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AW San Carlo Dokumentation - 2007 - Armasuisse

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<strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong><br />

Die Gotthardfestung "<strong>San</strong> <strong>Carlo</strong>",<br />

der Prototyp aller Artilleriewerke mit<br />

10,5 cm Turm-Kanonen Mod 1939 L52<br />

Entstehungsgeschichte, Aktivdienst und Dienstbetrieb<br />

Umnutzung zu "La Claustra"<br />

© Fischerdörfli-Verlag, Hansjakob Burkhardt, 6045 Meggen<br />

April 2003


Uniformabzeichen der Festungstruppen 1<br />

1926 ziegelrote Ärmelpatten mit gekreuzten Rohren über Lunette 2 ,<br />

1940 ziegelrote Ärmelpatten mit gekreuzten Rohren (ohne Lunette):<br />

Ab 1949 ziegelrote Kragenpatten mit gekreuzten Rohren, ab ca. 1950 Kragenpatten mit Granate .<br />

Festungstruppen - Abzeichen ab 1952: am rechten Oberarm hellrotes Abzeichen mit gelb<br />

gesticktem Turm bzw. ab 1975 schwarzes Oberarmabzeichen mit gelb gesticktem Turm:<br />

Kragenspiegel der Festungstruppen ab 15.4.1976:<br />

2<br />

Angehörige der Fest Rgt, Abt und Kp, Wk Kp.<br />

(Auszug und Landwehr)<br />

1 Angaben Jürg P. Burlet, Schweizer Landesmuseum, Zürich + Reglement 51.9: Bekleidung der Schweizer Armee<br />

2 Lunette (franz.) = kleines Werk mit Wall und Graben; symbolische Darstellung auf der Ärmelpatte.


3<br />

Das Artilleriewerk "<strong>San</strong> <strong>Carlo</strong>" der Gotthardfestung<br />

und die 10,5 cm Panzerturm-Kanonen Mod 39 L52<br />

Entstehungsgeschichte, Aktivdienst und Dienstbetrieb<br />

Umnutzung zu "La Claustra"<br />

Inhaltsverzeichnis: Seite<br />

Titelseite 1<br />

Uniformabzeichen der Festungstruppen 2<br />

Inhaltsverzeichnis 3<br />

1. Einleitung 5<br />

2. Erstellung des <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> mit den Panzertürmen und dessen Auftrag 6<br />

3. Bericht eines Zeitzeugen aus dem Aktivdienst im <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> 17<br />

4. Die 10,5 cm Panzerturm-Kanone Modell 1939 L52 21<br />

4.1 Vorgeschichte und Evaluation 21<br />

4.2 Beschaffung 21<br />

4.3 Versuchs-Beschussanlage Zelgli Thun 27<br />

4.4. Anschiessen und Montage in den <strong>AW</strong> 31<br />

4.5 Bericht eines Zeitzeugen 34<br />

4.6 Technischer Beschrieb des PzT 35<br />

5. Die Lage und Bewaffnung des <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> 38<br />

6. Das Bauwerk und die Einrichtungen der Festung <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> 38<br />

7. Die Festungsbesatzung des <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> und deren Gliederung 45<br />

8. Wiederholungskurse im <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> (1967 – 1970) 47<br />

9. Artillerieausbildung 51<br />

10. Geschützausbildung an der 10,5 cm Panzerturmkanone 1939 L52 52<br />

11. Minenwerferausbildung 12 cm Sch Mw 58<br />

12. Mitrailleur- und Infanterieausbildung 59<br />

13. Gebirgsausbildung (WK 1967 – 70) 61<br />

14. Reminiszenzen und Episoden (WK 1967 – 1970) 64<br />

15. Freizeit und Urlaub (WK 1967 – 1970) 69<br />

16. Kommandanten des <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> (1939 – 1994) 74<br />

17. Ende des <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> (1999) 74<br />

18. Umwandlung in das Seminarzentrum "La Claustra" 77<br />

19. Dank des Verfassers 78<br />

20. Quellenverzeichnis und Abkürzungen 79<br />

21. Sponsoren und Hinweise auf Museen 82<br />

Fotos Seminarzentrum "La Claustra" 83<br />

Fotos Wandmalerei <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> und Impressum 84


4<br />

Blick von Norden nach Süden im September 1966, noch bevor die neue Gotthardstrasse als National-<br />

strasse an der Bergflanke des Monte Prosa am linken Bildrand erstellt wurde. Die alte Gotthardstrasse<br />

und der Fussweg winden sich vom Rodontboden hinauf zur Senke des Gotthardpasses. Das Artillerie-<br />

werk <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> liegt rechts von der Baracke an der <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> 3 - Strassenkurve, gegen den rechten Bild-<br />

rand.<br />

« Kein Gebirgsübergang ist so eindrücklich wie<br />

der Gotthard. Ich hatte im Aktivdienst das Glück,<br />

in dieser unwirtlichen Landschaft für Monate zu leben. »<br />

« Für den Zeitraum des zweiten Weltkrieges fällt<br />

unter einer Grosszahl von Bauwerken vor allem das<br />

Artilleriewerk <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> (Gotthard) als Prototyp für<br />

eine neue Gattung von Panzerturmwerken auf, welche<br />

mit 10,5 cm Kanonen bestückt sind. »<br />

3 <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> = Ortsbezeichnung am unteren Ende des Valletta di <strong>San</strong> Gottardo<br />

4 "Erlebtes – Aus hundert Skizzenbüchern" 1987, Seite 30<br />

5 "Militärische Denkmäler im Kanton Tessin", ADAB-VBS 1996, Seite 13<br />

Paul Erni 4<br />

Maurice Lovisa 5


5<br />

Das Artilleriewerk "<strong>San</strong> <strong>Carlo</strong>" der Gotthardfestung<br />

und die 10,5 cm Panzerturm-Kanonen Mod 39 L52<br />

Entstehungsgeschichte, Aktivdienst und Dienstbetrieb<br />

1. Einleitung<br />

Umnutzung zu "La Claustra"<br />

Getarnter 10,5 cm Panzerturm Nr. 2 des <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong><br />

Durch die strikte Geheimhaltung waren bisher die Aufgabe, die Organisation und das Funktionieren<br />

eines Artilleriewerkes sowie das Arbeiten und Leben in einer Festung mit vielen Geheimnissen<br />

umwoben oder Aussenstehenden gänzlich unbekannt. Nach dem Fall der Berliner Mauer<br />

und dem Ende des Kalten Krieges hat sich die Bedrohungslage wie auch die Verteidigungsstrategie<br />

geändert. Es wurden die meisten grossen Festungswerke in den Schweizer Alpen und<br />

an der Grenze stillgelegt, deklassifiziert, ausgeräumt und geschlossen. Die anfallenden enormen<br />

Betriebs- und Unterhaltskosten der grossen Festungen waren viel zu aufwändig und die<br />

zum Betrieb notwendigen Truppenbestände entsprachen nicht mehr der beschlossenen Reduktion<br />

der Armee. Die Geschützrohre liessen auch die Verwendung modernerer Munition nicht zu.<br />

Die militärische Aufgabe kann durch andere Waffen und Einrichtungen 6 mit weniger Personal<br />

effizienter und kostengünstiger erfüllt werden. So wurde auch das Artilleriewerk "<strong>San</strong> <strong>Carlo</strong>"<br />

(<strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong>) auf dem Gotthard überflüssig und musste geschlossen werden. Durch Fernsehsendungen<br />

über den von der Fondazione "La Claustra" durchgeführten Umbau der alten<br />

Festung in einen speziellen Seminar- und Kulturzentrumsbetrieb wurde unterdessen das ehemalige<br />

<strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> der Gotthardfestung allgemeiner bekannt.<br />

Die Geheimhaltung über das deklassifizierte <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> ist aufgehoben. Was bis vor kurzem<br />

strenger Geheimhaltung unterworfen war, kann heute in Publikationen, Fernsehreportagen<br />

und Filmen 7 in allen Details betrachtet werden. Auch sind sogar Daten und Fotos der Festungswerke<br />

im Internet abrufbar und können ausgedruckt werden 8 . So sind nun auch die Akten der<br />

Entstehungsgeschichte des Artilleriewerks <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> und der 10,5 cm Panzertürme offen gelegt.<br />

Zudem können jetzt Truppenangehörige aus dem Aktivdienst und dem Wiederholungskurs-<br />

6<br />

z.B. Monoblock-Werke: "Bison" 15,5 cm, Zwillings-Festungs-Mw 12 cm<br />

7<br />

siehe Quellenverzeichnis<br />

8<br />

z.B. http://.maginotline.free.fr/ligne/suisse/ , http://homepage.sunrise.ch/homepage/schwitte/ und www.gms-<br />

reisen.ch mit vielen Links.


6<br />

Dienstbetrieb in einer alten Artillerie-Festung berichten. Es ist ein besonderes Glück, dass es<br />

mir gelungen ist, die Erlebnisse von Zeitzeugen aus der ersten Zeit des <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> einer<br />

breiteren Leserschaft zugänglich zu machen. Die Beschreibungen des Dienstbetriebs umfassen<br />

den Zeitraum 1967–1970 meiner Aufgabe als Kommandant der Fest Kp II/6 mit dem <strong>AW</strong> <strong>San</strong><br />

<strong>Carlo</strong>.<br />

2. Erstellung des Artilleriewerks "<strong>San</strong> <strong>Carlo</strong>" und dessen Auftrag<br />

Als Bestandteil der Verstärkung der Gotthardbefestigung noch vor Beginn des Zweiten Weltkriegs<br />

wurde, unter dem Druck der politischen Ereignisse in Deutschland und in Italien, als Prototyp<br />

einer neuen Generation von Festungen mit Panzertürmen 10,5 cm, das Artilleriewerk<br />

"<strong>San</strong> <strong>Carlo</strong>" (<strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong>) 1938-1944 in Etappen gebaut. Noch vor dem Réduitbeschluss<br />

von General Guisan vom 12. Juli 1940 wurde die im Bau befindliche neue Festung sukzessive<br />

von der Truppe, der Fest Art Kp 17 (später Fest Art Kp 28 bzw. Fest Kp 28 und Fest Kp II/6), in<br />

Betrieb genommen. Nachdem von 1935 – 1939 die gefährliche Einfallsache des <strong>San</strong> Giacomopasses<br />

durch Infanterie- und Artilleriewerke 9 befestigt worden war, wurde die weitere Verstärkung<br />

der Abwehrkraft an der Südfront als notwendig erachtet, waren doch die in den Jahren<br />

1886 – 1894 erbauten Befestigungen Fort Airolo, Motto Bartola 10 und Fort Hospiz längst veraltet.<br />

Die Verstärkung der artilleristischen Feuerkraft um den strategisch wichtigen Gotthardpass<br />

wurde zum damaligen Zeitpunkt besonders dringend. Nach dem Strassenbau auf den <strong>San</strong> Giacomopass<br />

durch die italienische Armee war auf dieser Einfallsachse die Schussweite von Mussolinis<br />

Artillerie zum Südportal des Gotthardbahntunnels auf 13 km geschrumpft und die Truppen<br />

Italiens standen unberechenbar an der Schweizer Grenze bereit. 11 Nach dem Kriegseintritt<br />

Italiens am 10. Juni 1940 umschlossen die Achsenmächte die Schweiz 12 . Zusammen mit den<br />

übrigen grossen Festungswerken 13 der Zentralfestung Gotthard hatte auch das <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong><br />

die Aufgabe, die Gotthardachse zu sperren und zu halten. Dazu gehörte das Bekämpfen eines<br />

allfälligen Feindes mit artilleristischem Beschuss der Haupt- und Nebeneinfallsachsen 14 wie<br />

auch von möglichen Luftlanderäumen. 15 Weitere ältere und neuere, meist mit 7,5 cm Festungskanonen<br />

ausgerüstete Festungswerke 16 und Infanteriewerke ergänzten das dichte Verteidigungsdispositiv.<br />

Die zusätzliche mobile Verstärkung und Verteidigung der Höhenzüge und des<br />

Festungsdispositivs im Gotthardraum wurde durch die bewegliche Auszugs- und Landwehrinfanterie<br />

ausgeübt. Zahlreiche Sprengobjekte an Bahn und Strassen vervollständigten die Sperr-<br />

Möglichkeiten.<br />

Réduit 1940 – 1944 mit der Zentralfestung Gotthard<br />

9 Blockhaus <strong>San</strong> Giacomo, <strong>AW</strong> Grandinagia und Artilleriebunker Manegorio<br />

10 Motto Bartola: Stellung für Positionsartillerie, mit TO 24 aufgehoben und in Mot Art umgewandelt<br />

11 Italienischer Angriffs-Operationsplan 1940 der Armata del Po unter deren Kdt General Mario Vercellino<br />

12 ab der Kapitulation von Italien am 3.9.1943: Oberitalien unter deutscher Truppenbesetzung<br />

13 <strong>AW</strong> Sasso da Pigna, <strong>AW</strong> Foppa Grande, <strong>AW</strong> Gütsch, <strong>AW</strong> Bäzberg, <strong>AW</strong> Fuchsegg, <strong>AW</strong> Grimsel<br />

14 wie <strong>San</strong> Giacomopass, Corno-/Griespass, Passo del Uomo etc.<br />

15 wie Talboden Ambri-Piotta mit Flugplatz und Urseren<br />

16 wie Flankiergalerie Stuei, <strong>AW</strong> Grandinagia, Artilleriebunker Manegorio


7<br />

Nach dem Ende des Aktivdienstes schrieb General Guisan 1946 im Zusammenhang mit der<br />

Réduitbildung vom Jahr 1940 in seinem Bericht an die Bundesversammlung: «Von nun an erschienen<br />

die drei grossen Festungen (Sargans, Gotthard und St. Maurice) nicht mehr nur als<br />

mächtige Sperren von Tälern oder strategisch wichtigen Richtungen. Sie wurden die wichtigsten<br />

Pfeiler des Gesamtplans, zwischen denen wir andere errichten konnten; und eine von ihnen, der<br />

Gotthard, wurde die Zitadelle, das heisst der Kern des stärksten und längsten Widerstandes,<br />

und zu gleicher Zeit der zentrale Kommandoposten für die Alpenübergänge, über die wir die<br />

Kontrolle zu behalten hatten.» 17<br />

Das Kommando der Befestigung St. Gotthard plante ab 1935 mit dem Baubüro der Fortverwaltung<br />

in Andermatt neue Artilleriewerke. Auf Veranlassung von Oberst im Generalstab Muntwyler,<br />

Offizier des Materiellen der Festungsverwaltung St. Gotthard, wurden ballistische Untersuchungen<br />

mehrerer Positionen im Raum Airolo – Motto Bartola – Gotthard Hospiz und Urseren<br />

durchgeführt. Schon an der Sitzung der Befestigungskommission vom 9. März 1936 in Bern<br />

unter dem Vorsitz von Oberstkorpskommandant Roost, Chef der Generalstabsabteilung, wurde<br />

unter Traktandum Nr. 4b im Zusammenhang mit dem italienischen Strassenbau auf den <strong>San</strong><br />

Giacomopass zur raschen Verstärkung des Abwehrdispositivs im Raum des Gotthardpasses<br />

und als Ersatz der 12 cm PzT im Fort Airolo die Planung von 2 – 3 Panzertürmen 10,5 -15 cm<br />

erwogen. 18 (Im Kapitel 4 Seite 21ff über die 10,5 cm Panzertürme wird eingehend auf die Vorgeschichte<br />

und die Entwicklung derselben eingegangen.)<br />

«Beschaffung neuer Pz.-Kanonen mit grosser Tragweite. Oberst Muntwyler, Of des Mat St. Gotthard<br />

Besatzung: Der Bau der Strasse auf den Passo di <strong>San</strong> Giacomo erheischt dringend eine Verstärkung<br />

der artilleristischen Armierung der Südfront. Es kommen 2 – 3 moderne Panzerkanonen vom Kaliber<br />

10,5 cm, 12 cm oder 15 cm mit einer Tragweite von 18 – 20 km in Frage.»<br />

Dazu lag eine Vergleichsofferte der Kriegstechnischen Abteilung (KTA) 19 vor. An der Sitzung der<br />

Befestigungskommission vom 23. Februar 1937 wurden Vergleichsofferten der Firmen Krupp<br />

(D), Schneider (F) und Bofors (S) vorgelegt. Die Offerte Krupp belief sich auf Fr. 1,5 Mio. jene<br />

der Fa. Schneider auf 0,5 Mio. Franken. Zielsetzung war, raschmöglichst mit drei Panzertürmen<br />

die wirksame Feuersperr-Möglichkeit am <strong>San</strong> Giacomopass sicherzustellen, damit die Grenze<br />

gehalten oder zurückerobert werden könne. Über das zu wählende Kaliber, entweder 10,5 cm<br />

oder 12 cm, konnte man sich noch nicht einigen. Anlässlich der Begehung der Befestigungskommission<br />

im Gotthardgebiet vom 5. – 7. Juli 1937 unter dem Vorsitz von Oberstkorpskdt Labhardt,<br />

Chef der Generalstabsabteilung, wurden für die 3 PzT folgende Standorte erwogen: Hospiz<br />

<strong>San</strong> Gottardo, Motto Bartola und am Eingang zum Äginental bei Oberwald an der Furka.<br />

«Antrag Oberstdiv Tissot: Verzicht auf Standort Furka. Aufstellen der Türme II + III auf dem Gotthardpass.<br />

Diesem Antrag wird zugestimmt. Das Kdo der Gotthardbesatzung wird beauftragt, die<br />

definitiven Plätze zu bestimmen und die Detailpläne einzureichen. Oberst Fierz macht Angaben über<br />

die Offerten von Krupp und Schneider. Oberst KKdt Labhardt bemerkt, die Preisfrage sei bestimmend.<br />

Der Geniechef der Gotthardbesatzung wird nach Erhalt der Angaben über die Geschütze studieren,<br />

ob die Brücken für den Transport der Türme genügen.» 20<br />

1937 fanden erste Rekognoszierungen durch Oberst A. Meili, Art Chef Gotthard Südfront und<br />

Oberst Imobersteg statt, mit dem Vorschlag neuer Positionen (Standorte) für neue 10,5 cm<br />

Turmwerke im Raum Motto Bartola und <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong>. Die Auswahl der endgültigen Lage erfolgte<br />

durch den Kdt der 9. Division, Divisionär Eduard Tissot 21 , und diese wurde darauf durch die Befestigungskommission<br />

genehmigt. Bald lagen Lösungsvorschläge mit entsprechenden Kostenschätzungen<br />

vor. Der Bericht der KTA an die Befestigungskommission vom 1. Februar 1938<br />

stellte fest, dass die 12 cm Geschosse der Variante Schneider nur eine um 500 m grössere<br />

Reichweite besitzen. Einzig das Argument von Div Tissot wegen den grossen 12 cm-Munitionsvorräten<br />

begründete die weitere Prüfung der 12cm-Lösung. Divisionär Huber, der spätere Gst<br />

Chef, propagierte das Kaliber 10,5 cm mit dem Argument, Schnelligkeit im artilleristischen Be-<br />

17 "Bericht an die Bundesversammlung über den Aktivdienst 1939 – 1945" von General Henri Guisan, 1946, S. 83/84<br />

18 BAr: E 9500.73 1969/73 Bd. 1, ehemals geheime Protokolle der Befestigungskommission<br />

19 KTA = Kriegstechnische Abteilung, direkt dem Militärdepartement (EMD) unterstellt. Diese beinhaltet u.a. die Kon-<br />

struktionswerkstätten in Thun (K+W), die Munitionsfabriken etc. Ab 1968, nach dem Mirageskandal, umbenannt in<br />

Gruppe für Rüstungsdienste (GRD) und der Direktion der Eidg. Militärverwaltung im EMD bzw. dem VBS unter-<br />

stellt. (BAr: Staatskalender)<br />

20 BAr: E 9500.73 1969/73 Bd.<br />

21 Div Tissot Eduard war als Divisionär von 1935 – 1937 Kdt der Gotthardbesatzung und von 1938 – 1940 Kdt der<br />

9. Division (Angabe BAr)


8<br />

schuss sei wichtiger. Am 3. - 5. Mai 1938 behandelte die vom Chef der Generalstabsabteilung<br />

präsidierte Befestigungskommission die Verwendung des 8,6 Mio. Franken Kreditanteils der<br />

Wehranleihe und nahm Kenntnis von Plänen für die Artilleriewerke "<strong>San</strong> <strong>Carlo</strong>" mit 2 getrennten<br />

Türmen auf dem Gotthard und "Foppa Grande" westlich von Motto Bartola, mit geschätzten<br />

Kosten für das <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong>: Turm 1 Fr. 368'000 und Turm 2 Fr. 357'000. Sämtliche vorliegenden<br />

Varianten basierten nun auf der Offerte der französischen Firma Schneider mit einer 10,5<br />

cm Panzerturm-Kanone. Das Festungsbaubüro bekam den Auftrag, als günstigere Lösung die<br />

Zusammenlegung der Türme in ein einzelnes Artilleriewerk zu studieren. Die Kommission verlangte<br />

vom Festungsbaubüro einige Projektvereinfachungen und der Chef Generalstabsabteilung<br />

ordnete an: "Pläne und Bau sind so zu fördern, dass die Armierung 22 im Frühjahr 1939<br />

stattfinden kann". Es wurden Stellungnahmen folgender Herren angefordert:<br />

� Divisionär Hilfiker, Waffenchef Genietruppen<br />

� Divisionär Marcuard, Waffenchef Artillerie<br />

� Oberst Fierz, Chef KTA<br />

� Oberst Peter, Chef BBB<br />

In der Stellungnahme des Chefs des Büros für Befestigungsbauten Bern (BBB), Oberst Peter<br />

Felix 23 , vom 13.9.1938 werden für <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong>, nordwestlich des Gotthard Hospizes, nochmals<br />

drei Varianten vorgelegt. 24<br />

� Variante 1 2 getrennte Anlagen mit je 1 PzT 10,5 cm 25 , ca. Fr. 725'000<br />

� Variante 2 2 Türme in Distanz von 300 m mit Stollensystem zusammenhängend, ca. Fr<br />

980'000 (davon Verbindungsstollen Fr. 110'000 und Mehrkosten zuzüglich<br />

Landerwerb). Unvorhergesehenes 7,7%, Notausgänge teuer.<br />

� Variante 3: Wie 1, aber eine Anlage mit 2 Türmen, Fr. 770'000<br />

Mun Mag reichlich 2 x 4000 Schuss. Kollektivraumschutz nur für Unterkunft.<br />

Überdeckung 18 – 20 m über Stollen = minimal. Beschränkung auf nur absolut<br />

Notwendiges.<br />

Die von ihm als kostengünstigste erachtete Variante 3 wies, unter Abwägung aller Vor- und<br />

Nachteile, mit ca. Fr. 980'000 ein kombiniertes Werk mit zwei Panzertürmen auf. Gewisse Einsparungen<br />

seien noch möglich. Auch Div Marcuard und Oberst Fierz bevorzugten die Variante 3<br />

mit 2 PzT in einem Artilleriewerk. Oberst Fierz äusserte sich zudem, dass eine Mineurkompanie<br />

beim Felsausbruch helfen könnte. Die Kosten für die Variante wurden unter Berücksichtigung<br />

der vorgeschlagenen Einsparungen auf Fr. 928'000 veranschlagt und der notwendige Kredit zu<br />

Lasten KTA und 9. Division gesprochen. Die Befestigungskommission hat sich anlässlich der<br />

Sitzung vom 3./5. Mai 1938 für das <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> mit 2 Panzertürmen in einem Artilleriewerk<br />

entschieden (Seite 22). Die weitere Entstehungsgeschichte der 10,5 cm Panzertürme, auch in<br />

den Festungen St. Maurice und Sargans, ist im nachfolgenden Kapitel 4 behandelt.<br />

Ab 31.12.1939 wurde das BBB dem Geniechef der Armee, am 31.12.1943 der Abteilung für<br />

Festungswesen unterstellt. Das "Festungsbaubüro Andermatt" (Abschnittsbaubüro des BBB)<br />

wurde am 1.04.1942 ebenfalls in diese neue Planungs- und Führungsstruktur integriert. 26 Die<br />

frühzeitig erbauten <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> und <strong>AW</strong> Foppa Grande mit der neu konzipierten 10,5 cm Pz-<br />

Turmkanone waren Vorbild für die später gebauten etwas moderneren Panzerturmwerke im<br />

Gotthardgebiet 27 , wie auch die im 2. Weltkrieg gebauten oder erweiterten und gleich ausgerüsteten<br />

Festungen in St. Maurice 28 und in Sargans. 29 Später in den Jahren 1941 – 1944 wurde in<br />

einer intensiven Bauperiode die Abwehrkraft der Zentralfestung Gotthard wesentlich verstärkt,<br />

insbesondere durch die neu erstellten Artilleriewerke <strong>AW</strong> Sasso da Pigna (auf der Gotthard-<br />

22<br />

"Armierung" = Ausrüsten eines Artilleriewerks mit den Geschützen<br />

23<br />

Chef BBB F. Peter = Felix Peter, Jahrgang 1885, siehe Bar: E 5481 1973/22 Bd. 1<br />

24<br />

Schweizerisches Bundesarchiv (BAr): E 5481 1973/22 Bd. 41<br />

25<br />

Ähnlich wie das gleichzeitig erbaute <strong>AW</strong> Foppa Grande ob Airolo mit 1 PzT. Ein Plan des Festungsbaubüros<br />

Andermatt sah folgende Disposition für ein Ein-Turm <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> für PzT Nr. 1 wie folgt vor:<br />

Nach dem Zugangsstollen am Fuss des PzT-Schrägschachts ein spartanischer Blockbau in einer<br />

Kaverne mit einem Unterkunftsraum für ca. 80 Mann, Küche mit Magazin, Motorenraum, Of Raum für ca. 6 Of,<br />

Gasschutzraum, WC-Anlage und Waschtrog, Notausgangstollen. Kein Ess- und Aufenthaltsraum und keine Innenverteidigung.<br />

Die Disposition des Mun Mag ist nicht ersichtlich. (Archiv Fondazione "La Claustra")<br />

26<br />

Bericht des Chefs des Generalstabs an den Oberbefehlshaber der Armee, Aktivdienst 1939 – 45, S. 213<br />

27<br />

1941 – 1944: <strong>AW</strong> Gütsch, <strong>AW</strong> Fuchsegg: 7 PzT (siehe Seite 29ff)<br />

28<br />

<strong>AW</strong> Dailly - Les Planaux: 2 PzT<br />

29<br />

<strong>AW</strong> Magletsch, <strong>AW</strong> Castels, <strong>AW</strong> Furggels: 10 PzT (siehe Seite 29ff)


9<br />

passhöhe) und <strong>AW</strong> Grimsel mit total 10 Rohren und Bestückung mit der 15 cm Bunkerkanone<br />

1942 L42. Die verbesserte Nahverteidigung der Werke erfolgte in den 50er und 60er Jahren mit<br />

teilweiser Nachrüstung durch 8,1 cm Festungsminenwerfer und mit Kugelbunkern sowie Atomschutzunterständen.<br />

Original-Situationsplan des <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> A 8390 (siehe auch Plan Seite 41)<br />

Ersichtlich sind die nach dem Felsausbruch mit Betonpfropfen verschlossenen Stollen,<br />

ebenso geplante und nicht ausgeführte Erweiterungsbauten und Gänge.<br />

In den Bauplänen des Festungsbaubüros St. Gotthard 30 waren die Kavernen entsprechend der<br />

vorgesehenen Baureihenfolge wie folgt bezeichnet und später auch mit selbstleuchtenden<br />

Wegweisern wie folgt bezeichnet:<br />

� Kaverne 1: Munitionsmagazin<br />

� Kaverne 2: Gebäude mit Maschinenraum, Gasschutzraum, Korpsmaterialmagazin<br />

und Telefonzentrale<br />

� Kaverne 3: Küche, Mannschafts- und Offiziersspeisesaal, Duschen<br />

� Kaverne 4: 3 Mannschaftsunterkunftsräume für je 44 Mann, Unterkunftsraum für 10<br />

Uof, 2 Unterkunftsräume für 6 Of bzw. 2 Of, Arztzimmer, Unterkunft für 2<br />

<strong>San</strong> Sdt, Krankenzimmer mit 6 Betten, Kp Büro mit 2 Uof-Betten<br />

� Kaverne 5: Kommandotrakt des Kdt Südfront (später = Abteilungskdo Fest Abt 6):<br />

6 Offizierszimmer à je 1 bis 6 Betten (total 19 Of), Uof-Zimmer für 4 Uof,<br />

Zimmer und Büro Kdt Südfront, Bureau und Kanzlei, Büro (später Bttr<br />

Feuerleitstelle), WC und Waschraum, Verpflegungsmagazin, Material-<br />

magazin.<br />

Die Räume in den Kavernen 3 und 4 waren einseitig zugänglich, jene in der Kaverne 5 von 2<br />

Seitengängen aus. Ausmauerungen der Stollen und Kavernen erfolgten nur beim Antreffen von<br />

gebrächem Fels. Die in den Kavernen freistehenden Gebäude stehen auf einem Sockelraster.<br />

Damit besteht unter dem sog. Ottiker-Elementboden ein Hohlraum von ca. 50 cm. Die leicht<br />

abgeschrägten flachen Gebäudedecken aus Lauper-Hohlkörpern sind mit einer Dachisolation<br />

und einem Betonüberzug versehen. Sie waren ursprünglich mit einer Holzdachkonstruktion vorgesehen,<br />

wie sie im Munitionsmagazin vorerst zur Ausführung kam.<br />

30 Plan Nr. 4936 des Ingenieur-Offiziers vom 30.5.1941 (Archiv Fondazione "La Claustra")


10<br />

Unter der Leitung des Baubüros der Festungsverwaltung Andermatt, dem "BBB 31 Festungsbaubüro<br />

St. Gotthard" in Andermatt, begannen die Bauarbeiten am <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> (Werknummer<br />

A 8390) im Jahr 1938. Zwei private Firmen und Mineure einer Mineurkompanie arbeiteten im 3-<br />

Schichtbetrieb. 32 Zum Einsatz im <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> kam mutmasslich als Hauptbauunternehmer<br />

eine Tessiner Bauunternehmung 33 und Teile der Gebirgs-Mineurkompanie 3 34 (Bauakten sind<br />

leider erst ab ca. 1944 im BAr 35 Bern auffindbar). In erster Dringlichkeit waren die Ausbruch- und<br />

Rohbauarbeiten für die beiden 10,5 cm Panzertürme auszuführen, damit diese raschmöglichst<br />

schussbereit gestellt werden konnten. Auf dieser Höhe war die mögliche Bauzeit ohnehin knapp<br />

bemessen und der Mangel an Arbeitskräften, Baumaterialien und finanziellen Mitteln verzögerte<br />

den geforderten raschen Arbeitsfortschritt. Auch das <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> konnte dementsprechend<br />

nur in Etappen realisiert werden, in der Dringlichkeitsreihenfolge: 1. Geschütze mit Munitionsmagazin,<br />

2. Unterkunft mit Maschinenraum, 3. Nahverteidigung und später 4. weitere Betriebsräume<br />

und Ergänzungsarbeiten.<br />

Bei Ausbruch des 2. Weltkriegs am 1. September 1939 waren die beiden Turmgeschütze<br />

des <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> in Montage. Die Tagebücher 36 der damaligen Fest Art Kp 17 geben Aufschluss<br />

über den Ablauf der Fertigstellungsarbeiten und die Inbetriebnahme. Diese Kompanie<br />

rückte vor der Kriegsmobilmachung vom 1. September mit der frühzeitigen Mobilmachung der<br />

Festungsbesatzungen am 29. August 1939 an ihrem Kriegsstandort, dem Fort Gotthard Hospiz,<br />

ein und nahm dort Quartier. Der Einrückungsbestand unter Hptm Ringger betrug 8 Of und ca.<br />

123 Uof + Sdt. Noch gleichentags wurden vor allem Schlosser zur Mithilfe der Turmmontage ins<br />

<strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> abkommandiert. Es galt vorerst den Hilfskran für die Turmmontage zu erstellen.<br />

Am 9.8.1939 schloss die KTA 37 mit der Transportfirma Kehrli & Oehler in Bern den Transportvertrag<br />

für den Transport von 3 Panzertürmen vom Bahnhof Airolo bis zur Abladestelle der 2<br />

"bekannten Baustellen" ab, d.h. zu den beiden im Bau befindlichen <strong>AW</strong> "<strong>San</strong> <strong>Carlo</strong>" und <strong>AW</strong><br />

"Foppa Grande".<br />

Als Felsblock getarnte 10,5 cm Panzerturm-Kanone in Schussstellung<br />

Für die Transporte der schweren Panzerturmteile wurden zusätzlich Wehrmänner der Fest Art<br />

Kp 16 zur Mithilfe beigezogen. 38 Weitere Tagebuchnotizen 39 der Fest Art Kp 17 mit folgenden<br />

Zitaten lassen den weiteren Baufortschritt bis zum ersten Anschiessen der fertig montierten Geschütze<br />

nachvollziehen: 40<br />

31.8.39: «Unsere Kp übernimmt ab heute 15.00 Uhr die Bewachung der Baustelle der neuen Türme,<br />

die bis jetzt durch den freiw. Grenzschutz 41 durchgeführt wurde.»<br />

31 BBB = Büro für Befestigungsbauten<br />

32 Meldung 9. Div vom 18.10.1939<br />

33 mutmasslich Fa. E. Briner, Lugano-Castagnola (Angabe Maurice Lovisa)<br />

34 BAr: E 5790 -/9001 3351/ Bd. 1ff<br />

35 BAr = Schweizerisches Bundesarchiv Bern<br />

36 BAr: E 5790 -/9001 2622 Bd. 1ff<br />

37 BAr: E 27 / -/9001 18467 Bd. 10<br />

38 Gemäss Aussagen Zeitzeuge Hans Wunderli, Jhg. 1913, Ohringen/Seuzach, ehem. Art Wm in der Fest Art Kp 16<br />

39 Die Tagebuchnotizen und Tagesbefehle sind wörtlich und textlich gemäss Original wiedergegeben (Zitate).<br />

40 Siehe auch Kapitel 4, Seite 14ff<br />

41 Die "Freiwillige Grenzschutztruppe" wurde 1936 aufgestellt und rekrutierte sich aus allen Waffengattungen und<br />

Dienstzweigen. Auf den 1. April 1942 wurden die ständigen Fortwachen mit der freiwilligen Grenzschutztruppe zum<br />

Festungswachtkorps vereinigt.


11<br />

5.9.39: «Es arbeiten den ganzen Tag 16 Mann, vornehmlich Schlosser, am Kranbau der neuen Türme<br />

am <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong>. Nachmittags werden weitere 50 Mann abkommandiert zum Einziehen<br />

des Kabels in die Türme.»<br />

10.9.39: «Besuch Oberst Fierz KTA und Oberstlt Fritz BBB.»<br />

15.9.39: «Antransport und Ablad eines 10,5 cm Rohres für Pz. Kan. S. <strong>Carlo</strong>. Die Kp stellt für diese<br />

Arbeiten und Verlegung der Geleiseanlagen ein Detachement von 20 Mann.»<br />

19.9.39: «Hptm Imhof vom Div Stab besucht die Kp und erzählt artilleristische Details über die neuen<br />

Türme S. <strong>Carlo</strong>.»<br />

23.9.39: «Bei den neuen Türmen S. <strong>Carlo</strong> wird heute eine Kanone fertig montiert, d.h. das Rohr eingesetzt<br />

und die Kuppel aufgesetzt. Beim Vorpanzer ist der Armierungsrost fertig gestellt, so<br />

dass mit der Betonierung begonnen werden kann.»<br />

27.9.39: «Die Geb Min Kp. 13, welche an Stollen der neuen Türme S. <strong>Carlo</strong> arbeiten, anerboten sich<br />

uns als "Freundesdienst" Sprengungen vorzunehmen. Die Fest Art Kp 17 arbeitete seit dem<br />

Einrücken an einer Befestigung "Prosa" oberhalb des Forts Hospiz.»<br />

Am 26. September 1939 verunsicherte Hptm Imhof vom Div Stab die Artillerie Offiziere der Fest<br />

Art Kp 17 mit seinen unbedachten und teils unsachlichen Äusserungen, welche den Tagebuchschreiber<br />

zu folgenden tiefsinnigen Überlegungen veranlasste: 42<br />

26.9.39: «Herr Hptm Imhof führt Vermessungen durch an den neuen Türmen in S. <strong>Carlo</strong>. Er isst im<br />

Fort zu Mittag. Bei dieser Gelegenheit erzählt er uns, dass gestützt auf seine genauen Messungen<br />

die Türme unrichtig placiert seien. Es ist wohl möglich auf S. Giacomo zu schiessen!<br />

Es entstehen aber sehr viele tote Winkel und die einzelnen Ladungen überdecken sich nicht<br />

im Gelände. Eine Versetzung von ca. 400 – 500 m mehr hätte weit bessere Resultate geliefert.<br />

Was einem Subalternen Of beim Aufstellen einer Bttr nicht vorkommen darf, passiert<br />

unseren hohen Vorgesetzten bei einer Arbeit, die auf ca. 1,5 Millionen veranschlagt ist. Es<br />

interessiert uns nur, ob die fehlerhaften Instanzen gestützt auf den Bericht von Herrn Hptm<br />

Imhof entsprechend zur Rechnung gezogen werden, da ja der Kp Kdt bestraft werden soll, für<br />

den Fall, dass Soldaten mit offenem Kragen und eingedrückten Mützen auf der Strasse ertappt<br />

werden.»<br />

Dem Tagebuchschreiber 43 und Hptm Imhof war offensichtlich zu wenig bewusst, dass weitere<br />

artilleristische Mittel, wie z.B. die Fest Art Kp 18 mit einer mobilen 7,5 cm Geb Kanonen Bttr in<br />

vorbereiteten Stellungen in Cioss Prato bei All'Acqua 44 oder der PzT Foppa Grande, diese Lücken<br />

schloss. Zudem wurde die artilleristische Feuerkraft in den Raum <strong>San</strong> Giacomo und oberstes<br />

Formazzatal durch den späteren Bau der <strong>AW</strong> Fuchsegg und <strong>AW</strong> Grimsel weiter wesentlich<br />

verstärkt. Schon am nächsten Tag kehrte der Tagebuchschreiber wieder zu den täglichen Sorgen<br />

und Aufgaben zurück:<br />

30.9.39: «Da ab 1. Okt. die Post auf Hospiz nicht mehr normal besorgt wird, Übernahme Postdienst<br />

für die Zivilarbeiter an den Türmen auf S. <strong>Carlo</strong> durch unsere Kp. Entspr. Verhandlung mit<br />

dem Werkführer werden gepflogen und die Übernahme des Dienstes zugesichert.»<br />

4.10.39: «Ein Det von Schlossern arbeitet immer noch an den Türmen auf S. <strong>Carlo</strong>, wobei eine Gruppe<br />

sich mit dem Innenausbau des Turms Nr. 1 und die andern am Vorpanzer des Turms Nr. 2<br />

beschäftigt. Auch Rekognoszierung der Nahverteidigungsanlagen für Fort S. <strong>Carlo</strong> durch Kp<br />

Kdt und Hr. Lt Güttinger.»<br />

9.10.39: «Für die Mat. Transporte für die Türme S. <strong>Carlo</strong> muss die Strasse teilweise ausgeschaufelt<br />

oder vom Eise befreit werden.»<br />

16.10.39: «Eine Gruppe Richtkanoniere wird instruiert um als Richter in den neuen Türmen arbeiten zu<br />

können. Die Demobilmachung und Abgabe der Bestückung geht rasch weiter.»<br />

17.10.39: «Gros der Kompanie Einschiessen 45 <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> ab 08.00 Uhr.» 46<br />

18.10.39: «Entlassung des Gros. Ein Detachement in Stärke von 1 Of (Lt Flury), 7 Uof und 33 Mann<br />

bleibt als Besatzung zurück. Der Kp Kdt (Hptm Ringger) bleibt zur Mitwirkung beim Einschiessen<br />

des neuen Pz.T. Nr. 2 im S. <strong>Carlo</strong> noch bis Freitag, 20.10.39 auf dem Hospiz.»<br />

42 BAr: E 5790 -/9001 2622 Bd. 2<br />

43 mutmasslich Hptm Ringger, Kdt Fest Art Kp 17<br />

44 Angabe Brigadier aD Rauch Andrea.<br />

45 Richtig sollte es "Anschiessen" heissen (siehe Kap. 4, Tabelle Seite 31).<br />

46 Vorgängig erfolgte das Anschiessen in Thun (siehe Kap. 4, Seite 31ff).


12<br />

Der Rapport der KTA 47 zu den Schiessversuchen vom 17. – 19.10.1939 im <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> berichtet<br />

über den Stand der Arbeiten und die gemachten Feststellungen:<br />

«Turm I montiert und schiessbereit; Turm II 48 Geschütz und Kuppel montiert, betonieren Vorpanzer.<br />

Zugangsstollen zu I + II ist noch eng und wird von Mineurtruppe in 3 Schichten ausgesprengt. Die<br />

Munitionstransportanlagen (Paternoster) fehlen ganz.<br />

Für Turm I + II wurde eine kurze Geleiseanlage von der Strasse weg angelegt, auf welcher die Stücke<br />

mit Winden transportiert wurden. (bei Foppa Grande: Bau-Standseilbahn Fa. Sulzer).<br />

Montagekran, der für Turm II noch von Hand getrieben werden muss.<br />

Zustand: Bei den Türmen fällt die überaus starke Kondenswasserbildung in der Kuppel auf. Von der<br />

Kuppel und Geschütz tropft fortwährend Wasser. Schon Rostbildung.»<br />

Der Bericht des Chefs der KTA, Oberst Fierz vom 19. Oktober 1939 49 , zeigt weitere festgestellte<br />

Mängel und Kinderkrankheiten auf, welche beim Anschiessen des <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> zu Tage traten<br />

und zum Teil erst in späteren Jahren behoben wurden. Die Vorschläge sind aus heutiger Sicht<br />

zum Teil eher amüsant, so dass es angebracht ist ist, sie auszugsweise zu zitieren:<br />

«1. Ventilation: In dem relativ kleinen Raum des Turmes kann sich sehr rasch CO und CO2 ansammeln.<br />

Es ist darum nicht geraten, ohne Kollektivschutz zu arbeiten. Nach den gemachten Messungen<br />

kann man den Kollektivschutz aber wahrscheinlich einfach ohne Maske ausführen, in dem Sinne,<br />

dass der Luftschlauch an der Brust des Mannes befestigt wird; er hat hierfür einen geeigneten Haken.<br />

Und es ist zu prüfen, ob man nicht um das Kinn eine einfache Luftführung anbringen kann, so dass<br />

der Frischluftstrom ständig vor Mund und Nase vorbeistreicht. Durch die auf diese Weise eingepumpte<br />

Frischluft dürfte die Entlüftung des Turmes genügend sein.<br />

2. Beleuchtung: Die Beleuchtung muss noch besonders studiert werden. Bei dem Schiessen hat man<br />

provisorisch zwei Lampen im Turm eingehängt, die aber so disponiert waren, dass der Schatten des<br />

Richters auf die Skalen der Axiometer fiel. ……..<br />

3. Schweisswasser: Der Turm war innerlich vollständig nass und zwar deswegen, weil die wahrscheinlich<br />

100 % feuchte Luft sich an der Kuppel abkühlte und dadurch das Wasser ausschied. Es<br />

sollte studiert werden, ob es nicht zweckmässig wäre, einen Versuch mit einer Turmisolation zu machen.<br />

Man könnte die ganze Kuppel mit einer Isolierschicht, deren Stärke noch abzuklären wäre, aus<br />

Glaswolle, eventuell Asbest oder etwas ähnlichem überziehen und das Ganze mit einem Stoffüberzug<br />

und darüber Drahtgeflecht an der Kuppel befestigen. Die Kuppel würde dadurch isoliert und sich auch<br />

bei kalter Witterung successive erwärmen, so dass die Frischluft, die eingepumpt wird, das Wasser<br />

nicht mehr abgibt. ….<br />

4. Munition: Die Munition muss auf alle Fälle gegen Tropfwasser geschützt werden. Es können Abschlussdeckel<br />

in Frage kommen, die man über der im Kreis angeordneten Munition aufhängt und die<br />

man jeweils über die Schussladung stülpt, event. auch solche über die Geschosspitze in der Meinung,<br />

dass die Munition ohne diesen Schutz durch den Aufzug herauftransportiert wird und erst im Turm die<br />

Deckel erhält. …..<br />

5. Hülsenauswurf: Der Hülsenauswurf hat im grossen ganzen gut funktioniert; es scheint aber, dass<br />

man ihn vielleicht noch etwas raffinierter ausbilden kann, um ein ganz ruhiges Abrutschen der Hülsen<br />

zu erzielen.<br />

6. Rohrtransport: Es wurde die Frage aufgeworfen, ob die Geleise für den Rohrtransport nicht stören.<br />

Es wurde früher geprüft, ob man nicht die Geleise umklappbar machen solle. … Auf diese Weise wird<br />

die ganze Treppe frei und besser gangbar.»<br />

Beruhigt darf man feststellen, dass auch solche Details "Chefsache" waren.<br />

Am 14. November 1939 wurde der zweite Panzerturm des <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> angeschossen und<br />

der Chef der Sektion für Schiessversuche rapportierte am 17.11.1939 mit Brief an die KTA: 50<br />

«10,5 cm Turm Gotthard: Wir teilen Ihnen mit, dass wir am 14. ds. den zweiten 10,5 cm Turm beim<br />

Gotthardhospiz angeschossen haben. Verfeuert wurden 10 StG MVZ mit Ladung 6 auf kleiner Elevation<br />

auf kurzer Distanz in 2 Richtungen (Winterhorn und Alpe Fortunei). Die ersten 5 Schüsse wurden<br />

mit Turm in normaler Stellung, die zweiten mit gehobener Kuppel geschossen. Das Verhalten von<br />

Geschütz und Munition war normal.<br />

Sektion für Schiessversuche, Der Chef Fierz»<br />

47 BAr: E 27 -/9001 18467 Bd. 17<br />

48 Hier werden nun die Turm-Nummern verwechselt – siehe Tagebuchnotizen Fest Art Kp 17 und Schiessprotokolle<br />

der Sektion für Schiessversuche.<br />

49 Bar: E 5156 (A) 1779/85 Bd. 85<br />

50 Bar: E 5156 (A) 1779/85 Bd. 85


Die Bauarbeiten gingen mit dem Bau der Unterkunft und der Nahverteidigung weiter:<br />

13<br />

1941 Werk, ohne Maschinenraum, fertig gebaut (4.7.1941)<br />

1942 Übergabe 1.4.1942 an das Festungswachtkorps (FWK) 51<br />

1942 Kollektivgasschutz Ende April 1942 betriebsbereit 52<br />

1942 Fertig: Unterkunft für 150 Mann, Unterkunft Stab Südfront 40 Mann,<br />

MunMag (Ventilation noch auszuführen), Wasserreservoir, Notstrom-<br />

gruppe, Telefonzentrale (Möblierung fehlt) und Wachtlokal. 53<br />

1942 Projekt Nahverteidigung<br />

1943 Tarnarbeiten HD Tarn-Det 3 AG<br />

1944 Nahverteidigung fertig 31.12.1944 (Werke A 8391-8395)<br />

1946 Lüftung + verschiedene <strong>San</strong>ierungs-, Erweiterungs- und Verbesserungs-<br />

arbeiten 54<br />

Festungsbau 1938 – 1944 (hier im Jura) Mineure an der Ausbruch-Seilwinde<br />

Unterdessen waren durch den Art Chef der 9. Division geheime Karten der im Bau befindlichen<br />

und der projektierten Befestigungsanlagen im Massstab 1: 50'000 erarbeitet worden. Jene des<br />

10,5 cm "Panzerturms Hospiz" umfasste nur die Sektoren des <strong>San</strong> Giacomopasses und der<br />

Leventina mit eingezeichneten schusstoten Räumen. Von den vorgesehenen Kommandoposten<br />

aus wurden handgezeichnete Panoramaskizzen mit den Ansichten der Zielräume angefertigt<br />

und diese ergänzten die noch spärlichen Schiess-Unterlagen. 55<br />

Noch vor dem Baubeginn des Kraftwerks Lucendro im Jahre 1942 wurde über die verschiedenen<br />

zu berücksichtigenden Berührungspunkte verhandelt, wie Steinbruch in der Nachbarschaft<br />

des Nahverteidigungsbunkers West, Trasséführung des Druckstollens in Nähe des <strong>AW</strong><br />

<strong>San</strong> <strong>Carlo</strong>, Führung der Transportseilbahn in Nähe der Panzertürme, Vergrösserung des<br />

schusstoten Raumes durch Staumauer Lucendro, Abschrankung des Festungsareals und Beschäftigung<br />

von Fremdarbeitern. 56<br />

Im Schweizerischen Bundesarchiv in Bern (BAr) sind erst in den Tagesbefehlen oder in den<br />

Aktivdienst-Tagebüchern der Fest Art Kp 17 57 und der Fest Art Abt 6 58 weitere Bemerkungen<br />

über das <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> zu finden:<br />

51<br />

gemäss Erlass des Generalstabschefs vom 25.3.1942 auf den 1.4.1942 eingeführt<br />

52<br />

BAr 5451 1973/22 (Festungsverw. Stand Gasschutz <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> 31.3.42)<br />

53<br />

BAr 5481 1973/22 Bd. 41 (Standbericht 14.7.42 an Armeekdo, Festungssektion und BBB)<br />

54<br />

Siehe Seiten 15/16<br />

55<br />

BAr: 5480 (A) 1975/39 (Historische Sammlung Schiesskarten Mappe Nr. 1)<br />

56 BAr: E 5480 (A) 1973/21 Bd. 58<br />

57 BAr: E 5790 -/9001 2622<br />

58 BAr: E 5790 -/9001 2603


18.6.41: Tagesbefehl: «Schneeräumung; Post- und Provianttransport vom S. <strong>Carlo</strong> zum Fort.»<br />

23.6.41: Tagesbefehl Hptm Bleuer: «Freilegen der Türme <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong>.»<br />

24./25.6.41: «Post- und Provianttransport vom Brüggloch und <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> nach dem Fort (Hospiz)» und<br />

«Transport vom Mätteli nach Fort»<br />

14<br />

7.8.42: Besetzungsübung vom 7.8. – 9.9.1942: «Einrücken; ca. 70 Mann sind definitiv im <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong>,<br />

ca. 100 Mann im Fort Hospiz untergebracht.»<br />

12.9.43: Mobilisierung 12.9. – 16.11.1943: «Einrücken Fort Hospiz - Bancchi 59 Baracke - Fort <strong>San</strong><br />

<strong>Carlo</strong>. 12 Of und 192 Uof + Sdt unter Hptm Bruppacher.»<br />

26.10.43: «Übergabe <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> an Umschulungskurs 9. Div.»<br />

z.B. Fest Art Kp 25 (spätere Grimsel-Kp mit 15 cm BK) im Umschulungskurs II der 9. Div. vom<br />

25.10. bis 13.11.43 in den "Lucendrobaracken" des <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong>. Fachdienst im <strong>AW</strong><br />

Sasso da Pigna unter Hptm Lussi. 60<br />

1943 – 1946 wurde im Sommer an den weiteren baulichen und mechanischen Ergänzungen<br />

des Werkes gearbeitet. Gleichzeitig wurde in nächster Umgebung des <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> das Kraftwerk<br />

Lucendro erstellt, mit der Staumauer 61 , den Wasserfassungen im Valletta <strong>San</strong> Gottardo,<br />

dem Druckstollen etc. Im Jahr 1944 war die Nahverteidigung fertig gebaut und es trat die neu<br />

zusammengestellte Fest Art Kp 28 im <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> unter Hptm Schuster in Aktion:<br />

14.8.44: 62 Tagesbefehl Fest Art Kp 28 im Ablösungsdienst: «Panzertürme, Gefechtsschiessen, Angriffsübung<br />

Lucendro. Bestand 155 Mann mit 6 Of + 17 Uof + 132 Sdt.»<br />

Am 4.12.1944 hält in einem Kontrollbericht Hans Käppeli 63 von der K+W Thun seine Beobachtungen<br />

eines Artillerie Schiessens im <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> fest: 64<br />

«Betr. Schiessen mit PzT Nr. 1 + 2 <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong>:<br />

Fest Art Kp 28 im Nov. Ca 800 Schuss, letzter Schiesstag 30.11. 44<br />

80 Schuss Schnellfeuer in 5 Serien bei ca. 25º Elevation.<br />

Notwendig einheitliche Instruktion betr. Benützung der Ladevorrichtung<br />

und Verbesserungen der Ladeschaufel.»<br />

Schon 1940 (vom 28.10. bis 1.11.1940) waren die drei Panzertürme <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> und <strong>AW</strong> Foppa<br />

Grande mit einer neu konstruierten Ladeschaufel ausgerüstet worden. 65 Aber auch diese gab<br />

immer wieder Anlass zu Beanstandungen.<br />

Nach weiteren Ausbildungsdiensten nahte das Kriegende und am 8. Mai 1945 war es soweit.<br />

Wohl war noch nicht Friedensschluss, doch der Waffenstillstand auf dem europäischen<br />

Kriegsschauplatz wurde mit freudigem Glockengeläute in der Schweiz verkündet. Aber für die<br />

Fest Art Kp 28 als Bestandteil der Fest Art Abt 6 gab es in diesem Jahr noch eine letzte militärische<br />

Episode:<br />

14.5.45: «Einrücken zum 5-wöchigen Ausbildungsdienst. Die Fest Art Kp 28 rückt in Hospenthal ein<br />

und gelangt durch Fussmarsch ins Werk <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong>. Bestand 131 Mann mit 7 Of + 10 Uof +<br />

114 Sdt.»<br />

Dieser Aktivdienst als Ausbildungsdienst 66 , mit Einrücken nur 6 Tage nach dem Waffenstillstand<br />

vom 8. Mai 1945, stiess bei der Truppe in der allseits vorherrschenden Aktivdienstmüdigkeit und<br />

allgemeiner Friedensstimmung auf wenig Verständnis und es gab auf allen Stufen Demarchen<br />

bei Bundesrat Kobelt und bei General Guisan. 67<br />

Ein Gefreiter der Fest Art Kp 16 68 hat sogar am 15. Mai 1945 direkt dem General telegraphiert<br />

und sein Erscheinen auf dem Gotthard verlangt. Auf dem Dienstweg sandte er die ergänzte<br />

Telegrammkopie an den General, was eine ziemliche Aufregung verursachte.<br />

59<br />

"Banchi" = heute gebräuchliche Ortsbezeichnung, hiess aber ursprünglich "Bianchi"<br />

60<br />

BAr: E 5790 -/9001 2631 Bd. 1<br />

61<br />

Staumauer Lucendro: System Nötzli mit Hohlräumen zur Einsparung von Material, insbesondere von Zement<br />

62<br />

siehe auch S. 71: Übergabewidmung auf der Wandmalerei in der Offiziersmesse<br />

63<br />

Zeitzeuge im Kapitel 3 Seite 17ff<br />

64<br />

BAr: E 27 -/9001 18467 / Bd. 12<br />

65<br />

BAr: E 27 -/9001 18467 / Bd. 14<br />

66<br />

Fest Art Abt 6 reduziert: Fest Art Kp 16, 17 und 28 (ohne Kp. 24 und 27)<br />

67<br />

BAr: E 5790 -/9001 2603 Bd. 4 (Tagebuch der Fest Art Abt 6)<br />

68<br />

Fest Art Kp 16 im <strong>AW</strong> Foppa Grande und Fort Airolo (BAr: E 5790 -/9001 2603 Bd. 4)


«Herr General Guisan, Armee H.Q.<br />

Zur Abklärung sehr ernster Angelegenheiten<br />

ist Ihre Anwesenheit beim<br />

Standort der Fest. Art. Abt. 6 ausserordentlich<br />

dringend erforderlich.<br />

Rapport folgt auf dem Dienstweg.<br />

sig. Gfr. Born Fritz<br />

Fest Art. Kp. 16»<br />

Telegramm 15.5.1945 an General Guisan<br />

15<br />

Artikel im Luzerner Tagblatt vom 19.5.1945<br />

Am 16.5.1945 traf sich der Kdt der Fest Art Abt 6 Major Wohnlich mit Divisionär Gonard, Kdt 9.<br />

Division. Sie erörterten, ob der Fest Art Abteilung 6 eine zeitgemässe Aufgabe zugewiesen werden<br />

könne oder ob die Abteilung sofort zu entlassen sei. Man bat die Truppe fast inständig, unbedachte<br />

Handlungen zu vermeiden. Zeitungsartikel in Luzerner Tageszeitungen 69 machten auf<br />

den Missstand aufmerksam und stellten öffentlich unangenehme Fragen. Mit viel Geschick wurden<br />

Kurzschlusshandlungen vermieden. Die Truppe wurde mit Aktivitäten, wie Wachdienst im<br />

<strong>AW</strong> Fuchsegg und Schneeschaufeln an der Furkastrasse beschäftigt. Relativ rasch wurde dann<br />

eine salomonische Lösung gefunden:<br />

22.5.45 70 «Heute Abend trifft vom Kdo 9. Div der telefonische Bericht ein, dass die Trp der Abt 6 am<br />

26.5.45 auf Pikett entlassen werde (grosses Hurragebrüll mit Fest!).»<br />

Divisionär Gugger inspizierte, wohl wie eine abschliessende "Alibiübung", am 23.5.1945 die<br />

Fest Art Abteilung 6 mit den Kompanien 16, 17 und 28. Die aufgebotenen ca. 570 Wehrmänner<br />

der Fest Art Abt 6 wurden am 26. Mai 1945 auf Pikett nach Hause entlassen. Damit war auch<br />

der Aktivdienst der Fest Art Kp 28 beendet. Erst auf den 20. August 1945 wurden mit Bundesratsbeschluss<br />

der Aktivdienstzustand und damit die Pikettstellung aufgehoben.<br />

Wie sich im folgenden Bericht eines Zeitzeugen aus dem Aktivdienst zeigt, war aber die<br />

durch die Kriegslage bedingte Ausführungsetappierung beim Bau des <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> nicht sehr<br />

erfolgreich gewesen. Die Vorbereitungen für den Bau dieses Festungsprototyps sind wohl ungenügend<br />

und überstürzt durchgeführt worden. Dadurch war das <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> während dem<br />

Aktivdienst in der Winterperiode nur beschränkt einsatzbereit und auch kaum vernünftig bewohnbar.<br />

Die Ausführung während den langen Winterperioden war, mit den damals für den Bau<br />

auf dieser Höhenlage zur Verfügung stehenden Mitteln, ungenügend und unrationell, soweit die<br />

Arbeiten überhaupt weitergeführt werden konnten. Daraus ergab sich die überlange Bau- und<br />

Ausrüstungszeit bis nach Kriegsende. So kam es, dass der später begonnene Bau des grösseren<br />

<strong>AW</strong> Sasso da Pigna auf dem Gotthardpass sogar früher beendet werden konnte.<br />

Erst nach dem Aktivdienst wurden 1946 mit einem umfangreichen Nachrüstungsprogramm<br />

die erkannten gravierenden Mängel behoben 71 und die notwendigen <strong>San</strong>ierungen durchgeführt,<br />

unter anderem mit:<br />

� Einbau einer tauglichen Lüftungs- und Klimaanlage mit Lufterhitzer und Rückkühler 72<br />

� Hochspannungsleitung<br />

69<br />

z.B. Luzerner Tagblatt 19.5.1945, Seite 3: "Wird es tagen" und Luzerner Tagblatt 22.5.45: "Wehret den Anfängen"<br />

70<br />

BAr: E 5790 -/9001 2603 Bd. 4 (Tagebuch der Fest Art Abt 6)<br />

71<br />

BAr: 5481 1984/62<br />

72<br />

Plan Geniechef der 9. Div vom 10.5.1944 (Archiv Fondazione "La Claustra")


16<br />

� Ersatz der Holzdachkonstruktion in der Munitionsmagazin-Kaverne durch ein Betondach<br />

� Erstellung einer verbesserten Entwässerung der Anlage<br />

� Trenntüren zur Schaffung von Klimazonen<br />

� Trenn-Gittertüren zum Kdo Trakt Südfront<br />

� Stollenverteidigung: Ausrüstung mit Armee-Schartentopf für Lmg<br />

� Dach über dem Gang der Kaverne 4 (Mannschaftsunterkunft)<br />

� Brauchwasserreservoir mit Filteranlage im Verbindungsstollen zur Druckstollenentleerung<br />

KW Lucendro<br />

� Einrichten Vorratskammer im Verbindungsstollen<br />

� Abdichten der Schrägschachtköpfe<br />

� Ventilation beider Panzertürme und verbesserter Kollektivmaskenschutz (KMS)<br />

� Beheizung und Aussenisolation der Panzertürme<br />

� Zusätzliche Betonpanzertüre im Notausgang-Schrägstollen<br />

� Wintereingangs-Holzhütte über dem Werkportal<br />

� Vorplatzentwässerung<br />

Die baulichen Ergänzungsarbeiten gemäss Werkvertrag vom 27. Juli 1945 mit der Firma Murer<br />

AG Andermatt wurden am 27. Juli 1946 beendet und abgenommen.<br />

Die Erkenntnisse der früheren negativen Erfahrungen flossen auch in die neuen Festungsbauten<br />

ein, welche auf ähnlicher Höhe liegen und welche etwas später von 1941 bis 1945 gebaut<br />

wurden: Artilleriewerke Sasso da Pigna, Gütsch, Fuchsegg und Grimsel. Diese Festungen<br />

haben sich unter den klimatischen Bedingungen des Hochwinters von Anfang an besser bewährt<br />

und bei den tiefer gelegenen ebenfalls im 2. Weltkrieg erstellten Artilleriewerken 73 tauchten<br />

diese Probleme, wenn überhaupt, nur beschränkt auf.<br />

Der Vorplatz des <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> an der alten Gotthardstrasse und zu Füssen der<br />

Lucendro-Staumauer. 74 Das Eingangsbauwerk zur Festung ist noch im alten Zustand<br />

mit dem erst 1946 aufgesetzten Holzhäuschen für den Wintereingang (Foto ca. 1948).<br />

Da die alten Akten der Bauperiode 1938 – 1944 mutmasslich vernichtet wurden, fehlen bauliche<br />

Angaben über die Bauausführung, wie Bauablauf und Bauprogramm, eingesetztes Baupersonal,<br />

Leistungen, Baukosten mit Soll – Ist-Vergleich, Bauführer-Tagebücher usw. Anhand des<br />

beiliegenden Situationsplanes (Seite 10) kann Folgendes geschätzt werden (ohne Bauwerke<br />

der Nahverteidigung):<br />

� Stollenlänge insgesamt mit allen Kavernen: ca. 690 m<br />

� Felsausbruchkubatur fest: ca. 18’000 m3<br />

� Unterirdische Nutzfläche: ca. 4'000 m2<br />

73 Artilleriewerke mit 10,5 cm PzT: Foppa Grande + diverse in Dailly und Sargans (Siehe Kap. 4, Seite 14ff)<br />

74 Bau der Lucendro-Staumauer durch die ATEL AG (Aare-Tessin AG) 1942 - 1948


3. Bericht eines Zeitzeugen aus dem Aktivdienst im <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong><br />

17<br />

Als frischgebackener Festungsartillerie-Leutnant ist Paul Erni 75 1939 bei der Kriegsmobilmachung<br />

auf den Gotthard eingerückt und hat in der Fest Art Kompanie 17 die Entstehung des <strong>AW</strong><br />

<strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> und den Aktivdienstbetrieb in dieser Gotthardfestung miterlebt. In verschiedenen<br />

Publikationen hat er seine Erlebnisse in Worten und mit Zeichnungen festgehalten und im engeren<br />

Kreis publiziert. Lassen wir ihn als Zeitzeugen aus längst vergangener Zeit berichten: 76<br />

«Das alte Fort Hospiz bot der Fest Art Kp 17 schon in der Sommerperiode eine eher primitive<br />

Unterkunft. 77 Nun ging es aber in einen ungewissen Kriegswinter. Die Kompanieangehörigen<br />

nahmen nun die Sache selbst an die Hand und richteten sich, so gut es ging, im Fort Hospiz<br />

selbst besser ein. Sofort übernahmen Teile der Kompanie die Bewachung des im Bau befindlichen<br />

neuen <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> und zugleich auch die Mithilfe beim Ausrüsten und Bauen desselben.<br />

Bald zeigte sich jedoch, dass die Hauptaufgabe nicht mehr das Bewachen und Helfen war,<br />

sondern dass der Tessiner Bauunternehmer die Angehörigen der Fest Art Kp 17 als willige und<br />

billige Gratisarbeitskräfte missbrauchte. Er selbst hatte ca. 20 bis 25 Arbeiter im Einsatz. So<br />

arbeiteten nun die Offiziere, Unteroffiziere und Soldaten beim Stollen- und Kavernenausbruch<br />

wie auch beim Betonieren wacker mit, transportierten Material mit den Rollwagen und legten<br />

überall kräftig Hand an. Da viele durch ihre lange Abwesenheit von ihrer Berufstätigkeit existentielle<br />

Probleme bekamen und diese sehr zivile Arbeit nicht mehr mit der eigentlichen militärischen<br />

Aufgabe vereinbar war, wurde die Stimmung in der Truppe laufend schlechter. So kam es<br />

zu Reklamationen an vorgesetzter Stelle. Nach einer darauf folgenden Inspektion durch Divisionär<br />

Tissot verbesserte sich die Situation und einzelne Leute wurden nach Hause entlassen.»<br />

Paul Erni beschreibt in seiner Erinnerung an ein tragisches Ereignis im Büchlein "Der fatale<br />

Ring" das Ausharren auf dem Gotthardpass in einem Kriegswinter wie folgt:<br />

«Heftig brauste der Wind über die winterliche Passhöhe des St. Gotthards und in weissen<br />

Böen legte sich der aufgewirbelte Schnee auf die scheinbar wandernden Kuppen. Wir waren<br />

unser vierzig Mann im alten Fort Hospiz, ein kleines Detachement für den Soforteinsatz auf der<br />

Passhöhe im Kriegswinter 1942/43. Das alte Fort hatte nur wenig gemein mit den modernen<br />

Felskavernen unserer heutigen Festungssysteme. Es ragte als Infanteriewerk noch über den<br />

Boden und in den Kasematten 78 konnte man wenigstens in den schneelosen Monaten durch die<br />

zahlreichen Scharten einen Blick ins Freie werfen.<br />

Trainkolonne im Schnee<br />

Für die Hospiz-Detachemente war der Winter die strengste, aber auch die schönste Zeit. Mitunter<br />

für Wochen gänzlich von der Aussenwelt abgeschlossen, war die Truppe auf sich selbst angewiesen,<br />

und nur ein geordneter Dienstbetrieb mit viel Patrouillentätigkeit auf Ski vermochte<br />

den guten Geist zu erhalten. In der Regel wurden wir nach anderthalb Monaten abgelöst. Besondere<br />

Schwierigkeiten verursachte natürlich der Nachschub, der über die Nordseite von einem<br />

Säumerdetachement mit Pferdeschlitten gewährleistet wurde. Doch selten erreichte die<br />

Kolonne ihr Ziel; sie musste die Lasten im Mätteli, im Brüggloch oder wenn es gut ging im Ro-<br />

75 Dr. Paul Erni, geb. 1917 in Luzern, wohnhaft in Basel<br />

76 Anlässlich eines rückblickenden Gesprächs am 30.12.2002<br />

77 Siehe auch "Aus den Anfängen der Gotthardfestung", Memoiren Hptm Hans Schiesser, Zürich, 1976<br />

78 Kasematten (franz.) = beschusssicherer Raum in Festungen


18<br />

dontboden im Schnee deponieren und unserer Truppe blieb die Sorge, das Material auf die<br />

Passhöhe zu schaffen. Anders war es mit der Post. Der Briefpost und der kleinen Paketpost<br />

kam für diese langen Winterdienste besondere Bedeutung zu. Meist waren es junge, gebirgserfahrene<br />

Skipatrouilleure, die diesen Postdienst – wenn es die Wetterverhältnisse erlaubten –<br />

täglich von Airolo aus besorgten (durch die Tremola, wo sie meist noch in der damals noch existierender<br />

Tremola-Trattoria einkehrten).» Ergänzend erinnert sich Paul Erni heute an weitere Details:<br />

«Skipatrouillen mussten die vom Säumerdetachement im Schnee abgeladene Ware abholen.<br />

So kam es vor, dass halbe Kuhseiten im Schnee lagen und das Abholdetachement den<br />

Fleischberg zuerst mit dem Faschinenmesser 79 in transportfähige Stücke zerlegen musste. Erstaunlich<br />

war immer, wie sich die Säumerkolonnen im tiefen Schnee mit "Ruttnern" 80 ihren Weg<br />

bahnten, oft bei herrschender akuter Lawinengefahr. Während der Winterperiode beschränkte<br />

sich die Haupttätigkeit auf die Bewachungsaufgaben und den Nachschub, währendem die Ausbildung<br />

zur absoluten Nebensache wurde. Die Ausrüstung der Mannschaft war ungenügend.<br />

Wintertaugliche warme Mäntel existierten bei der Festungstruppe nicht. Neidisch blickte man auf<br />

exklusivere Stabsleute, welche in warmen Schaffellmänteln und -stiefeln in Andermatt herumstolzierten.<br />

Im Winter wurde, bevor die Unterkunft mit der Belüftungsanlage im <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong><br />

betriebsbereit war, die Bautätigkeit eingestellt und der Wachtdienst vom Fort Hospiz aus aufrechterhalten.<br />

Bei Kontrollgängen im "kampfbereiten" <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> zeigte sich im Winter ein<br />

ungewohntes Bild und offenbarte, dass die Einsatzbereitschaft nur auf dem Papier existierte und<br />

die vorhandenen Kriegseinsatzbefehle nicht durchführbar gewesen wären. Kurz nach dem Eingang<br />

behinderte eine Eisbarrikade das Durchkommen. Das aus dem wärmeren Innenbereich<br />

anfallende Wasser baute sich durch laufendes Gefrieren zu einer kompakten Eismasse auf, bis<br />

man nur noch an der Stollendecke durchkriechen konnte. Das Innere der beiden Panzertürme<br />

war ebenfalls mit einem dicken Eispanzer bedeckt. Alles war eingefroren und manövrierunfähig.<br />

Sogar der Richtkranz war nicht mehr sichtbar. 81 Die aufsteigende feuchtwarme Stollenluft hatte<br />

diesen "kriegswidrigen" Zustand bewirkt. Nach der Kenntnisnahme der wohl unerwarteten und<br />

unerfreulichen Tatsache durch die verantwortlichen Instanzen gab es eine Untersuchung.<br />

Als dann das <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> nach der Vollendung der Unterkunft im Herbst 1942 bezogen<br />

und erstmals im Winter 1942/43 betrieben wurde, zeigten sich weitere gravierende Mängel, als<br />

die WC-Anlagen einfroren. Dies war mit ca. 70 Mann Besatzung ein mehr als unangenehmer<br />

und unbeschreiblicher Zustand. Zuerst wurden die Zwischenräume (Galandage 82 ) zwischen den<br />

Gebäuden und der Kavernenfelswand, wie im Mittelalter in den Städten die Eh-gräben, als Notlösung<br />

für die Notdurft gebraucht. Dann schaufelte man vor dem Werk in den hohen Schneewänden<br />

schmale Gänge als "Scheissgräben" aus, welche man sukzessive umlegte bzw. durch<br />

neue ersetzte. Im Frühling bei der Schneeräumung mit den Schneeschleudern kam dann die<br />

braune Pracht zum Vorschein und führte dazu, dass sich die Schleudermannschaft mit den "Peter-Raupenfräsen"<br />

83 weigerte, die unappetitliche stinkende Masse zu entfernen. 84<br />

Alle Festungsangehörigen waren braungebrannt wie Sherpas mit ledrigen Gesichtern. So<br />

bemerkte man den Ausbruch der Gelbsucht bei einem Offizier erst an der verdächtigen Augenverfärbung<br />

und den Fieberschüben. Auf einem Kanadierschlitten wurde er ins Militärspital Andermatt<br />

evakuiert. In dem kleinen Offizierszimmer ging dann die Krankheit im Reihum weiter<br />

und griff auch auf das Nachbarzimmer über.<br />

Ein Gasdienst-HD machte im Werkinneren Luftmessungen und stellte dabei fest, dass man<br />

hier drinnen auf Grund des Ergebnisses gar nicht "überleben" könne. Der Hilfsdienstsoldat, ein<br />

Dr. chem. aus Basel, besass übrigens keine Uniform und tat seinen Militärdienst in den Zivilkleidern.<br />

1944 wurde das Gros der Fest Art Kp 17 in die neu gebildete Fest Art Kp 28 überführt und<br />

übernahm als Aufgabe die Festung <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong>.<br />

Die Stimmung der Truppe im langen Aktivdienst auf dem Gotthard stand nicht zum Besten.<br />

Die Kriegsmüdigkeit mit der langen Abwesenheit von zu Hause, einsam und abseits der Zivilisa-<br />

79 Faschinenmesser = altes Bajonett mit Sägebereich<br />

80 "Ruttnern" = Feststampfen des Schnees mit Pferden, Maultieren oder sogar Kühen<br />

81 Im Schiessprotokoll Nr. 9959 (BAr E 5156(B) 1994/209 Bd. 33) vom 5.01.1942 zeigten sich im Hochwinter<br />

sogar auf dem Schiessplatz "Zelgli" in Thun ähnliche Probleme: "Turm war innen vereist und liess sich schwer<br />

drehen".<br />

82 Galandage (franz.) = kleiner Zwischenraum zwischen Mauerung und Mauerverkleidung. In Festungen: Hohlraum<br />

zwischen Kavernenfelswand und Gebäudemauer mit einer Breite von ca. 50 – 150 cm.<br />

83 Maschinenfabrik Peter in Liestal<br />

84 Generalstabschef Jakob Huber am 2.9.1940: "…. schwere Nachteile in hygienischer Beziehung, die hätten vermie-<br />

den werden können." (BAr E 27 14193 Bd. 2)


19<br />

tion auf grosser Höhe, machte sich bemerkbar. Eine vorübergehende Verlegung der Fest Art<br />

Abt 6 zu einem Ablösungsdienst nach Gordola und Magadino brachte keine Verbesserung.<br />

Das Fass zum Überlaufen brachte das nicht annullierte Aufgebot zu einem 5-wöchigen Ausbildungsdienst<br />

nach dem Waffenstillstand vom 8. Mai 1945. Die Fest Art Abt 6 war bei der Demobilmachung<br />

schlicht und einfach vergessen worden. Die Truppe rückte nur noch mit Brotsack<br />

und Gamelle aus! Nach 12 Tagen war der Spuk vorbei und die Truppe wurde nach Hause entlassen.»<br />

85 Sarkastisch meint Paul Erni heute:<br />

«Wir haben das alles auch überlebt und die positiven Erinnerungen überwiegen.»<br />

Paul Erni hat 1967 im Mitteilungsblatt der Fest Stabskp 6 86 sein Erlebnis der Kriegsweihnacht<br />

1940 auf "<strong>San</strong> <strong>Carlo</strong>" eindrücklich geschildert:<br />

«Wir waren unserer etwa fünfzig Leute im Bewachungsdetachement im alten Fort Hospiz mit<br />

der zusätzlichen Aufgabe, den Primäreinsatz des kleinen alten Gotthardwerkes und der beiden<br />

Türme in <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> – die Festung selbst war für die Truppe damals noch nicht fertig ausgebaut<br />

und das Werk Sasso da Pigna noch nicht einmal begonnen – zu gewährleisten. Das Gros des<br />

Detachementes war im alten Fort unter recht einfachen Verhältnissen untergebracht, während<br />

etwa fünfzehn Mann die Bewachungs- und Einsatzgruppe für <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> bildete. Diese wohnten<br />

in einer Baubaracke am Stolleneingang zum Werk <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> und wurden alle drei Tage durch<br />

Kameraden vom Detachement Hospiz abgelöst. Täglich sicherte zudem eine Patrouille von drei<br />

Mann die physische Verbindung der beiden Detachemente, eine Aufgabe, die dem an den<br />

Sommerdienst gewohnten "Hospizler" als eine bequeme und völlig unproblematische Angelegenheit<br />

vorkommen muss. An gewissen Tagen im Winter wurde sie zu einem beinahe unlösbaren<br />

Problem und erforderte von unseren Soldaten höchste körperliche und seelische Anspannung.<br />

So war es am Heiligen Abend 1940.<br />

Ein wilder Schneesturm fegte schon den ganzen Vormittag des 24. Dezembers 1940 über<br />

den tiefverschneiten Pass, und die altehrwürdigen Bauten des Hospizes erschienen in ihrer oberen<br />

Partie nur noch als gespenstische Kulissen. Mehrere Meter hohe Verwehungen türmten sich<br />

an den Steinhäusern auf, und diese schienen im vorbeisausenden Flugschnee zu wandern.<br />

Eine grimmige Kälte herrschte über dem Gotthard. Gefr. Arnold, ein Mann im vorgerückten Alter<br />

und zwei jüngere Kameraden – die heutige Patrouille für <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> – krochen in ihren weissen<br />

Sturmanzügen aus dem Schneetunnel am oberen Eingang des alten Forts und machten sich<br />

auf den Weg nach dem neuen Werk.<br />

Skipatrouille im Schneesturm an der Kriegsweihnacht 1940<br />

Wegen des stürmischen Wetters erinnerte ich den Patrouillenführer ausdrücklich seiner Pflicht,<br />

mir sein Eintreffen in <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> telefonisch zu melden. Es war vorgesehen, dass die drei den<br />

Weihnachtsabend mit ihren Kameraden in <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> verbringen sollten, weshalb ihre Säcke mit<br />

allerhand Speis und Trank sowie süssen Überraschungen angefüllt waren. Alle freuten sich auf<br />

ein frohes Fest, zwar fern der Familien, doch unter guten Kameraden. Der Weg dorthin aber war<br />

noch sauer zu verdienen.<br />

85 s. auch Seite 15 und "Basler Tagebuch – Aufzeichnungen eines Luzerners", Seiten 7-15, Paul Erni, 1985<br />

86 "Gotthardpost", Mitteilungsblatt der Fest Stabskp 6, Januar 1967, Seite 8ff


20<br />

Gegen den eisigen Nordwind und den beissenden Treibschnee kämpfend, arbeiteten sich die<br />

drei Patrouilleure bis zur eigentlichen Passhöhe vor, von wo sich die Strasse gegen <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong><br />

abzusenken beginnt. Tiefer Neuschnee und über mannshohe Wächten an sonst harmlosen<br />

Stellen hinderten ein rasches Gehen und erschwerten vor allem die Orientierung. Die Markierungsstangen,<br />

die wir etwa alle fünfzig Meter stecken hatten, waren vom nächtlichen Sturm<br />

grösstenteils umgelegt oder dann im angehäuften Treibschnee versunken. Unentwegt versuchten<br />

die drei Kameraden, der Unbill dieser weissen Wüste zu trotzen und der ihnen von früheren<br />

Gängen her so vertrauten Route mehr oder weniger instinktiv zu folgen. Ich jedenfalls hatte keine<br />

Bedenken, als ich die drei Patrouilleure nach den ersten Schritten vor dem alten Fort im milchigen<br />

Weiss verschwinden sah. Sie waren alle drei geübte Skifahrer und im Übrigen war der<br />

Weg nach <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> ja nicht lang.<br />

Etwas mehr als eine Stunde mochte verflossen sein, seit die drei Patrouilleure das alte Fort<br />

verlassen hatten, und immer noch wartete ich auf die telefonische Meldung. Beunruhigt rief ich<br />

selbst den Posten <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> an, um nach dem Verbleib der Männer zu fragen. Im Trubel der<br />

Weihnachtsbotschaften und in der Vorfreude auf den Abend mochten sie den Anruf vergessen<br />

haben. Doch Gefr. Arnold und seine beiden Kameraden waren noch nicht angelangt. Das<br />

schien mir höchst merkwürdig und ich befürchtete einen Unfall. Nach einer weiteren halben<br />

Stunde vergeblichen Wartens machte ich mich mit drei bewährten Berggängern selbst auf die<br />

Suche, mit Kompass, Höhenmesser und den roten Lawinenschnüren ausgerüstet.<br />

Mittlerweile wollten unsere drei Patrouilleure die Passhöhe überwinden und die an sich leichte<br />

Abfahrt nach <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> unternehmen. Im heftigen Schneetreiben waren sie jedoch etwas von<br />

der üblichen Route abgekommen und in das felsige Gelände oberhalb <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> geraten. Der<br />

Führer der Patrouille trat unversehens eine kleine Neuschneewächte ab und fiel einige Meter<br />

tiefer in eine jener Mulden, die sich im Sommer so gut für gefechtsmässige Schiessübungen<br />

eignen. Nur mit Mühe konnte sich Gefr. Arnold aus den weichen Schneemassen befreien. Bevor<br />

er den ihm mittelbar nachfolgenden Kameraden zu warnen vermochte, war auch dieser ihm<br />

nachgestürzt und nur der Dritte konnte den Fall vermeiden. Eine richtige Verständigung im heulenden<br />

Wind war kaum möglich. Der Vorfall genügte, um die sonst tapferen Kerle aus der Fassung<br />

zu bringen und ihnen den panischen Schrecken des "Nicht-mehr-Wissens-wo-ein-undaus",<br />

das heisst einer absoluten Hilflosigkeit einzujagen. Unter grosser Anstrengung arbeiteten<br />

sich die beiden aus der tiefen Schneemulde heraus und Arnold versuchte, sich mit dem Kompass<br />

zu orientieren. Die ungewohnte Geländestruktur machte aber sein Vorhaben zunichte und<br />

die Patrouilleure gerieten an den Rand der Verzweiflung. Sie beschlossen, nicht mehr weiter zu<br />

gehen und ein Nachlassen des Sturmes abzuwarten. Auch hofften sie, dass man nach solcher<br />

Übermarchung der Marschzeit nach ihnen suchen würde. Da sich alles Rufen im heulenden<br />

Wind zu verflüchtigen schien, beschlossen sie, mit Karabinerschüssen ihre Lage zu signalisieren,<br />

eine nahe liegende Massnahme, hatte doch jeder Soldat in jenen Tagen seine 48 Schuss<br />

scharfer Munition auf sich.<br />

Unsere Suche nach der überfälligen Patrouille war kein leichtes Unterfangen. Der Sturm<br />

hatte die letzten Spuren bereits verwischt. Eben hatten wir die die Passhöhe markierende und<br />

vom heftigen Wind bis fast zum Boden freigelegte Eisenstange erreicht, als uns das wiederholte<br />

Knallen, manchmal näher, manchmal vom Winde weiter fortgetragen aus Richtung Valletta aufmerksam<br />

machte. Mit etwelcher Mühe hielten wir die Richtung, aus der wir die nun deutlich hörbaren<br />

Karabinerschüsse wahrnahmen. Etwa zweihundert Meter von der Passhöhe entfernt, in<br />

dem dort stark verschnittenen Felsgelände, entdeckten wir unsere Kameraden, die fast verzweifelt<br />

waren.<br />

Offensichtlich hergenommen von der ihnen ausweglos erscheinenden Lage und den überstandenen<br />

psychischen und physischen Strapazen übergaben uns die Patrouilleure gerne ihre<br />

Lasten und folgten erleichtert unserer Spur. Eine halbe Stunde später, bei einbrechender Dunkelheit,<br />

erreichten wir alle die schützende Baracke vor <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong>, volle vier Stunden nach Weggang<br />

der drei Männer vom alten Fort Hospiz!<br />

Das bescheidene, aber umso herzlichere Weihnachtsfest in der überheizten Baracke von<br />

<strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> erhielt für uns alle eine ganz besondere Bedeutung. Es war ein Fest des Dankes für<br />

den glücklichen Ausgang eines gefährlichen Erlebnisses, und mancher von uns gedachte im<br />

flackernden Schein der wenigen Kerzen in tiefem Respekt der urtümlichen Gewalt unserer Natur<br />

und der göttlichen Vorsehung.»


4. Die 10,5 cm Panzerturm-Kanone Modell 1939 L52<br />

21<br />

Das Artilleriewerk <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> auf dem Gotthardpass war ein Prototyp für eine neue Gattung von<br />

Festungsgeschützen mit 10,5 cm Panzerturmkanonen, mit welchen im Zweiten Weltkrieg in den<br />

Jahren 1939 bis 1944 die Festungen St. Gotthard, St. Maurice und Sargans bestückt wurden.<br />

4.1 Vorgeschichte und Evaluation<br />

Die alten 12 cm Panzertürme (PzT), die einzigen wirksamen und weittragenden Festungsartillerie-Geschütze,<br />

waren überaltert. Im Zusammenhang mit der erkannten Gefahr aus dem Süden<br />

und der geplanten Befestigung im Raum Sargans wurden neue Waffensysteme geprüft. Schon<br />

an der Sitzung der Befestigungskommission 87 am 9. März 1936 wurde nach dem erfolgten italienischen<br />

Strassenbau auf den <strong>San</strong> Giacomopass zur raschen Verstärkung des Abwehrdispositivs<br />

im Raum des Gotthardpasses und als Ersatz der 12 cm PzT im Fort Airolo die Planung von<br />

2 – 3 Panzertürmen 10,5 -15 cm erwogen. Dazu lag eine Vergleichsofferte der KTA 88 vor.<br />

In der Beilage zum Protokoll dieser Sitzung hält Oberst Muntwyler 89 am 29. März 1936 unter<br />

anderem folgende treffende Überlegung fest:<br />

«Nicht zuletzt sprechen moralische Momente für die Anschaffung neuer Panzergeschütze, denn seit<br />

Jahrzehnten ist für die Modernisierung der Festungsgeschütze am Gotthard nichts mehr geschehen. Wir<br />

sind es der Truppe schuldig, zu zeigen, dass sie nicht zur Bedienung von Museumsstücken eingesetzt<br />

wird, sondern dass man gewillt ist, ihr moderne Kampfmittel zur Verfügung zu stellen.»<br />

An der Sitzung der Befestigungskommission vom 23. Februar 1937 wurden Vegleichsofferten<br />

der Firmen Krupp (D), Schneider (F) und Bofors (S) vorgelegt. Über das zu wählende Kaliber,<br />

entweder 10,5 oder 12 cm, konnte man sich noch nicht einigen.<br />

In der Befestigungskommission wurde einerseits das bisherige Kaliber 12 cm befürwortet,<br />

mit der Absicht, die an Lager liegenden grossen Munitionsbestände weiter einsetzen zu können.<br />

Andere Kommissionsmitglieder beantragten das Kaliber 10,5 cm, analog dem Kaliber bei der in<br />

grosser Zahl beschafften Bofors-Feldkanone. Ausserdem waren die Festungsgeschütze mit<br />

diesem Kaliber kostengünstiger und rascher und zudem erwies sich die Schussreichweite als<br />

unwesentlich kürzer. Die anzustrebende Vereinheitlichung der Munition gab schlussendlich den<br />

Ausschlag zur Wahl des Kalibers 10,5 cm (siehe auch Kap. 2, Seite 7ff) mit der Panzerturmkanone<br />

der Fa. Schneider, Paris, mit Lizenzfabrikation in der Schweiz und unter Beizug ausländischer<br />

Lieferanten.<br />

4.2 Beschaffung<br />

Die Vorgeschichte und der Fabrikationsablauf der 10,5 cm Panzertürme (PzT) sind in Dokumenten<br />

mit unterschiedlicher Aussagekraft belegt. Die besondere politische und militärische Lage<br />

vor und nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs prägt die schwierige Situation in der Beschaffung<br />

dieser wichtigen stationären Verteidigungswaffe. Grundlegend und aufschlussreich<br />

sind das nachfolgend zitierte ehemals geheime Protokoll Nr. 27 der Befestigungskommission<br />

der Sitzung vom 3./5. Mai in Bad-Ragaz 90 und der Vertrag der KTA mit den Ludwig von Roll -<br />

schen Eisenwerken, Giesserei Bern, vom 21. Oktober 1938: 91<br />

«Protokoll der Befestigungskommission der Sitzung 3./5. Mai 1938 in Sargans unter Vorsitz von Oberstkorpskommandant<br />

Labhardt, Chef der Generalstabsabteilung.<br />

Mitglieder: Div Tissot, Kdt der 9. Division<br />

Div Hilfiker, Waffenchef der Genietruppen<br />

Div Marcuard, Waffenchef der Artillerie<br />

Div Huber, Unterstabschef<br />

Oberst Fierz, Chef der Kriegstechnischen Abteilung<br />

Oberst Hafner, Chef der Festungssektion<br />

Oberst Schwarz, Kdt der Gebirgs-Brigade 10<br />

Oberst Possert, Geniechef der 9. Division<br />

Oberst Peter, Chef des Bureau für Befestigungsbauten<br />

87 Angaben aus Zusammenstellung Maurice Lovisa 01.2003 und BAr E 9500.73 1969/73 / Bd. 1<br />

88 KTA = Kriegstechnische Abteilung (siehe auch Fussnote Nr. 19 auf Seite 7).<br />

89 Oberst im Gst Muntwyler, Offizier des Materiellen der Festungsverwaltung St. Gotthard in Andermatt<br />

90 BAr: E 9500.72 1969/73 Bd. 1<br />

91 BAr: E 27 -/9001 18467 Bd. 5


22<br />

Beigezogen wurden noch diverse Korps- und Divisionskommandanten der Heereseinheiten in der Ostschweiz.<br />

Traktandum Nr. 2:Turmgeschütze<br />

Oberstdiv Huber gibt die voraussichtlichen Kosten bekannt:<br />

- Kosten pro Turm Fr. 345'000<br />

- Kosten für 2000 Schuss Fr. 250'000<br />

Total pro Turm rund Fr. 600'000<br />

Kosten für 5 Türme Fr. 3'000'000<br />

Kosten für den Einbau in St. Maurice Fr. 211'000<br />

Kosten für den Einbau im St. Gotthard Fr. 1'040'000<br />

Total rund Fr. 4'500'000<br />

Es werden die Pläne für den Einbau der 3 Türme im St. Gotthardgebiet vorgelegt. Die Baukosten in St.<br />

Maurice sind kleiner als im St. Gotthard, weil keine Unterkunft gebaut werden muss.<br />

Oberstkorps Kdt Labhardt hält es für angezeigt, die 2 Türme auf dem St. Gotthard näher zusammen zu<br />

nehmen. Es ist dann nur eine Unterkunft nötig, was die Kosten verringern wird. Oberst Fierz wünscht<br />

ebenfalls, dass die 2 Türme näher zusammengelegt werden. Um für beide nur 1 Ersatzteilmagazin zu<br />

benötigen und damit ein Geschütz event. die Munition des andern verschiessen kann, müssen jedenfalls<br />

die 2 Türme miteinander verbunden sein. Oberst Divisionär Marcuard spricht sich im gleichen Sinne<br />

aus, ebenso Div Hilfiker, der besonders hervorhebt, dass bei der grossen Entfernung der Türme die<br />

Nachrichtenmittel, die geschützt sein müssen, teuer zu stehen kommen. Oberstdivisionär Tissot begründet<br />

die angenommene Distanz (kleinere Verwundbarkeit – guter Fels). Er ist aber damit einverstanden,<br />

dass die Türme näher zusammengenommen werden. Oberst Fierz hält die im Projekt vorgesehene<br />

Überdeckung der Zugangsstollen zu gering. Die KTA wird die Angelegenheit noch studieren<br />

und mit dem Waffenchef der Genietruppen besprechen (Tieferlegung des Zugangsstollens). Oberst<br />

Possert hatte den Auftrag, die Tragfähigkeit der Brücken zu prüfen. Er meldet, dass der Transport der<br />

Panzertürme ohne Verstärkung der Brücken möglich sein wird. Um das Einstürzen von Trockenmauern<br />

zu verhindern, muss auf der Bergseite gefahren werden.<br />

Oberstkorpskdt Labhardt resümiert: St. Gotthard wird neue Projekte und neue Kostenberechnungen<br />

machen lassen und der Generalstabsabteilung einreichen. Die Türme sind so zusammen zu nehmen,<br />

dass die beiden unter einem Kommando stehen können, dass nur eine Unterkunft, eine Kraftzentrale<br />

etc. notwendig werden. Pläne und Bau sind so zu fördern, dass die Armierung im Frühjahr 1939 stattfinden<br />

kann.»<br />

Nachdem mit verschiedenen ausländischen Lieferanten Verträge abgeschlossen worden waren,<br />

wurde die Eidg. Konstruktionswerkstätte Thun (K+W) 92 mit der Geschützlieferung beauftragt und<br />

zwischen der Kriegstechnischen Abteilung Bern (KTA) und den Ludwig von Roll'schen Eisenwerken,<br />

Giesserei-Bern, am 21. Oktober 1938 folgender Vertrag abgeschlossen: 93<br />

«Herstellung von 5 Stück 10,5 cm Panzertürmen Modell Schneider sowie notwendiges Reservematerial.<br />

Nachstehende Teile werden fertig bearbeitet direkt von der KTA beschafft und der Giesserei Bern<br />

kostenlos abgegeben:<br />

a) der komplette Vorpanzer (Panzerring) (von den Firmen Cockerill und Columeta)<br />

b) die komplette Panzerkuppel (von den Firmen Cockerill und Columeta)<br />

c) das Rohr mit Bodenstück und Verschluss (von der K+W Thun)<br />

d) die komplette Schussbremse (von der K+W Thun)<br />

Herstellungspreis nach Ergebnis. Liefertermin des ersten PzT bis 30.4.1939; nachher monatlich ein<br />

Stück. Probemontage in den Werkstätten der Giesserei Bern in entsprechend betonierter Grube. Anstrich.<br />

Geheimhaltung: Pläne und Fabrikationsunterlagen, welche die KTA von ihrer Lizenzgeberin der<br />

Fa. Schneider & Cie. in Paris erhalten hat, also als direkte Verpflichtung gegenüber der Fa. Schneider &<br />

Cie.»<br />

Die Giesserei von Roll AG übernahm somit für die von der KTA beschafften und an die Firma<br />

von Roll AG ins Werk Bern zugelieferten Bestandteile des Geschützes und des Panzerturms die<br />

Vormontagen im Werk Bern und die Endmontagen in den Artilleriewerken. Die KTA schloss<br />

1938 mit der Columeta AG Basel, der Vertretung der luxemburgischen Firma Columeta, einen<br />

Vertrag für die Lieferung von Rohr- und Bodenstück-Rohlingen ab. 94<br />

«Vertrag KTA – Columeta AG Basel, als Zusatzauftrag zu den Verträgen vom 10.11 und 7.12.1938,<br />

für 4 Stück Rohr-Rohlinge aus Chrom-Nickel-Vanadium Stahl, Total Fr. 21'340.-, Termin Ende Sept.<br />

92 K+W Thun: heute RUAG Land Systems, Thun<br />

93 BAr: E 9500.73 1969/73 Bd. 1<br />

94 BAr: E 27 -/9001 18467 Bd. 14


23<br />

1939 und 3 Bodenstück-Rohlinge Fr. 9'015.-; geschmiedet, geglüht, vorbearbeitet und vergütet 95 . Die<br />

Lieferung für weitere PzT bleibt noch offen.»<br />

Soweit die weiteren Verträge heute fehlen, ist aus diversen Rapporten sowie Reise- und Inspektionsberichten<br />

der KTA die Beschaffung der wesentlichen Turm- und Geschützbestandteile im<br />

Ausland nachvollziehbar. So ist im Inspektionsbericht des Oberstlt Fritz der KTA vom 2. Dezember<br />

1938 die damalige Beschaffung im Ausland ersichtlich:<br />

2.12.38 Bericht KTA: 96 «Reise nach Seraing Belgien 21.11. – 25.11.38 mit Dir. Brügger K+W Thun.<br />

Reise nach Krupp Essen kam nicht zustande. Cockerill Seraing: Abnahme Flab-<br />

Rohr-Rohlinge. Besichtigung von Gussstücken für Vorpanzer. Kuppel Oberteile<br />

bei Cockerill, Härten durch Fa. Arbed. Sämtliche 5 sind bereits gegossen, noch<br />

nicht vergütet. Alle 10 Stück 10,5 cm Rohr-Rohlinge für die Türme sind geschmiedet<br />

und später im Wasser vergütet.»<br />

23.1.39 Protokoll KTA: «Besprechung mit Hr. Crévenat der Fa. Schneider & Cie. betr. 10,5 cm<br />

Panzerturm.»<br />

26.1.39 Bericht KTA: 97 «Reise nach Luxemburg 17.1. – 21.1.39 zu Fa. Columeta 98 Dommeldingen.<br />

Abnahme der zweiten Panzerturmkuppel und der 5 ersten Rohr-Rohlinge für die<br />

10,5 cm PzT.» Es wurden umfangreiche Materialproben zur nachfolgenden Analyse in<br />

den K+W entnommen.<br />

Weitere Berichte der zahlreichen Inspektionsreisen von Oberstleutnant Fritz der KTA und Korrespondenzen<br />

der KTA belegen die infolge der mehr als angespannten politischen Lage und<br />

dem Kriegsausbruch im Osten schwieriger werdende Beschaffung: 99<br />

29.1. – 3.2.1939: «Cockerill in Seraing, Belgien: Abnahme von 2 kompletten Vorpanzer. Columeta<br />

Luxemburg: Kontrolle von 2 Kuppeloberteilen Nr. 4 + Nr. 5. Betr. Beschussproben<br />

einer Panzerkuppel empfiehlt Columeta ein Gesuch an das Verteidigungs-<br />

Ministerium zu richten, mit 220 mm Haubitzen und ev. 280 mm Geschütz.»<br />

12.2. – 18.2. 39: «Cockerill in Seraing. Schwierigkeit in Beschaffung von Zahnkränzen. Ev.<br />

via Columeta von einer Fa. In Lüttich.»<br />

12.2. – 18.2.39: Reisebericht KTA Oberstlt Fritz vom 25.2.39 der Inspektion in Luxemburg,<br />

Belgien und bei Krupp in Deutschland:<br />

«Columeta Luxemburg: Abstempeln zur Probenentnahme von drei 10,5 cm<br />

Turmrohren, 4 Rohr-Bodenstücken und 2 Kuppelunterteilen. Essen (Krupp):<br />

Abnahmekontrolle von 18 Stück 10,5 cm Rohr-Rohlingen (Feldkanone?)»<br />

10.3. 39 KTA an K+W: «Für die in der Fabrik befindlichen Türme konnte die Bestellung (für die Zahnkränze)<br />

nur durch Vermittlung von Cockerill bei einer belgischen Firma in Lüttich<br />

untergebracht werden. Für weitere Türme eine Firma suchen.»<br />

17.3. 39 KTA an K+W: «Besprechung Giesserei Bern und Fa. Maag Zahnräder AG Zürich für die innen-<br />

verzahnten Kränze.»<br />

20.2.39 KTA an K+W: «Nachtrag zum Vertrag vom 19.11.39 (zwischen KTA und K+W): Verdoppelung<br />

des Auftrags von 5 Stück PzT auf 10 PzT.»<br />

21.7.39 K+W an KTA: «Die bei uns total bestellten 12 PzT sind in der Fabrik bereits soweit fortgeschritten<br />

dass weitere Serie wünschenswert ist.»<br />

11.11.39: «12 PzT (nur Geschütz) ca. Fr. 36'000 / Turm, exkl. Rohr- und Bodenstück-<br />

Rohling, inkl. Reservematerial, 1 Rohr und ¼ Bodenstück.»<br />

Aktennotiz 18.11.39: «(Generaldirektor Dübi + Oberstlt Fritz bei von Roll Gerlafingen) Abrechnung der<br />

ersten 5 Panzertürme. 1 Turm wesentlich teurer (=Prototyp). 12 PzT bereits in<br />

Fabrik (Bern).»<br />

Wie das eigentliche Festungsgeschütz in der Konstruktionswerkstätte Thun hergestellt und<br />

montiert wurde, berichtet ein Zeitzeuge im Kapitel 4.5 auf Seite 34. Auf den folgenden Schnittbildern<br />

ist der Aufbau des 10,5 cm Panzerturms (System Schneider) 1939 L52 mit Fundament,<br />

Geschütz, Vorpanzer und Panzerkuppel sehr gut ersichtlich.<br />

95 Vergütung = Veredelung, Arbeitsprozess in der Stahlverarbeitung<br />

96 Seraing: Industrieort bei Lüttich, Belgien<br />

97 Dommeldingen: Industrievorort der Stadt Luxemburg<br />

98 Heute Unternehmergruppe Arbed SA in Luxemburg: Werke Esch, Differdingen, Dommeldingen, Düdelingen<br />

Rochingen.<br />

99 BAr: E 27 -/9001 18467 / Bde. 6 - 8


24<br />

Schnitt durch den Panzerturm in Rohrachse Schnitt durch den Panzerturm senkrecht zur<br />

mit 2-teiliger Panzerturmkuppel, Vorpanzer Rohrachse mit 2-teiliger Panzerturmkuppel mit<br />

(dunkel), Lafettenabstützung, Fundament. Verschraubung und Vorpanzer (dunkel), Richtein-<br />

Rohrdrehpunkt in der Schartenöffnung. richtung, Zahnkranz, Rohrwiege und Fundament-<br />

Im Vordergrund Munitionsheber, rechts der abstützung. Turmhebevorrichtung. Kreisförmiges<br />

Hülsenabwurfkanal mit Hülsentrommel. Munitionsdepot an der Wandung des Bodenrau-<br />

Rechts unten: Panzertüre zum Schrägschacht. mes.<br />

Nach dem Kriegsausbruch 1939 und insbesondere nach dem Blitzüberfall der Deutschen in<br />

Belgien mit der Einnahme der Festung Eben-Emael am 10. Mai 1940 und gleichzeitig mit den<br />

Offensiven in den Niederlanden und Frankreich musste die KTA auf Schweizer Firmen umstellen.<br />

Dies bedingte zum Teil auch die Anpassung der Konstruktion, da die Ausführung von<br />

Grossgussstücke mit höchster Qualität von Panzerkuppeln und von Vorpanzern den üblichen<br />

Rahmen sprengte. Durch diese Umstellung verzögerte sich auch der ursprüngliche Zeitplan.<br />

Schon frühzeitig hatte der Chef der KTA vorsorglich die Prüfung von Ausweichmöglichkeiten<br />

angeordnet. 100<br />

Weisung Chef KTA, Fierz 6.10.1939 betr. Vorpanzer, intern an D.K.I., Sektion I:<br />

« In der Giesserei Bern wird jetzt ein Vorpanzer für die Bereitstellung der sukzessive montierten<br />

PzT verwendet. Dieser Vorpanzer muss noch die nachträglich verlangten vertikalen Keile erhalten.<br />

Es ist meines Erachtens nicht angängig, dass man den Vorpanzer bis zuletzt in Bern lässt, um, ihn<br />

beim letzten Turm zu verwenden, denn sonst wird die Montage dieses Turms verzögert, weil die Stücke<br />

nochmals nach Oerlikon müssen und dadurch mindestens eine Woche Zeit verloren geht. Im Weiteren<br />

müsste dann Oerlikon diese Stücke wieder ganz separat in Arbeit nehmen, da alle andern schon längere<br />

Zeit vorher abgeliefert sein werden.<br />

Es ist notwendig, so zu verfahren, dass sobald die Montagearbeiten es gestatten, ein neuer ganz<br />

fertiger Vorpanzer nach Bern spediert wird, den man dann für die Montage verwendet und der andere<br />

nach Oerlikon zurückgeht, um ihn fertig zu machen. Mit den Vorpanzern müssen naturgemäss immer die<br />

obern Einsatzbüchsen zusammenpassen. Die Sektion I soll in obigem Sinne disponieren und mir melden,<br />

welche Anordnungen sie getroffen hat.<br />

Ich erinnere daran, dass es notwendig ist, eine weitere Vorpanzer-Konstruktion zu studieren, wobei<br />

statt 4 Segmente 6 gemacht werden, damit dadurch Stücke in einer Grössenordnung entstehen, die wir in<br />

der Schweiz herstellen können. Die Sache muss so vorbereitet werden, dass für den Fall, dass die ausländischen<br />

Lieferungen wider erwarten ausbleiben sollten, alles vorhanden ist, um Ersatz in der Schweiz<br />

zu schaffen.<br />

In gleicher Weise ist die Angelegenheit der Kuppeln zu studieren, was schwieriger ist. In diesem<br />

Fall kommen nur Teilungen der Kuppel in Frage, dass man, um die gleiche Stärke zu erhalten, zwei<br />

100 BAr: E 5156(A) 1979/85 Bd. 85


25<br />

Schichten macht. Die Ausführung wird naturgemäss kompliziert und teuer, es muss aber der Ersatz studiert<br />

werden.<br />

Bern, den 6. Oktober 1939 Der Chef der Kriegstechnischen Abteilung sig. Fierz.»<br />

Der weitere Verlauf der Lieferungen aus dem Ausland und die Umstellung auf Schweizer Lieferanten<br />

sind dürftig dokumentiert. Man muss sich bewusst sein, dass in diesen Jahren das Thema<br />

"Panzertürme" bei den enormen Anstrengungen der Neubewaffnung und Ausrüstung der<br />

Armee nur eine der unzähligen schwierigen Aufgaben war. Die Firmenarchive, insbesondere der<br />

von Roll AG und der MFO Oerlikon, wurden mutmasslich weitgehend vernichtet. Nur die folgenden<br />

Notizen und die Fotos der Fertigungsarbeiten in Oerlikon lassen Rückschlüsse auf den weiteren<br />

Verlauf zu.<br />

4.5.38: Vertrag KTA mit AG der Eisen- und Stahlwerke, vormals Georg Fischer, Schaffhausen: 101 «Die<br />

KTA benötigt im Rahmen der teilweisen Neuausrüstung der Armee, sowie für Befestigungsbauten<br />

eine Anzahl grösserer Gussstücke aus ölvergüteten legierten Stählen. Dies benötigt eine<br />

entsprechend vergrösserte Ölvergütungsanlage. Beitrag an diese Fr. 90'000.-. …….»<br />

PzT-Kuppel bei MFO Oerlikon in Bearbeitung<br />

Unterdessen hatten sich die Ereignisse an der Kriegsfront überstürzt und die Lieferwerke in Belgien<br />

und Luxemburg waren seit dem Mai 1940 von den Deutschen besetzt. Die Deutschen<br />

konnten nun in aller Ruhe die vorbereiteten "geheimen" Lieferungen für die Festungen in der<br />

Schweiz in Augenschein nehmen. Bei der KTA war die Umstellung der Produktion längst im<br />

Gange und mutmasslich hatte man unterdessen die lieferbereiten Bestellungen aus Belgien und<br />

Luxemburg schon als verloren abgebucht. Am 16. Oktober 1940 kam wohl unerwarteterweise<br />

nochmals Bewegung in die Sache. Der Militärattaché der deutschen Gesandtschaft in Bern,<br />

Oberstleutnant von Ilsemann 102 telefonierte an diesem Tag direkt der KTA: 103<br />

«Die Besetzungsbehörden der Coquerill-Werke berichten, dass Material, wie Panzerkuppeln, Panzerglocken<br />

(Beobachterglocken) von den Werken für die Schweiz hergestellt, zum Teil für die Abnahme<br />

bereit, zum Teil vorgegossen (nicht vergütet) sei. Die Schweiz möchte berichten, ob sie noch auf dieses<br />

Material reflektiere.<br />

Oberstlt. v. Ilsemann wird uns raschmöglichst ein Verzeichnis des Materials zustellen.<br />

Ich habe ihn gebeten, uns mitteilen zu wollen, ob die Besetzungsbehörde für eine allfällige Übernahme<br />

dieses Materials die Anwesenheit in Seraing von Beamten der KTA gestatten würden. Diese hätten<br />

dann auch für die Abspedition des Materials besorgt zu sein. Oberstlt. v. Ilsemann will sich in dieser<br />

Angelegenheit mit den in Frage kommenden Amtsstellen sofort in Verbindung setzen.<br />

Bern, 16.10.40» 104<br />

Im Bericht von einer Reise nach Schaffhausen am 19.11.1940 rapportierte H. Hess, Ingenieur<br />

der KTA, über die Besprechung beim Stahlwerk Fischer Schaffhausen (+GF+) betr. Lieferung<br />

von Kuppeln für 10,5 cm Panzertürme: 105<br />

«In den G+F 106 Werken werden gegenwärtig die Fabrikationseinrichtungen derart umgebaut, dass ab<br />

ca. Anfang 1941 Stücke aus Stahlguss bis zum Gewicht von ca. 25 Tonnen gegossen und vergütet<br />

werden können. G+F hat ferner auch Einrichtungen gebaut, um die Aufgüsse von schweren Stahlguss-Stücken<br />

zwecks Erreichung eines homogenen Materials elektrisch heizen zu können. ….. Damit<br />

die für Sargans bestimmten 3 Pz.-T. im Laufe des Frühjahrs montiert werden können, sollten die 3<br />

101 BAr: 5150 (C) 1968/5 Bd. 2<br />

102 Iwan von Ilsemann, Oberstlt., später Generalmajor, deutscher Militärattaché in Bern vom 3.10.1936 – 1. Juli 1944<br />

103 BAr: 5155 1968/12 Bd. 15a (Abschrift der Telefonnotiz der Mitteilung in den Akten von Oberst Fierz)<br />

104 Bar: E 27 – 18465: GSC am 28.10.11940 an 3. AK: „Die seinerzeit bestellten Pz-T wurden von Deutschland frei-<br />

gegeben. Es stehen somit noch 7 Stück zur Verfügung“<br />

105 BAr: 5155 1968/12 Bd. 24a<br />

106 Korrekte Abkürzung für Georg Fischer AG seit 1903: +GF+ (Angabe Dr. Hans Ulrich Wipf)


26<br />

Kuppeln bei G+F raschmöglichst bestellt werden, unabhängig davon, ob wir ev. noch Kuppeln von<br />

Columeta Luxemburg erhalten können. Die Vorpanzer, sowie die Abdeckplatten für diese 3 Türme<br />

besitzen wir bereits. Bei einer Bestellung der Kuppeln bis ca. Mitte Dezember könnte damit gerechnet<br />

werden, dass die erste Kuppel ca. anfangs März abgeliefert werden könnte. Sofern wir die Modelle für<br />

Kuppel und Vorpanzer von Columeta bzw. Cockerill nicht erhalten, genügt es, wenn wir der Firma<br />

G+F diese Modelle bis Mitte Dezember zur Herstellung in Auftrag geben. …..»<br />

22.1.42: «17 (Rohr)-Bodenstück-Rohlinge bisher geliefert. Davon 1 Stk. für Versuchsgeschütz.<br />

Beschaffung über Fa. Columeta mutmasslich nicht mehr möglich. Wechsel<br />

zu Firma von Roll AG Gerlafingen.»<br />

31.5.44 K+W an KTA: 107 «Trsp. von 2 Panzerturmglocken vom "Zelgli" über K+W zu Georg Fischer,<br />

Schaffhausen.»<br />

Fertig bearbeitete 10,5 cm Panzerturmkuppel<br />

bei MFO in Oerlikon (1941 für Sargans)<br />

Arbeitsvorgang 1939 / 1940<br />

1940 nach Invasion<br />

in Belgien<br />

PzT-Konstruktion mit 10,5 cm Kanone 39 L52 KTA mit Lizenz Fa. Schneider Paris<br />

Rohrrohling Guss Columeta Luxemburg von Roll<br />

Rohrrohling Bearbeitung, Härten, Ausbohren Cockerill Belgien von Roll Gerlafingen<br />

Rohrfertigung K+W Thun K+W Thun<br />

Rohr-Bodenstück Guss Columeta (L) von Roll<br />

Rohr-Bodenstück Bearbeitung, Härten Cockerill (B) von Roll Gerlafingen<br />

Rohr-Bodenstück Fertigung K+W Thun K+W Thun<br />

Turmkuppel Guss Columeta (L) +GF+ Schaffhausen<br />

Turmkuppel Härten Arbed (B) +GF+ Schaffhausen<br />

Turmkuppel Fertigung Cockerill (B) ---<br />

Turmkuppel Fertigung --- MFO Oerlikon<br />

Vorpanzer Guss Columeta (L) +GF+ Schaffhausen<br />

Vorpanzer Härten Arbed (B) +GF+ Schaffhausen<br />

Vorpanzer Fertigung Cockerill (B) ---<br />

Vorpanzer Fertigung --- MFO Oerlikon<br />

Innenzahnkränze Cockerill + (via Columeta) Maag Zürich<br />

10,5 cm Kanone 39 L52 mit allem Zubehör K+W Thun K+W Thun<br />

Anschiessen Geschütz in Thun K+W Thun / S+S K+W Thun / S+S<br />

Probemontage Turm mit Geschütz im Werk Bern von Roll Bern von Roll Bern<br />

Vorpanzer- + Kuppelmontage im Artilleriewerk von Roll Bern von Roll Bern<br />

Geschützmontage im Artilleriewerk K+W Thun K+W Thun<br />

Munitionspaternoster von Roll Bern von Roll Bern<br />

107 BAr: E 27 -/9001 18467 Bd. 9 (der Zweck dieses Transportes nach Schaffhausen ist nicht nachvollziehbar).


27<br />

Für den Stahlguss und die Stahlvergütung der Panzerturmkuppel und des Vorpanzers wurden<br />

die Georg Fischer AG (+GF+) in Schaffhausen 108 und für Schweissarbeiten sowie die Fertigung<br />

die Firma MFO in Oerlikon beigezogen. Der Zeitzeuge Robert Blatter 109 erinnert sich, wie die<br />

von +GF+ gegossenen Panzerturmkuppeln auf der grossen Karussell-Drehbank in der Halle 2<br />

der MFO in Oerlikon bearbeitet wurden. Die Probemontage des gesamten Panzerturms mit dem<br />

Geschütz erfolgte vor dem Abtransport in die Artilleriewerke mutmasslich immer bei von Roll im<br />

Werk Bern.<br />

Welche Auswirkungen hatte wohl die vom Naziregime mit einer Propagandawelle ausgeschlachtete<br />

blitzartige Einnahme der belgischen Grossfestung Eben-Emael am 10. Mai 1940 110<br />

durch die deutschen Luftlandetruppen mit Gleitseglern auf unser Befestigungsprogramm? Noch<br />

im November 1937 besichtigte Oberst Fierz zusammen mit dem Waffenchef der Artillerie, Oberstdivisionär<br />

Marcuard, belgische Befestigungen und unter anderem auch die als uneinnehmbar<br />

geltende Festung Eben-Emael am Zusammenfluss von Maas und Albert-Kanal. 111 Vorerst<br />

rätselte man, wie so etwas möglich gewesen sei und welche Waffen zum Durchschlagen der<br />

schweren Panzerungen eingesetzt worden waren. Vorerst glaubte man, dies sei mit der damals<br />

bekannten Thermit-Schmelzmethode erfolgt. Als Sofortmassnahme wurden die später montierten<br />

Panzerturmkuppeln auch als thermische Isolation mit einer ca. 20 cm starken Mörtel-<br />

Korkschicht überzogen. Erst später erfuhr man von der von den Deutschen erstmalig als Waffe<br />

angewandten Hohlladungs-Technik. Die Betonüberdeckung hätte also auch nichts genützt. Als<br />

wichtigste Massnahme wurden raschmöglichst die Nahverteidigung und die Fliegerabwehr 112<br />

verstärkt.<br />

Nach der Vorserie von 5 Panzertürmen, welche vor Kriegsausbruch 1939 bestellt und zur<br />

Auslieferung vorbereitet worden waren, wurde die Hauptserie von weiteren 17 Panzertürmen<br />

weitgehend während des 2. Weltkriegs angefertigt und 1940 bis 1943 in den Artilleriewerken<br />

montiert. Bei der Bestellung der KTA 113 vom 9.5.1940 bei der K+W für die 10 Stück 10,5 cm PzT<br />

Nr. 13 – 22 wurde gleichzeitig die Rohmaterialbeschaffung für weitere 20 Stück d.h. für PzT Nr.<br />

23 – 42 bestellt. Es waren also nochmals 20 Panzertürme zur Verstärkung der Abwehrfront in<br />

der Nordschweiz 114 und zum Schliessen von Einfallsachsen in den Zentralraum geplant. So war<br />

vorgesehen, bei Giswil - Kaiserstuhl am Brünig 2 PzT und bei Kerns 1 PzT einzusetzen. 115 Auf<br />

dem Gotthardpass war ursprünglich auf dem Bergrücken "Scara Orello" östlich über der Tremola<br />

ein weiteres Artilleriewerk mit Panzertürmen geplant. 116 Dieses wurde schliesslich durch das<br />

<strong>AW</strong> "Sasso da Pigna" mit vier wesentlich wirksameren 15 cm Bunkerkanonen ersetzt. Die Absicht<br />

für diese weitere Serie von 10,5 cm Panzertürmen wurde jedoch frühzeitig aufgegeben und<br />

am 27.5.1942 117 stellt die KTA / K+W fest, dass für die nunmehr nicht zur Ausführung gelangenden<br />

10,5 cm PzT Nr. 23 – 42 schon eine beträchtliche Menge Halbfabrikate vorhanden sei. Die<br />

Bestellung der KTA vom 22.11.1940 und 27.5.1942 für diese weiteren 20 PzT wurde später mit<br />

Brief der KTA an die K+W am 7.8.1944 endgültig annulliert. 118<br />

4.3 Versuchs-Beschussanlage mit 10,5 cm Panzerturm im "Zelgli" in Thun<br />

Zur Erprobung des Waffensystems und zum Anschiessen der neuen Festungsgeschütze wurde<br />

ein kompletter 10,5 cm Panzerturm 39 L 52 in Thun auf dem Schiessplatz "Zelgli" zu Versuchszwecken<br />

montiert. 119 Folgender Auszug der Briefwechsel KTA – K+W und die Schiessprotokolle<br />

der S+S 120 zeigen den erstmaligen Einsatz der sog. Beschusseinrichtung auf:<br />

108 "Georg Fischer AG 1930 – 1945", Hans Ulrich Wipf, Chronos-Verlag, 2001, Seiten 94/95. Georg Fischer Schaff-<br />

hausen = Stahlwerk Fischer Schaffhausen = Firma G+F und später +GF+ Schaffhausen.<br />

109 Robert Blatter, Jhg. 1922, 8117 Fällanden, war von 1941-43 und 1946-52 Betriebs-Fotograph bei MFO Oerlikon<br />

110 Time-Life – Der zweite Weltkrieg – "Der Blitzkrieg", 1979, Seite 116ff<br />

111 BAr: 5155 1968/12 Bd. 24a<br />

112 20 mm Flabkanone auf Sockellafette Model Solothurn der Waffenfabrik Bern<br />

113 BAr: E 27 -/9001 18467 Bd. 3<br />

114 Weitere geplante Turmwerke gemäss Angaben Maurice Lovisa: z.B. an der Nordfront: Uitikon, Heitersberg, Dieg-<br />

ten, Gempen, Hauenstein, Hohe Winde, Sonceboz, Chasseral, Chaumont, Mont Pèlerin etc.<br />

115 ADAB-VBS Nidwalden, Obwalden und Luzern Seite 14 sowie "Das <strong>AW</strong> Mühlefluh, Vitznau" Seiten 40-43<br />

116 "Gotthardverteidigung mit Festungsartillerie", Werner Rutschmann, Seite 9<br />

117 BAr: E 27 -/9001 18467 Bd. 3<br />

118 BAr: E 27 -/9001 18467 Bd. 2<br />

119 Siehe Foto Seite 28<br />

120 S+S: Sektion für Schiessversuche der KTA in Thun


28<br />

18.10.39: KTA bestellt bei K+W gemäss Plan 421818: 121<br />

«Errichtung 1 Beschuss-Einrichtung für 10,5 cm Panzerturm im Zelgli in Thun.<br />

Betonsockel als Fundament, Panzerplatte als Unterlage für Pivot, Klapptüre, Leitern, Fundamentschrauben<br />

zur Befestigung Vorpanzer, Unterlagen-Keile. Liefertermin 3 Wochen.<br />

sig. KTA Chef Sektion 1 (Oberst) Fierz.»<br />

Die Beschussanlage bestand somit aus einem festen Fundament für die Montage eines Panzerturms<br />

mit Vorpanzer und Turmkuppel und den darin zur Erprobung anzuschiessenden Geschütze<br />

10,5 cm 39 L52. Zur Anlage gehörte ebenfalls der von Roll-Hilfskran. Da insbesondere nach<br />

Kriegsausbruch die taktischen Bedürfnisse die dringende Verwendung dieses in der Schiessanlage<br />

Zelgli blockierten Vorpanzers und der Panzerkuppel an der Abwehrfront erforderten, wurden<br />

sie in Thun demontiert und zur Montage in das entsprechende Artilleriewerk transportiert<br />

und in Thun aus späterer Produktion wieder ersetzt. Auch der vorerst einzige Hilfskran wurde<br />

nach Bedarf herumgeschoben und später durch einen zweiten ergänzt. Dies geht auszugsweise<br />

aus den nachfolgenden Briefwechseln und Transport-Mitteilungen hervor. 122<br />

10,5 cm Panzerturm 39 L52 für Versuchsschiessen auf dem<br />

Schiessplatz "Zelgli" in Thun mit von Roll-Hilfskran. Sehr gut sichtbar<br />

der im Betonfundament fixierte Vorpanzer. (Foto K+ W 1941)<br />

11.1.40 von Roll an K+W: «Ev. Kranbahn und Winde ab Dailly am 9. dies nach Bern für PzT Nr. 6.»<br />

26.1.40: «Monteur Hofstetter hat schon 5 PzT montiert. Montage des 10,5 cm PzT<br />

Zelgli. Montageprogramm von Roll Bern (im Zelgli): 17.2.40 Aufsetzen Kuppeloberteil<br />

1 ev. Nacharbeiten.»<br />

9.3.40 Ing. Beetschen: «Rechnung J. Frutiger's Söhne Oberhofen über die Vergiessarbeiten<br />

(1939) am 10,5 cm PzT im Zelgli mit Fr. 479.05.»<br />

10.4.40 KTA an K+W: «Anfrage: Der Montagekran geht nach Sargans. Haben Sie im Zelgli eine<br />

behelfsmässige Hebeeinrichtung um 16 to Kuppeloberteile abzuheben resp.<br />

wieder aufzusetzen, da wir Wert darauf legen, dass mit komplett montiertem<br />

Turm geschossen wird.»<br />

15.4.40 K+W an KTA: «Wir glauben, dass es notwendig ist, einen weiteren Kran zu beschaffen<br />

(vereinfacht ohne Katzfahren 123 und kein Antrieb für Längsfahrt; Stemmeisen<br />

genügt).»<br />

121 BAr: E 27 -/9001 18467 / Bd. 2<br />

122 BAr: E 27 -/9001 18467 / Bd. 9<br />

123 Fahren der "Laufkatze" des Kranes


29<br />

6.7.40 KTA an S+S: «Noch durchzuführende Schiessversuche vom 15. bis 20.7.40, da wir die-<br />

sen PzT sowie vor allem den Montagekran dringend benötigen. Demontage<br />

im Zelgli spätestens 22.7.40 oder früher.»<br />

18.7.40 KTA an K+W: «Kran und PzT- Material nächste Woche nach Sargans bzw. Mels (Kran).»<br />

18.7.41 KTA an K+W: «Montage 10,5 cm PzT im Zelgli. Montagekran ist am 16. ds. ab Sargans in<br />

Uetendorf. Kompl. Vorpanzer 24. ds. Station Thun (Vorpanzersegment 12 to.<br />

Transport auf Baustelle (= Zelgli) am 25. ds. Am 28.7. restl. Material Panzerkuppelunterteil-<br />

und Oberteil.»<br />

9.9.40 K+W an KTA: «Abbruch + Abtransport vom 10,5 cm PzT No. 6 in der Mühlematt (Zelgli)<br />

und Spedition an Fest Kdo Sargans.»<br />

12.5.43 K+W an KTA: «Montage eines Bockkrans im Zelgli-Panzerturm.»<br />

12.7.43 von Roll an K+W: «Einzelteile sollen in Göschenen sein, für Realp (Fuchsegg).»<br />

11.7.44 an KTA: «Ausladen + Trsp einer Panzerglocke 24 to am 30. Mai – 1. Juni vom Bhf.<br />

Thun nach dem Zelgli –Mühlematt.»<br />

Wie in einem Wanderzirkus zogen die Montageequipen der Konstruktionswerkstätte Thun<br />

(K+W) und der Giesserei von Roll (Werk Bern) von Montageplatz zu Montageplatz in den Artilleriewerken.<br />

Nach durchgeführtem Anschiessen kehrten sie wieder in die Werke Thun und Bern<br />

zurück, bereiteten das nächste Festungsgeschütz und den nächsten Panzerturm vor. Dabei war<br />

in dieser mehr als schwierigen Zeit das Sparen und Improvisieren von eminenter Wichtigkeit<br />

und trotzdem wurden anerkennenswerte hohe Leistungen erbracht. Entsprechend der taktischen<br />

Dringlichkeit und dem Baufortschritt in den Festungswerken können 4 Phasen bei der<br />

Inbetriebnahme der 22 Panzertürme festgestellt werden: 124<br />

1) Gotthard I<br />

2) St. Maurice<br />

3) Sargans in Etappen<br />

4) Gotthard II<br />

Insgesamt wurden 22 Panzertürme 10,5 cm hergestellt und in den Festungen St. Maurice, Gotthard<br />

und Sargans eingebaut:<br />

Bestückung der <strong>AW</strong> mit 10,5 cm Panzerturmkanonen 39 L52<br />

St. Maurice Gotthard Sargans<br />

2 PzT Dailly – "Les Planaux" 1 PzT Airolo – "Foppa Grande" 3 PzT "Magletsch"<br />

2 PzT Gotthard – "<strong>San</strong> <strong>Carlo</strong>" 3 PzT "Kastels"<br />

4 PzT Furka – "Fuchsegg" 4 PzT "Furggels"<br />

3 PzT Andermatt – "Gütsch"<br />

Total 22 PzT<br />

Das sogenannte "Anschiessen" des Rohres d.h. die Abgabe des ersten Schusses mit dem neu<br />

hergestellten Rohr erfolgte für alle Geschützrohre der Eidgenössischen Konstruktionswerkstätte<br />

Thun (K+W) auf deren Schiessplatz "Zelgli" in Thun. Die K+W bestellte bei der Sektion für<br />

Schiessversuche (S+S) 125 der KTA 126 in Thun das zu schiessende Prüfprogramm. Nach der anschliessenden<br />

Geschützmontage im Artilleriewerk wurden durch die Sektion für Schiessversuche<br />

Funktionsschüsse abgegeben und das Rohr wiederum zur Kontrolle ausgeleuchtet und<br />

ausgemessen.<br />

Definition und Ablauf des Anschiessens in Phasen (zum Verständnis allfällig differierender Daten<br />

in bisherigen Publikationen):<br />

124 siehe Tabelle Seite 30<br />

125 Unter der damaligen Leitung des bekannten Artillerieobersten Stutz<br />

126 KTA = Kriegstechnische Abteilung Bern (siehe Fussnote 19 auf Seite 7)


30<br />

1) Anschiessen der 10,5 cm PzT-Kanone 39 L52 auf der Versuchsschiessanlage der Eidg. Konstruktionswerkstätte<br />

"Zelgli" in Thun mit ersten Schüssen mit dem neuen Rohr, sowie Funktionskontrolle<br />

sämtlicher Geschützbestandteile, wie Rücklaufbremse, Vorholer, Ladevorrichtung, Ausblasvorrichtung<br />

usw. Das Rohr wurde genau ausgemessen und geprüft. Das Ergebnis wurde in den Rohrprotokollen<br />

festgehalten.<br />

2) Anschiessen der 10,5 cm PzT-Kanone 39 L52 nach der Geschützmontage im Artilleriewerk mit Funktionskontrolle<br />

und ev. Schusstafelversuchen. Falls alles einwandfrei ist, ist das Geschütz abgenommen<br />

und wird von der KTA Sektion für Schiessversuche und der Konstruktionswerkstätte Thun dem<br />

FWK bzw. der Truppe freigegeben.<br />

3) Erstes Schiessen der Truppe. Einschiessen von Schiesskarten usw.<br />

Auflistung der PzT mit Nummerierung: Die folgende Reihenfolge ist durch das Datum des Anschiessens<br />

im Artilleriewerk gegeben. Die Daten entsprechen der nachfolgenden Tabelle 4.4:<br />

Panzerturm<br />

Nr.<br />

10,5 cm Panzer-Turmkanonen 39 L52<br />

Artilleriewerk Anschiessen Rohr und PzT im Werk<br />

2 Gotthard <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> 17./18.10.39 Rohr Nr. 1 im Turm 2<br />

1<br />

14.11.39 Rohr Nr. 2 im Turm 1<br />

3 Gotthard Foppa Grande 12.12.39 Rohr Nr. 3 im Turm 3<br />

4 St. Maurice Dailly-Les Planaux 12.03.40 Rohr Nr. 4 im Turm 4<br />

5<br />

12.03.40 Rohr Nr. 5 im Turm 5<br />

7 Sargans Furkels<br />

8<br />

127 2.07.40 Rohr Nr. 7 im Turm 7<br />

2.07.40 Rohr Nr. 8 im Turm 8<br />

9 Sargans Magletsch 4.09.40 Rohr Nr. 9 im Turm 9<br />

10<br />

4.09.40 Rohr Nr. 10 im Turm 10<br />

11<br />

4.09.40 Rohr Nr. 11 im Turm 11<br />

A (12 oder 13?) Sargans Kastels 5.11.40 Rohr Nr. A im Turm A (6?)<br />

B (15?)<br />

5.11.40 Rohr Nr. B im Turm B (12? )<br />

In den Protokollen fehlen die Angaben der Rohr- oder<br />

Turm-Nr.<br />

6 Sargans Kastels 10.01.41 Rohr Nr. 6 (neu) im Turm 6<br />

13 (12?) Sargans Furkels 15.07.41 Rohr Nr. 13 im Turm 12<br />

14<br />

15.07.41 Rohr Nr. 14 im Turm 14<br />

17 Gotthard Gütsch 27.10.42 Rohr Nr. 17 im Turm 17<br />

18<br />

27.10.42 Rohr Nr. 18 im Turm 18<br />

19<br />

27.10.42 Rohr Nr. 19 im Turm 19<br />

16 Gotthard Fuchsegg 18.09.43 Rohr Nr. 20 im Turm 16<br />

21<br />

18.09.43 Rohr Nr. 21 im Turm 21<br />

20<br />

11.10.43 Rohr Nr. 16 im Turm 20<br />

22<br />

11.10.43 Rohr Nr. 22 im Turm 22<br />

Bemerkungen:<br />

- Eine vollständige Auflistung der vorgegebenen Turm-Nummer war im Schweizerischen Bundesarchiv<br />

(BAr) nicht auffindbar. Dementsprechend musste z.T. die Interpretation aus folgender Tabelle "An-<br />

schiessen" auf Seiten 31 - 33 erfolgen.<br />

- Ursprüngliches Lieferprogramm für 6 PzT Sargans gemäss Mitteilung K+W vom 10.2.1940: 128<br />

Turm 7 20.4.1940<br />

Turm 8 18.5.1940<br />

Turm 9 8.6.1940<br />

Turm 10 29.6.1940<br />

Turm 11 20.7.1940<br />

Turm 12 10.8.1940<br />

Dieses Lieferprogramm konnte mutmasslich infolge der erwähnten Lieferschwierigkeiten nicht eingehal-<br />

ten werden. Die Reihenfolge wurde offensichtlich durch die Priorität an der Abwehrfront bestimmt.<br />

- In der Regel dürfte Rohr-Nummer mit Turm-Nummer übereinstimmen. Ausnahmen sind, soweit eruier-<br />

bar, durch die S+S-Protokolle dokumentiert und angeführt (z.B. <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> oder Fuchsegg). Die protokol-<br />

lierte Nummerierung der 1941 montierten Türme Furkels ist unklar und widersprüchlich.<br />

- Spätere Rohrauswechslungen sind nicht berücksichtigt.<br />

127 Hier wird entsprechend den Protokollen noch die alte Bezeichnung "Furkels" verwendet.<br />

128 BAr: E 27 -/9001 18467 Bd. 13


Anschiessen und Montage in den <strong>AW</strong><br />

31<br />

Der zeitliche Ablauf der Vorbereitungsarbeiten mit Anschiessen in Thun bis zur Inbetriebnahme<br />

durch das Anschiessen im betreffenden Artilleriewerk lässt sich am besten aus den Schiessprotokollen<br />

der KTA, Sektion für Schiessversuche (S+S), eruieren und belegen:<br />

S+S<br />

Prot. Nr.<br />

BAr: Band<br />

6946<br />

Band 23<br />

6978<br />

Bd. 23<br />

7048<br />

Bd. 24<br />

7069<br />

Bd. 24<br />

Anschiessen der 10,5 cm Panzer-Turmkanonen 39 L52<br />

auf der Beschussanlage im "Zelgli" Thun und in den Artilleriewerken<br />

Datum<br />

11.08.39<br />

Erstes Anschiessen<br />

der PzT-<br />

Kanone 39<br />

L52<br />

30.08.39<br />

3.10.39<br />

17.10.39<br />

18.10.39<br />

Schweizerisches Bundesarchiv (BAr): E 5156(B) 1994/209 / Bde. 23 - 40<br />

Rohr<br />

Nr.<br />

1<br />

1<br />

Ort:<br />

Thun oder<br />

<strong>AW</strong><br />

K+W Thun<br />

"Zelgli"<br />

K+W Thun<br />

"Zelgli"<br />

2 K+W Thun<br />

"Zelgli"<br />

1 Gotthard<br />

<strong>San</strong> <strong>Carlo</strong><br />

PzT Nr. 2<br />

Anzahl<br />

Schuss;<br />

Ladung<br />

mit L52:<br />

Ldg 1 1<br />

Ldg 3 3<br />

Ldg 4 2<br />

Ldg 5 4<br />

Ldg 6 5<br />

mit L42:<br />

Ldg 5 5<br />

Ldg 6 5<br />

17<br />

Ergebnis und Bemerkungen aus Protokoll S+S<br />

(Sektion für Schiessversuche der KTA in Thun)<br />

Vergleichsschiessen Kanonen L52 mit L42<br />

Geschoss: Stempelgeschoss, blinde Stahlgranate<br />

Zweck:<br />

Anschiessen des ersten 10,5 cm Turmkanonenrohres,<br />

das gegenüber des normalen "Feld"-<br />

Rohres um 10 Kaliber verlängert ist (<strong>San</strong> <strong>Carlo</strong>).<br />

Prüfung der Schussbremse, des Vorholers, des automatischen<br />

Auswerfers, der Ladevorrichtung und der<br />

Ausblasvorrichtung. Die Schussbremse gibt etwas zu<br />

grossen Rücklauf, die Ladevorrichtung setzt das<br />

Geschoss zu wenig stark. Auswerfer und Ausblasvorrichtung<br />

funktionieren gut.<br />

V-Vergleichsbeschuss 129 mit Rohr von normaler Länge.<br />

Ergebnis:<br />

V-Steigerung wird durch die S+S ausgewertet.<br />

Anschiessen, Rücklaufmessungen mit diversen Glycerinmischungen<br />

und Erproben der Ladevorrichtung<br />

Auswertung durch K+W<br />

S+S / S+M: Chef Séquin<br />

16.25 - 16.50 Uhr:<br />

Glycerin 60% / 70%; neue Regulierstange eingebaut<br />

35 Anschiessen des 10,5 cm TK Rohrs Nr. 2 (<strong>San</strong> <strong>Carlo</strong>).<br />

Vergleich der 10,5 cm K L42 und L52<br />

Vo-Beschuss für Gotthard mit TK<br />

Erproben von eisernen Geschützhülsen:<br />

1 lässt sich nicht laden, 1 klemmt, 1 reisst mit L6<br />

207 Anschiessen des 10,5 cm Panzerturms Nr. 2<br />

(mit Rohr Nr. 1)<br />

Schusstafelversuch<br />

Rauchgranaten MVZ, auf MZ gestellt<br />

Verhalten Material normal. Bezüglich Detailfragen<br />

wird auf die betr. Berichte des Chefs der KTA und des<br />

Gasoffiziers der 9. Div Major Genner verwiesen.<br />

Verhalten Mun normal, kein Blindgänger, Streuung<br />

befriedigend. Speziell zu erwähnen ist das gute Verhalten<br />

der Rauchgranaten, die das Einschiessen<br />

wesentlich erleichtert.<br />

Bericht Chef KTA Fierz und Gasof. Major Genner:<br />

- Prov. KMS mit Pedalantrieb noch nicht in Betrieb<br />

- Schlechte Luft auch wegen Sprengungen in Nacht<br />

- Beleuchtung provisorisch mit 2 Lampen<br />

- Schwitzwasser in Kuppel, Turmisolation notwendig<br />

129 Messung der Mündungsgeschwindigkeit (Vorrohrgeschwindigkeit) des Geschosses = Vo


S+S<br />

Prot. Nr.<br />

BAr: Band<br />

7085<br />

Bd. 24<br />

7135<br />

Bd. 24<br />

7195<br />

Bd. 24<br />

7196<br />

Bd. 24<br />

7219<br />

Bd. 24<br />

7320<br />

Bd. 25<br />

7399<br />

Bd. 25<br />

7406<br />

Bd. 25<br />

7441<br />

Bd. 25<br />

7456<br />

Bd. 25<br />

7497<br />

Bd. 25<br />

7511<br />

Bd. 25<br />

7598<br />

Bd. 26<br />

7655<br />

Bd. 26<br />

7697<br />

Bd. 26<br />

7738<br />

Bd. 27<br />

7753<br />

Bd. 27<br />

7773<br />

Bd. 27<br />

7788<br />

Bd. 27<br />

7855<br />

Bd. 27<br />

7918<br />

Bd. 27<br />

8038<br />

Bd. 27<br />

8168<br />

Bd. 28<br />

8250<br />

Bd. 28<br />

Datum<br />

Rohr<br />

Nr.<br />

Ort:<br />

Thun oder<br />

<strong>AW</strong><br />

24.10.39 3 K+W Thun<br />

"Zelgli"<br />

14.11.39 2 Gotthard<br />

<strong>San</strong> <strong>Carlo</strong><br />

PzT Nr. 1<br />

12.12.39 3 Airolo<br />

Foppa<br />

Grande<br />

12.12.39 4 K+W Thun<br />

"Zelgli"<br />

21.12.39 5 K+W Thun<br />

"Zelgli"<br />

2.02.40 6 K+W Thun<br />

"Zelgli"<br />

7.03.40 6 K+W Thun<br />

"Zelgli"<br />

12.03.40 4 St. Maurice<br />

5 Dailly<br />

21.03.40 6 K+W Thun<br />

"Zelgli"<br />

29.03.40 6 K+W Thun<br />

"Zelgli"<br />

12.4.40 6 K+W Thun<br />

"Zelgli"<br />

18.04.40 7 K+W Thun<br />

"Zelgli"<br />

16.05.40 8 K+W Thun<br />

"Zelgli"<br />

6.06.40 9 K+W Thun<br />

"Zelgli"<br />

30.06.40 10 K+W Thun<br />

"Zelgli"<br />

2.07.40 7 Sargans<br />

8 Furkels<br />

4.07.40 11 K+W Thun<br />

"Zelgli"<br />

16.07.40 -?- K+W Thun<br />

"Zelgli"<br />

24.07.40 6 K+W Thun<br />

neu "Zelgli"<br />

9.08.40 13 K+W Thun<br />

"Zelgli"<br />

4.09.40 9 Sargans<br />

10<br />

11<br />

Magletsch<br />

27.09.40 13 K+W Thun<br />

"Zelgli"<br />

5.11.40 A+B Sargans<br />

(12+<br />

15 ?)<br />

Kastels<br />

26.11.40 13 K+W Thun<br />

"Zelgli"<br />

32<br />

Anzahl<br />

Schuss;<br />

Ladung<br />

Ergebnis und Bemerkungen aus Protokoll S+S<br />

(Sektion für Schiessversuche der KTA in Thun)<br />

12 Anschiessen Rohr Nr. 3 (Foppa Grande)<br />

Interner Versuch der K+W zur Messung der Rohrschwingungen<br />

und des Druckverlaufs in der Schussbremse<br />

Ldg 6: 11 Anschiessen von Turm Nr. 1 (mit Rohr Nr. 2)<br />

Verhalten Mat und Mun normal<br />

5 Schuss Turm in normaler Stellung<br />

6 Schuss Turm gehoben<br />

33 Anschiessen des Turms bei Airolo<br />

Ergänzender Schusstafelversuch<br />

12 Anschiessen Rohr Nr. 4 (Dailly)<br />

12 Anschiessen Rohr Nr. 5 (Dailly)<br />

20 Anschiessen des Rohres 6<br />

Bestimmung der Vo-Differenz<br />

16 Anschiessen des PzT und Beschaffung von Unterlagen<br />

für das Nachausbohren des Rohres (Laderaum)<br />

24 Anschiessen von 2 PzT in Dailly<br />

(Bem.: Turm St. Barbe und St. Maurice)<br />

24 Erproben des um 1 Kaliber ausgebohrten Rohres<br />

(d.h. des Laderaumes)<br />

Vo-Steigerung von nur ca. 15 m/sek. Das Rohr soll<br />

um ein weiteres Kaliber ausgebohrt werden<br />

28 Erproben des um 2 Kaliber ausgebohrten Laderaumes<br />

30 Erproben des um 3 Kaliber ausgebohrten Laderaumes<br />

8 Anschiessen Rohr Nr. 7 Furkels)<br />

8 Anschiessen Rohr Nr. 8 (Furkels)<br />

8 Anschiessen Rohr Nr. 9 (Magletsch)<br />

8 Anschiessen Rohr Nr. 10 (Magletsch)<br />

x Anschiessen der PzT Kan Nr. 7 + 8 von Fort Furkels<br />

Lademechanismus funktioniert nicht richtig<br />

8 Anschiessen Rohr Nr. 11 (Magletsch)<br />

86 Schiessversuch auf grosse Distanz zur Kontrolle der<br />

rechnerischen Ergebnisse<br />

7 Anschiessen von Rohr Nr. 6 (Kastels)<br />

Ersatz für das für Versuche ausgebohrte Rohr Nr. 6<br />

10 Anschiessen Rohr Nr. 13<br />

15 Anschiessen der 3 Pz Türme Magletsch<br />

Störung an Ladeschaufel PzT Nr. 11<br />

Die anderen Türme haben noch keine Ladeschaufel<br />

20 Erproben der Ansetzvorrichtung, die beim Anschiessen<br />

in Magletsch zu Störungen Anlass gab<br />

27 Anschiessen der Türme A+B; nicht abgenommen.<br />

Die Ladevorrichtungen sind noch nicht in Ordnung.<br />

2 Geschosse fielen vor dem Schiessen eine Treppe<br />

von 30 Stufen herunter. Eines wurde problemlos<br />

verschossen, das beschädigte andere zur Untersuchung<br />

zurückgeschoben.<br />

Die Abnahme bzw. Freigabe erfolgte mit abgeänderter<br />

Ladeschaufel am 10.1.41.<br />

Rohr-Nr. ist nicht eruierbar.<br />

21 Anschiessen von Schussbremse<br />

Kontrolle der Vorlaufgeschwindigkeit<br />

Kontrolle der Ladevorrichtung


S+S<br />

Prot. Nr.<br />

BAr: Band<br />

8284<br />

Bd. 28<br />

8401<br />

Bd. 29<br />

8758<br />

Bd. 30<br />

8811<br />

Bd. 30<br />

9164<br />

Bd. 31<br />

9514<br />

Bd. 32<br />

9578<br />

Bd. 32<br />

9594<br />

Bd. 32<br />

9605a<br />

Bd. 32<br />

9959<br />

Bd. 33<br />

10097<br />

Bd. 33<br />

10440<br />

Bd. 34<br />

10872<br />

Bd. 35<br />

11019<br />

Bd. 35<br />

11142<br />

11143<br />

Bd. 36<br />

11887<br />

Bd. 38<br />

12456<br />

Bd. 39<br />

12654<br />

Bd. 39<br />

12695<br />

Bd. 39<br />

12774<br />

Bd. 40<br />

12780<br />

Bd. 40<br />

Datum<br />

Rohr<br />

Nr.<br />

Ort:<br />

Thun oder<br />

<strong>AW</strong><br />

5.12.40 13 K+W Thun<br />

"Zelgli"<br />

10.01.41 6 Sargans<br />

neu Kastels<br />

3.04.41 14 K+W Thun<br />

"Zelgli"<br />

24.04.41 15 K+W Thun<br />

"Zelgli"<br />

15.07.41 13 Sargans<br />

14 Furkels<br />

8.10.04 16 K+W Thun<br />

"Zelgli"<br />

30.10.41 16 K+W Thun<br />

"Zelgli"<br />

24.10.41 -- K+W Thun<br />

"Zelgli"<br />

30.10.41 16 K+W Thun<br />

"Zelgli"<br />

5.01.42 19 K+W Thun<br />

"Zelgli"<br />

19.2.42 16 K+W Thun<br />

"Zelgli"<br />

8.05.42 19 K+W Thun<br />

"Zelgli"<br />

29.08.42 3 Airolo<br />

Foppa<br />

Grande<br />

30.09.42 16 K+W Thun<br />

"Zelgli"<br />

27.10.42 17 Andermatt<br />

18<br />

19<br />

Gütsch<br />

7.04.43 22 K+W Thun<br />

"Zelgli"<br />

28.07.43 20 K+W Thun<br />

"Zelgli"<br />

10.09.43 8a K+W Thun<br />

10a "Zelgli"<br />

18.09.43 16 Realp<br />

21 Fuchsegg<br />

4./8.10. 17 Andermatt<br />

1943<br />

Gütsch<br />

11.10.43 20 Realp<br />

22 Fuchsegg<br />

33<br />

Anzahl<br />

Schuss;<br />

Ladung<br />

Ergebnis und Bemerkungen aus Protokoll S+S<br />

(Sektion für Schiessversuche der KTA in Thun)<br />

20 Kontrolle von neuem Vorlaufventil in Schussbremse<br />

Nr. 6<br />

13 Erproben der abgeänderten Ladeschaufel<br />

Abgenommen<br />

Prozentbeschuss<br />

7 Anschiessen Rohr Nr. 14<br />

4 Anschiessen Rohr Nr. 15<br />

25 Anschiessen Rohr Nr. 13 und 14<br />

Versuch mit neuer Ausführung Ladeschaufel<br />

(Foto Seite 35 zeigt Turm Nr. 12!)<br />

16 Vergleich der Rohre Nr. 15 und 16<br />

Beschuss von Musterhülsen<br />

22 Abnahmebeschuss Munition Los 35-41 T (=Thun)<br />

15 Anschiessen von 3 Reserverohren<br />

Beschuss von Musterhülsen<br />

20 Abnahmebeschuss Munition Los 36-41 T<br />

16 Abnahmebeschuss Munition Los 54-41 A (= Altdorf)<br />

Turm war innen vereist und liess sich schwer drehen.<br />

27 Abnahmebeschuss Munition Los 42-42 (Thun)<br />

5 Anschiessen Rohr Nr. 19 (Gütsch)<br />

x Abklären des Verhaltens von StG MVZ bei schräger<br />

Ansetzung der Ladeschaufel<br />

6 Anschiessen eines neuen Rohres aus K+W Nr. 16<br />

(für Fuchsegg; Ersatz für Versuchsrohr Nr. 16)<br />

30 Anschiessen von 3 PzT Gütsch<br />

Mun Abnahme<br />

Anschiessen von 3 PzT Gütsch<br />

Ladeschaufel Turm 18 nur provisorisch<br />

Ausblasvorrichtung funktioniert nicht<br />

20 Anschiessen Rohr Nr. 22 (Fuchsegg)<br />

Versuch schräg angesetztes Geschoss<br />

5 Anschiessen Rohr Nr. 20 (Fuchsegg)<br />

10 Anschiessen Reserverohre 8a und 10a<br />

10 Anschiessen Turm Nr. 20 und 21 auf Gotthard<br />

(hier abnormal Turm Nr. und nicht Rohr Nr. erwähnt)<br />

diverse Schusstafelversuch Gotthard L52 zusammen mit L42<br />

10 Anschiessen Rohr Nr. 20 im Turm 16 / Rohr 22 im<br />

Turm 22<br />

Bemerkungen:<br />

- Anmerkungen des Verfassers kursiv.<br />

- Das Anschiessen im Artilleriewerk mit Abnahme und Übergabe an die Truppe ist grau unterlegt.<br />

- statt "Furggels" gemäss Landeskarte: alte Bezeichnung "Furkels" entsprechend den Protokollen.<br />

- Das Anschiessen von Reserverohren im "Zelgli" Thun und allenfalls im <strong>AW</strong> ist in der Tabelle nur<br />

innerhalb des aufgelisteten Zeitraums berücksichtigt.


4.5 Bericht eines Zeitzeugen<br />

34<br />

Wie die Herstellung und Montage der Panzertürme vor sich ging, erzählt Hans Käppeli 130 als<br />

Zeitzeuge, welcher im Aktivdienst und auch später bei fast sämtlichen Artilleriewerken, bei Panzertürmen<br />

und Bunkerkanonen, die Geschützmontagen leitete. Hans Käppeli war, nach seinem<br />

beruflichen Aufstieg vom Mechaniker über Werkmeister und Werkführer, zuletzt bis 1981 Fabrikationschef<br />

in der Eidgenössischen Konstruktionswerkstätte Thun (K+W). 131<br />

« Der Lizenzbau der 10,5 cm Panzerturmkanone 39 L52 erfolgte in der K+W nach Plänen<br />

der französischen Firma Schneider. Es zeigte sich jedoch, dass verschiedene Einrichtungen<br />

ungenügend waren und entsprechend durch die K+W laufend verbessert oder sogar umgebaut<br />

werden mussten. So mussten der hydraulische Durchfluss der Rücklaufbremse und der Federvorholer<br />

verbessert werden. Die pneumatische Ladevorrichtung war untauglich und wurde von<br />

der K+W neu konstruiert. In Schiessversuchen wurde die Geschossansetzgeschwindigkeit unter<br />

Berücksichtigung der Zündersicherheit bis auf 6 m/sek erhöht und optimiert.<br />

Das von L42 132 auf L52 verlängerte Rohr wurde inklusive Bodenstück durch die Firma von<br />

Roll AG im Werk Gerlafingen gegossen und geschmiedet und im Werk Bern ausgebohrt, vorbearbeitet<br />

und vergütet. 133 Nunmehr wurde der Rohrrohling in die K+W nach Thun angeliefert und<br />

dort durch die K+W zum einsatzfertigen Rohr bearbeitet. Der Horizontalkeilverschluss wurde<br />

durch die K+W hergestellt. Das ganze Geschütz wurde in der K+W auf einem Holzbock vormontiert.<br />

134 Anschliessend erfolgte die Montage jedes Geschützes im Turmunterteil, ohne Kuppel,<br />

auf dem Schiessplatz Zelgli in Thun auf der dort vorhandenen Lafette. Dann wurde die Kuppel<br />

aufgesetzt. Mit mindestens ca. 3 Schuss konnte mit dem in Zusammenarbeit durchgeführten<br />

Anschiessen des Geschützes durch die "Sektion für Schiessversuche" der Kriegstechnischen<br />

Abteilung Thun (KTA) gleichzeitig das Einregulieren der Einrichtungen durch die K+W vorgenommen<br />

werden. Wir von der K+W waren meist mit 2 Mann dabei, während die Schiessequipe<br />

der Sektion für Schiessversuche inkl. Beobachter aus ca. 12 Mann bestand.»<br />

Hans Käppeli hat nicht nur bei den Arbeiten in der K+W Thun aktiv mitgearbeitet, sondern auch<br />

auf den Baustellen die oft unter schwierigen Verhältnissen durchzuführenden Montagen geleitet.<br />

So war er auch schon 1939 bei der Erstellung der <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> und Foppa Grande dabei:<br />

«Hier wurden wir 1939 mit allem konfrontiert, mit Regen, Schnee und eisigem Wind sowie<br />

dem entsprechenden Bauzustand der Montagestelle. Wir von der K+W arbeiteten in der Zivilkleidung<br />

und trugen als Witterungsschutz einen alten blauen Militärmantel, eine veritable "Bourbakikleidung".<br />

Da wir fast gleichzeitig die 3 Panzertürme <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> und Foppa Grande montieren<br />

konnten, logierten wir in Motto Bartola bei Frau Filippini im Gasthaus "Stella Alpina". Unsere<br />

Montageequipe bestand aus 2 - 3 Mann und bei der Montage halfen uns die Leute der Fortwache<br />

und zum Teil auch der allenfalls anwesenden Truppe, welche wir anfordern konnten. Der<br />

Ablauf der Montage wurde durch den Baufortschritt diktiert. Nach den baulichen Vorbereitungen<br />

durch den Bauunternehmer, wie Ausbruch des Schrägschachtes und Betonierarbeiten im Bereich<br />

des Turmunterteils, montierte die Equipe der Firma von Roll den unteren Teil des Panzerturmes<br />

d.h. den Vorpanzer mit Hilfe des von ihr aufgestellten Hilfskranes. 135 Das Geschütz<br />

transportierten wir von Thun in Einzelteilen an: Rohr mit Bodenstück, Wiege, Rücklaufbremse,<br />

Vorholer usw. Daraufhin montierten wir von der K+W das ganze Geschütz innert ungefähr einer<br />

Woche. Daraufhin setzte die von Roll-Equipe die Panzerkuppel auf. Anschliessend konnte der<br />

Bauunternehmer die restlichen Betonierarbeiten um die Vorpanzerung ausführen. Die Fortwache<br />

bzw. das FWK montierte die zugehörigen Hilfseinrichtungen, wie Beleuchtung, Telefonleitungen,<br />

Kollektivmaskenschutz usw. Dann folgte das Anschiessen durch die Sektion für<br />

Schiessversuche. Wir von der K+W regulierten dabei das Geschütz ein. Später wurden die<br />

Panzertürme durch das FWK und durch HD Tarndetachemente getarnt.»<br />

130 Anlässlich eines rückblickenden Gesprächs am 8.1.2003 in Thun<br />

131 Hans Käppeli, geboren 1916 in Rain LU, wohnhaft in Thun<br />

132 Die vor dem 2. Weltkrieg beschaffte 10,5 cm Feldkanone L42 war eine Lizenzfabrikation der Fa. Bofors (S)<br />

133 Dies war erst der Fall, als die Lieferungen aus dem Ausland eingestellt wurden (siehe Abschnitt 4.2).<br />

134 Siehe Foto Seite 37<br />

135 Siehe Foto Seite 35


Montage einer PzT-Kuppel mit Hilfskran Traggerüst für Tarnung eines PzT als Felsklotz<br />

(1941 in Sargans, <strong>AW</strong> Furggels) (<strong>AW</strong> Fuchsegg 1943)<br />

35<br />

«Die Antransporte der schweren Lasten führten Spezialtransportunternehmungen, wie Kehrli +<br />

Oehler und Welti-Furrer AG, mit einem Tiefbettanhänger durch. Nur die Transporte über die ca.<br />

44 Haarnadelkurven von Lavey les Bains über das Bergdörfchen Morcles nach Les Planaux in<br />

Dailly gestalteten sich äusserst schwierig und erforderten starke Nerven. Die Firma von Roll AG<br />

Bern hat ebenfalls die Paternoster-Munitionsaufzüge, ein Kettenförderaufzug mit Munitions-<br />

Transportwippen, geliefert und montiert. Diese störungsanfällige Konstruktion musste abgeändert<br />

werden und erwies sich auch in späteren Jahren als sehr reparaturanfällig. Auch sonst gab<br />

es immer wieder kleinere und grössere Modifikationen. Ca. 1980 haben wir in der K+W zusätzlich<br />

zu den in den Artilleriewerken vorhandenen Reserverohren nochmals eine Rohrreserve 136<br />

von 18 Rohren 10,5 cm 39 L52 angefertigt. Auch diese Reserverohre wurden vor der Auslieferung<br />

in Thun angeschossen. Später ca. nach 1988 waren wir nochmals bei den Turmgeschützen<br />

und änderten die ursprüngliche Kreisteilung des Richtkranzes von 6400 Art‰ = Südrichtung<br />

auf neu 6400 Art‰ = Nordrichtung. Sonst wurden praktisch fast alle anfallenden Arbeiten durch<br />

das FWK ausgeführt, z.B. auch der aufwendige und schwierige Rohrwechsel.» 137<br />

4.6 Technischer Beschrieb des PzT<br />

Die 10,5 cm Turmkanone ist eine in einem drehbaren Panzerturm fest eingebaute 10,5 cm Kanone.<br />

Kurz eine Beschreibung der 10.5 cm Pz-Turmkanone 39 L52 138 , Lizenzkonstruktion der<br />

Eidgenössischen Konstruktionswerkstätte Thun (K+W), auf Basis eines Panzerturmgeschützes<br />

(Fa. Schneider Paris, in Creusot F) und mit verlängertem Rohr der 10,5 cm Feldkanone L42 (Fa.<br />

Bofors S): 139<br />

10,5 cm Pz Turmkanone Modell 1939 L52, ohne Mündungsbremse<br />

- Rohrrücklaufgeschütz mit Hydraulik-Rücklaufbremse und Federvorholer auf drehbarer Kastenlafette<br />

mit Panzerkuppel (30 – 35 cm Stahlguss), rundum drehbar 360º bzw. 6400 Art ‰<br />

- Schiesst in der unteren Winkelgruppe 0 – 45 Grad<br />

- Rohrdrehpunkt in der Scharte<br />

- Kastenlafette<br />

- Kaliber 10,5 cm (konstanter Rechtsdrall, 32 Züge)<br />

- Rohrlänge mit Bodenstück 5,5 m, Gewicht 1,8 t<br />

- Horizontal-Keilverschluss 48 kg<br />

136<br />

Gemäss Angabe von Oberstlt Brignoni, Kdo Fest Region 6, wurden mit jedem im Einsatz stehenden 10,5 cm Rohr<br />

L52 mit unterschiedlicher Ladung ca. 6000 Schuss geschossen.<br />

137<br />

Ergänzende Auskünfte gaben mir Karl Waber ehemals K+W Thun, Jhg. 27, Steffisburg und Hans Lack, ehemals<br />

AGF-Materialverwalter, Jhg. 18, Kriens.<br />

(Details Rohrwechsel siehe <strong>Dokumentation</strong> <strong>AW</strong> Foppa Grande, Seiten 31-33)<br />

138<br />

L52: Rohrlänge = 52 x Kaliberdurchmesser = 52 x 105mm = 5460 mm<br />

139<br />

"Technische Daten Festungsgeschütze", Typen-Verzeichnis, K + W Thun, 1965


- Pneumatische Lade- und Rohrausblasvorrichtung<br />

- 2 Munitionsheber vom Bodenraum zum Geschützraum<br />

- -Horizontal-Keilverschluss<br />

- Rücklaufgeschwindigkeit des Rohres 10,4 m/sek<br />

- Bei Schussabgabe mit Ladung 6 = 2700 bar: Vo 140 = 830 m/sek<br />

- Rücklaufenergie ca. 200 to bei Ladung 6; Rücklauf ca. 300 mm<br />

- Hülsenabsaugvorrichtung<br />

- Gewicht eines Geschosses: 15,1 kg<br />

- Kadenz: 6 – 8 Schuss/Minute<br />

- Reichweite: Stahlgranate mit Ladung 6 = max. 18 km<br />

Spitzgranate mit Ladung 6 = max. 22 km<br />

36<br />

Schema einer 10,5 cm Panzerturmkanone 1939 L52<br />

Gewichte:<br />

- Drehbarer Teil komplett (Kuppelober- und -unterteil, Kastenlafette und Geschütz) ca. 60'000 kg<br />

- Kuppel-Oberteil 15'900 kg<br />

- Kuppel-Unterteil 15'500 kg<br />

- Elevierender Teil komplett ca. 3'000 kg<br />

- Rücklaufende Teile 2'000 kg<br />

- Rohr komplett mit Bodenstück und Verschluss 1'900 kg<br />

- Rohr allein mit Führungsschienen 1'240 kg<br />

- Bodenstück allein, ohne Verschluss 580 kg<br />

- Verschluss 48 kg<br />

- Wiege allein, ausgegossen 690 kg<br />

- Rücklaufbremse 196 kg<br />

- Vorholer 195 kg<br />

Kuppelstärke gemäss Montagepläne KTA 1938, Massstab 1:5:<br />

- im Scheite:l 25 cm, Maximalstärke des Vorpanzers: 33 cm<br />

Die technischen Angaben über das Geschütz sind im Handbuch der Konstruktionswerkstätte<br />

Thun, Ausgabe 1965, über die Festungsgeschütze detailliert aufgeführt. Die Funktion und die<br />

Bedienung des Panzerturms ist im Reglement 57.210d: "Die 10,5 cm Festungsgeschütze", Festungsartillerie<br />

Heft B, festgelegt.<br />

Es darf festgehalten werden, dass trotz der Ausmusterung die 10,5 cm Panzerturmkanone 1939<br />

L52 mit einer Mündungsgeschwindigkeit von 830 m/sek und einer Schussreichweite bis maximal<br />

22 km auch heute noch ballistisch ein sehr gutes Geschütz ist. 141 Mit der 10,5 cm Spitzgranate<br />

kann sogar eine Schussreichweite von ca. 24 km erreicht werden.<br />

140 Vo = Mündungsgeschwindigkeit (Vorrohrgeschwindigkeit)<br />

141 Lanz Walter, RUAG Land Systems, Thun


37<br />

Werkmontage der 10,5 cm Pz Turm-Kanone 1939 L52 in der K + W Thun<br />

auf einem Holz-Bockgerüst<br />

Blick in den Geschützraum mit der im Vorpanzer fertig montierten<br />

10,5 cm Turmkanone 39 L52, mit Ladevorrichtung links und Richteinrichtung rechts<br />

Die Ausbildung und der Schiessvorgang mit der 10,5 cm PzT-Kanone ist im Kapitel 10 auf Seite<br />

52ff beschrieben. Sämtliche 22 Turmkanonen 10,5 cm wurden mit der TO 95 per Ende 1994<br />

stillgelegt und anschliessend ausgemustert (siehe Kapitel 17). Derzeit sind im <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> im<br />

Bereich des "La Claustra" die beiden Turmgeschütze noch montiert. Es fehlen nur die Zündbolzen<br />

und die Reserverohre wurden abtransportiert.


5. Die Lage und Bewaffnung des <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong><br />

38<br />

Das <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> liegt auf der Höhe von ca. 2060 m.ü.M. auf der Nordseite des Gotthardpasses,<br />

direkt an der alten Gotthardstrasse und zu Füssen der Staumauer Lucendro, also noch auf<br />

dem Kantonsgebiet des Tessins in der Gemeinde Airolo. 142 Das Artilleriewerk <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong><br />

umfasste:<br />

� 2 Turmkanonen 10.5 cm (10.5 cm Turmkanone Modell 1939 L52) (nachfolgend abgekürzt:<br />

PzT),<br />

� eine so genannte halbmobile Minenwerferbatterie mit 4 schweren Minenwerfern<br />

12 cm (Sch Mw 12cm) (von 1948 bis 1987),<br />

� 5 Infanteriebunker zur Nah- und Aussenverteidigung, mit Maschinengewehrausrüstung:<br />

vier Fest Mg 11 und vier mobile Mg 11 (später Mg 51) sowie Lmg (später Stgw);<br />

davon zwei Bunker mit Mannschaftsunterkunft ausgerüstet. 143<br />

Damit konnte das <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong>, abgesehen von schusstoten Räumen, die Schussräume der<br />

übrigen Artilleriewerke überlappend, das Gelände rundum (360º) mit einer wirksamen Schussreichweite<br />

von ca. 18 bis max. 22 km mit Artilleriefeuer belegen. Die Schüsse des <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong><br />

reichten also in der Leventina bis ca. Faido, am <strong>San</strong> Giacomopass im italienischen Formazzatal<br />

bis unterhalb die Tosafälle, im Goms bis ca. Ulrichen und im Reusstal bis ca. unterhalb Gurtnellen,<br />

an der Oberalp bis Rueras und am Lukmanier bis fast auf die Passhöhe. 144<br />

Das <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> war als Prototyp der 10,5 cm PzT-Werke im Vergleich zu den anderen<br />

später gebauten Artilleriewerken bezüglich Schutzgrad, wie Überdeckung, Gas- und AC-Schutz,<br />

Aussenverteidigung und Ausrüstung usw., äusserst minimalisiert erstellt und 1946 wenig nachgerüstet<br />

worden. Währenddem das gleichzeitig erstellte <strong>AW</strong> "Foppa Grande" mehrfach modernisiert<br />

wurde und sogar mit einem der ersten 12 cm Fest Mw ergänzt worden ist, blieb im <strong>AW</strong><br />

<strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> alles im alten Zustand. Vielleicht war der Grund dazu dessen Lage unterhalb der Lucendro-Staumauer.<br />

Im Zusammenhang mit einer allfälligen Kriegszerstörung der Staumauer war<br />

die Überflutungsgefahr oft ein Diskussionsthema. 1945 wurde deshalb erwogen, als zusätzlichen<br />

Notausgang aus dem Unterkunftsbereich einen flutungssicheren unterirdischen Stollen bis<br />

ca. auf die Kote 2120 m.ü.M. auszuführen, also bis zum Mg-Bunker West. Die Kosten von ca.<br />

Fr. 280'000 hätte die ATEL AG, die Erbauerin der Lucendro-Kraftwerke, tragen müssen. 145 Zur<br />

Ausführung dieser Ergänzungsmassnahme kam es nicht. Entgegen vielen Gerüchten gab es<br />

gedeckte unterirdische Verbindungsgänge zu den anderen Festungswerken nicht, nicht einmal<br />

zu den Bunkern der Nahverteidigung des <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong>.<br />

6. Das Bauwerk und die Einrichtungen der Festung <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong><br />

Beginnen wir auf dem Vorplatz an der alten Gotthardstrasse mit dem Rundgang 146 durch die<br />

Festung (wie wenn das <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> noch in Betrieb wäre). Der Festungseingang ist mit einem<br />

Granitmauerwerk verkleidet und täuscht damit einen Bestandteil des Kraftwerks Lucendro vor.<br />

Der Eingangsvorbau mit einem Holztor ist mit Lastwagen befahrbar. Im darüberliegenden und<br />

über eine Leiter zugänglichen Lagerraum befindet sich zugleich der Wintereingang zum Werk.<br />

Ab 1946 bis ca. 1950 bestand nur die Grundmauer mit dem Eingangsportal und darüber aufgesetzt<br />

das Holzhäuschen mit dem Wintereingang.<br />

Foto ca. 1948<br />

142 Siehe Foto Seite 4<br />

143 Mg (Maschinengewehr, Lmg (Leichtes Maschinengewehr) und Stgw (Sturmgewehr)<br />

144 Schusssektoren der <strong>AW</strong> Gotthard siehe "Gotthardverteidigung mit Fest Art", Seite 18, Werner Rutschmann, 1999<br />

145 Brief BBB Interlaken an Gst Abt vom 23.10.1945 (BAr E 5481 1984/162 Bd. 376)<br />

146 Siehe Plan Seite 41


39<br />

Festungseingang <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> mit Aufstockung für Lagerraum und mit Wintereingang<br />

Panzerturm Nr. 1 auf der Felskuppe links des Mastes, rechts oben Staumauer Lucendro<br />

Hinter dem inneren Gittertor beginnt der im Granitfels liegende abgewinkelte Hauptgang zu den<br />

Kampfständen der Turmkanonen mit zugehörigem Munitionsmagazin und zu den Unterkünften<br />

mit all ihren für den Betrieb der Festung wichtigen technischen Installationen. Zur inneren Verteidigung<br />

des Hauptzugangs des Werks wird dieser bei der Abwinkelung mit einer Schiessscharte<br />

für LMG (später StGw) und einem HG-Auswurf geschützt. Dahinter bietet in einer Felsnische<br />

das Wachtlokal Unterkunft für die Eingangswache. Der Brennstofftank ist ebenfalls in<br />

einer Nische untergebracht. In einem grossen Kreuzgang verzweigt sich das Stollensystem:<br />

geradeaus weiter zum Herz der Festung, den Unterkünften und den Betriebsräumen, nach links<br />

zum Munitionsmagazin und Turm Nr. 2 und nach rechts zum Turm Nr. 1.<br />

Eingangsbereich <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> Innenverteidigungs-Schiessscharte<br />

Die Halle des Munitionsmagazins liegt zentral in der Nähe der Aufstiege zu den Panzertürmen.<br />

In diesem besonders klimatisierten Raum lagern in vorfabrizierten Betonkasten 147 , fast wie in<br />

Bienenwaben, die Geschosse, die Hülsen und die Geschosszünder (MZZ und MVZ 148 ). Der zur<br />

Autonomie notwendige Kriegsmunitionsbestand umfasste ca. 8000 149 Artillerie-Geschosse 10,5<br />

cm, die 12 cm Minenwerfermunition sowie die Infanterie- und Flabmunition. Im <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong><br />

fehlen die später in anderen Werken eingebauten Sicherheitsvorkehren, wie Explosionsdruck-<br />

Entlastungsstollen o.ä. bei einer allfälligen Explosion im Munitions-Magazin. Bei einer Explosion<br />

hätte die Druckwelle den Zugangsstollen wie auch die Panzertürme zerstört. Als nach den Munitionsmagazin-Explosionen<br />

in Dailly und in Blausee-Mitholz 150 sämtliche Munitionsmagazine der<br />

147 vor ca. 1947/48 Munitionslagerung in Holzgestellen<br />

148 MZZ = Momentan-Zeit-Zünder / MVZ = Momentan-Verzögerungszünder<br />

149 siehe Seite 8 unter Variante 3 (BAr E 5481 1973/22 Bd. 41)<br />

150 Dailly (28/29. Mai 1946) und Blausee-Mitholz (19./20. Dezember 1947)


40<br />

Schweizer Armee aus Sicherheitsgründen umgebaut wurden, um vor allem die Ladungen und<br />

die Zünder zu separieren, hätte man bei dieser Umbaukampagne das Munitionsmagazin mit<br />

aufwändigen Felsausbrucharbeiten wesentlich vergrössern müssen. Gemäss Bauplan des<br />

BBB 151 vom Mai 1951 war im Bereich der unteren Station des Panzerturms Nr. 2 ein damals<br />

üblicher Standardkavernenbau von ca. 270 m 2 für die separate Lagerung der Ladungen mit einem<br />

Expansionsstollen gegen den Werkvorplatz geplant, kam jedoch nicht zur Ausführung. Für<br />

das <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> wurde eine billigere unkonventionelle Lösung getroffen. Man baute über dem<br />

Portalbereich einen über eine Leiter zugänglichen, praktisch oberirdischen grossen Lagerraum<br />

für die Ladungen. Im Kriegsmobilmachungsfall hätte gemäss Einsatzbefehl das Verstärkungsdetachement<br />

der Truppe als eine der ersten Tätigkeiten diesen Bestandteil der Kriegsmunition von<br />

Hand in das Munitionsmagazin im Werkinneren umgelagert.<br />

Der hintere Teil eines Munitionsmagazins Paternoster-Munitionsaufzug im<br />

eines 10,5 cm PzT Schrägschacht zu einem 10,5 cm PzT<br />

Hinter den mit Gasschleusen abgeschotteten Vorräumen der sog. unteren Station, welche mit<br />

separater Überdruck-Belüftung versehen sind, führen die beiden Schrägschächte steil mit 74%<br />

hinauf zu den beiden Panzertürmen, nach links zum Turm Nr. 2 (93 Treppenstufen à 20 cm =<br />

18.60 m Höhenunterschied bis zum Panzerturmeingang) und nach rechts zum Turm Nr. 1 (131<br />

Treppenstufen à 20 cm = 26 m Höhenunterschied bis zum Panzerturmeingang). Auf der Felskuppe<br />

über dem <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> sind die beiden als Felsblöcke getarnten Panzerturmkuppeln zu<br />

erkennen.<br />

Nach dem Kreuzgang ist der weitere Zugang ins Werkinnere durch einen offenen LMG-<br />

Gefechtsstand abgeschirmt. Die am Hauptgang weiter im Berg liegenden Unterkünfte sowie<br />

technischen Räume, wie Maschinenraum, Werkstatt und Telefonzentrale, sind nur über eine<br />

Explosions-Sicherheitsschleuse und eine Gasschleuse mit 2 schweren Panzertüren und gegenseitiger<br />

manueller Sicherheitsverriegelung zugänglich. In 4 offenen Felskavernen stehen die<br />

eingebauten 1-stöckigen Gebäude. Überall ist der standfeste Gotthardgneis sichtbar und viele<br />

Tropfstellen verbessern das allgemein gute Raumklima in dieser Festung.<br />

Hauptzugang mit Hauptgang im Werkinnern Hinterer Gang mit Lüftungs-<br />

Panzertür-Sicherheitsschleuse links die Blockhauseinbauten, leitungen und Werkleitungen<br />

rechts die Werkleitungen<br />

151 Archiv Stiftung "La Claustra"


41<br />

Im ersten Gebäudeblock 152 befinden sich die Duschen mit 10 Brausen für über 200 Mann, der<br />

Mannschaftsesssaal, die Offiziersmesse und die Küche; im zweiten Block die Mannschaftsunterkünfte<br />

und einige Unterkünfte für Unteroffiziere, das Kompaniebüro, das Krankenzimmer und<br />

das Postbüro; im dritten Block im vorderen Gang die Unterkünfte der Offiziere und der höheren<br />

Unteroffiziere, die Geräteräume des Werkschutzes und im hinteren Gang die Batteriefeuerleitstelle,<br />

das Nachrichtenbüro, die Büros und Zimmer des Abteilungskommandos. In den Gängen<br />

sind die Gewehrrechen und die Kleiderhaken befestigt wie auch die Waschtröge montiert.<br />

Raumanordnung im <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> mit Stollen und Kammern<br />

Rundum führt ein Verbindungsgang, auch zu dem in einer separaten Kaverne eingebauten vierten<br />

Block mit den Betriebsräumen mit Maschinenraum, Filterraum, Werkstatt, Büro des FWK-<br />

Werkchefs und Werktelefonzentrale. Die Ventilations- und Klimaanlage belüftet geräuschvoll die<br />

einzelnen Räume. Die Frischluft wird über einen Blechkanal im Notausgangsstollen angesogen<br />

und die Abluft aus Küche und WC-Anlage wird über Blechrohre in den Verbindungsstollen zur<br />

Stollenentleerung des KW Lucendro ausgeblasen. Im Filterraum stehen die entsprechenden<br />

Kampffilter bei einem Atom- oder chemisch-biologischen Angriff zum Einsatz bereit. Bei Netzstromausfall<br />

springen die beiden Notstromgruppen mit den schweren Dieselmotoren (Typ<br />

SLM 153 Jahrgang 1941 und 1942) an und versorgen die Festung mit Elektrizität.<br />

Maschinenraum <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> SLM – Dieselmotor mit Notstromaggregat<br />

152 offizielle Kavernenblock-Nummerierung: siehe Seite 10<br />

153 Schweizerische Lokomotiven- und Maschinenfabrik, Winterthur


42<br />

Das grosse Wasserreservoir 154 (44'000 Liter), angespiesen von diversen Quellfassungen, und<br />

ein separates Brauchwasserreservoir sichern das Überleben der Festungsbesatzung bei einem<br />

längeren Kampfeinsatz. Als einziger zweiter Werkzugang steigt ein Schrägstollen hinauf zum<br />

Notausgang und damit ins Freie. Ein Verbindungsgang führt zum Brauchwasserreservoir mit<br />

Filteranlage bzw. zum Druckstollen-Entleerungsstollen des KW Lucendro.<br />

Die Küche ist geräumig und zweckmässig, für heutige Begriffe aber eher spartanisch eingerichtet:<br />

zwei elektrische Maxim-Kippkessel (100 und 80 Liter), ein robuster grosser elektrischer<br />

Maxim-Kochherd mit Backofen, Kartoffelschälmaschine, Kaffeemühle, Rüsttisch mit Büchsenöffner,<br />

Spültrog und viele Holzkästen. Es existiert nicht einmal ein Lebensmittelmagazin für<br />

Frischwaren oder ein Kühlraum. Die Lebensmittel, auch das Brot, lagern im Gang vor der<br />

Verpflegungsplan der Fest Kp II/6 im WK 1967 für ca. 70 Mann 155<br />

154 In einer höher gelegenen seitlichen Kaverne, nur über eine Leiter zugänglich<br />

155 GRB = Gewürze, Reinigungsmittel und Brennstoff


43<br />

Küche in einem Drahtgitterverschlag, durch ein Dach vor dem tropfenden Bergwasser geschützt<br />

und in dem als Frischwarenmagazin genutzten kühlen Verbindungsstollen zur Entleerung des<br />

Druckstollens des Kraftwerks Lucendro.<br />

Festungsküche im <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> ca. Jahrgang 1942:<br />

Kochherd mit Backofen, Ablufthauben, Kippkessel und Holzschränken<br />

Doch die meist hervorragende Küchenequipe zaubert mit der zur Verfügung stehenden Verpflegungsration<br />

in genügender Menge ein hotelwürdiges Essen auf den Tisch. Gegenüber der<br />

Flachlandtruppe hat der Fourier durch die Gebirgszulage 156 ohnehin einen besseren Spielraum<br />

zur Gestaltung der Menüs. Im Verpflegungsmagazin lagern ca. 40 Tagesportionen pro Mann als<br />

Notverpflegung. 157<br />

Geräuschvolle Blechtüren führen in die Räume. Ausser in der Dusche, dem <strong>San</strong>itätszimmer<br />

und in der Küche gibt es nirgendwo warmes Wasser, auch nicht in den Offiziersräumen. In den<br />

Unterkunftsräumen ist es spartanisch eng und es herrscht bei Vollbesetzung eine "dicke Luft",<br />

lagern doch hier in den Bettgestellen 70 Mann in je 2 Reihen übereinander, mit einem aufgehängten<br />

Ablagegestell für den Tornister, ohne Kästchen für die persönlichen Sachen und ohne<br />

Trocknungsraum für die meist feuchten Kleider. Diese aus heutiger Sicht unwirtlichen Verhältnisse<br />

sind jedoch im Vergleich mit den Lebensbedingungen eines Gebirgsinfanteristen in seinem<br />

Blachenzelt ohne Schlafsack sehr komfortabel. Im hintersten Trakt liegen die Räume des<br />

Abteilungskommandos. Da dieses im Friedensdienst in der Regel eine bequemere Unterkunft<br />

bevorzugt, sei es in Motto Bartola oder in einem Hotel in Airolo, kann der Kompaniekommandant<br />

im WK diese Räume für sich beanspruchen, mit Schlafzimmer, Arbeitszimmer und danebenliegendem<br />

Nachrichtenbüro, auch als Besprechungsraum für Rapporte.<br />

Mannschaftsschlafraum Theoriesaal im Mannschaftsessraum<br />

156 Gebirgszulage ab 2000 m.ü.M.<br />

157 Festlegung durch Gst Chef am 7. Mai 1941 z.B. für Festung Mühlefluh in Vitznau


44<br />

Zur Nahverteidigung sind ausserhalb des Werks zum Schutz der Werkzugänge drei kleine Infanteriebunker<br />

Süd und Nord angelegt und in der Felswand über der Lucendro Strasse schützen<br />

2 Mg-Bunker mit ihrem Maschinengewehrfeuer die Abdeckung des Werks und die beiden Panzertürme.<br />

Zum Objektschutz vor Flugzeugdirektangriffen sind zur Aufstellung der 20 mm Oerlikon-Flabkanonen<br />

Betonplattformen und offene Unterstände auf der Werkabdeckung vorbereitet.<br />

Aussenverteidigungsbunker West mit Mg- und Lmg- Lmg-Bunker Nord<br />

Schiessscharten mit geöffneter Tarnung<br />

Im Lauf der Zeit wurden bis zur Stilllegung 1999 folgende wesentliche Nachrüstungen vorgenommen:<br />

� Flabstellungs-Plattformen mit Unterständen ca. 1944<br />

� Mängelbehebungen 1946 158<br />

� Ladungslagerraum über dem Werkeingang und Separierung der Munition mit Beton-<br />

Munitionskasten ca. 1950/51 159<br />

� Atomschutzunterstände (ASU) und Kugelbunker im Gelände<br />

� Umrüstung der wassergekühlten Bunker-Mg 11 auf die luftgekühlten Mg 51; Ausrüstung<br />

derselben mit Flammschutz 160<br />

� Zwei 8,1 cm Fest Mw zur Aussenverteidigung des <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> und des <strong>AW</strong> Sasso<br />

da Pigna, an Stelle der vier halbmobilen Sch Mw 12 cm.<br />

Sonst gab es keine wesentlichen Nachrüstungen und Investitionen. Die Truppe selbst hat die<br />

längst überfällige Einrichtung für den Radio- und Fernsehempfang in der Mannschaftskantine<br />

mit einer Kabelanlage und einer Satellitenschüssel selbst organisiert und aus der Truppenkasse<br />

finanziert.<br />

Flankierende Lmg-Unterstände beim Portal (Foto 1998)<br />

158<br />

Siehe Seiten 15 + 16<br />

159<br />

Sicherheitsmassnahme nach den Munitionsmagazin-Explosionen in Dailly (28/29. Mai 1946) und Blausee-Mitholz<br />

(19./20. Dezember 1947)<br />

160<br />

Flammschutz: Abdichtung der Schartenöffnung mit einer wassergekühlten Blech- + Asbest- +Gummi-Manschette


7. Die Festungsbesatzung und deren Gliederung<br />

45<br />

Im Aktivdienst mussten in den Jahren 1939 – 1944 durch die sukzessive Inbetriebnahme der<br />

neuen Gotthard-Festungswerke die Truppenorganisation (TO) und die Mannschaftsbestände an<br />

die neuen Verhältnisse angepasst werden. Eine umfassende Ausbildung der modernisierten<br />

Festungstruppe wurde notwendig.<br />

Die Festungsartillerie Kompanie 17 des Forts Gotthard-Hospiz übernahm sukzessive das <strong>AW</strong><br />

<strong>San</strong> <strong>Carlo</strong>. 1944 wurde das <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> der aus den Beständen der Fest Art Kp 17 neu zusammengestellten<br />

Fest Art Kp 28 übergeben und diese als Bestandteil der Fest Abt 6 mit der<br />

TO 61 im Jahr 1962 in die Fest Kp II/6 umgetauft. Die Unterstellung der Gotthardfestung und<br />

damit auch der Festung <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> sowie die Bezeichnungen der Stäbe und Truppenkörper<br />

änderten sich im Lauf der Zeit:<br />

Jahre übergeordneter Verband + Unterstellungen <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong><br />

TO 36 "Gotthardbesatzung" umgewandelt in 9. Div<br />

1938 – 1940 3. Armeekorps mit 9. Division und<br />

selbständige "Festung St. Gotthard" im Bau und Aktivdienst<br />

Festungs Artillerie Abteilung 6 bedient durch Fest Art Kp 17<br />

des Fort Hospiz<br />

1940 – 1941 5. Armeekorps im Bau und Aktivdienst<br />

Festung Gotthard dem Kdo 9. Division unterstellt bedient durch Fest Art Kp 17<br />

Fest Art Abt 6 des Fort Hospiz<br />

1941 – 1948 3. Armeekorps<br />

Réduit bis 1944 9. Division ab 1944 neue Einheit:<br />

Fest Art Abt 6 Fest Art Kp 28<br />

1948 – 1951 3. Armeekorps<br />

Réduitbrigade 23<br />

Fest Artillerie Rgt 23<br />

Fest Art Abt 6 Fest Art Kp 28<br />

1952 – 1961 AK 3<br />

TO 51 Festungsbrigade 23<br />

Fest Rgt 23<br />

Fest Abt 6 Fest Kp 28 (Umbenennung)<br />

1962 –1994 Gebirgs AK 3<br />

TO 61 Festungsbrigade 23<br />

Fest Rgt 23<br />

Fest Abt 6 Fest Kp II/6 (Umbenennung)<br />

1995 TO 95 Auflösung des Fest Rgt 23 Auflösung Fest Kp II/6<br />

Fest Abt 6: Umwandlung in Fest Art Abt 6<br />

Die Festungskompanie II/6 im <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> war zu meiner Zeit (1967/70) wie folgt gegliedert:<br />

� Stab und Kommandozug<br />

� Dienste (später Werkschutz)<br />

� Artilleriezug Festungsgeschütze<br />

� Artilleriezug schwere Minenwerfer mit 4 Mw-Gruppen<br />

� Übermittlungszug<br />

� Mitrailleurzug<br />

� Füsilierzug mit IK-Gruppe<br />

� Flabzug (aus Fest Flab Abt zugewiesen)<br />

Der Kommandozug umfasste sämtliche Hilfstätigkeiten zum Betrieb der Festung, wie den Küchendienst,<br />

den <strong>San</strong>itätsdienst, den Administrationsdienst, den Materialdienst, den Waffenmechanikerdienst<br />

und den Motorwagendienst. Die Arztvisite wurde von einem für den WK zugeteilten<br />

Arzt durchgeführt, da dem <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> nebst dem Abteilungsarzt kein eigener Arzt fest<br />

zugeteilt war. Der Dienstzug (später Werkschutzzug) beinhaltete den Maschinendienst, den<br />

ABC-Dienst mit Gasschutz- (O-Geräte) und Feuerlöschtrupp.


46<br />

Die Artilleriezüge bedienten die beiden Festungsgeschütze (PzT) und die vier schweren mobilen<br />

Minenwerfer (Sch Mw) sowie die Artillerieverbindungsdetachemente (AVD) mit den Schiesskommandanten<br />

und die Batterie-Feuerleitstelle. Der Übermittlungszug gewährleistete den Übermittlungsdienst<br />

in und um das <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong>, zum Mw-Zug und zur Nahverteidigung sowie<br />

die Telefonzentralenbedienung. Der Mitrailleur- und der Füsilierzug hatten die Aufgabe der Innen-,<br />

Nah- und Aussenverteidigung des Werks. Der Flabzug schützte das Werk mit 20 mm<br />

Flabkanonen vor direkten Luftangriffen.<br />

Erfahrene Oberleutnants oder Hauptleute führten unter dem Kompanie- bzw. Festungskommandanten<br />

als Chef Dienste, Chef Artillerie, Chef Infanterie und Chef Flab die entsprechenden<br />

Truppengattungen mit ihren Zugführern, dem Feldweibel und dem Fourier. Von Vorteil war es,<br />

wenn der Kompaniekommandant (Festungskommandant) als Artillerist auch in Infanteriebelangen<br />

sehr versiert war und eine technische Ausbildung aufwies.<br />

Der Kompaniebestand setzte sich ungefähr wie folgt zusammen:<br />

- Infanteristen ca. 35 % des Sollbestandes Landwehr/Landsturm<br />

- Artilleristen ca. 26 % des Sollbestandes Auszug<br />

- Dienste + Spezialisten inkl. HD ca. 20 % des Sollbestandes Auszug/Landwehr/Landsturm<br />

- Übermittler ca. 14 % des Sollbestandes Landwehr/Landsturm<br />

- Flab ca. 8 % des Sollbestandes Landwehr/Landsturm<br />

- Stab ca. 4 % des Sollbestandes Auszug/Landwehr/Landsturm<br />

Die Truppenangehörigen der Festungstruppen waren, unabhängig von ihrer Herkunft, mit dem<br />

symbolischen Festungsturm am rechten Oberarm an der feldgrauen Ausgangsuniform gekennzeichnet.<br />

Das Oberarmabzeichen war vorerst golden auf hellrotem Grund und später golden auf<br />

schwarzem Grund (siehe Seite 2). Die Festungstruppe gehörte zu den eidgenössischen Truppen<br />

und war der Abteilung für Genie und Festungen in Bern zur Kontrollführung zugewiesen.<br />

Die Stamm-Personalkontrolle oblag der Militärkontrolle des Kantons Luzern.<br />

Der Kompaniebestand des <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> umfasste nach Korpskontrolle (sog. Kontrollbestand<br />

161 ) ca. 300 Wehrmänner mit den Alterskategorien Auszug, Landwehr und Landsturm sowie<br />

den Hilfsdienstleuten. Die Auszüger, d.h. die Artilleristen, wurden speziell in Festungsartillerie-Rekrutenschulen<br />

auf ihre Spezialaufgaben geschult, währenddem Kader und Soldaten der<br />

Landwehr wie auch die HD-Soldaten in Umschulungskursen oder Spezialkursen auf ihre neue<br />

militärische Aufgabe in der Festungskompanie vorbereitet wurden. Die Auszüger absolvierten<br />

bis 1978 jährlich einen 3-wöchigen WK, währenddem die Landwehr und der Landsturm im Zweijahres<br />

Rhythmus einen 2-wöchigen Ergänzungskurs (EK) absolvierten. Entsprechend komplex<br />

war der Ablauf eines kombinierten WK/EK mit einem Bestand von ca. 180 - 200 Mann, mit gestaffeltem<br />

Einrücken oder gestaffelter Entlassung. Die Landwehrangehörigen rekrutierten sich<br />

aus der Infanterie (grün) und den Leichten Truppen (gelb) und wurden in einem Umschulungskurs<br />

in die spezifischen Belange der Festungstruppe eingeführt. Anschliessend absolvierten sie<br />

die zwei Ergänzungskurse bei der zugeteilten Festung. Ab 1978 hatten alle jedes zweite Jahr<br />

einen 3-wöchigen Wiederholungskurs (WK) zu leisten. In den Zwischenjahren der WK leisteten<br />

die Offiziere ab 1978 als WK so genannte Schiesskurse oder Technische Kurse, welche vom<br />

Festungsregiment zentral im Einsatzgebiet durchgeführt wurden. Ab 1991 reduzierte sich der<br />

Bestand nach Korpskontrolle der Kompanie auf ca. 250 Mann, da nur noch die in allen Waffengattungen<br />

in den Fest RS ausgebildeten Wehrmänner eingeteilt blieben.<br />

Die Truppe des <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> stammte vornehmlich aus den Kantonen Luzern und Zürich.<br />

Zum Beispiel war im WK/EK 1970 die Wohnortsangehörigkeit der Einrückenden wie folgt regional<br />

verteilt: LU 52 %, ZH 21 %, BS/BL 8 %, BE 7 %, UR 3 % und einige wenige (9 %) aus den<br />

restlichen Kantonen AG, ZG, SO, VD, FR, NW, OW und TG. Das Alter der Wehrmänner (Offiziere,<br />

Unteroffiziere und Soldaten) lag zwischen 21 und 49 Jahren. Alle Berufsgattungen waren<br />

vertreten. So sass im Essraum oder schlief in der Unterkunft z.B. der Landarbeiter neben dem<br />

Dr. phil., der Coiffeur neben dem Lehrer, der Fernsehmoderator (Wysel Gyr) neben dem Käser,<br />

der Dreher neben dem Dr. ing. chem., der Seilbahnwart neben dem Musiker usw. Äusserst selten<br />

gab es Konflikte. Bedingt durch die grosse Altersspanne und der Herkunft aus verschiedenen<br />

Waffengattungen boten die unterschiedlichen Ausgangsuniformen beim Hauptverlesen vor<br />

dem Festungsportal ein buntes und überhaupt nicht einheitliches Bild. Dementsprechend galt in<br />

161 Kontrollbestand = Sollbestand nach OST + Mobilmachungsreserve von ca. 12%


47<br />

der Festungstruppe bezüglich militärischem Tenue 162 die Devise: "Ordonnanz ist, was man<br />

trägt". In einem WK/EK galt es diese "zusammengewürfelte Gesellschaft" in kürzester Zeit zur<br />

Erfüllung der Aufgabe zu einem schlagkräftigen und gut funktionierenden Team zusammenzuschweissen.<br />

Flabsockel für 20mm Flabkanone Modell 1938 auf Sockellafette Solo<br />

Der zugewiesene Flabzug aus der Fest Flab Abt 23 absolvierte seine Ergänzungskurse<br />

normalerweise auf den speziellen Flabschiessplätzen. 163 Nur selten hatten seine Angehörige die<br />

Gelegenheit, zusammen mit der Festungskompanie die Zusammenarbeit und ihre fachtechnische<br />

Aufgabe an Ort auf dem Gotthard zu üben. Als Unterkunft mussten sie sich mit einer Baracke<br />

vor dem Werkeingang begnügen, da im Werk zu wenig Platz zur Verfügung stand.<br />

8. Wiederholungskurse im <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> (1967 – 1970) 164<br />

Einrückungsort der Fest Kp II/6 war der Bahnhof Airolo, meist um 11.00 Uhr. Auf dem grossen<br />

Bahnhofplatz von Airolo herrschte an einem Einrückungstag mit den grossen Beständen eines<br />

kombinierten WK/EK militärisches Gedränge, besammelten sich doch mit den beiden Festungs<br />

Abteilungen 6 und 17 ca. 1'000 Wehrmänner. Das Gepäck wurde auf Lastwagen verladen und<br />

in die Werke geführt. Nach dem Appell auf dem Bahnhofplatz, mit Einteilung der Züge und der<br />

sanitarischen Eintrittsmusterung, marschierten die diensttauglichen Wehrmänner der Fest Abt 6<br />

von Airolo nach Motto Bartola, wo es die Mittagsverpflegung aus der Gamelle und der Feldflasche<br />

gab. Anschliessend marschierten wir über Abkürzungswege durch die Tremola zur Gotthard-Passhöhe<br />

und dann hinunter zum <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong>. Nur nichtmarschtaugliche Wehrmänner<br />

und die nur mit Zivilschuhen ausgerüsteten Hilfsdienstleute kamen in den Genuss einer Lastwagenfahrt<br />

über den Gotthardpass zum <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong>. Von allen Kompanien der beiden in Airolo<br />

einrückenden Fest Abteilungen 165 hatten wir den längsten Anmarschweg zu Fuss zu bewältigen.<br />

Auf dem Vorplatz des <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> erfolgte umgehend die Inspektion der persönlichen Ausrüstung<br />

und das Fassen der Ausrüstung. Anschliessend durften endlich die zugewiesenen Zimmer<br />

bzw. Mannschaftsräume bezogen werden. Der lange erste Tag mit dem Fussmarsch und der zu<br />

überwindenden Höhendifferenz von fast 1000 m war für viele Einrückende ein harter Wechsel<br />

vom Zivilleben in den Militärdienst und ein echter erster Leistungstest. Die Leute waren aber<br />

meistens motiviert und körperlich gut vorbereitet; Ausfälle gab es praktisch nie. Im Winter bei<br />

geschlossener Passstrasse war bis 1967, d.h. bis zur Eröffnung der neu ausgebauten Gotthardstrasse<br />

mit dem Fieudtunnel als Mobilmachungs-Einrückungsort Hospental vorgegeben. Dort<br />

war die Winterausrüstung für den Kriegsfall eingelagert: Skiausrüstung, Winterkleidung,<br />

Schneeschaufeln, Lawinenschnüre, Gletscherbrillen usw. Diese spezielle Einrückungssituation<br />

kam glücklicherweise bei uns nie vor, war jedoch im Aktivdienst üblich.<br />

162<br />

Tenue = Arbeitskleidung mit Zubehör, wie Patronentasche, Gabeltragriemen, Bajonett usw., bzw. Ausgangstenue<br />

163<br />

Brigels, Grandvillard<br />

164<br />

WK unter dem Kommando des Verfassers<br />

165<br />

Fest Abt 6 (Sasso da Pigna, <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> und Stabskp) und Fest Abt 17 (Foppa Grande, Fort Airolo, Grandinagia,<br />

Manegorio und Stabskp)


48<br />

Im KVK (Kadervorkurs) und im Wiederholungskurs/Ergänzungskurs (WK/EK 166 ) wurde vorerst<br />

die Grundausbildung aufgefrischt. Zugleich galt es, das Werk "kampfbereit" auszurüsten, wie<br />

Munitionsbereitstellung, Erstellen der Stacheldrahthindernisse, allfälliges Räumen von Schnee<br />

und Eis, Ergänzen oder Entfernen von Tarnungen etc. Im Kriegsmobilmachungsfall hätte diese<br />

Arbeiten vorgängig das vorzeitig einrückende Verstärkungsdetachement der Festungskompanie<br />

durchgeführt. Die eigentliche Betriebsbereitschaft der Festungswerke und deren Bewaffnung<br />

war jedoch jederzeit durch das Personal des Festungswachtkorps 167 (FWK) sichergestellt. Während<br />

dem WK waren als Spezialisten rund um die Uhr Angehörige der Festungswache, meist<br />

der Werkchef und ein Maschinen- oder Geschützmechaniker, im <strong>AW</strong> anwesend. Diese Berufsfachleute<br />

standen uns immer kompetent und hilfsbereit mit Rat und Tat zur Seite.<br />

Eingangswache vor dem <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> während einer Einsatzübung (ca. 1980)<br />

Beim Festungseingang wurden nach dem Einrücken sofort die immer mit scharfer Munition ausgerüstete<br />

doppelte Schildwache oder die gefechtsmässige Wache und die Zutrittskontrolle aufgezogen.<br />

Kompaniefremden Personen ohne Spezialausweis oder Bewilligung des Kommandanten<br />

bzw. des Tagesoffiziers war der Zugang ins Werk nicht gestattet und sie wurden abgewiesen.<br />

In Trockenübungen wurden die Kenntnisse des Personals der Feuerleitstellen sowie auch<br />

der Schiesskommandanten aufgefrischt, die Zusammenarbeit des Abteilungsverbandes geübt<br />

und verbessert, die Telefon- und Funkverbindungen getestet und schliesslich die Unterlagen für<br />

die kommenden Artillerieschiessübungen vorbereitet. Die Infanteristen lernten die Umgebung<br />

des Werks kennen und für Gefechtsübungen und Gefechtsschiessen war das nahe Valletta del<br />

<strong>San</strong> Gottardo ein ideales Gelände. Der Fachdienst in allen Sparten wechselte ab mit Schiessübungen<br />

und allgemeiner Ausbildung, wie Kameradenhilfe, Sport, Exerzieren, ABC-Dienst 168 ,<br />

Theoriestunden, Tests und Prüfungen. Spezialisten wurden auf entsprechend ausgerüsteten<br />

Ausbildungsplätzen ausgebildet, so z.B. die Gasschutztrupps mit den O-Geräten (später Werkschutztrupp)<br />

im Übungsstollen im Balmholz am Thunersee.<br />

166 WK = Wiederholungskurs (Auszug) / EK = Ergänzungskurs (Landwehr + Landsturm)<br />

167 Festungswachtkompanie 17 in Airolo (bis 1950, ab 1951 bis 1985 Festungswachtkp 18)<br />

168 ABC = Atomare, Biologische und Chemische Kampfstoffe


49<br />

Feuerlöschtrupp des Festungswerkschutzes (ca. 1980)<br />

In früheren Jahren (anfangs der 50er Jahre) wurden sogar mehrtägige Kompanie-Verlegungen<br />

durchgeführt. Dabei spielten sich das Kompanieleben und die Ausbildung vorübergehend in<br />

Zeltlagern ab, z.B. auf der Alpe Pesciüm ob Nante oder auf der Alpe Cristallina im Bedrettotal<br />

auf. In dieser Feldbasis wurden die Gefechtsschiessübungen durchgeführt. Anschliessend nahmen<br />

die Festungsleute wieder etwas zufriedener mit ihrer doch um Einiges trockeneren und<br />

wärmeren Stollenunterkunft vorlieb.<br />

Als Gebirgstruppe legten wir besonderen Wert auf eine gute Gebirgsausbildung und sofern<br />

es Schnee hatte kam auch die Skiausbildung nicht zu kurz. Durch ein abwechslungsreiches<br />

Programm war immer gewährleistet, dass sich die Truppe durch den Tag bei der Arbeit möglichst<br />

im Freien aufhalten und bewegen konnte. Auch die diesbezüglich weniger Privilegierten,<br />

wie Küchenmannschaft und Telefonzentralisten, wurden soweit wie möglich ins Freie komplimentiert.<br />

So war gewährleistet, dass der so genannte Festungskoller bei uns im Friedensdienst<br />

nie in Erscheinung trat. Allgemein herrschten eine sehr gute Kameradschaft und eine gute Stimmung.<br />

Im Aktivdienst ist dies wohl anders gewesen, längere Zeit abgeschnitten fern von den<br />

Angehörigen und der Zivilisation und mit der Ungewissheit der eventuell kommenden Kriegs-<br />

Ereignisse im Inneren des Berges auf engstem Raum zusammengedrängt sein zu müssen. 169<br />

Bei Manövern und Einsatzübungen war meistens, wie im Kriegsfall, ⅓ der Truppe im Einsatz,<br />

die weiteren zwei Drittel ruhten oder waren auf Pikett. Dementsprechend waren auch nur<br />

für ⅓ der Mannschaft Betten vorhanden, so dass bei kombinierten WK/EK mit grossem Truppenbestand<br />

von über 180 Mann der Füs- und Flabzug als Unterkunft mit der Aussenbaracke<br />

beim Werkeingang Vorlieb nehmen musste. Bei Vollbestand konnte im Mannschaftsessraum<br />

nur in Schichten gegessen werden.<br />

Da wir über keine Lautsprecheranlage verfügten, musste der Feldweibel die Truppe mit seiner<br />

durch die Gänge hallenden Stimme zusammenrufen, was meistens sehr gut funktionierte.<br />

Der Morgenappell und das Hauptverlesen fand je nach Witterung und Truppenbestand auf dem<br />

bekiesten Werkvorplatz oder im Halbdunkel der Festungsgänge statt.<br />

Ende des WK/EK galt es das Werk wieder an den Werkchef des FWK zurückzugeben. Dies<br />

erforderte eine gründliche Reinigung sämtlicher Räumlichkeiten und Gänge, die Reinigung aller<br />

Geräte, Waffen und Einrichtungen und am Schluss erfolgte die minutiöse Materialkontrolle mit<br />

dem Rückschub oder der Rückgabe des Materials. Die restliche Munition mit den Geschossrückständen<br />

und dem Verpackungsmaterial sowie die Fahrzeuge wurden separat zurückgeschoben.<br />

Im Kp Büro wurde der letzte Papierkrieg bewältigt, galt es doch Rapporte, Berichte,<br />

Anträge, Kontrolllisten, Abrechnungen, Diensttagemeldungen usw. zusammenzustellen und zu<br />

schreiben, die Dienstbüchlein nachzutragen und zu unterschreiben und schliesslich den letzten<br />

WK-Sold auszuzahlen. Wieder hatten wir im Kalten Krieg bei Einsatzübungen und Manövern<br />

den Kampf gegen den "roten" oder "gelben" Gegner gewonnen. Am Schluss des WK wurde die<br />

Wache eingezogen und die Festungswache schloss, abgesehen von ihrer laufenden Kontroll-<br />

und Unterhaltstätigkeit, bis zum nächsten WK das Festungstor ab.<br />

169 Siehe Kapitel 3 "Bericht eines Zeitzeugen aus dem Aktivdienst", Seite 17ff


50<br />

In einem WK/EK wurden zu Übungszwecken ansehnliche Mengen Munition verschossen, so<br />

z.B. im WK/EK 1967:<br />

� 10,5 cm Übungsgeschosse 50 Stück<br />

� 12 cm Mw Übungsgeschosse 52 Stück<br />

� 8,1 cm Mw Übungsgeschosse 48 Stück<br />

� 8,3 cm Rak-Rohr Hohlpanzergeschosse ca. 3 Stück<br />

� GP 11 Gewehrmunition (Karabiner, ZfK, Mg 11 und Lmg) 7860 Schuss<br />

� GP 11 Leuchtspurmunition (Karabiner, Mg 11 und Lmg) 1980 Schuss<br />

� Markier Gewehrpatronen 360 Schuss und Markier MG-Munition 3000 Schuss<br />

� 9 mm Pistolenmunition (Pistole und MP) 800 Schuss<br />

� Defensivhandgranaten (DHG 17) 54 Stück<br />

� Markier DHG 300 Stück<br />

� Beleuchtungsraketen mit Fallschirm 16 Stück<br />

� Signalraketen 24 Stück und Nebelkörper 14 Stück<br />

Beispiel eines Tagesbefehls im WK 1970 der Fest Kp II/6<br />

(Donnerstag, 25.6.1970)


9. Artillerieausbildung<br />

51<br />

Hauptaufgabe des WK war selbstverständlich das Artillerieschiessen mit unseren 10,5 cm Panzer-Turmkanonen.<br />

Dieses wurde in der Regel als Abteilungsschiessen oder sogar als Regimentsschiessen<br />

durchgeführt. Die Zielgebiete lagen meist auf der Südseite des Bedrettotals,<br />

im Gebiet der Alpe Piora/Ritomsee oder auch im Rotondogebiet. Das Ausbildungsziel war, mit<br />

möglichst geringem Munitionsaufwand rasch und wirkungsvoll den angenommenen Gegner am<br />

bezeichneten Ort mit Artilleriefeuer zu belegen. Es war schwierig, dies zu erreichen und benötigte<br />

allseits grosse Disziplin. Es galt, die Geschosse auf ihren unterschiedlichen Flugbahnen aus<br />

den in verschiedenen Himmelsrichtungen liegenden Festungsgeschützen, mit unterschiedlichen<br />

Schussdistanzen und sogar mit unterschiedlichem Kaliber 170 , rasch, gleichzeitig und präzise auf<br />

die gegnerischen Ziele zu lenken. Bei solchen Artillerieschiessen zeigten sich die Könner auf<br />

allen Stufen, insbesondere da noch keine elektronischen Hilfsmittel zur Verfügung standen, wie<br />

Laser-Goniometer, Toporechner, Flugbahn-Vermessungsradar etc.<br />

Zur Berechnung der vier Schiesselemente Richtung, Elevation, Ladung und Tempierung,<br />

genügte in der Feuerleitstelle die Karte der Wirkungsmöglichkeiten 1: 25'000 mit Angabe der<br />

Ladungsgrenzen und den schusstoten Räumen, der Schiesselementenrechner SER 171 , der Korrekturrechner<br />

KR 172 und der Ballistische Korrekturrechner. 173<br />

Feuerleitoffizier mit Feuerleitequipe im Einsatz Der Schiesselementenrechner SER<br />

in einer Batterie-Feuerleitstelle (ca. 1980)<br />

Die Sprechverbindung zwischen dem Schiesskommandanten auf dem Beobachtungsposten<br />

über die Abteilungs-Feuerleitstelle zur Batterie-Feuerleitstelle im Artilleriewerk erfolgte über<br />

temporäre und permanente Kabelverbindungen. Ein relativ dichtes Kabelnetz überzog wie ein<br />

Spinngewebe das coupierte Gotthardgebiet. Überall gab es diskret versteckte Feldanschlusskasten<br />

(FAK), wo die Uem Sdt der Fest Stabskp die Feldtelefonleitungen zu den Beobachtungsposten<br />

der Artillerieschiesskommandanten anschliessen konnten. Aus Sicherheitsgründen<br />

wurden nur ausnahmsweise Funkverbindungen verwendet.<br />

Die Artillerieoffiziere der Festungskompanie waren in allen Belangen als Allrounder ausgebildet<br />

und konnten wechselweise und nach Bedarf als Feuerleitoffizier, Batterieoffizier oder<br />

Schiesskommandant eingesetzt werden. Dazu wurden sie in besonderen Schiesskursen oder<br />

auch in den pro Jahr an zwei Wochenenden durchgeführten so genannten Baranoffkursen bzw.<br />

Schiessgeräteübungen 174 weiter ausgebildet. Ab 1968 wurden die Schiesskommandanten der<br />

Festungs-Stabskp bzw. ab 1978 der Feuerleit-Kp zugeteilt. Damit wurde das artilleristische<br />

Ausbildungsprogramm in der Festungs Kompanie wohl effizienter, aber auch einseitiger.<br />

170 z.B. Kasemattkanonen Sasso da Pignia: Kaliber 15 cm, Fest Mw Foppa Grande: Kaliber 12 cm, Pz-Turmkanonen<br />

Fuchsegg + Gütsch + <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> + Foppa Grande: Kaliber 10.5 cm<br />

171 SER =Schiesselementenrechner, ein graphisch-mechanisches Berechnungsgerät<br />

172 KR = Umrechnungsgerät der Beobachtungsdaten des Schiesskommandanten auf die Schiesselemente<br />

173 Ballistischer KR = berücksichtigt die Werte bei Vorliegen von Wetterdaten und Messdaten der Wetterzüge<br />

174 Baranoff- und Projektargeräte in Thun, Bern, Kloten, Frauenfeld und später auch Projektar im Fort Airolo


52<br />

Artilleriebeobachtungsposten bei einer Schiessübung<br />

mit dem <strong>AW</strong> Grandinagia auf dem <strong>San</strong> Giacomopass<br />

(Hptm Lütolf und Hptm Rüefli, Fest Abt 17)<br />

Bis 1961 wurden sämtliche Korrekturen der durch den Schiesskommandanten beobachteten<br />

Zieleinschläge von ihm und seinem Gehilfen direkt auf die am Geschütz einzustellenden Korrekturen<br />

umgerechnet und als Kommando über die Feuerleitstelle an die Geschütze weitergegeben.<br />

Ab 1962 wurden die Schüsse vom Schiesskommandanten nur noch in Beobachtungsrichtung<br />

beurteilt und die übermittelten Beobachtungen in der Feuerleitstelle mit dem Korrekturrechner<br />

umgerechnet.<br />

Die Schiessverfahren der Festungsartillerie auf dem Gotthard sind im Buch "Über dem Nebel –<br />

Aus der Geschichte des Festungsregimentes 23 von 1948 – 1994" eingehend auf den Seiten<br />

31ff beschrieben.<br />

10. Geschützausbildung an der 10,5 cm Panzerturmkanone 1939 L 52<br />

Für die Geschützbedienung wurden je Geschütz 11 Mann benötigt:<br />

� im Geschützraum in der Panzerturmkuppel: Richter, Lader, Verschlusswart<br />

� im Bodenraum des Panzerturms: Geschützchef (Kpl), Tempierer, Munitionswart 1 + 2<br />

� am Munitionsaufzug: 1 Zuträgerchef und 3 Munitionszuträger (Munitionsnachschub und<br />

Munitionsrückschub von der unteren Station zum Panzerturm).<br />

Dazu kam die Magazinmannschaft mit dem Magazinchef, welche für den Munitionsnach- und<br />

-rückschub vom Munitionsmagazin zur unteren Station verantwortlich war. Der Batterieoffizier<br />

überwachte die Geschützbatterie mit den beiden Geschützen, d.h. speziell die Sicherheit, Ordnung<br />

und Effizienz.<br />

Der Geschützchef und der Richter erhielten von der Feuerleitstelle telefonisch über die Hör-<br />

und Sprechgarnitur die notwendigen Schiessdaten und Korrekturen mit Seite, Distanz, Munitionsart,<br />

Ladungs-Nr., Zünderart und Tempierung, und sie gaben die Kommandos an die Geschützbedienung<br />

weiter bzw. nahmen die kommandierten Einstellungen vor.


53<br />

Das Artillerieschiessen mit dem Panzerturm bedingte mit dieser Bedienungsmannschaft die<br />

nachfolgend kurz umschriebenen Arbeitsabläufe 175 und damit eine sehr disziplinierte Teamarbeit.<br />

Es war reine Handarbeit. Nur der Paternoster-Munitionsaufzug, der Ventilator des Kollektivmaskenschutzes<br />

und der Kompressor der Ausblasvorrichtung wurden durch einen Motor angetrieben.<br />

In der unteren Station am Fuss des Schrägstollens wurde beim Schiessen durch die<br />

Munitionszuträger kontinuierlich Munition, d.h. Geschosse, Zünder, leere Hülsen und Ladungen<br />

in Sicherheitsbehältern bereitgestellt und nach Bedarf mit dem Paternoster-Munitionsaufzug<br />

nach oben zum Geschützturm transportiert.<br />

Munitionswart in der unteren Station<br />

beim Munitionsnachschub mit dem Paternoster-Munitionsaufzug,<br />

mit Antrieb,<br />

Bedienungskasten und Pressluftbehälter<br />

für Ausblasvorrichtung<br />

(Aufnahme ca. 1980, ohne KMS)<br />

Im Innern des Panzerturms war es überaus kompakt und sehr eng, im Gegensatz zu den geräumigeren<br />

alten Panzertürmen aus dem 19. Jahrhundert oder den Geschützräumen der Bunkerkanonen.<br />

Zum Panzerturm führten der Aufstiegstollen mit Treppe, das Rohrwagengeleise 176 ,<br />

der Munitionsaufzug und sämtliche Leitungen für Pressluft, KMS-Gasschutz, Telefon und Elektrizität.<br />

Nach der Zugangstreppe betrat man über eine gepanzerte kleine Türe die Aufstiegsleiter<br />

zum Bodenraum (Munitionsboden). Daneben führte eine ebenfalls verschliessbare Durchreiche<br />

für die Munition vom Ende des Paternoster-Munitionsaufzugs in den Bodenraum.<br />

Geschützraum der 10,5 cm Panzerturmkanone 39 L 52 auf der Versuchsschiessanlage "Zelgli" Thun, vor<br />

Aufsetzen der Panzerkuppel. Unten Arbeitsplatz des Laders, oben rechts des Verschlusswartes und links<br />

des Richters. – Von unten nach oben: Vorpanzer, Munitionsheber, Ladevorrichtung, Geschützrohr mit<br />

hydr. Vorholer, Verschlusshebel, Hülsenabwurfkanal, Richtvorrichtung, Aufstiegluke mit Klappe, Kollektivmaskenschutz.<br />

175 Reglement 57.210d: "Die 10,5 cm Festungsgeschütze", Festungsartillerie Heft B<br />

176 Für das Auswechseln des Geschützrohrs mit einem Reserverohr


54<br />

Im Bodenraum stapelte sich im Munitionsgestell die bereitgestellte Munition (max. für 20<br />

Schuss): Geschosse mit den vom Tempierer aufgesetzten zum Tempieren bereiten Zünder,<br />

leere Hülsen und die Ladungen zur Sicherheit in Ladungsbüchsen. Für Stahlgranaten, Spitzgranaten,<br />

Rauchgranaten, Nebelgranaten und Übungsgranaten gab es in der unteren Ladungsgruppe<br />

die Ladung 1 und die Teilladungen 2 – 4 und in der oberen Ladungsgruppe die Ladung<br />

4 und die Teilladungen 5 – 6. Die Ladungssäckchen waren mit der entsprechenden Nummer<br />

und zur besseren Unterscheidung mit unterschiedlichen Farben gekennzeichnet. Als Zünder<br />

standen zur Verfügung: der Momentan-Verzögerungszünder MVZ und der Momentanzeitzünder<br />

MZZ.<br />

10,5 cm Geschoss MZZ-Zünder in Verpackungsbüchse<br />

Der Geschützführer kommandierte die von der Feuerleitstelle übermittelten Schiesskommandos.<br />

Er kontrollierte deren Ausführung, insbesondere an der ringsum laufenden Seitenskala die vom<br />

Richter eingestellte Richtung des Geschützes und an der Lafette an einer Höhenrichttrommel<br />

die Distanz 177 in Radius-‰, d.h. die Elevation oder Neigung des Rohrs. Ebenso überwachte er<br />

die in die Hülsen abgefüllten Ladungen (befohlene Ladungs-Nummer, d.h. die Ladungsmenge<br />

entsprechend der Schussweite), die am Zünder eingestellte Tempierung (= Zeitdauer bis zur<br />

Geschossexplosion), die Einhaltung der Sicherheitsvorschriften und den Munitionsrückschub.<br />

Mit Handschlitten (Munitionsheber) schob der Munitionswart die schussbereite Munition (Geschosse<br />

mit aufgesetztem Zünder und Ladungshülsen) nach oben in den Geschützraum.<br />

Tempierer und Aufstieg zum Geschützraum Geschützführer mit Gegen-<br />

Munitionswart Sprecheinrichtung<br />

Man schlüpfte über eine der zwei Steigleitern durch die Aufstiegsluken hinauf in den Geschützraum<br />

und schloss die Bodenklappen. Hier wurde vom Richter mit den Richträdern an den beiden<br />

Richtuhren die Seite (= Azimut in Artillerie-‰ bzw. Richtung) und die Elevation (= die Neigung)<br />

des Geschützes eingerichtet. Mit Umstellhebel konnte eine kleine oder grosse Übersetzung<br />

eingeschaltet werden.<br />

177 Bei Distanz 1000 ‰ ist das Rohr horizontal


55<br />

Richtvorrichtung 10,5 cm Pz T mit Axiometer:<br />

links von oben nach unten Seitenrichttrommel<br />

und Seitenrichthandrad. – Rechts von oben<br />

nach unten: Höhenrichttrommel und Höhenrichthandrad,<br />

je mit Umstellhebel für Geschwindigkeit.<br />

Das Drehen des Turms war in sechs Abschnitten durch eine an fünf Befestigungszapfen einkuppelbare<br />

Gelenkstange begrenzt, d.h. nur in einem beschränkten Sektor drehbar. Damit wurde<br />

ein Abreissen der diversen Kabel sowie der Druckluftleitung verhindert. Bei einer Richtungsänderung<br />

über den Begrenzungssektor mussten im Bodenraum die Gelenkstange und die Leitungen<br />

umgehängt werden. Mit einem Hilfsrichtrad im Bodenraum konnte dem Richter beim<br />

Drehen des Panzerturms geholfen werden. Eine hydraulische Anhebevorrichtung ermöglichte<br />

bei Verklemmungen die Hebung der Lafette mit der Kuppel um 23,5 cm.<br />

Lader beim Setzen des Geschosses Lader beim Einführen der Ladungshülse<br />

mit der Ladeschaufel<br />

Vorne Verschlusswart, hinten der Munitionswart entnimmt heisse<br />

Richter mit Gegensprecheinrichtung Hülse aus der Hülsentrommel<br />

Der Lader setzte in jeder Elevationslage mit der Ladeschaufel das Geschoss mit dem aufgesetzten<br />

Zünder im Rohr an. Die Messinghülse mit der Zündkapsel wurde mit der entsprechend<br />

befohlenen Ladung vom Lader von Hand in den Laderaum geschoben und der Verschluss


56<br />

durch den Verschlusswart geschlossen. Jetzt war das Geschütz schussbereit. Auf das Kommando<br />

"Feuer" betätigte der Verschlusswart (oder notfalls der Richter) den Abzug. Nach der<br />

Schussabgabe öffnete der Verschlusswart den Verschluss und die rauchende heisse Hülse fiel<br />

durch den Hülsenkanal in die Hülsentrommel im Bodenraum, wo die Verbrennungsgase automatisch<br />

abgesogen wurden und danach ein Munitionswart die Hülse entnahm. Nach dem Auswerfen<br />

der Hülse wurde ebenso automatisch das Geschützrohr mit Pressluft ausgeblasen. Bei<br />

der Schussabgabe war im Inneren der Panzerkuppel nur ein dumpfes Schussgeräusch zu hören;<br />

die Geräusche der herunterklappernden Hülse und der Ausblasvorrichtung waren lärmiger.<br />

Hülseninstandstellungsapparat<br />

Die Hülsen wurden mit dem Paternoster Munitionsaufzug in die untere Station zurücktransportiert.<br />

Hier unten oder im Munitionsmagazin wurden die zurückgeschobenen Hülsen auf dem so<br />

genannten Hülseninstandstellungsapparat kontrolliert, gerichtet und mit einer neuen Zündkapsel<br />

zur Wiederverwendung versehen.<br />

Der Arbeitsvorgang und Schiessablauf in einem 10,5 cm PzTurm ist in einem Videofilm der Association<br />

St. Maurice Études Militaires eingehend wiedergegeben, wobei in diesem Vorführfilm die Sicherheitsvorschriften<br />

nicht eingehalten sind. 178 So fehlt u.a. die vorgeschriebene Verwendung der Schutzmaske mit<br />

dem Kollektivmaskenschutz.<br />

Die gesamte Geschützbedienung arbeitete mit angezogener Gasmaske, wobei diese an die<br />

Leitung des Kollektivmaskenschutzes (KMS) angeschlossen wurde. Durch den leichten Überdruck<br />

mit Frischluft über eine Filtergruppe war die Geschützbedienung vor den Schiessgasen<br />

(CO) und eventuellen Feindgasen geschützt, gleichzeitig aber auch vor möglichen Brandverletzungen.<br />

Individuelle CO-Filter ergänzten die Ausrüstung der Geschützbedienung bei einem allfälligen<br />

Ausfall des KMS. Durch intensiven Fachdienst und mit seriös durchgeführten Übungsschiessen<br />

war der Einsatz der 10,5 cm Pz-Turmkanonen unter Einhaltung aller Sicherheitsvorschriften<br />

gefahrlos. Gegenüber den veralteten und noch bis weit in die 50er Jahre 179 im Einsatz<br />

stehenden 12 cm Panzertürmen (z.B. <strong>AW</strong> Bäzberg System Schumann 1882) war die Sicherheit<br />

beim Keilverschlusssystem bei den 10,5 cm PzT durch Verwendung von Ladungshülsen viel<br />

grösser. Eine Explosion durch unsachgemässen Munitionstransport oder durch Mängel am Geschütz<br />

wäre mit den heutigen technischen Vorkehren und bei Einhaltung der Sicherheitsvorschriften<br />

praktisch unmöglich. Die Folgen in den geschlossenen Räumen, insbesondere im<br />

Panzerturm, wären verheerend. Angehörige der damaligen Fest Art Kp 17 erlebten beim Ausbildungsdienst<br />

in der Artillerie Offiziersschule II im Jahr 1944 in Andermatt das wenig bekannte<br />

fatale Ereignis der Panzerturmexplosion mit 8 Toten.<br />

178 Fort Dailly, Armes de Forteresse, 1995<br />

179 12 cm PzT Fort Bäzberg und Bühl 1951 aufgehoben; in St. Maurice wurde 1958 noch mit 12 cm Versenkkanone<br />

unter Splitterschutzkuppel geschossen.


57<br />

Hptm Bruppacher, Kdt der Fest Art Kp 17, schreibt im Tagebuch am 7.9.1944 unter "Besondere<br />

Vorkommnisse": 180<br />

«Beim Schiessen für die Art OS II ereignete sich im T 2 (Turm 2) Bäzberg eine Explosion, die 7 Tote und<br />

6 Schwer- + Leichtverletzte kostete. Tot waren, ausser den 3 oben erwähnten 181 der Fest Art Kp 17 (Kan<br />

Kunz Emil, 02 + Mitr Schnyder Alb, 22 + Kan Sameli Arthur, 22) folgende Wehrmänner: Lt Albertini, Fest<br />

Art Kp 33 + Kpl Hauser, beide Art OS + 1 FW Sdt Lehmann, FW Kp 17 + 1 Tf Sdt Scheurer Mot Kan Bttr<br />

104. Ursache: kein Dichtungsring! Von der Fest Art Kp 17 waren verletzt: Oblt Ruchti, Gasvergiftung +<br />

Mitr Sigrist Johann, Verbrennungen + Mitr Steinmann, Verbrennungen und Armfraktur + Kan Lehmann<br />

Werner, Fraktur + Kan Lustenberger, geringe Verbrennungen.»<br />

Mitr Steinmann verstarb sechs Tage später und damit erhöhte sich die Zahl der Toten auf insgesamt<br />

acht Mann. Weitere Verletzte waren: Kpl Müller Bruno, Fest Art Kp 16 und Walker Johann,<br />

FW Kp 17 als Aushilfe. Durch den fehlenden Kupfer-Dichtungsring (Liderungsring) entzündete<br />

der seitlich austretende Feuerstrahl bei der Schussabgabe die entgegen den reglementarischen<br />

Weisungen im Geschützraum bereit stehenden 14 ungeschützten Ladungssäcke und<br />

löste damit den Feuersturm oder die Explosion im Geschützraum aus. Die Opfer wiesen schwere<br />

Verletzungen und Verbrennungen auf, starben aber in erster Linie an der schweren CO-<br />

Gasvergiftung. 182<br />

Die ergreifende militärische Totenfeier wurde am 9. September 1944 in Andermatt vor der<br />

Kaserne Altkirch abgehalten. 183 Aufgrund dieser bitteren Lehre wurden hierauf umfangreiche<br />

Sicherheitsvorkehren getroffen, wie z.B. das Tragen der Gasmaske mit Kollektivmaskenschutz<br />

oder die zur Sicherheit in Büchsen verpackten Ladungen. Bei den heutigen Artilleriegeschützen<br />

werden bei hülsenlosen Ladungen selbstabdichtende Marine-Drehverschlüsse verwendet oder<br />

bei Keilverschlüssen die Ladungen in Hülsen verpackt.<br />

Kanoniere beim Schiessen mit dem 12 cm Gruson-Zwillingspanzerturm im Fort Airolo. Der rechts kniende<br />

Lader kontrolliert vor dem Schliessen des Verschlusses durch den Verschlusswart den richtigen Sitz des<br />

Liderungsrings (Dichtungsring). Vorgängig hat er mit dem weichgekneteten Liderungswachs in der Innenseite<br />

des Rohrs hinter dem Verschlusskasten den Liderungsring zum Abdichten ausgestrichen, bevor er<br />

die Ladung (ein Ladungssack wie eine "Knorrwurst") in den Feuerraum einschiebt. Der rechts stehende<br />

Verschlusswart schliesst dann nach dem Einsetzen der Zündkapsel den Blockverschluss. Zum Löschen<br />

allfälliger brennender Ladungsrückstände beim Öffnen des Verschlusses steht hinter dem Geschützrohr<br />

der Wasserkessel bereit. Unter fast gleichen Verhältnissen passierte 1944 infolge "menschlichen Ver-<br />

180 BAr: 5790 -/9001 2622 Bd. 10<br />

181 Die "oben erwähnten" wurden im Tagebuch im Kp-Bestand als Abgang von Toten erwähnt.<br />

182 siehe "Bericht und Antrag des Untersuchungsrichters 9. Div, Hptm Rudolf Sidler Schwyz, vom 23.12.1944<br />

betr. Artillerie-Schiessunfall im Panzerturm 2 der Festung Bätzberg vom 7.9.44, 0810 Uhr" (39 Seiten)<br />

183 BAr: 5790 -/9001 2603 Bd. 4 (Tagebuch Fest Art. Abt 6)


58<br />

sagens" der oben erwähnte tragische Schiessunfall auf dem Bäzberg ob Andermatt. Wie der Maler Hans<br />

Beat Wieland auf dieser Radierung die Festungskanoniere bei ihrer Arbeit abbildete, wurde noch bis weit<br />

in die 50er Jahre des 20. Jahrhunderts mit den alten Festungsgeschützen 8,4 cm und 12 cm in den Festungen<br />

am Gotthard und in St. Maurice geschossen 184 .<br />

Im WK übten die Geschützmannschaften drillmässig ihre Aufgabe, insbesondere die Richter<br />

und die Tempierer. Wettbewerbsmässig wurden sie in den Richterprüfungen getestet und bei<br />

sehr guter Leistung mit dem Richterabzeichen ausgezeichnet.<br />

11. Minenwerferausbildung 12 cm Sch Mw<br />

Zum <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> gehörte auch eine so genannte halbmobile Minenwerferbatterie mit vier 12<br />

cm Sch Mw. 185 "Halbmobil" wurde die Batterie offiziell bezeichnet, weil unserer Festungskompanie<br />

für das Verschieben dieser Geschütze keine festen Transportmittel zugeteilt waren. Diese<br />

Stellungsbezug mit 12 cm Sch Mw Mw-Zug mit 2 Geschützen beim Fort Hospiz<br />

Minenwerfer sollten schusstote Räume im Einsatzbereich um die Festungswerke des Gotthardpasses<br />

mit Artilleriefeuer belegen können. In Manövern wurden sie jedoch oft von höherer Warte<br />

für artilleristische Sonderaufgaben zweckentfremdet und bis in die untere Leventina verschoben.<br />

Damit kamen unsere Sch Mw-Artilleristen zu angenehmen Ausflügen ins Tessin. Für die<br />

Festungskompanie II/6 (<strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong>) boten diese Geschütze die Gelegenheit, ausserhalb des<br />

Abteilungsverbands selbständige Artillerieschiessen durchzuführen.<br />

184 siehe Fussnote 177 Seite 57<br />

185 Sch Mw = Schwere Minenwerfer 12 cm<br />

Minenwerferübungsschiessen 12 cm Sch Mw<br />

mit 8,1 cm Einsatzlauf im Witenwasseren


59<br />

Die Minenwerferschiessübungen wurden unter der Schiessleitung des Kompaniekommandanten<br />

(Kp Kdt) mit Artillerieoffizieren der Kompanie als Schiesskommandanten durchgeführt. Zielgebiete<br />

standen uns reichlich zur Verfügung, wie Valletta del <strong>San</strong> Gottardo, Alpe Fortunei, Orsino-<br />

Orsirora, Lucendroalp, Witenwasserenstafel-Cavannapass. Die 12 cm Sch Mw wurden mit Jeep<br />

oder Lastwagen in die Stellungsräume in Werknähe oder auch weiter bis ins Witenwasseren 186<br />

verschoben. Rasche Stellungsbezüge in unterschiedlichem Gelände gehörten zum üblichen<br />

Repertoire der Geschützmannschaft. Die Erfahrung lehrte sie rasch, dass eine harte Granitunterlage<br />

oder die meist torfigen Geländemulden für ein präzises Artillerieschiessen nichts taugten.<br />

Bei Schnee schleppte die Mannschaft die Geschütze auf Kanadierschlitten an den Stellungsort.<br />

Mit Einsatzlauf stand uns für Übungsschiessen zusätzlich auch 8,1 cm Minenwerfermunition<br />

zur Verfügung. Aufwändig gestaltete sich jeweils die Durchführung der Absperrmassnahmen<br />

um die Batteriestellung und um das Zielgebiet, z.B. bis auf die Höhe von 2800 m.ü.M.<br />

am Pzo. Lucendro. Die grosse Scheitelhöhe der Flugbahn reichte gefährlich bis in die nahe zivile<br />

Flugstrasse Nord-Süd über dem Gotthard. 187 Deshalb konnte nur nach Rücksprache und<br />

Freigabe des Schiessens durch die Flugüberwachungs-Koordinationsstelle KOSIF geschossen<br />

werden.<br />

Die mobilen schweren 12 cm Mw wurden 1987 ausgemustert und durch zwei Fest Mw 8,1<br />

cm ersetzt. Dementsprechend reduzierte sich der Mannschaftsbestand der Fest Kp II/6.<br />

12. Mitrailleur- und Infanterieausbildung<br />

Nebst dem persönlichen Karabiner bzw. ab ca. 1974 dem Sturmgewehr (Stgw), war eine Festungskompanie<br />

mit einer reichhaltigen Palette von Infanteriewaffen ausgerüstet, welche im Lauf<br />

der Zeit an die veränderten Waffenverhältnisse angepasst wurde. So bildeten wir das Gros der<br />

Festungskompanie im WK an folgenden Waffen aus: DHG 17 (Defensivhandgranate mit Splittermantel),<br />

HG 43 (Handgranate mit und ohne Splittermantel), MP (Suomi-Maschinenpistole 9<br />

mm), Lmg (Leichtes Maschinengewehr, später ersetzt durch das Sturmgewehr), Raketenpistole,<br />

PzWG (Panzerwurfgranate auf Karabiner und Stgw), Rak-Rohr (Raketenrohr), Zf Kar (Zielfernrohrkarabiner)<br />

und Minen.<br />

Nebeleinsatz bei einer Verteidigungsübung<br />

Selbstverständlich übten und schossen die Mitrailleure mit ihrem Bunker-Mg 11 (wassergekühltes<br />

Maschinengewehr, später ab ca. Ende 60er Jahre ersetzt durch das luftgekühlte Mg 51) und<br />

die IK-Leute 188 mit ihrer Infanteriekanone in speziellen Fachdiensten und Schiessübungen unter<br />

186 Südliches Seitental bei Realp<br />

187 Luftstrasse "Amber 9"<br />

188 Infanteriekanone


60<br />

Leitung des Chefs Infanterie. Der Bau von entsprechend getarnten mobilen Stellungen gehörte<br />

ebenfalls zur Aufgabe. Die Füsiliere übten die Bewachung im und um das Werk wie auch den<br />

Nahkampf. Die Festungstruppen wurden erst in späteren Jahren mit den geländetauglicheren<br />

Kampfanzügen ausgerüstet, nachdem das Feldheer damit vollständig eingekleidet worden war.<br />

So bewegten wir uns im Tenue grün oder behelfsmässig mit einer Tarnzeltblache im oft unwirtlichen<br />

Gelände.<br />

Bunker-Mg 11 mit Wasserkühlung auf Lmg-Doppelschiessscharte<br />

Schartenlafette, mit Panoramatafel, (beide Fotos im Werk Reuenthal)<br />

Zielfernrohr und Flammschutz<br />

Das Bunkerschiessen mit dem wassergekühlten Mg 11 (ab Ende 60er Jahre mit dem luftgekühlten<br />

Mg 51) mit Panoramatafel übten die Mitrailleure am Rigassi-Gerät trocken und, da von unseren<br />

beiden Nahverteidigungs-Bunkern West nicht geschossen werden konnte, von einem<br />

Schiesszelt aus im scharfen Schuss. Die Panoramatafel mit verdrehter Einzeichnung der Ziele,<br />

wie Drahthindernisse oder Punktziele, ermöglichte das wirkungsvolle Beschiessen derselben<br />

ohne Sicht bei Nacht und Nebel. Verständlicherweise gab es auf unserer Höhe keine permanenten<br />

Stacheldrahthindernisse (Kriegshindernisse) wie bei den Befestigungen im Jura und im Mittelland,<br />

da sie meist vom Schnee überdeckt gewesen wären. Also mussten die Drahthindernisse<br />

entsprechend dem Hindernisplan jeweils neu ausgelegt werden. Im WK begnügten wir uns mit<br />

einem 3-Rollenhindernis.<br />

Plan der Stacheldrahthindernisse um das <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong><br />

und mit den Ziel-Nr. der MG-Abwehrfeuer<br />

Mit sämtlichen Waffen wurde in der Umgebung des Werks mit Übungs- und Kriegsmunition am<br />

Tag und in der Nacht gefechtsmässig geschossen und möglichst alle Artilleristen und Spezialisten<br />

wurden auch an den verschiedenen Infanteriewaffen ausgebildet. Ausfallübungen zum Entsatz<br />

der Festung gehörten ebenfalls zum Ausbildungsprogramm.


61<br />

13. Gebirgsausbildung (WK 1967 – 1970)<br />

Dass die Angehörigen einer Festungskompanie oft despektierlich "Mäuselochartilleristen" genannt<br />

wurden, war wohl verständlich, entsprach aber nicht der Realität. Dass wir uns als Gebirgstruppe<br />

an frischer Luft und bei jedem Wetter uns mehrheitlich ausserhalb unseres Werkes<br />

im Gelände bis auf alle Höhen bewegten, war für die Wehrmänner der Kompanie selbstverständlich<br />

und wurde als grosse Abwechslung und gute Erfahrung gewertet. Da wir zu wenig<br />

Transportmittel zur Verfügung hatten, waren wir ohnehin weitmöglichst zu Fuss unterwegs.<br />

Auch setzten wir damit die alte Tradition der "Gotthardmitrailleure" fort. Eigene erfahrene Ausbildner,<br />

wie Bergführer, Tourenleiter und Skilehrer standen in der Festungskompanie selbst zur<br />

Verfügung. So haben im WK/EK 1968 alle bei Gfr Max Eiselin, ehemaliger Expeditionsleiter der<br />

Dhaulagiri-Expedition 1960, unter anderem das Abseilen über Felswände geprobt.<br />

Die folgenden Beispiele aus den Wiederholungs- und Ergänzungskursen 1967 – 1970 mögen<br />

die Gebirgstüchtigkeit unserer Truppe bestätigen. Im winterlichen WK 1967 war Mitte Juni<br />

beim Einrücken der Kompanie der Gotthardpass durch die enorme Schneemenge noch geschlossen.<br />

Erstmals benutzten wir als Zugang auf die Passhöhe anstelle der Abkürzungswege<br />

durch die Tremola den schneefreieren Umweg über den neuen Fieudtunnel. Die Festungswache<br />

hatte mit der Schiller-Schneefräse 189 eine schmale Gasse mit bis 7m hohen Schneewänden<br />

zum Werkeingang herausgeschleudert und das Dach der Baracke neben dem Werkvorplatz an<br />

der Gotthardstrasse war noch mit Schnee bedeckt. Die Schildwache hatte eine wunderschöne<br />

in der Schneewand ausgehauene Schildwachtnische und bewachte damit auch den dahinter im<br />

Schnee angebrachten einmaligen Naturkühlschrank. Im Gegensatz zu den vereisten Scharten<br />

der Bunkerkanonen des Sasso da Pigna waren unsere Panzertürme, insbesondere der höhere<br />

Turm Nr. 1, durch den Wind vom Schnee befreit. Nur die beiden MG-Bunker mussten mit viel<br />

Schweiss mühsam freigeschaufelt werden. Bedingt durch diese hochwinterlichen Verhältnisse<br />

übten alle in unterschiedlichen Stärkeklassen im Gelände des Valletta di <strong>San</strong> Gottardo das Tourenskifahren<br />

auf den bewährten alten Militärskier mit Kandahar-Bindung. Auch die übrige Skiausrüstung<br />

war nach heutigen Begriffen dürftig: gewöhnliche Militärschuhe, Wadenbinden und<br />

die normale Arbeitskleidung. Die Schneeverhältnisse machten für den Fachdienst und die Infanterieausbildung<br />

ausserhalb des Werks den Gebrauch von Skier und Schlitten notwendig. Viele<br />

standen dabei erstmals auf den Skiern und einige haben dann aufgrund dieses positiven Erlebnisses<br />

eine eigene Ausrüstung gekauft. Doch schon bald machte sich die intensive Schneeschmelze<br />

bemerkbar, so dass die Scheiben bei den Schiessübungen während des Tags mehrmals<br />

neu gestellt werden mussten und der Eisschrank hinter der Schildwache rasch aufgegeben<br />

wurde.<br />

Art Beobachter (Schiesskdt) auf dem Vallettagrat (Oblt Dähler Michael II/6)<br />

189 Schillerfräse = Hand-Raupenschneefräse mit 2 vertikalen Frästrommeln (heute noch im Einsatz bei der Furka-<br />

Dampfbahn in Realp)


62<br />

Dass sich die Schiesskommandanten mit ihrem Trupp bei winterlichen Verhältnissen auch zu<br />

Fuss und mit den Skiern im Gelände bewegten, war selbstverständlich. Anlässlich eines Mw-<br />

Schiessens mit dem Zielgebiet über der Lucendroalp waren die Beobachtungsposten auf dem<br />

Valettagrat. Sowohl der das Artillerieschiessen leitende Kp Kdt wie auch der Schiesskommandantentrupp<br />

verlegte sich zwischen den wechselnden Beobachtungsposten mit den Skier und<br />

scheuchte dabei auch Schneehasen und Schneehühner auf. Dem Schiesskdt gefiel diese ungewöhnliche<br />

militärische Übung so gut, dass er als Pfarrer auf die weitere Ausbildung zum<br />

Feldprediger verzichtete und die Festungskommandantenlaufbahn einschlug.<br />

Ein besonderes fast winterliches Gebirgserlebnis bot das Gefechtsschiessen in Realp mit<br />

anschliessendem Biwak im WK/EK am 15. Juni 1967. Das Gros der Kp marschierte vom Gotthard<br />

über Mätteli – Isenmannsalp nach Realp und bezog dort das Biwak. Die Gebirgstüchtigeren<br />

auf den Skiern, ca. ⅓ der Kompanien II/6 (<strong>San</strong> <strong>Carlo</strong>) und I/6 (Sasso), wählten unter der<br />

Führung von Gfr Max Eiselin und Oblt Paul Erni (Alpinof Fest Abt 6) als Zugangsweg nach<br />

Realp die Route über die Vallettalücke (2643 m.ü.M.) an der Fibbia und dann mit einer Schussfahrt<br />

hinunter auf den Lucendropass (2532 m.ü.M). Nach nochmaligem Aufziehen der Skifelle<br />

begann der steile Anstieg hinauf auf den Pizzo Lucendro, welcher seinen Gipfel (2962 m.ü.M) in<br />

den Wolken versteckte. Im beginnenden Schneetreiben ging’s steil hinunter zum Oberstafel im<br />

Witenwasseren.<br />

Im Aufstieg zur Vallettalücke<br />

In Voraussicht der kommenden schwierigen Schneeverhältnisse wurden dort die Skier nochmals<br />

tüchtig präpariert und mit vielen unfreiwilligen Purzelbäumen ging’s, gegen den Wind<br />

kämpfend, im heftigen Schneetreiben hinaus über Oberkäseren und Schweig nach Realp. Da<br />

alle durchnässt waren, beschlossen wir nach dem Gefechtsschiessen die Räumung des Biwaks<br />

und den Abbruch der Übung. Nach dem anschliessenden eher unfreiwilligen Fussmarsch bis<br />

Hospental wurde die Mannschaft am Abend mit den Lastwagen wieder in die Werke auf den<br />

Gotthard geführt. Dieser lange Arbeitstag in den Bergen war wahrlich eine Parforceübung und<br />

die Teilnehmer werden noch heute von dieser Leistung erzählen. Das Biwak holten wir in sonnigeren<br />

Gefilden nach. Mit einem Ausbildungsparcours ab Airolo über die Strada Alta erreichten<br />

wir den südlichen Talboden beim Flugplatz Ambri-Piotta und knüpften unsere alten Militärblachen<br />

zu Zelten. Wir verbrachten die milde Nacht gemütlich bei Wein und Lagerfeuer mit anschliessendem<br />

kurzem Schlaf. Morgens im Dunkeln ging die Fahrt wieder hinauf in den Frühlings-Schnee<br />

auf dem Gotthard zum Stellungsbezug mit den schweren Minenwerfern und um<br />

08.00 Uhr landeten die ersten Schüsse im Ziel.<br />

Die Kompaniebergtour am 25.9.1969 auf den Pizzo Centrale war besonders erlebnisreich.<br />

Nach der Tagwache um 04.00 Uhr nahm die Kompanie bei schönstem Sternenhimmel die Bergtour<br />

in Angriff. Nach der Alpe Fortunei sahen viele zum ersten Mal einen Sonnenaufgang im<br />

Gebirge, als der nahe scheinende Galenstock im ersten Morgenlicht erglühte. Nach dem Queren<br />

von tückischen Schneefeldern und Geröllhalden genossen alle die herrliche Rundsicht auf<br />

dem Pizzo Centrale (2999 m.ü.M.). Der Gebirgsmarsch wurde nach dem anschliessenden Abstieg<br />

auf der Alpe Val Torta hinter dem Sellasee mit dem dorthin nachgeschobenen Mittagessen<br />

aus den Kochkisten beendet. Die Kp war von diesem WK-Schlusspunkt begeistert und so müde,


63<br />

dass nur noch einige Unentwegte den verlängerten "Ausgang" bis Mitternacht ausgenützt haben.<br />

190<br />

Nach dem Mw-Schiessen im Witenwasserenkessel marschierte am 25. September 1968 das<br />

Gros der Kompanie in einem Nacht-Gebirgsmarsch zurück in das Werk, mit Abmarsch im Oberstafel<br />

18.30 Uhr – Cavannapass 19.45-20.10 Uhr – über Fieud und Banchiweg, Ankunft im<br />

<strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> um 24.00 Uhr. Dies war nach einem langen Arbeitstag für mehrheitlich Artilleristen<br />

eine respektable Leistung.<br />

Militärunterkunft auf dem Fibbiagrat<br />

Unser Hausberg, die Fibbia mit 2738 m.ü.M, wurde bei allen Verhältnissen zu Fuss oder mit<br />

Skiern erklommen. Oft waren die Gebirgstüchtigeren mit militärischen Aufträgen unterwegs. Bei<br />

Wetterwechsel boten ihnen die alten Militär-Gebirgsunterkünfte Unterschlupf, z.B. auf dem Fibbiagrat,<br />

auf dem Cavannapass, am Witenwasserenpass usw.<br />

Damals hat sich die Fest Kp II/6 auf das Absperren der Zielgebiete im Raum Pizzo Lucendro<br />

– Pizzo Rotondo spezialisiert, was einem Leckerbissen gleichkam. Es bot die Gelegenheit, dass<br />

eine Absperrmannschaft von gebirgstüchtigen 8 - 10 Mann zu diesem Spezialauftrag abkommandiert<br />

wurde und diese sich als Ausgangsort in der SAC-Rotondohütte einnistete. Mit einem<br />

speziellen Verpflegungsplan des Fouriers hatten sie selbständig für ihr leibliches Wohl zu sorgen.<br />

Mit der Kompanie blieben sie auf diesem Aussenposten über das festungseigene Telefonkabelnetz<br />

in telefonischer Verbindung.<br />

Patrouille zwischen Leckipass und Witenwasserenpass<br />

Nebst der Absperraufgabe auf den Zugangswegen in die Zielgebiete während den Artillerieschiessen<br />

ergänzten sie auf zusätzlichen Bergtouren ihre Geländekenntnisse sowie die Gebirgs-<br />

und Funktechnik. Dies war auch eine Belohnung für jene Truppenangehörigen, welche<br />

freiwillige Sommer- und Wintergebirgskurse besucht hatten. Auch darf erwähnt werden, dass im<br />

beschriebenen Zeitraum all diese Gebirgsausbildung ohne jegliche Unfälle abgewickelt wurde.<br />

190 s. auch Episode Seite 67ff


14. Reminiszenzen und Episoden 191 (WK 1967 – 1970)<br />

64<br />

a) Der neue "Kadi" – der spinnt 192<br />

Beim Wechsel des Kompaniekommandanten kündigte sich meist der neue Wind oder das<br />

Unheil mit dem vordienstlichen Papierverkehr an. So wird es wohl auch bei meinem Amtsantritt<br />

gewesen sein. Nach der Feststellung von Unstimmigkeiten zwischen der Korpskontrolle der<br />

Fest Kp II/6 und der sog. Stammkontrolle, von Unklarheiten betr. Zuteilung zu den Verstärkungsdetachementen<br />

und von Dispensationen bei Kriegsmobilmachung, wie auch der Rücksendung<br />

von Schreiben infolge unrichtiger Adressen, gab es nur einen Weg: alle Dienstbüchlein<br />

(DB) der Kompanie einziehen, kontrollieren und auf den neuesten Stand bringen. Täglich kamen<br />

nun per Post die DB und wurden zu Hause im privaten Büro in Kategorien sortiert und gestapelt.<br />

Langsam aber sicher stank es nach Mottenkugeln und nach Militärdienst. Sogar unser Neufundländerhund<br />

"Caro" fand Gefallen an diesem neuen Spielobjekt und brachte die militärische Ordnung<br />

durcheinander. Als alle mehr als 300 Stück DB beisammen waren, ging’s ans Bereinigen<br />

der Adressen und der diversen Spezialklebezettel für die KMob, immer in Abstimmung mit dem<br />

Personaldienst der Abt Genie und Festungen in Bern. Endlich konnte nach ca. 2 Monaten die<br />

abendliche Freizeitarbeit mit dem Rückversand der DB an die Eigentümer abgeschlossen werden<br />

und im Büro gab es wieder frischere Luft.<br />

Aber das Aufschnaufen war nur von kurzer Dauer. Kaum waren 2 Wochen verflossen, als<br />

von der Fest Br 23 ein äusserst "erfreuliches" Schreiben bei allen Kp Kdt eintraf: «Zur Kontrolle<br />

haben Sie sämtliche Dienstbüchlein der Kompanieangehörigen einzuziehen und zur Kontrolle<br />

bis Datum xx an die Brigade einzureichen». Der persönliche Ärger und Frust war gross, aber<br />

nützte nichts. Also musste ich wieder in der Freizeit ca. 300 DB-Postumschläge adressieren und<br />

mit einem höflichen Begründungs- und Entschuldigungsschreiben versenden. Dass dann die DB<br />

über Wochen und Monate bis nach dem Termin nur hereintröpfelten und schliesslich mit Mahnungsschreiben<br />

eingetrieben werden mussten, ist verständlich. War es mir doch klar, dass die<br />

Empfänger meiner Schreiben richtigerweise darauf tippten, dass "der neue Kadi spinnt". Mehr<br />

als schwacher Trost war dann unsere Kompanie wohl die einzige Festungskompanie der Brigade<br />

23, welche nach der Kontrolle nichts mehr ändern musste und keine Rüge erhielt.<br />

b) Die Tour de Suisse 193<br />

Beim ordentlichen Einrücken in den WK belegten die diversen Kompanien der Fest Abt 6<br />

und der Fest Abt 17 zur Besammlung den Bahnhofplatz von Airolo. Als wir aber für den WK<br />

1970 frühzeitig die Marschbefehle versandten, beachtete niemand, dass gleichentags und<br />

gleichzeitig die "Tour de Suisse" den gleichen Platz als Startort erkürt hatte. Das Fast-Chaos<br />

war vorprogrammiert und deshalb waren rasche Entscheide vonnöten. Die Unteroffiziere der<br />

Fest Kp II/6 fingen die Einrückenden direkt am Zug ab und so konnten wir uns sofort auf dem<br />

Mittelperron besammeln und für den späteren Abmarsch ins <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> organisieren. In Erwartung<br />

des schon bald erfolgenden Startes der "Tour de Suisse" ging dieses Prozedere viel<br />

rascher als üblich vonstatten und als erster WK-Programmpunkt kamen alle in den unerwarteten<br />

Genuss dieses für Gebirgstruppen seltenen Ereignisses. Nur ein mit überlangen Haaren einrückender<br />

Hobby-Musiker verpasste den Start, da er unterdessen beim Coiffeur in Airolo seine<br />

Haarpracht der damals üblichen militärischen Länge anpassen musste. Trotz der ungeplanten<br />

Programmeinlage traf die Kompanie, nach dem Fussmarsch durch die Tremola, mit leichter<br />

Verspätung schon um 15.00 Uhr im <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> ein.<br />

c) Inspektion durch den Herrn Korpskommandanten 194<br />

Im schneereichen WK 1967 war eine Arbeitsinspektion durch den Korpskommandanten<br />

(KKdt) Georg Züblin, Kdt Gebirgsarmeekorps 3, angesagt. Bei der Begrüssung und Meldung der<br />

Kompanie vor dem Werk erkundigte er sich beim Kompaniekommandanten über die Orte der<br />

verschiedenen Arbeitsplätze. Mit Ausnahme der Feuerleitstelle lagen alle Ausbildungsplätze der<br />

Infanterie und der Minenwerfer irgendwo im Gelände und demzufolge im tiefen Schnee verteilt.<br />

Also wählte der Herr Korpskommandant die vom Kompaniekommandanten im Trockenen ange-<br />

191 Aus der Sicht des Kompaniekommandanten, d.h. des Verfassers.<br />

192 "Kadi" = Kompaniekommandant<br />

193 Tagebuch Fest Kp II/6 vom 15.6.1970<br />

194 Tagebuch Fest Kp II/6 vom 14.6.1967


65<br />

botene Feuerleitstelle als Inspektionsziel und marschierte mit seinem ansehnlichen Begleittross<br />

ins <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong>. Vor der Feuerleitstelle entledigten sich die Herren ihrer schweren Ledermäntel<br />

und betraten dann erleichtert den nicht allzu grossen Raum. Nach dem Melden des Feuerleitoffiziers<br />

und Herbeiholen von zusätzlichen Sitzgelegenheiten begann das grosse Stühlerücken,<br />

bis die höher Chargierten wohlig sassen und sich gespannt dem Arbeitseifer der Feuerleitequipe<br />

widmen konnten. Doch schon bald herrschte Dunkelheit und Stille. Der elektrische<br />

Strom war weg und emsiges Treiben begann. Mit Ausnahme des Kp Kdt und des Feuerleitoffiziers,<br />

welche durch eine Insiderinformation etwas von den kommenden Dingen erfahren hatten,<br />

hatte niemand eine Taschenlampe bei sich und die überall aufgehängten Petrollampen waren<br />

leer. Auch die werkeigene Notstromgruppe war ausser Betrieb. Die Inbetriebnahme der Benzinvergaserlampe<br />

dauerte den Herren zu lange. Mit hochroten Köpfen verliess die hohe Gesellschaft<br />

eiligen Schrittes die so ungastliche Festung und die Inspektion war damit beendet.<br />

Was war geschehen? Offenbar hatte irgendjemand des FWK mit dem gefürchteten Herrn<br />

KKdt in seinem letzten Dienstjahr eine alte Rechnung zu begleichen und eine seiner letzten Militärdiensttätigkeiten<br />

bot dazu Gelegenheit. Deshalb wurde ausserordentlicherweise auf diesen<br />

Tag eine Revision der Notstromgruppe angesetzt und dann "unglücklicherweise" die Stromzufuhr<br />

ins <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> unterbrochen. Das FWK hatte die Notlampen vor dem WK nicht aufgefüllt,<br />

da es Schäden an den Dichtungen vermeiden wollten. Für die Kompanie II/6 gab es kein<br />

Nachspiel. Das Gewitter wird sich wohl auf dem FWK-Kommando in Airolo entladen haben.<br />

Kurz vor dem WK-Ende wurden durch das FWK knurrend und murrend alle Petrollampen mit<br />

etwas Petrol gefüllt, um dem hohen Befehl Genüge zu leisten. Der Chef Artillerie der Fest Abt 6<br />

musste die angeordnete Lampenfüllung inspizieren. Dieser ging dann als "Lampenschüttelnder<br />

Major" in die Annalen des Gotthards ein. Im Tagebuch hat der Kompanieschreiber die Episode<br />

am 16.6.1967 wie folgt vermerkt:<br />

«Zu Besuch kommt ein Major, geschickt von Korpskdt Züblin. Er erweckt in jedem, der ihn sieht,<br />

ein leichtes Zucken im Zeigefinger, der unweigerlich an die Schläfe tippt. Wie ein Besessener<br />

geht der Major von Notlampe zu Notlampe und schüttelt sie, um festzustellen, ob sie mit Brennstoff<br />

aufgefüllt seien. Unser Feldweibel möchte dem Lampenschüttelmajor ein Diplom ausge-<br />

händigt wissen.»<br />

d) Diverses und allzu Menschliches aus den WK-Tagebüchern der Fest Kp II/6 195<br />

26.6.67: «Grosses Aufsehen und einen wahren Sturm im Wasserglas erregt der oberste offene Hemdsknopf<br />

des Fouriers. Der Abteilungs-Kdt qualifiziert am Abteilungsrapport nach dieser Feststellung unseren<br />

Fourier und fragt den Kp Kdt: "Brauchen sie einen neuen Fourier?". Man versucht fast vergeblich klarzumachen,<br />

dass die Kp II/6 dank dieses offenen Hemdknopfes bis dahin ausgezeichnet verpflegt wurde.»<br />

11.9.68: «Herr Major (Abt Kdt) demonstriert seinen Fleiss und sein Interesse an unserer Arbeit durch den<br />

dritten Besuch innert 3 Tagen! Solange wir ihn nicht jedes Mal gratis beweinen (bewirten) müssen, stört<br />

uns diese Visitenserie nicht.»<br />

18.9.68: «Der Chef Infanterie der Abt 6 beehrt <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> mit seinem Besuch und bewährt sich erstens im<br />

Crèmeschnitten-Essen (wieder einmal 3 Stück + 2 Bratwürste) und zweitens im Erzählen von Witzen.»<br />

11.9.69: «Erlauschtes beim HG-Werfen: der Kadi secklet au no schön umenand – Jo, das isch ke Sach,<br />

ohni Gwehr am Ranze – Aber gäll, de het au nümm die jüngschte Bei. Jedenfalls war des Abends um 5<br />

Uhr der Kadi schweiss- und drecküberströmt und erst noch leicht verwundet am Ellbogen – durch eine<br />

vom Arzt geworfene HG.»<br />

27.9.69: «Der Verein, der während drei Wochen homogen zusammengeschweisst worden ist, zerstreut<br />

sich nun wieder in alle Winde. Der WK ist zu Ende; alle haben etwas geleistet und mit dem erreichten<br />

Resultat kann man zufrieden sein. Auch der Gesundheitszustand der Truppe ist befriedigend, mit Ausnahme<br />

der Gletscherescapade des Arztes ging’s ohne Unfälle. Hoffen wir, dass es im nächsten Jahr wieder<br />

klappt!»<br />

23.6.70: «Bei unserem Herr Kommandanten gab es Nachwuchs! Mitten in der Inspektion durch den Brigadier<br />

(Wittwer) fuhr der Kadi auf und davon ins Spital, allwo ihm von seiner Frau ein Sohn namens Peter<br />

(zu aller grossen Enttäuschung nicht "<strong>Carlo</strong>") geschenkt wurde.»<br />

e) Todeskandidaten über der Lucendroalp<br />

Vor unserem im WK 1969 publizierten 12cm Minenwerferschiessen in Zielgebiete zwischen<br />

Lucendropass und Orsino/Orsirora erkundigte sich ein Zugführer der Grenadierrekrutenschule,<br />

195 Die Tagebücher der Fest Kp II/6 wurden 1967/70 jeweils durch einen dazu beauftragten Offizier geschrieben


66<br />

welche auf dem Gotthardpass logierte, über die Schiessdispositionen des kommenden Artillerieschiesstages.<br />

Es wurde abgesprochen, dass er sich auf dem Rückmarsch von der Rotondohütte<br />

mit seinem Zug am 10.9.1969 bei unserem Absperrposten auf 2800 m.ü.M, auf dem üblichen<br />

Übergang am Pizzo Lucendro, melden müsse. Während dem Schiessen und Wechseln<br />

auf ein neu zugewiesenes Ziel unterhalb des Siwerbenhornes sahen wir plötzlich mit dem Feldstecher<br />

von unserem Artilleriebeobachtungsposten aus den Zielabsperrposten auf der Lucendroalp<br />

aufspringen und etwas im Zielgebiet in der Bergflanke beobachten. Sofort gaben wir<br />

vorsichtshalber das Kommando "Halt" an die Feuerleitstelle bzw. an die schussbereite Sch Mw-<br />

Batterie. Kurz darauf meldete der Absperrposten per Funk, dass er im Zielgebiet Leute beobachtet<br />

habe, was wir dann von uns aus ebenfalls sahen. Direkt im Bereich der kommenden<br />

Artilleriesalve spazierte der Grenadierleutnant mit seinem Grenadierzug, entgegen allen Absprachen,<br />

mutig und ohne Ahnung der unmittelbar drohenden Gefahr zu Tal. In den nächsten<br />

paar Sekunden hätte der Splitterregen die Leute bedeckt. Mit guter Beobachtungstätigkeit und<br />

viel Glück konnten Tote, Schwerverletzte und eine mehr als unangenehme militärische Untersuchung<br />

verhindert werden. Dafür gab es dann für den vorgeladenen jungen Grenadieroffizier am<br />

Abend im Büro des Kommandanten des <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> eine echt militärische Belehrung und<br />

Standpauke. Sicher wird er sich künftig an die abgesprochenen Bergpfade gehalten haben.<br />

f) Das Geheimfach des Küchenchefs<br />

Eines Tages erschien der neue Kompaniekommandant mitten am Vormittag unangemeldet<br />

in der Küche. Der Küchenchef meldete, militärisch stramm, seinen Betrieb und seine Mannschaft<br />

tief im Bergesinneren. Nun hatte er dem Kadi seine Schubladen und Schränke zu zeigen.<br />

Alles wurde minutiös inspiziert. Kein Winkel blieb verborgen. In jeden Kippkessel guckte der<br />

Neuling und kein Topf, kein Geschirr und auch nicht die Küchengeräte blieben vor seinem kritischen<br />

Blick verschont. Bei den Lebensmittelvorräten im Gang vor der Küche griff er mit prüfender<br />

Hand hinter alle Packungen und Büchsen. Der Küchenchef wurde immer irritierter, denn so<br />

eine strenge Inspektion hatte er schon lange nicht mehr erlebt. Doch endlich kam das abschliessende<br />

Urteil: "Sie haben eine untadelige Ordnung – die Sauberkeit ist perfekt – das Essen<br />

aus ihrer Küche ist sehr gut." Der Küchenchef war sehr erleichtert über das Ergebnis und<br />

vor allem froh, dass nun doch endlich diese mehr als unangenehme Inspektion vorbei sei.<br />

Küche im <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> mit Durchreiche zum Mannschaftsessraum<br />

Aber der Kadi hatte zusätzlich noch eine gewichtige Frage: "Ich habe nun alles genau angeschaut<br />

– wo aber haben Sie die Schnapsflasche versteckt?" Der Blickwechsel der beiden wäre<br />

vermutlich filmreif gewesen: der Kadi verschmitzt auf den Stockzähnen lachend – der Küchenchef<br />

eher mit einem roten Kopf. Doch er hatte die Frage verstanden und ein Ausweichen war<br />

nicht mehr möglich. Beherzt öffnete er an der Küchenwand das unscheinbare Blechtörchen zur


67<br />

"Galandage" 196 und griff um die Ecke. Hier war also das vermutete "Corpus Delicti" versteckt.<br />

Der Kadi genoss dann als Abschluss dieser Inspektion am Küchentisch mit dem erleichterten<br />

und bewährten Küchenchef das hier übliche "Kafi Luz". 197 Der Kadineuling hatte so die etwas<br />

andere Eintrittsprüfung in der Küche auch bestanden.<br />

g) Eine militärische Begegnung auf höherer Ebene<br />

In der Festungsartillerie waren wir es gewohnt, dass militärische Absprachen immer eingehalten<br />

werden müssen und dass bei Schiessübungen die Sicherheit der Truppe, und selbstverständlich<br />

auch der Touristen in den schönen Bergen des Gotthardgebietes, immer zu gewährleisten<br />

sei. Dass bei anderen Truppengattungen dem nicht so sei, führte zu folgender Episode<br />

zu Füssen des Pizzo Centrale: Ende WK 1967 bestand die Absicht, als krönenden Abschluss<br />

mit einem Gebirgsmarsch der Kompanie den Pzo. Centrale zu besteigen. Da die Grenadier<br />

RS von Losone eine Gefechtsschiessübung oberhalb der Alpe Sella publiziert hatte,<br />

nahm der Kdt II/6 mit dem verantwortlichen Offizier der RS Verbindung auf und vereinbarte,<br />

dass er sich am folgenden Tag mit seiner Festungstruppe, beim Abstieg vom Gipfel, beim obersten<br />

Absperrposten melden werde, um das Schiessgelände in Richtung Alpe Sella zu durchqueren.<br />

Als wir friedlich auf dem Gipfel des Pizzo Centrale (2999 m.ü.M) die Morgensonne genossen,<br />

formierte sich tief unter uns der Grenadierzug für sein Gefechtsschiessen. Nachdem sie<br />

uns hoch oben auf dem Gipfel entdeckt hatten, begann das "Älplerfest": es wurde gehornt, es<br />

wurden Fahnen geschwungen. Begeistert schauten wir mit dem Feldstecher dem unerwarteten<br />

Schauspiel zu. Irgendwann bewegte sich ein Zweiertrupp auf die Seite und schoss in die nahe<br />

Bergflanke. Dann wurde die Folkloreaktion fortgesetzt. Und wieder herrschte Ruhe und wieder<br />

wurden einzelne Schüsse abgegeben. Jetzt tagte offensichtlich das Festkomitee dieses Älpler-<br />

und Schützenfestes. Irgendwie störte dieses unsere Anwesenheit auf der Gipfelkuppe. Wir hatten<br />

unterdessen den Bergeskranz rund um uns herum genügend bewundert, die Gipfel weitmöglichst<br />

bezeichnet, die Zwischenverpflegung vertilgt und die Sonne reichlich genossen, so<br />

dass es Zeit war, den Aufbruch zu befehlen.<br />

Auf dem Pizzo Centrale<br />

Nun ging es bergab, "ab durch die Mitte", Kadi voraus – Kompanie zugsweise hinterher im Gebirgstenue<br />

"frei". Mit einem Berghakenstecken ausgerüstet kam in seinem untadeligen Anzug<br />

der Herr Generalstabsoberst, Schulkommandant der Grenadier RS Losone, eiligen Schrittes<br />

steil bergauf entgegen und es begann folgender Dialog vor unseren gegenseitigen zahlreichen<br />

und äusserst "dankbaren" Zuhörern:<br />

Oberst: "Wo ist der Chef dieses Saubannerzuges?"<br />

Kadi meldet: "Hptm Burkhardt, Fest Kp II/6 auf Gebirgsmarsch"<br />

196 Galandage = siehe Fussnote Seite 18<br />

197 Luzerner Kafi


68<br />

Oberst zornig: "Wieso halten Sie sich nicht an die Schiesspublikationen und behindern<br />

unser Programm? Ich muss Sie einsperren lassen!"<br />

Kadi: Unter Hinweis auf die gestrige Absprache siegessicher: "Wo sind Ihre<br />

Absperrposten? Sie halten die einschlägigen Sicherheitsvorschriften nicht<br />

ein. Die Zielscheiben sind entgegen der Schiesspublikation bis auf die<br />

obersten Bergkreten aufgestellt. Nicht einmal der sommerliche Touristenübergang<br />

von der Gemsstockbahn herführend ist gesichert und abge-<br />

sperrt. Dieses Vorgehen ist fahrlässig und unakzeptabel."<br />

Oberst, nun zerknirscht: Nach einigem Geplänkel tönt es wesentlich gemässigter und milder: "Ich<br />

sehe das nun ein. Deshalb entschuldige ich mich. Sie sind ja ortsfeste<br />

Truppen und Sie haben hier als solche selbstverständlich Vorrang. Wir<br />

Grünen sind ja auf dem Gotthard nur Gäste!"<br />

Wir verabschiedeten uns militärisch und wesentlich freundlicher. Leider hatten wir zwei keine<br />

Gelegenheit, vor unserem Publikum die Friedenspfeife zu rauchen. Nach unserem Weitermarsch<br />

zum Mittagessen auf der Alpe Sella hat Herr Oberst Baumann dann doch noch, nach<br />

der ausgiebigen unfreiwilligen Pause und der folkloristischen Einlage, sein "Schützenfest" begonnen.<br />

Im Tagebuch der Fest Kp II/6 ist am 25.9.1969 diese Episode nur kurz vermerkt:<br />

«….. Bei schönstem Wetter geniessen wir die herrliche Aussicht. Beim Abstieg: denkwürdiges Intermezzo<br />

mit der Grenadier RS. Die Kp ist vom Schlusspunkt des WK 69 begeistert, aber ehrlich müde,<br />

so dass der Ausgang bis Mitternacht nur von einigen Unentwegten voll ausgenützt wird.»<br />

In einer Schnitzelbank hat Oblt Hans Wyler die Episode im Vers 3 unter dem Titel: "Dass ihr’s<br />

hört - Das ist die Kompanie II/6!" etwas prägnanter umschrieben:<br />

«Von der Krete stelzt der Oberst her,<br />

Er fragt scharf: Wer befiehlt hier, wer? Ja, wer?<br />

Unser Käptn grinst mitten ihm ins Gesicht,<br />

Damit schürt er noch mehr seine Wut;<br />

Denn die amtlichen Anzeigen stimmen nicht …..<br />

Der Herr Oberst ist plötzlich soo gut…!»<br />

h) Ungebetene Besucher und Spione<br />

Ausserhalb der WK war das Festungsgelände frei zugänglich und nur die Photographierverbotstafeln<br />

machten das Publikum darauf aufmerksam, dass sie sich in militärischem Gelände<br />

bewegten und dass der Felsblock vielleicht doch nicht aus Granit sei. Während dem WK aber<br />

galt der eiserne Ernst. Während den WK war es üblich, von höherer Warte aus mit List und allen<br />

Finten die Wachsamkeit der Festungstruppen zu testen. Grundsätzlich galt für uns, dass unbekannte<br />

Uniformierte in und um die Festung nichts zu suchen hatten und dass, nach dem Motto<br />

"durch Schaden wird man klug" auch die glaubwürdigsten Ausweise gefälscht sein könnten.<br />

Also hat unsere Schildwache zwei mit breiten roten Streifen an den Hosen dahermarschierende<br />

höhere Offiziere abgewiesen und am Eintreten in das <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> gehindert, trotz allen Überredungsversuchen<br />

und vorgewiesenen Armeeausweisen. Da die beiden "leider" keine Geduld<br />

hatten, den Entscheid des Tagesoffiziers abzuwarten und in Eile waren, verzogen sie sich im<br />

Mercedes wieder nach Airolo. Nachforschungen ergaben, dass es sich um den Schulkommandanten<br />

der Festungsrekrutenschule Airolo und um einen Artilleriechef handelte. Der widerstandsfähige<br />

Wachsoldat durfte zur Belohnung einen Tag in den Urlaub, anstatt in den von den<br />

beiden verlangten Arrest verknurrt zu werden.<br />

Eines Tages aber herrschte grosse Aufregung, als zwei rucksackbewehrte Touristen in der<br />

Nähe der Geschütze in Zivilkleidern herumschlichen. Diese wurden zur näheren Überprüfung<br />

kurzerhand verhaftet. Darauf stellte man sie, unter den Argusaugen der mit scharfer Munition<br />

bewaffneten Schildwache, mit gespreizten Beinen und mit dem Gesicht zur Wand am Festungseingang<br />

ab. Zudem kitzelte sie im Rücken ein aufgepflanztes Bajonett. Der telefonisch<br />

alarmierte Kompaniekommandant nahm die beiden Sünder, auf den Stockzähnen lachend, unter<br />

die Lupe. Sie wiesen sich mit dem Armeeausweis als Basler Stadtpolizist und als Tessiner<br />

Kantonspolizist aus und verlangten die umgehende Freilassung. So rasch ging das aber aus<br />

grundsätzlichen Überlegungen nicht. Der anständigere der beiden, der Tessiner, wurde als<br />

glaubwürdig entlassen. Der aufbegehrende Basler hingegen musste sich in unbequemer Lage<br />

an der Wand gedulden, da der Kommandant den Armeeausweis in seiner Tasche verschwinden<br />

liess und im Eingangsstollen verschwand. Die Rückfrage bei der Brigade ergab, dass es sich<br />

um von ihr ausgesandte Heerespolizisten handle, worauf man sie nach dem Angebot eines


69<br />

Friedenskaffees wieder freiliess. Unterdessen warnte man die Kollegen im <strong>AW</strong> Sasso da Pigna,<br />

damit sie das Empfangskomitee für die beiden schon bereitstellen konnten.<br />

Natürlich hat das <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> von 1939 bis 1994 ausserhalb der Berichtsperiode 1967 bis<br />

1970 noch viel mehr Erwähnenswertes erlebt, erduldet und verschwiegen. So gäbe es noch<br />

sehr viel über amüsante oder auch weniger rühmliche Episoden zu erzählen, z.B:<br />

Wie eine kleine Ursache eine überaus grosse Wirkung auslöste: Die Bau-Transportseilbahn<br />

der Lucendro Kraftwerke führte von Airolo über Scara Orello und dem Hospiz ob dem <strong>AW</strong> <strong>San</strong><br />

<strong>Carlo</strong> durch zur Baustelle der Lucendromauer. Doch am 28.8.1944 hörten das Sirren der Seile<br />

und das Rollgeräusch der unzähligen Transportwagen plötzlich auf. Was war die Ursache? Eine<br />

Schiessübung der Fest Abt 6 im Raum Motto Bartola, nahe der 2. Seilbahnsektion oberhalb<br />

Airolo, hatte den Betriebsunterbruch bewirkt und bald die Zivil- und Militärakten gefüllt. 198 Ursache<br />

war ein Seildurchschlag eines Infanteriegeschosses, welcher durch angeordnete Schiessversuche<br />

belegt wurde, obwohl die Verursacher unisono als Alibi den Grund auf die höhere Gewalt<br />

eines gleichzeitigen Gewitters abschoben. Der Schaden an der "von Roll"-Seilbahnanlage<br />

war, nebst dem fatalen Betriebsunterbruch in der sommerlichen Bausaison, sehr gross und<br />

wurde auf ca. 100'000 Fr. geschätzt. Der Zufallstreffer eines mutmasslichen Querschlägers bei<br />

einem Kurzdistanzschiessen mit GP 11 auf Scheiben machte riesige Seilkräfte frei und verursachte<br />

einen enormen Schaden: 4 km Zugseil ø 22 mm gerissen und zu ersetzen, 22 Seilbahnwagen<br />

zerstört, die Tragkonstruktion defekt, die Stationen Cima del Bosco und Scara Orello<br />

beschädigt. Fast wie ein Wunder waren zum Glück keine Verletzten und Toten zu beklagen.<br />

Wie der Dreischichtenbetrieb mit einem unkonventionellen Menütagesplan in der Küche des<br />

<strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> durchexerziert wurde (z.B. Mittagessen zum z'Morge).<br />

Wie ein Pistolenschiessen, bei welchem die Wahl der Zielscheiben 199 ein falscher und wohl<br />

unüberlegter Griff in die Trickkiste war, Schlagzeilen in der Presse und im Fernsehen machte,<br />

usw.<br />

15. Freizeit und Urlaub (WK 1967 – 1970)<br />

Normale Arbeitstage, falls keine Nachtübung oder ein Nachtschiessen angesagt war, endeten<br />

um 18.00 Uhr mit dem Hauptverlesen auf dem Vorplatz oder bei Regen und Schneefall in den<br />

dunklen Gängen. Das anschliessende Nachtessen um 18.20 schloss den intensiven und langen<br />

Arbeitstag ab. Bis zum Zimmerverlesen um 22.00 Uhr für Gefreite und Soldaten bzw. 23.00 Uhr<br />

für Wachtmeister und Korporale galt es nun, falls überhaupt jemand Lust hatte, den Ausgang im<br />

Ausgangsrayon Hospenthal – Gotthard – Airolo zu nutzen. Nur wenige hatten damals einen<br />

Privatwagen bei sich und irgendwo in der weiteren Umgebung des Werks für den Wochenendurlaub<br />

und die Heimfahrt nach der Entlassung abgestellt. Erschwerend war, dass man den Wagen<br />

irgendwann erst nach dem Einrücken an den WK-Standort nachschieben konnte und man<br />

auf dieser Höhe nie wusste, ob man den Wagen nach einem allfälligen Schneefall ausgraben<br />

musste oder er sogar unangenehmerweise aufgebrochen und ausgeräumt worden war. Meist<br />

schlossen sich nur ein paar Unentwegte zusammen und entflohen der Festungsatmosphäre mit<br />

einem Taxi in die tieferen Gefilde des Urserentales oder der Leventina. Doch war die Ernüchterung<br />

meist gross. Da wir nicht allein im WK weilten, waren dort alle Wirtschaften meist schon mit<br />

Uniformierten überfüllt. Dasselbe galt natürlich auch für die beiden einzigen offenen Lokale in<br />

der näheren Umgebung, das Soldatenhaus "General Guisan" des CVJM 200 im kleinen Chalet<br />

beim Fort Hospiz und das Hotel "Monte Prosa".<br />

Im Jahresbericht des CVJM über das Kriegsjahr 1944 201 wird über das Ereignis der Einweihung des "General<br />

Guisan"-Soldatenhauses wie folgt berichtet:<br />

«Unvergesslich bleibt uns allen der Tag der Einweihung am 4. November 1944. Schon konnte das Postauto<br />

ab Airolo die Fahrt der Gäste nicht mehr bewerkstelligen und drohte auch die Route von Andermatt<br />

198 BAr: 5480 (A) 1973/21 Bd. 146<br />

199 Playboy-Foto als Zielobjekt<br />

200 CVJM = Militärkommission der Christlichen Vereine Junger Männer; seit 1998: Cevi Militär Service, 8032 Zürich<br />

201 "CVJM Soldatenarbeit im Kriegsjahr 1944", 30. Jahresbericht der Militärkommission des CVJM, Seiten 9/10


70<br />

her unfahrbar zu werden, als am Tage der Einweihung unerwartet prächtig die Sonne schien und unter<br />

blauem Himmel die bunte Schar der Gäste in zwei Camions zwischen hohen Schneewällen von Andermatt<br />

nach dem Gotthard fuhren. Pünktlich erschien der General mit den Kommandanten des 3. A.K. und<br />

der 9. Div. und bereitete uns die Ehre, zum erstenmal der Einweihung einer Soldatenstube beizuwohnen.<br />

Er schritt die vor dem Haus aufgestellte Kompanie ab und antwortete auf das Begrüssungswort unseres<br />

Präsidenten 202 mit schlichten und kräftigen Worten. Daraufhin wurde das "militärische Familienhaus", wie<br />

er es nannte, betreten und vom Keller bis zum Dachstock besichtigt. Dem infolge Unfalls abwesenden<br />

Baumeister 203 wurde der Dank in einem Brief ausgedrückt, der von allen Anwesenden, dem General voran,<br />

unterzeichnet wurde. Nach gemütlichem Imbiss folgte die lustige Talfahrt.»<br />

Das Soldatenhaus wurde von 1944 bis 1966 204 ) während den kurzen Zeitspannen der Truppenanwesenheit<br />

von einer "Soldatenmutter" des "Département Social Romand" geführt.<br />

Das Soldatenhaus "General Guisan" beim Hospiz General Henri Guisan bei der<br />

(1944 – 1967) Einweihung am 4.11.1944<br />

Im "Monte Prosa" war zudem nach einem halbstündigen Fussmarsch, beim liebevoll so genannten<br />

"Passräuber" nicht alles erlaubt. Insbesondere war ihm das Singen äusserst verpönt. Signor<br />

Lombardi herrschte zusammen mit seinen beiden Schwestern hinter seiner Theke und wehe,<br />

wer sich nicht an seine Spielregeln hielt, musste in tiefer Nacht das Lokal fluchtartig verlassen<br />

und den Heimmarsch frühzeitig antreten.<br />

Mannschaftsessraum und "<strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> Bar" mit Wandmalerei ausgeschmückt<br />

202 Oberstlt Fr. Kuhn, Zürich, Präs. der Stiftungsverw. der Militärkomm. des CVJM der deutschsprachigen Schweiz<br />

203 Architekt und Baumeister E. Martig von der AG für Holzindustrie, Gümligen.<br />

204 Das Soldatenhaus brannte in der Nacht vom 9./10. Juni 1967 ab, als es im KVK zu Beginn des "Schnee-WK"<br />

aufgeheizt wurde. Glücklicherweise war die Soldatenmutter in dieser Nacht nicht im Haus.


71<br />

Also war es weniger aufwändig und gemütlicher, unsere Festungskantine mit der berühmten<br />

"<strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> Bar" zu frequentieren, obwohl man dadurch immer die gleichen Gesichter der grossen<br />

Kompaniefamilie sah. Hier tief im Gotthardfels konnte man im Esssaal jassen, singen, ein<br />

Musikinstrument spielen, rauchen und Feste feiern wie auch den Kompanieabend durchführen,<br />

ohne jemanden zu stören oder dabei gestört zu werden. Zudem war nach einem langen Arbeitstag<br />

der Heimweg um die Stollenecke auch unbeschwerlicher. Die Konsumationspreise waren<br />

angenehmerweise wesentlich moderater und die Festungsambiance wurde durch die exotischen<br />

Wandmalereien mit weiblichen Schönheiten unter Palmen, Musikern, usw. verschönert.<br />

Hptm Brauchli, der letzte Kommandant des <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong>, beschreibt die Ambiance unter dem<br />

Titel "Pampa unter Tag" treffend: «Wenn man hier sitzt, fühlt man sich in die argentinische<br />

Pampa versetzt. Denn Gauchos fangen Pferde, spielen Karten, tanzen und singen.» 205<br />

Exotische Wandmalereien im Mannschaftsessraum<br />

Einzig weibliches Servierpersonal fehlte, wurde doch der Ausschank und Artikelverkauf durch<br />

die in weissen "Servierchutteli" zu Kantiniers umfunktionierten Dienstkollegen durchgeführt.<br />

Dasselbe galt auch bei den Offizieren und höheren Unteroffizieren (Fourier und Feldweibel),<br />

welche in der separaten Offiziersmesse ihren Ruhepol hatten. In der Offiziersmesse hatte man<br />

einen besonders schönen Ausblick aus dem tief im Fels gelegenen Lokal: Wandbilder täuschten<br />

die Sicht durch geraniengeschmückte Fenster auf eine südliche Seenlandschaft vor. Eine Inschrift<br />

auf einem ebenfalls an die Wand gemalten Gedenkstein lautete wie folgt: 206<br />

WIDMUNG<br />

an FEST. ART. Kp 28<br />

wir übergeben<br />

mit dem Bestreben<br />

dies zu erhalten<br />

und zu verwalten.<br />

AKT. DIENST SEPT/OKT<br />

1944<br />

FEST.ART. Kp.15<br />

Offenbar machten im September/Oktober 1944 Angehörige der neu gegründeten Fest Art Kp 15<br />

des <strong>AW</strong> Fuchsegg (spätere Fest Kp II/7) im <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> einen Ablösungs- und Umschulungsdienst<br />

der 9. Div auf die 10,5 cm PzT und bereicherten die Offiziersmesse und den Mann-<br />

205 "Über dem Nebel – Geschichte des Fest Rgt 23 von 1948 – 94", S. 82<br />

206 "Militärische Denkmäler im Tessin", ADAB - EMD 1996, S. 12 + 39


72<br />

schaftsessraum mit den Wandbildern. Über dem symbolischen Gedenkstein standen ein Kerzenständer<br />

und eine Schnapsflasche mit zwei Gläsern. Dies gab vermutlich die Stimmung der<br />

uniformierten "Künstler" beim Abschluss ihrer Arbeit wieder. Auch die mit entsprechender Markierung<br />

als "Ruedi-Bank" 207 bezeichnete gemütliche und rustikale Eckbank dürfte bei diesem<br />

Ereignis eingeweiht worden sein. Sie hat Generationen von Offizieren der Festung "<strong>San</strong> <strong>Carlo</strong>"<br />

und von Besuchern den Aufenthalt im Bergesinnern angenehmer gestaltet, insbesondere da<br />

neben der Eckbank ein Cheminée bildlich wohlige Wärme verbreitete und dazu die Hauskatze<br />

auf einem Fenstersims friedlich schnurrte.<br />

Die Wandbilder im Mannschaftsessraum und insbesondere die künstlerisch interessanteren<br />

Bilder in der Offiziersmesse mussten verständlicherweise leider dem Umbau zum "La Claustra"<br />

weichen. Es sind aber glücklicherweise fotografische Abbildungen erhalten (siehe Seite 84).<br />

Offiziersmesse mit Wandmalerei<br />

Trotz der anerkannt guten Festungsküche wurden, zusätzlich zu allen mitgebrachten Fressalien<br />

und den per Feldpost zugesandten Liebesgabenpäckli, respektable Mengen in der Festungskantine<br />

verkauft, z.B. im WK/EK 68:<br />

- Wein ca. 500 Liter - Zigaretten, Stumpen und Brissago 12'640 Stück<br />

- Bier ca. 1300 Liter - dazu kam der Umatz von Postkarten, Nescafé,<br />

- Mineralwasser und Most ca. 750 Liter Kaffeerahm, Kirsch, Träsch, Grappa usw. sowie<br />

- Schokoladen 536 Tafeln von Biskuits, Nussgipfeln und anderem Gebäck.<br />

- Salametti/Landjäger 368 Stück<br />

"<strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> Bar" mit Durchreiche zur Küche<br />

207 Gemäss Paul Erni, Zeitzeuge: "Ruedi-Bank" gestiftet 1944 von Oblt Walti Rudolf, damals eingeteilt in Fest Kp 27<br />

in Sasso da Pigna, später 1948-53 als Hptm Kdt der Fest Kp III/5 Isleten, 1954-59 als Major Kdt der Fest Abt 6<br />

und 1962-65 als Oberst Kdt des Fest Rgt 23.


73<br />

Da der Kantinenkiosk keine Kühlmöglichkeit für Getränke besass, oblag es dem Getränkelieferanten<br />

bei der Erstanlieferung zu WK-Beginn, einen grossen Kühlschrank gratis zur Verfügung<br />

zu stellen. Aus dem bescheidenen Verkaufszuschlag auf die Getränke und Esswaren konnte die<br />

Kompaniekasse gespiesen werden. Aus dieser konnten Anschaffungen und Unkostenbeteiligungen<br />

bezahlt werden, wie Tonbandgerät für Kantine, Kauf eines Fussballs, Filmmiete für Kinoabende<br />

etc. Für Unterhaltung musste selbst gesorgt werden. Radio und Fernseher existierten<br />

im <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> nicht, nicht einmal Radioprogramme über Telefonrundspruch-Empfänger, da<br />

trotz jahrelang eingereichten Anträgen die notwendigen Antennen und Leitungen fehlten. Dafür<br />

wurde wenn möglich wöchentlich eine Kinovorstellung im Esssaal organisiert. Ein Angehöriger<br />

des FWK aus Andermatt führte als Operateur nach dem Antransport und Montieren des Kinoapparates<br />

die vom Kompaniekommandanten organisierten eingemieteten Filme 208 vor. Zur Auflockerung<br />

begann der Filmabend meist mit einem Trickfilm oder alten Spielfilm, z.B. mit Charlie<br />

Chaplin. Dann folgte ein Kultur- oder Reisefilm und die exotischen Strandszenen bildeten oft<br />

einen hervorragenden Vergleich zu den 1944 von Hilfsdienstleuten 209 an den Esssaalwänden<br />

gemalten Landschaftsbildern.<br />

Nach der Pause folgte jeweils der eigentliche Spielfilm, z.B. "Wie klaut man eine Million" mit<br />

Audrey Hepburn oder "Los Comancheros", ein Wildwestfilm. Der Eintritt kostete einen Franken<br />

zu Gunsten der Kompaniekasse und der Saal war immer ausverkauft. Ausnahmsweise gab es<br />

auch einen Vortrag. So bot sich im WK/EK 1967 die Gelegenheit, dass Uem Gfr Eiselin Max<br />

über die von ihm 1960 geleitete Schweizer Dhaulagiri-Expedition referierte und den Film mit der<br />

Erstbesteigung des Dhaulagiri und mit dem erstmaligen Einsatz des Flächenflugzeugs Pilatus-<br />

Porter "Yeti" auf dieser Höhe vorführte. Einen besonderen Abschluss gab es jeweils in der Kantine,<br />

wenn Mitr Wm Hansheinrich Zweifel den EK im <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> absolvierte. In der letzten<br />

Woche trafen per Lastwagen die von seiner Firma spendierten Liebesgaben ein: Zweifel-<br />

Pommes-Chips à discrétion und ein Fass saurer Zweifel-Most. Umständehalber wehte dann<br />

merkbar ein spezieller Duft in den Stollengängen.<br />

Wer einmal nach Hause telefonieren wollte, dem stand nach Anmeldung bei einem Telefonzentralen-HD<br />

die einzige Telefonkabine im Werk für ein Gespräch zur Verfügung. Deshalb<br />

musste sich jeder kurz fassen, da der Andrang der Wartenden immer gross war.<br />

Werktelefonzentrale<br />

Dienstkollegen aus andern Festungswerken hatten vielfach "Erbarmen" mit uns im <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong>:<br />

"Ihr in dieser Tropfsteinhöhle!" Doch dieser oftmals kurze Eindruck eines Besuchs in unseren<br />

Gängen täuschte. Die neueren Festungswerke, wie "Sasso da Pigna", waren durch die Betonverkleidung<br />

aller Gänge wohl trockener und wirkten dadurch heller und fast etwas sauberer. Bei<br />

uns im <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> war aber das Raumklima viel ausgeglichener. Vor allem der direkte visuelle<br />

und greifbare Kontakt mit dem Urgestein des Gotthards war irgendwie natürlicher, reeller<br />

und gemütlicher. Trotz dem üblichen WK-Frust und dem mehr als unangenehmen Gedränge<br />

waren die Stimmung und der Korpsgeist in der grossen militärischen Familie allgemein sehr gut.<br />

208 Z.B. von Universal-Film, Swissair, BP etc.<br />

209 im Mannschaftsessraum von HD Lapp und HD Siegel, Basel 1944


74<br />

Der Urlaub war meistens äusserst kurz. Es herrschten diesbezüglich harte Bräuche. Zwischen<br />

KVK und WK/EK war ohnehin Dienstsonntag. Im WK/EK, z.B. 1967, trafen die Urlauber am ersten<br />

Samstag nach dem Hauptverlesen von 09.50 Uhr erst um 13.02 Uhr in Luzern ein und somit<br />

war z.B. ein Entlebucher-Festungsangehöriger erst gegen den späteren Nachmittag bei den<br />

Seinen. Dafür musste er schon am Sonntagnachmittag wieder abreisen, um rechtzeitig wieder<br />

spätestens um 21.00 Uhr in Airolo einzutreffen. Mit Lastwagen oder Postautos wurden die Urlauber<br />

zum Bahnhof Airolo oder ausnahmsweise nach Göschenen geführt und beim Einrücken<br />

dort wieder abgeholt. Am zweiten WK/EK-Sonntag war so genannter Dienstsonntag, d.h. das<br />

Abtreten war erst nach dem obligatorischen Feldgottesdienst ca. um 09.00 Uhr, so dass eine<br />

Heimfahrt für die Meisten illusorisch wurde. Bei schönem Wetter konnte dafür in der kurzen zur<br />

Verfügung stehenden Freizeit das Tessin erkundet werden.<br />

16. Kommandanten des <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> 210<br />

1939 Hptm Ringger August 01 Zürich Fest Art Kp 17 Fort Hospiz (Aktivd.)<br />

1941 – 1942 Hptm Bleuer Armin 08 Bern Fest Art Kp 17 Fort Hospiz (Aktivd.)<br />

1943 – 1944 Hptm Bruppacher Walter 09 Kreuzlingen Fest Art Kp 17 Fort Hospiz (Aktivd.)<br />

1944 – 1947 Hptm Schuster Karl 15 Winterthur Fest Art Kp 28 (selbständige Kp)<br />

1948 – 1955 Hptm Knapp Adolf 15 Winterthur Fest Art Kp 28 / Fest Kp 28 ab 1952<br />

1956 – 1957 Hptm Enz Hans 26 Seuzach Fest Kp 28<br />

1958 – 1959 Oblt Imholz Peter (Hptm 1.1.59) 28 Zürich Fest Kp 28<br />

1960 – 1966 Hptm Baumann Marcel 28 Suhr Fest Kp 28 / Fest Kp II/6 ab 1962<br />

1967 – 1970 Hptm Burkhardt Hansjakob 36 Sisikon Fest Kp II/6<br />

1971 – 1972 Hptm Kohler Arthur 39 Olten Fest Kp II/6<br />

1973 – 1977 Oblt Müller Peter (Hptm 1.1.74) 43 Dübendorf Fest Kp II/6<br />

1978 – 1980 Oblt Honegger Anton (Hptm 1.1.80) 49 Schönbühl Fest Kp II/6<br />

1981 – 1982 vakant (i.V. Oblt Iselin Hans) 46 Neuhausen Fest Kp II/6<br />

1983 Hptm Herter Walter 45 Bülach Fest Kp II/6<br />

1984 – 1988 Oblt Niquille Christophe 56 St. Gallen Fest Kp II/6<br />

1989 – 1994 Hptm Brauchli Stefan 60 Emmenbr. Fest Kp II/6 (letzter Kdt <strong>AW</strong> S<strong>Carlo</strong>)<br />

17. Ende des <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong><br />

Die Festungstruppen waren immer und sind auch bis heute einem laufenden Wandel der Bedeutung<br />

und der Aufgaben ausgesetzt. So wie die Doktrin und die Kommandanten wechselten,<br />

änderte oft auch die Organisationsstruktur. Als "Stiefkinder" hinkte meist die Ausrüstung hinter<br />

der übrigen Armee hintendrein, wie z.B. die Ausrüstung mit dem Sturmgewehr, den Funkgeräten,<br />

dem Tarn- und Kampf-Anzug usw. Nur die Festungsgeschütze waren meistens über einige<br />

Zeit up to date. Der Schutz vor der Wirkung der gefürchteten Atomwaffen wurde optimiert, bei<br />

neuen Anlagen sogar mit EMP 211 -Schutz. Wenn aber die Bedrohungslage ändert und die Geldmittel<br />

nicht mehr reichen, wird abgerüstet und stillgelegt, wie schon nach dem 1. Weltkrieg. Nur<br />

der im Kalten Krieg drohende Atomkrieg mochte das Ausharren in den alten grossen Festungen<br />

noch begründen. In der Folge der Ungarn-/Suezkrise von 1956 erwachten die Festungstruppen<br />

nochmals aus dem Dornröschenschlaf. Die Festungen wurden teilweise modernisiert und mit<br />

neuen Waffen 212 ausgerüstet. Die Ausbildung der Festungstruppen in separaten Rekrutenschulen<br />

wurde forciert. Nur im <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> blieb alles im alten Zustand. Schon frühzeitig philosophierten<br />

wir im WK oft zu später Stunde beim Abendtrunk in unserer Offiziersmesse über das<br />

voraussehbare kommende Ende der bisherigen Festungsära und witzelten, was aus dem alten<br />

Onkel "<strong>San</strong> <strong>Carlo</strong>" dereinst werden könnte. In einer sich rasch verändernden Gesellschaft änderten<br />

sich auch die Risiken und wandelten sich von einem traditionellen Verteidigungssystem<br />

zu neuen beweglicheren Verteidigungsprinzipien. In der Folge verloren die alten Befestigungswerke<br />

an Bedeutung.<br />

210 aus Tagebüchern gem. Quellenverzeichnis + "Über dem Nebel – Gesch. des Fest Rgt 23 von 1948 – 94", S. 165<br />

+ aus Offiziers-Etats, Eidg. Militärbibliothek Bern<br />

211 EMP = Elektro-Magnetischer-Puls<br />

212 wie Mg 51, Stgw, Fest Mw 8,1 und 12 cm


75<br />

Die Ausserdienststellung der 10,5 cm PzT und der 10,5 cm Hb Kasematt-Werke wurde bereits<br />

Mitte der 80er Jahre ins Auge gefasst, da diese Werke veraltet, technisch abgenützt und<br />

nicht mehr kriegstauglich waren 213 . In den 80er Jahren musste das <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> sogar zeitweise<br />

für die Truppe gesperrt werden, da der Zustand der elektrischen und technischen Anlagen<br />

die Sicherheit nicht mehr gewährleistete. Mit ausserordentlichen Reparaturen und Erneuerungen<br />

konnte jedoch dieser Zustand überbrückt werden. 214<br />

Der Übergang von den "grossen Alten" zu den "kleinen Kräftigen" wurde vom zuständigen<br />

Bundesamt für Genie und Festungen wie folgt umschrieben: 215<br />

«Die grossen Alten: Der Aufwand zum Betreiben grosser Festungen ist hoch. Die Transportwege<br />

zwischen Versorgungszonen, Geschützen und Munitionsmagazinen sind lang.<br />

Zum Aufrechterhalten der Kampfbereitschaft braucht es enorme technische<br />

Mittel und sehr viel Mannschaft.<br />

Die Wirkung steht in keinem Verhältnis dazu: Es gibt nur relativ wenige<br />

Geschütze. Deren Verwundbarkeit ist gross und die Wirkung viel geringer. Die<br />

Schussfolge ist klein, neue Munitionsarten stehen nicht zur Verfügung.<br />

Die kleinen Kräftigen: Kleine Festungen sind rasch und relativ günstig zu bauen. Sie sind in Unterhalt<br />

und Betrieb einfach und von einer kleinen Mannschaft zu betreiben.<br />

Hier stimmt der Aufwand, die Wirkung ist optimal. Einzeln oder zusammen<br />

mit anderen Werken ist die Feuerkraft sehr hoch, die Schussfolge schnell und<br />

die neue Munition für das Kaliber 15,5 cm bei Bedrohung sehr wirkungsvoll.»<br />

Ersatz für die grossen alten Artilleriewerke sind die BISON-Monoblockanlagen mit den 15,5 cm<br />

Fest Kan 93 L52. Der Einbau der 12 cm Fest MW-Zwillinge 58 begann bereits Ende der 60er<br />

Jahre. Sie sind für die Feuerunterstützung der Sperrstellen vorgesehen. Die Centurion-Bunker<br />

mit den 10,5 cm Panzer-Kanonen sind jedoch Anlagen der Panzerabwehr und ersetzen die ursprüngliche<br />

teilweise Doppelfunktion von Artilleriewerken.<br />

Prinzipskizze eines BISON Monoblock-Artilleriewerks<br />

Nach dem Verschwinden des Warschauer Paktes erlebten die Armee und besonders die Festungstruppen<br />

1995 einen einschneidenden Wandel. Hierzu kann KKdt Moccetti Roberto, Kdt<br />

des Gebirgsarmeekorps 3, zitiert werden: 216<br />

«Die Leistungen im Bereich der permanenten Befestigung wurden indessen sukzessive reduziert. Dazu<br />

führten folgende Faktoren: der mit der Armee 95 eingetretene Abbau der Bestände ortsgebundener Truppen,<br />

der Verzicht auf vorbereitete Dispositive sowie die ungünstige Finanzlage des Bundes. Systematische<br />

Deklassierung und Liquidation drängte sich also auf. Das Gros der Festungsartillerie ist überholt. Im<br />

213 Angabe Brigadier zD Rauch Andrea<br />

214 Angabe Oberst Flück Peter, BAGF Bern<br />

215 Vademekum Festungstruppen "Hightech statt Mythen", BAGF Bern, ca. 1985, S. 12/13<br />

216 «Militärische Denkmäler im Kanton Tessin», ADAB - EMD 1996, S. 9


76<br />

Zentralraum und zur Beherrschung der Alpentransversalen bleibt Artillerie-Unterstützung jedoch unentbehrlich.<br />

……. Zusammenfassend ist festzustellen, dass die permanente Befestigung in der Schweiz nach dem<br />

zweiten Weltkrieg an Bedeutung verloren hat und die Elimination vieler Anlagen vernünftig ist. Gewisse,<br />

der Bedrohung angepasste Anlagen müssen jedoch beibehalten werden (Fest Mw, BISON, CENTURION,<br />

massive Hindernisse, Sprengobjekte sowie wichtige Infrastrukturen der Führung und der Logistik). An der<br />

Entschlossenheit, überholte Anlagen aufzugeben, ist nicht zu rütteln. Als Vorsichtbremse hat jedoch "in<br />

dubio pro reo" zu gelten. Interessante Anlagen der Nachwelt zu erhalten, befiehlt uns unser Geschichtsbewusstsein.»<br />

Unterdessen hat jedoch mit der Armeereform XXI auch für diese neuen Festungsanlagen<br />

eine Ruheperiode begonnen und die Bestände der Festungstruppe werden auf ein Minimum<br />

reduziert und das FWK erhält auf 1. Januar 2004 neue Aufgaben und eine neue Bezeichnung.<br />

1994 wurde der letzte Wiederholungskurs der Fest Kp II/6 im <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> unter Hptm Stefan<br />

Brauchli durchgeführt. Die letzten mit den 10,5 cm Panzertürmen abgegebenen Schüsse landeten<br />

anlässlich der Regiments-Schiessübung mit dem sinnigen Namen "Finale" 217 am 27. Mai<br />

1994 im Zielgebiet im Witenwasseren. Ende 1994 wurde das Fest Rgt 23 und damit auch die<br />

Fest Kp II/6 aufgelöst. Dann wurde die Festung <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> stillgelegt. Per 1. Juli 1999 wurde<br />

das Werk deklassifiziert (entwidmet) und durch das ADAB 218 in das Inventar der militärischen<br />

Kampf- und Führungsbauten im Kanton Tessin mit folgender Begründung aufgenommen:<br />

« ...... Für den Zeitraum des zweiten Weltkriegs fällt unter einer Grosszahl von militärischen Bauwerken<br />

vor allem das Artilleriewerk <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> als Prototyp für eine neue Gattung von Panzerturmwerken auf,<br />

welche mit 10,5 cm Kanonen bestückt sind.» 219<br />

Dem <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> wurde jedoch eine besondere Zukunft vorbehalten, der Wandel vom <strong>AW</strong> <strong>San</strong><br />

<strong>Carlo</strong> zum "La Claustra", dem Kloster, einem modernen ungewöhnlichen Seminarzentrum.<br />

Blick vom Aussengang in den Aufenthaltsraum des "La Claustra"<br />

217<br />

gem. Befehl für den Einsatz der Fest Abt 6 vom 27.5.94 (letztes Art Schiessen des Fest Rgt 23)<br />

218<br />

ADAB = interdepartementale Arbeitsgruppe des VBS, vormals EMD, für "Natur- und Denkmalschutz bei militärischen<br />

Kampf- und Führungsbauten"<br />

219<br />

"Militärische Denkmäler im Kanton Tessin", ADAB - EMD 1996, Maurice Lovisa, S. 13


18. Umwandlung in das Seminarzentrum "La Claustra"<br />

77<br />

Gleichzeitig mit der Deklassifizierung des Artilleriewerks <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> erfolgte am 1. Juli 1999 die<br />

Übergabe vom VBS an die Stiftung "Fondazione La Claustra" des Philosophen, Fotografen<br />

und Künstlers Jean Odermatt.<br />

Dieser umschreibt seine Visionen und Ziele wie folgt: "Ziel der Stiftung ist es, das ehemalige<br />

Artilleriefort <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> zugänglich zu machen und es zu einem Kommunikationszentrum im Sinne<br />

eines nachmodernen Klosters umzuwandeln. Die Akademie La Claustra entwickelt in Form<br />

einer modernen Tischgesellschaft ein Rollenmodell, das in der Praxis des Lernens radikal Prozesse<br />

in den Mittelpunkt stellt. Das Hotel La Claustra ist Teil der Plattform für die Auseinandersetzung<br />

mit der Landschaft, für das Erforschen der Essenzen und der Sinne. Daneben steht der<br />

Hotelbetrieb auch für Ausbildungsinstitutionen, Unternehmen und Einzelpersonen für Seminarien<br />

und Retraiten offen".<br />

Die 1998 gegründete Stiftung konnte dank einer grosszügigen Zuwendung der Volkart Stiftung<br />

Winterthur und der tatkräftigen Unterstützung durch das Eidg. Departement für Verteidigung,<br />

Bevölkerungsschutz und Sport (VBS 220 ) am 21. Juni 1999 mit dem Umbau beginnen und<br />

nach einer Umbauzeit von vier Jahren am 21. Juni 2002 die Anlagen provisorisch in Betrieb<br />

nehmen. Bedingt durch die Öffnungszeiten der Gotthardstrasse ist nur ein Sommerbetrieb möglich.<br />

Nach dem im alten Zustand belassenen dunklen Zugangsstollen öffnet sich nach 250 m die<br />

Helle des umgebauten Innentrakts mit seinem besonderen Ambiente: Licht, Wasser und naturbelassener<br />

Fels. Die Gänge sind diskret beleuchtet und mit gestalterischen Elementen wie<br />

Wasser und Kieselflächen angenehm aufgelockert. Eine grosse Glasscheibe gewährt Einblick in<br />

das Innere des einladenden Aufenthaltsraums und von diesem hinaus in das urchige Felsinnere<br />

des Gotthardmassivs.<br />

In 19 Schlafzimmer-Zellen stehen 25 Betten für Gäste bereit. In den Wohn- und Schlafräumen<br />

sind die ehemaligen Zementböden dem warmen Lärchenparkett gewichen. Für stimmige<br />

Beleuchtung sorgen die modernen von Jean Odermatt selbst entworfenen Lampen und Leuchten.<br />

Sämtliche spartanischen <strong>San</strong>itäranlagen aus der Militärzeit sind heutigen Ansprüchen gerechten<br />

Einrichtungen gewichen. Die wohlige Wärme im verglasten Dampfbad und den zwei<br />

japanischen Kusatsu-Badewannen kontrastiert zu den Gangtemperaturen von 14º Celsius im<br />

weit verzweigten Stollensystem. Die Räume werden mit einer neuen wirtschaftlicheren und leiseren<br />

Ventilations- und Klimaanlage belüftet. Eine modern eingerichtete leistungsfähige Küche<br />

mit Lagerräumen und ein reich dotierter Weinkeller in einem idealen alten Festungsgang stehen<br />

zur Pflege des leiblichen Wohls der Gäste zur Verfügung. Die alten Notstromgruppen aus der<br />

Vorkriegszeit sind durch eine leisere und wartungsfreundlichere moderne Notstromanlage ersetzt<br />

worden. Ein durch Entfernung des Betonpfropfens wieder ausgebrochener Verbindungsgang<br />

verbindet den Unterkunftstrakt direkt mit der ehemaligen Munitionsmagazin-Kaverne.<br />

Nach dem Ausräumen der Betonmunitionskästen und dem Einbringen eines Gussasphaltbodens<br />

steht diese grosse Halle mit 300 m2 Fläche für multifunktionelle Zwecke wie Konferenzen,<br />

Konzerte oder Filmvorführungen zur Verfügung.<br />

Jean Odermatt sieht derzeit im "La Claustra" folgende weitere Umbauten und Erweiterungen<br />

des ehemaligen <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> vor:<br />

� Einbau eines Fernrohrs zur Sternbeobachtung im Panzerturm Nr. 1<br />

� Umbau des oberirdischen Munitionsmagazins mit entsprechender Anpassung des Portalbereichs.<br />

Der militärische Lärm ist diskreten Tönen gewichen und nur noch das dauernde Tropfen und<br />

Wasserrieseln im Berg ist aus den alten Zeiten geblieben. Anstatt wieder ein zusätzliches Festungsmuseum<br />

einzurichten, hat Jean Odermatt mit viel Mut, Einsatz und Ausdauer absolut neue<br />

Wege beschritten.<br />

220 VBS, ehemals EMD (Eidg. Militärdepartement)


19. Dank<br />

78<br />

Nach der im Zusammenhang mit der Ausstellung "Berge Berge Berge mit Festungen" im Bellparkmuseum<br />

Kriens veranstalteten Besichtigung im <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> bzw. im "La Claustra" vom<br />

17. Oktober 2001 entstand bei mir die Idee, über das doch etwas besondere <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> einen<br />

Bericht zu verfassen. Vorerst glaubte ich, den Jean Odermatt bei einem Besuch im "La<br />

Claustra" versprochenen kurzen Rückblick in vier bis fünf Seiten abhandeln zu können. Doch<br />

mit dem Hunger wächst der Appetit und im Kopf reifte der doch etwas reichhaltigere Inhalt des<br />

Menüs. Mitte November 2002 startete ich das Unternehmen. Faszinierend war es, aus eigenem<br />

Wissen und als Zeitzeuge innert weniger als drei Monaten die umfangreichen Unterlagen und<br />

Fakten wie Mosaiksteinchen zu diesem Bericht über das Artilleriewerk <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> und über die<br />

10,5 cm Turmkanone 1939 L52 zu suchen, zu finden und zusammenzutragen. Oft kam ich mir<br />

vor wie Sherlock Holmes auf Spurensuche. Viele telefonische und persönliche Kontakte machten<br />

die intensive Arbeit abwechslungsreich und bereichernd. Besonders danke ich Paul Erni und<br />

Hans Käppeli, welche mir als Zeitzeugen aus dem Aktivdienst mit vielen persönlichen Erinnerungen<br />

aus den ersten Jahren des <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> zu berichten wussten und Andrea Rauch für seine<br />

detaillierte Korrekturdurchsicht mit verschiedenen Präzisierungen. Speziell danke ich Jean Odermatt<br />

für die wertvolle Mithilfe mit der Zurverfügungstellung seiner Fotos des "<strong>San</strong> <strong>Carlo</strong>" im<br />

alten Zustand und von neuesten Aufnahmen von "La Claustra" sowie Maurice Lovisa für die<br />

Mithilfe mit seinem profunden Wissen. Ich danke allen sehr herzlich, welche mir äusserst hilfsbereit<br />

bei der Zusammenstellung dieser <strong>Dokumentation</strong> mit Hinweisen, Angaben und Unterlagen<br />

wertvolle Hilfe geleistet haben und den Sponsoren, welche die Herausgabe dieser <strong>Dokumentation</strong><br />

unterstützt haben. Allfällige Präzisierungen, Ergänzungen und Hinweise nehme ich<br />

dankbar entgegen.<br />

Meggen, im April 2003 Hansjakob Burkhardt<br />

- Freigabe Veröffentlichung durch Gst, AIOS Sektion Informationsschutz und Industriesicherheit: 13.02.03<br />

- Überarbeitung mit kleineren Korrekturen für Download in Homepage armasuisse im Januar <strong>2007</strong><br />

Militärischer Werdegang des Verfassers:<br />

1955 Aushebung in Uri als Kanonier in die Truppengattung Artillerie, Untergattung Festungsart<br />

1956 Artillerie-Rekrutenschule Monte Ceneri + Einteilung in Fest Kp 14 Bäzberg als Kanonier<br />

1957 Unteroffiziersschule Art RS Monte Ceneri + Abverdienen Kpl + Beförderung zum Kan Kpl<br />

1957 Artilleriespezialkurs Frauenfeld + Artillerie-Offiziersschule Frauenfeld<br />

1957 Brevet zum Leutnant der Festungsartillerie mit Einteilung in die Fest Kp 27 Sasso da Pigna<br />

1958 Abverdienen Leutnant in Fest Art RS Savatan – St. Maurice<br />

1958 WK Sasso da Pigna: Batterieoffizier und Schiesskommandant<br />

1959 WK Fest Kp 98 Heldsberg: Aussenverteidigung mit Mitrailleur- und Pak-Zug<br />

1960 Nahkampfkurs Schönbühl – Grauholz<br />

1960 – 1963 WK Sasso da Pigna: Art Schiesskdt + Chef Nahverteidigung + HG- und Rigassiinstruktor<br />

1963 Beförderung zum Oberleutnant der Festungsartillerie + Zentralschule I der 9. Div<br />

1964 Abverdienen Hauptmann in Fest Art RS Savatan – St. Maurice<br />

1965 Beförderung zum Hauptmann der Festungartillerie<br />

1965 – 1966 Chef Artillerie Fest Kp I/7 Grimsel (nur Baranoffkurse in Fest Abt 5)<br />

1965 WK als Kdt i.V. Fest Stabskp 17 in All'Acqua<br />

1966 WK als Kdt der Stabskp ad hoc Fest Rgt 23 (erster Versuchs-WK Rgt Stabskp, inkl.<br />

Wetterzüge)<br />

1967 – 1970 Kdt Fest Kp II/6, <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong><br />

1971 – 1974 Kdt Fest Kp IV/5, Lukmanier (inkl. Sperre Stgegia und Russeinstellung)<br />

1976 – 1993 Verkehrsoffizier im Stab Mob Pl 313 Andermatt<br />

Die Festungskompaniekommandanten waren immer Offiziere der Artillerie. Von Vorteil für die Führung<br />

dieser Allroundtruppe war eine erweiterte Ausbildung mit Infanteriewaffenkenntnis.


79<br />

20. Quellenverzeichnis und Abkürzungen<br />

a) Literatur- und Quellenverzeichnis (Chronologisch, in Ergänzung zu den Fussnoten):<br />

- "Bericht an die Bundesversamml. über den Aktivdienst 1939 – 1945" von General H. Guisan, März 1946<br />

- "Bericht des Chefs des Generalstabs an den Oberbefehlsh. der Armee, Aktivdienst 1939 – 45"<br />

- Schweizerisches Bundesarchiv (BAr), 3003 Bern: diverse Akten gemäss Fussnoten<br />

- "Standarten, Uniformen und Gradabzeichen der Schw. Armee", Verlag Schoch & Ruchti Zürich, 1941<br />

- Tagebücher der Art Fest Kp 17 von 1939 – 1945 (Aktivdienst), BAr: Bestand E 5790 -/9001 2622 Bd. 1ff<br />

- Bericht und Antrag des Untersuchungsrichters 9. Div, Hptm Rudolf Sidler, Schwyz, vom 23.12.1944<br />

betr. Artillerie-Schiessunfall im Panzerturm 2 der Festung Bätzberg vom 7.9.1944, 0810 Uhr (39 Seiten),<br />

Archiv Fritz Mumenthaler<br />

- "CVJM Soldatenarbeit im Kriegsjahr 1944", 30. Jahresbericht der Militärkomm. des CVJM, Seiten 9/10<br />

- "Technische Daten Festungsgeschütze", Typen-Verzeichnis, K + W Thun, 1965<br />

- "Die 10,5 cm Festungsgeschütze", Festungsartillerie Heft B, Reglement 57.210d<br />

- Tagebücher der Fest Kp II/6 von 1967 – 1970 (WK/EK): Archiv Hansjakob Burkhardt, 6045 Meggen<br />

- "Aus den Anfängen der Gotthardfestung", Memoiren Hptm Hans Schiesser, Neujahrsblatt der Feuerwer-<br />

ker-Gesellschaft Zürich, 1976<br />

- "Schweiz 39-45, Krieg in einem neutralen Land – Bildreport Weltkrieg II", Piekalkiewicz Janusz,<br />

Motorbuch Verlag Stuttgart + Verlag Bucheli, Zug, 1979<br />

- "Spionage gegen die Schweiz", Hans Rudolf Fuhrer, ASMZ 1982<br />

- "Generalstabschef Jakob Huber 1883 – 1953", Karl J. Walde, Verlag Sauerländer, 1983<br />

- "Unser Alpenkorps", Herausgeber Kdo Gebirgsarmeekorps 3, Abschnitt III/1 Fortificazioni, 1983<br />

- "Das Hospizwerk auf dem St. Gotthard", Hans Rapold, 1984<br />

- "Die Bewaffnung der schweiz. Festungsartillerie 1885 – 1939", Assoc. Saint-Maurice, 1984<br />

- Vademekum Festungstruppen "High-Tech statt Mythen", BAGF Bern, ca. 1985<br />

- "100 Jahre Gotthardfestung, 1885 – 1985", Peter Ziegler, Herausgeber Fest Br 23, Andermatt 1986<br />

- "Erlebtes – Aus hundert Skizzenbüchern" Paul Erni, Harlekin Verlag Luzern, 1987<br />

- "Die Geschichte der schweizerischen Landesbefestigung", Orell-Füssli Verlag 1992<br />

- "Geschichte der eidgenössischen Militäruniformen 1852 – 1992", Burlet Jürg, 1992<br />

- NLZ 23.11.1992, Seite 19: "Im Réduit wird kräftig abgerüstet"<br />

- "Über dem Nebel - Geschichte des Fest Rgt 23 von 1948 – 1994", 1995 (insbesondere S. 81 – 83)<br />

- Video "Fort Dailly, Armes de Forteresse", Association St. Maurice d’Études Militaires, 1995<br />

- "Militärische Denkmäler im Kanton Tessin", ADAB-Inventar militärischer Denkmäler, EMD 1996<br />

- "Gotthardverteidigung mit Festungsartillerie", Werner Rutschmann, 8134 Adliswil, 1999<br />

- "Grosse Festungen am Grimsel und Gotthard", Dr. Walter Lüem, GMS – <strong>Dokumentation</strong>, 1999<br />

- "Der fatale Ring", Paul Erni, Eigenverlag Basel 1999<br />

- "Das Artilleriewerk Mühlefluh in Vitznau", Geschichtsfreund Stans, 153 Band Seite190/191, 2000<br />

- "Militärische Denkmäler in den Kanton Nidwalden, Obwalden, Luzern", ADAB-Inventar militärischer<br />

Denkmäler, VBS 2000<br />

- "Berge Berge Berge", Ausstellung im Museum Bellpark, 29.9. bis 25.11.2001<br />

- GEO Schauplatz Schweiz 10/2001: "Murmelnde Erinnerungen im Granit"<br />

- Sonntagszeitung 14.10.2001: "Erkenntnissuche im Réduit" ("La Claustra")<br />

- NLZ 17.10.2001, Seite 45: "Denken im Berg (La Claustra)"<br />

- "Georg Fischer AG 1930 – 1945", Hans Ulrich Wipf, Chronos-Verlag, 2001<br />

- Infomappe Fondazione "La Claustra", Jean Odermatt, 2002<br />

- "Das Festungswachtkorps im Wandel der Zeit", 2002, Fritz Mumenthaler<br />

- "Die Pferdestellung 1939 – 2000", Schweiz. Armee, VBS Gst / Abt Mob, 2002<br />

- "Die Zukunft beginnt – Gotthard Basistunnel", Werd Verlag 2002, S.174 "Inspiration im Berg"<br />

- "Blautanne – Operationsziel Schweiz, eine Analyse", ASMZ Nr. 2, Feb. 2003<br />

- Archiv "Fondazione La Claustra", Jean Odermatt, 8193 Eglisau<br />

- Landeskarte 1: 25'000, Blatt 1251 Val Bedretto<br />

- Wanderkarte Uri 1: 25'000, Blatt Gotthard, Verlag Gisler, 6460 Altdorf<br />

E-Mail und Internet:<br />

- info@claustra.ch<br />

- www.claustra.ch<br />

- www.gms-reisen.ch<br />

- http://home.sunrise.ch/h/schwitte/


) Auskünfte und Unterlagen:<br />

80<br />

- Blatter Robert, 8117 Fällanden, Fotograph bei MFO Oerlikon (1941-43 und 1946-52)<br />

- Brauchli Stefan, 6020 Emmenbrücke (Hptm, letzter Kdt Fest Kp II/6 <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong>)<br />

- Oberstlt Brignoni Emilio, Kdo Fest Region 6, 6780 Airolo<br />

- Burlet Jürg Peter, Schweiz. Landesmuseum, Kurator Uniformen und Fahnen, 8006 Zürich<br />

- Eidgenössische Militärbibliothek (EMB), Bundeshaus Ost, 3003 Bern<br />

- Dr. Erni Paul, 4051 Basel, Oblt in Fest Kp 17 von 1939 – 1944<br />

- Oberst Flück Peter, Bundesamt für Unterstützungstruppen, ehemals BAGF, 3003 Bern<br />

- Hodler Beat, ehem. Chef Fotodienst Eidg. Zeughaus Bern, 3098 Schliern b. Köniz<br />

- Adj Uof Hürlimann Eros, Kdo FWK Region 6, Chef Liegenschaftsdienst, 6780 Airolo<br />

- Käppeli Hans, ehemaliger Fabrikationschef K+W, 3600 Thun<br />

- Kdo Fest Br 23, 6460 Altdorf, Lötscher Nadine<br />

- Keller Silvio, Leiter der Arbeitsgruppe ADAB, Stab Gruppe Generalstabsdienste des VBS, 3003 Bern<br />

- Künzli Franz, Hptm der Traintruppen, 6218 Ettiswil<br />

- Lack Hans, ehemaliger Materialverwalter AGF, 6010 Kriens<br />

- Lanz Walter, dipl. Ing. ETH, Leiter Forschung+Werkstoffe, RUAG Land Systems (ex K+ W), 3602 Thun<br />

- Lovisa Maurice, dipl. Arch. ETHL, 3011 Bern (Fachberater Arbeitsgruppe Natur- + Denkmalschutz bei<br />

Kampf- und Führungsbauten – ADAB VBS)<br />

- Dr. Lüem Walter, 8704 Herrliberg (GMS)<br />

- Mayer H.-K., Generalstab, AIOS Sektion Informationsschutz und Industriesicherheit, 3003 Bern<br />

- Moriggia Arnoldo, Oberst aD, ehemaliger Kdt Fest Region 24 Airolo, 8710 Biasca<br />

- Mumenthaler Fritz, Oberst aD, ehemaliger Kdt Fest Region 23 Andermatt, 8253 Diessenhofen (GMS –<br />

Gesellschaft für militärhistorische Studienreisen)<br />

- Odermatt Jean, Fondazione "La Claustra", 8193 Eglisau<br />

- Dr. Pill Irene, Georg Fischer AG, Leiterin Eisenbibliothek und Konzernarchive, "Paradies", 8252 Schlatt<br />

- Plüss Oliver, Schweizerisches Wirtschaftsarchiv (SWA), 4003 Basel<br />

- Rauch Andrea, Brigadier zD, ehemaliger Instr Of Art, (1991-1997 Kdt Fest Br 23), 6500 Bellinzona<br />

- Reber Martin, Schweiz. Bundesarchiv (BAr), 3003 Bern<br />

- RUAG Land Systems, vormals Eidg. Konstruktionswerkstätte, 3600 Thun<br />

- Sägesser Hans, ehemals Direktor von Roll AG, 4702 Oensingen SO<br />

- Schweizerisches Bundesarchiv (BAr), 3003 Bern<br />

- Schwitter Oswald, 4616 Kappel SO (GMS)<br />

- Sulser Marco, 9479 Gretschins<br />

- Thierstein Felix, Fotograf Bundeshaus, Bern<br />

- Tomamichel Fausto, ehemals Werkchef FWK, 6780 Airolo<br />

- Waber Karl, ehemaliger Werkleiter K+W Thun, 3612 Steffisburg<br />

- Weder Martin, Geschäftsführer Cevi Militär Service, 8032 Zürich<br />

- Dr. Wipf Hans Ulrich, ehemals Stadtarchivar Schaffhausen, 8200 Schaffhausen<br />

- Wunderli Hans, ehemals Art Wm in der Fest Art Kp 16, Altersheim Geeren, 8472 Seuzach,<br />

- Wyler Hans, Oblt in Fest Kp 28 von 1948 – 1972, 8707 Uetikon a.S.<br />

c) Fotos und Abbildungen (s. auch Literaturverzeichnis):<br />

Seiten:<br />

Umschlag - <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> PzT Nr. 1 mit getarntem Geschützrohr in Ruhestellung: Archiv Jean Odermatt, 8193 Eglisau<br />

Umschlag - Eingang <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> mit aufgesetztem MunMag für Ladungen: Maurice Lovisa, 3011 Bern<br />

2 - Ärmelpatten Fest Art 1926 / 1940: Jürg P. Burlet, Landesmuseum, 8023 Zürich<br />

2 - Waffenrockzeichen Fest Art 1941: "Uniformen Schw. Armee", Verlag Schoch & Ruchti, Zürich, S. 18<br />

2 - Oberarmabzeichen Festungsturm: Jürg Peter Burlet, Schweizer Landesmuseum, 8023 Zürich<br />

2 - Waffenrockz. Fest Trp: Vademekum Festungstrp "High-Tech statt Mythen", BAGF Bern, ca. 1980<br />

4 - Gotthardnordseite mit alter Passstrasse und Lage des <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong>: Hj. Burkhardt, 6045 Meggen<br />

5 - Getarnter 10,5 cm Panzerturm <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong>: Hans Wyler, 8707 Uetikon am See<br />

6 - Réduit 1940 – 1944 mit der Zentralfestung Gotthard: "Unser Alpenkorps", S. 10<br />

9 - Situationsplan A 8390 <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong>: Kdo FWK Region 6, Airolo, Liegenschaftsdienst<br />

10 - Als Felsblock getarnter 10,5 cm PzT: Armeefilmdienst - Kundendienst, 3003 Bern<br />

13 - Festungsbau 1938 - 1944: Eric de Coulon, "Die Schw. Armee in den Kriegsjahren 1939 – 41", S. 86<br />

13 - Mineure an Seilwinde: "Schweiz 39-45, Krieg in einem neutralen Land", Piekalkiewicz J., S. 157<br />

15 - "Wird es tagen?": Luzerner Tagblatt 19.5.1945, Zentral- und Hochschulbibliothek, Luzern<br />

16 - Vorplatz <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> mit Lucendro Staumauer: Archiv Hans Wyler, 8707 Uetikon am See<br />

17 - Trainkolonne im Schnee: "Die Pferdestellung 1939 – 2000", VBS Gst / Abt Mob, 2000<br />

19 - Skipatrouille Kriegsweihnacht 1940: "Gotthardpost" der Fest Stabskp 6, Januar 67, Paul Erni, 4051 Basel<br />

24 - Schnittzeichnungen des 10,5 cm PzT: K+W Thun:, Nr. 24292/5 und 24292/4 (RUAG Land Systems Thun)<br />

25 - Bearbeitung PzT-Kuppel: "Schweiz 1939-45, Krieg in einem neutralen Land", Piekalkiewicz J., S. 183<br />

26 - Fertige PzT-Kuppel: "Schweiz 39-45, Krieg in einem neutralen Land", Piekalkiewicz J., S. 184<br />

28 - 10,5 cm PzT für Versuchsschiessen "Zelgli" Thun: K+W Nr. 10251 (RUAG Land Systems Thun)<br />

35 - Montage PzT-Kuppel Furggels: "Schweiz 39-45, Krieg in einem neutralen Land", Piekalkiewicz J., S. 182


81<br />

35 - Traggerüst für Tarnung 10,5 cm PzT: K+W Thun, Nr. 16095 (RUAG Land Systems Thun)<br />

36 - Schema 10,5 cm PzTurm: Technische Daten Festungsgeschütze, K+W (RUAG Land Systems Thun)<br />

37 - Werkmontage 10,5 cm PzT-Kanone 39 L52: K+W Thun Nr. 7159 (RUAG Land Systems Thun)<br />

37 - Geschützraum ohne Panzerkuppel: K+W Thun Nr. 16098 (RUAG Land Systems Thun)<br />

38 - Festungseingang <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> 1948: Hans Wyler, 8707 Uetikon am See<br />

39 - Eingang <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> mit aufgesetztem MunMag für Ladungen: Maurice Lovisa, 3011 Bern<br />

39 - Eingangsbereich <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> + Innenverteidigung: Cédric Popolu: La fortification suisse<br />

40 - Paternoster-Munitionsaufzug: Armeefilmdienst - Kundendienst, 3003 Bern<br />

40 - Munitionsmagazin: Armeefilmdienst: Armeefilmdienst - Kundendienst, 3003 Bern<br />

40 - Panzertür-Sicherheitsschleuse: Archiv Jean Odermatt, 8193 Eglisau<br />

40 - Hauptgang im Werkinneren <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong>: Hans Wyler, 8707Uetikon am See<br />

40 - Hinterer Gang: Archiv Jean Odermatt, 8193 Eglisau<br />

41 - Raumanordnung <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong>: Hansjakob Burkhardt, 6045 Meggen<br />

41 - Maschinenraum und SLM-Notstromgruppen <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong>: Archiv Jean Odermatt, 8193 Eglisau<br />

42 - Verpflegungsplan: Archiv Hansjakob Burkhardt, 6045 Meggen<br />

43 - Küche <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong>: Archiv Jean Odermatt, Fondazione La Claustra, 8193 Eglisau<br />

43 - Mannschaftsschlafraum: Inventar Kampf-/Führungsanlagen VBS, Maurice Lovisa, 3011 Bern<br />

43 - Mannschaftsessraum als Theorieraum: Archiv Jean Odermatt, 8193 Eglisau<br />

44 - MG-Bunker West <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong>: Archiv Hans Wyler, 8707 Uetikon am See<br />

44 - Lmg-Nahverteidigungsbunker Nord: Cédric Populu: La fortification suisse<br />

44 - Lmg-Nahverteidigung beim Portal:, Kalender militärischer Denkmäler 2003, Maurice Lovisa, 3011 Bern<br />

47 - Flabkanone: Flabsockel Foto Bolay; 20mm Flabkanone auf Flabsockel Solo aus Reglement<br />

48 - Eingangswache vor dem <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong>: Armeefilmdienst - Kundendienst, 3003 Bern<br />

49 - Feuerlöschtrupp: Armeefilmdienst - Kundendienst, 3003 Bern<br />

50 - Tagesbefehl: Archiv Hj. Burkhardt, 6045 Meggen<br />

51 - Feuerleitstelle: Armeefilmdienst - Kundendienst, 3003 Bern<br />

51 - SER: "Über dem Nebel - Geschichte des Fest Rgt 23 von 1948 – 1994", S. 35<br />

52 - Artilleriebeobachtungsposten <strong>San</strong> Giacomo: Hj. Burkhardt, 6045 Meggen<br />

53 - Munitionswart in der unteren Station: Armeefilmdienst - Kundendienst, 3003 Bern<br />

53 - Geschützraum ohne Panzerkuppel: K+W Thun, Nr. 1699<br />

54 - 10,5 cm Geschoss und MZZ: 10,5 cm Festungsgesch., Festungsart. Heft B, Reglement 57.210d<br />

54/55 - Im Geschützraum, Fest Art RS Sargans ca. 1975: Armeefilmdienst - Kundendienst, 3003 Bern<br />

55 - Richtvorrichtung: Die 10,5 cm Festungsgeschütze, Festungsart. Heft B, Reglement 57.210d, S. 69<br />

56 - Hülseninstandstellungsapparat: 10,5 cm Festungsgesch., Festungsart. Heft B, Reglement 57.210d<br />

57 - Kanoniere: Radierung von Hans Beat Wieland, Ansichtskarte Forte Airolo, Archiv Andrea Rauch<br />

58 - Stellungsbezug 12 cm Sch Mw und Sch Mw-Zug: Hans Wyler, 8707 Uetikon am See<br />

58 - Sch Mw-Schiessen Witenwasseren: Hansjakob Burkhardt, 6045 Meggen<br />

59 - Nebeleinsatz: Hansjakob Burkhardt, 6045 Meggen<br />

60 - Bunker-Mg 11 + Lmg-Doppelschiessscharte: Werk Reuenthal, Archiv Maurice Lovisa, 3011 Bern<br />

60 - Hindernisplan <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong>: Archiv Hptm Stefan Brauchli, 6020 Emmenbrücke<br />

61 - Schiesskdt auf dem Vallettagrat: Hansjakob Burkhardt, 6045 Meggen<br />

62 - Aufstieg Vallettalücke: Hansjakob Burkhardt, 6045 Meggen<br />

63 - Militärunterkunft auf dem Fibbiagrat, Tagebuchskizze 22./23. Juni 1970, Paul Erni, 4051 Basel<br />

63 - Gebirgspatrouille: Hansjakob Burkhardt, 6045 Meggen<br />

66 - Küche <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong>: Archiv Jean Odermatt, Fondazione La Claustra, 8193 Eglisau<br />

67 - Auf dem Pzo. Centrale: Hansjakob Burkhardt, 6045 Meggen<br />

70 - Mannschaftsessraum: Archiv Jean Odermatt, Fondazione La Claustra, 8193 Eglisau<br />

70 - Soldatenhaus General Guisan St. Gotthard: Postkarte CVJM 1944, CEVI Militär Service, Zürich<br />

70 - General Guisan, Einweihung des Soldatenhauses 4.11.44: 30. Jahresbericht CVJM, Cevi Militär Service<br />

71 - Wandmalerei Mannschaftsessraum <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong>: Hans Wyler, 8707 Uetikon am See<br />

71 - Widmung 1944: "Militärische Denkmäler im Kanton Tessin", ADAB, S. 12 + Maurice Lovisa, 3011 Bern<br />

72 - Offiziersmesse mit Wandmalerei: Hans Wyler, 8707 Uetikon am See<br />

72 - <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong>-Bar: Archiv Jean Odermatt, Fondazione La Claustra, 8193 Eglisau<br />

73 - Werktelefonzentrale <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong>: Hans Wyler, 8707 Uetikon am See<br />

75 - "Monoblock": Vademekum Festungstruppen "High-Tech statt Mythen", BAGF Bern, ca. 1980, S. 7<br />

76 - Einblick "La Claustra": Archiv Jean Odermatt, Fondazione La Claustra, 8193 Eglisau<br />

83 - "La Claustra": Archiv Jean Odermatt, Fondazione La Claustra, 8193 Eglisau<br />

84 - Wandmalerei in der Offiziersmesse <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong>, Archiv Jean Odermatt, 8193 Eglisau<br />

84 - Detailbild Wandmalerei in Offiziersmesse, Maurice Lovisa, 3011 Bern<br />

Bemerkungen:<br />

- Die Fotos des AFD sind nur zum Teil im <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> aufgenommen worden und stammen aus<br />

den 1980er Jahren.<br />

- Die Quelle der Fotos aus dem Buch "Schweiz 39 - 45, Krieg in einem neutralen Land – Bildreport Weltkrieg II",<br />

Piekalkiewicz Janusz, Motorbuch Verlag Stuttgart + Verlag Bucheli Zug, 1979, war nicht eruierbar.<br />

- Fotos K+W Thun aus Archiv RUAG Land Systems, Thun.


d) Abkürzungen:<br />

Abt Abteilung<br />

ABC Atomar, Biologisch und Chemisch<br />

AC Atomar und Chemisch<br />

ADAB Arbeitsgruppe Natur- und Denkmalschutz<br />

bei Kampf- und Führungsbauten des VBS<br />

AFD Armeefilmdienst Bern<br />

AGF Abteilung für Genie und Festungen Bern,<br />

später BAGF<br />

AK Armeekorps<br />

Art Artillerie<br />

ASU Atomschutzunterstand<br />

<strong>AW</strong> Artilleriewerk<br />

BAr Schweizerisches Bundesarchiv<br />

BBB Büro für Befestigungsbauten<br />

Bd. Band im BAr<br />

BK Bunkerkanone<br />

Br Brigadier / Brigade<br />

Bttr Batterie (Geschützbatterie, d.h. eine<br />

Formation von 2 – 6 Geschützen)<br />

DB Dienstbüchlein des Wehrmanns<br />

Det Detachement<br />

DHG Defensiv Handgranate<br />

Div Division / Divisionär<br />

EK Ergänzungskurs<br />

EMD Eidgenössisches Militärdepartement,<br />

später VBS<br />

EMP Elektromagnetischer Puls<br />

Fest Festung<br />

Flab Fliegerabwehr<br />

Four Fourier<br />

Füs Füsilier<br />

Fw Feldweibel<br />

FWK Festungswachtkorps<br />

Gfr Gefreiter<br />

GP Gewehrpatrone<br />

Gst Generalstab<br />

Hb Haubitze<br />

HD Hilfsdienst<br />

HG Handgranate<br />

ID Innerer Dienst<br />

IK Infanteriekanone<br />

Instr Instruktion<br />

Kan Kanone / Kanonier<br />

Kdo Kommando<br />

b) Hinweise:<br />

82<br />

Kdt Kommandant<br />

KKdt Korpskommandant<br />

KMob Kriegsmobilmachung<br />

KMS Kollektivmaskenschutz<br />

K + W Eidg. Konstruktionswerkstätte Thun<br />

Kp Kompanie<br />

Kpl Korporal<br />

KR Korrekturrechner<br />

KTA Kriegstechnische Abteilung des EMD<br />

Lmg Leichtes Maschinengewehr<br />

Lt Leutnant<br />

Mag Magazin<br />

Mg Maschinengewehr<br />

Mitr Mitrailleur = Maschinenengewehrschütze<br />

Mot Motorisiert<br />

MP Maschinenpistole<br />

Mun Munition<br />

Mun Mag Munitionsmagazin<br />

Mw Minenwerfer<br />

MVZ Momentan-Verzögerungszünder<br />

MZZ Momentan-Zeitzünder<br />

OS Offiziersschule<br />

Oblt Oberleutnant<br />

OST Organisation der Stäbe und Truppen<br />

Pz Panzer<br />

PzT Panzerturm<br />

Rgt Regiment<br />

RS Rekrutenschule<br />

<strong>San</strong> <strong>San</strong>ität<br />

SER Schiesselementenrechner<br />

Sch Mw Schwerer Minenwerfer<br />

S+S Sektion für Schiessversuche der KTA<br />

S+M Sektion für Munition der KTA<br />

SpG Spitzgranate<br />

StG Stahlgranate<br />

Stgw Sturmgewehr<br />

TO Truppenorganisation<br />

VBS Eidg. Departement für Verteidigung,<br />

Bevölkerungsschutz und Sport, vormals EMD<br />

Vo Mündungsgeschwindigkeit / Vorrohrge-<br />

schwindigkeit<br />

WK Wiederholungskurs<br />

Wm Wachtmeister<br />

ZZ Zeitzünder<br />

Wer sich für die Geschichte des Gotthardpasses und für die alten Festungen am Gotthard interessiert,<br />

dem sei im Sommer der Besuch folgender Museen empfohlen:<br />

� Museo Forte Ospizio <strong>San</strong> Gottardo<br />

� Museo Nazionale del <strong>San</strong> Gottardo<br />

� Festungsmuseum Fort Airolo


83<br />

Lageplan "La Claustra"<br />

Küche im "La Claustra" "Seminario"<br />

Essraum im "La Claustra" Neue "<strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> Bar"


IMPRESSUM<br />

Verfasser: Hansjakob Burkhardt<br />

CH- 6045 Meggen, 2003 / <strong>2007</strong><br />

84<br />

Wandbilder 1944 in der Offiziersmesse des <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong><br />

Aufnahme im Januar <strong>2007</strong> als Download in die armasuisse-Homepage, Broschüren der ADAB<br />

über die militärischen Denkmäler:<br />

www.gr.admin.ch > Themen > Immobilien > Historische Militärbauten > Download <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong><br />

armasuisse Immobilien / Januar <strong>2007</strong>

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