidengenannten haben folgende Institutionen e<strong>in</strong>e Beteiligungam CSSB zugesagt: das <strong>Forschung</strong>szentrum Jülich, die Leibniz-Institute Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmediz<strong>in</strong>, He<strong>in</strong>rich-Pette-Institut für experimentelle Virologie und Immunologieund das <strong>Forschung</strong>szentrum Borstel sowie die UniversitätenLübeck und Kiel und die Mediz<strong>in</strong>ische Hochschule Hannover.<strong>Synchrotronstrahlung</strong> <strong>2009</strong> 41


ANKAam <strong>Forschung</strong>szentrum KarlsruheDie <strong>Synchrotronstrahlung</strong>squelle ANKA (ÅngströmquelleKarlsruhe) wird als nationale Quelle und zentrale E<strong>in</strong>richtungdes <strong>Forschung</strong>szentrums Karlsruhe (FZK) betrieben. An den 14Strahlführungen des Speicherr<strong>in</strong>gs (2,5 GeV) stehen 21 Experimentiere<strong>in</strong>richtungenzur Verfügung. Seit Beg<strong>in</strong>n des regulärenNutzerbetriebs im Jahr 2003 hat die Zahl der Nutzer jedesJahr drastisch zugenommen. Bisher wurde mehr als 1.100 NutzerprojektenStrahlzeit zugewiesen. Alle<strong>in</strong> im Jahr 2007 habenrund 640 Nutzer Experimente an ANKA durchgeführt.Die gegenwärtige Strategie von ANKA setzt die folgendenvier Schwerpunkte:• Betrieb und Optimierung als nationale <strong>Synchrotronstrahlung</strong>squelle<strong>mit</strong> sehr guter Nutzerbetreuung und Peer-Review-Auswahl sowohl für <strong>in</strong>terne als auch externe <strong>in</strong>ternationaleNutzergruppen, Schwerpunktsetzung bei Instrumentierungund Infrastruktur <strong>in</strong> ausgewählten <strong>Forschung</strong>sbereichen,profilierte Eigenforschung <strong>in</strong> speziellen Gebieten,• Optimierung e<strong>in</strong>zigartiger Instrumentierungen <strong>in</strong> den BereichenNano- und Mikrotechnologie, Festkörper-, Biogrenzflächen-und Akt<strong>in</strong>idenforschung, <strong>Forschung</strong> <strong>mit</strong> Infrarot- undTerahertz-Strahlung sowie die Entwicklung von supraleitendenUndulatoren,• Aufbau und Betrieb e<strong>in</strong>er erweiterten Nutzerplattform anANKA durch Ausbau und E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung e<strong>in</strong>er breiten Palette vonHerstellungs- und Analysee<strong>in</strong>richtungen <strong>in</strong> den Nano- und Mikrowissenschaftenim Rahmen der „Karlsruhe Nano Micro Facility“(KNMF),• Beteiligung an der Entwicklung neuer Synchrotrontechnologienfür Lichtquellen der dritten und vierten Generation.Die ursprünglich angestrebte überwiegende Erbr<strong>in</strong>gung vonDienstleistungen für die Wirtschaft <strong>in</strong> den Bereichen Mikrofertigungund -analytik wurde zugunsten der obigen Strategieaufgegeben. Kommerzielle Dienstleistungen werden heute vonder Stabsabteilung ANKA-CoS (Commercial Service) des FZKund der ausgegründeten Firma Microworks angeboten. Die Mikrofertigung<strong>mit</strong>tels Röntgentiefenlithographie ist e<strong>in</strong> Highlightvon ANKA und e<strong>in</strong> fundamentaler Beitrag des Instituts fürMikrostrukturtechnik zur Entwicklung mikrooptischer undröntgenoptischer Bauelemente.Zu den Schwerpunkten von ANKA zählt die Akt<strong>in</strong>idenforschung.Das Institut für Nukleare Entsorgung des FZK (INE) verfügtüber e<strong>in</strong>e Experimentierstation für Röntgenabsorption, dieWissenschaftlern e<strong>in</strong>zigartige Experimentierbed<strong>in</strong>gungen bietet.Dies wird durch e<strong>in</strong>e Umgangsgenehmigung für radioaktiveMaterialien sowie durch die im benachbarten Institutvorhandenen Handschuhboxen für den Umgang <strong>mit</strong> hochaktivenMaterialien ermöglicht.E<strong>in</strong>en weiteren Schwerpunkt bildet die Festkörperforschung.Diese erfolgt am Strahlrohr WERA des Institutsfür Festkörperphysik des KZF <strong>mit</strong> verschiedenen spektroskopischenMethoden e<strong>in</strong>schließlich der Mikrospektroskopie imWeichröntgenbereich, außerdem wird sie am Strahlrohr desMax-Planck-Instituts für Metallforschung <strong>in</strong> Stuttgart betrieben.Das Institut für <strong>Synchrotronstrahlung</strong> des KZF ist für denGroßteil des Strahlrohrprogramms verantwortlich. Jüngste Entwicklungens<strong>in</strong>d die im Aufbau bef<strong>in</strong>dlichen Strahlrohre NANOund IMAGE, die an supraleitenden Undulatoren <strong>in</strong>stalliert werden.An NANO s<strong>in</strong>d hochauflösende Röntgenbeugungs- undOberflächen-/Grenzflächenstreuungs-Experimente vorgesehen.Da<strong>mit</strong> lassen sich dünne Schichten, Vielschichtsystemen undnanostrukturierten Materialien untersuchen. Mit IMAGE wirddie In-situ- und Echtzeit-Charakterisierung von Proben <strong>mit</strong>telsbildgebender Verfahren ermöglicht.Des Weiteren wird derzeit das Nanolab@ANKA aufgebaut,das zur Herstellung, komplementären Charakterisierung undOberflächenanalytik von Nanostrukturen und Nanomaterialiene<strong>in</strong>gerichtet wird. Herstellung und Analyse von nano- und mi-42 <strong>Synchrotronstrahlung</strong> <strong>2009</strong>


krostrukturierten Proben aller Art werden zunehmend auch imRahmen der geme<strong>in</strong>samen Nutzerplattform „Karlsruhe NanoMicro Facility“ (KNMF) stattf<strong>in</strong>den. In der KNMF wird <strong>in</strong> drei eng<strong>mit</strong>e<strong>in</strong>ander verbundenen „Laboren“ für Nanofabrikation, hochauflösendeMikroskopie und Spektroskopie und für Synchrotroncharakterisierunge<strong>in</strong>e flexible Nutzerplattform (LK II) fürexterne Nutzer e<strong>in</strong>gerichtet, die <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Peer-Review-Verfahren Zugang zu fortgeschrittenen Herstellungs- und Analysemethodenfür e<strong>in</strong>e breite Palette von Materialien erhalten.Die enge Zusammenarbeit des Instituts für <strong>Synchrotronstrahlung</strong><strong>mit</strong> dem Institut für Technische Physik am KZF hatzur Entwicklung supraleitender Undulatoren <strong>mit</strong> e<strong>in</strong>er sehr kurzenPeriodenlänge geführt. Hier hat sich ANKA e<strong>in</strong>e weltweitführende Position erarbeitet. Die Ausstattung von ANKA <strong>mit</strong> supraleitenden,elektrisch schaltbaren, planaren oder helikalenUndulatoren ist auf dem Wege. Diese Aktivitäten dienen auchder Entwicklung der supraleitenden Undulatortechnologie füranderer <strong>Synchrotronstrahlung</strong>squellen.Die <strong>Forschung</strong>saktivitäten im Bereich Infrarotspektroskopies<strong>in</strong>d geprägt von e<strong>in</strong>er engen Kooperation <strong>mit</strong> dem Max-Planck-Institut für Festkörperforschung <strong>in</strong> Stuttgart und von<strong>Forschung</strong>sarbeiten der ANKA-Beschleunigergruppe zur Erzeugungkohärenter Terahertzstrahlung. Für Speicherr<strong>in</strong>ge rekordverdächtige,extrem kurze Pulslängen von 500 Femtosekundenführen zur Emission von kohärenter Infrarotstrahlung. Neuespannende Mikroskopieverfahren – wie die komb<strong>in</strong>ierte Nahfeld-Raster-IR-Nanospektroskopie,erweitern da<strong>mit</strong> das Methodenspektrum.Für die nahe Zukunft strebt ANKA den Aufbau der neuenStrahlungsquelle „THz Beam Optics for New Experiments“(TBONE) an. In TBONE werden <strong>mit</strong> e<strong>in</strong>em 100 MeV L<strong>in</strong>earbeschleunigerund Kompressoren extrem kurze Elektronenpakete<strong>mit</strong> Wiederholraten von 10 Megahertz erzeugt. Die nur 5 Femtosekundenkurzen Elektronenpakete strahlen kohärente Infrarot-und Terahertzstrahlung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em großen Frequenzbereichvon 0,1 bis 150 THz <strong>mit</strong> e<strong>in</strong>igen Megawatt Spitzenleistungab, die über Strahloptiken mehreren Experimentierstationen zurVerfügung gestellt werden. Diese neue Anlage dient e<strong>in</strong>er sichgerade formierenden Nutzergeme<strong>in</strong>de als breitbandige Quellefür kohärente Infrarotstrahlung <strong>mit</strong> Megawatt-Spitzenleistung,als Teste<strong>in</strong>richtung für supraleitende Undulatoren, als Testanlagefür neue Beschleunigertechnologien und als erste Stufee<strong>in</strong>es Injektors für ANKA <strong>mit</strong> Elektronen bei voller Energie.Das FZK wird gegenwärtig <strong>mit</strong> der Universität Karlsruhezum Karlsruher Institut für Technologie KIT verschmolzen undzu e<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>zigartigen <strong>Forschung</strong>s- und Bildungse<strong>in</strong>richtungausgebaut (derzeit etwa 8.000 Mitarbeiter; Grundbudget etwa600 Mio. Euro). Das außergewöhnliche Wissenschaftsumfeldvon KIT und se<strong>in</strong>e vielseitige Infrastruktur werden auch denNutzern von ANKA zugute kommen.<strong>Synchrotronstrahlung</strong> <strong>2009</strong> 43


FLASH und FLASH IIam Helmholtz-Zentrum DESY <strong>in</strong> HamburgFLASH (Freie-Elektronen-LASer <strong>in</strong> Hamburg) bei DESY <strong>in</strong>Hamburg bietet fünf Messplätze, an denen im Wechsel Nutzer-Instrumente betrieben werden können. Se<strong>in</strong>e <strong>in</strong>tensiven, ultrakurzenLaserpulse ermöglichen vollkommen neue Experimentebei extrem hoher Zeitauflösung oder unter Ausnutzung der Kohärenzdes Laserlichtes.Der 260 Meter lange Freie-Elektronen-Laser FLASH ist dieerste Lichtquelle der Welt, die kurzwellige Laserstrahlung imSpektralbereich des Vakuum-Ultraviolett und der weichenRöntgenstrahlung <strong>mit</strong> hoher Spitzenleuchtstärke und ultrakurzenLichtpulsen liefert. FLASH kann auf jede Wellenlänge zwischenetwa 60 Nanometern und 6,5 Nanometern abgestimmtwerden. Kürzere Wellenlängen hat bisher ke<strong>in</strong> anderer Freie-Elektronen-Laser erreicht. Während <strong>Synchrotronstrahlung</strong>squellenbereits sehr stark gebündelte Strahlung liefern, erzeugtFLASH kohärentes Licht <strong>mit</strong> echten Lasereigenschaften, das sichpraktisch beugungsbegrenzt ausbreitet. Die Lichtblitze s<strong>in</strong>d <strong>mit</strong>10 bis 50 Femtosekunden e<strong>in</strong>en Faktor 1.000 kürzer als die moderner<strong>Synchrotronstrahlung</strong>squellen, zudem ist ihre Spitzenleuchtstärkeum Größenordnungen höher. Herkömmliche Laserbieten <strong>in</strong> diesem Spektralbereich nur vergleichsweise ger<strong>in</strong>geLeistungen. Die Spitzenleistungen von 10 Gigawatt pro Pulss<strong>in</strong>d höher als alles, was heute selbst an den größten Plasma-Röntgenlaseranlagen der Welt erreicht werden kann.Die ultrakurzen Pulse von FLASH eignen sich vor allem zurzeitaufgelösten Untersuchung schneller physikalischer und chemischerPhänomene. Etwa die Hälfte aller Experimente beiFLASH nutzen diese Eigenschaft für verschiedenste Untersuchungenwie zum Beispiel der Photodissoziation von Molekülen,schneller struktureller oder magnetischer Phasenübergängeoder der dynamischen Entwicklung dichter Plasmen. Die hoheSpitzenleistung der FEL-Pulse ermöglicht erstmals, die Wechselwirkungkurzwelliger Strahlung <strong>mit</strong> Materie bei höchstenLeistungsdichten zu studieren. Die hohe Pulsenergie bzw. diegroße Anzahl der Photonen je Strahlungspuls erschließt zahlreicheweitere Anwendungen. Beispielsweise lässt sich e<strong>in</strong>hochaufgelöstes Beugungsbild e<strong>in</strong>er nichtkristall<strong>in</strong>en Probe <strong>mit</strong>e<strong>in</strong>em e<strong>in</strong>zigen Laserblitz aufnehmen (siehe Seite 33) oder eslassen sich extrem verdünnte Proben wie hochgeladene atomareIonen untersuchen, wie sie <strong>in</strong> Plasmen, z. B. <strong>in</strong> Supernovaüberrestenoder bei Experimenten zur Kernfusion, vorkommen.Der Betrieb der FLASH-Anlage liefert darüber h<strong>in</strong>aus auchwichtige Erkenntnisse für den zukünftigen Betrieb des EuropeanXFEL (siehe Seite 46). Viele technische und methodischeEntwicklungen werden direkt den Experimenten am EuropeanXFEL zugute kommen.Der Nutzerbetrieb an FLASH wurde im Sommer 2005 aufgenommen.Etwa 100 bis 150 Wissenschaftler aus aller Weltnutzen jährlich diese Quelle für neuartige Experimente, die <strong>in</strong>e<strong>in</strong>em Peer-Review-Verfahren ausgewählt werden. Die Ergebnissehaben weltweit große Beachtung gefunden – aufgrundzahlreicher neuer, oft unerwarteter Entdeckungen. In den erstendreie<strong>in</strong>halb Jahren resultierten daraus etwa 50 wissenschaftlicheVeröffentlichungen <strong>in</strong> renommierten Fachzeitschriften.Jüngst wurde zusätzlich zu den Strahlführungen für ultraviolettesund weiches Röntgenlicht e<strong>in</strong>e Strahlführung fürTerahertz (THz)-Strahlung <strong>in</strong> Betrieb genommen, die ab demJahr <strong>2009</strong> Nutzern zur Verfügung steht. Die THz-Strahlungspulses<strong>in</strong>d strikt synchron <strong>mit</strong> den FEL-Pulsen, da sie <strong>in</strong> e<strong>in</strong>emspeziellen Undulator <strong>mit</strong> nur 10 Magnetperioden un<strong>mit</strong>telbarh<strong>in</strong>ter dem FEL-Undulator von e<strong>in</strong> und demselben Elektronenpaketerzeugt werden. Sie s<strong>in</strong>d genau 10 Wellenlängen lang und<strong>mit</strong> 1-2 Mikrojoule Pulsenergie <strong>in</strong>tensiver als Pulse anderer44 <strong>Synchrotronstrahlung</strong> <strong>2009</strong>


Quellen, weil die Elektronenpakete kürzer als die Wellenlänges<strong>in</strong>d und aus diesem Grund kohärent abstrahlen. Die Komb<strong>in</strong>ationvon FEL- und der THz-Pulsen ist e<strong>in</strong>zigartig und erlaubtvöllig neuartige Experimente.Für das Jahr <strong>2009</strong> ist e<strong>in</strong> weiterer Ausbau von FLASH geplant.Der L<strong>in</strong>earbeschleuniger wird um e<strong>in</strong> siebtes Beschleunigungsmodulverlängert, um e<strong>in</strong>e höhere Teilchenenergie(1,2 GeV) und da<strong>mit</strong> kürzere Wellenlängen unter 5 Nanometernzu erreichen. Dadurch werden weitere Anwendungsgebiete erschlossen.Zusätzlich werden <strong>in</strong> den Beschleuniger spezielleBeschleunigungsstrukturen (3,9 GHz) e<strong>in</strong>gebaut, die e<strong>in</strong>e bessereKontrolle der Elektronenstrahleigenschaften erlauben werden.Dies schafft gleichzeitig die Voraussetzung für e<strong>in</strong>Seed<strong>in</strong>g-Experiment, für das zusätzliche Undulatoren undStrahlführungselemente <strong>in</strong> den Beschleunigertunnel e<strong>in</strong>gebautwerden. In diesem Experiment wird der FEL nicht aus dem Rauschen,sondern <strong>mit</strong> kohärenten Harmonischen e<strong>in</strong>es optischenLasers gestartet (= Seed<strong>in</strong>g). Dadurch werden FEL-Pulse <strong>mit</strong>wohl def<strong>in</strong>ierter Pulsform erzeugt, die zudem strikt synchron<strong>mit</strong> dem optischen Seed-Laser s<strong>in</strong>d und da<strong>mit</strong> Experimente <strong>mit</strong>e<strong>in</strong>er höheren zeitlichen Auflösung gestatten.Als weitere Ausbaustufe von FLASH wird e<strong>in</strong>e Erweiterungder Anlage um e<strong>in</strong>en zweiten Undulator angestrebt, welchervom gleichen L<strong>in</strong>earbeschleuniger <strong>mit</strong> Elektronenpaketen versorgtwird. Für dieses FLASH II genannte Projekt ist e<strong>in</strong>e eigeneExperimentierhalle vorgesehen. FLASH II wurde als Ausbauprojektbei der Helmholtz-Geme<strong>in</strong>schaft geme<strong>in</strong>sam <strong>mit</strong> demHelmholtz-Zentrum Berl<strong>in</strong> (BESSY) beantragt. Ziel dieses Ausbausist die Erweiterung der Experimentierkapazitäten beiFLASH, um die starke Nutzernachfrage zu befriedigen und dieEntwicklung neuer Möglichkeiten von Freie-Elektronen-Lasern, die sich durch Anwendung verschiedener Seed<strong>in</strong>g-Schemata(High Ga<strong>in</strong> Harmonic Generation und High HarmonicGeneration) eröffnen. Diese Entwicklungen zielen auf e<strong>in</strong>e dramatischeVerbesserung der Strahleigenschaften ab, <strong>in</strong>sbesondere<strong>in</strong> Bezug auf die spektrale und zeitliche Pulsform und dieSynchronisation zu externen Lasern. Letztere s<strong>in</strong>d vor allembei Anregungs-Abfrage-Experimenten (pump and probe) <strong>mit</strong>e<strong>in</strong>er Zeitauflösung von besser als 0,5 Pikosekunden vonBedeutung.In un<strong>mit</strong>telbarer Nähe zu FLASH wird derzeit das „Centrefor Free-Electron Laser Science“ <strong>in</strong> Hamburg (CFEL) errichtet,welches von DESY, der Max-Planck-Gesellschaft und der UniversitätHamburg getragen wird. Ziel von CFEL ist die Entwicklungvon Methoden zur Nutzung von Freie-Elektronen-Lasernsowie deren Anwendung auf verschiedenste <strong>Forschung</strong>sfelder.Die Freie und Hansestadt Hamburg unterstützt CFEL durch dieF<strong>in</strong>anzierung e<strong>in</strong>es geeigneten Gebäudes für rund 300 Personen<strong>in</strong> Höhe von circa 50 Millionen Euro.<strong>Synchrotronstrahlung</strong> <strong>2009</strong> 45


European XFEL<strong>in</strong> Hamburg und SchenefeldAn der Grenze zwischen Hamburg und der schleswig-holste<strong>in</strong>ischenStadt Schenefeld entsteht die <strong>in</strong> Europa e<strong>in</strong>zigartigeRöntgenlaseranlage European XFEL, e<strong>in</strong> Freie-Elektronen-Laser für harte Röntgenstrahlung. Mit e<strong>in</strong>er Spitzenbrillanz, diemilliardenfach höher ist als die der heutigen Speicherr<strong>in</strong>gquellen,wird er Forscher<strong>in</strong>nen und Forschern verschiedener Wissenschaftsbereichesowie <strong>in</strong>dustriellen Nutzern aus der ganzenWelt e<strong>in</strong>zigartige Bed<strong>in</strong>gungen für ihre Untersuchungen bieten.Im Mittelpunkt steht die Erforschung von Nano- und Subnanostrukturenund deren Dynamik: Die kurzen Wellenlängen <strong>in</strong>der Größenordnung von Atomen (bis zu 0,085 Nanometer) unddie Kohärenz der Röntgenblitze gestatten die Untersuchung deratomaren Architektur von Biomolekülen, Werkstoffen und anderenMaterialien. Da jeder e<strong>in</strong>zelne Blitz nur weniger als 100Femtosekunden (billiardstel Sekunden) lang und ausreichendlichtstark ist, werden Momentaufnahmen von ultraschnellenVorgängen möglich – etwa von der Bildung oder Lösung chemischerVerb<strong>in</strong>dungen.Der European XFEL ist 3,4 Kilometer lang und hat weltweite<strong>in</strong>zigartige Eigenschaften. Supraleitende Beschleunigertechnologieermöglicht e<strong>in</strong>en Elektronenstrahl aus vielen Paketenund von besonders hoher Qualität. Der European XFEL bietetda<strong>mit</strong> als erster Röntgen-Freie-Elektronen-Laser die Möglichkeit,e<strong>in</strong>e extrem hohe Spitzenbrillanz pro Blitz <strong>mit</strong> hohen Wiederholratenvon 30.000 Blitzen pro Sekunde zu komb<strong>in</strong>ieren.Diese Komb<strong>in</strong>ation ist von großer Bedeutung für die Untersuchungbeispielsweise extrem schwacher Effekte oder extremverdünnter Systeme sowie für den gleichzeitigen Betrieb derExperimentierstationen an mehreren Strahlführungen.Der Beschleuniger liefert Elektronen <strong>mit</strong> e<strong>in</strong>er Energie von17,5 GeV, die auf <strong>in</strong>sgesamt fünf Undulatoren verteilt werden.Drei davon s<strong>in</strong>d für die Erzeugung von FEL-Strahlung im Wellenlängenbereichvon 0,1 bis etwa 4 Nanometer ausgelegt, zweiweitere s<strong>in</strong>d für spontane, sehr harte Röntgenstrahlung bestimmt.Die fünf, bis zu 1.000 Meter langen Röntgen-Strahlführungen,be<strong>in</strong>halten Spiegel- und Monochromatorsystemeund münden <strong>in</strong> fünf große Experimentiergebiete, die jeweilsmehrere spezifisch ausgestattete Experimentierstationenaufnehmen können.Der Aufbau der Anlage ermöglicht e<strong>in</strong>e große Flexibilität.Dies ist von besonderem Vorteil, da der European XFEL e<strong>in</strong>igeJahre nach entsprechenden Anlagen <strong>in</strong> den USA und Japan(<strong>2009</strong> bzw. 2011) se<strong>in</strong>en Betrieb aufnehmen wird. Die Berücksichtigungder Erfahrungen dieser ersten Generation von Röntgen-Freie-Elektronen-Laser-Quellenkann zu verbessertenBed<strong>in</strong>gungen für Strahlparameter und den Nutzerbetrieb führen.Insbesondere sollen neue technische Lösungen (z. B. Impf-Konzepte für weiche Röntgenstrahlung oder Konzepte fürPulsdauern von wenigen Femtosekunden) <strong>in</strong>tegriert werdenkönnen.Die spezifischen Anforderungen von Experimenten <strong>mit</strong> FEL-Strahlung im Röntgenbereich erfordern zusätzliche <strong>Forschung</strong>und Entwicklung <strong>in</strong> den Bereichen Röntgenoptiken <strong>mit</strong> extremerFertigungsgenauigkeit sowie unter extremer Belastung,46 <strong>Synchrotronstrahlung</strong> <strong>2009</strong>


Röntgenstrahldiagnostik für e<strong>in</strong>zelne Pulse, Probenumgebungund -wechsel, Flächendetektoren sowie die Verarbeitung gewaltigerDatenmengen. Zusätzliche Anforderungen ergebensich aus der Erzeugung von FEL-Pulsen <strong>mit</strong> Wiederholraten biszu 5 MHz.Die wissenschaftliche Nutzung des European XFEL orientiertsich am Vorbild der ESRF (siehe Seite 48) <strong>mit</strong> den entsprechendenPeer-Review-Verfahren für die Auswahl der Experimente<strong>in</strong> den zur Verfügung stehenden etwa 4.000 Strahlzeitstundensowie <strong>mit</strong> e<strong>in</strong>er vergleichbaren Unterstützung derNutzergruppen.Der European XFEL wird als eigenständiges <strong>in</strong>ternationalesProjekt <strong>mit</strong> starker Anb<strong>in</strong>dung an das Helmholtz-Zentrum DESYrealisiert. Für den Bau und Betrieb der Anlage wird <strong>2009</strong> dieEuropean XFEL GmbH gegründet. An der GmbH s<strong>in</strong>d neben<strong>Deutschland</strong> (Bundesforschungsm<strong>in</strong>isterium sowie die LänderHamburg und Schleswig-Holse<strong>in</strong>) 13 weitere Staaten beteiligt.Neben <strong>Deutschland</strong>, dem als Sitzland e<strong>in</strong>e besondere Rolle zukommtund das e<strong>in</strong>e Beteiligung von etwa 50 % an denInvestitionskosten von 938 Millionen Euro hat, s<strong>in</strong>d Ch<strong>in</strong>a,Dänemark, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Italien,Polen, Russland, Schweden, die Schweiz, die Slowakei, Spanienund Ungarn die Partner dieses <strong>in</strong>ternationalen Großprojekts. DieEuropean XFEL GmbH wird etwa 300 Mitarbeiter haben und denAufbau und den Betrieb der Undulatoren, Röntgenstrahlsystemesowie der Experimentiere<strong>in</strong>richtungen und deren Infrastrukturbetreiben. Bau und Betrieb des supraleitendenBeschleunigers erfolgt durch e<strong>in</strong> <strong>in</strong>ternationales Konsortiumvon Instituten <strong>in</strong> den beteiligten Ländern unter der Federführungvon DESY.Anfang Januar <strong>2009</strong> begann der Bau der unterirdischenBauwerke. Die Inbetriebnahme des European XFEL ist für dasJahr 2014 und die Aufnahme des Nutzerbetriebs an den erstensechs Experimentierstationen für Ende 2015 geplant.Die <strong>in</strong>ternationalen Partner s<strong>in</strong>d übere<strong>in</strong>gekommen, denEuropean XFEL <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er ersten Phase <strong>mit</strong> reduzierten Merkmalenzu realisieren. Insbesondere sollen nur drei der fünf Undulatorenund Strahlführungen gebaut werden und lediglich sechsExperimentiere<strong>in</strong>richtungen ausgestattet werden. Zudem siehtdiese Phase weitere E<strong>in</strong>schneidungen vor, etwa <strong>in</strong> den Bereichenoptische Laser, Experimente<strong>in</strong>frastruktur und Detektoren.Die ersten sechs Experimentierstationen wurden 2008 vorgestellt:Die SPB-Station (S<strong>in</strong>gle Particles, clusters and Biomolecules)dient der Strukturbestimmung e<strong>in</strong>zelner Atome, Cluster,Biomoleküle, Viren und Zellen <strong>in</strong> der Gasphase <strong>mit</strong>tels ultraschnellerkohärenter Diffraktionsabbildung. MID (Materials Imag<strong>in</strong>gand Dynamics) zielt auf die Strukturbestimmung vonNanosystemen <strong>mit</strong>tels abbildender Verfahren und die Untersuchungvon Vorgängen auf der Nanoskala <strong>mit</strong>tels Photonenkorrelationsspektroskopie.An der Station FDE (FemtosecondDiffraction Experiments) werden zeitaufgelöste Untersuchungenultraschneller struktureller und elektronischer Dynamiken<strong>in</strong> Festkörpern, Flüssigkeiten und Gasen möglich se<strong>in</strong>. Die HED-Station (High-Energy Density matter) dient der Untersuchungvon Materie <strong>in</strong> extremen Zuständen. An der SQS-Station (SmallQuantum Systems) werden Wissenschaftler Atome, Ionen undCluster <strong>in</strong> starken Lichtfeldern <strong>in</strong>klusive nicht-l<strong>in</strong>earer Phänomeneerforschen können und SCS (Soft X-ray Coherent Scatter<strong>in</strong>g)ermöglicht die Untersuchung der Struktur und Dynamikvon Nanosystemen und biologischen Systemen <strong>mit</strong> Hilfe vonAbbildungs- und Spektroskopiemethoden.Auf <strong>in</strong>ternationalen Workshops diskutieren künftige Nutzer<strong>in</strong>nenund Nutzer des European XFEL zurzeit die Anforderungenan die Messstationen und die Experimentiermöglichkeiten.Seit 2007 f<strong>in</strong>det zudem e<strong>in</strong>mal im Jahr e<strong>in</strong> Nutzertreffenstatt, <strong>in</strong> dessen Fokus der Status und die Entwicklung des European-XFEL-Projektsstehen und an dem 250 Wissenschaftleraus 20 Ländern teilnehmen.Abbildungen:Visualisierung derErzeugung e<strong>in</strong>es Röntgenblitzes<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em der über100 Meter langen Undulatorendes European XFEL(DESY/European XFEL,hergestellt von Tricklabor/MarcHermann)<strong>Synchrotronstrahlung</strong> <strong>2009</strong> 47


ESRF<strong>in</strong> Grenoble – das Flaggschiff der europäischen <strong>Forschung</strong> <strong>mit</strong> <strong>Synchrotronstrahlung</strong>1Belgien, Dänemark,<strong>Deutschland</strong>, F<strong>in</strong>nland,Frankreich, Großbritannien,Israel,Italien, Niederlande,Norwegen, Österreich,Polen, Portugal,Schweden, Schweiz,Slowakei, Spanien,Tschechische Republikund UngarnDie ESRF (European Synchrotron Radiation Facility) ist e<strong>in</strong>Vorbild europäischer Zusammenarbeit, an der sich 20 Jahrenach der Gründung 19 Staaten 1 beteiligen. Deren Forschernsteht e<strong>in</strong>e Röntgenstrahlungsquelle der Weltspitze zur Verfügung.Die Zahl der Publikationen <strong>in</strong> renommierten Zeitschriften,die auf <strong>Forschung</strong>en an der ESRF beruhen, steigt seit derGründung beständig und überschreitet heute 1.500 pro Jahr.56 % aller Veröffentlichungen europäischer <strong>Synchrotronstrahlung</strong>squellen<strong>in</strong> Nature und Science hatten <strong>in</strong> den Jahren 2006und 2007 ihren Ursprung <strong>in</strong> der ESRF. Auch bei neu deponiertenMolekülstrukturen liegt der Anteil der ESRF über 50 % <strong>in</strong>Europa und mehr als 20 % weltweit.Zu diesem Erfolg tragen hochqualifizierte Mitarbeiter undhochspezialisierte Experimentierstationen, e<strong>in</strong>e fortdauerndeWeiterentwicklung der Stationen, höchste Zuverlässigkeit imBereich der <strong>Synchrotronstrahlung</strong>squelle sowie Innovationen<strong>in</strong> der Instrumentierung und Datenanalyse bei. Zudem steht denNutzern e<strong>in</strong>e weltweit e<strong>in</strong>zigartige Infrastruktur komplementärerLabors und erweiterter Instrumentierung zur Verfügung.Auch die vorbildliche Unterstützung durch ansässige Wissenschaftler,die jedes Experiment ausnahmslos betreuen, sowieGästehaus und Restaurant vor Ort spielen für die Attraktivitätder ESRF e<strong>in</strong>e wichtige Rolle.In 15 Jahren Nutzerbetrieb hat die ESRF so <strong>in</strong> vielen BereichenNutzergeme<strong>in</strong>den erweitert oder sogar erst neu erschlossen:Die Strukturbiologie, <strong>in</strong> der frühen Planung kaum erwähnt,ist e<strong>in</strong> Beispiel höchst effektiver Nutzung durch e<strong>in</strong>e weltweite,sehr umfangreiche Nutzergeme<strong>in</strong>de. Dies wurde auch durchweitreichende Automatisierung ermöglicht, die <strong>mit</strong> dem BESSY-Innovationspreis 2008 ausgezeichnet wurde. Sieben Experimentierstationenflankiert vom Zentrum für strukturelleBiologie (PSB – Partnership for Structural Biology) s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong> Paradebeispielfür erfolgreiche <strong>in</strong>dustrienahe <strong>Forschung</strong> geworden– <strong>mit</strong> e<strong>in</strong>er Nachfrage, die kaum befriedigt werden kann.Die Methoden der resonanten Kernstreuung und unelastischenRöntgentreuung waren bei der Gründung der ESRF geradeim Entstehen. Sie haben sich <strong>in</strong> der Folgezeit von e<strong>in</strong>erVision zu höchst erfolgreichen und produktiven höchstauflösendenSpektroskopien im Bereich der Dynamik und der magnetischenund elektronischen Eigenschaften <strong>mit</strong> Anwendungenauf nanoskalierte und neue Materialien (z. B. elektronischeBauelemente, Speicher, Supraleiter) und <strong>in</strong> der Geophysik, <strong>mit</strong>speziellem Augenmerk auf extreme Bed<strong>in</strong>gungen (Hochdruck,hohe und tiefe Temperaturen, hohes Magnetfeld), entwickelt.Heute gibt es an allen großen <strong>Synchrotronstrahlung</strong>squellensolche dedizierten Instrumente.Die hohe Qualität des Synchrotronstrahles und <strong>in</strong>novativeEntwicklungen spezieller Röntgenoptiken zur Mikro- bzw. Nanofokussierungsowie neuer (kohärenter) Bildverfahren befruchtenalte und neue Wissenschaftsgebiete und erschließenderen Nutzergeme<strong>in</strong>de. Als Beispiele s<strong>in</strong>d zu nennen die Mediz<strong>in</strong>,Paläontologie, Archäologie, Umweltwissenschaften undsogar die Weltraumforschung.Dank ihrer Stellung nimmt die ESRF heute e<strong>in</strong>e wichtigeRolle <strong>in</strong> der Strukturierung e<strong>in</strong>er Nutzergeme<strong>in</strong>de e<strong>in</strong>, die sowohlgeographisch als auch im H<strong>in</strong>blick auf die Fachgebieteweit verstreut ist. Parallel dazu koord<strong>in</strong>iert die ESRF zunehmendländerübergreifende Projekte und den Transfer von Know-howzwischen <strong>Forschung</strong>se<strong>in</strong>richtungen und Universitäten.Als Großgerät steht die ESRF jedem Wissenschaftler e<strong>in</strong>esMitgliedslandes kostenfrei offen. 2.000 Vorschläge, die im Jahr2008 für Experimente e<strong>in</strong>gereicht wurden, s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong> erneuter Rekord.Parallel konnte die Zahl der Strahlzeiten und Experimente<strong>in</strong> fünf Jahren um rund 20 % gesteigert werden, so dass heutemehr als 4.000 Wissenschaftler jährlich die ESRF nutzen. Dabeiwird die Speicherr<strong>in</strong>ganlage über 5.000 Stunden jährlich genutzt,<strong>mit</strong> Raten für die Zuverlässigkeit von 97 % bis 99 %.48 <strong>Synchrotronstrahlung</strong> <strong>2009</strong>


Der ESRF-Haushalt von 84 Millionen Euro wurde <strong>in</strong> 2008zu 17 % <strong>mit</strong> E<strong>in</strong>nahmen aus <strong>in</strong>dustrieller <strong>Forschung</strong>, Kooperationenund EU-Projekten f<strong>in</strong>anziert. Der deutsche Anteil an derGrundf<strong>in</strong>anzierung (70 Millionen Euro) beträgt 25,5 %. Von den600 Mitarbeitern aus mehr als 30 Ländern s<strong>in</strong>d gut 8 %Deutsche, <strong>mit</strong> e<strong>in</strong>em deutlich höheren Anteil unter den Wissenschaftlern(12 %) und Führungskräften (20 %). DeutscheWissenschaftler nutzten im Jahr 2007 22 % der Strahlzeit, wasauch die Ausbildung vieler Doktoranden und junger Wissenschaftlerbeförderte. Kooperationen <strong>mit</strong> DESY (Röntgenoptik,schnelle Detektoren) und ANKA (Röntgentomographie) sowiedie nationale Experimentierstation ROBL des FZ Dresden-Rossendorfs<strong>in</strong>d e<strong>in</strong> weiterer Nutzen für die deutsche <strong>Forschung</strong>.Für die nächste Dekade hat die Leitung des Instituts e<strong>in</strong>Erweiterungsprogramm erarbeitet, das dem wachsendenTempo der Innovation Rechnung trägt. Es sieht die folgendenPunkte vor:• Neubau von acht Experimentierstationen nach neuestemwissenschaftlich-technischen Stand <strong>mit</strong> e<strong>in</strong>em Schwerpunktauf den Nanowissenschaften,• Entwicklung von Schlüsseltechnologien im Bereich Detektorenund Datenverarbeitung, geme<strong>in</strong>sam <strong>mit</strong> anderen Instituten,• Erweiterung der Experimentierhalle und Laborfläche um15.000 m 2 .Die erste Phase dieses Programms wird über sieben Jahre(<strong>2009</strong>-2015) durch e<strong>in</strong>en Eigenbeitrag aus dem regulären ESRF-Haushalt von ge<strong>mit</strong>telt 10 Millionen Euro jährlich f<strong>in</strong>anziert, ergänztdurch e<strong>in</strong>en Sonderbeitrag der 19 Teilnehmerstaaten undder Europäischen Kommission von 15 Millionen Euro. Der deutscheAnteil beläuft sich auf 3,5 Millionen Euro. Das ESRF-Erweiterungsprogramm ist grundsätzlich genehmigt und dasBudget der ersten Phase für <strong>2009</strong> vom Rat beschlossen.Die französischen Gebietskörperschaften der Region Grenoblehaben 2008 darüber h<strong>in</strong>ausgehende Mittel für Infrastrukturmaßnahmenauf dem geme<strong>in</strong>samen <strong>Forschung</strong>sgeländevon ESRF und ILL (Institut Laue-Langev<strong>in</strong>) zugesagt.Dies ermöglicht <strong>in</strong>nerhalb der nächsten fünf Jahre weitere Projekteumzusetzen, unter denen vor allem e<strong>in</strong> Gebäude für neuewissenschaftliche Partnerschaften, <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie für weichekondensierte Materie, von großer Bedeutung ist.<strong>Synchrotronstrahlung</strong> <strong>2009</strong> 49


Die Rossendorf-Beaml<strong>in</strong>ean der ESRF <strong>in</strong> GrenobleDas <strong>Forschung</strong>szentrum Dresden-Rossendorf (FZD) betreibtseit 1998 an der ESRF <strong>in</strong> Grenoble e<strong>in</strong>e unabhängige Strahlführung,die Rossendorf-Beaml<strong>in</strong>e. Die Strahlführung hat e<strong>in</strong>enMessplatz für radiochemische und e<strong>in</strong>en für materialwissenschaftlicheExperimente. Zwei Drittel der Strahlzeit werdenfür FZD-eigene Experimente verwendet und e<strong>in</strong> Drittel steht fürExperimente zur Verfügung, die vom Wissenschaftsbeirat derESRF ausgewählt werden.Der radiochemische Messplatz ist für die Röntgenabsorptionsspektroskopievorwiegend hochverdünnter Systeme ausgerüstet.Mehrfach redundant ausgelegte Sicherheitssystemeerlauben die Messung von alpha-strahlenden Radionukliden(vorwiegend Akt<strong>in</strong>iden). <strong>Forschung</strong>sschwerpunkte s<strong>in</strong>d die Identifizierungund Quantifizierung chemischer Radionuklidspeziesunter umweltrelevanten Bed<strong>in</strong>gungen sowie die Bestimmungihrer Oxidationsstufe, B<strong>in</strong>dung und Nahordnung bis 10 ÅngströmReichweite. E<strong>in</strong>e Besonderheit ist die In-situ-Untersuchungvon Redoxzuständen und deren K<strong>in</strong>etik <strong>mit</strong> Hilfeelektrochemischer Zellen oder e<strong>in</strong>es Helium-Kryostaten. DieseGrundlagenforschung dient dazu, zuverlässige Risikoabschätzungenz. B. für den ehemaligen Uranerzbergbau der Wismutoder die zukünftige Lagerung radioaktiver Abfälle zu machen.Der materialwissenschaftliche Experimentierplatz <strong>mit</strong>e<strong>in</strong>em 6-Kreis-Goniometer dient der Bestimmung und Charakterisierungvon dünnen Schichten und nano-kristall<strong>in</strong>en Materialien<strong>mit</strong>tels Diffraktion und Reflektometrie. E<strong>in</strong>e Besonderheitist die Möglichkeit In-situ-Röntgenstreuuntersuchungenwährend der Herstellung durch Magnetron-Sputtern und/oderdurch Ionenbestrahlung durchzuführen, komb<strong>in</strong>iert <strong>mit</strong> derMessung anderer physikalischer Eigenschaften, z. B. der Leitfähigkeit.Hier<strong>mit</strong> lassen sich neue Werkstoffe entwickeln, wiesie <strong>in</strong> der Photovoltaik oder Computertechnik (magnetischeSpeichermedien, Mikroprozessoren) benötigt werden.Beide Experimentierplätze stellen jährlich ca. 600 (achtstündige)Messzeitschichten zur Verfügung, die von etwa 25Wissenschaftlerteams <strong>in</strong>klusive der zahlreichen Kollaborationspartnerndes FZD genutzt werden. Der wissenschaftlicheErfolg der Strahll<strong>in</strong>ie lässt sich an den etwa 30-40 Veröffentlichungenpro Jahr messen.50<strong>Synchrotronstrahlung</strong> <strong>2009</strong>


DELTAan der Technischen Universität DortmundDie Dortmunder Elektronenspeicherr<strong>in</strong>ganlage DELTA ist<strong>mit</strong> 115,2 Metern Umfang e<strong>in</strong>e relativ kle<strong>in</strong>e <strong>Synchrotronstrahlung</strong>squelle.Mit e<strong>in</strong>em supraleitenden asymmetrischen Wiggler,an dem drei Strahlführungen zur Nutzung von harterRöntgenstrahlung betrieben werden, und zwei Undulatoren <strong>mit</strong>entsprechenden Strahlführungen für den weichen Röntgenbereichsowie zwei Strahlführungen an Ablenkmagneten stehennur e<strong>in</strong>e vergleichsweise ger<strong>in</strong>ge Zahl von Messplätzen zur Verfügung.DELTA wird vollständig vom Land Nordrhe<strong>in</strong>-Westfalenf<strong>in</strong>anziert und von der Technischen Universität Dortmund betriebenund ist so<strong>mit</strong> e<strong>in</strong>e lokale Quelle, deren Nutzerschaft sichvornehmlich aus Nordrhe<strong>in</strong>-Westfalen rekrutiert.Da es relativ viele Universitäten <strong>in</strong> der un<strong>mit</strong>telbaren Nähevon DELTA gibt, ist die verfügbare Strahlzeit von etwa 2.000Stunden im Jahr <strong>in</strong>zwischen deutlich überzeichnet, so dass auchder lokale Bedarf von dieser Quelle nicht mehr gedeckt werdenkann.DELTA hat als universitäre E<strong>in</strong>richtung e<strong>in</strong> klares Profil imBereich der Ausbildung. Dies betrifft sowohl die Ausbildung vonNutzern an den Strahlführungen als auch die Ausbildung imBereich der Beschleunigerphysik, die an 1.000 Stunden im Jahrstattf<strong>in</strong>det. Durch die kürzlich genehmigte und <strong>mit</strong> 500.000Euro pro Jahr geförderte <strong>Forschung</strong>sschule „<strong>Forschung</strong> <strong>mit</strong> <strong>Synchrotronstrahlung</strong>“wird dieser Aspekt deutlich betont.<strong>Synchrotronstrahlung</strong> <strong>2009</strong>51


Ausführliche Empfehlungen1. Weiterentwicklungder R<strong>in</strong>gquellenAusbau der Kapazität von PETRA IIIDas Strahlungslabor PETRA III wird als dedizierte <strong>Synchrotronstrahlung</strong>squelleder dritten Generation im Jahr<strong>2009</strong> se<strong>in</strong>e Arbeit aufnehmen. Se<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>zigartige Brillanzwird Experimente an der vordersten Front der jeweiligenWissenschaftsdiszipl<strong>in</strong>en ermöglichen und zu herausragendenErgebnissen führen. Nach Schließung von DORIS III imJahr 2012/13 kann jedoch nicht mehr der gesamte Messzeitbedarfdurch PETRA III alle<strong>in</strong> abgedeckt werden. InsbesondereMessungen, die nicht notwendigerweise e<strong>in</strong>e hoheBrillanz, aber e<strong>in</strong>e hohe Strahlungs<strong>in</strong>tensität erfordern, könnendurch die derzeitige Auslegung der Strahlführungen beiPETRA III nicht ausreichend befriedigt werden. Das KFSunterstützt deshalb Bemühungen um e<strong>in</strong>e Erweiterung derKapazität bei PETRA III. Der Ausbau e<strong>in</strong>es der Dämpfungswigglervon PETRA III zum Strahlungslabor könnte <strong>mit</strong>telfristigdie Fortführung der am meisten nachgefragtenExperimente aus der Materialforschung, der Chemie und derLebenswissenschaften sichern.Verbesserung der Quelle und der Experimentiere<strong>in</strong>richtungenbei BESSY IIBESSY II ist die führende europäische Quelle vom Infrarot-(THz) bis zum weichen Röntgenbereich und bedient nahezudie gesamte deutsche und europäische Nutzerschaft <strong>in</strong> diesemSpektralbereich. Viele dort durchgeführte Experimentes<strong>in</strong>d wissenschaftliche Highlights. Das kont<strong>in</strong>uierliche ErneuerungsprogrammCUP (früheres 2007+) sieht wesentlicheVerbesserungen im Masch<strong>in</strong>en- und Strahlrohrbereichvor und ist nach Auffassung des KFS dr<strong>in</strong>gend nötig. Die Fusionvon BESSY und HMI zum Helmholtz-Zentrum Berl<strong>in</strong>(HZB) wird begrüßt, da es die Nutzerbetreuung an BESSY IIsignifikant verbessern und weitere Mittel für den Ausbauder Infrastruktur ermöglichen sollte. Der bei BESSY II bestehendeEngpass <strong>in</strong> der Bereitstellung von extrem weicher<strong>Synchrotronstrahlung</strong> wurde durch den Aufbau des PTB-Speicherr<strong>in</strong>gs MLS partiell kompensiert. Das KFS unterstütztAktivitäten, Nutzern den Zugang zu dieser Quelle zu ermöglichen.Implementierung e<strong>in</strong>es Full-Energy-Injektorsund Ausbau der Instrumentierung für ANKAANKA ist e<strong>in</strong>e relativ neue <strong>Synchrotronstrahlung</strong>squelle(Eröffnung 2003). Sie profitiert zum e<strong>in</strong>en von ihrer starkenE<strong>in</strong>bettung <strong>in</strong> die <strong>Forschung</strong>slandschaft des KarlsruherInstituts für Technologie und der sie umgebenden Universitätenund <strong>Forschung</strong>se<strong>in</strong>richtungen und zum anderen vomVorhandense<strong>in</strong> sehr spezifischer Probenumgebungen(z. B. Akt<strong>in</strong>idenlabor, LIGA-Labor und LIGA-Fertigung). DieErrichtung e<strong>in</strong>er geme<strong>in</strong>samen Nutzerplattform bei ANKAim Rahmen der Karlsruher Nano Micro Facility, KNMF,<strong>mit</strong> Fokussierung auf den <strong>Forschung</strong>sbereich Schlüsseltechnologiensetzt bereits die Empfehlung des KFS zu e<strong>in</strong>ersichtbaren Konzentration der Quellenaktivitäten auf wissenschaftlicheSchwerpunkte um.Das KFS empfiehlt nachdrücklich, dass ANKA se<strong>in</strong>e Kernkompetenzenwie z. B. Akt<strong>in</strong>idenforschung, IR- und THz-Spektroskopie, LIGA-Technologie und Technolgie im Bereichsupraleitender Undulatoren stärkt, se<strong>in</strong>e Instrumentierungvor allem im Bereich neuer Röntgen- und IR/THz-Strahlrohreund Experimente <strong>in</strong> enger Abstimmung <strong>mit</strong> dem HZBund DESY weiterentwickelt, se<strong>in</strong>e Nutzerbetreuung ausbautund se<strong>in</strong>e Infrastruktur verbessert. E<strong>in</strong>e speziell dafürnotwendige Maßnahme stellt die schnellstmögliche Installatione<strong>in</strong>es leistungsfähigen Full-Energy-Injektors dar –z. B. als Teil des Zukunftsprojekts TBONE. E<strong>in</strong>e große Chancesieht das KFS weiterh<strong>in</strong> <strong>in</strong> der Möglichkeit, nach 2012 Nutzerexperimentevon DORIS III zu übernehmen, die <strong>in</strong> dasKonzept von Karlsruhe passen und das Profil von ANKAsichtbar stärken.52 <strong>Synchrotronstrahlung</strong> <strong>2009</strong>


Unterstützung des Erweiterungsprogramms der ESRFDie ESRF ist die weltweit führende Quelle der drittenGeneration für harte Röntgenstrahlung. <strong>Deutschland</strong> ist anihrer F<strong>in</strong>anzierung <strong>mit</strong> 25,5 % beteiligt. Im Vergleich zu denanderen Quellen weist die ESRF die größte Effektivität auf,die sie ihrem hohen Standard <strong>in</strong> der Nutzerbetreuung (vierWissenschaftler und e<strong>in</strong> Techniker pro Beaml<strong>in</strong>e, Vollf<strong>in</strong>anzierunggenehmigter Projekte) und der vorhandenen exzellentenhauseigenen <strong>Forschung</strong> se<strong>in</strong>er Mitarbeiter verdankt.Die ESRF ist da<strong>mit</strong> weltweit zum Maßstab e<strong>in</strong>er effektiv arbeitenden<strong>Synchrotronstrahlung</strong>squelle geworden, an dersich auch die deutschen Quellen messen müssen. Nach mehrals 15 Jahren erfolgreicher Arbeit hat die ESRF e<strong>in</strong> weitreichendesErweiterungsprogramm begonnen, um ihre führendeRolle zu erhalten und auf ausgewählten Gebietenauszubauen.Das Programm sieht <strong>in</strong>sbesondere die räumliche Verlängerungausgewählter Strahlführungen auf ca. 200 m sowiedie stärkere Schärfung des Profils auf Experimente derNanospektroskopie, Nanobeugung und Nanoabbildung vor.Das KFS empfiehlt die une<strong>in</strong>geschränkte Fortsetzung desdeutschen Engagements an der ESRF und e<strong>in</strong>e aktive Unterstützungdes Erweiterungsprogramms. Das KFS ist festdavon überzeugt, dass beim parallelen Betrieb von PETRA IIIund der ESRF die Synergieeffekte überwiegen und langfristigke<strong>in</strong>e Verr<strong>in</strong>gerung des Messzeitbedarfs deutscher Nutzeran der ESRF zu erwarten ist.Das KFS würdigt das Engagement des <strong>Forschung</strong>szentrumsDresden-Rossendorf zum Betrieb des Collaborative-Research-Group-MessplatzesROBL, der Experimentiermöglichkeitenfür die Spektroskopie von radioaktivenIsotopen und für die Materialforschung bereitstellt.Das KFS macht auf den Umstand aufmerksam, dass durchdas altersbed<strong>in</strong>gte Ausscheiden mehrerer Mitglieder desdeutschen Stammpersonals erhöhte Anstrengungen notwendigs<strong>in</strong>d, hochqualifizierte Wissenschaftler an die ESRFzu br<strong>in</strong>gen.DELTADie Dortmunder Elektronenspeicherr<strong>in</strong>ganlage DELTA iste<strong>in</strong>e regionale <strong>Synchrotronstrahlung</strong>squelle und wird vollständigvom Land Nordrhe<strong>in</strong>-Westfalen f<strong>in</strong>anziert. DELTAhat als E<strong>in</strong>richtung der TU Dortmund e<strong>in</strong> klares Profil imBereich der Ausbildung, welches durch die kürzlich vomLand Nordrhe<strong>in</strong>-Westfalen e<strong>in</strong>gerichtete Graduiertenschule„<strong>Forschung</strong> <strong>mit</strong> <strong>Synchrotronstrahlung</strong>“ dokumentiert wurde.Dortmund könnte da<strong>mit</strong> langfristig e<strong>in</strong>en Beitragzur Abdeckung des großen Bedarfs an Spezialisten für <strong>Synchrotronstrahlung</strong>leisten.<strong>Synchrotronstrahlung</strong> <strong>2009</strong> 53


2. Weiterentwicklungvon Freie-Elektronen-LasernAufbau von FLASH IIVollausbau des European XFELFLASH ist zurzeit der weltweit e<strong>in</strong>zige betriebsfähige FEL,der Röntgenpulse im weichen Röntgenbereich <strong>mit</strong> Pulsenergienvon bis zu 120 µJ und Pulslängen unter 30 fs liefert.FLASH wurde <strong>mit</strong> der für den European XFELentwickelten supraleitenden Beschleunigertechnologie aufgebautund erreicht <strong>in</strong> der derzeitigen Ausbaustufe e<strong>in</strong>ePhotonenenergie von mehr als 200 eV (Wellenlänge =6 nm) <strong>in</strong> der ersten Harmonischen. Alle bisherigen weltweitenSpitzenexperimente <strong>in</strong> diesem Spektralbereich wurdenbei FLASH realisiert. Da<strong>mit</strong> ist <strong>Deutschland</strong> führend auf demGebiet von Experimenten <strong>mit</strong> FEL-Strahlung. Bei FLASHergibt sich durch die sehr starke Nachfrage nach Strahlzeite<strong>in</strong> dr<strong>in</strong>gender Bedarf für e<strong>in</strong>en weiteren Ausbau, um mehrerenGruppen gleichzeitig Experimentiermöglichkeitenbereitstellen zu können.Das KFS unterstützt daher nachdrücklich das von DESYund dem HZB geme<strong>in</strong>sam e<strong>in</strong>gebrachte Projekt FLASH II,welches zum e<strong>in</strong>en die Nutzerkapazität verdoppeln wirdund zum anderen die führende Stellung <strong>Deutschland</strong>s <strong>in</strong> derEntwicklung <strong>in</strong>novativer Konzepte für Experimente anFreie-Elektronen-Lasern sichern hilft. Zu diesen zukunftsorientiertenKonzepten gehört vor allem die Realisierungvon reproduzierbaren Pulsstrukturen, die entscheidend fürzeitauflösende Experimente s<strong>in</strong>d. Diese Möglichkeit wirddurch <strong>in</strong>novative Seed<strong>in</strong>g-Konzepte geschaffen wie z.B. imRahmen des S-FLASH Projekts zum HHG-Seed<strong>in</strong>g bei FLASH,das von der BMBF-Verbundforschung gefördert wird. BeiFLASH II wird neben dem HHG-Seed<strong>in</strong>g (High Harmonic Generation)auch das vom HZB vorgeschlagene Konzept desHGHG-Seed<strong>in</strong>g (High Ga<strong>in</strong> Harmonic Generation) realisiertwerden. Weitere zukunftsweisende Konzepte, die das Potenzialder FEL-Quellen erheblich erweitern, liegen <strong>in</strong> derNutzung helikaler und durchstimmbarer Undulatoren für dieErzeugung von FEL-Pulsen und <strong>in</strong> Experimenten <strong>mit</strong> kohärenten,vollständig synchronisierten Terahertz-Pulsen undFEL-Pulsen.Der European XFEL wird die europäische Quelle für FEL-Strahlung im Röntgenbereich werden. <strong>Deutschland</strong> fällt beidiesem <strong>in</strong>ternationalen Großprojekt von 13 europäischenLändern sowie Ch<strong>in</strong>a als Sitzland e<strong>in</strong>e besondere Rolle zu.Nach Unterzeichnung der <strong>in</strong>ternationalen Verträge im Jahr<strong>2009</strong> und e<strong>in</strong>er 5-jährigen Bauphase ist se<strong>in</strong>e Inbetriebnahmefür das Jahr 2014 geplant. Das Konzept des supraleitendenBeschleunigers sowie die Wahl und Anordnungder FEL-Quellen, Strahlführungen und Röntgen<strong>in</strong>strumenteermöglichen e<strong>in</strong>e große Flexibilität und Vielseitigkeitbei der Realisierung des Projekts. Dies ist von besonderemVorteil, da der European XFEL erst e<strong>in</strong>ige Jahre nach der Inbetriebnahmeder Röntgen-Freie-Elektronen-Laser <strong>in</strong> denUSA und Japan (<strong>2009</strong> bzw. 2011) se<strong>in</strong>en Betrieb aufnehmenwird. E<strong>in</strong>ige der fundamentalen, <strong>in</strong> den vergangenen Jahrendiskutierten Experimente werden dann bereits durchgeführtworden se<strong>in</strong>. Das KFS empfiehlt daher nachdrücklichdie Erfahrungen dieser ersten Generation von Röntgen-Freie-Elektronen-Laser-Quellen bei der Realisierung desEuropean XFEL und se<strong>in</strong>er wissenschaftlichen Experimentierstationenzu berücksichtigen und weiterführende wissenschaftlicheFragestellungen sowie neue technischeLösungen (z. B. Seed<strong>in</strong>g-Konzepte für weiche Röntgenstrahlungoder Konzepte für Pulsdauern von wenigen Femtosekunden)beim Aufbau der Experimente des EuropeanXFEL e<strong>in</strong>zubeziehen. Aus Sicht des KFS ist dazu der Vollausbaudes European XFEL entsprechend der ursprünglichenPlanung zw<strong>in</strong>gend notwendig. Die deutsche Nutzergeme<strong>in</strong>schaftmuss ihre durch die Arbeit an FLASH gewonneneSpitzenposition im Bereich der <strong>Forschung</strong> <strong>mit</strong> FEL-Strahlung<strong>in</strong> den Aufbau des European XFEL e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen.54 <strong>Synchrotronstrahlung</strong> <strong>2009</strong>


3. Entwicklung von Strahlungsquellender Zukunft(Energy-Recovery-L<strong>in</strong>ac)Mit der Gründung von CFEL wurde hierfür bereits e<strong>in</strong>e leistungsstarkeInstitution geschaffen. Die starke Beteiligungdeutscher Gruppen an Instrumenten der L<strong>in</strong>ear CoherentLight Source (LCLS) <strong>in</strong> Stanford ist dafür bereits sichtbarerAusdruck. Das KFS empfiehlt e<strong>in</strong>e breite E<strong>in</strong>beziehung vonUniversitäten <strong>in</strong> diesen Prozess, da diese von strategischerBedeutung für den Aufbau e<strong>in</strong>er breiten deutschen Nutzergeme<strong>in</strong>schaftfür den European XFEL ist.Die Erfahrungen an FLASH zeigen, dass neben Gruppenaus dem Bereich <strong>Forschung</strong> <strong>mit</strong> <strong>Synchrotronstrahlung</strong> zunehmendauch solche aus dem <strong>Forschung</strong>sbereichen OptischeProzesse sowie Laserentwicklung e<strong>in</strong> Interesse anFEL-Experimenten gew<strong>in</strong>nen. Das KFS sieht <strong>in</strong> derZusammenführung von etablierten experimentellen Konzeptenaus der <strong>Synchrotronstrahlung</strong>sforschung und derLaserphysik sowie <strong>in</strong> der Symbiose beider Wissenschaftsfeldere<strong>in</strong>e große Chance für die Entwicklung neuer Konzeptefür Experimente <strong>mit</strong> Röntgen-Freie-Elektronen-Laser-Strahlung. Diese Entwicklung sollte auch dazu beitragen, diedr<strong>in</strong>gend benötigte theoretische Modellierung aktueller undzukünftiger Experimente an Röntgen-Freie-Elektronen-Laservoranzutreiben.Bau des Prototyps e<strong>in</strong>es Energy-Recovery-L<strong>in</strong>acs„BERL<strong>in</strong>Pro“E<strong>in</strong> Energy-Recovery-L<strong>in</strong>ac (ERL) vere<strong>in</strong>t die Vorteile e<strong>in</strong>esL<strong>in</strong>earbeschleunigers – wie hohe Brillanz, kurze Pulse, ger<strong>in</strong>geEnergiebreite und Kohärenz – <strong>mit</strong> denen e<strong>in</strong>es Speicherr<strong>in</strong>gs.Er hat gegenüber e<strong>in</strong>em Freie-Elektronen-Laserden Vorteil, dass zahlreiche Nutzer gleichzeitig <strong>mit</strong> derStrahlung experimentieren können. Gegenüber traditionellenSpeicherr<strong>in</strong>gquellen lassen sich an e<strong>in</strong>em ERL nutzerspezifischeAnforderungen – wie z. B. Pulslänge, Brillanz,Zeitstruktur und Kohärenz – auf e<strong>in</strong>fache Weise e<strong>in</strong>stellen.Dies kommt z. B. den Anforderungen für zeitaufgelöste Anregungsexperimente(pump-probe), Arbeiten <strong>mit</strong> kohärenterKurzpulsstrahlung bis <strong>in</strong> den Röntgenbereich sowie derRöntgenmikroskopie sehr entgegen.Für die Eigenschaften der ERL-Strahlung ist entscheidend,dass die <strong>in</strong> modernen Injektoren erzeugten hervorragendenEigenschaften des Elektronenstrahls während des e<strong>in</strong>enDurchlaufs im ERL erhalten bleiben. Zudem kann e<strong>in</strong> hoherAnteil der Energie der nicht mehr benötigten Elektronenwiederverwendet werden, um die Anlage energieeffizient zubetreiben.Die grundsätzliche Realisierbarkeit des ERL-Konzepteskonnte bereits am Jefferson Laboratory (USA) im IR-Bereichund am Budker Institut (Russland) im THz-Bereich demonstriertwerden. Zurzeit wird am Layout von Röntgen-ERL-Quellen an der Cornell University (USA) und am KEK (Japan)gearbeitet. Es s<strong>in</strong>d jedoch weitere Entwicklungsarbeiten biszur Realisierung e<strong>in</strong>er Hochbrillanz-Mehrnutzere<strong>in</strong>richtungfür breitbandige Strahlung notwendig.Das KFS sieht <strong>in</strong> der Entwicklung e<strong>in</strong>es ERL e<strong>in</strong>e wichtigeund zukunftsweisende Erweiterung des R<strong>in</strong>gbeschleuniger-Konzepts, um ultimative und flexible Strahleigenschaften andiesen modernen R<strong>in</strong>gquellen zu realisieren. Es unterstütztdaher nachdrücklich die Aktivitäten des HZB <strong>mit</strong> Unterstützungvon ANKA und DESY, e<strong>in</strong>e Machbarkeitsstudie für e<strong>in</strong>deutsches ERL-Konzept auszuarbeiten, die e<strong>in</strong>e Perspektivefür e<strong>in</strong>e ERL-Nutzere<strong>in</strong>richtung bietet. Die Entscheidung, <strong>in</strong>Berl<strong>in</strong> den ERL-Prototyp „BERL<strong>in</strong>Pro“ zu realisieren, wirddaher <strong>mit</strong> besonderem Nachdruck begrüßt.<strong>Synchrotronstrahlung</strong> <strong>2009</strong> 55


4. NotwendigeInfrastrukturmaßnahmen5. Neuentwicklung optischerElemente und Detektoren fürhöhere Zeit- und OrtsauflösungSchaffung von optimierten Probenumgebungen und<strong>in</strong>tegrierten Präparations- und Charakterisierungse<strong>in</strong>richtungenAus den bisherigen Befragungen von Nutzern geht hervor,dass der Weiterentwicklung von Probenumgebungen, derEntwicklung neuer Detektoren und dem Ausbau der technischenInfrastruktur viel größere Bedeutung beigemessenwerden muss. Diese Infrastruktur umfasst nicht nur dieStrahlführungen selbst und wesentliche Probenumgebungen(wie besonders starke Magnete, mechanische Prüfe<strong>in</strong>richtungen,ultrahohes Vakuum), sondern auch diversePlattformen für die Probenvorbereitung sowie begleitendeMessungen <strong>mit</strong> anderen, komplementären Techniken (wieElektronenmikroskopie, Rasterkraftmikroskopie, Life-Imag<strong>in</strong>g-Methoden).Auch wird der In-situ-Komb<strong>in</strong>ation vonMessverfahren (wie optische Mikroskopie und Spektroskopiedirekt am Synchrotronstrahl) e<strong>in</strong>e steigende Bedeutungzukommen. Für biologischen Anwendungen s<strong>in</strong>dE<strong>in</strong>richtungen für zeitnahe und ortsnahe Probenvorbereitungund -charakterisierung essentiell, um <strong>Synchrotronstrahlung</strong>se<strong>in</strong>richtungenoptimal für ambitionierte Projektenutzen zu können. Die vorgeschlagenen <strong>Forschung</strong>splattformensollten thematisch weit gefasst se<strong>in</strong> und könnenmehrere Strahlführungen sowie Labore für die Probenvorbereitungund für komplementäre Messe<strong>in</strong>richtungen umfassen.Solche Konzepte existieren bereits an der ESRF(Partnership for Structural Biology, PSB; Partnership forSoft Condensed Matter, PSCM) und bei DESY (EMBL).Die Strahlparameter moderner <strong>Synchrotronstrahlung</strong>squellenwerden fortlaufend verbessert. Da<strong>mit</strong> wird e<strong>in</strong>eimmer größere Zahl von Photonen <strong>mit</strong> immer besserenEigenschaften <strong>in</strong> Richtung auf das Experiment e<strong>mit</strong>tiert.Um chemische oder physikalische Vorgänge <strong>in</strong> Echtzeitsowie Materialien oder biologischen Strukturen auf derNanometer-Längenskala zu beobachten, ist es notwendig,diese Photonen auf kle<strong>in</strong>stem Raum zu fokussieren undDetektoren zu entwickeln, die die gestreuten Photonen <strong>mit</strong>höchster Effizienz nachweisen können. Dabei kommt eszunehmend darauf an, spezifische Strahlführungen undspezielle Detektoren für die jeweiligen Anwendungen zuentwickeln oder zu optimieren.Das KFS empfiehlt daher dr<strong>in</strong>gend, den Anteil der Mittel,der für die Entwicklung optischer Elemente und für neueDetektoren bereitgestellt wird, entscheidend zu erhöhen.Derartige Entwicklungen erstrecken sich typischerweise übermehrere Jahre und s<strong>in</strong>d sehr kosten<strong>in</strong>tensiv. Dem e<strong>in</strong>geschlossens<strong>in</strong>d Entwicklungen zur Schaffung nutzerfreundlicherund standardisierter Systeme zur Datenaufnahme,Datenreduktion und Datenauswertung. Das KFS begrüßtAbsprachen zwischen den europäischen Quellen zu abgestimmtenEntwicklungsprogrammen und empfiehlt diestärkere E<strong>in</strong>beziehung der Nutzer durch Schaffung geeigneterthematischer Plattformen.Das KFS ist davon überzeugt, dass <strong>mit</strong> diesem Konzeptsolche Wissenschaftsbereiche – wie etwa die Nanowissenschaften,Lebenswissenschaften und Materialwissenschaften– durch die Bündelung von Kräften und Experimentiere<strong>in</strong>richtungennoch wesentlich stärker als bisher vonden Möglichkeiten der <strong>Synchrotronstrahlung</strong> profitierenwerden. Das KFS empfiehlt deshalb e<strong>in</strong>e deutliche Stärkungdieser assoziierten Infrastrukturen <strong>mit</strong> thematischen <strong>Forschung</strong>splattformenim Rahmen der Verbundforschung(siehe auch Empfehlung 6).56 <strong>Synchrotronstrahlung</strong> <strong>2009</strong>


6. Rolle der Verbundforschung –Übergang zu e<strong>in</strong>er forschungsorientiertenFörderung7. Nutzerbetreuungauf dem Niveau der ESRFSchaffung von thematischen <strong>Forschung</strong>splattformenan den Zentren unter aktiver Mitwirkung der Nutzer,ggf. auch an anderen Quellen im AuslandDie Verbundforschung des BMBF spielt seit vielen Jahrene<strong>in</strong>e wesentliche Rolle bei der Entwicklung der Infrastrukturdeutscher <strong>Synchrotronstrahlung</strong>squellen. Für viele Universitätsgruppenbietet die Verbundforschung den e<strong>in</strong>zigenWeg, neue Experimente an den Quellen aufzubauen unddurchzuführen. Das KFS hat <strong>mit</strong> großer Freude zur Kenntnisgenommen, dass nach Jahren des stetigen Abbaus die bereitgestellteFördersumme im Bewilligungszeitraum 2007 -2010 entscheidend erhöht wurde. E<strong>in</strong> großer Teil dieser Mittelwurde auf Experimente und Entwicklungen bei FLASHund PETRA III konzentriert. E<strong>in</strong> weiterer Anteil kommt derEntwicklung neuer optischer Elemente und neuer Detektorenzugute. Dieser Trend sollte unbed<strong>in</strong>gt anhalten, um dieInstrumentierung an PETRA III, European XFEL und FLASH,die Erneuerungs- und Erweiterungsprogramme an den bestehendenQuellen sowie den Ausbau von thematischen<strong>Forschung</strong>splattformen nachhaltig zu unterstützen. DasKFS empfiehlt darüber h<strong>in</strong>aus, die Verbundforschung nichtauf die Entwicklung und den Aufbau neuer Instrumente undMethoden zu beschränken, sondern <strong>in</strong>sbesondere auch fürwissenschaftliche Projekte an den vorgeschlagenen assoziierten,thematischen <strong>Forschung</strong>splattformen e<strong>in</strong>zusetzen,an denen die Quellen, universitäre und außeruniversitäre<strong>Forschung</strong>sgruppen gleichberechtigt <strong>mit</strong>wirken könnten(siehe auch Empfehlung 4). Dies gilt <strong>in</strong> besonderem Maßeauch für <strong>Forschung</strong>s<strong>in</strong>itiativen, die auf der Komplementaritätvon Methoden an Synchrotronquellen und an Neutronenquellenaufbauen und die jeweiligen spezifischenVorteile nutzen.Implementierung der ESRF-Standardsan allen deutschen QuellenDie Effektivität e<strong>in</strong>es Nutzerexperiments hängt wesentlichvon der Qualität der Betreuung und von der fachlichenKompetenz des Messplatzbetreuers ab. Die ESRF als führendesZentrum der <strong>Forschung</strong> <strong>mit</strong> <strong>Synchrotronstrahlung</strong> hatbewiesen, dass e<strong>in</strong>e hohe personelle Ausstattung der Messplätze(vier Wissenschaftler und e<strong>in</strong> Techniker pro Beaml<strong>in</strong>e)und die stetige Betreuung der Nutzer vor Ort sowie e<strong>in</strong>equalitativ hochwertige hauseigene <strong>Forschung</strong> den Erfolg derNutzerexperimente wesentlich befördern. An diesem Standardmüssen sich auch die deutschen Zentren messen. Diepersonelle Ausstattung der Messplätze bei PETRA III wirddiesem Standard schon sehr nahe kommen. Das neugegründete Helmholtz-Zentrum Berl<strong>in</strong> wird die Nutzerbetreuungbei BESSY II signifikant verbessern und <strong>mit</strong> derhauseigenen <strong>Forschung</strong> komb<strong>in</strong>ieren. ANKA muss se<strong>in</strong>e Nutzerbetreuungebenfalls diesem Standard annähern. Das KFSist überzeugt, dass verbesserte Nutzerunterstützungenebenso die Attraktivität der Zentren für neue Nutzergruppenerhöht. Erfahrungen anderer Labors zeigen, dass <strong>in</strong>sbesondereWissenschaftler aus den Lebens- und Ingenieurwissenschaften,die ke<strong>in</strong>e Erfahrungen im Umgang <strong>mit</strong> <strong>Synchrotronstrahlung</strong>haben, <strong>Synchrotronstrahlung</strong>squellennutzen, wenn sie standardisierte und gegebenenfalls sogarzertifizierte Experimentierstationen und e<strong>in</strong>en komplettenService erwarten können.Erhöhte Betriebskosten dürfen dabei nicht zu e<strong>in</strong>er Verr<strong>in</strong>gerungder verfügbaren Strahlzeit führen. Dies ist <strong>in</strong>sbesonderevor dem H<strong>in</strong>tergrund steigender Energiepreise zusehen.Das KFS befürwortet ausdrücklich die Unterstützung derkoord<strong>in</strong>ierten Zusammenarbeit <strong>mit</strong> wissenschaftlichen Institutendes Auslandes, die zur Stärkung der Infrastruktursowie der Bearbeitung wissenschaftlicher Fragestellungenan <strong>Synchrotronstrahlung</strong>squellen dienen.<strong>Synchrotronstrahlung</strong> <strong>2009</strong> 57


AutorenverzeichnisDie Broschüre wurde erarbeitet und herausgegeben vom8. Ko<strong>mit</strong>ee <strong>Forschung</strong> <strong>mit</strong> <strong>Synchrotronstrahlung</strong>(2008-2011)Vorsitzender: Prof. Dr. Ullrich Pietsch (Universität Siegen),stellv. Vorsitzender: Prof. Dr. Wilfried Wurth (Universität Hamburg)Redaktionelle Mitarbeit: Dirk Rathje (Hamburg)Layout und Produktion: Wolfgang Semma (Siegen)unter Mitarbeit von:Prof. Dr. Tilo Baumbach (FZ Karlsruhe);Prof. Dr. Uwe Becker (FHI Berl<strong>in</strong>);Dr. Walter Braun (Helmholtz-Zentrum Berl<strong>in</strong>);Prof. Dr. Leonid Dubrov<strong>in</strong>sky (Bayerisches Geo<strong>in</strong>stitut, Universität Bayreuth);Dr. Hermann Dürr (Helmholtz-Zentrum Berl<strong>in</strong>);Prof. Dr. Dr. h.c. Wolfgang Eberhardt (Helmholtz-Zentrum Berl<strong>in</strong>);Prof. Dr. Stefan Eisebitt (TU Berl<strong>in</strong>);Dr. Josef Feldhaus (DESY, Hamburg);Prof. Dr. Ra<strong>in</strong>er F<strong>in</strong>k (Universität Erlangen-Nürnberg);Prof. Dr. Peter Fratzl (MPI KGF, Potsdam);Thomas Frederk<strong>in</strong>g (Helmholtz-Zentrum Berl<strong>in</strong>);Dr. Claus Habfast (ESRF, Grenoble);Dr. Cather<strong>in</strong>e McCammon (Bayerisches Geo<strong>in</strong>stitut, Universität Bayreuth);Prof. Dr. Met<strong>in</strong> Tolan (TU Dortmund);Prof. Dr. Dieter Manste<strong>in</strong> (Mediz<strong>in</strong>ische Hochschule Hannover);Dr. Alexej Nefedov (RU Bochum);Prof. Dr. Ernst Pernicka (Universität Tüb<strong>in</strong>gen);Prof. Dr. Ullrich Pietsch (Universität Siegen);Prof. Dr. Anke Pyzalla (Helmholtz-Zentrum Berl<strong>in</strong>);Dr. Gerd Reichardt (Helmholtz-Zentrum Berl<strong>in</strong>);Dr. Harald Reichert (ESRF, Grenoble);Dr. Rudolf Rüffer (ESRF, Grenoble);Prof. Dr. Eckart Rühl (FU Berl<strong>in</strong>);Dr. Markus Sauerborn (Helmholtz-Zentrum Berl<strong>in</strong>);Dr. Andreas Sche<strong>in</strong>ost (FZ Rossendorf);Prof. Dr. Andreas Schreyer (GKSS, Geesthacht);Prof. Dr. Christian Schroer (Universität Dresden);Dr. Ulrich Schwarz (MPI CPfS, Dresden);Dr. Detre Teschner (Fritz-Haber Institut Berl<strong>in</strong>);Dr. Thomas Tschentscher (DESY, Hamburg);Prof. Dr. Joachim Ulrich (MPIK, Heidelberg);Prof. Dr. Eberhard Umbach (FZ-Karlsruhe);Prof. Dr. Edgar Weckert (DESY, Hamburg);Prof. Dr. Matthias Wilmanns (EMBL Hamburg);Prof. Dr. Andreas Wolf (MPIK, Heidelberg);Prof. Dr. Christof Wöll (RU Bochum);Prof. Dr. Wilfried Wurth (Universität Hamburg);Prof. Dr. Dr. h.c. Hartmut Zabel (RU Bochum);Bildnachweis:Wir danken ESRF, DESY, HZB, MPG, FZK, European XFEL undTU Dortmund für die zur Verfügung gestellten Bilder.Unser besonderer Dank gilt der Firma Ed. Zübl<strong>in</strong> AG, denFotografen Ralf Röhlsberger und Edgar Weckert für die Bilderauf den Seiten 40 und 41.58 <strong>Synchrotronstrahlung</strong> <strong>2009</strong>


SYNCHROTRONSTRAHLUNG

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