AW San Carlo Dokumentation - 2007 - Armasuisse
AW San Carlo Dokumentation - 2007 - Armasuisse
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<strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong><br />
Die Gotthardfestung "<strong>San</strong> <strong>Carlo</strong>",<br />
der Prototyp aller Artilleriewerke mit<br />
10,5 cm Turm-Kanonen Mod 1939 L52<br />
Entstehungsgeschichte, Aktivdienst und Dienstbetrieb<br />
Umnutzung zu "La Claustra"<br />
© Fischerdörfli-Verlag, Hansjakob Burkhardt, 6045 Meggen<br />
April 2003
Uniformabzeichen der Festungstruppen 1<br />
1926 ziegelrote Ärmelpatten mit gekreuzten Rohren über Lunette 2 ,<br />
1940 ziegelrote Ärmelpatten mit gekreuzten Rohren (ohne Lunette):<br />
Ab 1949 ziegelrote Kragenpatten mit gekreuzten Rohren, ab ca. 1950 Kragenpatten mit Granate .<br />
Festungstruppen - Abzeichen ab 1952: am rechten Oberarm hellrotes Abzeichen mit gelb<br />
gesticktem Turm bzw. ab 1975 schwarzes Oberarmabzeichen mit gelb gesticktem Turm:<br />
Kragenspiegel der Festungstruppen ab 15.4.1976:<br />
2<br />
Angehörige der Fest Rgt, Abt und Kp, Wk Kp.<br />
(Auszug und Landwehr)<br />
1 Angaben Jürg P. Burlet, Schweizer Landesmuseum, Zürich + Reglement 51.9: Bekleidung der Schweizer Armee<br />
2 Lunette (franz.) = kleines Werk mit Wall und Graben; symbolische Darstellung auf der Ärmelpatte.
3<br />
Das Artilleriewerk "<strong>San</strong> <strong>Carlo</strong>" der Gotthardfestung<br />
und die 10,5 cm Panzerturm-Kanonen Mod 39 L52<br />
Entstehungsgeschichte, Aktivdienst und Dienstbetrieb<br />
Umnutzung zu "La Claustra"<br />
Inhaltsverzeichnis: Seite<br />
Titelseite 1<br />
Uniformabzeichen der Festungstruppen 2<br />
Inhaltsverzeichnis 3<br />
1. Einleitung 5<br />
2. Erstellung des <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> mit den Panzertürmen und dessen Auftrag 6<br />
3. Bericht eines Zeitzeugen aus dem Aktivdienst im <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> 17<br />
4. Die 10,5 cm Panzerturm-Kanone Modell 1939 L52 21<br />
4.1 Vorgeschichte und Evaluation 21<br />
4.2 Beschaffung 21<br />
4.3 Versuchs-Beschussanlage Zelgli Thun 27<br />
4.4. Anschiessen und Montage in den <strong>AW</strong> 31<br />
4.5 Bericht eines Zeitzeugen 34<br />
4.6 Technischer Beschrieb des PzT 35<br />
5. Die Lage und Bewaffnung des <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> 38<br />
6. Das Bauwerk und die Einrichtungen der Festung <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> 38<br />
7. Die Festungsbesatzung des <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> und deren Gliederung 45<br />
8. Wiederholungskurse im <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> (1967 – 1970) 47<br />
9. Artillerieausbildung 51<br />
10. Geschützausbildung an der 10,5 cm Panzerturmkanone 1939 L52 52<br />
11. Minenwerferausbildung 12 cm Sch Mw 58<br />
12. Mitrailleur- und Infanterieausbildung 59<br />
13. Gebirgsausbildung (WK 1967 – 70) 61<br />
14. Reminiszenzen und Episoden (WK 1967 – 1970) 64<br />
15. Freizeit und Urlaub (WK 1967 – 1970) 69<br />
16. Kommandanten des <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> (1939 – 1994) 74<br />
17. Ende des <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> (1999) 74<br />
18. Umwandlung in das Seminarzentrum "La Claustra" 77<br />
19. Dank des Verfassers 78<br />
20. Quellenverzeichnis und Abkürzungen 79<br />
21. Sponsoren und Hinweise auf Museen 82<br />
Fotos Seminarzentrum "La Claustra" 83<br />
Fotos Wandmalerei <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> und Impressum 84
4<br />
Blick von Norden nach Süden im September 1966, noch bevor die neue Gotthardstrasse als National-<br />
strasse an der Bergflanke des Monte Prosa am linken Bildrand erstellt wurde. Die alte Gotthardstrasse<br />
und der Fussweg winden sich vom Rodontboden hinauf zur Senke des Gotthardpasses. Das Artillerie-<br />
werk <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> liegt rechts von der Baracke an der <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> 3 - Strassenkurve, gegen den rechten Bild-<br />
rand.<br />
« Kein Gebirgsübergang ist so eindrücklich wie<br />
der Gotthard. Ich hatte im Aktivdienst das Glück,<br />
in dieser unwirtlichen Landschaft für Monate zu leben. »<br />
« Für den Zeitraum des zweiten Weltkrieges fällt<br />
unter einer Grosszahl von Bauwerken vor allem das<br />
Artilleriewerk <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> (Gotthard) als Prototyp für<br />
eine neue Gattung von Panzerturmwerken auf, welche<br />
mit 10,5 cm Kanonen bestückt sind. »<br />
3 <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> = Ortsbezeichnung am unteren Ende des Valletta di <strong>San</strong> Gottardo<br />
4 "Erlebtes – Aus hundert Skizzenbüchern" 1987, Seite 30<br />
5 "Militärische Denkmäler im Kanton Tessin", ADAB-VBS 1996, Seite 13<br />
Paul Erni 4<br />
Maurice Lovisa 5
5<br />
Das Artilleriewerk "<strong>San</strong> <strong>Carlo</strong>" der Gotthardfestung<br />
und die 10,5 cm Panzerturm-Kanonen Mod 39 L52<br />
Entstehungsgeschichte, Aktivdienst und Dienstbetrieb<br />
1. Einleitung<br />
Umnutzung zu "La Claustra"<br />
Getarnter 10,5 cm Panzerturm Nr. 2 des <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong><br />
Durch die strikte Geheimhaltung waren bisher die Aufgabe, die Organisation und das Funktionieren<br />
eines Artilleriewerkes sowie das Arbeiten und Leben in einer Festung mit vielen Geheimnissen<br />
umwoben oder Aussenstehenden gänzlich unbekannt. Nach dem Fall der Berliner Mauer<br />
und dem Ende des Kalten Krieges hat sich die Bedrohungslage wie auch die Verteidigungsstrategie<br />
geändert. Es wurden die meisten grossen Festungswerke in den Schweizer Alpen und<br />
an der Grenze stillgelegt, deklassifiziert, ausgeräumt und geschlossen. Die anfallenden enormen<br />
Betriebs- und Unterhaltskosten der grossen Festungen waren viel zu aufwändig und die<br />
zum Betrieb notwendigen Truppenbestände entsprachen nicht mehr der beschlossenen Reduktion<br />
der Armee. Die Geschützrohre liessen auch die Verwendung modernerer Munition nicht zu.<br />
Die militärische Aufgabe kann durch andere Waffen und Einrichtungen 6 mit weniger Personal<br />
effizienter und kostengünstiger erfüllt werden. So wurde auch das Artilleriewerk "<strong>San</strong> <strong>Carlo</strong>"<br />
(<strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong>) auf dem Gotthard überflüssig und musste geschlossen werden. Durch Fernsehsendungen<br />
über den von der Fondazione "La Claustra" durchgeführten Umbau der alten<br />
Festung in einen speziellen Seminar- und Kulturzentrumsbetrieb wurde unterdessen das ehemalige<br />
<strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> der Gotthardfestung allgemeiner bekannt.<br />
Die Geheimhaltung über das deklassifizierte <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> ist aufgehoben. Was bis vor kurzem<br />
strenger Geheimhaltung unterworfen war, kann heute in Publikationen, Fernsehreportagen<br />
und Filmen 7 in allen Details betrachtet werden. Auch sind sogar Daten und Fotos der Festungswerke<br />
im Internet abrufbar und können ausgedruckt werden 8 . So sind nun auch die Akten der<br />
Entstehungsgeschichte des Artilleriewerks <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> und der 10,5 cm Panzertürme offen gelegt.<br />
Zudem können jetzt Truppenangehörige aus dem Aktivdienst und dem Wiederholungskurs-<br />
6<br />
z.B. Monoblock-Werke: "Bison" 15,5 cm, Zwillings-Festungs-Mw 12 cm<br />
7<br />
siehe Quellenverzeichnis<br />
8<br />
z.B. http://.maginotline.free.fr/ligne/suisse/ , http://homepage.sunrise.ch/homepage/schwitte/ und www.gms-<br />
reisen.ch mit vielen Links.
6<br />
Dienstbetrieb in einer alten Artillerie-Festung berichten. Es ist ein besonderes Glück, dass es<br />
mir gelungen ist, die Erlebnisse von Zeitzeugen aus der ersten Zeit des <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> einer<br />
breiteren Leserschaft zugänglich zu machen. Die Beschreibungen des Dienstbetriebs umfassen<br />
den Zeitraum 1967–1970 meiner Aufgabe als Kommandant der Fest Kp II/6 mit dem <strong>AW</strong> <strong>San</strong><br />
<strong>Carlo</strong>.<br />
2. Erstellung des Artilleriewerks "<strong>San</strong> <strong>Carlo</strong>" und dessen Auftrag<br />
Als Bestandteil der Verstärkung der Gotthardbefestigung noch vor Beginn des Zweiten Weltkriegs<br />
wurde, unter dem Druck der politischen Ereignisse in Deutschland und in Italien, als Prototyp<br />
einer neuen Generation von Festungen mit Panzertürmen 10,5 cm, das Artilleriewerk<br />
"<strong>San</strong> <strong>Carlo</strong>" (<strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong>) 1938-1944 in Etappen gebaut. Noch vor dem Réduitbeschluss<br />
von General Guisan vom 12. Juli 1940 wurde die im Bau befindliche neue Festung sukzessive<br />
von der Truppe, der Fest Art Kp 17 (später Fest Art Kp 28 bzw. Fest Kp 28 und Fest Kp II/6), in<br />
Betrieb genommen. Nachdem von 1935 – 1939 die gefährliche Einfallsache des <strong>San</strong> Giacomopasses<br />
durch Infanterie- und Artilleriewerke 9 befestigt worden war, wurde die weitere Verstärkung<br />
der Abwehrkraft an der Südfront als notwendig erachtet, waren doch die in den Jahren<br />
1886 – 1894 erbauten Befestigungen Fort Airolo, Motto Bartola 10 und Fort Hospiz längst veraltet.<br />
Die Verstärkung der artilleristischen Feuerkraft um den strategisch wichtigen Gotthardpass<br />
wurde zum damaligen Zeitpunkt besonders dringend. Nach dem Strassenbau auf den <strong>San</strong> Giacomopass<br />
durch die italienische Armee war auf dieser Einfallsachse die Schussweite von Mussolinis<br />
Artillerie zum Südportal des Gotthardbahntunnels auf 13 km geschrumpft und die Truppen<br />
Italiens standen unberechenbar an der Schweizer Grenze bereit. 11 Nach dem Kriegseintritt<br />
Italiens am 10. Juni 1940 umschlossen die Achsenmächte die Schweiz 12 . Zusammen mit den<br />
übrigen grossen Festungswerken 13 der Zentralfestung Gotthard hatte auch das <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong><br />
die Aufgabe, die Gotthardachse zu sperren und zu halten. Dazu gehörte das Bekämpfen eines<br />
allfälligen Feindes mit artilleristischem Beschuss der Haupt- und Nebeneinfallsachsen 14 wie<br />
auch von möglichen Luftlanderäumen. 15 Weitere ältere und neuere, meist mit 7,5 cm Festungskanonen<br />
ausgerüstete Festungswerke 16 und Infanteriewerke ergänzten das dichte Verteidigungsdispositiv.<br />
Die zusätzliche mobile Verstärkung und Verteidigung der Höhenzüge und des<br />
Festungsdispositivs im Gotthardraum wurde durch die bewegliche Auszugs- und Landwehrinfanterie<br />
ausgeübt. Zahlreiche Sprengobjekte an Bahn und Strassen vervollständigten die Sperr-<br />
Möglichkeiten.<br />
Réduit 1940 – 1944 mit der Zentralfestung Gotthard<br />
9 Blockhaus <strong>San</strong> Giacomo, <strong>AW</strong> Grandinagia und Artilleriebunker Manegorio<br />
10 Motto Bartola: Stellung für Positionsartillerie, mit TO 24 aufgehoben und in Mot Art umgewandelt<br />
11 Italienischer Angriffs-Operationsplan 1940 der Armata del Po unter deren Kdt General Mario Vercellino<br />
12 ab der Kapitulation von Italien am 3.9.1943: Oberitalien unter deutscher Truppenbesetzung<br />
13 <strong>AW</strong> Sasso da Pigna, <strong>AW</strong> Foppa Grande, <strong>AW</strong> Gütsch, <strong>AW</strong> Bäzberg, <strong>AW</strong> Fuchsegg, <strong>AW</strong> Grimsel<br />
14 wie <strong>San</strong> Giacomopass, Corno-/Griespass, Passo del Uomo etc.<br />
15 wie Talboden Ambri-Piotta mit Flugplatz und Urseren<br />
16 wie Flankiergalerie Stuei, <strong>AW</strong> Grandinagia, Artilleriebunker Manegorio
7<br />
Nach dem Ende des Aktivdienstes schrieb General Guisan 1946 im Zusammenhang mit der<br />
Réduitbildung vom Jahr 1940 in seinem Bericht an die Bundesversammlung: «Von nun an erschienen<br />
die drei grossen Festungen (Sargans, Gotthard und St. Maurice) nicht mehr nur als<br />
mächtige Sperren von Tälern oder strategisch wichtigen Richtungen. Sie wurden die wichtigsten<br />
Pfeiler des Gesamtplans, zwischen denen wir andere errichten konnten; und eine von ihnen, der<br />
Gotthard, wurde die Zitadelle, das heisst der Kern des stärksten und längsten Widerstandes,<br />
und zu gleicher Zeit der zentrale Kommandoposten für die Alpenübergänge, über die wir die<br />
Kontrolle zu behalten hatten.» 17<br />
Das Kommando der Befestigung St. Gotthard plante ab 1935 mit dem Baubüro der Fortverwaltung<br />
in Andermatt neue Artilleriewerke. Auf Veranlassung von Oberst im Generalstab Muntwyler,<br />
Offizier des Materiellen der Festungsverwaltung St. Gotthard, wurden ballistische Untersuchungen<br />
mehrerer Positionen im Raum Airolo – Motto Bartola – Gotthard Hospiz und Urseren<br />
durchgeführt. Schon an der Sitzung der Befestigungskommission vom 9. März 1936 in Bern<br />
unter dem Vorsitz von Oberstkorpskommandant Roost, Chef der Generalstabsabteilung, wurde<br />
unter Traktandum Nr. 4b im Zusammenhang mit dem italienischen Strassenbau auf den <strong>San</strong><br />
Giacomopass zur raschen Verstärkung des Abwehrdispositivs im Raum des Gotthardpasses<br />
und als Ersatz der 12 cm PzT im Fort Airolo die Planung von 2 – 3 Panzertürmen 10,5 -15 cm<br />
erwogen. 18 (Im Kapitel 4 Seite 21ff über die 10,5 cm Panzertürme wird eingehend auf die Vorgeschichte<br />
und die Entwicklung derselben eingegangen.)<br />
«Beschaffung neuer Pz.-Kanonen mit grosser Tragweite. Oberst Muntwyler, Of des Mat St. Gotthard<br />
Besatzung: Der Bau der Strasse auf den Passo di <strong>San</strong> Giacomo erheischt dringend eine Verstärkung<br />
der artilleristischen Armierung der Südfront. Es kommen 2 – 3 moderne Panzerkanonen vom Kaliber<br />
10,5 cm, 12 cm oder 15 cm mit einer Tragweite von 18 – 20 km in Frage.»<br />
Dazu lag eine Vergleichsofferte der Kriegstechnischen Abteilung (KTA) 19 vor. An der Sitzung der<br />
Befestigungskommission vom 23. Februar 1937 wurden Vergleichsofferten der Firmen Krupp<br />
(D), Schneider (F) und Bofors (S) vorgelegt. Die Offerte Krupp belief sich auf Fr. 1,5 Mio. jene<br />
der Fa. Schneider auf 0,5 Mio. Franken. Zielsetzung war, raschmöglichst mit drei Panzertürmen<br />
die wirksame Feuersperr-Möglichkeit am <strong>San</strong> Giacomopass sicherzustellen, damit die Grenze<br />
gehalten oder zurückerobert werden könne. Über das zu wählende Kaliber, entweder 10,5 cm<br />
oder 12 cm, konnte man sich noch nicht einigen. Anlässlich der Begehung der Befestigungskommission<br />
im Gotthardgebiet vom 5. – 7. Juli 1937 unter dem Vorsitz von Oberstkorpskdt Labhardt,<br />
Chef der Generalstabsabteilung, wurden für die 3 PzT folgende Standorte erwogen: Hospiz<br />
<strong>San</strong> Gottardo, Motto Bartola und am Eingang zum Äginental bei Oberwald an der Furka.<br />
«Antrag Oberstdiv Tissot: Verzicht auf Standort Furka. Aufstellen der Türme II + III auf dem Gotthardpass.<br />
Diesem Antrag wird zugestimmt. Das Kdo der Gotthardbesatzung wird beauftragt, die<br />
definitiven Plätze zu bestimmen und die Detailpläne einzureichen. Oberst Fierz macht Angaben über<br />
die Offerten von Krupp und Schneider. Oberst KKdt Labhardt bemerkt, die Preisfrage sei bestimmend.<br />
Der Geniechef der Gotthardbesatzung wird nach Erhalt der Angaben über die Geschütze studieren,<br />
ob die Brücken für den Transport der Türme genügen.» 20<br />
1937 fanden erste Rekognoszierungen durch Oberst A. Meili, Art Chef Gotthard Südfront und<br />
Oberst Imobersteg statt, mit dem Vorschlag neuer Positionen (Standorte) für neue 10,5 cm<br />
Turmwerke im Raum Motto Bartola und <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong>. Die Auswahl der endgültigen Lage erfolgte<br />
durch den Kdt der 9. Division, Divisionär Eduard Tissot 21 , und diese wurde darauf durch die Befestigungskommission<br />
genehmigt. Bald lagen Lösungsvorschläge mit entsprechenden Kostenschätzungen<br />
vor. Der Bericht der KTA an die Befestigungskommission vom 1. Februar 1938<br />
stellte fest, dass die 12 cm Geschosse der Variante Schneider nur eine um 500 m grössere<br />
Reichweite besitzen. Einzig das Argument von Div Tissot wegen den grossen 12 cm-Munitionsvorräten<br />
begründete die weitere Prüfung der 12cm-Lösung. Divisionär Huber, der spätere Gst<br />
Chef, propagierte das Kaliber 10,5 cm mit dem Argument, Schnelligkeit im artilleristischen Be-<br />
17 "Bericht an die Bundesversammlung über den Aktivdienst 1939 – 1945" von General Henri Guisan, 1946, S. 83/84<br />
18 BAr: E 9500.73 1969/73 Bd. 1, ehemals geheime Protokolle der Befestigungskommission<br />
19 KTA = Kriegstechnische Abteilung, direkt dem Militärdepartement (EMD) unterstellt. Diese beinhaltet u.a. die Kon-<br />
struktionswerkstätten in Thun (K+W), die Munitionsfabriken etc. Ab 1968, nach dem Mirageskandal, umbenannt in<br />
Gruppe für Rüstungsdienste (GRD) und der Direktion der Eidg. Militärverwaltung im EMD bzw. dem VBS unter-<br />
stellt. (BAr: Staatskalender)<br />
20 BAr: E 9500.73 1969/73 Bd.<br />
21 Div Tissot Eduard war als Divisionär von 1935 – 1937 Kdt der Gotthardbesatzung und von 1938 – 1940 Kdt der<br />
9. Division (Angabe BAr)
8<br />
schuss sei wichtiger. Am 3. - 5. Mai 1938 behandelte die vom Chef der Generalstabsabteilung<br />
präsidierte Befestigungskommission die Verwendung des 8,6 Mio. Franken Kreditanteils der<br />
Wehranleihe und nahm Kenntnis von Plänen für die Artilleriewerke "<strong>San</strong> <strong>Carlo</strong>" mit 2 getrennten<br />
Türmen auf dem Gotthard und "Foppa Grande" westlich von Motto Bartola, mit geschätzten<br />
Kosten für das <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong>: Turm 1 Fr. 368'000 und Turm 2 Fr. 357'000. Sämtliche vorliegenden<br />
Varianten basierten nun auf der Offerte der französischen Firma Schneider mit einer 10,5<br />
cm Panzerturm-Kanone. Das Festungsbaubüro bekam den Auftrag, als günstigere Lösung die<br />
Zusammenlegung der Türme in ein einzelnes Artilleriewerk zu studieren. Die Kommission verlangte<br />
vom Festungsbaubüro einige Projektvereinfachungen und der Chef Generalstabsabteilung<br />
ordnete an: "Pläne und Bau sind so zu fördern, dass die Armierung 22 im Frühjahr 1939<br />
stattfinden kann". Es wurden Stellungnahmen folgender Herren angefordert:<br />
� Divisionär Hilfiker, Waffenchef Genietruppen<br />
� Divisionär Marcuard, Waffenchef Artillerie<br />
� Oberst Fierz, Chef KTA<br />
� Oberst Peter, Chef BBB<br />
In der Stellungnahme des Chefs des Büros für Befestigungsbauten Bern (BBB), Oberst Peter<br />
Felix 23 , vom 13.9.1938 werden für <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong>, nordwestlich des Gotthard Hospizes, nochmals<br />
drei Varianten vorgelegt. 24<br />
� Variante 1 2 getrennte Anlagen mit je 1 PzT 10,5 cm 25 , ca. Fr. 725'000<br />
� Variante 2 2 Türme in Distanz von 300 m mit Stollensystem zusammenhängend, ca. Fr<br />
980'000 (davon Verbindungsstollen Fr. 110'000 und Mehrkosten zuzüglich<br />
Landerwerb). Unvorhergesehenes 7,7%, Notausgänge teuer.<br />
� Variante 3: Wie 1, aber eine Anlage mit 2 Türmen, Fr. 770'000<br />
Mun Mag reichlich 2 x 4000 Schuss. Kollektivraumschutz nur für Unterkunft.<br />
Überdeckung 18 – 20 m über Stollen = minimal. Beschränkung auf nur absolut<br />
Notwendiges.<br />
Die von ihm als kostengünstigste erachtete Variante 3 wies, unter Abwägung aller Vor- und<br />
Nachteile, mit ca. Fr. 980'000 ein kombiniertes Werk mit zwei Panzertürmen auf. Gewisse Einsparungen<br />
seien noch möglich. Auch Div Marcuard und Oberst Fierz bevorzugten die Variante 3<br />
mit 2 PzT in einem Artilleriewerk. Oberst Fierz äusserte sich zudem, dass eine Mineurkompanie<br />
beim Felsausbruch helfen könnte. Die Kosten für die Variante wurden unter Berücksichtigung<br />
der vorgeschlagenen Einsparungen auf Fr. 928'000 veranschlagt und der notwendige Kredit zu<br />
Lasten KTA und 9. Division gesprochen. Die Befestigungskommission hat sich anlässlich der<br />
Sitzung vom 3./5. Mai 1938 für das <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> mit 2 Panzertürmen in einem Artilleriewerk<br />
entschieden (Seite 22). Die weitere Entstehungsgeschichte der 10,5 cm Panzertürme, auch in<br />
den Festungen St. Maurice und Sargans, ist im nachfolgenden Kapitel 4 behandelt.<br />
Ab 31.12.1939 wurde das BBB dem Geniechef der Armee, am 31.12.1943 der Abteilung für<br />
Festungswesen unterstellt. Das "Festungsbaubüro Andermatt" (Abschnittsbaubüro des BBB)<br />
wurde am 1.04.1942 ebenfalls in diese neue Planungs- und Führungsstruktur integriert. 26 Die<br />
frühzeitig erbauten <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> und <strong>AW</strong> Foppa Grande mit der neu konzipierten 10,5 cm Pz-<br />
Turmkanone waren Vorbild für die später gebauten etwas moderneren Panzerturmwerke im<br />
Gotthardgebiet 27 , wie auch die im 2. Weltkrieg gebauten oder erweiterten und gleich ausgerüsteten<br />
Festungen in St. Maurice 28 und in Sargans. 29 Später in den Jahren 1941 – 1944 wurde in<br />
einer intensiven Bauperiode die Abwehrkraft der Zentralfestung Gotthard wesentlich verstärkt,<br />
insbesondere durch die neu erstellten Artilleriewerke <strong>AW</strong> Sasso da Pigna (auf der Gotthard-<br />
22<br />
"Armierung" = Ausrüsten eines Artilleriewerks mit den Geschützen<br />
23<br />
Chef BBB F. Peter = Felix Peter, Jahrgang 1885, siehe Bar: E 5481 1973/22 Bd. 1<br />
24<br />
Schweizerisches Bundesarchiv (BAr): E 5481 1973/22 Bd. 41<br />
25<br />
Ähnlich wie das gleichzeitig erbaute <strong>AW</strong> Foppa Grande ob Airolo mit 1 PzT. Ein Plan des Festungsbaubüros<br />
Andermatt sah folgende Disposition für ein Ein-Turm <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> für PzT Nr. 1 wie folgt vor:<br />
Nach dem Zugangsstollen am Fuss des PzT-Schrägschachts ein spartanischer Blockbau in einer<br />
Kaverne mit einem Unterkunftsraum für ca. 80 Mann, Küche mit Magazin, Motorenraum, Of Raum für ca. 6 Of,<br />
Gasschutzraum, WC-Anlage und Waschtrog, Notausgangstollen. Kein Ess- und Aufenthaltsraum und keine Innenverteidigung.<br />
Die Disposition des Mun Mag ist nicht ersichtlich. (Archiv Fondazione "La Claustra")<br />
26<br />
Bericht des Chefs des Generalstabs an den Oberbefehlshaber der Armee, Aktivdienst 1939 – 45, S. 213<br />
27<br />
1941 – 1944: <strong>AW</strong> Gütsch, <strong>AW</strong> Fuchsegg: 7 PzT (siehe Seite 29ff)<br />
28<br />
<strong>AW</strong> Dailly - Les Planaux: 2 PzT<br />
29<br />
<strong>AW</strong> Magletsch, <strong>AW</strong> Castels, <strong>AW</strong> Furggels: 10 PzT (siehe Seite 29ff)
9<br />
passhöhe) und <strong>AW</strong> Grimsel mit total 10 Rohren und Bestückung mit der 15 cm Bunkerkanone<br />
1942 L42. Die verbesserte Nahverteidigung der Werke erfolgte in den 50er und 60er Jahren mit<br />
teilweiser Nachrüstung durch 8,1 cm Festungsminenwerfer und mit Kugelbunkern sowie Atomschutzunterständen.<br />
Original-Situationsplan des <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> A 8390 (siehe auch Plan Seite 41)<br />
Ersichtlich sind die nach dem Felsausbruch mit Betonpfropfen verschlossenen Stollen,<br />
ebenso geplante und nicht ausgeführte Erweiterungsbauten und Gänge.<br />
In den Bauplänen des Festungsbaubüros St. Gotthard 30 waren die Kavernen entsprechend der<br />
vorgesehenen Baureihenfolge wie folgt bezeichnet und später auch mit selbstleuchtenden<br />
Wegweisern wie folgt bezeichnet:<br />
� Kaverne 1: Munitionsmagazin<br />
� Kaverne 2: Gebäude mit Maschinenraum, Gasschutzraum, Korpsmaterialmagazin<br />
und Telefonzentrale<br />
� Kaverne 3: Küche, Mannschafts- und Offiziersspeisesaal, Duschen<br />
� Kaverne 4: 3 Mannschaftsunterkunftsräume für je 44 Mann, Unterkunftsraum für 10<br />
Uof, 2 Unterkunftsräume für 6 Of bzw. 2 Of, Arztzimmer, Unterkunft für 2<br />
<strong>San</strong> Sdt, Krankenzimmer mit 6 Betten, Kp Büro mit 2 Uof-Betten<br />
� Kaverne 5: Kommandotrakt des Kdt Südfront (später = Abteilungskdo Fest Abt 6):<br />
6 Offizierszimmer à je 1 bis 6 Betten (total 19 Of), Uof-Zimmer für 4 Uof,<br />
Zimmer und Büro Kdt Südfront, Bureau und Kanzlei, Büro (später Bttr<br />
Feuerleitstelle), WC und Waschraum, Verpflegungsmagazin, Material-<br />
magazin.<br />
Die Räume in den Kavernen 3 und 4 waren einseitig zugänglich, jene in der Kaverne 5 von 2<br />
Seitengängen aus. Ausmauerungen der Stollen und Kavernen erfolgten nur beim Antreffen von<br />
gebrächem Fels. Die in den Kavernen freistehenden Gebäude stehen auf einem Sockelraster.<br />
Damit besteht unter dem sog. Ottiker-Elementboden ein Hohlraum von ca. 50 cm. Die leicht<br />
abgeschrägten flachen Gebäudedecken aus Lauper-Hohlkörpern sind mit einer Dachisolation<br />
und einem Betonüberzug versehen. Sie waren ursprünglich mit einer Holzdachkonstruktion vorgesehen,<br />
wie sie im Munitionsmagazin vorerst zur Ausführung kam.<br />
30 Plan Nr. 4936 des Ingenieur-Offiziers vom 30.5.1941 (Archiv Fondazione "La Claustra")
10<br />
Unter der Leitung des Baubüros der Festungsverwaltung Andermatt, dem "BBB 31 Festungsbaubüro<br />
St. Gotthard" in Andermatt, begannen die Bauarbeiten am <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> (Werknummer<br />
A 8390) im Jahr 1938. Zwei private Firmen und Mineure einer Mineurkompanie arbeiteten im 3-<br />
Schichtbetrieb. 32 Zum Einsatz im <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> kam mutmasslich als Hauptbauunternehmer<br />
eine Tessiner Bauunternehmung 33 und Teile der Gebirgs-Mineurkompanie 3 34 (Bauakten sind<br />
leider erst ab ca. 1944 im BAr 35 Bern auffindbar). In erster Dringlichkeit waren die Ausbruch- und<br />
Rohbauarbeiten für die beiden 10,5 cm Panzertürme auszuführen, damit diese raschmöglichst<br />
schussbereit gestellt werden konnten. Auf dieser Höhe war die mögliche Bauzeit ohnehin knapp<br />
bemessen und der Mangel an Arbeitskräften, Baumaterialien und finanziellen Mitteln verzögerte<br />
den geforderten raschen Arbeitsfortschritt. Auch das <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> konnte dementsprechend<br />
nur in Etappen realisiert werden, in der Dringlichkeitsreihenfolge: 1. Geschütze mit Munitionsmagazin,<br />
2. Unterkunft mit Maschinenraum, 3. Nahverteidigung und später 4. weitere Betriebsräume<br />
und Ergänzungsarbeiten.<br />
Bei Ausbruch des 2. Weltkriegs am 1. September 1939 waren die beiden Turmgeschütze<br />
des <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> in Montage. Die Tagebücher 36 der damaligen Fest Art Kp 17 geben Aufschluss<br />
über den Ablauf der Fertigstellungsarbeiten und die Inbetriebnahme. Diese Kompanie<br />
rückte vor der Kriegsmobilmachung vom 1. September mit der frühzeitigen Mobilmachung der<br />
Festungsbesatzungen am 29. August 1939 an ihrem Kriegsstandort, dem Fort Gotthard Hospiz,<br />
ein und nahm dort Quartier. Der Einrückungsbestand unter Hptm Ringger betrug 8 Of und ca.<br />
123 Uof + Sdt. Noch gleichentags wurden vor allem Schlosser zur Mithilfe der Turmmontage ins<br />
<strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> abkommandiert. Es galt vorerst den Hilfskran für die Turmmontage zu erstellen.<br />
Am 9.8.1939 schloss die KTA 37 mit der Transportfirma Kehrli & Oehler in Bern den Transportvertrag<br />
für den Transport von 3 Panzertürmen vom Bahnhof Airolo bis zur Abladestelle der 2<br />
"bekannten Baustellen" ab, d.h. zu den beiden im Bau befindlichen <strong>AW</strong> "<strong>San</strong> <strong>Carlo</strong>" und <strong>AW</strong><br />
"Foppa Grande".<br />
Als Felsblock getarnte 10,5 cm Panzerturm-Kanone in Schussstellung<br />
Für die Transporte der schweren Panzerturmteile wurden zusätzlich Wehrmänner der Fest Art<br />
Kp 16 zur Mithilfe beigezogen. 38 Weitere Tagebuchnotizen 39 der Fest Art Kp 17 mit folgenden<br />
Zitaten lassen den weiteren Baufortschritt bis zum ersten Anschiessen der fertig montierten Geschütze<br />
nachvollziehen: 40<br />
31.8.39: «Unsere Kp übernimmt ab heute 15.00 Uhr die Bewachung der Baustelle der neuen Türme,<br />
die bis jetzt durch den freiw. Grenzschutz 41 durchgeführt wurde.»<br />
31 BBB = Büro für Befestigungsbauten<br />
32 Meldung 9. Div vom 18.10.1939<br />
33 mutmasslich Fa. E. Briner, Lugano-Castagnola (Angabe Maurice Lovisa)<br />
34 BAr: E 5790 -/9001 3351/ Bd. 1ff<br />
35 BAr = Schweizerisches Bundesarchiv Bern<br />
36 BAr: E 5790 -/9001 2622 Bd. 1ff<br />
37 BAr: E 27 / -/9001 18467 Bd. 10<br />
38 Gemäss Aussagen Zeitzeuge Hans Wunderli, Jhg. 1913, Ohringen/Seuzach, ehem. Art Wm in der Fest Art Kp 16<br />
39 Die Tagebuchnotizen und Tagesbefehle sind wörtlich und textlich gemäss Original wiedergegeben (Zitate).<br />
40 Siehe auch Kapitel 4, Seite 14ff<br />
41 Die "Freiwillige Grenzschutztruppe" wurde 1936 aufgestellt und rekrutierte sich aus allen Waffengattungen und<br />
Dienstzweigen. Auf den 1. April 1942 wurden die ständigen Fortwachen mit der freiwilligen Grenzschutztruppe zum<br />
Festungswachtkorps vereinigt.
11<br />
5.9.39: «Es arbeiten den ganzen Tag 16 Mann, vornehmlich Schlosser, am Kranbau der neuen Türme<br />
am <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong>. Nachmittags werden weitere 50 Mann abkommandiert zum Einziehen<br />
des Kabels in die Türme.»<br />
10.9.39: «Besuch Oberst Fierz KTA und Oberstlt Fritz BBB.»<br />
15.9.39: «Antransport und Ablad eines 10,5 cm Rohres für Pz. Kan. S. <strong>Carlo</strong>. Die Kp stellt für diese<br />
Arbeiten und Verlegung der Geleiseanlagen ein Detachement von 20 Mann.»<br />
19.9.39: «Hptm Imhof vom Div Stab besucht die Kp und erzählt artilleristische Details über die neuen<br />
Türme S. <strong>Carlo</strong>.»<br />
23.9.39: «Bei den neuen Türmen S. <strong>Carlo</strong> wird heute eine Kanone fertig montiert, d.h. das Rohr eingesetzt<br />
und die Kuppel aufgesetzt. Beim Vorpanzer ist der Armierungsrost fertig gestellt, so<br />
dass mit der Betonierung begonnen werden kann.»<br />
27.9.39: «Die Geb Min Kp. 13, welche an Stollen der neuen Türme S. <strong>Carlo</strong> arbeiten, anerboten sich<br />
uns als "Freundesdienst" Sprengungen vorzunehmen. Die Fest Art Kp 17 arbeitete seit dem<br />
Einrücken an einer Befestigung "Prosa" oberhalb des Forts Hospiz.»<br />
Am 26. September 1939 verunsicherte Hptm Imhof vom Div Stab die Artillerie Offiziere der Fest<br />
Art Kp 17 mit seinen unbedachten und teils unsachlichen Äusserungen, welche den Tagebuchschreiber<br />
zu folgenden tiefsinnigen Überlegungen veranlasste: 42<br />
26.9.39: «Herr Hptm Imhof führt Vermessungen durch an den neuen Türmen in S. <strong>Carlo</strong>. Er isst im<br />
Fort zu Mittag. Bei dieser Gelegenheit erzählt er uns, dass gestützt auf seine genauen Messungen<br />
die Türme unrichtig placiert seien. Es ist wohl möglich auf S. Giacomo zu schiessen!<br />
Es entstehen aber sehr viele tote Winkel und die einzelnen Ladungen überdecken sich nicht<br />
im Gelände. Eine Versetzung von ca. 400 – 500 m mehr hätte weit bessere Resultate geliefert.<br />
Was einem Subalternen Of beim Aufstellen einer Bttr nicht vorkommen darf, passiert<br />
unseren hohen Vorgesetzten bei einer Arbeit, die auf ca. 1,5 Millionen veranschlagt ist. Es<br />
interessiert uns nur, ob die fehlerhaften Instanzen gestützt auf den Bericht von Herrn Hptm<br />
Imhof entsprechend zur Rechnung gezogen werden, da ja der Kp Kdt bestraft werden soll, für<br />
den Fall, dass Soldaten mit offenem Kragen und eingedrückten Mützen auf der Strasse ertappt<br />
werden.»<br />
Dem Tagebuchschreiber 43 und Hptm Imhof war offensichtlich zu wenig bewusst, dass weitere<br />
artilleristische Mittel, wie z.B. die Fest Art Kp 18 mit einer mobilen 7,5 cm Geb Kanonen Bttr in<br />
vorbereiteten Stellungen in Cioss Prato bei All'Acqua 44 oder der PzT Foppa Grande, diese Lücken<br />
schloss. Zudem wurde die artilleristische Feuerkraft in den Raum <strong>San</strong> Giacomo und oberstes<br />
Formazzatal durch den späteren Bau der <strong>AW</strong> Fuchsegg und <strong>AW</strong> Grimsel weiter wesentlich<br />
verstärkt. Schon am nächsten Tag kehrte der Tagebuchschreiber wieder zu den täglichen Sorgen<br />
und Aufgaben zurück:<br />
30.9.39: «Da ab 1. Okt. die Post auf Hospiz nicht mehr normal besorgt wird, Übernahme Postdienst<br />
für die Zivilarbeiter an den Türmen auf S. <strong>Carlo</strong> durch unsere Kp. Entspr. Verhandlung mit<br />
dem Werkführer werden gepflogen und die Übernahme des Dienstes zugesichert.»<br />
4.10.39: «Ein Det von Schlossern arbeitet immer noch an den Türmen auf S. <strong>Carlo</strong>, wobei eine Gruppe<br />
sich mit dem Innenausbau des Turms Nr. 1 und die andern am Vorpanzer des Turms Nr. 2<br />
beschäftigt. Auch Rekognoszierung der Nahverteidigungsanlagen für Fort S. <strong>Carlo</strong> durch Kp<br />
Kdt und Hr. Lt Güttinger.»<br />
9.10.39: «Für die Mat. Transporte für die Türme S. <strong>Carlo</strong> muss die Strasse teilweise ausgeschaufelt<br />
oder vom Eise befreit werden.»<br />
16.10.39: «Eine Gruppe Richtkanoniere wird instruiert um als Richter in den neuen Türmen arbeiten zu<br />
können. Die Demobilmachung und Abgabe der Bestückung geht rasch weiter.»<br />
17.10.39: «Gros der Kompanie Einschiessen 45 <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> ab 08.00 Uhr.» 46<br />
18.10.39: «Entlassung des Gros. Ein Detachement in Stärke von 1 Of (Lt Flury), 7 Uof und 33 Mann<br />
bleibt als Besatzung zurück. Der Kp Kdt (Hptm Ringger) bleibt zur Mitwirkung beim Einschiessen<br />
des neuen Pz.T. Nr. 2 im S. <strong>Carlo</strong> noch bis Freitag, 20.10.39 auf dem Hospiz.»<br />
42 BAr: E 5790 -/9001 2622 Bd. 2<br />
43 mutmasslich Hptm Ringger, Kdt Fest Art Kp 17<br />
44 Angabe Brigadier aD Rauch Andrea.<br />
45 Richtig sollte es "Anschiessen" heissen (siehe Kap. 4, Tabelle Seite 31).<br />
46 Vorgängig erfolgte das Anschiessen in Thun (siehe Kap. 4, Seite 31ff).
12<br />
Der Rapport der KTA 47 zu den Schiessversuchen vom 17. – 19.10.1939 im <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> berichtet<br />
über den Stand der Arbeiten und die gemachten Feststellungen:<br />
«Turm I montiert und schiessbereit; Turm II 48 Geschütz und Kuppel montiert, betonieren Vorpanzer.<br />
Zugangsstollen zu I + II ist noch eng und wird von Mineurtruppe in 3 Schichten ausgesprengt. Die<br />
Munitionstransportanlagen (Paternoster) fehlen ganz.<br />
Für Turm I + II wurde eine kurze Geleiseanlage von der Strasse weg angelegt, auf welcher die Stücke<br />
mit Winden transportiert wurden. (bei Foppa Grande: Bau-Standseilbahn Fa. Sulzer).<br />
Montagekran, der für Turm II noch von Hand getrieben werden muss.<br />
Zustand: Bei den Türmen fällt die überaus starke Kondenswasserbildung in der Kuppel auf. Von der<br />
Kuppel und Geschütz tropft fortwährend Wasser. Schon Rostbildung.»<br />
Der Bericht des Chefs der KTA, Oberst Fierz vom 19. Oktober 1939 49 , zeigt weitere festgestellte<br />
Mängel und Kinderkrankheiten auf, welche beim Anschiessen des <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> zu Tage traten<br />
und zum Teil erst in späteren Jahren behoben wurden. Die Vorschläge sind aus heutiger Sicht<br />
zum Teil eher amüsant, so dass es angebracht ist ist, sie auszugsweise zu zitieren:<br />
«1. Ventilation: In dem relativ kleinen Raum des Turmes kann sich sehr rasch CO und CO2 ansammeln.<br />
Es ist darum nicht geraten, ohne Kollektivschutz zu arbeiten. Nach den gemachten Messungen<br />
kann man den Kollektivschutz aber wahrscheinlich einfach ohne Maske ausführen, in dem Sinne,<br />
dass der Luftschlauch an der Brust des Mannes befestigt wird; er hat hierfür einen geeigneten Haken.<br />
Und es ist zu prüfen, ob man nicht um das Kinn eine einfache Luftführung anbringen kann, so dass<br />
der Frischluftstrom ständig vor Mund und Nase vorbeistreicht. Durch die auf diese Weise eingepumpte<br />
Frischluft dürfte die Entlüftung des Turmes genügend sein.<br />
2. Beleuchtung: Die Beleuchtung muss noch besonders studiert werden. Bei dem Schiessen hat man<br />
provisorisch zwei Lampen im Turm eingehängt, die aber so disponiert waren, dass der Schatten des<br />
Richters auf die Skalen der Axiometer fiel. ……..<br />
3. Schweisswasser: Der Turm war innerlich vollständig nass und zwar deswegen, weil die wahrscheinlich<br />
100 % feuchte Luft sich an der Kuppel abkühlte und dadurch das Wasser ausschied. Es<br />
sollte studiert werden, ob es nicht zweckmässig wäre, einen Versuch mit einer Turmisolation zu machen.<br />
Man könnte die ganze Kuppel mit einer Isolierschicht, deren Stärke noch abzuklären wäre, aus<br />
Glaswolle, eventuell Asbest oder etwas ähnlichem überziehen und das Ganze mit einem Stoffüberzug<br />
und darüber Drahtgeflecht an der Kuppel befestigen. Die Kuppel würde dadurch isoliert und sich auch<br />
bei kalter Witterung successive erwärmen, so dass die Frischluft, die eingepumpt wird, das Wasser<br />
nicht mehr abgibt. ….<br />
4. Munition: Die Munition muss auf alle Fälle gegen Tropfwasser geschützt werden. Es können Abschlussdeckel<br />
in Frage kommen, die man über der im Kreis angeordneten Munition aufhängt und die<br />
man jeweils über die Schussladung stülpt, event. auch solche über die Geschosspitze in der Meinung,<br />
dass die Munition ohne diesen Schutz durch den Aufzug herauftransportiert wird und erst im Turm die<br />
Deckel erhält. …..<br />
5. Hülsenauswurf: Der Hülsenauswurf hat im grossen ganzen gut funktioniert; es scheint aber, dass<br />
man ihn vielleicht noch etwas raffinierter ausbilden kann, um ein ganz ruhiges Abrutschen der Hülsen<br />
zu erzielen.<br />
6. Rohrtransport: Es wurde die Frage aufgeworfen, ob die Geleise für den Rohrtransport nicht stören.<br />
Es wurde früher geprüft, ob man nicht die Geleise umklappbar machen solle. … Auf diese Weise wird<br />
die ganze Treppe frei und besser gangbar.»<br />
Beruhigt darf man feststellen, dass auch solche Details "Chefsache" waren.<br />
Am 14. November 1939 wurde der zweite Panzerturm des <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> angeschossen und<br />
der Chef der Sektion für Schiessversuche rapportierte am 17.11.1939 mit Brief an die KTA: 50<br />
«10,5 cm Turm Gotthard: Wir teilen Ihnen mit, dass wir am 14. ds. den zweiten 10,5 cm Turm beim<br />
Gotthardhospiz angeschossen haben. Verfeuert wurden 10 StG MVZ mit Ladung 6 auf kleiner Elevation<br />
auf kurzer Distanz in 2 Richtungen (Winterhorn und Alpe Fortunei). Die ersten 5 Schüsse wurden<br />
mit Turm in normaler Stellung, die zweiten mit gehobener Kuppel geschossen. Das Verhalten von<br />
Geschütz und Munition war normal.<br />
Sektion für Schiessversuche, Der Chef Fierz»<br />
47 BAr: E 27 -/9001 18467 Bd. 17<br />
48 Hier werden nun die Turm-Nummern verwechselt – siehe Tagebuchnotizen Fest Art Kp 17 und Schiessprotokolle<br />
der Sektion für Schiessversuche.<br />
49 Bar: E 5156 (A) 1779/85 Bd. 85<br />
50 Bar: E 5156 (A) 1779/85 Bd. 85
Die Bauarbeiten gingen mit dem Bau der Unterkunft und der Nahverteidigung weiter:<br />
13<br />
1941 Werk, ohne Maschinenraum, fertig gebaut (4.7.1941)<br />
1942 Übergabe 1.4.1942 an das Festungswachtkorps (FWK) 51<br />
1942 Kollektivgasschutz Ende April 1942 betriebsbereit 52<br />
1942 Fertig: Unterkunft für 150 Mann, Unterkunft Stab Südfront 40 Mann,<br />
MunMag (Ventilation noch auszuführen), Wasserreservoir, Notstrom-<br />
gruppe, Telefonzentrale (Möblierung fehlt) und Wachtlokal. 53<br />
1942 Projekt Nahverteidigung<br />
1943 Tarnarbeiten HD Tarn-Det 3 AG<br />
1944 Nahverteidigung fertig 31.12.1944 (Werke A 8391-8395)<br />
1946 Lüftung + verschiedene <strong>San</strong>ierungs-, Erweiterungs- und Verbesserungs-<br />
arbeiten 54<br />
Festungsbau 1938 – 1944 (hier im Jura) Mineure an der Ausbruch-Seilwinde<br />
Unterdessen waren durch den Art Chef der 9. Division geheime Karten der im Bau befindlichen<br />
und der projektierten Befestigungsanlagen im Massstab 1: 50'000 erarbeitet worden. Jene des<br />
10,5 cm "Panzerturms Hospiz" umfasste nur die Sektoren des <strong>San</strong> Giacomopasses und der<br />
Leventina mit eingezeichneten schusstoten Räumen. Von den vorgesehenen Kommandoposten<br />
aus wurden handgezeichnete Panoramaskizzen mit den Ansichten der Zielräume angefertigt<br />
und diese ergänzten die noch spärlichen Schiess-Unterlagen. 55<br />
Noch vor dem Baubeginn des Kraftwerks Lucendro im Jahre 1942 wurde über die verschiedenen<br />
zu berücksichtigenden Berührungspunkte verhandelt, wie Steinbruch in der Nachbarschaft<br />
des Nahverteidigungsbunkers West, Trasséführung des Druckstollens in Nähe des <strong>AW</strong><br />
<strong>San</strong> <strong>Carlo</strong>, Führung der Transportseilbahn in Nähe der Panzertürme, Vergrösserung des<br />
schusstoten Raumes durch Staumauer Lucendro, Abschrankung des Festungsareals und Beschäftigung<br />
von Fremdarbeitern. 56<br />
Im Schweizerischen Bundesarchiv in Bern (BAr) sind erst in den Tagesbefehlen oder in den<br />
Aktivdienst-Tagebüchern der Fest Art Kp 17 57 und der Fest Art Abt 6 58 weitere Bemerkungen<br />
über das <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> zu finden:<br />
51<br />
gemäss Erlass des Generalstabschefs vom 25.3.1942 auf den 1.4.1942 eingeführt<br />
52<br />
BAr 5451 1973/22 (Festungsverw. Stand Gasschutz <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> 31.3.42)<br />
53<br />
BAr 5481 1973/22 Bd. 41 (Standbericht 14.7.42 an Armeekdo, Festungssektion und BBB)<br />
54<br />
Siehe Seiten 15/16<br />
55<br />
BAr: 5480 (A) 1975/39 (Historische Sammlung Schiesskarten Mappe Nr. 1)<br />
56 BAr: E 5480 (A) 1973/21 Bd. 58<br />
57 BAr: E 5790 -/9001 2622<br />
58 BAr: E 5790 -/9001 2603
18.6.41: Tagesbefehl: «Schneeräumung; Post- und Provianttransport vom S. <strong>Carlo</strong> zum Fort.»<br />
23.6.41: Tagesbefehl Hptm Bleuer: «Freilegen der Türme <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong>.»<br />
24./25.6.41: «Post- und Provianttransport vom Brüggloch und <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> nach dem Fort (Hospiz)» und<br />
«Transport vom Mätteli nach Fort»<br />
14<br />
7.8.42: Besetzungsübung vom 7.8. – 9.9.1942: «Einrücken; ca. 70 Mann sind definitiv im <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong>,<br />
ca. 100 Mann im Fort Hospiz untergebracht.»<br />
12.9.43: Mobilisierung 12.9. – 16.11.1943: «Einrücken Fort Hospiz - Bancchi 59 Baracke - Fort <strong>San</strong><br />
<strong>Carlo</strong>. 12 Of und 192 Uof + Sdt unter Hptm Bruppacher.»<br />
26.10.43: «Übergabe <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> an Umschulungskurs 9. Div.»<br />
z.B. Fest Art Kp 25 (spätere Grimsel-Kp mit 15 cm BK) im Umschulungskurs II der 9. Div. vom<br />
25.10. bis 13.11.43 in den "Lucendrobaracken" des <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong>. Fachdienst im <strong>AW</strong><br />
Sasso da Pigna unter Hptm Lussi. 60<br />
1943 – 1946 wurde im Sommer an den weiteren baulichen und mechanischen Ergänzungen<br />
des Werkes gearbeitet. Gleichzeitig wurde in nächster Umgebung des <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> das Kraftwerk<br />
Lucendro erstellt, mit der Staumauer 61 , den Wasserfassungen im Valletta <strong>San</strong> Gottardo,<br />
dem Druckstollen etc. Im Jahr 1944 war die Nahverteidigung fertig gebaut und es trat die neu<br />
zusammengestellte Fest Art Kp 28 im <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> unter Hptm Schuster in Aktion:<br />
14.8.44: 62 Tagesbefehl Fest Art Kp 28 im Ablösungsdienst: «Panzertürme, Gefechtsschiessen, Angriffsübung<br />
Lucendro. Bestand 155 Mann mit 6 Of + 17 Uof + 132 Sdt.»<br />
Am 4.12.1944 hält in einem Kontrollbericht Hans Käppeli 63 von der K+W Thun seine Beobachtungen<br />
eines Artillerie Schiessens im <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> fest: 64<br />
«Betr. Schiessen mit PzT Nr. 1 + 2 <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong>:<br />
Fest Art Kp 28 im Nov. Ca 800 Schuss, letzter Schiesstag 30.11. 44<br />
80 Schuss Schnellfeuer in 5 Serien bei ca. 25º Elevation.<br />
Notwendig einheitliche Instruktion betr. Benützung der Ladevorrichtung<br />
und Verbesserungen der Ladeschaufel.»<br />
Schon 1940 (vom 28.10. bis 1.11.1940) waren die drei Panzertürme <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> und <strong>AW</strong> Foppa<br />
Grande mit einer neu konstruierten Ladeschaufel ausgerüstet worden. 65 Aber auch diese gab<br />
immer wieder Anlass zu Beanstandungen.<br />
Nach weiteren Ausbildungsdiensten nahte das Kriegende und am 8. Mai 1945 war es soweit.<br />
Wohl war noch nicht Friedensschluss, doch der Waffenstillstand auf dem europäischen<br />
Kriegsschauplatz wurde mit freudigem Glockengeläute in der Schweiz verkündet. Aber für die<br />
Fest Art Kp 28 als Bestandteil der Fest Art Abt 6 gab es in diesem Jahr noch eine letzte militärische<br />
Episode:<br />
14.5.45: «Einrücken zum 5-wöchigen Ausbildungsdienst. Die Fest Art Kp 28 rückt in Hospenthal ein<br />
und gelangt durch Fussmarsch ins Werk <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong>. Bestand 131 Mann mit 7 Of + 10 Uof +<br />
114 Sdt.»<br />
Dieser Aktivdienst als Ausbildungsdienst 66 , mit Einrücken nur 6 Tage nach dem Waffenstillstand<br />
vom 8. Mai 1945, stiess bei der Truppe in der allseits vorherrschenden Aktivdienstmüdigkeit und<br />
allgemeiner Friedensstimmung auf wenig Verständnis und es gab auf allen Stufen Demarchen<br />
bei Bundesrat Kobelt und bei General Guisan. 67<br />
Ein Gefreiter der Fest Art Kp 16 68 hat sogar am 15. Mai 1945 direkt dem General telegraphiert<br />
und sein Erscheinen auf dem Gotthard verlangt. Auf dem Dienstweg sandte er die ergänzte<br />
Telegrammkopie an den General, was eine ziemliche Aufregung verursachte.<br />
59<br />
"Banchi" = heute gebräuchliche Ortsbezeichnung, hiess aber ursprünglich "Bianchi"<br />
60<br />
BAr: E 5790 -/9001 2631 Bd. 1<br />
61<br />
Staumauer Lucendro: System Nötzli mit Hohlräumen zur Einsparung von Material, insbesondere von Zement<br />
62<br />
siehe auch S. 71: Übergabewidmung auf der Wandmalerei in der Offiziersmesse<br />
63<br />
Zeitzeuge im Kapitel 3 Seite 17ff<br />
64<br />
BAr: E 27 -/9001 18467 / Bd. 12<br />
65<br />
BAr: E 27 -/9001 18467 / Bd. 14<br />
66<br />
Fest Art Abt 6 reduziert: Fest Art Kp 16, 17 und 28 (ohne Kp. 24 und 27)<br />
67<br />
BAr: E 5790 -/9001 2603 Bd. 4 (Tagebuch der Fest Art Abt 6)<br />
68<br />
Fest Art Kp 16 im <strong>AW</strong> Foppa Grande und Fort Airolo (BAr: E 5790 -/9001 2603 Bd. 4)
«Herr General Guisan, Armee H.Q.<br />
Zur Abklärung sehr ernster Angelegenheiten<br />
ist Ihre Anwesenheit beim<br />
Standort der Fest. Art. Abt. 6 ausserordentlich<br />
dringend erforderlich.<br />
Rapport folgt auf dem Dienstweg.<br />
sig. Gfr. Born Fritz<br />
Fest Art. Kp. 16»<br />
Telegramm 15.5.1945 an General Guisan<br />
15<br />
Artikel im Luzerner Tagblatt vom 19.5.1945<br />
Am 16.5.1945 traf sich der Kdt der Fest Art Abt 6 Major Wohnlich mit Divisionär Gonard, Kdt 9.<br />
Division. Sie erörterten, ob der Fest Art Abteilung 6 eine zeitgemässe Aufgabe zugewiesen werden<br />
könne oder ob die Abteilung sofort zu entlassen sei. Man bat die Truppe fast inständig, unbedachte<br />
Handlungen zu vermeiden. Zeitungsartikel in Luzerner Tageszeitungen 69 machten auf<br />
den Missstand aufmerksam und stellten öffentlich unangenehme Fragen. Mit viel Geschick wurden<br />
Kurzschlusshandlungen vermieden. Die Truppe wurde mit Aktivitäten, wie Wachdienst im<br />
<strong>AW</strong> Fuchsegg und Schneeschaufeln an der Furkastrasse beschäftigt. Relativ rasch wurde dann<br />
eine salomonische Lösung gefunden:<br />
22.5.45 70 «Heute Abend trifft vom Kdo 9. Div der telefonische Bericht ein, dass die Trp der Abt 6 am<br />
26.5.45 auf Pikett entlassen werde (grosses Hurragebrüll mit Fest!).»<br />
Divisionär Gugger inspizierte, wohl wie eine abschliessende "Alibiübung", am 23.5.1945 die<br />
Fest Art Abteilung 6 mit den Kompanien 16, 17 und 28. Die aufgebotenen ca. 570 Wehrmänner<br />
der Fest Art Abt 6 wurden am 26. Mai 1945 auf Pikett nach Hause entlassen. Damit war auch<br />
der Aktivdienst der Fest Art Kp 28 beendet. Erst auf den 20. August 1945 wurden mit Bundesratsbeschluss<br />
der Aktivdienstzustand und damit die Pikettstellung aufgehoben.<br />
Wie sich im folgenden Bericht eines Zeitzeugen aus dem Aktivdienst zeigt, war aber die<br />
durch die Kriegslage bedingte Ausführungsetappierung beim Bau des <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> nicht sehr<br />
erfolgreich gewesen. Die Vorbereitungen für den Bau dieses Festungsprototyps sind wohl ungenügend<br />
und überstürzt durchgeführt worden. Dadurch war das <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> während dem<br />
Aktivdienst in der Winterperiode nur beschränkt einsatzbereit und auch kaum vernünftig bewohnbar.<br />
Die Ausführung während den langen Winterperioden war, mit den damals für den Bau<br />
auf dieser Höhenlage zur Verfügung stehenden Mitteln, ungenügend und unrationell, soweit die<br />
Arbeiten überhaupt weitergeführt werden konnten. Daraus ergab sich die überlange Bau- und<br />
Ausrüstungszeit bis nach Kriegsende. So kam es, dass der später begonnene Bau des grösseren<br />
<strong>AW</strong> Sasso da Pigna auf dem Gotthardpass sogar früher beendet werden konnte.<br />
Erst nach dem Aktivdienst wurden 1946 mit einem umfangreichen Nachrüstungsprogramm<br />
die erkannten gravierenden Mängel behoben 71 und die notwendigen <strong>San</strong>ierungen durchgeführt,<br />
unter anderem mit:<br />
� Einbau einer tauglichen Lüftungs- und Klimaanlage mit Lufterhitzer und Rückkühler 72<br />
� Hochspannungsleitung<br />
69<br />
z.B. Luzerner Tagblatt 19.5.1945, Seite 3: "Wird es tagen" und Luzerner Tagblatt 22.5.45: "Wehret den Anfängen"<br />
70<br />
BAr: E 5790 -/9001 2603 Bd. 4 (Tagebuch der Fest Art Abt 6)<br />
71<br />
BAr: 5481 1984/62<br />
72<br />
Plan Geniechef der 9. Div vom 10.5.1944 (Archiv Fondazione "La Claustra")
16<br />
� Ersatz der Holzdachkonstruktion in der Munitionsmagazin-Kaverne durch ein Betondach<br />
� Erstellung einer verbesserten Entwässerung der Anlage<br />
� Trenntüren zur Schaffung von Klimazonen<br />
� Trenn-Gittertüren zum Kdo Trakt Südfront<br />
� Stollenverteidigung: Ausrüstung mit Armee-Schartentopf für Lmg<br />
� Dach über dem Gang der Kaverne 4 (Mannschaftsunterkunft)<br />
� Brauchwasserreservoir mit Filteranlage im Verbindungsstollen zur Druckstollenentleerung<br />
KW Lucendro<br />
� Einrichten Vorratskammer im Verbindungsstollen<br />
� Abdichten der Schrägschachtköpfe<br />
� Ventilation beider Panzertürme und verbesserter Kollektivmaskenschutz (KMS)<br />
� Beheizung und Aussenisolation der Panzertürme<br />
� Zusätzliche Betonpanzertüre im Notausgang-Schrägstollen<br />
� Wintereingangs-Holzhütte über dem Werkportal<br />
� Vorplatzentwässerung<br />
Die baulichen Ergänzungsarbeiten gemäss Werkvertrag vom 27. Juli 1945 mit der Firma Murer<br />
AG Andermatt wurden am 27. Juli 1946 beendet und abgenommen.<br />
Die Erkenntnisse der früheren negativen Erfahrungen flossen auch in die neuen Festungsbauten<br />
ein, welche auf ähnlicher Höhe liegen und welche etwas später von 1941 bis 1945 gebaut<br />
wurden: Artilleriewerke Sasso da Pigna, Gütsch, Fuchsegg und Grimsel. Diese Festungen<br />
haben sich unter den klimatischen Bedingungen des Hochwinters von Anfang an besser bewährt<br />
und bei den tiefer gelegenen ebenfalls im 2. Weltkrieg erstellten Artilleriewerken 73 tauchten<br />
diese Probleme, wenn überhaupt, nur beschränkt auf.<br />
Der Vorplatz des <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> an der alten Gotthardstrasse und zu Füssen der<br />
Lucendro-Staumauer. 74 Das Eingangsbauwerk zur Festung ist noch im alten Zustand<br />
mit dem erst 1946 aufgesetzten Holzhäuschen für den Wintereingang (Foto ca. 1948).<br />
Da die alten Akten der Bauperiode 1938 – 1944 mutmasslich vernichtet wurden, fehlen bauliche<br />
Angaben über die Bauausführung, wie Bauablauf und Bauprogramm, eingesetztes Baupersonal,<br />
Leistungen, Baukosten mit Soll – Ist-Vergleich, Bauführer-Tagebücher usw. Anhand des<br />
beiliegenden Situationsplanes (Seite 10) kann Folgendes geschätzt werden (ohne Bauwerke<br />
der Nahverteidigung):<br />
� Stollenlänge insgesamt mit allen Kavernen: ca. 690 m<br />
� Felsausbruchkubatur fest: ca. 18’000 m3<br />
� Unterirdische Nutzfläche: ca. 4'000 m2<br />
73 Artilleriewerke mit 10,5 cm PzT: Foppa Grande + diverse in Dailly und Sargans (Siehe Kap. 4, Seite 14ff)<br />
74 Bau der Lucendro-Staumauer durch die ATEL AG (Aare-Tessin AG) 1942 - 1948
3. Bericht eines Zeitzeugen aus dem Aktivdienst im <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong><br />
17<br />
Als frischgebackener Festungsartillerie-Leutnant ist Paul Erni 75 1939 bei der Kriegsmobilmachung<br />
auf den Gotthard eingerückt und hat in der Fest Art Kompanie 17 die Entstehung des <strong>AW</strong><br />
<strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> und den Aktivdienstbetrieb in dieser Gotthardfestung miterlebt. In verschiedenen<br />
Publikationen hat er seine Erlebnisse in Worten und mit Zeichnungen festgehalten und im engeren<br />
Kreis publiziert. Lassen wir ihn als Zeitzeugen aus längst vergangener Zeit berichten: 76<br />
«Das alte Fort Hospiz bot der Fest Art Kp 17 schon in der Sommerperiode eine eher primitive<br />
Unterkunft. 77 Nun ging es aber in einen ungewissen Kriegswinter. Die Kompanieangehörigen<br />
nahmen nun die Sache selbst an die Hand und richteten sich, so gut es ging, im Fort Hospiz<br />
selbst besser ein. Sofort übernahmen Teile der Kompanie die Bewachung des im Bau befindlichen<br />
neuen <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> und zugleich auch die Mithilfe beim Ausrüsten und Bauen desselben.<br />
Bald zeigte sich jedoch, dass die Hauptaufgabe nicht mehr das Bewachen und Helfen war,<br />
sondern dass der Tessiner Bauunternehmer die Angehörigen der Fest Art Kp 17 als willige und<br />
billige Gratisarbeitskräfte missbrauchte. Er selbst hatte ca. 20 bis 25 Arbeiter im Einsatz. So<br />
arbeiteten nun die Offiziere, Unteroffiziere und Soldaten beim Stollen- und Kavernenausbruch<br />
wie auch beim Betonieren wacker mit, transportierten Material mit den Rollwagen und legten<br />
überall kräftig Hand an. Da viele durch ihre lange Abwesenheit von ihrer Berufstätigkeit existentielle<br />
Probleme bekamen und diese sehr zivile Arbeit nicht mehr mit der eigentlichen militärischen<br />
Aufgabe vereinbar war, wurde die Stimmung in der Truppe laufend schlechter. So kam es<br />
zu Reklamationen an vorgesetzter Stelle. Nach einer darauf folgenden Inspektion durch Divisionär<br />
Tissot verbesserte sich die Situation und einzelne Leute wurden nach Hause entlassen.»<br />
Paul Erni beschreibt in seiner Erinnerung an ein tragisches Ereignis im Büchlein "Der fatale<br />
Ring" das Ausharren auf dem Gotthardpass in einem Kriegswinter wie folgt:<br />
«Heftig brauste der Wind über die winterliche Passhöhe des St. Gotthards und in weissen<br />
Böen legte sich der aufgewirbelte Schnee auf die scheinbar wandernden Kuppen. Wir waren<br />
unser vierzig Mann im alten Fort Hospiz, ein kleines Detachement für den Soforteinsatz auf der<br />
Passhöhe im Kriegswinter 1942/43. Das alte Fort hatte nur wenig gemein mit den modernen<br />
Felskavernen unserer heutigen Festungssysteme. Es ragte als Infanteriewerk noch über den<br />
Boden und in den Kasematten 78 konnte man wenigstens in den schneelosen Monaten durch die<br />
zahlreichen Scharten einen Blick ins Freie werfen.<br />
Trainkolonne im Schnee<br />
Für die Hospiz-Detachemente war der Winter die strengste, aber auch die schönste Zeit. Mitunter<br />
für Wochen gänzlich von der Aussenwelt abgeschlossen, war die Truppe auf sich selbst angewiesen,<br />
und nur ein geordneter Dienstbetrieb mit viel Patrouillentätigkeit auf Ski vermochte<br />
den guten Geist zu erhalten. In der Regel wurden wir nach anderthalb Monaten abgelöst. Besondere<br />
Schwierigkeiten verursachte natürlich der Nachschub, der über die Nordseite von einem<br />
Säumerdetachement mit Pferdeschlitten gewährleistet wurde. Doch selten erreichte die<br />
Kolonne ihr Ziel; sie musste die Lasten im Mätteli, im Brüggloch oder wenn es gut ging im Ro-<br />
75 Dr. Paul Erni, geb. 1917 in Luzern, wohnhaft in Basel<br />
76 Anlässlich eines rückblickenden Gesprächs am 30.12.2002<br />
77 Siehe auch "Aus den Anfängen der Gotthardfestung", Memoiren Hptm Hans Schiesser, Zürich, 1976<br />
78 Kasematten (franz.) = beschusssicherer Raum in Festungen
18<br />
dontboden im Schnee deponieren und unserer Truppe blieb die Sorge, das Material auf die<br />
Passhöhe zu schaffen. Anders war es mit der Post. Der Briefpost und der kleinen Paketpost<br />
kam für diese langen Winterdienste besondere Bedeutung zu. Meist waren es junge, gebirgserfahrene<br />
Skipatrouilleure, die diesen Postdienst – wenn es die Wetterverhältnisse erlaubten –<br />
täglich von Airolo aus besorgten (durch die Tremola, wo sie meist noch in der damals noch existierender<br />
Tremola-Trattoria einkehrten).» Ergänzend erinnert sich Paul Erni heute an weitere Details:<br />
«Skipatrouillen mussten die vom Säumerdetachement im Schnee abgeladene Ware abholen.<br />
So kam es vor, dass halbe Kuhseiten im Schnee lagen und das Abholdetachement den<br />
Fleischberg zuerst mit dem Faschinenmesser 79 in transportfähige Stücke zerlegen musste. Erstaunlich<br />
war immer, wie sich die Säumerkolonnen im tiefen Schnee mit "Ruttnern" 80 ihren Weg<br />
bahnten, oft bei herrschender akuter Lawinengefahr. Während der Winterperiode beschränkte<br />
sich die Haupttätigkeit auf die Bewachungsaufgaben und den Nachschub, währendem die Ausbildung<br />
zur absoluten Nebensache wurde. Die Ausrüstung der Mannschaft war ungenügend.<br />
Wintertaugliche warme Mäntel existierten bei der Festungstruppe nicht. Neidisch blickte man auf<br />
exklusivere Stabsleute, welche in warmen Schaffellmänteln und -stiefeln in Andermatt herumstolzierten.<br />
Im Winter wurde, bevor die Unterkunft mit der Belüftungsanlage im <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong><br />
betriebsbereit war, die Bautätigkeit eingestellt und der Wachtdienst vom Fort Hospiz aus aufrechterhalten.<br />
Bei Kontrollgängen im "kampfbereiten" <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> zeigte sich im Winter ein<br />
ungewohntes Bild und offenbarte, dass die Einsatzbereitschaft nur auf dem Papier existierte und<br />
die vorhandenen Kriegseinsatzbefehle nicht durchführbar gewesen wären. Kurz nach dem Eingang<br />
behinderte eine Eisbarrikade das Durchkommen. Das aus dem wärmeren Innenbereich<br />
anfallende Wasser baute sich durch laufendes Gefrieren zu einer kompakten Eismasse auf, bis<br />
man nur noch an der Stollendecke durchkriechen konnte. Das Innere der beiden Panzertürme<br />
war ebenfalls mit einem dicken Eispanzer bedeckt. Alles war eingefroren und manövrierunfähig.<br />
Sogar der Richtkranz war nicht mehr sichtbar. 81 Die aufsteigende feuchtwarme Stollenluft hatte<br />
diesen "kriegswidrigen" Zustand bewirkt. Nach der Kenntnisnahme der wohl unerwarteten und<br />
unerfreulichen Tatsache durch die verantwortlichen Instanzen gab es eine Untersuchung.<br />
Als dann das <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> nach der Vollendung der Unterkunft im Herbst 1942 bezogen<br />
und erstmals im Winter 1942/43 betrieben wurde, zeigten sich weitere gravierende Mängel, als<br />
die WC-Anlagen einfroren. Dies war mit ca. 70 Mann Besatzung ein mehr als unangenehmer<br />
und unbeschreiblicher Zustand. Zuerst wurden die Zwischenräume (Galandage 82 ) zwischen den<br />
Gebäuden und der Kavernenfelswand, wie im Mittelalter in den Städten die Eh-gräben, als Notlösung<br />
für die Notdurft gebraucht. Dann schaufelte man vor dem Werk in den hohen Schneewänden<br />
schmale Gänge als "Scheissgräben" aus, welche man sukzessive umlegte bzw. durch<br />
neue ersetzte. Im Frühling bei der Schneeräumung mit den Schneeschleudern kam dann die<br />
braune Pracht zum Vorschein und führte dazu, dass sich die Schleudermannschaft mit den "Peter-Raupenfräsen"<br />
83 weigerte, die unappetitliche stinkende Masse zu entfernen. 84<br />
Alle Festungsangehörigen waren braungebrannt wie Sherpas mit ledrigen Gesichtern. So<br />
bemerkte man den Ausbruch der Gelbsucht bei einem Offizier erst an der verdächtigen Augenverfärbung<br />
und den Fieberschüben. Auf einem Kanadierschlitten wurde er ins Militärspital Andermatt<br />
evakuiert. In dem kleinen Offizierszimmer ging dann die Krankheit im Reihum weiter<br />
und griff auch auf das Nachbarzimmer über.<br />
Ein Gasdienst-HD machte im Werkinneren Luftmessungen und stellte dabei fest, dass man<br />
hier drinnen auf Grund des Ergebnisses gar nicht "überleben" könne. Der Hilfsdienstsoldat, ein<br />
Dr. chem. aus Basel, besass übrigens keine Uniform und tat seinen Militärdienst in den Zivilkleidern.<br />
1944 wurde das Gros der Fest Art Kp 17 in die neu gebildete Fest Art Kp 28 überführt und<br />
übernahm als Aufgabe die Festung <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong>.<br />
Die Stimmung der Truppe im langen Aktivdienst auf dem Gotthard stand nicht zum Besten.<br />
Die Kriegsmüdigkeit mit der langen Abwesenheit von zu Hause, einsam und abseits der Zivilisa-<br />
79 Faschinenmesser = altes Bajonett mit Sägebereich<br />
80 "Ruttnern" = Feststampfen des Schnees mit Pferden, Maultieren oder sogar Kühen<br />
81 Im Schiessprotokoll Nr. 9959 (BAr E 5156(B) 1994/209 Bd. 33) vom 5.01.1942 zeigten sich im Hochwinter<br />
sogar auf dem Schiessplatz "Zelgli" in Thun ähnliche Probleme: "Turm war innen vereist und liess sich schwer<br />
drehen".<br />
82 Galandage (franz.) = kleiner Zwischenraum zwischen Mauerung und Mauerverkleidung. In Festungen: Hohlraum<br />
zwischen Kavernenfelswand und Gebäudemauer mit einer Breite von ca. 50 – 150 cm.<br />
83 Maschinenfabrik Peter in Liestal<br />
84 Generalstabschef Jakob Huber am 2.9.1940: "…. schwere Nachteile in hygienischer Beziehung, die hätten vermie-<br />
den werden können." (BAr E 27 14193 Bd. 2)
19<br />
tion auf grosser Höhe, machte sich bemerkbar. Eine vorübergehende Verlegung der Fest Art<br />
Abt 6 zu einem Ablösungsdienst nach Gordola und Magadino brachte keine Verbesserung.<br />
Das Fass zum Überlaufen brachte das nicht annullierte Aufgebot zu einem 5-wöchigen Ausbildungsdienst<br />
nach dem Waffenstillstand vom 8. Mai 1945. Die Fest Art Abt 6 war bei der Demobilmachung<br />
schlicht und einfach vergessen worden. Die Truppe rückte nur noch mit Brotsack<br />
und Gamelle aus! Nach 12 Tagen war der Spuk vorbei und die Truppe wurde nach Hause entlassen.»<br />
85 Sarkastisch meint Paul Erni heute:<br />
«Wir haben das alles auch überlebt und die positiven Erinnerungen überwiegen.»<br />
Paul Erni hat 1967 im Mitteilungsblatt der Fest Stabskp 6 86 sein Erlebnis der Kriegsweihnacht<br />
1940 auf "<strong>San</strong> <strong>Carlo</strong>" eindrücklich geschildert:<br />
«Wir waren unserer etwa fünfzig Leute im Bewachungsdetachement im alten Fort Hospiz mit<br />
der zusätzlichen Aufgabe, den Primäreinsatz des kleinen alten Gotthardwerkes und der beiden<br />
Türme in <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> – die Festung selbst war für die Truppe damals noch nicht fertig ausgebaut<br />
und das Werk Sasso da Pigna noch nicht einmal begonnen – zu gewährleisten. Das Gros des<br />
Detachementes war im alten Fort unter recht einfachen Verhältnissen untergebracht, während<br />
etwa fünfzehn Mann die Bewachungs- und Einsatzgruppe für <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> bildete. Diese wohnten<br />
in einer Baubaracke am Stolleneingang zum Werk <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> und wurden alle drei Tage durch<br />
Kameraden vom Detachement Hospiz abgelöst. Täglich sicherte zudem eine Patrouille von drei<br />
Mann die physische Verbindung der beiden Detachemente, eine Aufgabe, die dem an den<br />
Sommerdienst gewohnten "Hospizler" als eine bequeme und völlig unproblematische Angelegenheit<br />
vorkommen muss. An gewissen Tagen im Winter wurde sie zu einem beinahe unlösbaren<br />
Problem und erforderte von unseren Soldaten höchste körperliche und seelische Anspannung.<br />
So war es am Heiligen Abend 1940.<br />
Ein wilder Schneesturm fegte schon den ganzen Vormittag des 24. Dezembers 1940 über<br />
den tiefverschneiten Pass, und die altehrwürdigen Bauten des Hospizes erschienen in ihrer oberen<br />
Partie nur noch als gespenstische Kulissen. Mehrere Meter hohe Verwehungen türmten sich<br />
an den Steinhäusern auf, und diese schienen im vorbeisausenden Flugschnee zu wandern.<br />
Eine grimmige Kälte herrschte über dem Gotthard. Gefr. Arnold, ein Mann im vorgerückten Alter<br />
und zwei jüngere Kameraden – die heutige Patrouille für <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> – krochen in ihren weissen<br />
Sturmanzügen aus dem Schneetunnel am oberen Eingang des alten Forts und machten sich<br />
auf den Weg nach dem neuen Werk.<br />
Skipatrouille im Schneesturm an der Kriegsweihnacht 1940<br />
Wegen des stürmischen Wetters erinnerte ich den Patrouillenführer ausdrücklich seiner Pflicht,<br />
mir sein Eintreffen in <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> telefonisch zu melden. Es war vorgesehen, dass die drei den<br />
Weihnachtsabend mit ihren Kameraden in <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> verbringen sollten, weshalb ihre Säcke mit<br />
allerhand Speis und Trank sowie süssen Überraschungen angefüllt waren. Alle freuten sich auf<br />
ein frohes Fest, zwar fern der Familien, doch unter guten Kameraden. Der Weg dorthin aber war<br />
noch sauer zu verdienen.<br />
85 s. auch Seite 15 und "Basler Tagebuch – Aufzeichnungen eines Luzerners", Seiten 7-15, Paul Erni, 1985<br />
86 "Gotthardpost", Mitteilungsblatt der Fest Stabskp 6, Januar 1967, Seite 8ff
20<br />
Gegen den eisigen Nordwind und den beissenden Treibschnee kämpfend, arbeiteten sich die<br />
drei Patrouilleure bis zur eigentlichen Passhöhe vor, von wo sich die Strasse gegen <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong><br />
abzusenken beginnt. Tiefer Neuschnee und über mannshohe Wächten an sonst harmlosen<br />
Stellen hinderten ein rasches Gehen und erschwerten vor allem die Orientierung. Die Markierungsstangen,<br />
die wir etwa alle fünfzig Meter stecken hatten, waren vom nächtlichen Sturm<br />
grösstenteils umgelegt oder dann im angehäuften Treibschnee versunken. Unentwegt versuchten<br />
die drei Kameraden, der Unbill dieser weissen Wüste zu trotzen und der ihnen von früheren<br />
Gängen her so vertrauten Route mehr oder weniger instinktiv zu folgen. Ich jedenfalls hatte keine<br />
Bedenken, als ich die drei Patrouilleure nach den ersten Schritten vor dem alten Fort im milchigen<br />
Weiss verschwinden sah. Sie waren alle drei geübte Skifahrer und im Übrigen war der<br />
Weg nach <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> ja nicht lang.<br />
Etwas mehr als eine Stunde mochte verflossen sein, seit die drei Patrouilleure das alte Fort<br />
verlassen hatten, und immer noch wartete ich auf die telefonische Meldung. Beunruhigt rief ich<br />
selbst den Posten <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> an, um nach dem Verbleib der Männer zu fragen. Im Trubel der<br />
Weihnachtsbotschaften und in der Vorfreude auf den Abend mochten sie den Anruf vergessen<br />
haben. Doch Gefr. Arnold und seine beiden Kameraden waren noch nicht angelangt. Das<br />
schien mir höchst merkwürdig und ich befürchtete einen Unfall. Nach einer weiteren halben<br />
Stunde vergeblichen Wartens machte ich mich mit drei bewährten Berggängern selbst auf die<br />
Suche, mit Kompass, Höhenmesser und den roten Lawinenschnüren ausgerüstet.<br />
Mittlerweile wollten unsere drei Patrouilleure die Passhöhe überwinden und die an sich leichte<br />
Abfahrt nach <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> unternehmen. Im heftigen Schneetreiben waren sie jedoch etwas von<br />
der üblichen Route abgekommen und in das felsige Gelände oberhalb <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> geraten. Der<br />
Führer der Patrouille trat unversehens eine kleine Neuschneewächte ab und fiel einige Meter<br />
tiefer in eine jener Mulden, die sich im Sommer so gut für gefechtsmässige Schiessübungen<br />
eignen. Nur mit Mühe konnte sich Gefr. Arnold aus den weichen Schneemassen befreien. Bevor<br />
er den ihm mittelbar nachfolgenden Kameraden zu warnen vermochte, war auch dieser ihm<br />
nachgestürzt und nur der Dritte konnte den Fall vermeiden. Eine richtige Verständigung im heulenden<br />
Wind war kaum möglich. Der Vorfall genügte, um die sonst tapferen Kerle aus der Fassung<br />
zu bringen und ihnen den panischen Schrecken des "Nicht-mehr-Wissens-wo-ein-undaus",<br />
das heisst einer absoluten Hilflosigkeit einzujagen. Unter grosser Anstrengung arbeiteten<br />
sich die beiden aus der tiefen Schneemulde heraus und Arnold versuchte, sich mit dem Kompass<br />
zu orientieren. Die ungewohnte Geländestruktur machte aber sein Vorhaben zunichte und<br />
die Patrouilleure gerieten an den Rand der Verzweiflung. Sie beschlossen, nicht mehr weiter zu<br />
gehen und ein Nachlassen des Sturmes abzuwarten. Auch hofften sie, dass man nach solcher<br />
Übermarchung der Marschzeit nach ihnen suchen würde. Da sich alles Rufen im heulenden<br />
Wind zu verflüchtigen schien, beschlossen sie, mit Karabinerschüssen ihre Lage zu signalisieren,<br />
eine nahe liegende Massnahme, hatte doch jeder Soldat in jenen Tagen seine 48 Schuss<br />
scharfer Munition auf sich.<br />
Unsere Suche nach der überfälligen Patrouille war kein leichtes Unterfangen. Der Sturm<br />
hatte die letzten Spuren bereits verwischt. Eben hatten wir die die Passhöhe markierende und<br />
vom heftigen Wind bis fast zum Boden freigelegte Eisenstange erreicht, als uns das wiederholte<br />
Knallen, manchmal näher, manchmal vom Winde weiter fortgetragen aus Richtung Valletta aufmerksam<br />
machte. Mit etwelcher Mühe hielten wir die Richtung, aus der wir die nun deutlich hörbaren<br />
Karabinerschüsse wahrnahmen. Etwa zweihundert Meter von der Passhöhe entfernt, in<br />
dem dort stark verschnittenen Felsgelände, entdeckten wir unsere Kameraden, die fast verzweifelt<br />
waren.<br />
Offensichtlich hergenommen von der ihnen ausweglos erscheinenden Lage und den überstandenen<br />
psychischen und physischen Strapazen übergaben uns die Patrouilleure gerne ihre<br />
Lasten und folgten erleichtert unserer Spur. Eine halbe Stunde später, bei einbrechender Dunkelheit,<br />
erreichten wir alle die schützende Baracke vor <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong>, volle vier Stunden nach Weggang<br />
der drei Männer vom alten Fort Hospiz!<br />
Das bescheidene, aber umso herzlichere Weihnachtsfest in der überheizten Baracke von<br />
<strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> erhielt für uns alle eine ganz besondere Bedeutung. Es war ein Fest des Dankes für<br />
den glücklichen Ausgang eines gefährlichen Erlebnisses, und mancher von uns gedachte im<br />
flackernden Schein der wenigen Kerzen in tiefem Respekt der urtümlichen Gewalt unserer Natur<br />
und der göttlichen Vorsehung.»
4. Die 10,5 cm Panzerturm-Kanone Modell 1939 L52<br />
21<br />
Das Artilleriewerk <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> auf dem Gotthardpass war ein Prototyp für eine neue Gattung von<br />
Festungsgeschützen mit 10,5 cm Panzerturmkanonen, mit welchen im Zweiten Weltkrieg in den<br />
Jahren 1939 bis 1944 die Festungen St. Gotthard, St. Maurice und Sargans bestückt wurden.<br />
4.1 Vorgeschichte und Evaluation<br />
Die alten 12 cm Panzertürme (PzT), die einzigen wirksamen und weittragenden Festungsartillerie-Geschütze,<br />
waren überaltert. Im Zusammenhang mit der erkannten Gefahr aus dem Süden<br />
und der geplanten Befestigung im Raum Sargans wurden neue Waffensysteme geprüft. Schon<br />
an der Sitzung der Befestigungskommission 87 am 9. März 1936 wurde nach dem erfolgten italienischen<br />
Strassenbau auf den <strong>San</strong> Giacomopass zur raschen Verstärkung des Abwehrdispositivs<br />
im Raum des Gotthardpasses und als Ersatz der 12 cm PzT im Fort Airolo die Planung von<br />
2 – 3 Panzertürmen 10,5 -15 cm erwogen. Dazu lag eine Vergleichsofferte der KTA 88 vor.<br />
In der Beilage zum Protokoll dieser Sitzung hält Oberst Muntwyler 89 am 29. März 1936 unter<br />
anderem folgende treffende Überlegung fest:<br />
«Nicht zuletzt sprechen moralische Momente für die Anschaffung neuer Panzergeschütze, denn seit<br />
Jahrzehnten ist für die Modernisierung der Festungsgeschütze am Gotthard nichts mehr geschehen. Wir<br />
sind es der Truppe schuldig, zu zeigen, dass sie nicht zur Bedienung von Museumsstücken eingesetzt<br />
wird, sondern dass man gewillt ist, ihr moderne Kampfmittel zur Verfügung zu stellen.»<br />
An der Sitzung der Befestigungskommission vom 23. Februar 1937 wurden Vegleichsofferten<br />
der Firmen Krupp (D), Schneider (F) und Bofors (S) vorgelegt. Über das zu wählende Kaliber,<br />
entweder 10,5 oder 12 cm, konnte man sich noch nicht einigen.<br />
In der Befestigungskommission wurde einerseits das bisherige Kaliber 12 cm befürwortet,<br />
mit der Absicht, die an Lager liegenden grossen Munitionsbestände weiter einsetzen zu können.<br />
Andere Kommissionsmitglieder beantragten das Kaliber 10,5 cm, analog dem Kaliber bei der in<br />
grosser Zahl beschafften Bofors-Feldkanone. Ausserdem waren die Festungsgeschütze mit<br />
diesem Kaliber kostengünstiger und rascher und zudem erwies sich die Schussreichweite als<br />
unwesentlich kürzer. Die anzustrebende Vereinheitlichung der Munition gab schlussendlich den<br />
Ausschlag zur Wahl des Kalibers 10,5 cm (siehe auch Kap. 2, Seite 7ff) mit der Panzerturmkanone<br />
der Fa. Schneider, Paris, mit Lizenzfabrikation in der Schweiz und unter Beizug ausländischer<br />
Lieferanten.<br />
4.2 Beschaffung<br />
Die Vorgeschichte und der Fabrikationsablauf der 10,5 cm Panzertürme (PzT) sind in Dokumenten<br />
mit unterschiedlicher Aussagekraft belegt. Die besondere politische und militärische Lage<br />
vor und nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs prägt die schwierige Situation in der Beschaffung<br />
dieser wichtigen stationären Verteidigungswaffe. Grundlegend und aufschlussreich<br />
sind das nachfolgend zitierte ehemals geheime Protokoll Nr. 27 der Befestigungskommission<br />
der Sitzung vom 3./5. Mai in Bad-Ragaz 90 und der Vertrag der KTA mit den Ludwig von Roll -<br />
schen Eisenwerken, Giesserei Bern, vom 21. Oktober 1938: 91<br />
«Protokoll der Befestigungskommission der Sitzung 3./5. Mai 1938 in Sargans unter Vorsitz von Oberstkorpskommandant<br />
Labhardt, Chef der Generalstabsabteilung.<br />
Mitglieder: Div Tissot, Kdt der 9. Division<br />
Div Hilfiker, Waffenchef der Genietruppen<br />
Div Marcuard, Waffenchef der Artillerie<br />
Div Huber, Unterstabschef<br />
Oberst Fierz, Chef der Kriegstechnischen Abteilung<br />
Oberst Hafner, Chef der Festungssektion<br />
Oberst Schwarz, Kdt der Gebirgs-Brigade 10<br />
Oberst Possert, Geniechef der 9. Division<br />
Oberst Peter, Chef des Bureau für Befestigungsbauten<br />
87 Angaben aus Zusammenstellung Maurice Lovisa 01.2003 und BAr E 9500.73 1969/73 / Bd. 1<br />
88 KTA = Kriegstechnische Abteilung (siehe auch Fussnote Nr. 19 auf Seite 7).<br />
89 Oberst im Gst Muntwyler, Offizier des Materiellen der Festungsverwaltung St. Gotthard in Andermatt<br />
90 BAr: E 9500.72 1969/73 Bd. 1<br />
91 BAr: E 27 -/9001 18467 Bd. 5
22<br />
Beigezogen wurden noch diverse Korps- und Divisionskommandanten der Heereseinheiten in der Ostschweiz.<br />
Traktandum Nr. 2:Turmgeschütze<br />
Oberstdiv Huber gibt die voraussichtlichen Kosten bekannt:<br />
- Kosten pro Turm Fr. 345'000<br />
- Kosten für 2000 Schuss Fr. 250'000<br />
Total pro Turm rund Fr. 600'000<br />
Kosten für 5 Türme Fr. 3'000'000<br />
Kosten für den Einbau in St. Maurice Fr. 211'000<br />
Kosten für den Einbau im St. Gotthard Fr. 1'040'000<br />
Total rund Fr. 4'500'000<br />
Es werden die Pläne für den Einbau der 3 Türme im St. Gotthardgebiet vorgelegt. Die Baukosten in St.<br />
Maurice sind kleiner als im St. Gotthard, weil keine Unterkunft gebaut werden muss.<br />
Oberstkorps Kdt Labhardt hält es für angezeigt, die 2 Türme auf dem St. Gotthard näher zusammen zu<br />
nehmen. Es ist dann nur eine Unterkunft nötig, was die Kosten verringern wird. Oberst Fierz wünscht<br />
ebenfalls, dass die 2 Türme näher zusammengelegt werden. Um für beide nur 1 Ersatzteilmagazin zu<br />
benötigen und damit ein Geschütz event. die Munition des andern verschiessen kann, müssen jedenfalls<br />
die 2 Türme miteinander verbunden sein. Oberst Divisionär Marcuard spricht sich im gleichen Sinne<br />
aus, ebenso Div Hilfiker, der besonders hervorhebt, dass bei der grossen Entfernung der Türme die<br />
Nachrichtenmittel, die geschützt sein müssen, teuer zu stehen kommen. Oberstdivisionär Tissot begründet<br />
die angenommene Distanz (kleinere Verwundbarkeit – guter Fels). Er ist aber damit einverstanden,<br />
dass die Türme näher zusammengenommen werden. Oberst Fierz hält die im Projekt vorgesehene<br />
Überdeckung der Zugangsstollen zu gering. Die KTA wird die Angelegenheit noch studieren<br />
und mit dem Waffenchef der Genietruppen besprechen (Tieferlegung des Zugangsstollens). Oberst<br />
Possert hatte den Auftrag, die Tragfähigkeit der Brücken zu prüfen. Er meldet, dass der Transport der<br />
Panzertürme ohne Verstärkung der Brücken möglich sein wird. Um das Einstürzen von Trockenmauern<br />
zu verhindern, muss auf der Bergseite gefahren werden.<br />
Oberstkorpskdt Labhardt resümiert: St. Gotthard wird neue Projekte und neue Kostenberechnungen<br />
machen lassen und der Generalstabsabteilung einreichen. Die Türme sind so zusammen zu nehmen,<br />
dass die beiden unter einem Kommando stehen können, dass nur eine Unterkunft, eine Kraftzentrale<br />
etc. notwendig werden. Pläne und Bau sind so zu fördern, dass die Armierung im Frühjahr 1939 stattfinden<br />
kann.»<br />
Nachdem mit verschiedenen ausländischen Lieferanten Verträge abgeschlossen worden waren,<br />
wurde die Eidg. Konstruktionswerkstätte Thun (K+W) 92 mit der Geschützlieferung beauftragt und<br />
zwischen der Kriegstechnischen Abteilung Bern (KTA) und den Ludwig von Roll'schen Eisenwerken,<br />
Giesserei-Bern, am 21. Oktober 1938 folgender Vertrag abgeschlossen: 93<br />
«Herstellung von 5 Stück 10,5 cm Panzertürmen Modell Schneider sowie notwendiges Reservematerial.<br />
Nachstehende Teile werden fertig bearbeitet direkt von der KTA beschafft und der Giesserei Bern<br />
kostenlos abgegeben:<br />
a) der komplette Vorpanzer (Panzerring) (von den Firmen Cockerill und Columeta)<br />
b) die komplette Panzerkuppel (von den Firmen Cockerill und Columeta)<br />
c) das Rohr mit Bodenstück und Verschluss (von der K+W Thun)<br />
d) die komplette Schussbremse (von der K+W Thun)<br />
Herstellungspreis nach Ergebnis. Liefertermin des ersten PzT bis 30.4.1939; nachher monatlich ein<br />
Stück. Probemontage in den Werkstätten der Giesserei Bern in entsprechend betonierter Grube. Anstrich.<br />
Geheimhaltung: Pläne und Fabrikationsunterlagen, welche die KTA von ihrer Lizenzgeberin der<br />
Fa. Schneider & Cie. in Paris erhalten hat, also als direkte Verpflichtung gegenüber der Fa. Schneider &<br />
Cie.»<br />
Die Giesserei von Roll AG übernahm somit für die von der KTA beschafften und an die Firma<br />
von Roll AG ins Werk Bern zugelieferten Bestandteile des Geschützes und des Panzerturms die<br />
Vormontagen im Werk Bern und die Endmontagen in den Artilleriewerken. Die KTA schloss<br />
1938 mit der Columeta AG Basel, der Vertretung der luxemburgischen Firma Columeta, einen<br />
Vertrag für die Lieferung von Rohr- und Bodenstück-Rohlingen ab. 94<br />
«Vertrag KTA – Columeta AG Basel, als Zusatzauftrag zu den Verträgen vom 10.11 und 7.12.1938,<br />
für 4 Stück Rohr-Rohlinge aus Chrom-Nickel-Vanadium Stahl, Total Fr. 21'340.-, Termin Ende Sept.<br />
92 K+W Thun: heute RUAG Land Systems, Thun<br />
93 BAr: E 9500.73 1969/73 Bd. 1<br />
94 BAr: E 27 -/9001 18467 Bd. 14
23<br />
1939 und 3 Bodenstück-Rohlinge Fr. 9'015.-; geschmiedet, geglüht, vorbearbeitet und vergütet 95 . Die<br />
Lieferung für weitere PzT bleibt noch offen.»<br />
Soweit die weiteren Verträge heute fehlen, ist aus diversen Rapporten sowie Reise- und Inspektionsberichten<br />
der KTA die Beschaffung der wesentlichen Turm- und Geschützbestandteile im<br />
Ausland nachvollziehbar. So ist im Inspektionsbericht des Oberstlt Fritz der KTA vom 2. Dezember<br />
1938 die damalige Beschaffung im Ausland ersichtlich:<br />
2.12.38 Bericht KTA: 96 «Reise nach Seraing Belgien 21.11. – 25.11.38 mit Dir. Brügger K+W Thun.<br />
Reise nach Krupp Essen kam nicht zustande. Cockerill Seraing: Abnahme Flab-<br />
Rohr-Rohlinge. Besichtigung von Gussstücken für Vorpanzer. Kuppel Oberteile<br />
bei Cockerill, Härten durch Fa. Arbed. Sämtliche 5 sind bereits gegossen, noch<br />
nicht vergütet. Alle 10 Stück 10,5 cm Rohr-Rohlinge für die Türme sind geschmiedet<br />
und später im Wasser vergütet.»<br />
23.1.39 Protokoll KTA: «Besprechung mit Hr. Crévenat der Fa. Schneider & Cie. betr. 10,5 cm<br />
Panzerturm.»<br />
26.1.39 Bericht KTA: 97 «Reise nach Luxemburg 17.1. – 21.1.39 zu Fa. Columeta 98 Dommeldingen.<br />
Abnahme der zweiten Panzerturmkuppel und der 5 ersten Rohr-Rohlinge für die<br />
10,5 cm PzT.» Es wurden umfangreiche Materialproben zur nachfolgenden Analyse in<br />
den K+W entnommen.<br />
Weitere Berichte der zahlreichen Inspektionsreisen von Oberstleutnant Fritz der KTA und Korrespondenzen<br />
der KTA belegen die infolge der mehr als angespannten politischen Lage und<br />
dem Kriegsausbruch im Osten schwieriger werdende Beschaffung: 99<br />
29.1. – 3.2.1939: «Cockerill in Seraing, Belgien: Abnahme von 2 kompletten Vorpanzer. Columeta<br />
Luxemburg: Kontrolle von 2 Kuppeloberteilen Nr. 4 + Nr. 5. Betr. Beschussproben<br />
einer Panzerkuppel empfiehlt Columeta ein Gesuch an das Verteidigungs-<br />
Ministerium zu richten, mit 220 mm Haubitzen und ev. 280 mm Geschütz.»<br />
12.2. – 18.2. 39: «Cockerill in Seraing. Schwierigkeit in Beschaffung von Zahnkränzen. Ev.<br />
via Columeta von einer Fa. In Lüttich.»<br />
12.2. – 18.2.39: Reisebericht KTA Oberstlt Fritz vom 25.2.39 der Inspektion in Luxemburg,<br />
Belgien und bei Krupp in Deutschland:<br />
«Columeta Luxemburg: Abstempeln zur Probenentnahme von drei 10,5 cm<br />
Turmrohren, 4 Rohr-Bodenstücken und 2 Kuppelunterteilen. Essen (Krupp):<br />
Abnahmekontrolle von 18 Stück 10,5 cm Rohr-Rohlingen (Feldkanone?)»<br />
10.3. 39 KTA an K+W: «Für die in der Fabrik befindlichen Türme konnte die Bestellung (für die Zahnkränze)<br />
nur durch Vermittlung von Cockerill bei einer belgischen Firma in Lüttich<br />
untergebracht werden. Für weitere Türme eine Firma suchen.»<br />
17.3. 39 KTA an K+W: «Besprechung Giesserei Bern und Fa. Maag Zahnräder AG Zürich für die innen-<br />
verzahnten Kränze.»<br />
20.2.39 KTA an K+W: «Nachtrag zum Vertrag vom 19.11.39 (zwischen KTA und K+W): Verdoppelung<br />
des Auftrags von 5 Stück PzT auf 10 PzT.»<br />
21.7.39 K+W an KTA: «Die bei uns total bestellten 12 PzT sind in der Fabrik bereits soweit fortgeschritten<br />
dass weitere Serie wünschenswert ist.»<br />
11.11.39: «12 PzT (nur Geschütz) ca. Fr. 36'000 / Turm, exkl. Rohr- und Bodenstück-<br />
Rohling, inkl. Reservematerial, 1 Rohr und ¼ Bodenstück.»<br />
Aktennotiz 18.11.39: «(Generaldirektor Dübi + Oberstlt Fritz bei von Roll Gerlafingen) Abrechnung der<br />
ersten 5 Panzertürme. 1 Turm wesentlich teurer (=Prototyp). 12 PzT bereits in<br />
Fabrik (Bern).»<br />
Wie das eigentliche Festungsgeschütz in der Konstruktionswerkstätte Thun hergestellt und<br />
montiert wurde, berichtet ein Zeitzeuge im Kapitel 4.5 auf Seite 34. Auf den folgenden Schnittbildern<br />
ist der Aufbau des 10,5 cm Panzerturms (System Schneider) 1939 L52 mit Fundament,<br />
Geschütz, Vorpanzer und Panzerkuppel sehr gut ersichtlich.<br />
95 Vergütung = Veredelung, Arbeitsprozess in der Stahlverarbeitung<br />
96 Seraing: Industrieort bei Lüttich, Belgien<br />
97 Dommeldingen: Industrievorort der Stadt Luxemburg<br />
98 Heute Unternehmergruppe Arbed SA in Luxemburg: Werke Esch, Differdingen, Dommeldingen, Düdelingen<br />
Rochingen.<br />
99 BAr: E 27 -/9001 18467 / Bde. 6 - 8
24<br />
Schnitt durch den Panzerturm in Rohrachse Schnitt durch den Panzerturm senkrecht zur<br />
mit 2-teiliger Panzerturmkuppel, Vorpanzer Rohrachse mit 2-teiliger Panzerturmkuppel mit<br />
(dunkel), Lafettenabstützung, Fundament. Verschraubung und Vorpanzer (dunkel), Richtein-<br />
Rohrdrehpunkt in der Schartenöffnung. richtung, Zahnkranz, Rohrwiege und Fundament-<br />
Im Vordergrund Munitionsheber, rechts der abstützung. Turmhebevorrichtung. Kreisförmiges<br />
Hülsenabwurfkanal mit Hülsentrommel. Munitionsdepot an der Wandung des Bodenrau-<br />
Rechts unten: Panzertüre zum Schrägschacht. mes.<br />
Nach dem Kriegsausbruch 1939 und insbesondere nach dem Blitzüberfall der Deutschen in<br />
Belgien mit der Einnahme der Festung Eben-Emael am 10. Mai 1940 und gleichzeitig mit den<br />
Offensiven in den Niederlanden und Frankreich musste die KTA auf Schweizer Firmen umstellen.<br />
Dies bedingte zum Teil auch die Anpassung der Konstruktion, da die Ausführung von<br />
Grossgussstücke mit höchster Qualität von Panzerkuppeln und von Vorpanzern den üblichen<br />
Rahmen sprengte. Durch diese Umstellung verzögerte sich auch der ursprüngliche Zeitplan.<br />
Schon frühzeitig hatte der Chef der KTA vorsorglich die Prüfung von Ausweichmöglichkeiten<br />
angeordnet. 100<br />
Weisung Chef KTA, Fierz 6.10.1939 betr. Vorpanzer, intern an D.K.I., Sektion I:<br />
« In der Giesserei Bern wird jetzt ein Vorpanzer für die Bereitstellung der sukzessive montierten<br />
PzT verwendet. Dieser Vorpanzer muss noch die nachträglich verlangten vertikalen Keile erhalten.<br />
Es ist meines Erachtens nicht angängig, dass man den Vorpanzer bis zuletzt in Bern lässt, um, ihn<br />
beim letzten Turm zu verwenden, denn sonst wird die Montage dieses Turms verzögert, weil die Stücke<br />
nochmals nach Oerlikon müssen und dadurch mindestens eine Woche Zeit verloren geht. Im Weiteren<br />
müsste dann Oerlikon diese Stücke wieder ganz separat in Arbeit nehmen, da alle andern schon längere<br />
Zeit vorher abgeliefert sein werden.<br />
Es ist notwendig, so zu verfahren, dass sobald die Montagearbeiten es gestatten, ein neuer ganz<br />
fertiger Vorpanzer nach Bern spediert wird, den man dann für die Montage verwendet und der andere<br />
nach Oerlikon zurückgeht, um ihn fertig zu machen. Mit den Vorpanzern müssen naturgemäss immer die<br />
obern Einsatzbüchsen zusammenpassen. Die Sektion I soll in obigem Sinne disponieren und mir melden,<br />
welche Anordnungen sie getroffen hat.<br />
Ich erinnere daran, dass es notwendig ist, eine weitere Vorpanzer-Konstruktion zu studieren, wobei<br />
statt 4 Segmente 6 gemacht werden, damit dadurch Stücke in einer Grössenordnung entstehen, die wir in<br />
der Schweiz herstellen können. Die Sache muss so vorbereitet werden, dass für den Fall, dass die ausländischen<br />
Lieferungen wider erwarten ausbleiben sollten, alles vorhanden ist, um Ersatz in der Schweiz<br />
zu schaffen.<br />
In gleicher Weise ist die Angelegenheit der Kuppeln zu studieren, was schwieriger ist. In diesem<br />
Fall kommen nur Teilungen der Kuppel in Frage, dass man, um die gleiche Stärke zu erhalten, zwei<br />
100 BAr: E 5156(A) 1979/85 Bd. 85
25<br />
Schichten macht. Die Ausführung wird naturgemäss kompliziert und teuer, es muss aber der Ersatz studiert<br />
werden.<br />
Bern, den 6. Oktober 1939 Der Chef der Kriegstechnischen Abteilung sig. Fierz.»<br />
Der weitere Verlauf der Lieferungen aus dem Ausland und die Umstellung auf Schweizer Lieferanten<br />
sind dürftig dokumentiert. Man muss sich bewusst sein, dass in diesen Jahren das Thema<br />
"Panzertürme" bei den enormen Anstrengungen der Neubewaffnung und Ausrüstung der<br />
Armee nur eine der unzähligen schwierigen Aufgaben war. Die Firmenarchive, insbesondere der<br />
von Roll AG und der MFO Oerlikon, wurden mutmasslich weitgehend vernichtet. Nur die folgenden<br />
Notizen und die Fotos der Fertigungsarbeiten in Oerlikon lassen Rückschlüsse auf den weiteren<br />
Verlauf zu.<br />
4.5.38: Vertrag KTA mit AG der Eisen- und Stahlwerke, vormals Georg Fischer, Schaffhausen: 101 «Die<br />
KTA benötigt im Rahmen der teilweisen Neuausrüstung der Armee, sowie für Befestigungsbauten<br />
eine Anzahl grösserer Gussstücke aus ölvergüteten legierten Stählen. Dies benötigt eine<br />
entsprechend vergrösserte Ölvergütungsanlage. Beitrag an diese Fr. 90'000.-. …….»<br />
PzT-Kuppel bei MFO Oerlikon in Bearbeitung<br />
Unterdessen hatten sich die Ereignisse an der Kriegsfront überstürzt und die Lieferwerke in Belgien<br />
und Luxemburg waren seit dem Mai 1940 von den Deutschen besetzt. Die Deutschen<br />
konnten nun in aller Ruhe die vorbereiteten "geheimen" Lieferungen für die Festungen in der<br />
Schweiz in Augenschein nehmen. Bei der KTA war die Umstellung der Produktion längst im<br />
Gange und mutmasslich hatte man unterdessen die lieferbereiten Bestellungen aus Belgien und<br />
Luxemburg schon als verloren abgebucht. Am 16. Oktober 1940 kam wohl unerwarteterweise<br />
nochmals Bewegung in die Sache. Der Militärattaché der deutschen Gesandtschaft in Bern,<br />
Oberstleutnant von Ilsemann 102 telefonierte an diesem Tag direkt der KTA: 103<br />
«Die Besetzungsbehörden der Coquerill-Werke berichten, dass Material, wie Panzerkuppeln, Panzerglocken<br />
(Beobachterglocken) von den Werken für die Schweiz hergestellt, zum Teil für die Abnahme<br />
bereit, zum Teil vorgegossen (nicht vergütet) sei. Die Schweiz möchte berichten, ob sie noch auf dieses<br />
Material reflektiere.<br />
Oberstlt. v. Ilsemann wird uns raschmöglichst ein Verzeichnis des Materials zustellen.<br />
Ich habe ihn gebeten, uns mitteilen zu wollen, ob die Besetzungsbehörde für eine allfällige Übernahme<br />
dieses Materials die Anwesenheit in Seraing von Beamten der KTA gestatten würden. Diese hätten<br />
dann auch für die Abspedition des Materials besorgt zu sein. Oberstlt. v. Ilsemann will sich in dieser<br />
Angelegenheit mit den in Frage kommenden Amtsstellen sofort in Verbindung setzen.<br />
Bern, 16.10.40» 104<br />
Im Bericht von einer Reise nach Schaffhausen am 19.11.1940 rapportierte H. Hess, Ingenieur<br />
der KTA, über die Besprechung beim Stahlwerk Fischer Schaffhausen (+GF+) betr. Lieferung<br />
von Kuppeln für 10,5 cm Panzertürme: 105<br />
«In den G+F 106 Werken werden gegenwärtig die Fabrikationseinrichtungen derart umgebaut, dass ab<br />
ca. Anfang 1941 Stücke aus Stahlguss bis zum Gewicht von ca. 25 Tonnen gegossen und vergütet<br />
werden können. G+F hat ferner auch Einrichtungen gebaut, um die Aufgüsse von schweren Stahlguss-Stücken<br />
zwecks Erreichung eines homogenen Materials elektrisch heizen zu können. ….. Damit<br />
die für Sargans bestimmten 3 Pz.-T. im Laufe des Frühjahrs montiert werden können, sollten die 3<br />
101 BAr: 5150 (C) 1968/5 Bd. 2<br />
102 Iwan von Ilsemann, Oberstlt., später Generalmajor, deutscher Militärattaché in Bern vom 3.10.1936 – 1. Juli 1944<br />
103 BAr: 5155 1968/12 Bd. 15a (Abschrift der Telefonnotiz der Mitteilung in den Akten von Oberst Fierz)<br />
104 Bar: E 27 – 18465: GSC am 28.10.11940 an 3. AK: „Die seinerzeit bestellten Pz-T wurden von Deutschland frei-<br />
gegeben. Es stehen somit noch 7 Stück zur Verfügung“<br />
105 BAr: 5155 1968/12 Bd. 24a<br />
106 Korrekte Abkürzung für Georg Fischer AG seit 1903: +GF+ (Angabe Dr. Hans Ulrich Wipf)
26<br />
Kuppeln bei G+F raschmöglichst bestellt werden, unabhängig davon, ob wir ev. noch Kuppeln von<br />
Columeta Luxemburg erhalten können. Die Vorpanzer, sowie die Abdeckplatten für diese 3 Türme<br />
besitzen wir bereits. Bei einer Bestellung der Kuppeln bis ca. Mitte Dezember könnte damit gerechnet<br />
werden, dass die erste Kuppel ca. anfangs März abgeliefert werden könnte. Sofern wir die Modelle für<br />
Kuppel und Vorpanzer von Columeta bzw. Cockerill nicht erhalten, genügt es, wenn wir der Firma<br />
G+F diese Modelle bis Mitte Dezember zur Herstellung in Auftrag geben. …..»<br />
22.1.42: «17 (Rohr)-Bodenstück-Rohlinge bisher geliefert. Davon 1 Stk. für Versuchsgeschütz.<br />
Beschaffung über Fa. Columeta mutmasslich nicht mehr möglich. Wechsel<br />
zu Firma von Roll AG Gerlafingen.»<br />
31.5.44 K+W an KTA: 107 «Trsp. von 2 Panzerturmglocken vom "Zelgli" über K+W zu Georg Fischer,<br />
Schaffhausen.»<br />
Fertig bearbeitete 10,5 cm Panzerturmkuppel<br />
bei MFO in Oerlikon (1941 für Sargans)<br />
Arbeitsvorgang 1939 / 1940<br />
1940 nach Invasion<br />
in Belgien<br />
PzT-Konstruktion mit 10,5 cm Kanone 39 L52 KTA mit Lizenz Fa. Schneider Paris<br />
Rohrrohling Guss Columeta Luxemburg von Roll<br />
Rohrrohling Bearbeitung, Härten, Ausbohren Cockerill Belgien von Roll Gerlafingen<br />
Rohrfertigung K+W Thun K+W Thun<br />
Rohr-Bodenstück Guss Columeta (L) von Roll<br />
Rohr-Bodenstück Bearbeitung, Härten Cockerill (B) von Roll Gerlafingen<br />
Rohr-Bodenstück Fertigung K+W Thun K+W Thun<br />
Turmkuppel Guss Columeta (L) +GF+ Schaffhausen<br />
Turmkuppel Härten Arbed (B) +GF+ Schaffhausen<br />
Turmkuppel Fertigung Cockerill (B) ---<br />
Turmkuppel Fertigung --- MFO Oerlikon<br />
Vorpanzer Guss Columeta (L) +GF+ Schaffhausen<br />
Vorpanzer Härten Arbed (B) +GF+ Schaffhausen<br />
Vorpanzer Fertigung Cockerill (B) ---<br />
Vorpanzer Fertigung --- MFO Oerlikon<br />
Innenzahnkränze Cockerill + (via Columeta) Maag Zürich<br />
10,5 cm Kanone 39 L52 mit allem Zubehör K+W Thun K+W Thun<br />
Anschiessen Geschütz in Thun K+W Thun / S+S K+W Thun / S+S<br />
Probemontage Turm mit Geschütz im Werk Bern von Roll Bern von Roll Bern<br />
Vorpanzer- + Kuppelmontage im Artilleriewerk von Roll Bern von Roll Bern<br />
Geschützmontage im Artilleriewerk K+W Thun K+W Thun<br />
Munitionspaternoster von Roll Bern von Roll Bern<br />
107 BAr: E 27 -/9001 18467 Bd. 9 (der Zweck dieses Transportes nach Schaffhausen ist nicht nachvollziehbar).
27<br />
Für den Stahlguss und die Stahlvergütung der Panzerturmkuppel und des Vorpanzers wurden<br />
die Georg Fischer AG (+GF+) in Schaffhausen 108 und für Schweissarbeiten sowie die Fertigung<br />
die Firma MFO in Oerlikon beigezogen. Der Zeitzeuge Robert Blatter 109 erinnert sich, wie die<br />
von +GF+ gegossenen Panzerturmkuppeln auf der grossen Karussell-Drehbank in der Halle 2<br />
der MFO in Oerlikon bearbeitet wurden. Die Probemontage des gesamten Panzerturms mit dem<br />
Geschütz erfolgte vor dem Abtransport in die Artilleriewerke mutmasslich immer bei von Roll im<br />
Werk Bern.<br />
Welche Auswirkungen hatte wohl die vom Naziregime mit einer Propagandawelle ausgeschlachtete<br />
blitzartige Einnahme der belgischen Grossfestung Eben-Emael am 10. Mai 1940 110<br />
durch die deutschen Luftlandetruppen mit Gleitseglern auf unser Befestigungsprogramm? Noch<br />
im November 1937 besichtigte Oberst Fierz zusammen mit dem Waffenchef der Artillerie, Oberstdivisionär<br />
Marcuard, belgische Befestigungen und unter anderem auch die als uneinnehmbar<br />
geltende Festung Eben-Emael am Zusammenfluss von Maas und Albert-Kanal. 111 Vorerst<br />
rätselte man, wie so etwas möglich gewesen sei und welche Waffen zum Durchschlagen der<br />
schweren Panzerungen eingesetzt worden waren. Vorerst glaubte man, dies sei mit der damals<br />
bekannten Thermit-Schmelzmethode erfolgt. Als Sofortmassnahme wurden die später montierten<br />
Panzerturmkuppeln auch als thermische Isolation mit einer ca. 20 cm starken Mörtel-<br />
Korkschicht überzogen. Erst später erfuhr man von der von den Deutschen erstmalig als Waffe<br />
angewandten Hohlladungs-Technik. Die Betonüberdeckung hätte also auch nichts genützt. Als<br />
wichtigste Massnahme wurden raschmöglichst die Nahverteidigung und die Fliegerabwehr 112<br />
verstärkt.<br />
Nach der Vorserie von 5 Panzertürmen, welche vor Kriegsausbruch 1939 bestellt und zur<br />
Auslieferung vorbereitet worden waren, wurde die Hauptserie von weiteren 17 Panzertürmen<br />
weitgehend während des 2. Weltkriegs angefertigt und 1940 bis 1943 in den Artilleriewerken<br />
montiert. Bei der Bestellung der KTA 113 vom 9.5.1940 bei der K+W für die 10 Stück 10,5 cm PzT<br />
Nr. 13 – 22 wurde gleichzeitig die Rohmaterialbeschaffung für weitere 20 Stück d.h. für PzT Nr.<br />
23 – 42 bestellt. Es waren also nochmals 20 Panzertürme zur Verstärkung der Abwehrfront in<br />
der Nordschweiz 114 und zum Schliessen von Einfallsachsen in den Zentralraum geplant. So war<br />
vorgesehen, bei Giswil - Kaiserstuhl am Brünig 2 PzT und bei Kerns 1 PzT einzusetzen. 115 Auf<br />
dem Gotthardpass war ursprünglich auf dem Bergrücken "Scara Orello" östlich über der Tremola<br />
ein weiteres Artilleriewerk mit Panzertürmen geplant. 116 Dieses wurde schliesslich durch das<br />
<strong>AW</strong> "Sasso da Pigna" mit vier wesentlich wirksameren 15 cm Bunkerkanonen ersetzt. Die Absicht<br />
für diese weitere Serie von 10,5 cm Panzertürmen wurde jedoch frühzeitig aufgegeben und<br />
am 27.5.1942 117 stellt die KTA / K+W fest, dass für die nunmehr nicht zur Ausführung gelangenden<br />
10,5 cm PzT Nr. 23 – 42 schon eine beträchtliche Menge Halbfabrikate vorhanden sei. Die<br />
Bestellung der KTA vom 22.11.1940 und 27.5.1942 für diese weiteren 20 PzT wurde später mit<br />
Brief der KTA an die K+W am 7.8.1944 endgültig annulliert. 118<br />
4.3 Versuchs-Beschussanlage mit 10,5 cm Panzerturm im "Zelgli" in Thun<br />
Zur Erprobung des Waffensystems und zum Anschiessen der neuen Festungsgeschütze wurde<br />
ein kompletter 10,5 cm Panzerturm 39 L 52 in Thun auf dem Schiessplatz "Zelgli" zu Versuchszwecken<br />
montiert. 119 Folgender Auszug der Briefwechsel KTA – K+W und die Schiessprotokolle<br />
der S+S 120 zeigen den erstmaligen Einsatz der sog. Beschusseinrichtung auf:<br />
108 "Georg Fischer AG 1930 – 1945", Hans Ulrich Wipf, Chronos-Verlag, 2001, Seiten 94/95. Georg Fischer Schaff-<br />
hausen = Stahlwerk Fischer Schaffhausen = Firma G+F und später +GF+ Schaffhausen.<br />
109 Robert Blatter, Jhg. 1922, 8117 Fällanden, war von 1941-43 und 1946-52 Betriebs-Fotograph bei MFO Oerlikon<br />
110 Time-Life – Der zweite Weltkrieg – "Der Blitzkrieg", 1979, Seite 116ff<br />
111 BAr: 5155 1968/12 Bd. 24a<br />
112 20 mm Flabkanone auf Sockellafette Model Solothurn der Waffenfabrik Bern<br />
113 BAr: E 27 -/9001 18467 Bd. 3<br />
114 Weitere geplante Turmwerke gemäss Angaben Maurice Lovisa: z.B. an der Nordfront: Uitikon, Heitersberg, Dieg-<br />
ten, Gempen, Hauenstein, Hohe Winde, Sonceboz, Chasseral, Chaumont, Mont Pèlerin etc.<br />
115 ADAB-VBS Nidwalden, Obwalden und Luzern Seite 14 sowie "Das <strong>AW</strong> Mühlefluh, Vitznau" Seiten 40-43<br />
116 "Gotthardverteidigung mit Festungsartillerie", Werner Rutschmann, Seite 9<br />
117 BAr: E 27 -/9001 18467 Bd. 3<br />
118 BAr: E 27 -/9001 18467 Bd. 2<br />
119 Siehe Foto Seite 28<br />
120 S+S: Sektion für Schiessversuche der KTA in Thun
28<br />
18.10.39: KTA bestellt bei K+W gemäss Plan 421818: 121<br />
«Errichtung 1 Beschuss-Einrichtung für 10,5 cm Panzerturm im Zelgli in Thun.<br />
Betonsockel als Fundament, Panzerplatte als Unterlage für Pivot, Klapptüre, Leitern, Fundamentschrauben<br />
zur Befestigung Vorpanzer, Unterlagen-Keile. Liefertermin 3 Wochen.<br />
sig. KTA Chef Sektion 1 (Oberst) Fierz.»<br />
Die Beschussanlage bestand somit aus einem festen Fundament für die Montage eines Panzerturms<br />
mit Vorpanzer und Turmkuppel und den darin zur Erprobung anzuschiessenden Geschütze<br />
10,5 cm 39 L52. Zur Anlage gehörte ebenfalls der von Roll-Hilfskran. Da insbesondere nach<br />
Kriegsausbruch die taktischen Bedürfnisse die dringende Verwendung dieses in der Schiessanlage<br />
Zelgli blockierten Vorpanzers und der Panzerkuppel an der Abwehrfront erforderten, wurden<br />
sie in Thun demontiert und zur Montage in das entsprechende Artilleriewerk transportiert<br />
und in Thun aus späterer Produktion wieder ersetzt. Auch der vorerst einzige Hilfskran wurde<br />
nach Bedarf herumgeschoben und später durch einen zweiten ergänzt. Dies geht auszugsweise<br />
aus den nachfolgenden Briefwechseln und Transport-Mitteilungen hervor. 122<br />
10,5 cm Panzerturm 39 L52 für Versuchsschiessen auf dem<br />
Schiessplatz "Zelgli" in Thun mit von Roll-Hilfskran. Sehr gut sichtbar<br />
der im Betonfundament fixierte Vorpanzer. (Foto K+ W 1941)<br />
11.1.40 von Roll an K+W: «Ev. Kranbahn und Winde ab Dailly am 9. dies nach Bern für PzT Nr. 6.»<br />
26.1.40: «Monteur Hofstetter hat schon 5 PzT montiert. Montage des 10,5 cm PzT<br />
Zelgli. Montageprogramm von Roll Bern (im Zelgli): 17.2.40 Aufsetzen Kuppeloberteil<br />
1 ev. Nacharbeiten.»<br />
9.3.40 Ing. Beetschen: «Rechnung J. Frutiger's Söhne Oberhofen über die Vergiessarbeiten<br />
(1939) am 10,5 cm PzT im Zelgli mit Fr. 479.05.»<br />
10.4.40 KTA an K+W: «Anfrage: Der Montagekran geht nach Sargans. Haben Sie im Zelgli eine<br />
behelfsmässige Hebeeinrichtung um 16 to Kuppeloberteile abzuheben resp.<br />
wieder aufzusetzen, da wir Wert darauf legen, dass mit komplett montiertem<br />
Turm geschossen wird.»<br />
15.4.40 K+W an KTA: «Wir glauben, dass es notwendig ist, einen weiteren Kran zu beschaffen<br />
(vereinfacht ohne Katzfahren 123 und kein Antrieb für Längsfahrt; Stemmeisen<br />
genügt).»<br />
121 BAr: E 27 -/9001 18467 / Bd. 2<br />
122 BAr: E 27 -/9001 18467 / Bd. 9<br />
123 Fahren der "Laufkatze" des Kranes
29<br />
6.7.40 KTA an S+S: «Noch durchzuführende Schiessversuche vom 15. bis 20.7.40, da wir die-<br />
sen PzT sowie vor allem den Montagekran dringend benötigen. Demontage<br />
im Zelgli spätestens 22.7.40 oder früher.»<br />
18.7.40 KTA an K+W: «Kran und PzT- Material nächste Woche nach Sargans bzw. Mels (Kran).»<br />
18.7.41 KTA an K+W: «Montage 10,5 cm PzT im Zelgli. Montagekran ist am 16. ds. ab Sargans in<br />
Uetendorf. Kompl. Vorpanzer 24. ds. Station Thun (Vorpanzersegment 12 to.<br />
Transport auf Baustelle (= Zelgli) am 25. ds. Am 28.7. restl. Material Panzerkuppelunterteil-<br />
und Oberteil.»<br />
9.9.40 K+W an KTA: «Abbruch + Abtransport vom 10,5 cm PzT No. 6 in der Mühlematt (Zelgli)<br />
und Spedition an Fest Kdo Sargans.»<br />
12.5.43 K+W an KTA: «Montage eines Bockkrans im Zelgli-Panzerturm.»<br />
12.7.43 von Roll an K+W: «Einzelteile sollen in Göschenen sein, für Realp (Fuchsegg).»<br />
11.7.44 an KTA: «Ausladen + Trsp einer Panzerglocke 24 to am 30. Mai – 1. Juni vom Bhf.<br />
Thun nach dem Zelgli –Mühlematt.»<br />
Wie in einem Wanderzirkus zogen die Montageequipen der Konstruktionswerkstätte Thun<br />
(K+W) und der Giesserei von Roll (Werk Bern) von Montageplatz zu Montageplatz in den Artilleriewerken.<br />
Nach durchgeführtem Anschiessen kehrten sie wieder in die Werke Thun und Bern<br />
zurück, bereiteten das nächste Festungsgeschütz und den nächsten Panzerturm vor. Dabei war<br />
in dieser mehr als schwierigen Zeit das Sparen und Improvisieren von eminenter Wichtigkeit<br />
und trotzdem wurden anerkennenswerte hohe Leistungen erbracht. Entsprechend der taktischen<br />
Dringlichkeit und dem Baufortschritt in den Festungswerken können 4 Phasen bei der<br />
Inbetriebnahme der 22 Panzertürme festgestellt werden: 124<br />
1) Gotthard I<br />
2) St. Maurice<br />
3) Sargans in Etappen<br />
4) Gotthard II<br />
Insgesamt wurden 22 Panzertürme 10,5 cm hergestellt und in den Festungen St. Maurice, Gotthard<br />
und Sargans eingebaut:<br />
Bestückung der <strong>AW</strong> mit 10,5 cm Panzerturmkanonen 39 L52<br />
St. Maurice Gotthard Sargans<br />
2 PzT Dailly – "Les Planaux" 1 PzT Airolo – "Foppa Grande" 3 PzT "Magletsch"<br />
2 PzT Gotthard – "<strong>San</strong> <strong>Carlo</strong>" 3 PzT "Kastels"<br />
4 PzT Furka – "Fuchsegg" 4 PzT "Furggels"<br />
3 PzT Andermatt – "Gütsch"<br />
Total 22 PzT<br />
Das sogenannte "Anschiessen" des Rohres d.h. die Abgabe des ersten Schusses mit dem neu<br />
hergestellten Rohr erfolgte für alle Geschützrohre der Eidgenössischen Konstruktionswerkstätte<br />
Thun (K+W) auf deren Schiessplatz "Zelgli" in Thun. Die K+W bestellte bei der Sektion für<br />
Schiessversuche (S+S) 125 der KTA 126 in Thun das zu schiessende Prüfprogramm. Nach der anschliessenden<br />
Geschützmontage im Artilleriewerk wurden durch die Sektion für Schiessversuche<br />
Funktionsschüsse abgegeben und das Rohr wiederum zur Kontrolle ausgeleuchtet und<br />
ausgemessen.<br />
Definition und Ablauf des Anschiessens in Phasen (zum Verständnis allfällig differierender Daten<br />
in bisherigen Publikationen):<br />
124 siehe Tabelle Seite 30<br />
125 Unter der damaligen Leitung des bekannten Artillerieobersten Stutz<br />
126 KTA = Kriegstechnische Abteilung Bern (siehe Fussnote 19 auf Seite 7)
30<br />
1) Anschiessen der 10,5 cm PzT-Kanone 39 L52 auf der Versuchsschiessanlage der Eidg. Konstruktionswerkstätte<br />
"Zelgli" in Thun mit ersten Schüssen mit dem neuen Rohr, sowie Funktionskontrolle<br />
sämtlicher Geschützbestandteile, wie Rücklaufbremse, Vorholer, Ladevorrichtung, Ausblasvorrichtung<br />
usw. Das Rohr wurde genau ausgemessen und geprüft. Das Ergebnis wurde in den Rohrprotokollen<br />
festgehalten.<br />
2) Anschiessen der 10,5 cm PzT-Kanone 39 L52 nach der Geschützmontage im Artilleriewerk mit Funktionskontrolle<br />
und ev. Schusstafelversuchen. Falls alles einwandfrei ist, ist das Geschütz abgenommen<br />
und wird von der KTA Sektion für Schiessversuche und der Konstruktionswerkstätte Thun dem<br />
FWK bzw. der Truppe freigegeben.<br />
3) Erstes Schiessen der Truppe. Einschiessen von Schiesskarten usw.<br />
Auflistung der PzT mit Nummerierung: Die folgende Reihenfolge ist durch das Datum des Anschiessens<br />
im Artilleriewerk gegeben. Die Daten entsprechen der nachfolgenden Tabelle 4.4:<br />
Panzerturm<br />
Nr.<br />
10,5 cm Panzer-Turmkanonen 39 L52<br />
Artilleriewerk Anschiessen Rohr und PzT im Werk<br />
2 Gotthard <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> 17./18.10.39 Rohr Nr. 1 im Turm 2<br />
1<br />
14.11.39 Rohr Nr. 2 im Turm 1<br />
3 Gotthard Foppa Grande 12.12.39 Rohr Nr. 3 im Turm 3<br />
4 St. Maurice Dailly-Les Planaux 12.03.40 Rohr Nr. 4 im Turm 4<br />
5<br />
12.03.40 Rohr Nr. 5 im Turm 5<br />
7 Sargans Furkels<br />
8<br />
127 2.07.40 Rohr Nr. 7 im Turm 7<br />
2.07.40 Rohr Nr. 8 im Turm 8<br />
9 Sargans Magletsch 4.09.40 Rohr Nr. 9 im Turm 9<br />
10<br />
4.09.40 Rohr Nr. 10 im Turm 10<br />
11<br />
4.09.40 Rohr Nr. 11 im Turm 11<br />
A (12 oder 13?) Sargans Kastels 5.11.40 Rohr Nr. A im Turm A (6?)<br />
B (15?)<br />
5.11.40 Rohr Nr. B im Turm B (12? )<br />
In den Protokollen fehlen die Angaben der Rohr- oder<br />
Turm-Nr.<br />
6 Sargans Kastels 10.01.41 Rohr Nr. 6 (neu) im Turm 6<br />
13 (12?) Sargans Furkels 15.07.41 Rohr Nr. 13 im Turm 12<br />
14<br />
15.07.41 Rohr Nr. 14 im Turm 14<br />
17 Gotthard Gütsch 27.10.42 Rohr Nr. 17 im Turm 17<br />
18<br />
27.10.42 Rohr Nr. 18 im Turm 18<br />
19<br />
27.10.42 Rohr Nr. 19 im Turm 19<br />
16 Gotthard Fuchsegg 18.09.43 Rohr Nr. 20 im Turm 16<br />
21<br />
18.09.43 Rohr Nr. 21 im Turm 21<br />
20<br />
11.10.43 Rohr Nr. 16 im Turm 20<br />
22<br />
11.10.43 Rohr Nr. 22 im Turm 22<br />
Bemerkungen:<br />
- Eine vollständige Auflistung der vorgegebenen Turm-Nummer war im Schweizerischen Bundesarchiv<br />
(BAr) nicht auffindbar. Dementsprechend musste z.T. die Interpretation aus folgender Tabelle "An-<br />
schiessen" auf Seiten 31 - 33 erfolgen.<br />
- Ursprüngliches Lieferprogramm für 6 PzT Sargans gemäss Mitteilung K+W vom 10.2.1940: 128<br />
Turm 7 20.4.1940<br />
Turm 8 18.5.1940<br />
Turm 9 8.6.1940<br />
Turm 10 29.6.1940<br />
Turm 11 20.7.1940<br />
Turm 12 10.8.1940<br />
Dieses Lieferprogramm konnte mutmasslich infolge der erwähnten Lieferschwierigkeiten nicht eingehal-<br />
ten werden. Die Reihenfolge wurde offensichtlich durch die Priorität an der Abwehrfront bestimmt.<br />
- In der Regel dürfte Rohr-Nummer mit Turm-Nummer übereinstimmen. Ausnahmen sind, soweit eruier-<br />
bar, durch die S+S-Protokolle dokumentiert und angeführt (z.B. <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> oder Fuchsegg). Die protokol-<br />
lierte Nummerierung der 1941 montierten Türme Furkels ist unklar und widersprüchlich.<br />
- Spätere Rohrauswechslungen sind nicht berücksichtigt.<br />
127 Hier wird entsprechend den Protokollen noch die alte Bezeichnung "Furkels" verwendet.<br />
128 BAr: E 27 -/9001 18467 Bd. 13
Anschiessen und Montage in den <strong>AW</strong><br />
31<br />
Der zeitliche Ablauf der Vorbereitungsarbeiten mit Anschiessen in Thun bis zur Inbetriebnahme<br />
durch das Anschiessen im betreffenden Artilleriewerk lässt sich am besten aus den Schiessprotokollen<br />
der KTA, Sektion für Schiessversuche (S+S), eruieren und belegen:<br />
S+S<br />
Prot. Nr.<br />
BAr: Band<br />
6946<br />
Band 23<br />
6978<br />
Bd. 23<br />
7048<br />
Bd. 24<br />
7069<br />
Bd. 24<br />
Anschiessen der 10,5 cm Panzer-Turmkanonen 39 L52<br />
auf der Beschussanlage im "Zelgli" Thun und in den Artilleriewerken<br />
Datum<br />
11.08.39<br />
Erstes Anschiessen<br />
der PzT-<br />
Kanone 39<br />
L52<br />
30.08.39<br />
3.10.39<br />
17.10.39<br />
18.10.39<br />
Schweizerisches Bundesarchiv (BAr): E 5156(B) 1994/209 / Bde. 23 - 40<br />
Rohr<br />
Nr.<br />
1<br />
1<br />
Ort:<br />
Thun oder<br />
<strong>AW</strong><br />
K+W Thun<br />
"Zelgli"<br />
K+W Thun<br />
"Zelgli"<br />
2 K+W Thun<br />
"Zelgli"<br />
1 Gotthard<br />
<strong>San</strong> <strong>Carlo</strong><br />
PzT Nr. 2<br />
Anzahl<br />
Schuss;<br />
Ladung<br />
mit L52:<br />
Ldg 1 1<br />
Ldg 3 3<br />
Ldg 4 2<br />
Ldg 5 4<br />
Ldg 6 5<br />
mit L42:<br />
Ldg 5 5<br />
Ldg 6 5<br />
17<br />
Ergebnis und Bemerkungen aus Protokoll S+S<br />
(Sektion für Schiessversuche der KTA in Thun)<br />
Vergleichsschiessen Kanonen L52 mit L42<br />
Geschoss: Stempelgeschoss, blinde Stahlgranate<br />
Zweck:<br />
Anschiessen des ersten 10,5 cm Turmkanonenrohres,<br />
das gegenüber des normalen "Feld"-<br />
Rohres um 10 Kaliber verlängert ist (<strong>San</strong> <strong>Carlo</strong>).<br />
Prüfung der Schussbremse, des Vorholers, des automatischen<br />
Auswerfers, der Ladevorrichtung und der<br />
Ausblasvorrichtung. Die Schussbremse gibt etwas zu<br />
grossen Rücklauf, die Ladevorrichtung setzt das<br />
Geschoss zu wenig stark. Auswerfer und Ausblasvorrichtung<br />
funktionieren gut.<br />
V-Vergleichsbeschuss 129 mit Rohr von normaler Länge.<br />
Ergebnis:<br />
V-Steigerung wird durch die S+S ausgewertet.<br />
Anschiessen, Rücklaufmessungen mit diversen Glycerinmischungen<br />
und Erproben der Ladevorrichtung<br />
Auswertung durch K+W<br />
S+S / S+M: Chef Séquin<br />
16.25 - 16.50 Uhr:<br />
Glycerin 60% / 70%; neue Regulierstange eingebaut<br />
35 Anschiessen des 10,5 cm TK Rohrs Nr. 2 (<strong>San</strong> <strong>Carlo</strong>).<br />
Vergleich der 10,5 cm K L42 und L52<br />
Vo-Beschuss für Gotthard mit TK<br />
Erproben von eisernen Geschützhülsen:<br />
1 lässt sich nicht laden, 1 klemmt, 1 reisst mit L6<br />
207 Anschiessen des 10,5 cm Panzerturms Nr. 2<br />
(mit Rohr Nr. 1)<br />
Schusstafelversuch<br />
Rauchgranaten MVZ, auf MZ gestellt<br />
Verhalten Material normal. Bezüglich Detailfragen<br />
wird auf die betr. Berichte des Chefs der KTA und des<br />
Gasoffiziers der 9. Div Major Genner verwiesen.<br />
Verhalten Mun normal, kein Blindgänger, Streuung<br />
befriedigend. Speziell zu erwähnen ist das gute Verhalten<br />
der Rauchgranaten, die das Einschiessen<br />
wesentlich erleichtert.<br />
Bericht Chef KTA Fierz und Gasof. Major Genner:<br />
- Prov. KMS mit Pedalantrieb noch nicht in Betrieb<br />
- Schlechte Luft auch wegen Sprengungen in Nacht<br />
- Beleuchtung provisorisch mit 2 Lampen<br />
- Schwitzwasser in Kuppel, Turmisolation notwendig<br />
129 Messung der Mündungsgeschwindigkeit (Vorrohrgeschwindigkeit) des Geschosses = Vo
S+S<br />
Prot. Nr.<br />
BAr: Band<br />
7085<br />
Bd. 24<br />
7135<br />
Bd. 24<br />
7195<br />
Bd. 24<br />
7196<br />
Bd. 24<br />
7219<br />
Bd. 24<br />
7320<br />
Bd. 25<br />
7399<br />
Bd. 25<br />
7406<br />
Bd. 25<br />
7441<br />
Bd. 25<br />
7456<br />
Bd. 25<br />
7497<br />
Bd. 25<br />
7511<br />
Bd. 25<br />
7598<br />
Bd. 26<br />
7655<br />
Bd. 26<br />
7697<br />
Bd. 26<br />
7738<br />
Bd. 27<br />
7753<br />
Bd. 27<br />
7773<br />
Bd. 27<br />
7788<br />
Bd. 27<br />
7855<br />
Bd. 27<br />
7918<br />
Bd. 27<br />
8038<br />
Bd. 27<br />
8168<br />
Bd. 28<br />
8250<br />
Bd. 28<br />
Datum<br />
Rohr<br />
Nr.<br />
Ort:<br />
Thun oder<br />
<strong>AW</strong><br />
24.10.39 3 K+W Thun<br />
"Zelgli"<br />
14.11.39 2 Gotthard<br />
<strong>San</strong> <strong>Carlo</strong><br />
PzT Nr. 1<br />
12.12.39 3 Airolo<br />
Foppa<br />
Grande<br />
12.12.39 4 K+W Thun<br />
"Zelgli"<br />
21.12.39 5 K+W Thun<br />
"Zelgli"<br />
2.02.40 6 K+W Thun<br />
"Zelgli"<br />
7.03.40 6 K+W Thun<br />
"Zelgli"<br />
12.03.40 4 St. Maurice<br />
5 Dailly<br />
21.03.40 6 K+W Thun<br />
"Zelgli"<br />
29.03.40 6 K+W Thun<br />
"Zelgli"<br />
12.4.40 6 K+W Thun<br />
"Zelgli"<br />
18.04.40 7 K+W Thun<br />
"Zelgli"<br />
16.05.40 8 K+W Thun<br />
"Zelgli"<br />
6.06.40 9 K+W Thun<br />
"Zelgli"<br />
30.06.40 10 K+W Thun<br />
"Zelgli"<br />
2.07.40 7 Sargans<br />
8 Furkels<br />
4.07.40 11 K+W Thun<br />
"Zelgli"<br />
16.07.40 -?- K+W Thun<br />
"Zelgli"<br />
24.07.40 6 K+W Thun<br />
neu "Zelgli"<br />
9.08.40 13 K+W Thun<br />
"Zelgli"<br />
4.09.40 9 Sargans<br />
10<br />
11<br />
Magletsch<br />
27.09.40 13 K+W Thun<br />
"Zelgli"<br />
5.11.40 A+B Sargans<br />
(12+<br />
15 ?)<br />
Kastels<br />
26.11.40 13 K+W Thun<br />
"Zelgli"<br />
32<br />
Anzahl<br />
Schuss;<br />
Ladung<br />
Ergebnis und Bemerkungen aus Protokoll S+S<br />
(Sektion für Schiessversuche der KTA in Thun)<br />
12 Anschiessen Rohr Nr. 3 (Foppa Grande)<br />
Interner Versuch der K+W zur Messung der Rohrschwingungen<br />
und des Druckverlaufs in der Schussbremse<br />
Ldg 6: 11 Anschiessen von Turm Nr. 1 (mit Rohr Nr. 2)<br />
Verhalten Mat und Mun normal<br />
5 Schuss Turm in normaler Stellung<br />
6 Schuss Turm gehoben<br />
33 Anschiessen des Turms bei Airolo<br />
Ergänzender Schusstafelversuch<br />
12 Anschiessen Rohr Nr. 4 (Dailly)<br />
12 Anschiessen Rohr Nr. 5 (Dailly)<br />
20 Anschiessen des Rohres 6<br />
Bestimmung der Vo-Differenz<br />
16 Anschiessen des PzT und Beschaffung von Unterlagen<br />
für das Nachausbohren des Rohres (Laderaum)<br />
24 Anschiessen von 2 PzT in Dailly<br />
(Bem.: Turm St. Barbe und St. Maurice)<br />
24 Erproben des um 1 Kaliber ausgebohrten Rohres<br />
(d.h. des Laderaumes)<br />
Vo-Steigerung von nur ca. 15 m/sek. Das Rohr soll<br />
um ein weiteres Kaliber ausgebohrt werden<br />
28 Erproben des um 2 Kaliber ausgebohrten Laderaumes<br />
30 Erproben des um 3 Kaliber ausgebohrten Laderaumes<br />
8 Anschiessen Rohr Nr. 7 Furkels)<br />
8 Anschiessen Rohr Nr. 8 (Furkels)<br />
8 Anschiessen Rohr Nr. 9 (Magletsch)<br />
8 Anschiessen Rohr Nr. 10 (Magletsch)<br />
x Anschiessen der PzT Kan Nr. 7 + 8 von Fort Furkels<br />
Lademechanismus funktioniert nicht richtig<br />
8 Anschiessen Rohr Nr. 11 (Magletsch)<br />
86 Schiessversuch auf grosse Distanz zur Kontrolle der<br />
rechnerischen Ergebnisse<br />
7 Anschiessen von Rohr Nr. 6 (Kastels)<br />
Ersatz für das für Versuche ausgebohrte Rohr Nr. 6<br />
10 Anschiessen Rohr Nr. 13<br />
15 Anschiessen der 3 Pz Türme Magletsch<br />
Störung an Ladeschaufel PzT Nr. 11<br />
Die anderen Türme haben noch keine Ladeschaufel<br />
20 Erproben der Ansetzvorrichtung, die beim Anschiessen<br />
in Magletsch zu Störungen Anlass gab<br />
27 Anschiessen der Türme A+B; nicht abgenommen.<br />
Die Ladevorrichtungen sind noch nicht in Ordnung.<br />
2 Geschosse fielen vor dem Schiessen eine Treppe<br />
von 30 Stufen herunter. Eines wurde problemlos<br />
verschossen, das beschädigte andere zur Untersuchung<br />
zurückgeschoben.<br />
Die Abnahme bzw. Freigabe erfolgte mit abgeänderter<br />
Ladeschaufel am 10.1.41.<br />
Rohr-Nr. ist nicht eruierbar.<br />
21 Anschiessen von Schussbremse<br />
Kontrolle der Vorlaufgeschwindigkeit<br />
Kontrolle der Ladevorrichtung
S+S<br />
Prot. Nr.<br />
BAr: Band<br />
8284<br />
Bd. 28<br />
8401<br />
Bd. 29<br />
8758<br />
Bd. 30<br />
8811<br />
Bd. 30<br />
9164<br />
Bd. 31<br />
9514<br />
Bd. 32<br />
9578<br />
Bd. 32<br />
9594<br />
Bd. 32<br />
9605a<br />
Bd. 32<br />
9959<br />
Bd. 33<br />
10097<br />
Bd. 33<br />
10440<br />
Bd. 34<br />
10872<br />
Bd. 35<br />
11019<br />
Bd. 35<br />
11142<br />
11143<br />
Bd. 36<br />
11887<br />
Bd. 38<br />
12456<br />
Bd. 39<br />
12654<br />
Bd. 39<br />
12695<br />
Bd. 39<br />
12774<br />
Bd. 40<br />
12780<br />
Bd. 40<br />
Datum<br />
Rohr<br />
Nr.<br />
Ort:<br />
Thun oder<br />
<strong>AW</strong><br />
5.12.40 13 K+W Thun<br />
"Zelgli"<br />
10.01.41 6 Sargans<br />
neu Kastels<br />
3.04.41 14 K+W Thun<br />
"Zelgli"<br />
24.04.41 15 K+W Thun<br />
"Zelgli"<br />
15.07.41 13 Sargans<br />
14 Furkels<br />
8.10.04 16 K+W Thun<br />
"Zelgli"<br />
30.10.41 16 K+W Thun<br />
"Zelgli"<br />
24.10.41 -- K+W Thun<br />
"Zelgli"<br />
30.10.41 16 K+W Thun<br />
"Zelgli"<br />
5.01.42 19 K+W Thun<br />
"Zelgli"<br />
19.2.42 16 K+W Thun<br />
"Zelgli"<br />
8.05.42 19 K+W Thun<br />
"Zelgli"<br />
29.08.42 3 Airolo<br />
Foppa<br />
Grande<br />
30.09.42 16 K+W Thun<br />
"Zelgli"<br />
27.10.42 17 Andermatt<br />
18<br />
19<br />
Gütsch<br />
7.04.43 22 K+W Thun<br />
"Zelgli"<br />
28.07.43 20 K+W Thun<br />
"Zelgli"<br />
10.09.43 8a K+W Thun<br />
10a "Zelgli"<br />
18.09.43 16 Realp<br />
21 Fuchsegg<br />
4./8.10. 17 Andermatt<br />
1943<br />
Gütsch<br />
11.10.43 20 Realp<br />
22 Fuchsegg<br />
33<br />
Anzahl<br />
Schuss;<br />
Ladung<br />
Ergebnis und Bemerkungen aus Protokoll S+S<br />
(Sektion für Schiessversuche der KTA in Thun)<br />
20 Kontrolle von neuem Vorlaufventil in Schussbremse<br />
Nr. 6<br />
13 Erproben der abgeänderten Ladeschaufel<br />
Abgenommen<br />
Prozentbeschuss<br />
7 Anschiessen Rohr Nr. 14<br />
4 Anschiessen Rohr Nr. 15<br />
25 Anschiessen Rohr Nr. 13 und 14<br />
Versuch mit neuer Ausführung Ladeschaufel<br />
(Foto Seite 35 zeigt Turm Nr. 12!)<br />
16 Vergleich der Rohre Nr. 15 und 16<br />
Beschuss von Musterhülsen<br />
22 Abnahmebeschuss Munition Los 35-41 T (=Thun)<br />
15 Anschiessen von 3 Reserverohren<br />
Beschuss von Musterhülsen<br />
20 Abnahmebeschuss Munition Los 36-41 T<br />
16 Abnahmebeschuss Munition Los 54-41 A (= Altdorf)<br />
Turm war innen vereist und liess sich schwer drehen.<br />
27 Abnahmebeschuss Munition Los 42-42 (Thun)<br />
5 Anschiessen Rohr Nr. 19 (Gütsch)<br />
x Abklären des Verhaltens von StG MVZ bei schräger<br />
Ansetzung der Ladeschaufel<br />
6 Anschiessen eines neuen Rohres aus K+W Nr. 16<br />
(für Fuchsegg; Ersatz für Versuchsrohr Nr. 16)<br />
30 Anschiessen von 3 PzT Gütsch<br />
Mun Abnahme<br />
Anschiessen von 3 PzT Gütsch<br />
Ladeschaufel Turm 18 nur provisorisch<br />
Ausblasvorrichtung funktioniert nicht<br />
20 Anschiessen Rohr Nr. 22 (Fuchsegg)<br />
Versuch schräg angesetztes Geschoss<br />
5 Anschiessen Rohr Nr. 20 (Fuchsegg)<br />
10 Anschiessen Reserverohre 8a und 10a<br />
10 Anschiessen Turm Nr. 20 und 21 auf Gotthard<br />
(hier abnormal Turm Nr. und nicht Rohr Nr. erwähnt)<br />
diverse Schusstafelversuch Gotthard L52 zusammen mit L42<br />
10 Anschiessen Rohr Nr. 20 im Turm 16 / Rohr 22 im<br />
Turm 22<br />
Bemerkungen:<br />
- Anmerkungen des Verfassers kursiv.<br />
- Das Anschiessen im Artilleriewerk mit Abnahme und Übergabe an die Truppe ist grau unterlegt.<br />
- statt "Furggels" gemäss Landeskarte: alte Bezeichnung "Furkels" entsprechend den Protokollen.<br />
- Das Anschiessen von Reserverohren im "Zelgli" Thun und allenfalls im <strong>AW</strong> ist in der Tabelle nur<br />
innerhalb des aufgelisteten Zeitraums berücksichtigt.
4.5 Bericht eines Zeitzeugen<br />
34<br />
Wie die Herstellung und Montage der Panzertürme vor sich ging, erzählt Hans Käppeli 130 als<br />
Zeitzeuge, welcher im Aktivdienst und auch später bei fast sämtlichen Artilleriewerken, bei Panzertürmen<br />
und Bunkerkanonen, die Geschützmontagen leitete. Hans Käppeli war, nach seinem<br />
beruflichen Aufstieg vom Mechaniker über Werkmeister und Werkführer, zuletzt bis 1981 Fabrikationschef<br />
in der Eidgenössischen Konstruktionswerkstätte Thun (K+W). 131<br />
« Der Lizenzbau der 10,5 cm Panzerturmkanone 39 L52 erfolgte in der K+W nach Plänen<br />
der französischen Firma Schneider. Es zeigte sich jedoch, dass verschiedene Einrichtungen<br />
ungenügend waren und entsprechend durch die K+W laufend verbessert oder sogar umgebaut<br />
werden mussten. So mussten der hydraulische Durchfluss der Rücklaufbremse und der Federvorholer<br />
verbessert werden. Die pneumatische Ladevorrichtung war untauglich und wurde von<br />
der K+W neu konstruiert. In Schiessversuchen wurde die Geschossansetzgeschwindigkeit unter<br />
Berücksichtigung der Zündersicherheit bis auf 6 m/sek erhöht und optimiert.<br />
Das von L42 132 auf L52 verlängerte Rohr wurde inklusive Bodenstück durch die Firma von<br />
Roll AG im Werk Gerlafingen gegossen und geschmiedet und im Werk Bern ausgebohrt, vorbearbeitet<br />
und vergütet. 133 Nunmehr wurde der Rohrrohling in die K+W nach Thun angeliefert und<br />
dort durch die K+W zum einsatzfertigen Rohr bearbeitet. Der Horizontalkeilverschluss wurde<br />
durch die K+W hergestellt. Das ganze Geschütz wurde in der K+W auf einem Holzbock vormontiert.<br />
134 Anschliessend erfolgte die Montage jedes Geschützes im Turmunterteil, ohne Kuppel,<br />
auf dem Schiessplatz Zelgli in Thun auf der dort vorhandenen Lafette. Dann wurde die Kuppel<br />
aufgesetzt. Mit mindestens ca. 3 Schuss konnte mit dem in Zusammenarbeit durchgeführten<br />
Anschiessen des Geschützes durch die "Sektion für Schiessversuche" der Kriegstechnischen<br />
Abteilung Thun (KTA) gleichzeitig das Einregulieren der Einrichtungen durch die K+W vorgenommen<br />
werden. Wir von der K+W waren meist mit 2 Mann dabei, während die Schiessequipe<br />
der Sektion für Schiessversuche inkl. Beobachter aus ca. 12 Mann bestand.»<br />
Hans Käppeli hat nicht nur bei den Arbeiten in der K+W Thun aktiv mitgearbeitet, sondern auch<br />
auf den Baustellen die oft unter schwierigen Verhältnissen durchzuführenden Montagen geleitet.<br />
So war er auch schon 1939 bei der Erstellung der <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> und Foppa Grande dabei:<br />
«Hier wurden wir 1939 mit allem konfrontiert, mit Regen, Schnee und eisigem Wind sowie<br />
dem entsprechenden Bauzustand der Montagestelle. Wir von der K+W arbeiteten in der Zivilkleidung<br />
und trugen als Witterungsschutz einen alten blauen Militärmantel, eine veritable "Bourbakikleidung".<br />
Da wir fast gleichzeitig die 3 Panzertürme <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> und Foppa Grande montieren<br />
konnten, logierten wir in Motto Bartola bei Frau Filippini im Gasthaus "Stella Alpina". Unsere<br />
Montageequipe bestand aus 2 - 3 Mann und bei der Montage halfen uns die Leute der Fortwache<br />
und zum Teil auch der allenfalls anwesenden Truppe, welche wir anfordern konnten. Der<br />
Ablauf der Montage wurde durch den Baufortschritt diktiert. Nach den baulichen Vorbereitungen<br />
durch den Bauunternehmer, wie Ausbruch des Schrägschachtes und Betonierarbeiten im Bereich<br />
des Turmunterteils, montierte die Equipe der Firma von Roll den unteren Teil des Panzerturmes<br />
d.h. den Vorpanzer mit Hilfe des von ihr aufgestellten Hilfskranes. 135 Das Geschütz<br />
transportierten wir von Thun in Einzelteilen an: Rohr mit Bodenstück, Wiege, Rücklaufbremse,<br />
Vorholer usw. Daraufhin montierten wir von der K+W das ganze Geschütz innert ungefähr einer<br />
Woche. Daraufhin setzte die von Roll-Equipe die Panzerkuppel auf. Anschliessend konnte der<br />
Bauunternehmer die restlichen Betonierarbeiten um die Vorpanzerung ausführen. Die Fortwache<br />
bzw. das FWK montierte die zugehörigen Hilfseinrichtungen, wie Beleuchtung, Telefonleitungen,<br />
Kollektivmaskenschutz usw. Dann folgte das Anschiessen durch die Sektion für<br />
Schiessversuche. Wir von der K+W regulierten dabei das Geschütz ein. Später wurden die<br />
Panzertürme durch das FWK und durch HD Tarndetachemente getarnt.»<br />
130 Anlässlich eines rückblickenden Gesprächs am 8.1.2003 in Thun<br />
131 Hans Käppeli, geboren 1916 in Rain LU, wohnhaft in Thun<br />
132 Die vor dem 2. Weltkrieg beschaffte 10,5 cm Feldkanone L42 war eine Lizenzfabrikation der Fa. Bofors (S)<br />
133 Dies war erst der Fall, als die Lieferungen aus dem Ausland eingestellt wurden (siehe Abschnitt 4.2).<br />
134 Siehe Foto Seite 37<br />
135 Siehe Foto Seite 35
Montage einer PzT-Kuppel mit Hilfskran Traggerüst für Tarnung eines PzT als Felsklotz<br />
(1941 in Sargans, <strong>AW</strong> Furggels) (<strong>AW</strong> Fuchsegg 1943)<br />
35<br />
«Die Antransporte der schweren Lasten führten Spezialtransportunternehmungen, wie Kehrli +<br />
Oehler und Welti-Furrer AG, mit einem Tiefbettanhänger durch. Nur die Transporte über die ca.<br />
44 Haarnadelkurven von Lavey les Bains über das Bergdörfchen Morcles nach Les Planaux in<br />
Dailly gestalteten sich äusserst schwierig und erforderten starke Nerven. Die Firma von Roll AG<br />
Bern hat ebenfalls die Paternoster-Munitionsaufzüge, ein Kettenförderaufzug mit Munitions-<br />
Transportwippen, geliefert und montiert. Diese störungsanfällige Konstruktion musste abgeändert<br />
werden und erwies sich auch in späteren Jahren als sehr reparaturanfällig. Auch sonst gab<br />
es immer wieder kleinere und grössere Modifikationen. Ca. 1980 haben wir in der K+W zusätzlich<br />
zu den in den Artilleriewerken vorhandenen Reserverohren nochmals eine Rohrreserve 136<br />
von 18 Rohren 10,5 cm 39 L52 angefertigt. Auch diese Reserverohre wurden vor der Auslieferung<br />
in Thun angeschossen. Später ca. nach 1988 waren wir nochmals bei den Turmgeschützen<br />
und änderten die ursprüngliche Kreisteilung des Richtkranzes von 6400 Art‰ = Südrichtung<br />
auf neu 6400 Art‰ = Nordrichtung. Sonst wurden praktisch fast alle anfallenden Arbeiten durch<br />
das FWK ausgeführt, z.B. auch der aufwendige und schwierige Rohrwechsel.» 137<br />
4.6 Technischer Beschrieb des PzT<br />
Die 10,5 cm Turmkanone ist eine in einem drehbaren Panzerturm fest eingebaute 10,5 cm Kanone.<br />
Kurz eine Beschreibung der 10.5 cm Pz-Turmkanone 39 L52 138 , Lizenzkonstruktion der<br />
Eidgenössischen Konstruktionswerkstätte Thun (K+W), auf Basis eines Panzerturmgeschützes<br />
(Fa. Schneider Paris, in Creusot F) und mit verlängertem Rohr der 10,5 cm Feldkanone L42 (Fa.<br />
Bofors S): 139<br />
10,5 cm Pz Turmkanone Modell 1939 L52, ohne Mündungsbremse<br />
- Rohrrücklaufgeschütz mit Hydraulik-Rücklaufbremse und Federvorholer auf drehbarer Kastenlafette<br />
mit Panzerkuppel (30 – 35 cm Stahlguss), rundum drehbar 360º bzw. 6400 Art ‰<br />
- Schiesst in der unteren Winkelgruppe 0 – 45 Grad<br />
- Rohrdrehpunkt in der Scharte<br />
- Kastenlafette<br />
- Kaliber 10,5 cm (konstanter Rechtsdrall, 32 Züge)<br />
- Rohrlänge mit Bodenstück 5,5 m, Gewicht 1,8 t<br />
- Horizontal-Keilverschluss 48 kg<br />
136<br />
Gemäss Angabe von Oberstlt Brignoni, Kdo Fest Region 6, wurden mit jedem im Einsatz stehenden 10,5 cm Rohr<br />
L52 mit unterschiedlicher Ladung ca. 6000 Schuss geschossen.<br />
137<br />
Ergänzende Auskünfte gaben mir Karl Waber ehemals K+W Thun, Jhg. 27, Steffisburg und Hans Lack, ehemals<br />
AGF-Materialverwalter, Jhg. 18, Kriens.<br />
(Details Rohrwechsel siehe <strong>Dokumentation</strong> <strong>AW</strong> Foppa Grande, Seiten 31-33)<br />
138<br />
L52: Rohrlänge = 52 x Kaliberdurchmesser = 52 x 105mm = 5460 mm<br />
139<br />
"Technische Daten Festungsgeschütze", Typen-Verzeichnis, K + W Thun, 1965
- Pneumatische Lade- und Rohrausblasvorrichtung<br />
- 2 Munitionsheber vom Bodenraum zum Geschützraum<br />
- -Horizontal-Keilverschluss<br />
- Rücklaufgeschwindigkeit des Rohres 10,4 m/sek<br />
- Bei Schussabgabe mit Ladung 6 = 2700 bar: Vo 140 = 830 m/sek<br />
- Rücklaufenergie ca. 200 to bei Ladung 6; Rücklauf ca. 300 mm<br />
- Hülsenabsaugvorrichtung<br />
- Gewicht eines Geschosses: 15,1 kg<br />
- Kadenz: 6 – 8 Schuss/Minute<br />
- Reichweite: Stahlgranate mit Ladung 6 = max. 18 km<br />
Spitzgranate mit Ladung 6 = max. 22 km<br />
36<br />
Schema einer 10,5 cm Panzerturmkanone 1939 L52<br />
Gewichte:<br />
- Drehbarer Teil komplett (Kuppelober- und -unterteil, Kastenlafette und Geschütz) ca. 60'000 kg<br />
- Kuppel-Oberteil 15'900 kg<br />
- Kuppel-Unterteil 15'500 kg<br />
- Elevierender Teil komplett ca. 3'000 kg<br />
- Rücklaufende Teile 2'000 kg<br />
- Rohr komplett mit Bodenstück und Verschluss 1'900 kg<br />
- Rohr allein mit Führungsschienen 1'240 kg<br />
- Bodenstück allein, ohne Verschluss 580 kg<br />
- Verschluss 48 kg<br />
- Wiege allein, ausgegossen 690 kg<br />
- Rücklaufbremse 196 kg<br />
- Vorholer 195 kg<br />
Kuppelstärke gemäss Montagepläne KTA 1938, Massstab 1:5:<br />
- im Scheite:l 25 cm, Maximalstärke des Vorpanzers: 33 cm<br />
Die technischen Angaben über das Geschütz sind im Handbuch der Konstruktionswerkstätte<br />
Thun, Ausgabe 1965, über die Festungsgeschütze detailliert aufgeführt. Die Funktion und die<br />
Bedienung des Panzerturms ist im Reglement 57.210d: "Die 10,5 cm Festungsgeschütze", Festungsartillerie<br />
Heft B, festgelegt.<br />
Es darf festgehalten werden, dass trotz der Ausmusterung die 10,5 cm Panzerturmkanone 1939<br />
L52 mit einer Mündungsgeschwindigkeit von 830 m/sek und einer Schussreichweite bis maximal<br />
22 km auch heute noch ballistisch ein sehr gutes Geschütz ist. 141 Mit der 10,5 cm Spitzgranate<br />
kann sogar eine Schussreichweite von ca. 24 km erreicht werden.<br />
140 Vo = Mündungsgeschwindigkeit (Vorrohrgeschwindigkeit)<br />
141 Lanz Walter, RUAG Land Systems, Thun
37<br />
Werkmontage der 10,5 cm Pz Turm-Kanone 1939 L52 in der K + W Thun<br />
auf einem Holz-Bockgerüst<br />
Blick in den Geschützraum mit der im Vorpanzer fertig montierten<br />
10,5 cm Turmkanone 39 L52, mit Ladevorrichtung links und Richteinrichtung rechts<br />
Die Ausbildung und der Schiessvorgang mit der 10,5 cm PzT-Kanone ist im Kapitel 10 auf Seite<br />
52ff beschrieben. Sämtliche 22 Turmkanonen 10,5 cm wurden mit der TO 95 per Ende 1994<br />
stillgelegt und anschliessend ausgemustert (siehe Kapitel 17). Derzeit sind im <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> im<br />
Bereich des "La Claustra" die beiden Turmgeschütze noch montiert. Es fehlen nur die Zündbolzen<br />
und die Reserverohre wurden abtransportiert.
5. Die Lage und Bewaffnung des <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong><br />
38<br />
Das <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> liegt auf der Höhe von ca. 2060 m.ü.M. auf der Nordseite des Gotthardpasses,<br />
direkt an der alten Gotthardstrasse und zu Füssen der Staumauer Lucendro, also noch auf<br />
dem Kantonsgebiet des Tessins in der Gemeinde Airolo. 142 Das Artilleriewerk <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong><br />
umfasste:<br />
� 2 Turmkanonen 10.5 cm (10.5 cm Turmkanone Modell 1939 L52) (nachfolgend abgekürzt:<br />
PzT),<br />
� eine so genannte halbmobile Minenwerferbatterie mit 4 schweren Minenwerfern<br />
12 cm (Sch Mw 12cm) (von 1948 bis 1987),<br />
� 5 Infanteriebunker zur Nah- und Aussenverteidigung, mit Maschinengewehrausrüstung:<br />
vier Fest Mg 11 und vier mobile Mg 11 (später Mg 51) sowie Lmg (später Stgw);<br />
davon zwei Bunker mit Mannschaftsunterkunft ausgerüstet. 143<br />
Damit konnte das <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong>, abgesehen von schusstoten Räumen, die Schussräume der<br />
übrigen Artilleriewerke überlappend, das Gelände rundum (360º) mit einer wirksamen Schussreichweite<br />
von ca. 18 bis max. 22 km mit Artilleriefeuer belegen. Die Schüsse des <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong><br />
reichten also in der Leventina bis ca. Faido, am <strong>San</strong> Giacomopass im italienischen Formazzatal<br />
bis unterhalb die Tosafälle, im Goms bis ca. Ulrichen und im Reusstal bis ca. unterhalb Gurtnellen,<br />
an der Oberalp bis Rueras und am Lukmanier bis fast auf die Passhöhe. 144<br />
Das <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> war als Prototyp der 10,5 cm PzT-Werke im Vergleich zu den anderen<br />
später gebauten Artilleriewerken bezüglich Schutzgrad, wie Überdeckung, Gas- und AC-Schutz,<br />
Aussenverteidigung und Ausrüstung usw., äusserst minimalisiert erstellt und 1946 wenig nachgerüstet<br />
worden. Währenddem das gleichzeitig erstellte <strong>AW</strong> "Foppa Grande" mehrfach modernisiert<br />
wurde und sogar mit einem der ersten 12 cm Fest Mw ergänzt worden ist, blieb im <strong>AW</strong><br />
<strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> alles im alten Zustand. Vielleicht war der Grund dazu dessen Lage unterhalb der Lucendro-Staumauer.<br />
Im Zusammenhang mit einer allfälligen Kriegszerstörung der Staumauer war<br />
die Überflutungsgefahr oft ein Diskussionsthema. 1945 wurde deshalb erwogen, als zusätzlichen<br />
Notausgang aus dem Unterkunftsbereich einen flutungssicheren unterirdischen Stollen bis<br />
ca. auf die Kote 2120 m.ü.M. auszuführen, also bis zum Mg-Bunker West. Die Kosten von ca.<br />
Fr. 280'000 hätte die ATEL AG, die Erbauerin der Lucendro-Kraftwerke, tragen müssen. 145 Zur<br />
Ausführung dieser Ergänzungsmassnahme kam es nicht. Entgegen vielen Gerüchten gab es<br />
gedeckte unterirdische Verbindungsgänge zu den anderen Festungswerken nicht, nicht einmal<br />
zu den Bunkern der Nahverteidigung des <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong>.<br />
6. Das Bauwerk und die Einrichtungen der Festung <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong><br />
Beginnen wir auf dem Vorplatz an der alten Gotthardstrasse mit dem Rundgang 146 durch die<br />
Festung (wie wenn das <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> noch in Betrieb wäre). Der Festungseingang ist mit einem<br />
Granitmauerwerk verkleidet und täuscht damit einen Bestandteil des Kraftwerks Lucendro vor.<br />
Der Eingangsvorbau mit einem Holztor ist mit Lastwagen befahrbar. Im darüberliegenden und<br />
über eine Leiter zugänglichen Lagerraum befindet sich zugleich der Wintereingang zum Werk.<br />
Ab 1946 bis ca. 1950 bestand nur die Grundmauer mit dem Eingangsportal und darüber aufgesetzt<br />
das Holzhäuschen mit dem Wintereingang.<br />
Foto ca. 1948<br />
142 Siehe Foto Seite 4<br />
143 Mg (Maschinengewehr, Lmg (Leichtes Maschinengewehr) und Stgw (Sturmgewehr)<br />
144 Schusssektoren der <strong>AW</strong> Gotthard siehe "Gotthardverteidigung mit Fest Art", Seite 18, Werner Rutschmann, 1999<br />
145 Brief BBB Interlaken an Gst Abt vom 23.10.1945 (BAr E 5481 1984/162 Bd. 376)<br />
146 Siehe Plan Seite 41
39<br />
Festungseingang <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> mit Aufstockung für Lagerraum und mit Wintereingang<br />
Panzerturm Nr. 1 auf der Felskuppe links des Mastes, rechts oben Staumauer Lucendro<br />
Hinter dem inneren Gittertor beginnt der im Granitfels liegende abgewinkelte Hauptgang zu den<br />
Kampfständen der Turmkanonen mit zugehörigem Munitionsmagazin und zu den Unterkünften<br />
mit all ihren für den Betrieb der Festung wichtigen technischen Installationen. Zur inneren Verteidigung<br />
des Hauptzugangs des Werks wird dieser bei der Abwinkelung mit einer Schiessscharte<br />
für LMG (später StGw) und einem HG-Auswurf geschützt. Dahinter bietet in einer Felsnische<br />
das Wachtlokal Unterkunft für die Eingangswache. Der Brennstofftank ist ebenfalls in<br />
einer Nische untergebracht. In einem grossen Kreuzgang verzweigt sich das Stollensystem:<br />
geradeaus weiter zum Herz der Festung, den Unterkünften und den Betriebsräumen, nach links<br />
zum Munitionsmagazin und Turm Nr. 2 und nach rechts zum Turm Nr. 1.<br />
Eingangsbereich <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> Innenverteidigungs-Schiessscharte<br />
Die Halle des Munitionsmagazins liegt zentral in der Nähe der Aufstiege zu den Panzertürmen.<br />
In diesem besonders klimatisierten Raum lagern in vorfabrizierten Betonkasten 147 , fast wie in<br />
Bienenwaben, die Geschosse, die Hülsen und die Geschosszünder (MZZ und MVZ 148 ). Der zur<br />
Autonomie notwendige Kriegsmunitionsbestand umfasste ca. 8000 149 Artillerie-Geschosse 10,5<br />
cm, die 12 cm Minenwerfermunition sowie die Infanterie- und Flabmunition. Im <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong><br />
fehlen die später in anderen Werken eingebauten Sicherheitsvorkehren, wie Explosionsdruck-<br />
Entlastungsstollen o.ä. bei einer allfälligen Explosion im Munitions-Magazin. Bei einer Explosion<br />
hätte die Druckwelle den Zugangsstollen wie auch die Panzertürme zerstört. Als nach den Munitionsmagazin-Explosionen<br />
in Dailly und in Blausee-Mitholz 150 sämtliche Munitionsmagazine der<br />
147 vor ca. 1947/48 Munitionslagerung in Holzgestellen<br />
148 MZZ = Momentan-Zeit-Zünder / MVZ = Momentan-Verzögerungszünder<br />
149 siehe Seite 8 unter Variante 3 (BAr E 5481 1973/22 Bd. 41)<br />
150 Dailly (28/29. Mai 1946) und Blausee-Mitholz (19./20. Dezember 1947)
40<br />
Schweizer Armee aus Sicherheitsgründen umgebaut wurden, um vor allem die Ladungen und<br />
die Zünder zu separieren, hätte man bei dieser Umbaukampagne das Munitionsmagazin mit<br />
aufwändigen Felsausbrucharbeiten wesentlich vergrössern müssen. Gemäss Bauplan des<br />
BBB 151 vom Mai 1951 war im Bereich der unteren Station des Panzerturms Nr. 2 ein damals<br />
üblicher Standardkavernenbau von ca. 270 m 2 für die separate Lagerung der Ladungen mit einem<br />
Expansionsstollen gegen den Werkvorplatz geplant, kam jedoch nicht zur Ausführung. Für<br />
das <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> wurde eine billigere unkonventionelle Lösung getroffen. Man baute über dem<br />
Portalbereich einen über eine Leiter zugänglichen, praktisch oberirdischen grossen Lagerraum<br />
für die Ladungen. Im Kriegsmobilmachungsfall hätte gemäss Einsatzbefehl das Verstärkungsdetachement<br />
der Truppe als eine der ersten Tätigkeiten diesen Bestandteil der Kriegsmunition von<br />
Hand in das Munitionsmagazin im Werkinneren umgelagert.<br />
Der hintere Teil eines Munitionsmagazins Paternoster-Munitionsaufzug im<br />
eines 10,5 cm PzT Schrägschacht zu einem 10,5 cm PzT<br />
Hinter den mit Gasschleusen abgeschotteten Vorräumen der sog. unteren Station, welche mit<br />
separater Überdruck-Belüftung versehen sind, führen die beiden Schrägschächte steil mit 74%<br />
hinauf zu den beiden Panzertürmen, nach links zum Turm Nr. 2 (93 Treppenstufen à 20 cm =<br />
18.60 m Höhenunterschied bis zum Panzerturmeingang) und nach rechts zum Turm Nr. 1 (131<br />
Treppenstufen à 20 cm = 26 m Höhenunterschied bis zum Panzerturmeingang). Auf der Felskuppe<br />
über dem <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> sind die beiden als Felsblöcke getarnten Panzerturmkuppeln zu<br />
erkennen.<br />
Nach dem Kreuzgang ist der weitere Zugang ins Werkinnere durch einen offenen LMG-<br />
Gefechtsstand abgeschirmt. Die am Hauptgang weiter im Berg liegenden Unterkünfte sowie<br />
technischen Räume, wie Maschinenraum, Werkstatt und Telefonzentrale, sind nur über eine<br />
Explosions-Sicherheitsschleuse und eine Gasschleuse mit 2 schweren Panzertüren und gegenseitiger<br />
manueller Sicherheitsverriegelung zugänglich. In 4 offenen Felskavernen stehen die<br />
eingebauten 1-stöckigen Gebäude. Überall ist der standfeste Gotthardgneis sichtbar und viele<br />
Tropfstellen verbessern das allgemein gute Raumklima in dieser Festung.<br />
Hauptzugang mit Hauptgang im Werkinnern Hinterer Gang mit Lüftungs-<br />
Panzertür-Sicherheitsschleuse links die Blockhauseinbauten, leitungen und Werkleitungen<br />
rechts die Werkleitungen<br />
151 Archiv Stiftung "La Claustra"
41<br />
Im ersten Gebäudeblock 152 befinden sich die Duschen mit 10 Brausen für über 200 Mann, der<br />
Mannschaftsesssaal, die Offiziersmesse und die Küche; im zweiten Block die Mannschaftsunterkünfte<br />
und einige Unterkünfte für Unteroffiziere, das Kompaniebüro, das Krankenzimmer und<br />
das Postbüro; im dritten Block im vorderen Gang die Unterkünfte der Offiziere und der höheren<br />
Unteroffiziere, die Geräteräume des Werkschutzes und im hinteren Gang die Batteriefeuerleitstelle,<br />
das Nachrichtenbüro, die Büros und Zimmer des Abteilungskommandos. In den Gängen<br />
sind die Gewehrrechen und die Kleiderhaken befestigt wie auch die Waschtröge montiert.<br />
Raumanordnung im <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> mit Stollen und Kammern<br />
Rundum führt ein Verbindungsgang, auch zu dem in einer separaten Kaverne eingebauten vierten<br />
Block mit den Betriebsräumen mit Maschinenraum, Filterraum, Werkstatt, Büro des FWK-<br />
Werkchefs und Werktelefonzentrale. Die Ventilations- und Klimaanlage belüftet geräuschvoll die<br />
einzelnen Räume. Die Frischluft wird über einen Blechkanal im Notausgangsstollen angesogen<br />
und die Abluft aus Küche und WC-Anlage wird über Blechrohre in den Verbindungsstollen zur<br />
Stollenentleerung des KW Lucendro ausgeblasen. Im Filterraum stehen die entsprechenden<br />
Kampffilter bei einem Atom- oder chemisch-biologischen Angriff zum Einsatz bereit. Bei Netzstromausfall<br />
springen die beiden Notstromgruppen mit den schweren Dieselmotoren (Typ<br />
SLM 153 Jahrgang 1941 und 1942) an und versorgen die Festung mit Elektrizität.<br />
Maschinenraum <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> SLM – Dieselmotor mit Notstromaggregat<br />
152 offizielle Kavernenblock-Nummerierung: siehe Seite 10<br />
153 Schweizerische Lokomotiven- und Maschinenfabrik, Winterthur
42<br />
Das grosse Wasserreservoir 154 (44'000 Liter), angespiesen von diversen Quellfassungen, und<br />
ein separates Brauchwasserreservoir sichern das Überleben der Festungsbesatzung bei einem<br />
längeren Kampfeinsatz. Als einziger zweiter Werkzugang steigt ein Schrägstollen hinauf zum<br />
Notausgang und damit ins Freie. Ein Verbindungsgang führt zum Brauchwasserreservoir mit<br />
Filteranlage bzw. zum Druckstollen-Entleerungsstollen des KW Lucendro.<br />
Die Küche ist geräumig und zweckmässig, für heutige Begriffe aber eher spartanisch eingerichtet:<br />
zwei elektrische Maxim-Kippkessel (100 und 80 Liter), ein robuster grosser elektrischer<br />
Maxim-Kochherd mit Backofen, Kartoffelschälmaschine, Kaffeemühle, Rüsttisch mit Büchsenöffner,<br />
Spültrog und viele Holzkästen. Es existiert nicht einmal ein Lebensmittelmagazin für<br />
Frischwaren oder ein Kühlraum. Die Lebensmittel, auch das Brot, lagern im Gang vor der<br />
Verpflegungsplan der Fest Kp II/6 im WK 1967 für ca. 70 Mann 155<br />
154 In einer höher gelegenen seitlichen Kaverne, nur über eine Leiter zugänglich<br />
155 GRB = Gewürze, Reinigungsmittel und Brennstoff
43<br />
Küche in einem Drahtgitterverschlag, durch ein Dach vor dem tropfenden Bergwasser geschützt<br />
und in dem als Frischwarenmagazin genutzten kühlen Verbindungsstollen zur Entleerung des<br />
Druckstollens des Kraftwerks Lucendro.<br />
Festungsküche im <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> ca. Jahrgang 1942:<br />
Kochherd mit Backofen, Ablufthauben, Kippkessel und Holzschränken<br />
Doch die meist hervorragende Küchenequipe zaubert mit der zur Verfügung stehenden Verpflegungsration<br />
in genügender Menge ein hotelwürdiges Essen auf den Tisch. Gegenüber der<br />
Flachlandtruppe hat der Fourier durch die Gebirgszulage 156 ohnehin einen besseren Spielraum<br />
zur Gestaltung der Menüs. Im Verpflegungsmagazin lagern ca. 40 Tagesportionen pro Mann als<br />
Notverpflegung. 157<br />
Geräuschvolle Blechtüren führen in die Räume. Ausser in der Dusche, dem <strong>San</strong>itätszimmer<br />
und in der Küche gibt es nirgendwo warmes Wasser, auch nicht in den Offiziersräumen. In den<br />
Unterkunftsräumen ist es spartanisch eng und es herrscht bei Vollbesetzung eine "dicke Luft",<br />
lagern doch hier in den Bettgestellen 70 Mann in je 2 Reihen übereinander, mit einem aufgehängten<br />
Ablagegestell für den Tornister, ohne Kästchen für die persönlichen Sachen und ohne<br />
Trocknungsraum für die meist feuchten Kleider. Diese aus heutiger Sicht unwirtlichen Verhältnisse<br />
sind jedoch im Vergleich mit den Lebensbedingungen eines Gebirgsinfanteristen in seinem<br />
Blachenzelt ohne Schlafsack sehr komfortabel. Im hintersten Trakt liegen die Räume des<br />
Abteilungskommandos. Da dieses im Friedensdienst in der Regel eine bequemere Unterkunft<br />
bevorzugt, sei es in Motto Bartola oder in einem Hotel in Airolo, kann der Kompaniekommandant<br />
im WK diese Räume für sich beanspruchen, mit Schlafzimmer, Arbeitszimmer und danebenliegendem<br />
Nachrichtenbüro, auch als Besprechungsraum für Rapporte.<br />
Mannschaftsschlafraum Theoriesaal im Mannschaftsessraum<br />
156 Gebirgszulage ab 2000 m.ü.M.<br />
157 Festlegung durch Gst Chef am 7. Mai 1941 z.B. für Festung Mühlefluh in Vitznau
44<br />
Zur Nahverteidigung sind ausserhalb des Werks zum Schutz der Werkzugänge drei kleine Infanteriebunker<br />
Süd und Nord angelegt und in der Felswand über der Lucendro Strasse schützen<br />
2 Mg-Bunker mit ihrem Maschinengewehrfeuer die Abdeckung des Werks und die beiden Panzertürme.<br />
Zum Objektschutz vor Flugzeugdirektangriffen sind zur Aufstellung der 20 mm Oerlikon-Flabkanonen<br />
Betonplattformen und offene Unterstände auf der Werkabdeckung vorbereitet.<br />
Aussenverteidigungsbunker West mit Mg- und Lmg- Lmg-Bunker Nord<br />
Schiessscharten mit geöffneter Tarnung<br />
Im Lauf der Zeit wurden bis zur Stilllegung 1999 folgende wesentliche Nachrüstungen vorgenommen:<br />
� Flabstellungs-Plattformen mit Unterständen ca. 1944<br />
� Mängelbehebungen 1946 158<br />
� Ladungslagerraum über dem Werkeingang und Separierung der Munition mit Beton-<br />
Munitionskasten ca. 1950/51 159<br />
� Atomschutzunterstände (ASU) und Kugelbunker im Gelände<br />
� Umrüstung der wassergekühlten Bunker-Mg 11 auf die luftgekühlten Mg 51; Ausrüstung<br />
derselben mit Flammschutz 160<br />
� Zwei 8,1 cm Fest Mw zur Aussenverteidigung des <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> und des <strong>AW</strong> Sasso<br />
da Pigna, an Stelle der vier halbmobilen Sch Mw 12 cm.<br />
Sonst gab es keine wesentlichen Nachrüstungen und Investitionen. Die Truppe selbst hat die<br />
längst überfällige Einrichtung für den Radio- und Fernsehempfang in der Mannschaftskantine<br />
mit einer Kabelanlage und einer Satellitenschüssel selbst organisiert und aus der Truppenkasse<br />
finanziert.<br />
Flankierende Lmg-Unterstände beim Portal (Foto 1998)<br />
158<br />
Siehe Seiten 15 + 16<br />
159<br />
Sicherheitsmassnahme nach den Munitionsmagazin-Explosionen in Dailly (28/29. Mai 1946) und Blausee-Mitholz<br />
(19./20. Dezember 1947)<br />
160<br />
Flammschutz: Abdichtung der Schartenöffnung mit einer wassergekühlten Blech- + Asbest- +Gummi-Manschette
7. Die Festungsbesatzung und deren Gliederung<br />
45<br />
Im Aktivdienst mussten in den Jahren 1939 – 1944 durch die sukzessive Inbetriebnahme der<br />
neuen Gotthard-Festungswerke die Truppenorganisation (TO) und die Mannschaftsbestände an<br />
die neuen Verhältnisse angepasst werden. Eine umfassende Ausbildung der modernisierten<br />
Festungstruppe wurde notwendig.<br />
Die Festungsartillerie Kompanie 17 des Forts Gotthard-Hospiz übernahm sukzessive das <strong>AW</strong><br />
<strong>San</strong> <strong>Carlo</strong>. 1944 wurde das <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> der aus den Beständen der Fest Art Kp 17 neu zusammengestellten<br />
Fest Art Kp 28 übergeben und diese als Bestandteil der Fest Abt 6 mit der<br />
TO 61 im Jahr 1962 in die Fest Kp II/6 umgetauft. Die Unterstellung der Gotthardfestung und<br />
damit auch der Festung <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> sowie die Bezeichnungen der Stäbe und Truppenkörper<br />
änderten sich im Lauf der Zeit:<br />
Jahre übergeordneter Verband + Unterstellungen <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong><br />
TO 36 "Gotthardbesatzung" umgewandelt in 9. Div<br />
1938 – 1940 3. Armeekorps mit 9. Division und<br />
selbständige "Festung St. Gotthard" im Bau und Aktivdienst<br />
Festungs Artillerie Abteilung 6 bedient durch Fest Art Kp 17<br />
des Fort Hospiz<br />
1940 – 1941 5. Armeekorps im Bau und Aktivdienst<br />
Festung Gotthard dem Kdo 9. Division unterstellt bedient durch Fest Art Kp 17<br />
Fest Art Abt 6 des Fort Hospiz<br />
1941 – 1948 3. Armeekorps<br />
Réduit bis 1944 9. Division ab 1944 neue Einheit:<br />
Fest Art Abt 6 Fest Art Kp 28<br />
1948 – 1951 3. Armeekorps<br />
Réduitbrigade 23<br />
Fest Artillerie Rgt 23<br />
Fest Art Abt 6 Fest Art Kp 28<br />
1952 – 1961 AK 3<br />
TO 51 Festungsbrigade 23<br />
Fest Rgt 23<br />
Fest Abt 6 Fest Kp 28 (Umbenennung)<br />
1962 –1994 Gebirgs AK 3<br />
TO 61 Festungsbrigade 23<br />
Fest Rgt 23<br />
Fest Abt 6 Fest Kp II/6 (Umbenennung)<br />
1995 TO 95 Auflösung des Fest Rgt 23 Auflösung Fest Kp II/6<br />
Fest Abt 6: Umwandlung in Fest Art Abt 6<br />
Die Festungskompanie II/6 im <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> war zu meiner Zeit (1967/70) wie folgt gegliedert:<br />
� Stab und Kommandozug<br />
� Dienste (später Werkschutz)<br />
� Artilleriezug Festungsgeschütze<br />
� Artilleriezug schwere Minenwerfer mit 4 Mw-Gruppen<br />
� Übermittlungszug<br />
� Mitrailleurzug<br />
� Füsilierzug mit IK-Gruppe<br />
� Flabzug (aus Fest Flab Abt zugewiesen)<br />
Der Kommandozug umfasste sämtliche Hilfstätigkeiten zum Betrieb der Festung, wie den Küchendienst,<br />
den <strong>San</strong>itätsdienst, den Administrationsdienst, den Materialdienst, den Waffenmechanikerdienst<br />
und den Motorwagendienst. Die Arztvisite wurde von einem für den WK zugeteilten<br />
Arzt durchgeführt, da dem <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> nebst dem Abteilungsarzt kein eigener Arzt fest<br />
zugeteilt war. Der Dienstzug (später Werkschutzzug) beinhaltete den Maschinendienst, den<br />
ABC-Dienst mit Gasschutz- (O-Geräte) und Feuerlöschtrupp.
46<br />
Die Artilleriezüge bedienten die beiden Festungsgeschütze (PzT) und die vier schweren mobilen<br />
Minenwerfer (Sch Mw) sowie die Artillerieverbindungsdetachemente (AVD) mit den Schiesskommandanten<br />
und die Batterie-Feuerleitstelle. Der Übermittlungszug gewährleistete den Übermittlungsdienst<br />
in und um das <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong>, zum Mw-Zug und zur Nahverteidigung sowie<br />
die Telefonzentralenbedienung. Der Mitrailleur- und der Füsilierzug hatten die Aufgabe der Innen-,<br />
Nah- und Aussenverteidigung des Werks. Der Flabzug schützte das Werk mit 20 mm<br />
Flabkanonen vor direkten Luftangriffen.<br />
Erfahrene Oberleutnants oder Hauptleute führten unter dem Kompanie- bzw. Festungskommandanten<br />
als Chef Dienste, Chef Artillerie, Chef Infanterie und Chef Flab die entsprechenden<br />
Truppengattungen mit ihren Zugführern, dem Feldweibel und dem Fourier. Von Vorteil war es,<br />
wenn der Kompaniekommandant (Festungskommandant) als Artillerist auch in Infanteriebelangen<br />
sehr versiert war und eine technische Ausbildung aufwies.<br />
Der Kompaniebestand setzte sich ungefähr wie folgt zusammen:<br />
- Infanteristen ca. 35 % des Sollbestandes Landwehr/Landsturm<br />
- Artilleristen ca. 26 % des Sollbestandes Auszug<br />
- Dienste + Spezialisten inkl. HD ca. 20 % des Sollbestandes Auszug/Landwehr/Landsturm<br />
- Übermittler ca. 14 % des Sollbestandes Landwehr/Landsturm<br />
- Flab ca. 8 % des Sollbestandes Landwehr/Landsturm<br />
- Stab ca. 4 % des Sollbestandes Auszug/Landwehr/Landsturm<br />
Die Truppenangehörigen der Festungstruppen waren, unabhängig von ihrer Herkunft, mit dem<br />
symbolischen Festungsturm am rechten Oberarm an der feldgrauen Ausgangsuniform gekennzeichnet.<br />
Das Oberarmabzeichen war vorerst golden auf hellrotem Grund und später golden auf<br />
schwarzem Grund (siehe Seite 2). Die Festungstruppe gehörte zu den eidgenössischen Truppen<br />
und war der Abteilung für Genie und Festungen in Bern zur Kontrollführung zugewiesen.<br />
Die Stamm-Personalkontrolle oblag der Militärkontrolle des Kantons Luzern.<br />
Der Kompaniebestand des <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> umfasste nach Korpskontrolle (sog. Kontrollbestand<br />
161 ) ca. 300 Wehrmänner mit den Alterskategorien Auszug, Landwehr und Landsturm sowie<br />
den Hilfsdienstleuten. Die Auszüger, d.h. die Artilleristen, wurden speziell in Festungsartillerie-Rekrutenschulen<br />
auf ihre Spezialaufgaben geschult, währenddem Kader und Soldaten der<br />
Landwehr wie auch die HD-Soldaten in Umschulungskursen oder Spezialkursen auf ihre neue<br />
militärische Aufgabe in der Festungskompanie vorbereitet wurden. Die Auszüger absolvierten<br />
bis 1978 jährlich einen 3-wöchigen WK, währenddem die Landwehr und der Landsturm im Zweijahres<br />
Rhythmus einen 2-wöchigen Ergänzungskurs (EK) absolvierten. Entsprechend komplex<br />
war der Ablauf eines kombinierten WK/EK mit einem Bestand von ca. 180 - 200 Mann, mit gestaffeltem<br />
Einrücken oder gestaffelter Entlassung. Die Landwehrangehörigen rekrutierten sich<br />
aus der Infanterie (grün) und den Leichten Truppen (gelb) und wurden in einem Umschulungskurs<br />
in die spezifischen Belange der Festungstruppe eingeführt. Anschliessend absolvierten sie<br />
die zwei Ergänzungskurse bei der zugeteilten Festung. Ab 1978 hatten alle jedes zweite Jahr<br />
einen 3-wöchigen Wiederholungskurs (WK) zu leisten. In den Zwischenjahren der WK leisteten<br />
die Offiziere ab 1978 als WK so genannte Schiesskurse oder Technische Kurse, welche vom<br />
Festungsregiment zentral im Einsatzgebiet durchgeführt wurden. Ab 1991 reduzierte sich der<br />
Bestand nach Korpskontrolle der Kompanie auf ca. 250 Mann, da nur noch die in allen Waffengattungen<br />
in den Fest RS ausgebildeten Wehrmänner eingeteilt blieben.<br />
Die Truppe des <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> stammte vornehmlich aus den Kantonen Luzern und Zürich.<br />
Zum Beispiel war im WK/EK 1970 die Wohnortsangehörigkeit der Einrückenden wie folgt regional<br />
verteilt: LU 52 %, ZH 21 %, BS/BL 8 %, BE 7 %, UR 3 % und einige wenige (9 %) aus den<br />
restlichen Kantonen AG, ZG, SO, VD, FR, NW, OW und TG. Das Alter der Wehrmänner (Offiziere,<br />
Unteroffiziere und Soldaten) lag zwischen 21 und 49 Jahren. Alle Berufsgattungen waren<br />
vertreten. So sass im Essraum oder schlief in der Unterkunft z.B. der Landarbeiter neben dem<br />
Dr. phil., der Coiffeur neben dem Lehrer, der Fernsehmoderator (Wysel Gyr) neben dem Käser,<br />
der Dreher neben dem Dr. ing. chem., der Seilbahnwart neben dem Musiker usw. Äusserst selten<br />
gab es Konflikte. Bedingt durch die grosse Altersspanne und der Herkunft aus verschiedenen<br />
Waffengattungen boten die unterschiedlichen Ausgangsuniformen beim Hauptverlesen vor<br />
dem Festungsportal ein buntes und überhaupt nicht einheitliches Bild. Dementsprechend galt in<br />
161 Kontrollbestand = Sollbestand nach OST + Mobilmachungsreserve von ca. 12%
47<br />
der Festungstruppe bezüglich militärischem Tenue 162 die Devise: "Ordonnanz ist, was man<br />
trägt". In einem WK/EK galt es diese "zusammengewürfelte Gesellschaft" in kürzester Zeit zur<br />
Erfüllung der Aufgabe zu einem schlagkräftigen und gut funktionierenden Team zusammenzuschweissen.<br />
Flabsockel für 20mm Flabkanone Modell 1938 auf Sockellafette Solo<br />
Der zugewiesene Flabzug aus der Fest Flab Abt 23 absolvierte seine Ergänzungskurse<br />
normalerweise auf den speziellen Flabschiessplätzen. 163 Nur selten hatten seine Angehörige die<br />
Gelegenheit, zusammen mit der Festungskompanie die Zusammenarbeit und ihre fachtechnische<br />
Aufgabe an Ort auf dem Gotthard zu üben. Als Unterkunft mussten sie sich mit einer Baracke<br />
vor dem Werkeingang begnügen, da im Werk zu wenig Platz zur Verfügung stand.<br />
8. Wiederholungskurse im <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> (1967 – 1970) 164<br />
Einrückungsort der Fest Kp II/6 war der Bahnhof Airolo, meist um 11.00 Uhr. Auf dem grossen<br />
Bahnhofplatz von Airolo herrschte an einem Einrückungstag mit den grossen Beständen eines<br />
kombinierten WK/EK militärisches Gedränge, besammelten sich doch mit den beiden Festungs<br />
Abteilungen 6 und 17 ca. 1'000 Wehrmänner. Das Gepäck wurde auf Lastwagen verladen und<br />
in die Werke geführt. Nach dem Appell auf dem Bahnhofplatz, mit Einteilung der Züge und der<br />
sanitarischen Eintrittsmusterung, marschierten die diensttauglichen Wehrmänner der Fest Abt 6<br />
von Airolo nach Motto Bartola, wo es die Mittagsverpflegung aus der Gamelle und der Feldflasche<br />
gab. Anschliessend marschierten wir über Abkürzungswege durch die Tremola zur Gotthard-Passhöhe<br />
und dann hinunter zum <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong>. Nur nichtmarschtaugliche Wehrmänner<br />
und die nur mit Zivilschuhen ausgerüsteten Hilfsdienstleute kamen in den Genuss einer Lastwagenfahrt<br />
über den Gotthardpass zum <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong>. Von allen Kompanien der beiden in Airolo<br />
einrückenden Fest Abteilungen 165 hatten wir den längsten Anmarschweg zu Fuss zu bewältigen.<br />
Auf dem Vorplatz des <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> erfolgte umgehend die Inspektion der persönlichen Ausrüstung<br />
und das Fassen der Ausrüstung. Anschliessend durften endlich die zugewiesenen Zimmer<br />
bzw. Mannschaftsräume bezogen werden. Der lange erste Tag mit dem Fussmarsch und der zu<br />
überwindenden Höhendifferenz von fast 1000 m war für viele Einrückende ein harter Wechsel<br />
vom Zivilleben in den Militärdienst und ein echter erster Leistungstest. Die Leute waren aber<br />
meistens motiviert und körperlich gut vorbereitet; Ausfälle gab es praktisch nie. Im Winter bei<br />
geschlossener Passstrasse war bis 1967, d.h. bis zur Eröffnung der neu ausgebauten Gotthardstrasse<br />
mit dem Fieudtunnel als Mobilmachungs-Einrückungsort Hospental vorgegeben. Dort<br />
war die Winterausrüstung für den Kriegsfall eingelagert: Skiausrüstung, Winterkleidung,<br />
Schneeschaufeln, Lawinenschnüre, Gletscherbrillen usw. Diese spezielle Einrückungssituation<br />
kam glücklicherweise bei uns nie vor, war jedoch im Aktivdienst üblich.<br />
162<br />
Tenue = Arbeitskleidung mit Zubehör, wie Patronentasche, Gabeltragriemen, Bajonett usw., bzw. Ausgangstenue<br />
163<br />
Brigels, Grandvillard<br />
164<br />
WK unter dem Kommando des Verfassers<br />
165<br />
Fest Abt 6 (Sasso da Pigna, <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> und Stabskp) und Fest Abt 17 (Foppa Grande, Fort Airolo, Grandinagia,<br />
Manegorio und Stabskp)
48<br />
Im KVK (Kadervorkurs) und im Wiederholungskurs/Ergänzungskurs (WK/EK 166 ) wurde vorerst<br />
die Grundausbildung aufgefrischt. Zugleich galt es, das Werk "kampfbereit" auszurüsten, wie<br />
Munitionsbereitstellung, Erstellen der Stacheldrahthindernisse, allfälliges Räumen von Schnee<br />
und Eis, Ergänzen oder Entfernen von Tarnungen etc. Im Kriegsmobilmachungsfall hätte diese<br />
Arbeiten vorgängig das vorzeitig einrückende Verstärkungsdetachement der Festungskompanie<br />
durchgeführt. Die eigentliche Betriebsbereitschaft der Festungswerke und deren Bewaffnung<br />
war jedoch jederzeit durch das Personal des Festungswachtkorps 167 (FWK) sichergestellt. Während<br />
dem WK waren als Spezialisten rund um die Uhr Angehörige der Festungswache, meist<br />
der Werkchef und ein Maschinen- oder Geschützmechaniker, im <strong>AW</strong> anwesend. Diese Berufsfachleute<br />
standen uns immer kompetent und hilfsbereit mit Rat und Tat zur Seite.<br />
Eingangswache vor dem <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> während einer Einsatzübung (ca. 1980)<br />
Beim Festungseingang wurden nach dem Einrücken sofort die immer mit scharfer Munition ausgerüstete<br />
doppelte Schildwache oder die gefechtsmässige Wache und die Zutrittskontrolle aufgezogen.<br />
Kompaniefremden Personen ohne Spezialausweis oder Bewilligung des Kommandanten<br />
bzw. des Tagesoffiziers war der Zugang ins Werk nicht gestattet und sie wurden abgewiesen.<br />
In Trockenübungen wurden die Kenntnisse des Personals der Feuerleitstellen sowie auch<br />
der Schiesskommandanten aufgefrischt, die Zusammenarbeit des Abteilungsverbandes geübt<br />
und verbessert, die Telefon- und Funkverbindungen getestet und schliesslich die Unterlagen für<br />
die kommenden Artillerieschiessübungen vorbereitet. Die Infanteristen lernten die Umgebung<br />
des Werks kennen und für Gefechtsübungen und Gefechtsschiessen war das nahe Valletta del<br />
<strong>San</strong> Gottardo ein ideales Gelände. Der Fachdienst in allen Sparten wechselte ab mit Schiessübungen<br />
und allgemeiner Ausbildung, wie Kameradenhilfe, Sport, Exerzieren, ABC-Dienst 168 ,<br />
Theoriestunden, Tests und Prüfungen. Spezialisten wurden auf entsprechend ausgerüsteten<br />
Ausbildungsplätzen ausgebildet, so z.B. die Gasschutztrupps mit den O-Geräten (später Werkschutztrupp)<br />
im Übungsstollen im Balmholz am Thunersee.<br />
166 WK = Wiederholungskurs (Auszug) / EK = Ergänzungskurs (Landwehr + Landsturm)<br />
167 Festungswachtkompanie 17 in Airolo (bis 1950, ab 1951 bis 1985 Festungswachtkp 18)<br />
168 ABC = Atomare, Biologische und Chemische Kampfstoffe
49<br />
Feuerlöschtrupp des Festungswerkschutzes (ca. 1980)<br />
In früheren Jahren (anfangs der 50er Jahre) wurden sogar mehrtägige Kompanie-Verlegungen<br />
durchgeführt. Dabei spielten sich das Kompanieleben und die Ausbildung vorübergehend in<br />
Zeltlagern ab, z.B. auf der Alpe Pesciüm ob Nante oder auf der Alpe Cristallina im Bedrettotal<br />
auf. In dieser Feldbasis wurden die Gefechtsschiessübungen durchgeführt. Anschliessend nahmen<br />
die Festungsleute wieder etwas zufriedener mit ihrer doch um Einiges trockeneren und<br />
wärmeren Stollenunterkunft vorlieb.<br />
Als Gebirgstruppe legten wir besonderen Wert auf eine gute Gebirgsausbildung und sofern<br />
es Schnee hatte kam auch die Skiausbildung nicht zu kurz. Durch ein abwechslungsreiches<br />
Programm war immer gewährleistet, dass sich die Truppe durch den Tag bei der Arbeit möglichst<br />
im Freien aufhalten und bewegen konnte. Auch die diesbezüglich weniger Privilegierten,<br />
wie Küchenmannschaft und Telefonzentralisten, wurden soweit wie möglich ins Freie komplimentiert.<br />
So war gewährleistet, dass der so genannte Festungskoller bei uns im Friedensdienst<br />
nie in Erscheinung trat. Allgemein herrschten eine sehr gute Kameradschaft und eine gute Stimmung.<br />
Im Aktivdienst ist dies wohl anders gewesen, längere Zeit abgeschnitten fern von den<br />
Angehörigen und der Zivilisation und mit der Ungewissheit der eventuell kommenden Kriegs-<br />
Ereignisse im Inneren des Berges auf engstem Raum zusammengedrängt sein zu müssen. 169<br />
Bei Manövern und Einsatzübungen war meistens, wie im Kriegsfall, ⅓ der Truppe im Einsatz,<br />
die weiteren zwei Drittel ruhten oder waren auf Pikett. Dementsprechend waren auch nur<br />
für ⅓ der Mannschaft Betten vorhanden, so dass bei kombinierten WK/EK mit grossem Truppenbestand<br />
von über 180 Mann der Füs- und Flabzug als Unterkunft mit der Aussenbaracke<br />
beim Werkeingang Vorlieb nehmen musste. Bei Vollbestand konnte im Mannschaftsessraum<br />
nur in Schichten gegessen werden.<br />
Da wir über keine Lautsprecheranlage verfügten, musste der Feldweibel die Truppe mit seiner<br />
durch die Gänge hallenden Stimme zusammenrufen, was meistens sehr gut funktionierte.<br />
Der Morgenappell und das Hauptverlesen fand je nach Witterung und Truppenbestand auf dem<br />
bekiesten Werkvorplatz oder im Halbdunkel der Festungsgänge statt.<br />
Ende des WK/EK galt es das Werk wieder an den Werkchef des FWK zurückzugeben. Dies<br />
erforderte eine gründliche Reinigung sämtlicher Räumlichkeiten und Gänge, die Reinigung aller<br />
Geräte, Waffen und Einrichtungen und am Schluss erfolgte die minutiöse Materialkontrolle mit<br />
dem Rückschub oder der Rückgabe des Materials. Die restliche Munition mit den Geschossrückständen<br />
und dem Verpackungsmaterial sowie die Fahrzeuge wurden separat zurückgeschoben.<br />
Im Kp Büro wurde der letzte Papierkrieg bewältigt, galt es doch Rapporte, Berichte,<br />
Anträge, Kontrolllisten, Abrechnungen, Diensttagemeldungen usw. zusammenzustellen und zu<br />
schreiben, die Dienstbüchlein nachzutragen und zu unterschreiben und schliesslich den letzten<br />
WK-Sold auszuzahlen. Wieder hatten wir im Kalten Krieg bei Einsatzübungen und Manövern<br />
den Kampf gegen den "roten" oder "gelben" Gegner gewonnen. Am Schluss des WK wurde die<br />
Wache eingezogen und die Festungswache schloss, abgesehen von ihrer laufenden Kontroll-<br />
und Unterhaltstätigkeit, bis zum nächsten WK das Festungstor ab.<br />
169 Siehe Kapitel 3 "Bericht eines Zeitzeugen aus dem Aktivdienst", Seite 17ff
50<br />
In einem WK/EK wurden zu Übungszwecken ansehnliche Mengen Munition verschossen, so<br />
z.B. im WK/EK 1967:<br />
� 10,5 cm Übungsgeschosse 50 Stück<br />
� 12 cm Mw Übungsgeschosse 52 Stück<br />
� 8,1 cm Mw Übungsgeschosse 48 Stück<br />
� 8,3 cm Rak-Rohr Hohlpanzergeschosse ca. 3 Stück<br />
� GP 11 Gewehrmunition (Karabiner, ZfK, Mg 11 und Lmg) 7860 Schuss<br />
� GP 11 Leuchtspurmunition (Karabiner, Mg 11 und Lmg) 1980 Schuss<br />
� Markier Gewehrpatronen 360 Schuss und Markier MG-Munition 3000 Schuss<br />
� 9 mm Pistolenmunition (Pistole und MP) 800 Schuss<br />
� Defensivhandgranaten (DHG 17) 54 Stück<br />
� Markier DHG 300 Stück<br />
� Beleuchtungsraketen mit Fallschirm 16 Stück<br />
� Signalraketen 24 Stück und Nebelkörper 14 Stück<br />
Beispiel eines Tagesbefehls im WK 1970 der Fest Kp II/6<br />
(Donnerstag, 25.6.1970)
9. Artillerieausbildung<br />
51<br />
Hauptaufgabe des WK war selbstverständlich das Artillerieschiessen mit unseren 10,5 cm Panzer-Turmkanonen.<br />
Dieses wurde in der Regel als Abteilungsschiessen oder sogar als Regimentsschiessen<br />
durchgeführt. Die Zielgebiete lagen meist auf der Südseite des Bedrettotals,<br />
im Gebiet der Alpe Piora/Ritomsee oder auch im Rotondogebiet. Das Ausbildungsziel war, mit<br />
möglichst geringem Munitionsaufwand rasch und wirkungsvoll den angenommenen Gegner am<br />
bezeichneten Ort mit Artilleriefeuer zu belegen. Es war schwierig, dies zu erreichen und benötigte<br />
allseits grosse Disziplin. Es galt, die Geschosse auf ihren unterschiedlichen Flugbahnen aus<br />
den in verschiedenen Himmelsrichtungen liegenden Festungsgeschützen, mit unterschiedlichen<br />
Schussdistanzen und sogar mit unterschiedlichem Kaliber 170 , rasch, gleichzeitig und präzise auf<br />
die gegnerischen Ziele zu lenken. Bei solchen Artillerieschiessen zeigten sich die Könner auf<br />
allen Stufen, insbesondere da noch keine elektronischen Hilfsmittel zur Verfügung standen, wie<br />
Laser-Goniometer, Toporechner, Flugbahn-Vermessungsradar etc.<br />
Zur Berechnung der vier Schiesselemente Richtung, Elevation, Ladung und Tempierung,<br />
genügte in der Feuerleitstelle die Karte der Wirkungsmöglichkeiten 1: 25'000 mit Angabe der<br />
Ladungsgrenzen und den schusstoten Räumen, der Schiesselementenrechner SER 171 , der Korrekturrechner<br />
KR 172 und der Ballistische Korrekturrechner. 173<br />
Feuerleitoffizier mit Feuerleitequipe im Einsatz Der Schiesselementenrechner SER<br />
in einer Batterie-Feuerleitstelle (ca. 1980)<br />
Die Sprechverbindung zwischen dem Schiesskommandanten auf dem Beobachtungsposten<br />
über die Abteilungs-Feuerleitstelle zur Batterie-Feuerleitstelle im Artilleriewerk erfolgte über<br />
temporäre und permanente Kabelverbindungen. Ein relativ dichtes Kabelnetz überzog wie ein<br />
Spinngewebe das coupierte Gotthardgebiet. Überall gab es diskret versteckte Feldanschlusskasten<br />
(FAK), wo die Uem Sdt der Fest Stabskp die Feldtelefonleitungen zu den Beobachtungsposten<br />
der Artillerieschiesskommandanten anschliessen konnten. Aus Sicherheitsgründen<br />
wurden nur ausnahmsweise Funkverbindungen verwendet.<br />
Die Artillerieoffiziere der Festungskompanie waren in allen Belangen als Allrounder ausgebildet<br />
und konnten wechselweise und nach Bedarf als Feuerleitoffizier, Batterieoffizier oder<br />
Schiesskommandant eingesetzt werden. Dazu wurden sie in besonderen Schiesskursen oder<br />
auch in den pro Jahr an zwei Wochenenden durchgeführten so genannten Baranoffkursen bzw.<br />
Schiessgeräteübungen 174 weiter ausgebildet. Ab 1968 wurden die Schiesskommandanten der<br />
Festungs-Stabskp bzw. ab 1978 der Feuerleit-Kp zugeteilt. Damit wurde das artilleristische<br />
Ausbildungsprogramm in der Festungs Kompanie wohl effizienter, aber auch einseitiger.<br />
170 z.B. Kasemattkanonen Sasso da Pignia: Kaliber 15 cm, Fest Mw Foppa Grande: Kaliber 12 cm, Pz-Turmkanonen<br />
Fuchsegg + Gütsch + <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> + Foppa Grande: Kaliber 10.5 cm<br />
171 SER =Schiesselementenrechner, ein graphisch-mechanisches Berechnungsgerät<br />
172 KR = Umrechnungsgerät der Beobachtungsdaten des Schiesskommandanten auf die Schiesselemente<br />
173 Ballistischer KR = berücksichtigt die Werte bei Vorliegen von Wetterdaten und Messdaten der Wetterzüge<br />
174 Baranoff- und Projektargeräte in Thun, Bern, Kloten, Frauenfeld und später auch Projektar im Fort Airolo
52<br />
Artilleriebeobachtungsposten bei einer Schiessübung<br />
mit dem <strong>AW</strong> Grandinagia auf dem <strong>San</strong> Giacomopass<br />
(Hptm Lütolf und Hptm Rüefli, Fest Abt 17)<br />
Bis 1961 wurden sämtliche Korrekturen der durch den Schiesskommandanten beobachteten<br />
Zieleinschläge von ihm und seinem Gehilfen direkt auf die am Geschütz einzustellenden Korrekturen<br />
umgerechnet und als Kommando über die Feuerleitstelle an die Geschütze weitergegeben.<br />
Ab 1962 wurden die Schüsse vom Schiesskommandanten nur noch in Beobachtungsrichtung<br />
beurteilt und die übermittelten Beobachtungen in der Feuerleitstelle mit dem Korrekturrechner<br />
umgerechnet.<br />
Die Schiessverfahren der Festungsartillerie auf dem Gotthard sind im Buch "Über dem Nebel –<br />
Aus der Geschichte des Festungsregimentes 23 von 1948 – 1994" eingehend auf den Seiten<br />
31ff beschrieben.<br />
10. Geschützausbildung an der 10,5 cm Panzerturmkanone 1939 L 52<br />
Für die Geschützbedienung wurden je Geschütz 11 Mann benötigt:<br />
� im Geschützraum in der Panzerturmkuppel: Richter, Lader, Verschlusswart<br />
� im Bodenraum des Panzerturms: Geschützchef (Kpl), Tempierer, Munitionswart 1 + 2<br />
� am Munitionsaufzug: 1 Zuträgerchef und 3 Munitionszuträger (Munitionsnachschub und<br />
Munitionsrückschub von der unteren Station zum Panzerturm).<br />
Dazu kam die Magazinmannschaft mit dem Magazinchef, welche für den Munitionsnach- und<br />
-rückschub vom Munitionsmagazin zur unteren Station verantwortlich war. Der Batterieoffizier<br />
überwachte die Geschützbatterie mit den beiden Geschützen, d.h. speziell die Sicherheit, Ordnung<br />
und Effizienz.<br />
Der Geschützchef und der Richter erhielten von der Feuerleitstelle telefonisch über die Hör-<br />
und Sprechgarnitur die notwendigen Schiessdaten und Korrekturen mit Seite, Distanz, Munitionsart,<br />
Ladungs-Nr., Zünderart und Tempierung, und sie gaben die Kommandos an die Geschützbedienung<br />
weiter bzw. nahmen die kommandierten Einstellungen vor.
53<br />
Das Artillerieschiessen mit dem Panzerturm bedingte mit dieser Bedienungsmannschaft die<br />
nachfolgend kurz umschriebenen Arbeitsabläufe 175 und damit eine sehr disziplinierte Teamarbeit.<br />
Es war reine Handarbeit. Nur der Paternoster-Munitionsaufzug, der Ventilator des Kollektivmaskenschutzes<br />
und der Kompressor der Ausblasvorrichtung wurden durch einen Motor angetrieben.<br />
In der unteren Station am Fuss des Schrägstollens wurde beim Schiessen durch die<br />
Munitionszuträger kontinuierlich Munition, d.h. Geschosse, Zünder, leere Hülsen und Ladungen<br />
in Sicherheitsbehältern bereitgestellt und nach Bedarf mit dem Paternoster-Munitionsaufzug<br />
nach oben zum Geschützturm transportiert.<br />
Munitionswart in der unteren Station<br />
beim Munitionsnachschub mit dem Paternoster-Munitionsaufzug,<br />
mit Antrieb,<br />
Bedienungskasten und Pressluftbehälter<br />
für Ausblasvorrichtung<br />
(Aufnahme ca. 1980, ohne KMS)<br />
Im Innern des Panzerturms war es überaus kompakt und sehr eng, im Gegensatz zu den geräumigeren<br />
alten Panzertürmen aus dem 19. Jahrhundert oder den Geschützräumen der Bunkerkanonen.<br />
Zum Panzerturm führten der Aufstiegstollen mit Treppe, das Rohrwagengeleise 176 ,<br />
der Munitionsaufzug und sämtliche Leitungen für Pressluft, KMS-Gasschutz, Telefon und Elektrizität.<br />
Nach der Zugangstreppe betrat man über eine gepanzerte kleine Türe die Aufstiegsleiter<br />
zum Bodenraum (Munitionsboden). Daneben führte eine ebenfalls verschliessbare Durchreiche<br />
für die Munition vom Ende des Paternoster-Munitionsaufzugs in den Bodenraum.<br />
Geschützraum der 10,5 cm Panzerturmkanone 39 L 52 auf der Versuchsschiessanlage "Zelgli" Thun, vor<br />
Aufsetzen der Panzerkuppel. Unten Arbeitsplatz des Laders, oben rechts des Verschlusswartes und links<br />
des Richters. – Von unten nach oben: Vorpanzer, Munitionsheber, Ladevorrichtung, Geschützrohr mit<br />
hydr. Vorholer, Verschlusshebel, Hülsenabwurfkanal, Richtvorrichtung, Aufstiegluke mit Klappe, Kollektivmaskenschutz.<br />
175 Reglement 57.210d: "Die 10,5 cm Festungsgeschütze", Festungsartillerie Heft B<br />
176 Für das Auswechseln des Geschützrohrs mit einem Reserverohr
54<br />
Im Bodenraum stapelte sich im Munitionsgestell die bereitgestellte Munition (max. für 20<br />
Schuss): Geschosse mit den vom Tempierer aufgesetzten zum Tempieren bereiten Zünder,<br />
leere Hülsen und die Ladungen zur Sicherheit in Ladungsbüchsen. Für Stahlgranaten, Spitzgranaten,<br />
Rauchgranaten, Nebelgranaten und Übungsgranaten gab es in der unteren Ladungsgruppe<br />
die Ladung 1 und die Teilladungen 2 – 4 und in der oberen Ladungsgruppe die Ladung<br />
4 und die Teilladungen 5 – 6. Die Ladungssäckchen waren mit der entsprechenden Nummer<br />
und zur besseren Unterscheidung mit unterschiedlichen Farben gekennzeichnet. Als Zünder<br />
standen zur Verfügung: der Momentan-Verzögerungszünder MVZ und der Momentanzeitzünder<br />
MZZ.<br />
10,5 cm Geschoss MZZ-Zünder in Verpackungsbüchse<br />
Der Geschützführer kommandierte die von der Feuerleitstelle übermittelten Schiesskommandos.<br />
Er kontrollierte deren Ausführung, insbesondere an der ringsum laufenden Seitenskala die vom<br />
Richter eingestellte Richtung des Geschützes und an der Lafette an einer Höhenrichttrommel<br />
die Distanz 177 in Radius-‰, d.h. die Elevation oder Neigung des Rohrs. Ebenso überwachte er<br />
die in die Hülsen abgefüllten Ladungen (befohlene Ladungs-Nummer, d.h. die Ladungsmenge<br />
entsprechend der Schussweite), die am Zünder eingestellte Tempierung (= Zeitdauer bis zur<br />
Geschossexplosion), die Einhaltung der Sicherheitsvorschriften und den Munitionsrückschub.<br />
Mit Handschlitten (Munitionsheber) schob der Munitionswart die schussbereite Munition (Geschosse<br />
mit aufgesetztem Zünder und Ladungshülsen) nach oben in den Geschützraum.<br />
Tempierer und Aufstieg zum Geschützraum Geschützführer mit Gegen-<br />
Munitionswart Sprecheinrichtung<br />
Man schlüpfte über eine der zwei Steigleitern durch die Aufstiegsluken hinauf in den Geschützraum<br />
und schloss die Bodenklappen. Hier wurde vom Richter mit den Richträdern an den beiden<br />
Richtuhren die Seite (= Azimut in Artillerie-‰ bzw. Richtung) und die Elevation (= die Neigung)<br />
des Geschützes eingerichtet. Mit Umstellhebel konnte eine kleine oder grosse Übersetzung<br />
eingeschaltet werden.<br />
177 Bei Distanz 1000 ‰ ist das Rohr horizontal
55<br />
Richtvorrichtung 10,5 cm Pz T mit Axiometer:<br />
links von oben nach unten Seitenrichttrommel<br />
und Seitenrichthandrad. – Rechts von oben<br />
nach unten: Höhenrichttrommel und Höhenrichthandrad,<br />
je mit Umstellhebel für Geschwindigkeit.<br />
Das Drehen des Turms war in sechs Abschnitten durch eine an fünf Befestigungszapfen einkuppelbare<br />
Gelenkstange begrenzt, d.h. nur in einem beschränkten Sektor drehbar. Damit wurde<br />
ein Abreissen der diversen Kabel sowie der Druckluftleitung verhindert. Bei einer Richtungsänderung<br />
über den Begrenzungssektor mussten im Bodenraum die Gelenkstange und die Leitungen<br />
umgehängt werden. Mit einem Hilfsrichtrad im Bodenraum konnte dem Richter beim<br />
Drehen des Panzerturms geholfen werden. Eine hydraulische Anhebevorrichtung ermöglichte<br />
bei Verklemmungen die Hebung der Lafette mit der Kuppel um 23,5 cm.<br />
Lader beim Setzen des Geschosses Lader beim Einführen der Ladungshülse<br />
mit der Ladeschaufel<br />
Vorne Verschlusswart, hinten der Munitionswart entnimmt heisse<br />
Richter mit Gegensprecheinrichtung Hülse aus der Hülsentrommel<br />
Der Lader setzte in jeder Elevationslage mit der Ladeschaufel das Geschoss mit dem aufgesetzten<br />
Zünder im Rohr an. Die Messinghülse mit der Zündkapsel wurde mit der entsprechend<br />
befohlenen Ladung vom Lader von Hand in den Laderaum geschoben und der Verschluss
56<br />
durch den Verschlusswart geschlossen. Jetzt war das Geschütz schussbereit. Auf das Kommando<br />
"Feuer" betätigte der Verschlusswart (oder notfalls der Richter) den Abzug. Nach der<br />
Schussabgabe öffnete der Verschlusswart den Verschluss und die rauchende heisse Hülse fiel<br />
durch den Hülsenkanal in die Hülsentrommel im Bodenraum, wo die Verbrennungsgase automatisch<br />
abgesogen wurden und danach ein Munitionswart die Hülse entnahm. Nach dem Auswerfen<br />
der Hülse wurde ebenso automatisch das Geschützrohr mit Pressluft ausgeblasen. Bei<br />
der Schussabgabe war im Inneren der Panzerkuppel nur ein dumpfes Schussgeräusch zu hören;<br />
die Geräusche der herunterklappernden Hülse und der Ausblasvorrichtung waren lärmiger.<br />
Hülseninstandstellungsapparat<br />
Die Hülsen wurden mit dem Paternoster Munitionsaufzug in die untere Station zurücktransportiert.<br />
Hier unten oder im Munitionsmagazin wurden die zurückgeschobenen Hülsen auf dem so<br />
genannten Hülseninstandstellungsapparat kontrolliert, gerichtet und mit einer neuen Zündkapsel<br />
zur Wiederverwendung versehen.<br />
Der Arbeitsvorgang und Schiessablauf in einem 10,5 cm PzTurm ist in einem Videofilm der Association<br />
St. Maurice Études Militaires eingehend wiedergegeben, wobei in diesem Vorführfilm die Sicherheitsvorschriften<br />
nicht eingehalten sind. 178 So fehlt u.a. die vorgeschriebene Verwendung der Schutzmaske mit<br />
dem Kollektivmaskenschutz.<br />
Die gesamte Geschützbedienung arbeitete mit angezogener Gasmaske, wobei diese an die<br />
Leitung des Kollektivmaskenschutzes (KMS) angeschlossen wurde. Durch den leichten Überdruck<br />
mit Frischluft über eine Filtergruppe war die Geschützbedienung vor den Schiessgasen<br />
(CO) und eventuellen Feindgasen geschützt, gleichzeitig aber auch vor möglichen Brandverletzungen.<br />
Individuelle CO-Filter ergänzten die Ausrüstung der Geschützbedienung bei einem allfälligen<br />
Ausfall des KMS. Durch intensiven Fachdienst und mit seriös durchgeführten Übungsschiessen<br />
war der Einsatz der 10,5 cm Pz-Turmkanonen unter Einhaltung aller Sicherheitsvorschriften<br />
gefahrlos. Gegenüber den veralteten und noch bis weit in die 50er Jahre 179 im Einsatz<br />
stehenden 12 cm Panzertürmen (z.B. <strong>AW</strong> Bäzberg System Schumann 1882) war die Sicherheit<br />
beim Keilverschlusssystem bei den 10,5 cm PzT durch Verwendung von Ladungshülsen viel<br />
grösser. Eine Explosion durch unsachgemässen Munitionstransport oder durch Mängel am Geschütz<br />
wäre mit den heutigen technischen Vorkehren und bei Einhaltung der Sicherheitsvorschriften<br />
praktisch unmöglich. Die Folgen in den geschlossenen Räumen, insbesondere im<br />
Panzerturm, wären verheerend. Angehörige der damaligen Fest Art Kp 17 erlebten beim Ausbildungsdienst<br />
in der Artillerie Offiziersschule II im Jahr 1944 in Andermatt das wenig bekannte<br />
fatale Ereignis der Panzerturmexplosion mit 8 Toten.<br />
178 Fort Dailly, Armes de Forteresse, 1995<br />
179 12 cm PzT Fort Bäzberg und Bühl 1951 aufgehoben; in St. Maurice wurde 1958 noch mit 12 cm Versenkkanone<br />
unter Splitterschutzkuppel geschossen.
57<br />
Hptm Bruppacher, Kdt der Fest Art Kp 17, schreibt im Tagebuch am 7.9.1944 unter "Besondere<br />
Vorkommnisse": 180<br />
«Beim Schiessen für die Art OS II ereignete sich im T 2 (Turm 2) Bäzberg eine Explosion, die 7 Tote und<br />
6 Schwer- + Leichtverletzte kostete. Tot waren, ausser den 3 oben erwähnten 181 der Fest Art Kp 17 (Kan<br />
Kunz Emil, 02 + Mitr Schnyder Alb, 22 + Kan Sameli Arthur, 22) folgende Wehrmänner: Lt Albertini, Fest<br />
Art Kp 33 + Kpl Hauser, beide Art OS + 1 FW Sdt Lehmann, FW Kp 17 + 1 Tf Sdt Scheurer Mot Kan Bttr<br />
104. Ursache: kein Dichtungsring! Von der Fest Art Kp 17 waren verletzt: Oblt Ruchti, Gasvergiftung +<br />
Mitr Sigrist Johann, Verbrennungen + Mitr Steinmann, Verbrennungen und Armfraktur + Kan Lehmann<br />
Werner, Fraktur + Kan Lustenberger, geringe Verbrennungen.»<br />
Mitr Steinmann verstarb sechs Tage später und damit erhöhte sich die Zahl der Toten auf insgesamt<br />
acht Mann. Weitere Verletzte waren: Kpl Müller Bruno, Fest Art Kp 16 und Walker Johann,<br />
FW Kp 17 als Aushilfe. Durch den fehlenden Kupfer-Dichtungsring (Liderungsring) entzündete<br />
der seitlich austretende Feuerstrahl bei der Schussabgabe die entgegen den reglementarischen<br />
Weisungen im Geschützraum bereit stehenden 14 ungeschützten Ladungssäcke und<br />
löste damit den Feuersturm oder die Explosion im Geschützraum aus. Die Opfer wiesen schwere<br />
Verletzungen und Verbrennungen auf, starben aber in erster Linie an der schweren CO-<br />
Gasvergiftung. 182<br />
Die ergreifende militärische Totenfeier wurde am 9. September 1944 in Andermatt vor der<br />
Kaserne Altkirch abgehalten. 183 Aufgrund dieser bitteren Lehre wurden hierauf umfangreiche<br />
Sicherheitsvorkehren getroffen, wie z.B. das Tragen der Gasmaske mit Kollektivmaskenschutz<br />
oder die zur Sicherheit in Büchsen verpackten Ladungen. Bei den heutigen Artilleriegeschützen<br />
werden bei hülsenlosen Ladungen selbstabdichtende Marine-Drehverschlüsse verwendet oder<br />
bei Keilverschlüssen die Ladungen in Hülsen verpackt.<br />
Kanoniere beim Schiessen mit dem 12 cm Gruson-Zwillingspanzerturm im Fort Airolo. Der rechts kniende<br />
Lader kontrolliert vor dem Schliessen des Verschlusses durch den Verschlusswart den richtigen Sitz des<br />
Liderungsrings (Dichtungsring). Vorgängig hat er mit dem weichgekneteten Liderungswachs in der Innenseite<br />
des Rohrs hinter dem Verschlusskasten den Liderungsring zum Abdichten ausgestrichen, bevor er<br />
die Ladung (ein Ladungssack wie eine "Knorrwurst") in den Feuerraum einschiebt. Der rechts stehende<br />
Verschlusswart schliesst dann nach dem Einsetzen der Zündkapsel den Blockverschluss. Zum Löschen<br />
allfälliger brennender Ladungsrückstände beim Öffnen des Verschlusses steht hinter dem Geschützrohr<br />
der Wasserkessel bereit. Unter fast gleichen Verhältnissen passierte 1944 infolge "menschlichen Ver-<br />
180 BAr: 5790 -/9001 2622 Bd. 10<br />
181 Die "oben erwähnten" wurden im Tagebuch im Kp-Bestand als Abgang von Toten erwähnt.<br />
182 siehe "Bericht und Antrag des Untersuchungsrichters 9. Div, Hptm Rudolf Sidler Schwyz, vom 23.12.1944<br />
betr. Artillerie-Schiessunfall im Panzerturm 2 der Festung Bätzberg vom 7.9.44, 0810 Uhr" (39 Seiten)<br />
183 BAr: 5790 -/9001 2603 Bd. 4 (Tagebuch Fest Art. Abt 6)
58<br />
sagens" der oben erwähnte tragische Schiessunfall auf dem Bäzberg ob Andermatt. Wie der Maler Hans<br />
Beat Wieland auf dieser Radierung die Festungskanoniere bei ihrer Arbeit abbildete, wurde noch bis weit<br />
in die 50er Jahre des 20. Jahrhunderts mit den alten Festungsgeschützen 8,4 cm und 12 cm in den Festungen<br />
am Gotthard und in St. Maurice geschossen 184 .<br />
Im WK übten die Geschützmannschaften drillmässig ihre Aufgabe, insbesondere die Richter<br />
und die Tempierer. Wettbewerbsmässig wurden sie in den Richterprüfungen getestet und bei<br />
sehr guter Leistung mit dem Richterabzeichen ausgezeichnet.<br />
11. Minenwerferausbildung 12 cm Sch Mw<br />
Zum <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> gehörte auch eine so genannte halbmobile Minenwerferbatterie mit vier 12<br />
cm Sch Mw. 185 "Halbmobil" wurde die Batterie offiziell bezeichnet, weil unserer Festungskompanie<br />
für das Verschieben dieser Geschütze keine festen Transportmittel zugeteilt waren. Diese<br />
Stellungsbezug mit 12 cm Sch Mw Mw-Zug mit 2 Geschützen beim Fort Hospiz<br />
Minenwerfer sollten schusstote Räume im Einsatzbereich um die Festungswerke des Gotthardpasses<br />
mit Artilleriefeuer belegen können. In Manövern wurden sie jedoch oft von höherer Warte<br />
für artilleristische Sonderaufgaben zweckentfremdet und bis in die untere Leventina verschoben.<br />
Damit kamen unsere Sch Mw-Artilleristen zu angenehmen Ausflügen ins Tessin. Für die<br />
Festungskompanie II/6 (<strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong>) boten diese Geschütze die Gelegenheit, ausserhalb des<br />
Abteilungsverbands selbständige Artillerieschiessen durchzuführen.<br />
184 siehe Fussnote 177 Seite 57<br />
185 Sch Mw = Schwere Minenwerfer 12 cm<br />
Minenwerferübungsschiessen 12 cm Sch Mw<br />
mit 8,1 cm Einsatzlauf im Witenwasseren
59<br />
Die Minenwerferschiessübungen wurden unter der Schiessleitung des Kompaniekommandanten<br />
(Kp Kdt) mit Artillerieoffizieren der Kompanie als Schiesskommandanten durchgeführt. Zielgebiete<br />
standen uns reichlich zur Verfügung, wie Valletta del <strong>San</strong> Gottardo, Alpe Fortunei, Orsino-<br />
Orsirora, Lucendroalp, Witenwasserenstafel-Cavannapass. Die 12 cm Sch Mw wurden mit Jeep<br />
oder Lastwagen in die Stellungsräume in Werknähe oder auch weiter bis ins Witenwasseren 186<br />
verschoben. Rasche Stellungsbezüge in unterschiedlichem Gelände gehörten zum üblichen<br />
Repertoire der Geschützmannschaft. Die Erfahrung lehrte sie rasch, dass eine harte Granitunterlage<br />
oder die meist torfigen Geländemulden für ein präzises Artillerieschiessen nichts taugten.<br />
Bei Schnee schleppte die Mannschaft die Geschütze auf Kanadierschlitten an den Stellungsort.<br />
Mit Einsatzlauf stand uns für Übungsschiessen zusätzlich auch 8,1 cm Minenwerfermunition<br />
zur Verfügung. Aufwändig gestaltete sich jeweils die Durchführung der Absperrmassnahmen<br />
um die Batteriestellung und um das Zielgebiet, z.B. bis auf die Höhe von 2800 m.ü.M.<br />
am Pzo. Lucendro. Die grosse Scheitelhöhe der Flugbahn reichte gefährlich bis in die nahe zivile<br />
Flugstrasse Nord-Süd über dem Gotthard. 187 Deshalb konnte nur nach Rücksprache und<br />
Freigabe des Schiessens durch die Flugüberwachungs-Koordinationsstelle KOSIF geschossen<br />
werden.<br />
Die mobilen schweren 12 cm Mw wurden 1987 ausgemustert und durch zwei Fest Mw 8,1<br />
cm ersetzt. Dementsprechend reduzierte sich der Mannschaftsbestand der Fest Kp II/6.<br />
12. Mitrailleur- und Infanterieausbildung<br />
Nebst dem persönlichen Karabiner bzw. ab ca. 1974 dem Sturmgewehr (Stgw), war eine Festungskompanie<br />
mit einer reichhaltigen Palette von Infanteriewaffen ausgerüstet, welche im Lauf<br />
der Zeit an die veränderten Waffenverhältnisse angepasst wurde. So bildeten wir das Gros der<br />
Festungskompanie im WK an folgenden Waffen aus: DHG 17 (Defensivhandgranate mit Splittermantel),<br />
HG 43 (Handgranate mit und ohne Splittermantel), MP (Suomi-Maschinenpistole 9<br />
mm), Lmg (Leichtes Maschinengewehr, später ersetzt durch das Sturmgewehr), Raketenpistole,<br />
PzWG (Panzerwurfgranate auf Karabiner und Stgw), Rak-Rohr (Raketenrohr), Zf Kar (Zielfernrohrkarabiner)<br />
und Minen.<br />
Nebeleinsatz bei einer Verteidigungsübung<br />
Selbstverständlich übten und schossen die Mitrailleure mit ihrem Bunker-Mg 11 (wassergekühltes<br />
Maschinengewehr, später ab ca. Ende 60er Jahre ersetzt durch das luftgekühlte Mg 51) und<br />
die IK-Leute 188 mit ihrer Infanteriekanone in speziellen Fachdiensten und Schiessübungen unter<br />
186 Südliches Seitental bei Realp<br />
187 Luftstrasse "Amber 9"<br />
188 Infanteriekanone
60<br />
Leitung des Chefs Infanterie. Der Bau von entsprechend getarnten mobilen Stellungen gehörte<br />
ebenfalls zur Aufgabe. Die Füsiliere übten die Bewachung im und um das Werk wie auch den<br />
Nahkampf. Die Festungstruppen wurden erst in späteren Jahren mit den geländetauglicheren<br />
Kampfanzügen ausgerüstet, nachdem das Feldheer damit vollständig eingekleidet worden war.<br />
So bewegten wir uns im Tenue grün oder behelfsmässig mit einer Tarnzeltblache im oft unwirtlichen<br />
Gelände.<br />
Bunker-Mg 11 mit Wasserkühlung auf Lmg-Doppelschiessscharte<br />
Schartenlafette, mit Panoramatafel, (beide Fotos im Werk Reuenthal)<br />
Zielfernrohr und Flammschutz<br />
Das Bunkerschiessen mit dem wassergekühlten Mg 11 (ab Ende 60er Jahre mit dem luftgekühlten<br />
Mg 51) mit Panoramatafel übten die Mitrailleure am Rigassi-Gerät trocken und, da von unseren<br />
beiden Nahverteidigungs-Bunkern West nicht geschossen werden konnte, von einem<br />
Schiesszelt aus im scharfen Schuss. Die Panoramatafel mit verdrehter Einzeichnung der Ziele,<br />
wie Drahthindernisse oder Punktziele, ermöglichte das wirkungsvolle Beschiessen derselben<br />
ohne Sicht bei Nacht und Nebel. Verständlicherweise gab es auf unserer Höhe keine permanenten<br />
Stacheldrahthindernisse (Kriegshindernisse) wie bei den Befestigungen im Jura und im Mittelland,<br />
da sie meist vom Schnee überdeckt gewesen wären. Also mussten die Drahthindernisse<br />
entsprechend dem Hindernisplan jeweils neu ausgelegt werden. Im WK begnügten wir uns mit<br />
einem 3-Rollenhindernis.<br />
Plan der Stacheldrahthindernisse um das <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong><br />
und mit den Ziel-Nr. der MG-Abwehrfeuer<br />
Mit sämtlichen Waffen wurde in der Umgebung des Werks mit Übungs- und Kriegsmunition am<br />
Tag und in der Nacht gefechtsmässig geschossen und möglichst alle Artilleristen und Spezialisten<br />
wurden auch an den verschiedenen Infanteriewaffen ausgebildet. Ausfallübungen zum Entsatz<br />
der Festung gehörten ebenfalls zum Ausbildungsprogramm.
61<br />
13. Gebirgsausbildung (WK 1967 – 1970)<br />
Dass die Angehörigen einer Festungskompanie oft despektierlich "Mäuselochartilleristen" genannt<br />
wurden, war wohl verständlich, entsprach aber nicht der Realität. Dass wir uns als Gebirgstruppe<br />
an frischer Luft und bei jedem Wetter uns mehrheitlich ausserhalb unseres Werkes<br />
im Gelände bis auf alle Höhen bewegten, war für die Wehrmänner der Kompanie selbstverständlich<br />
und wurde als grosse Abwechslung und gute Erfahrung gewertet. Da wir zu wenig<br />
Transportmittel zur Verfügung hatten, waren wir ohnehin weitmöglichst zu Fuss unterwegs.<br />
Auch setzten wir damit die alte Tradition der "Gotthardmitrailleure" fort. Eigene erfahrene Ausbildner,<br />
wie Bergführer, Tourenleiter und Skilehrer standen in der Festungskompanie selbst zur<br />
Verfügung. So haben im WK/EK 1968 alle bei Gfr Max Eiselin, ehemaliger Expeditionsleiter der<br />
Dhaulagiri-Expedition 1960, unter anderem das Abseilen über Felswände geprobt.<br />
Die folgenden Beispiele aus den Wiederholungs- und Ergänzungskursen 1967 – 1970 mögen<br />
die Gebirgstüchtigkeit unserer Truppe bestätigen. Im winterlichen WK 1967 war Mitte Juni<br />
beim Einrücken der Kompanie der Gotthardpass durch die enorme Schneemenge noch geschlossen.<br />
Erstmals benutzten wir als Zugang auf die Passhöhe anstelle der Abkürzungswege<br />
durch die Tremola den schneefreieren Umweg über den neuen Fieudtunnel. Die Festungswache<br />
hatte mit der Schiller-Schneefräse 189 eine schmale Gasse mit bis 7m hohen Schneewänden<br />
zum Werkeingang herausgeschleudert und das Dach der Baracke neben dem Werkvorplatz an<br />
der Gotthardstrasse war noch mit Schnee bedeckt. Die Schildwache hatte eine wunderschöne<br />
in der Schneewand ausgehauene Schildwachtnische und bewachte damit auch den dahinter im<br />
Schnee angebrachten einmaligen Naturkühlschrank. Im Gegensatz zu den vereisten Scharten<br />
der Bunkerkanonen des Sasso da Pigna waren unsere Panzertürme, insbesondere der höhere<br />
Turm Nr. 1, durch den Wind vom Schnee befreit. Nur die beiden MG-Bunker mussten mit viel<br />
Schweiss mühsam freigeschaufelt werden. Bedingt durch diese hochwinterlichen Verhältnisse<br />
übten alle in unterschiedlichen Stärkeklassen im Gelände des Valletta di <strong>San</strong> Gottardo das Tourenskifahren<br />
auf den bewährten alten Militärskier mit Kandahar-Bindung. Auch die übrige Skiausrüstung<br />
war nach heutigen Begriffen dürftig: gewöhnliche Militärschuhe, Wadenbinden und<br />
die normale Arbeitskleidung. Die Schneeverhältnisse machten für den Fachdienst und die Infanterieausbildung<br />
ausserhalb des Werks den Gebrauch von Skier und Schlitten notwendig. Viele<br />
standen dabei erstmals auf den Skiern und einige haben dann aufgrund dieses positiven Erlebnisses<br />
eine eigene Ausrüstung gekauft. Doch schon bald machte sich die intensive Schneeschmelze<br />
bemerkbar, so dass die Scheiben bei den Schiessübungen während des Tags mehrmals<br />
neu gestellt werden mussten und der Eisschrank hinter der Schildwache rasch aufgegeben<br />
wurde.<br />
Art Beobachter (Schiesskdt) auf dem Vallettagrat (Oblt Dähler Michael II/6)<br />
189 Schillerfräse = Hand-Raupenschneefräse mit 2 vertikalen Frästrommeln (heute noch im Einsatz bei der Furka-<br />
Dampfbahn in Realp)
62<br />
Dass sich die Schiesskommandanten mit ihrem Trupp bei winterlichen Verhältnissen auch zu<br />
Fuss und mit den Skiern im Gelände bewegten, war selbstverständlich. Anlässlich eines Mw-<br />
Schiessens mit dem Zielgebiet über der Lucendroalp waren die Beobachtungsposten auf dem<br />
Valettagrat. Sowohl der das Artillerieschiessen leitende Kp Kdt wie auch der Schiesskommandantentrupp<br />
verlegte sich zwischen den wechselnden Beobachtungsposten mit den Skier und<br />
scheuchte dabei auch Schneehasen und Schneehühner auf. Dem Schiesskdt gefiel diese ungewöhnliche<br />
militärische Übung so gut, dass er als Pfarrer auf die weitere Ausbildung zum<br />
Feldprediger verzichtete und die Festungskommandantenlaufbahn einschlug.<br />
Ein besonderes fast winterliches Gebirgserlebnis bot das Gefechtsschiessen in Realp mit<br />
anschliessendem Biwak im WK/EK am 15. Juni 1967. Das Gros der Kp marschierte vom Gotthard<br />
über Mätteli – Isenmannsalp nach Realp und bezog dort das Biwak. Die Gebirgstüchtigeren<br />
auf den Skiern, ca. ⅓ der Kompanien II/6 (<strong>San</strong> <strong>Carlo</strong>) und I/6 (Sasso), wählten unter der<br />
Führung von Gfr Max Eiselin und Oblt Paul Erni (Alpinof Fest Abt 6) als Zugangsweg nach<br />
Realp die Route über die Vallettalücke (2643 m.ü.M.) an der Fibbia und dann mit einer Schussfahrt<br />
hinunter auf den Lucendropass (2532 m.ü.M). Nach nochmaligem Aufziehen der Skifelle<br />
begann der steile Anstieg hinauf auf den Pizzo Lucendro, welcher seinen Gipfel (2962 m.ü.M) in<br />
den Wolken versteckte. Im beginnenden Schneetreiben ging’s steil hinunter zum Oberstafel im<br />
Witenwasseren.<br />
Im Aufstieg zur Vallettalücke<br />
In Voraussicht der kommenden schwierigen Schneeverhältnisse wurden dort die Skier nochmals<br />
tüchtig präpariert und mit vielen unfreiwilligen Purzelbäumen ging’s, gegen den Wind<br />
kämpfend, im heftigen Schneetreiben hinaus über Oberkäseren und Schweig nach Realp. Da<br />
alle durchnässt waren, beschlossen wir nach dem Gefechtsschiessen die Räumung des Biwaks<br />
und den Abbruch der Übung. Nach dem anschliessenden eher unfreiwilligen Fussmarsch bis<br />
Hospental wurde die Mannschaft am Abend mit den Lastwagen wieder in die Werke auf den<br />
Gotthard geführt. Dieser lange Arbeitstag in den Bergen war wahrlich eine Parforceübung und<br />
die Teilnehmer werden noch heute von dieser Leistung erzählen. Das Biwak holten wir in sonnigeren<br />
Gefilden nach. Mit einem Ausbildungsparcours ab Airolo über die Strada Alta erreichten<br />
wir den südlichen Talboden beim Flugplatz Ambri-Piotta und knüpften unsere alten Militärblachen<br />
zu Zelten. Wir verbrachten die milde Nacht gemütlich bei Wein und Lagerfeuer mit anschliessendem<br />
kurzem Schlaf. Morgens im Dunkeln ging die Fahrt wieder hinauf in den Frühlings-Schnee<br />
auf dem Gotthard zum Stellungsbezug mit den schweren Minenwerfern und um<br />
08.00 Uhr landeten die ersten Schüsse im Ziel.<br />
Die Kompaniebergtour am 25.9.1969 auf den Pizzo Centrale war besonders erlebnisreich.<br />
Nach der Tagwache um 04.00 Uhr nahm die Kompanie bei schönstem Sternenhimmel die Bergtour<br />
in Angriff. Nach der Alpe Fortunei sahen viele zum ersten Mal einen Sonnenaufgang im<br />
Gebirge, als der nahe scheinende Galenstock im ersten Morgenlicht erglühte. Nach dem Queren<br />
von tückischen Schneefeldern und Geröllhalden genossen alle die herrliche Rundsicht auf<br />
dem Pizzo Centrale (2999 m.ü.M.). Der Gebirgsmarsch wurde nach dem anschliessenden Abstieg<br />
auf der Alpe Val Torta hinter dem Sellasee mit dem dorthin nachgeschobenen Mittagessen<br />
aus den Kochkisten beendet. Die Kp war von diesem WK-Schlusspunkt begeistert und so müde,
63<br />
dass nur noch einige Unentwegte den verlängerten "Ausgang" bis Mitternacht ausgenützt haben.<br />
190<br />
Nach dem Mw-Schiessen im Witenwasserenkessel marschierte am 25. September 1968 das<br />
Gros der Kompanie in einem Nacht-Gebirgsmarsch zurück in das Werk, mit Abmarsch im Oberstafel<br />
18.30 Uhr – Cavannapass 19.45-20.10 Uhr – über Fieud und Banchiweg, Ankunft im<br />
<strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> um 24.00 Uhr. Dies war nach einem langen Arbeitstag für mehrheitlich Artilleristen<br />
eine respektable Leistung.<br />
Militärunterkunft auf dem Fibbiagrat<br />
Unser Hausberg, die Fibbia mit 2738 m.ü.M, wurde bei allen Verhältnissen zu Fuss oder mit<br />
Skiern erklommen. Oft waren die Gebirgstüchtigeren mit militärischen Aufträgen unterwegs. Bei<br />
Wetterwechsel boten ihnen die alten Militär-Gebirgsunterkünfte Unterschlupf, z.B. auf dem Fibbiagrat,<br />
auf dem Cavannapass, am Witenwasserenpass usw.<br />
Damals hat sich die Fest Kp II/6 auf das Absperren der Zielgebiete im Raum Pizzo Lucendro<br />
– Pizzo Rotondo spezialisiert, was einem Leckerbissen gleichkam. Es bot die Gelegenheit, dass<br />
eine Absperrmannschaft von gebirgstüchtigen 8 - 10 Mann zu diesem Spezialauftrag abkommandiert<br />
wurde und diese sich als Ausgangsort in der SAC-Rotondohütte einnistete. Mit einem<br />
speziellen Verpflegungsplan des Fouriers hatten sie selbständig für ihr leibliches Wohl zu sorgen.<br />
Mit der Kompanie blieben sie auf diesem Aussenposten über das festungseigene Telefonkabelnetz<br />
in telefonischer Verbindung.<br />
Patrouille zwischen Leckipass und Witenwasserenpass<br />
Nebst der Absperraufgabe auf den Zugangswegen in die Zielgebiete während den Artillerieschiessen<br />
ergänzten sie auf zusätzlichen Bergtouren ihre Geländekenntnisse sowie die Gebirgs-<br />
und Funktechnik. Dies war auch eine Belohnung für jene Truppenangehörigen, welche<br />
freiwillige Sommer- und Wintergebirgskurse besucht hatten. Auch darf erwähnt werden, dass im<br />
beschriebenen Zeitraum all diese Gebirgsausbildung ohne jegliche Unfälle abgewickelt wurde.<br />
190 s. auch Episode Seite 67ff
14. Reminiszenzen und Episoden 191 (WK 1967 – 1970)<br />
64<br />
a) Der neue "Kadi" – der spinnt 192<br />
Beim Wechsel des Kompaniekommandanten kündigte sich meist der neue Wind oder das<br />
Unheil mit dem vordienstlichen Papierverkehr an. So wird es wohl auch bei meinem Amtsantritt<br />
gewesen sein. Nach der Feststellung von Unstimmigkeiten zwischen der Korpskontrolle der<br />
Fest Kp II/6 und der sog. Stammkontrolle, von Unklarheiten betr. Zuteilung zu den Verstärkungsdetachementen<br />
und von Dispensationen bei Kriegsmobilmachung, wie auch der Rücksendung<br />
von Schreiben infolge unrichtiger Adressen, gab es nur einen Weg: alle Dienstbüchlein<br />
(DB) der Kompanie einziehen, kontrollieren und auf den neuesten Stand bringen. Täglich kamen<br />
nun per Post die DB und wurden zu Hause im privaten Büro in Kategorien sortiert und gestapelt.<br />
Langsam aber sicher stank es nach Mottenkugeln und nach Militärdienst. Sogar unser Neufundländerhund<br />
"Caro" fand Gefallen an diesem neuen Spielobjekt und brachte die militärische Ordnung<br />
durcheinander. Als alle mehr als 300 Stück DB beisammen waren, ging’s ans Bereinigen<br />
der Adressen und der diversen Spezialklebezettel für die KMob, immer in Abstimmung mit dem<br />
Personaldienst der Abt Genie und Festungen in Bern. Endlich konnte nach ca. 2 Monaten die<br />
abendliche Freizeitarbeit mit dem Rückversand der DB an die Eigentümer abgeschlossen werden<br />
und im Büro gab es wieder frischere Luft.<br />
Aber das Aufschnaufen war nur von kurzer Dauer. Kaum waren 2 Wochen verflossen, als<br />
von der Fest Br 23 ein äusserst "erfreuliches" Schreiben bei allen Kp Kdt eintraf: «Zur Kontrolle<br />
haben Sie sämtliche Dienstbüchlein der Kompanieangehörigen einzuziehen und zur Kontrolle<br />
bis Datum xx an die Brigade einzureichen». Der persönliche Ärger und Frust war gross, aber<br />
nützte nichts. Also musste ich wieder in der Freizeit ca. 300 DB-Postumschläge adressieren und<br />
mit einem höflichen Begründungs- und Entschuldigungsschreiben versenden. Dass dann die DB<br />
über Wochen und Monate bis nach dem Termin nur hereintröpfelten und schliesslich mit Mahnungsschreiben<br />
eingetrieben werden mussten, ist verständlich. War es mir doch klar, dass die<br />
Empfänger meiner Schreiben richtigerweise darauf tippten, dass "der neue Kadi spinnt". Mehr<br />
als schwacher Trost war dann unsere Kompanie wohl die einzige Festungskompanie der Brigade<br />
23, welche nach der Kontrolle nichts mehr ändern musste und keine Rüge erhielt.<br />
b) Die Tour de Suisse 193<br />
Beim ordentlichen Einrücken in den WK belegten die diversen Kompanien der Fest Abt 6<br />
und der Fest Abt 17 zur Besammlung den Bahnhofplatz von Airolo. Als wir aber für den WK<br />
1970 frühzeitig die Marschbefehle versandten, beachtete niemand, dass gleichentags und<br />
gleichzeitig die "Tour de Suisse" den gleichen Platz als Startort erkürt hatte. Das Fast-Chaos<br />
war vorprogrammiert und deshalb waren rasche Entscheide vonnöten. Die Unteroffiziere der<br />
Fest Kp II/6 fingen die Einrückenden direkt am Zug ab und so konnten wir uns sofort auf dem<br />
Mittelperron besammeln und für den späteren Abmarsch ins <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> organisieren. In Erwartung<br />
des schon bald erfolgenden Startes der "Tour de Suisse" ging dieses Prozedere viel<br />
rascher als üblich vonstatten und als erster WK-Programmpunkt kamen alle in den unerwarteten<br />
Genuss dieses für Gebirgstruppen seltenen Ereignisses. Nur ein mit überlangen Haaren einrückender<br />
Hobby-Musiker verpasste den Start, da er unterdessen beim Coiffeur in Airolo seine<br />
Haarpracht der damals üblichen militärischen Länge anpassen musste. Trotz der ungeplanten<br />
Programmeinlage traf die Kompanie, nach dem Fussmarsch durch die Tremola, mit leichter<br />
Verspätung schon um 15.00 Uhr im <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> ein.<br />
c) Inspektion durch den Herrn Korpskommandanten 194<br />
Im schneereichen WK 1967 war eine Arbeitsinspektion durch den Korpskommandanten<br />
(KKdt) Georg Züblin, Kdt Gebirgsarmeekorps 3, angesagt. Bei der Begrüssung und Meldung der<br />
Kompanie vor dem Werk erkundigte er sich beim Kompaniekommandanten über die Orte der<br />
verschiedenen Arbeitsplätze. Mit Ausnahme der Feuerleitstelle lagen alle Ausbildungsplätze der<br />
Infanterie und der Minenwerfer irgendwo im Gelände und demzufolge im tiefen Schnee verteilt.<br />
Also wählte der Herr Korpskommandant die vom Kompaniekommandanten im Trockenen ange-<br />
191 Aus der Sicht des Kompaniekommandanten, d.h. des Verfassers.<br />
192 "Kadi" = Kompaniekommandant<br />
193 Tagebuch Fest Kp II/6 vom 15.6.1970<br />
194 Tagebuch Fest Kp II/6 vom 14.6.1967
65<br />
botene Feuerleitstelle als Inspektionsziel und marschierte mit seinem ansehnlichen Begleittross<br />
ins <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong>. Vor der Feuerleitstelle entledigten sich die Herren ihrer schweren Ledermäntel<br />
und betraten dann erleichtert den nicht allzu grossen Raum. Nach dem Melden des Feuerleitoffiziers<br />
und Herbeiholen von zusätzlichen Sitzgelegenheiten begann das grosse Stühlerücken,<br />
bis die höher Chargierten wohlig sassen und sich gespannt dem Arbeitseifer der Feuerleitequipe<br />
widmen konnten. Doch schon bald herrschte Dunkelheit und Stille. Der elektrische<br />
Strom war weg und emsiges Treiben begann. Mit Ausnahme des Kp Kdt und des Feuerleitoffiziers,<br />
welche durch eine Insiderinformation etwas von den kommenden Dingen erfahren hatten,<br />
hatte niemand eine Taschenlampe bei sich und die überall aufgehängten Petrollampen waren<br />
leer. Auch die werkeigene Notstromgruppe war ausser Betrieb. Die Inbetriebnahme der Benzinvergaserlampe<br />
dauerte den Herren zu lange. Mit hochroten Köpfen verliess die hohe Gesellschaft<br />
eiligen Schrittes die so ungastliche Festung und die Inspektion war damit beendet.<br />
Was war geschehen? Offenbar hatte irgendjemand des FWK mit dem gefürchteten Herrn<br />
KKdt in seinem letzten Dienstjahr eine alte Rechnung zu begleichen und eine seiner letzten Militärdiensttätigkeiten<br />
bot dazu Gelegenheit. Deshalb wurde ausserordentlicherweise auf diesen<br />
Tag eine Revision der Notstromgruppe angesetzt und dann "unglücklicherweise" die Stromzufuhr<br />
ins <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> unterbrochen. Das FWK hatte die Notlampen vor dem WK nicht aufgefüllt,<br />
da es Schäden an den Dichtungen vermeiden wollten. Für die Kompanie II/6 gab es kein<br />
Nachspiel. Das Gewitter wird sich wohl auf dem FWK-Kommando in Airolo entladen haben.<br />
Kurz vor dem WK-Ende wurden durch das FWK knurrend und murrend alle Petrollampen mit<br />
etwas Petrol gefüllt, um dem hohen Befehl Genüge zu leisten. Der Chef Artillerie der Fest Abt 6<br />
musste die angeordnete Lampenfüllung inspizieren. Dieser ging dann als "Lampenschüttelnder<br />
Major" in die Annalen des Gotthards ein. Im Tagebuch hat der Kompanieschreiber die Episode<br />
am 16.6.1967 wie folgt vermerkt:<br />
«Zu Besuch kommt ein Major, geschickt von Korpskdt Züblin. Er erweckt in jedem, der ihn sieht,<br />
ein leichtes Zucken im Zeigefinger, der unweigerlich an die Schläfe tippt. Wie ein Besessener<br />
geht der Major von Notlampe zu Notlampe und schüttelt sie, um festzustellen, ob sie mit Brennstoff<br />
aufgefüllt seien. Unser Feldweibel möchte dem Lampenschüttelmajor ein Diplom ausge-<br />
händigt wissen.»<br />
d) Diverses und allzu Menschliches aus den WK-Tagebüchern der Fest Kp II/6 195<br />
26.6.67: «Grosses Aufsehen und einen wahren Sturm im Wasserglas erregt der oberste offene Hemdsknopf<br />
des Fouriers. Der Abteilungs-Kdt qualifiziert am Abteilungsrapport nach dieser Feststellung unseren<br />
Fourier und fragt den Kp Kdt: "Brauchen sie einen neuen Fourier?". Man versucht fast vergeblich klarzumachen,<br />
dass die Kp II/6 dank dieses offenen Hemdknopfes bis dahin ausgezeichnet verpflegt wurde.»<br />
11.9.68: «Herr Major (Abt Kdt) demonstriert seinen Fleiss und sein Interesse an unserer Arbeit durch den<br />
dritten Besuch innert 3 Tagen! Solange wir ihn nicht jedes Mal gratis beweinen (bewirten) müssen, stört<br />
uns diese Visitenserie nicht.»<br />
18.9.68: «Der Chef Infanterie der Abt 6 beehrt <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> mit seinem Besuch und bewährt sich erstens im<br />
Crèmeschnitten-Essen (wieder einmal 3 Stück + 2 Bratwürste) und zweitens im Erzählen von Witzen.»<br />
11.9.69: «Erlauschtes beim HG-Werfen: der Kadi secklet au no schön umenand – Jo, das isch ke Sach,<br />
ohni Gwehr am Ranze – Aber gäll, de het au nümm die jüngschte Bei. Jedenfalls war des Abends um 5<br />
Uhr der Kadi schweiss- und drecküberströmt und erst noch leicht verwundet am Ellbogen – durch eine<br />
vom Arzt geworfene HG.»<br />
27.9.69: «Der Verein, der während drei Wochen homogen zusammengeschweisst worden ist, zerstreut<br />
sich nun wieder in alle Winde. Der WK ist zu Ende; alle haben etwas geleistet und mit dem erreichten<br />
Resultat kann man zufrieden sein. Auch der Gesundheitszustand der Truppe ist befriedigend, mit Ausnahme<br />
der Gletscherescapade des Arztes ging’s ohne Unfälle. Hoffen wir, dass es im nächsten Jahr wieder<br />
klappt!»<br />
23.6.70: «Bei unserem Herr Kommandanten gab es Nachwuchs! Mitten in der Inspektion durch den Brigadier<br />
(Wittwer) fuhr der Kadi auf und davon ins Spital, allwo ihm von seiner Frau ein Sohn namens Peter<br />
(zu aller grossen Enttäuschung nicht "<strong>Carlo</strong>") geschenkt wurde.»<br />
e) Todeskandidaten über der Lucendroalp<br />
Vor unserem im WK 1969 publizierten 12cm Minenwerferschiessen in Zielgebiete zwischen<br />
Lucendropass und Orsino/Orsirora erkundigte sich ein Zugführer der Grenadierrekrutenschule,<br />
195 Die Tagebücher der Fest Kp II/6 wurden 1967/70 jeweils durch einen dazu beauftragten Offizier geschrieben
66<br />
welche auf dem Gotthardpass logierte, über die Schiessdispositionen des kommenden Artillerieschiesstages.<br />
Es wurde abgesprochen, dass er sich auf dem Rückmarsch von der Rotondohütte<br />
mit seinem Zug am 10.9.1969 bei unserem Absperrposten auf 2800 m.ü.M, auf dem üblichen<br />
Übergang am Pizzo Lucendro, melden müsse. Während dem Schiessen und Wechseln<br />
auf ein neu zugewiesenes Ziel unterhalb des Siwerbenhornes sahen wir plötzlich mit dem Feldstecher<br />
von unserem Artilleriebeobachtungsposten aus den Zielabsperrposten auf der Lucendroalp<br />
aufspringen und etwas im Zielgebiet in der Bergflanke beobachten. Sofort gaben wir<br />
vorsichtshalber das Kommando "Halt" an die Feuerleitstelle bzw. an die schussbereite Sch Mw-<br />
Batterie. Kurz darauf meldete der Absperrposten per Funk, dass er im Zielgebiet Leute beobachtet<br />
habe, was wir dann von uns aus ebenfalls sahen. Direkt im Bereich der kommenden<br />
Artilleriesalve spazierte der Grenadierleutnant mit seinem Grenadierzug, entgegen allen Absprachen,<br />
mutig und ohne Ahnung der unmittelbar drohenden Gefahr zu Tal. In den nächsten<br />
paar Sekunden hätte der Splitterregen die Leute bedeckt. Mit guter Beobachtungstätigkeit und<br />
viel Glück konnten Tote, Schwerverletzte und eine mehr als unangenehme militärische Untersuchung<br />
verhindert werden. Dafür gab es dann für den vorgeladenen jungen Grenadieroffizier am<br />
Abend im Büro des Kommandanten des <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> eine echt militärische Belehrung und<br />
Standpauke. Sicher wird er sich künftig an die abgesprochenen Bergpfade gehalten haben.<br />
f) Das Geheimfach des Küchenchefs<br />
Eines Tages erschien der neue Kompaniekommandant mitten am Vormittag unangemeldet<br />
in der Küche. Der Küchenchef meldete, militärisch stramm, seinen Betrieb und seine Mannschaft<br />
tief im Bergesinneren. Nun hatte er dem Kadi seine Schubladen und Schränke zu zeigen.<br />
Alles wurde minutiös inspiziert. Kein Winkel blieb verborgen. In jeden Kippkessel guckte der<br />
Neuling und kein Topf, kein Geschirr und auch nicht die Küchengeräte blieben vor seinem kritischen<br />
Blick verschont. Bei den Lebensmittelvorräten im Gang vor der Küche griff er mit prüfender<br />
Hand hinter alle Packungen und Büchsen. Der Küchenchef wurde immer irritierter, denn so<br />
eine strenge Inspektion hatte er schon lange nicht mehr erlebt. Doch endlich kam das abschliessende<br />
Urteil: "Sie haben eine untadelige Ordnung – die Sauberkeit ist perfekt – das Essen<br />
aus ihrer Küche ist sehr gut." Der Küchenchef war sehr erleichtert über das Ergebnis und<br />
vor allem froh, dass nun doch endlich diese mehr als unangenehme Inspektion vorbei sei.<br />
Küche im <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> mit Durchreiche zum Mannschaftsessraum<br />
Aber der Kadi hatte zusätzlich noch eine gewichtige Frage: "Ich habe nun alles genau angeschaut<br />
– wo aber haben Sie die Schnapsflasche versteckt?" Der Blickwechsel der beiden wäre<br />
vermutlich filmreif gewesen: der Kadi verschmitzt auf den Stockzähnen lachend – der Küchenchef<br />
eher mit einem roten Kopf. Doch er hatte die Frage verstanden und ein Ausweichen war<br />
nicht mehr möglich. Beherzt öffnete er an der Küchenwand das unscheinbare Blechtörchen zur
67<br />
"Galandage" 196 und griff um die Ecke. Hier war also das vermutete "Corpus Delicti" versteckt.<br />
Der Kadi genoss dann als Abschluss dieser Inspektion am Küchentisch mit dem erleichterten<br />
und bewährten Küchenchef das hier übliche "Kafi Luz". 197 Der Kadineuling hatte so die etwas<br />
andere Eintrittsprüfung in der Küche auch bestanden.<br />
g) Eine militärische Begegnung auf höherer Ebene<br />
In der Festungsartillerie waren wir es gewohnt, dass militärische Absprachen immer eingehalten<br />
werden müssen und dass bei Schiessübungen die Sicherheit der Truppe, und selbstverständlich<br />
auch der Touristen in den schönen Bergen des Gotthardgebietes, immer zu gewährleisten<br />
sei. Dass bei anderen Truppengattungen dem nicht so sei, führte zu folgender Episode<br />
zu Füssen des Pizzo Centrale: Ende WK 1967 bestand die Absicht, als krönenden Abschluss<br />
mit einem Gebirgsmarsch der Kompanie den Pzo. Centrale zu besteigen. Da die Grenadier<br />
RS von Losone eine Gefechtsschiessübung oberhalb der Alpe Sella publiziert hatte,<br />
nahm der Kdt II/6 mit dem verantwortlichen Offizier der RS Verbindung auf und vereinbarte,<br />
dass er sich am folgenden Tag mit seiner Festungstruppe, beim Abstieg vom Gipfel, beim obersten<br />
Absperrposten melden werde, um das Schiessgelände in Richtung Alpe Sella zu durchqueren.<br />
Als wir friedlich auf dem Gipfel des Pizzo Centrale (2999 m.ü.M) die Morgensonne genossen,<br />
formierte sich tief unter uns der Grenadierzug für sein Gefechtsschiessen. Nachdem sie<br />
uns hoch oben auf dem Gipfel entdeckt hatten, begann das "Älplerfest": es wurde gehornt, es<br />
wurden Fahnen geschwungen. Begeistert schauten wir mit dem Feldstecher dem unerwarteten<br />
Schauspiel zu. Irgendwann bewegte sich ein Zweiertrupp auf die Seite und schoss in die nahe<br />
Bergflanke. Dann wurde die Folkloreaktion fortgesetzt. Und wieder herrschte Ruhe und wieder<br />
wurden einzelne Schüsse abgegeben. Jetzt tagte offensichtlich das Festkomitee dieses Älpler-<br />
und Schützenfestes. Irgendwie störte dieses unsere Anwesenheit auf der Gipfelkuppe. Wir hatten<br />
unterdessen den Bergeskranz rund um uns herum genügend bewundert, die Gipfel weitmöglichst<br />
bezeichnet, die Zwischenverpflegung vertilgt und die Sonne reichlich genossen, so<br />
dass es Zeit war, den Aufbruch zu befehlen.<br />
Auf dem Pizzo Centrale<br />
Nun ging es bergab, "ab durch die Mitte", Kadi voraus – Kompanie zugsweise hinterher im Gebirgstenue<br />
"frei". Mit einem Berghakenstecken ausgerüstet kam in seinem untadeligen Anzug<br />
der Herr Generalstabsoberst, Schulkommandant der Grenadier RS Losone, eiligen Schrittes<br />
steil bergauf entgegen und es begann folgender Dialog vor unseren gegenseitigen zahlreichen<br />
und äusserst "dankbaren" Zuhörern:<br />
Oberst: "Wo ist der Chef dieses Saubannerzuges?"<br />
Kadi meldet: "Hptm Burkhardt, Fest Kp II/6 auf Gebirgsmarsch"<br />
196 Galandage = siehe Fussnote Seite 18<br />
197 Luzerner Kafi
68<br />
Oberst zornig: "Wieso halten Sie sich nicht an die Schiesspublikationen und behindern<br />
unser Programm? Ich muss Sie einsperren lassen!"<br />
Kadi: Unter Hinweis auf die gestrige Absprache siegessicher: "Wo sind Ihre<br />
Absperrposten? Sie halten die einschlägigen Sicherheitsvorschriften nicht<br />
ein. Die Zielscheiben sind entgegen der Schiesspublikation bis auf die<br />
obersten Bergkreten aufgestellt. Nicht einmal der sommerliche Touristenübergang<br />
von der Gemsstockbahn herführend ist gesichert und abge-<br />
sperrt. Dieses Vorgehen ist fahrlässig und unakzeptabel."<br />
Oberst, nun zerknirscht: Nach einigem Geplänkel tönt es wesentlich gemässigter und milder: "Ich<br />
sehe das nun ein. Deshalb entschuldige ich mich. Sie sind ja ortsfeste<br />
Truppen und Sie haben hier als solche selbstverständlich Vorrang. Wir<br />
Grünen sind ja auf dem Gotthard nur Gäste!"<br />
Wir verabschiedeten uns militärisch und wesentlich freundlicher. Leider hatten wir zwei keine<br />
Gelegenheit, vor unserem Publikum die Friedenspfeife zu rauchen. Nach unserem Weitermarsch<br />
zum Mittagessen auf der Alpe Sella hat Herr Oberst Baumann dann doch noch, nach<br />
der ausgiebigen unfreiwilligen Pause und der folkloristischen Einlage, sein "Schützenfest" begonnen.<br />
Im Tagebuch der Fest Kp II/6 ist am 25.9.1969 diese Episode nur kurz vermerkt:<br />
«….. Bei schönstem Wetter geniessen wir die herrliche Aussicht. Beim Abstieg: denkwürdiges Intermezzo<br />
mit der Grenadier RS. Die Kp ist vom Schlusspunkt des WK 69 begeistert, aber ehrlich müde,<br />
so dass der Ausgang bis Mitternacht nur von einigen Unentwegten voll ausgenützt wird.»<br />
In einer Schnitzelbank hat Oblt Hans Wyler die Episode im Vers 3 unter dem Titel: "Dass ihr’s<br />
hört - Das ist die Kompanie II/6!" etwas prägnanter umschrieben:<br />
«Von der Krete stelzt der Oberst her,<br />
Er fragt scharf: Wer befiehlt hier, wer? Ja, wer?<br />
Unser Käptn grinst mitten ihm ins Gesicht,<br />
Damit schürt er noch mehr seine Wut;<br />
Denn die amtlichen Anzeigen stimmen nicht …..<br />
Der Herr Oberst ist plötzlich soo gut…!»<br />
h) Ungebetene Besucher und Spione<br />
Ausserhalb der WK war das Festungsgelände frei zugänglich und nur die Photographierverbotstafeln<br />
machten das Publikum darauf aufmerksam, dass sie sich in militärischem Gelände<br />
bewegten und dass der Felsblock vielleicht doch nicht aus Granit sei. Während dem WK aber<br />
galt der eiserne Ernst. Während den WK war es üblich, von höherer Warte aus mit List und allen<br />
Finten die Wachsamkeit der Festungstruppen zu testen. Grundsätzlich galt für uns, dass unbekannte<br />
Uniformierte in und um die Festung nichts zu suchen hatten und dass, nach dem Motto<br />
"durch Schaden wird man klug" auch die glaubwürdigsten Ausweise gefälscht sein könnten.<br />
Also hat unsere Schildwache zwei mit breiten roten Streifen an den Hosen dahermarschierende<br />
höhere Offiziere abgewiesen und am Eintreten in das <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> gehindert, trotz allen Überredungsversuchen<br />
und vorgewiesenen Armeeausweisen. Da die beiden "leider" keine Geduld<br />
hatten, den Entscheid des Tagesoffiziers abzuwarten und in Eile waren, verzogen sie sich im<br />
Mercedes wieder nach Airolo. Nachforschungen ergaben, dass es sich um den Schulkommandanten<br />
der Festungsrekrutenschule Airolo und um einen Artilleriechef handelte. Der widerstandsfähige<br />
Wachsoldat durfte zur Belohnung einen Tag in den Urlaub, anstatt in den von den<br />
beiden verlangten Arrest verknurrt zu werden.<br />
Eines Tages aber herrschte grosse Aufregung, als zwei rucksackbewehrte Touristen in der<br />
Nähe der Geschütze in Zivilkleidern herumschlichen. Diese wurden zur näheren Überprüfung<br />
kurzerhand verhaftet. Darauf stellte man sie, unter den Argusaugen der mit scharfer Munition<br />
bewaffneten Schildwache, mit gespreizten Beinen und mit dem Gesicht zur Wand am Festungseingang<br />
ab. Zudem kitzelte sie im Rücken ein aufgepflanztes Bajonett. Der telefonisch<br />
alarmierte Kompaniekommandant nahm die beiden Sünder, auf den Stockzähnen lachend, unter<br />
die Lupe. Sie wiesen sich mit dem Armeeausweis als Basler Stadtpolizist und als Tessiner<br />
Kantonspolizist aus und verlangten die umgehende Freilassung. So rasch ging das aber aus<br />
grundsätzlichen Überlegungen nicht. Der anständigere der beiden, der Tessiner, wurde als<br />
glaubwürdig entlassen. Der aufbegehrende Basler hingegen musste sich in unbequemer Lage<br />
an der Wand gedulden, da der Kommandant den Armeeausweis in seiner Tasche verschwinden<br />
liess und im Eingangsstollen verschwand. Die Rückfrage bei der Brigade ergab, dass es sich<br />
um von ihr ausgesandte Heerespolizisten handle, worauf man sie nach dem Angebot eines
69<br />
Friedenskaffees wieder freiliess. Unterdessen warnte man die Kollegen im <strong>AW</strong> Sasso da Pigna,<br />
damit sie das Empfangskomitee für die beiden schon bereitstellen konnten.<br />
Natürlich hat das <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> von 1939 bis 1994 ausserhalb der Berichtsperiode 1967 bis<br />
1970 noch viel mehr Erwähnenswertes erlebt, erduldet und verschwiegen. So gäbe es noch<br />
sehr viel über amüsante oder auch weniger rühmliche Episoden zu erzählen, z.B:<br />
Wie eine kleine Ursache eine überaus grosse Wirkung auslöste: Die Bau-Transportseilbahn<br />
der Lucendro Kraftwerke führte von Airolo über Scara Orello und dem Hospiz ob dem <strong>AW</strong> <strong>San</strong><br />
<strong>Carlo</strong> durch zur Baustelle der Lucendromauer. Doch am 28.8.1944 hörten das Sirren der Seile<br />
und das Rollgeräusch der unzähligen Transportwagen plötzlich auf. Was war die Ursache? Eine<br />
Schiessübung der Fest Abt 6 im Raum Motto Bartola, nahe der 2. Seilbahnsektion oberhalb<br />
Airolo, hatte den Betriebsunterbruch bewirkt und bald die Zivil- und Militärakten gefüllt. 198 Ursache<br />
war ein Seildurchschlag eines Infanteriegeschosses, welcher durch angeordnete Schiessversuche<br />
belegt wurde, obwohl die Verursacher unisono als Alibi den Grund auf die höhere Gewalt<br />
eines gleichzeitigen Gewitters abschoben. Der Schaden an der "von Roll"-Seilbahnanlage<br />
war, nebst dem fatalen Betriebsunterbruch in der sommerlichen Bausaison, sehr gross und<br />
wurde auf ca. 100'000 Fr. geschätzt. Der Zufallstreffer eines mutmasslichen Querschlägers bei<br />
einem Kurzdistanzschiessen mit GP 11 auf Scheiben machte riesige Seilkräfte frei und verursachte<br />
einen enormen Schaden: 4 km Zugseil ø 22 mm gerissen und zu ersetzen, 22 Seilbahnwagen<br />
zerstört, die Tragkonstruktion defekt, die Stationen Cima del Bosco und Scara Orello<br />
beschädigt. Fast wie ein Wunder waren zum Glück keine Verletzten und Toten zu beklagen.<br />
Wie der Dreischichtenbetrieb mit einem unkonventionellen Menütagesplan in der Küche des<br />
<strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> durchexerziert wurde (z.B. Mittagessen zum z'Morge).<br />
Wie ein Pistolenschiessen, bei welchem die Wahl der Zielscheiben 199 ein falscher und wohl<br />
unüberlegter Griff in die Trickkiste war, Schlagzeilen in der Presse und im Fernsehen machte,<br />
usw.<br />
15. Freizeit und Urlaub (WK 1967 – 1970)<br />
Normale Arbeitstage, falls keine Nachtübung oder ein Nachtschiessen angesagt war, endeten<br />
um 18.00 Uhr mit dem Hauptverlesen auf dem Vorplatz oder bei Regen und Schneefall in den<br />
dunklen Gängen. Das anschliessende Nachtessen um 18.20 schloss den intensiven und langen<br />
Arbeitstag ab. Bis zum Zimmerverlesen um 22.00 Uhr für Gefreite und Soldaten bzw. 23.00 Uhr<br />
für Wachtmeister und Korporale galt es nun, falls überhaupt jemand Lust hatte, den Ausgang im<br />
Ausgangsrayon Hospenthal – Gotthard – Airolo zu nutzen. Nur wenige hatten damals einen<br />
Privatwagen bei sich und irgendwo in der weiteren Umgebung des Werks für den Wochenendurlaub<br />
und die Heimfahrt nach der Entlassung abgestellt. Erschwerend war, dass man den Wagen<br />
irgendwann erst nach dem Einrücken an den WK-Standort nachschieben konnte und man<br />
auf dieser Höhe nie wusste, ob man den Wagen nach einem allfälligen Schneefall ausgraben<br />
musste oder er sogar unangenehmerweise aufgebrochen und ausgeräumt worden war. Meist<br />
schlossen sich nur ein paar Unentwegte zusammen und entflohen der Festungsatmosphäre mit<br />
einem Taxi in die tieferen Gefilde des Urserentales oder der Leventina. Doch war die Ernüchterung<br />
meist gross. Da wir nicht allein im WK weilten, waren dort alle Wirtschaften meist schon mit<br />
Uniformierten überfüllt. Dasselbe galt natürlich auch für die beiden einzigen offenen Lokale in<br />
der näheren Umgebung, das Soldatenhaus "General Guisan" des CVJM 200 im kleinen Chalet<br />
beim Fort Hospiz und das Hotel "Monte Prosa".<br />
Im Jahresbericht des CVJM über das Kriegsjahr 1944 201 wird über das Ereignis der Einweihung des "General<br />
Guisan"-Soldatenhauses wie folgt berichtet:<br />
«Unvergesslich bleibt uns allen der Tag der Einweihung am 4. November 1944. Schon konnte das Postauto<br />
ab Airolo die Fahrt der Gäste nicht mehr bewerkstelligen und drohte auch die Route von Andermatt<br />
198 BAr: 5480 (A) 1973/21 Bd. 146<br />
199 Playboy-Foto als Zielobjekt<br />
200 CVJM = Militärkommission der Christlichen Vereine Junger Männer; seit 1998: Cevi Militär Service, 8032 Zürich<br />
201 "CVJM Soldatenarbeit im Kriegsjahr 1944", 30. Jahresbericht der Militärkommission des CVJM, Seiten 9/10
70<br />
her unfahrbar zu werden, als am Tage der Einweihung unerwartet prächtig die Sonne schien und unter<br />
blauem Himmel die bunte Schar der Gäste in zwei Camions zwischen hohen Schneewällen von Andermatt<br />
nach dem Gotthard fuhren. Pünktlich erschien der General mit den Kommandanten des 3. A.K. und<br />
der 9. Div. und bereitete uns die Ehre, zum erstenmal der Einweihung einer Soldatenstube beizuwohnen.<br />
Er schritt die vor dem Haus aufgestellte Kompanie ab und antwortete auf das Begrüssungswort unseres<br />
Präsidenten 202 mit schlichten und kräftigen Worten. Daraufhin wurde das "militärische Familienhaus", wie<br />
er es nannte, betreten und vom Keller bis zum Dachstock besichtigt. Dem infolge Unfalls abwesenden<br />
Baumeister 203 wurde der Dank in einem Brief ausgedrückt, der von allen Anwesenden, dem General voran,<br />
unterzeichnet wurde. Nach gemütlichem Imbiss folgte die lustige Talfahrt.»<br />
Das Soldatenhaus wurde von 1944 bis 1966 204 ) während den kurzen Zeitspannen der Truppenanwesenheit<br />
von einer "Soldatenmutter" des "Département Social Romand" geführt.<br />
Das Soldatenhaus "General Guisan" beim Hospiz General Henri Guisan bei der<br />
(1944 – 1967) Einweihung am 4.11.1944<br />
Im "Monte Prosa" war zudem nach einem halbstündigen Fussmarsch, beim liebevoll so genannten<br />
"Passräuber" nicht alles erlaubt. Insbesondere war ihm das Singen äusserst verpönt. Signor<br />
Lombardi herrschte zusammen mit seinen beiden Schwestern hinter seiner Theke und wehe,<br />
wer sich nicht an seine Spielregeln hielt, musste in tiefer Nacht das Lokal fluchtartig verlassen<br />
und den Heimmarsch frühzeitig antreten.<br />
Mannschaftsessraum und "<strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> Bar" mit Wandmalerei ausgeschmückt<br />
202 Oberstlt Fr. Kuhn, Zürich, Präs. der Stiftungsverw. der Militärkomm. des CVJM der deutschsprachigen Schweiz<br />
203 Architekt und Baumeister E. Martig von der AG für Holzindustrie, Gümligen.<br />
204 Das Soldatenhaus brannte in der Nacht vom 9./10. Juni 1967 ab, als es im KVK zu Beginn des "Schnee-WK"<br />
aufgeheizt wurde. Glücklicherweise war die Soldatenmutter in dieser Nacht nicht im Haus.
71<br />
Also war es weniger aufwändig und gemütlicher, unsere Festungskantine mit der berühmten<br />
"<strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> Bar" zu frequentieren, obwohl man dadurch immer die gleichen Gesichter der grossen<br />
Kompaniefamilie sah. Hier tief im Gotthardfels konnte man im Esssaal jassen, singen, ein<br />
Musikinstrument spielen, rauchen und Feste feiern wie auch den Kompanieabend durchführen,<br />
ohne jemanden zu stören oder dabei gestört zu werden. Zudem war nach einem langen Arbeitstag<br />
der Heimweg um die Stollenecke auch unbeschwerlicher. Die Konsumationspreise waren<br />
angenehmerweise wesentlich moderater und die Festungsambiance wurde durch die exotischen<br />
Wandmalereien mit weiblichen Schönheiten unter Palmen, Musikern, usw. verschönert.<br />
Hptm Brauchli, der letzte Kommandant des <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong>, beschreibt die Ambiance unter dem<br />
Titel "Pampa unter Tag" treffend: «Wenn man hier sitzt, fühlt man sich in die argentinische<br />
Pampa versetzt. Denn Gauchos fangen Pferde, spielen Karten, tanzen und singen.» 205<br />
Exotische Wandmalereien im Mannschaftsessraum<br />
Einzig weibliches Servierpersonal fehlte, wurde doch der Ausschank und Artikelverkauf durch<br />
die in weissen "Servierchutteli" zu Kantiniers umfunktionierten Dienstkollegen durchgeführt.<br />
Dasselbe galt auch bei den Offizieren und höheren Unteroffizieren (Fourier und Feldweibel),<br />
welche in der separaten Offiziersmesse ihren Ruhepol hatten. In der Offiziersmesse hatte man<br />
einen besonders schönen Ausblick aus dem tief im Fels gelegenen Lokal: Wandbilder täuschten<br />
die Sicht durch geraniengeschmückte Fenster auf eine südliche Seenlandschaft vor. Eine Inschrift<br />
auf einem ebenfalls an die Wand gemalten Gedenkstein lautete wie folgt: 206<br />
WIDMUNG<br />
an FEST. ART. Kp 28<br />
wir übergeben<br />
mit dem Bestreben<br />
dies zu erhalten<br />
und zu verwalten.<br />
AKT. DIENST SEPT/OKT<br />
1944<br />
FEST.ART. Kp.15<br />
Offenbar machten im September/Oktober 1944 Angehörige der neu gegründeten Fest Art Kp 15<br />
des <strong>AW</strong> Fuchsegg (spätere Fest Kp II/7) im <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> einen Ablösungs- und Umschulungsdienst<br />
der 9. Div auf die 10,5 cm PzT und bereicherten die Offiziersmesse und den Mann-<br />
205 "Über dem Nebel – Geschichte des Fest Rgt 23 von 1948 – 94", S. 82<br />
206 "Militärische Denkmäler im Tessin", ADAB - EMD 1996, S. 12 + 39
72<br />
schaftsessraum mit den Wandbildern. Über dem symbolischen Gedenkstein standen ein Kerzenständer<br />
und eine Schnapsflasche mit zwei Gläsern. Dies gab vermutlich die Stimmung der<br />
uniformierten "Künstler" beim Abschluss ihrer Arbeit wieder. Auch die mit entsprechender Markierung<br />
als "Ruedi-Bank" 207 bezeichnete gemütliche und rustikale Eckbank dürfte bei diesem<br />
Ereignis eingeweiht worden sein. Sie hat Generationen von Offizieren der Festung "<strong>San</strong> <strong>Carlo</strong>"<br />
und von Besuchern den Aufenthalt im Bergesinnern angenehmer gestaltet, insbesondere da<br />
neben der Eckbank ein Cheminée bildlich wohlige Wärme verbreitete und dazu die Hauskatze<br />
auf einem Fenstersims friedlich schnurrte.<br />
Die Wandbilder im Mannschaftsessraum und insbesondere die künstlerisch interessanteren<br />
Bilder in der Offiziersmesse mussten verständlicherweise leider dem Umbau zum "La Claustra"<br />
weichen. Es sind aber glücklicherweise fotografische Abbildungen erhalten (siehe Seite 84).<br />
Offiziersmesse mit Wandmalerei<br />
Trotz der anerkannt guten Festungsküche wurden, zusätzlich zu allen mitgebrachten Fressalien<br />
und den per Feldpost zugesandten Liebesgabenpäckli, respektable Mengen in der Festungskantine<br />
verkauft, z.B. im WK/EK 68:<br />
- Wein ca. 500 Liter - Zigaretten, Stumpen und Brissago 12'640 Stück<br />
- Bier ca. 1300 Liter - dazu kam der Umatz von Postkarten, Nescafé,<br />
- Mineralwasser und Most ca. 750 Liter Kaffeerahm, Kirsch, Träsch, Grappa usw. sowie<br />
- Schokoladen 536 Tafeln von Biskuits, Nussgipfeln und anderem Gebäck.<br />
- Salametti/Landjäger 368 Stück<br />
"<strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> Bar" mit Durchreiche zur Küche<br />
207 Gemäss Paul Erni, Zeitzeuge: "Ruedi-Bank" gestiftet 1944 von Oblt Walti Rudolf, damals eingeteilt in Fest Kp 27<br />
in Sasso da Pigna, später 1948-53 als Hptm Kdt der Fest Kp III/5 Isleten, 1954-59 als Major Kdt der Fest Abt 6<br />
und 1962-65 als Oberst Kdt des Fest Rgt 23.
73<br />
Da der Kantinenkiosk keine Kühlmöglichkeit für Getränke besass, oblag es dem Getränkelieferanten<br />
bei der Erstanlieferung zu WK-Beginn, einen grossen Kühlschrank gratis zur Verfügung<br />
zu stellen. Aus dem bescheidenen Verkaufszuschlag auf die Getränke und Esswaren konnte die<br />
Kompaniekasse gespiesen werden. Aus dieser konnten Anschaffungen und Unkostenbeteiligungen<br />
bezahlt werden, wie Tonbandgerät für Kantine, Kauf eines Fussballs, Filmmiete für Kinoabende<br />
etc. Für Unterhaltung musste selbst gesorgt werden. Radio und Fernseher existierten<br />
im <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> nicht, nicht einmal Radioprogramme über Telefonrundspruch-Empfänger, da<br />
trotz jahrelang eingereichten Anträgen die notwendigen Antennen und Leitungen fehlten. Dafür<br />
wurde wenn möglich wöchentlich eine Kinovorstellung im Esssaal organisiert. Ein Angehöriger<br />
des FWK aus Andermatt führte als Operateur nach dem Antransport und Montieren des Kinoapparates<br />
die vom Kompaniekommandanten organisierten eingemieteten Filme 208 vor. Zur Auflockerung<br />
begann der Filmabend meist mit einem Trickfilm oder alten Spielfilm, z.B. mit Charlie<br />
Chaplin. Dann folgte ein Kultur- oder Reisefilm und die exotischen Strandszenen bildeten oft<br />
einen hervorragenden Vergleich zu den 1944 von Hilfsdienstleuten 209 an den Esssaalwänden<br />
gemalten Landschaftsbildern.<br />
Nach der Pause folgte jeweils der eigentliche Spielfilm, z.B. "Wie klaut man eine Million" mit<br />
Audrey Hepburn oder "Los Comancheros", ein Wildwestfilm. Der Eintritt kostete einen Franken<br />
zu Gunsten der Kompaniekasse und der Saal war immer ausverkauft. Ausnahmsweise gab es<br />
auch einen Vortrag. So bot sich im WK/EK 1967 die Gelegenheit, dass Uem Gfr Eiselin Max<br />
über die von ihm 1960 geleitete Schweizer Dhaulagiri-Expedition referierte und den Film mit der<br />
Erstbesteigung des Dhaulagiri und mit dem erstmaligen Einsatz des Flächenflugzeugs Pilatus-<br />
Porter "Yeti" auf dieser Höhe vorführte. Einen besonderen Abschluss gab es jeweils in der Kantine,<br />
wenn Mitr Wm Hansheinrich Zweifel den EK im <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> absolvierte. In der letzten<br />
Woche trafen per Lastwagen die von seiner Firma spendierten Liebesgaben ein: Zweifel-<br />
Pommes-Chips à discrétion und ein Fass saurer Zweifel-Most. Umständehalber wehte dann<br />
merkbar ein spezieller Duft in den Stollengängen.<br />
Wer einmal nach Hause telefonieren wollte, dem stand nach Anmeldung bei einem Telefonzentralen-HD<br />
die einzige Telefonkabine im Werk für ein Gespräch zur Verfügung. Deshalb<br />
musste sich jeder kurz fassen, da der Andrang der Wartenden immer gross war.<br />
Werktelefonzentrale<br />
Dienstkollegen aus andern Festungswerken hatten vielfach "Erbarmen" mit uns im <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong>:<br />
"Ihr in dieser Tropfsteinhöhle!" Doch dieser oftmals kurze Eindruck eines Besuchs in unseren<br />
Gängen täuschte. Die neueren Festungswerke, wie "Sasso da Pigna", waren durch die Betonverkleidung<br />
aller Gänge wohl trockener und wirkten dadurch heller und fast etwas sauberer. Bei<br />
uns im <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> war aber das Raumklima viel ausgeglichener. Vor allem der direkte visuelle<br />
und greifbare Kontakt mit dem Urgestein des Gotthards war irgendwie natürlicher, reeller<br />
und gemütlicher. Trotz dem üblichen WK-Frust und dem mehr als unangenehmen Gedränge<br />
waren die Stimmung und der Korpsgeist in der grossen militärischen Familie allgemein sehr gut.<br />
208 Z.B. von Universal-Film, Swissair, BP etc.<br />
209 im Mannschaftsessraum von HD Lapp und HD Siegel, Basel 1944
74<br />
Der Urlaub war meistens äusserst kurz. Es herrschten diesbezüglich harte Bräuche. Zwischen<br />
KVK und WK/EK war ohnehin Dienstsonntag. Im WK/EK, z.B. 1967, trafen die Urlauber am ersten<br />
Samstag nach dem Hauptverlesen von 09.50 Uhr erst um 13.02 Uhr in Luzern ein und somit<br />
war z.B. ein Entlebucher-Festungsangehöriger erst gegen den späteren Nachmittag bei den<br />
Seinen. Dafür musste er schon am Sonntagnachmittag wieder abreisen, um rechtzeitig wieder<br />
spätestens um 21.00 Uhr in Airolo einzutreffen. Mit Lastwagen oder Postautos wurden die Urlauber<br />
zum Bahnhof Airolo oder ausnahmsweise nach Göschenen geführt und beim Einrücken<br />
dort wieder abgeholt. Am zweiten WK/EK-Sonntag war so genannter Dienstsonntag, d.h. das<br />
Abtreten war erst nach dem obligatorischen Feldgottesdienst ca. um 09.00 Uhr, so dass eine<br />
Heimfahrt für die Meisten illusorisch wurde. Bei schönem Wetter konnte dafür in der kurzen zur<br />
Verfügung stehenden Freizeit das Tessin erkundet werden.<br />
16. Kommandanten des <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> 210<br />
1939 Hptm Ringger August 01 Zürich Fest Art Kp 17 Fort Hospiz (Aktivd.)<br />
1941 – 1942 Hptm Bleuer Armin 08 Bern Fest Art Kp 17 Fort Hospiz (Aktivd.)<br />
1943 – 1944 Hptm Bruppacher Walter 09 Kreuzlingen Fest Art Kp 17 Fort Hospiz (Aktivd.)<br />
1944 – 1947 Hptm Schuster Karl 15 Winterthur Fest Art Kp 28 (selbständige Kp)<br />
1948 – 1955 Hptm Knapp Adolf 15 Winterthur Fest Art Kp 28 / Fest Kp 28 ab 1952<br />
1956 – 1957 Hptm Enz Hans 26 Seuzach Fest Kp 28<br />
1958 – 1959 Oblt Imholz Peter (Hptm 1.1.59) 28 Zürich Fest Kp 28<br />
1960 – 1966 Hptm Baumann Marcel 28 Suhr Fest Kp 28 / Fest Kp II/6 ab 1962<br />
1967 – 1970 Hptm Burkhardt Hansjakob 36 Sisikon Fest Kp II/6<br />
1971 – 1972 Hptm Kohler Arthur 39 Olten Fest Kp II/6<br />
1973 – 1977 Oblt Müller Peter (Hptm 1.1.74) 43 Dübendorf Fest Kp II/6<br />
1978 – 1980 Oblt Honegger Anton (Hptm 1.1.80) 49 Schönbühl Fest Kp II/6<br />
1981 – 1982 vakant (i.V. Oblt Iselin Hans) 46 Neuhausen Fest Kp II/6<br />
1983 Hptm Herter Walter 45 Bülach Fest Kp II/6<br />
1984 – 1988 Oblt Niquille Christophe 56 St. Gallen Fest Kp II/6<br />
1989 – 1994 Hptm Brauchli Stefan 60 Emmenbr. Fest Kp II/6 (letzter Kdt <strong>AW</strong> S<strong>Carlo</strong>)<br />
17. Ende des <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong><br />
Die Festungstruppen waren immer und sind auch bis heute einem laufenden Wandel der Bedeutung<br />
und der Aufgaben ausgesetzt. So wie die Doktrin und die Kommandanten wechselten,<br />
änderte oft auch die Organisationsstruktur. Als "Stiefkinder" hinkte meist die Ausrüstung hinter<br />
der übrigen Armee hintendrein, wie z.B. die Ausrüstung mit dem Sturmgewehr, den Funkgeräten,<br />
dem Tarn- und Kampf-Anzug usw. Nur die Festungsgeschütze waren meistens über einige<br />
Zeit up to date. Der Schutz vor der Wirkung der gefürchteten Atomwaffen wurde optimiert, bei<br />
neuen Anlagen sogar mit EMP 211 -Schutz. Wenn aber die Bedrohungslage ändert und die Geldmittel<br />
nicht mehr reichen, wird abgerüstet und stillgelegt, wie schon nach dem 1. Weltkrieg. Nur<br />
der im Kalten Krieg drohende Atomkrieg mochte das Ausharren in den alten grossen Festungen<br />
noch begründen. In der Folge der Ungarn-/Suezkrise von 1956 erwachten die Festungstruppen<br />
nochmals aus dem Dornröschenschlaf. Die Festungen wurden teilweise modernisiert und mit<br />
neuen Waffen 212 ausgerüstet. Die Ausbildung der Festungstruppen in separaten Rekrutenschulen<br />
wurde forciert. Nur im <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> blieb alles im alten Zustand. Schon frühzeitig philosophierten<br />
wir im WK oft zu später Stunde beim Abendtrunk in unserer Offiziersmesse über das<br />
voraussehbare kommende Ende der bisherigen Festungsära und witzelten, was aus dem alten<br />
Onkel "<strong>San</strong> <strong>Carlo</strong>" dereinst werden könnte. In einer sich rasch verändernden Gesellschaft änderten<br />
sich auch die Risiken und wandelten sich von einem traditionellen Verteidigungssystem<br />
zu neuen beweglicheren Verteidigungsprinzipien. In der Folge verloren die alten Befestigungswerke<br />
an Bedeutung.<br />
210 aus Tagebüchern gem. Quellenverzeichnis + "Über dem Nebel – Gesch. des Fest Rgt 23 von 1948 – 94", S. 165<br />
+ aus Offiziers-Etats, Eidg. Militärbibliothek Bern<br />
211 EMP = Elektro-Magnetischer-Puls<br />
212 wie Mg 51, Stgw, Fest Mw 8,1 und 12 cm
75<br />
Die Ausserdienststellung der 10,5 cm PzT und der 10,5 cm Hb Kasematt-Werke wurde bereits<br />
Mitte der 80er Jahre ins Auge gefasst, da diese Werke veraltet, technisch abgenützt und<br />
nicht mehr kriegstauglich waren 213 . In den 80er Jahren musste das <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> sogar zeitweise<br />
für die Truppe gesperrt werden, da der Zustand der elektrischen und technischen Anlagen<br />
die Sicherheit nicht mehr gewährleistete. Mit ausserordentlichen Reparaturen und Erneuerungen<br />
konnte jedoch dieser Zustand überbrückt werden. 214<br />
Der Übergang von den "grossen Alten" zu den "kleinen Kräftigen" wurde vom zuständigen<br />
Bundesamt für Genie und Festungen wie folgt umschrieben: 215<br />
«Die grossen Alten: Der Aufwand zum Betreiben grosser Festungen ist hoch. Die Transportwege<br />
zwischen Versorgungszonen, Geschützen und Munitionsmagazinen sind lang.<br />
Zum Aufrechterhalten der Kampfbereitschaft braucht es enorme technische<br />
Mittel und sehr viel Mannschaft.<br />
Die Wirkung steht in keinem Verhältnis dazu: Es gibt nur relativ wenige<br />
Geschütze. Deren Verwundbarkeit ist gross und die Wirkung viel geringer. Die<br />
Schussfolge ist klein, neue Munitionsarten stehen nicht zur Verfügung.<br />
Die kleinen Kräftigen: Kleine Festungen sind rasch und relativ günstig zu bauen. Sie sind in Unterhalt<br />
und Betrieb einfach und von einer kleinen Mannschaft zu betreiben.<br />
Hier stimmt der Aufwand, die Wirkung ist optimal. Einzeln oder zusammen<br />
mit anderen Werken ist die Feuerkraft sehr hoch, die Schussfolge schnell und<br />
die neue Munition für das Kaliber 15,5 cm bei Bedrohung sehr wirkungsvoll.»<br />
Ersatz für die grossen alten Artilleriewerke sind die BISON-Monoblockanlagen mit den 15,5 cm<br />
Fest Kan 93 L52. Der Einbau der 12 cm Fest MW-Zwillinge 58 begann bereits Ende der 60er<br />
Jahre. Sie sind für die Feuerunterstützung der Sperrstellen vorgesehen. Die Centurion-Bunker<br />
mit den 10,5 cm Panzer-Kanonen sind jedoch Anlagen der Panzerabwehr und ersetzen die ursprüngliche<br />
teilweise Doppelfunktion von Artilleriewerken.<br />
Prinzipskizze eines BISON Monoblock-Artilleriewerks<br />
Nach dem Verschwinden des Warschauer Paktes erlebten die Armee und besonders die Festungstruppen<br />
1995 einen einschneidenden Wandel. Hierzu kann KKdt Moccetti Roberto, Kdt<br />
des Gebirgsarmeekorps 3, zitiert werden: 216<br />
«Die Leistungen im Bereich der permanenten Befestigung wurden indessen sukzessive reduziert. Dazu<br />
führten folgende Faktoren: der mit der Armee 95 eingetretene Abbau der Bestände ortsgebundener Truppen,<br />
der Verzicht auf vorbereitete Dispositive sowie die ungünstige Finanzlage des Bundes. Systematische<br />
Deklassierung und Liquidation drängte sich also auf. Das Gros der Festungsartillerie ist überholt. Im<br />
213 Angabe Brigadier zD Rauch Andrea<br />
214 Angabe Oberst Flück Peter, BAGF Bern<br />
215 Vademekum Festungstruppen "Hightech statt Mythen", BAGF Bern, ca. 1985, S. 12/13<br />
216 «Militärische Denkmäler im Kanton Tessin», ADAB - EMD 1996, S. 9
76<br />
Zentralraum und zur Beherrschung der Alpentransversalen bleibt Artillerie-Unterstützung jedoch unentbehrlich.<br />
……. Zusammenfassend ist festzustellen, dass die permanente Befestigung in der Schweiz nach dem<br />
zweiten Weltkrieg an Bedeutung verloren hat und die Elimination vieler Anlagen vernünftig ist. Gewisse,<br />
der Bedrohung angepasste Anlagen müssen jedoch beibehalten werden (Fest Mw, BISON, CENTURION,<br />
massive Hindernisse, Sprengobjekte sowie wichtige Infrastrukturen der Führung und der Logistik). An der<br />
Entschlossenheit, überholte Anlagen aufzugeben, ist nicht zu rütteln. Als Vorsichtbremse hat jedoch "in<br />
dubio pro reo" zu gelten. Interessante Anlagen der Nachwelt zu erhalten, befiehlt uns unser Geschichtsbewusstsein.»<br />
Unterdessen hat jedoch mit der Armeereform XXI auch für diese neuen Festungsanlagen<br />
eine Ruheperiode begonnen und die Bestände der Festungstruppe werden auf ein Minimum<br />
reduziert und das FWK erhält auf 1. Januar 2004 neue Aufgaben und eine neue Bezeichnung.<br />
1994 wurde der letzte Wiederholungskurs der Fest Kp II/6 im <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> unter Hptm Stefan<br />
Brauchli durchgeführt. Die letzten mit den 10,5 cm Panzertürmen abgegebenen Schüsse landeten<br />
anlässlich der Regiments-Schiessübung mit dem sinnigen Namen "Finale" 217 am 27. Mai<br />
1994 im Zielgebiet im Witenwasseren. Ende 1994 wurde das Fest Rgt 23 und damit auch die<br />
Fest Kp II/6 aufgelöst. Dann wurde die Festung <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> stillgelegt. Per 1. Juli 1999 wurde<br />
das Werk deklassifiziert (entwidmet) und durch das ADAB 218 in das Inventar der militärischen<br />
Kampf- und Führungsbauten im Kanton Tessin mit folgender Begründung aufgenommen:<br />
« ...... Für den Zeitraum des zweiten Weltkriegs fällt unter einer Grosszahl von militärischen Bauwerken<br />
vor allem das Artilleriewerk <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> als Prototyp für eine neue Gattung von Panzerturmwerken auf,<br />
welche mit 10,5 cm Kanonen bestückt sind.» 219<br />
Dem <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> wurde jedoch eine besondere Zukunft vorbehalten, der Wandel vom <strong>AW</strong> <strong>San</strong><br />
<strong>Carlo</strong> zum "La Claustra", dem Kloster, einem modernen ungewöhnlichen Seminarzentrum.<br />
Blick vom Aussengang in den Aufenthaltsraum des "La Claustra"<br />
217<br />
gem. Befehl für den Einsatz der Fest Abt 6 vom 27.5.94 (letztes Art Schiessen des Fest Rgt 23)<br />
218<br />
ADAB = interdepartementale Arbeitsgruppe des VBS, vormals EMD, für "Natur- und Denkmalschutz bei militärischen<br />
Kampf- und Führungsbauten"<br />
219<br />
"Militärische Denkmäler im Kanton Tessin", ADAB - EMD 1996, Maurice Lovisa, S. 13
18. Umwandlung in das Seminarzentrum "La Claustra"<br />
77<br />
Gleichzeitig mit der Deklassifizierung des Artilleriewerks <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> erfolgte am 1. Juli 1999 die<br />
Übergabe vom VBS an die Stiftung "Fondazione La Claustra" des Philosophen, Fotografen<br />
und Künstlers Jean Odermatt.<br />
Dieser umschreibt seine Visionen und Ziele wie folgt: "Ziel der Stiftung ist es, das ehemalige<br />
Artilleriefort <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> zugänglich zu machen und es zu einem Kommunikationszentrum im Sinne<br />
eines nachmodernen Klosters umzuwandeln. Die Akademie La Claustra entwickelt in Form<br />
einer modernen Tischgesellschaft ein Rollenmodell, das in der Praxis des Lernens radikal Prozesse<br />
in den Mittelpunkt stellt. Das Hotel La Claustra ist Teil der Plattform für die Auseinandersetzung<br />
mit der Landschaft, für das Erforschen der Essenzen und der Sinne. Daneben steht der<br />
Hotelbetrieb auch für Ausbildungsinstitutionen, Unternehmen und Einzelpersonen für Seminarien<br />
und Retraiten offen".<br />
Die 1998 gegründete Stiftung konnte dank einer grosszügigen Zuwendung der Volkart Stiftung<br />
Winterthur und der tatkräftigen Unterstützung durch das Eidg. Departement für Verteidigung,<br />
Bevölkerungsschutz und Sport (VBS 220 ) am 21. Juni 1999 mit dem Umbau beginnen und<br />
nach einer Umbauzeit von vier Jahren am 21. Juni 2002 die Anlagen provisorisch in Betrieb<br />
nehmen. Bedingt durch die Öffnungszeiten der Gotthardstrasse ist nur ein Sommerbetrieb möglich.<br />
Nach dem im alten Zustand belassenen dunklen Zugangsstollen öffnet sich nach 250 m die<br />
Helle des umgebauten Innentrakts mit seinem besonderen Ambiente: Licht, Wasser und naturbelassener<br />
Fels. Die Gänge sind diskret beleuchtet und mit gestalterischen Elementen wie<br />
Wasser und Kieselflächen angenehm aufgelockert. Eine grosse Glasscheibe gewährt Einblick in<br />
das Innere des einladenden Aufenthaltsraums und von diesem hinaus in das urchige Felsinnere<br />
des Gotthardmassivs.<br />
In 19 Schlafzimmer-Zellen stehen 25 Betten für Gäste bereit. In den Wohn- und Schlafräumen<br />
sind die ehemaligen Zementböden dem warmen Lärchenparkett gewichen. Für stimmige<br />
Beleuchtung sorgen die modernen von Jean Odermatt selbst entworfenen Lampen und Leuchten.<br />
Sämtliche spartanischen <strong>San</strong>itäranlagen aus der Militärzeit sind heutigen Ansprüchen gerechten<br />
Einrichtungen gewichen. Die wohlige Wärme im verglasten Dampfbad und den zwei<br />
japanischen Kusatsu-Badewannen kontrastiert zu den Gangtemperaturen von 14º Celsius im<br />
weit verzweigten Stollensystem. Die Räume werden mit einer neuen wirtschaftlicheren und leiseren<br />
Ventilations- und Klimaanlage belüftet. Eine modern eingerichtete leistungsfähige Küche<br />
mit Lagerräumen und ein reich dotierter Weinkeller in einem idealen alten Festungsgang stehen<br />
zur Pflege des leiblichen Wohls der Gäste zur Verfügung. Die alten Notstromgruppen aus der<br />
Vorkriegszeit sind durch eine leisere und wartungsfreundlichere moderne Notstromanlage ersetzt<br />
worden. Ein durch Entfernung des Betonpfropfens wieder ausgebrochener Verbindungsgang<br />
verbindet den Unterkunftstrakt direkt mit der ehemaligen Munitionsmagazin-Kaverne.<br />
Nach dem Ausräumen der Betonmunitionskästen und dem Einbringen eines Gussasphaltbodens<br />
steht diese grosse Halle mit 300 m2 Fläche für multifunktionelle Zwecke wie Konferenzen,<br />
Konzerte oder Filmvorführungen zur Verfügung.<br />
Jean Odermatt sieht derzeit im "La Claustra" folgende weitere Umbauten und Erweiterungen<br />
des ehemaligen <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> vor:<br />
� Einbau eines Fernrohrs zur Sternbeobachtung im Panzerturm Nr. 1<br />
� Umbau des oberirdischen Munitionsmagazins mit entsprechender Anpassung des Portalbereichs.<br />
Der militärische Lärm ist diskreten Tönen gewichen und nur noch das dauernde Tropfen und<br />
Wasserrieseln im Berg ist aus den alten Zeiten geblieben. Anstatt wieder ein zusätzliches Festungsmuseum<br />
einzurichten, hat Jean Odermatt mit viel Mut, Einsatz und Ausdauer absolut neue<br />
Wege beschritten.<br />
220 VBS, ehemals EMD (Eidg. Militärdepartement)
19. Dank<br />
78<br />
Nach der im Zusammenhang mit der Ausstellung "Berge Berge Berge mit Festungen" im Bellparkmuseum<br />
Kriens veranstalteten Besichtigung im <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> bzw. im "La Claustra" vom<br />
17. Oktober 2001 entstand bei mir die Idee, über das doch etwas besondere <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> einen<br />
Bericht zu verfassen. Vorerst glaubte ich, den Jean Odermatt bei einem Besuch im "La<br />
Claustra" versprochenen kurzen Rückblick in vier bis fünf Seiten abhandeln zu können. Doch<br />
mit dem Hunger wächst der Appetit und im Kopf reifte der doch etwas reichhaltigere Inhalt des<br />
Menüs. Mitte November 2002 startete ich das Unternehmen. Faszinierend war es, aus eigenem<br />
Wissen und als Zeitzeuge innert weniger als drei Monaten die umfangreichen Unterlagen und<br />
Fakten wie Mosaiksteinchen zu diesem Bericht über das Artilleriewerk <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> und über die<br />
10,5 cm Turmkanone 1939 L52 zu suchen, zu finden und zusammenzutragen. Oft kam ich mir<br />
vor wie Sherlock Holmes auf Spurensuche. Viele telefonische und persönliche Kontakte machten<br />
die intensive Arbeit abwechslungsreich und bereichernd. Besonders danke ich Paul Erni und<br />
Hans Käppeli, welche mir als Zeitzeugen aus dem Aktivdienst mit vielen persönlichen Erinnerungen<br />
aus den ersten Jahren des <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> zu berichten wussten und Andrea Rauch für seine<br />
detaillierte Korrekturdurchsicht mit verschiedenen Präzisierungen. Speziell danke ich Jean Odermatt<br />
für die wertvolle Mithilfe mit der Zurverfügungstellung seiner Fotos des "<strong>San</strong> <strong>Carlo</strong>" im<br />
alten Zustand und von neuesten Aufnahmen von "La Claustra" sowie Maurice Lovisa für die<br />
Mithilfe mit seinem profunden Wissen. Ich danke allen sehr herzlich, welche mir äusserst hilfsbereit<br />
bei der Zusammenstellung dieser <strong>Dokumentation</strong> mit Hinweisen, Angaben und Unterlagen<br />
wertvolle Hilfe geleistet haben und den Sponsoren, welche die Herausgabe dieser <strong>Dokumentation</strong><br />
unterstützt haben. Allfällige Präzisierungen, Ergänzungen und Hinweise nehme ich<br />
dankbar entgegen.<br />
Meggen, im April 2003 Hansjakob Burkhardt<br />
- Freigabe Veröffentlichung durch Gst, AIOS Sektion Informationsschutz und Industriesicherheit: 13.02.03<br />
- Überarbeitung mit kleineren Korrekturen für Download in Homepage armasuisse im Januar <strong>2007</strong><br />
Militärischer Werdegang des Verfassers:<br />
1955 Aushebung in Uri als Kanonier in die Truppengattung Artillerie, Untergattung Festungsart<br />
1956 Artillerie-Rekrutenschule Monte Ceneri + Einteilung in Fest Kp 14 Bäzberg als Kanonier<br />
1957 Unteroffiziersschule Art RS Monte Ceneri + Abverdienen Kpl + Beförderung zum Kan Kpl<br />
1957 Artilleriespezialkurs Frauenfeld + Artillerie-Offiziersschule Frauenfeld<br />
1957 Brevet zum Leutnant der Festungsartillerie mit Einteilung in die Fest Kp 27 Sasso da Pigna<br />
1958 Abverdienen Leutnant in Fest Art RS Savatan – St. Maurice<br />
1958 WK Sasso da Pigna: Batterieoffizier und Schiesskommandant<br />
1959 WK Fest Kp 98 Heldsberg: Aussenverteidigung mit Mitrailleur- und Pak-Zug<br />
1960 Nahkampfkurs Schönbühl – Grauholz<br />
1960 – 1963 WK Sasso da Pigna: Art Schiesskdt + Chef Nahverteidigung + HG- und Rigassiinstruktor<br />
1963 Beförderung zum Oberleutnant der Festungsartillerie + Zentralschule I der 9. Div<br />
1964 Abverdienen Hauptmann in Fest Art RS Savatan – St. Maurice<br />
1965 Beförderung zum Hauptmann der Festungartillerie<br />
1965 – 1966 Chef Artillerie Fest Kp I/7 Grimsel (nur Baranoffkurse in Fest Abt 5)<br />
1965 WK als Kdt i.V. Fest Stabskp 17 in All'Acqua<br />
1966 WK als Kdt der Stabskp ad hoc Fest Rgt 23 (erster Versuchs-WK Rgt Stabskp, inkl.<br />
Wetterzüge)<br />
1967 – 1970 Kdt Fest Kp II/6, <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong><br />
1971 – 1974 Kdt Fest Kp IV/5, Lukmanier (inkl. Sperre Stgegia und Russeinstellung)<br />
1976 – 1993 Verkehrsoffizier im Stab Mob Pl 313 Andermatt<br />
Die Festungskompaniekommandanten waren immer Offiziere der Artillerie. Von Vorteil für die Führung<br />
dieser Allroundtruppe war eine erweiterte Ausbildung mit Infanteriewaffenkenntnis.
79<br />
20. Quellenverzeichnis und Abkürzungen<br />
a) Literatur- und Quellenverzeichnis (Chronologisch, in Ergänzung zu den Fussnoten):<br />
- "Bericht an die Bundesversamml. über den Aktivdienst 1939 – 1945" von General H. Guisan, März 1946<br />
- "Bericht des Chefs des Generalstabs an den Oberbefehlsh. der Armee, Aktivdienst 1939 – 45"<br />
- Schweizerisches Bundesarchiv (BAr), 3003 Bern: diverse Akten gemäss Fussnoten<br />
- "Standarten, Uniformen und Gradabzeichen der Schw. Armee", Verlag Schoch & Ruchti Zürich, 1941<br />
- Tagebücher der Art Fest Kp 17 von 1939 – 1945 (Aktivdienst), BAr: Bestand E 5790 -/9001 2622 Bd. 1ff<br />
- Bericht und Antrag des Untersuchungsrichters 9. Div, Hptm Rudolf Sidler, Schwyz, vom 23.12.1944<br />
betr. Artillerie-Schiessunfall im Panzerturm 2 der Festung Bätzberg vom 7.9.1944, 0810 Uhr (39 Seiten),<br />
Archiv Fritz Mumenthaler<br />
- "CVJM Soldatenarbeit im Kriegsjahr 1944", 30. Jahresbericht der Militärkomm. des CVJM, Seiten 9/10<br />
- "Technische Daten Festungsgeschütze", Typen-Verzeichnis, K + W Thun, 1965<br />
- "Die 10,5 cm Festungsgeschütze", Festungsartillerie Heft B, Reglement 57.210d<br />
- Tagebücher der Fest Kp II/6 von 1967 – 1970 (WK/EK): Archiv Hansjakob Burkhardt, 6045 Meggen<br />
- "Aus den Anfängen der Gotthardfestung", Memoiren Hptm Hans Schiesser, Neujahrsblatt der Feuerwer-<br />
ker-Gesellschaft Zürich, 1976<br />
- "Schweiz 39-45, Krieg in einem neutralen Land – Bildreport Weltkrieg II", Piekalkiewicz Janusz,<br />
Motorbuch Verlag Stuttgart + Verlag Bucheli, Zug, 1979<br />
- "Spionage gegen die Schweiz", Hans Rudolf Fuhrer, ASMZ 1982<br />
- "Generalstabschef Jakob Huber 1883 – 1953", Karl J. Walde, Verlag Sauerländer, 1983<br />
- "Unser Alpenkorps", Herausgeber Kdo Gebirgsarmeekorps 3, Abschnitt III/1 Fortificazioni, 1983<br />
- "Das Hospizwerk auf dem St. Gotthard", Hans Rapold, 1984<br />
- "Die Bewaffnung der schweiz. Festungsartillerie 1885 – 1939", Assoc. Saint-Maurice, 1984<br />
- Vademekum Festungstruppen "High-Tech statt Mythen", BAGF Bern, ca. 1985<br />
- "100 Jahre Gotthardfestung, 1885 – 1985", Peter Ziegler, Herausgeber Fest Br 23, Andermatt 1986<br />
- "Erlebtes – Aus hundert Skizzenbüchern" Paul Erni, Harlekin Verlag Luzern, 1987<br />
- "Die Geschichte der schweizerischen Landesbefestigung", Orell-Füssli Verlag 1992<br />
- "Geschichte der eidgenössischen Militäruniformen 1852 – 1992", Burlet Jürg, 1992<br />
- NLZ 23.11.1992, Seite 19: "Im Réduit wird kräftig abgerüstet"<br />
- "Über dem Nebel - Geschichte des Fest Rgt 23 von 1948 – 1994", 1995 (insbesondere S. 81 – 83)<br />
- Video "Fort Dailly, Armes de Forteresse", Association St. Maurice d’Études Militaires, 1995<br />
- "Militärische Denkmäler im Kanton Tessin", ADAB-Inventar militärischer Denkmäler, EMD 1996<br />
- "Gotthardverteidigung mit Festungsartillerie", Werner Rutschmann, 8134 Adliswil, 1999<br />
- "Grosse Festungen am Grimsel und Gotthard", Dr. Walter Lüem, GMS – <strong>Dokumentation</strong>, 1999<br />
- "Der fatale Ring", Paul Erni, Eigenverlag Basel 1999<br />
- "Das Artilleriewerk Mühlefluh in Vitznau", Geschichtsfreund Stans, 153 Band Seite190/191, 2000<br />
- "Militärische Denkmäler in den Kanton Nidwalden, Obwalden, Luzern", ADAB-Inventar militärischer<br />
Denkmäler, VBS 2000<br />
- "Berge Berge Berge", Ausstellung im Museum Bellpark, 29.9. bis 25.11.2001<br />
- GEO Schauplatz Schweiz 10/2001: "Murmelnde Erinnerungen im Granit"<br />
- Sonntagszeitung 14.10.2001: "Erkenntnissuche im Réduit" ("La Claustra")<br />
- NLZ 17.10.2001, Seite 45: "Denken im Berg (La Claustra)"<br />
- "Georg Fischer AG 1930 – 1945", Hans Ulrich Wipf, Chronos-Verlag, 2001<br />
- Infomappe Fondazione "La Claustra", Jean Odermatt, 2002<br />
- "Das Festungswachtkorps im Wandel der Zeit", 2002, Fritz Mumenthaler<br />
- "Die Pferdestellung 1939 – 2000", Schweiz. Armee, VBS Gst / Abt Mob, 2002<br />
- "Die Zukunft beginnt – Gotthard Basistunnel", Werd Verlag 2002, S.174 "Inspiration im Berg"<br />
- "Blautanne – Operationsziel Schweiz, eine Analyse", ASMZ Nr. 2, Feb. 2003<br />
- Archiv "Fondazione La Claustra", Jean Odermatt, 8193 Eglisau<br />
- Landeskarte 1: 25'000, Blatt 1251 Val Bedretto<br />
- Wanderkarte Uri 1: 25'000, Blatt Gotthard, Verlag Gisler, 6460 Altdorf<br />
E-Mail und Internet:<br />
- info@claustra.ch<br />
- www.claustra.ch<br />
- www.gms-reisen.ch<br />
- http://home.sunrise.ch/h/schwitte/
) Auskünfte und Unterlagen:<br />
80<br />
- Blatter Robert, 8117 Fällanden, Fotograph bei MFO Oerlikon (1941-43 und 1946-52)<br />
- Brauchli Stefan, 6020 Emmenbrücke (Hptm, letzter Kdt Fest Kp II/6 <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong>)<br />
- Oberstlt Brignoni Emilio, Kdo Fest Region 6, 6780 Airolo<br />
- Burlet Jürg Peter, Schweiz. Landesmuseum, Kurator Uniformen und Fahnen, 8006 Zürich<br />
- Eidgenössische Militärbibliothek (EMB), Bundeshaus Ost, 3003 Bern<br />
- Dr. Erni Paul, 4051 Basel, Oblt in Fest Kp 17 von 1939 – 1944<br />
- Oberst Flück Peter, Bundesamt für Unterstützungstruppen, ehemals BAGF, 3003 Bern<br />
- Hodler Beat, ehem. Chef Fotodienst Eidg. Zeughaus Bern, 3098 Schliern b. Köniz<br />
- Adj Uof Hürlimann Eros, Kdo FWK Region 6, Chef Liegenschaftsdienst, 6780 Airolo<br />
- Käppeli Hans, ehemaliger Fabrikationschef K+W, 3600 Thun<br />
- Kdo Fest Br 23, 6460 Altdorf, Lötscher Nadine<br />
- Keller Silvio, Leiter der Arbeitsgruppe ADAB, Stab Gruppe Generalstabsdienste des VBS, 3003 Bern<br />
- Künzli Franz, Hptm der Traintruppen, 6218 Ettiswil<br />
- Lack Hans, ehemaliger Materialverwalter AGF, 6010 Kriens<br />
- Lanz Walter, dipl. Ing. ETH, Leiter Forschung+Werkstoffe, RUAG Land Systems (ex K+ W), 3602 Thun<br />
- Lovisa Maurice, dipl. Arch. ETHL, 3011 Bern (Fachberater Arbeitsgruppe Natur- + Denkmalschutz bei<br />
Kampf- und Führungsbauten – ADAB VBS)<br />
- Dr. Lüem Walter, 8704 Herrliberg (GMS)<br />
- Mayer H.-K., Generalstab, AIOS Sektion Informationsschutz und Industriesicherheit, 3003 Bern<br />
- Moriggia Arnoldo, Oberst aD, ehemaliger Kdt Fest Region 24 Airolo, 8710 Biasca<br />
- Mumenthaler Fritz, Oberst aD, ehemaliger Kdt Fest Region 23 Andermatt, 8253 Diessenhofen (GMS –<br />
Gesellschaft für militärhistorische Studienreisen)<br />
- Odermatt Jean, Fondazione "La Claustra", 8193 Eglisau<br />
- Dr. Pill Irene, Georg Fischer AG, Leiterin Eisenbibliothek und Konzernarchive, "Paradies", 8252 Schlatt<br />
- Plüss Oliver, Schweizerisches Wirtschaftsarchiv (SWA), 4003 Basel<br />
- Rauch Andrea, Brigadier zD, ehemaliger Instr Of Art, (1991-1997 Kdt Fest Br 23), 6500 Bellinzona<br />
- Reber Martin, Schweiz. Bundesarchiv (BAr), 3003 Bern<br />
- RUAG Land Systems, vormals Eidg. Konstruktionswerkstätte, 3600 Thun<br />
- Sägesser Hans, ehemals Direktor von Roll AG, 4702 Oensingen SO<br />
- Schweizerisches Bundesarchiv (BAr), 3003 Bern<br />
- Schwitter Oswald, 4616 Kappel SO (GMS)<br />
- Sulser Marco, 9479 Gretschins<br />
- Thierstein Felix, Fotograf Bundeshaus, Bern<br />
- Tomamichel Fausto, ehemals Werkchef FWK, 6780 Airolo<br />
- Waber Karl, ehemaliger Werkleiter K+W Thun, 3612 Steffisburg<br />
- Weder Martin, Geschäftsführer Cevi Militär Service, 8032 Zürich<br />
- Dr. Wipf Hans Ulrich, ehemals Stadtarchivar Schaffhausen, 8200 Schaffhausen<br />
- Wunderli Hans, ehemals Art Wm in der Fest Art Kp 16, Altersheim Geeren, 8472 Seuzach,<br />
- Wyler Hans, Oblt in Fest Kp 28 von 1948 – 1972, 8707 Uetikon a.S.<br />
c) Fotos und Abbildungen (s. auch Literaturverzeichnis):<br />
Seiten:<br />
Umschlag - <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> PzT Nr. 1 mit getarntem Geschützrohr in Ruhestellung: Archiv Jean Odermatt, 8193 Eglisau<br />
Umschlag - Eingang <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> mit aufgesetztem MunMag für Ladungen: Maurice Lovisa, 3011 Bern<br />
2 - Ärmelpatten Fest Art 1926 / 1940: Jürg P. Burlet, Landesmuseum, 8023 Zürich<br />
2 - Waffenrockzeichen Fest Art 1941: "Uniformen Schw. Armee", Verlag Schoch & Ruchti, Zürich, S. 18<br />
2 - Oberarmabzeichen Festungsturm: Jürg Peter Burlet, Schweizer Landesmuseum, 8023 Zürich<br />
2 - Waffenrockz. Fest Trp: Vademekum Festungstrp "High-Tech statt Mythen", BAGF Bern, ca. 1980<br />
4 - Gotthardnordseite mit alter Passstrasse und Lage des <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong>: Hj. Burkhardt, 6045 Meggen<br />
5 - Getarnter 10,5 cm Panzerturm <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong>: Hans Wyler, 8707 Uetikon am See<br />
6 - Réduit 1940 – 1944 mit der Zentralfestung Gotthard: "Unser Alpenkorps", S. 10<br />
9 - Situationsplan A 8390 <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong>: Kdo FWK Region 6, Airolo, Liegenschaftsdienst<br />
10 - Als Felsblock getarnter 10,5 cm PzT: Armeefilmdienst - Kundendienst, 3003 Bern<br />
13 - Festungsbau 1938 - 1944: Eric de Coulon, "Die Schw. Armee in den Kriegsjahren 1939 – 41", S. 86<br />
13 - Mineure an Seilwinde: "Schweiz 39-45, Krieg in einem neutralen Land", Piekalkiewicz J., S. 157<br />
15 - "Wird es tagen?": Luzerner Tagblatt 19.5.1945, Zentral- und Hochschulbibliothek, Luzern<br />
16 - Vorplatz <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> mit Lucendro Staumauer: Archiv Hans Wyler, 8707 Uetikon am See<br />
17 - Trainkolonne im Schnee: "Die Pferdestellung 1939 – 2000", VBS Gst / Abt Mob, 2000<br />
19 - Skipatrouille Kriegsweihnacht 1940: "Gotthardpost" der Fest Stabskp 6, Januar 67, Paul Erni, 4051 Basel<br />
24 - Schnittzeichnungen des 10,5 cm PzT: K+W Thun:, Nr. 24292/5 und 24292/4 (RUAG Land Systems Thun)<br />
25 - Bearbeitung PzT-Kuppel: "Schweiz 1939-45, Krieg in einem neutralen Land", Piekalkiewicz J., S. 183<br />
26 - Fertige PzT-Kuppel: "Schweiz 39-45, Krieg in einem neutralen Land", Piekalkiewicz J., S. 184<br />
28 - 10,5 cm PzT für Versuchsschiessen "Zelgli" Thun: K+W Nr. 10251 (RUAG Land Systems Thun)<br />
35 - Montage PzT-Kuppel Furggels: "Schweiz 39-45, Krieg in einem neutralen Land", Piekalkiewicz J., S. 182
81<br />
35 - Traggerüst für Tarnung 10,5 cm PzT: K+W Thun, Nr. 16095 (RUAG Land Systems Thun)<br />
36 - Schema 10,5 cm PzTurm: Technische Daten Festungsgeschütze, K+W (RUAG Land Systems Thun)<br />
37 - Werkmontage 10,5 cm PzT-Kanone 39 L52: K+W Thun Nr. 7159 (RUAG Land Systems Thun)<br />
37 - Geschützraum ohne Panzerkuppel: K+W Thun Nr. 16098 (RUAG Land Systems Thun)<br />
38 - Festungseingang <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> 1948: Hans Wyler, 8707 Uetikon am See<br />
39 - Eingang <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> mit aufgesetztem MunMag für Ladungen: Maurice Lovisa, 3011 Bern<br />
39 - Eingangsbereich <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> + Innenverteidigung: Cédric Popolu: La fortification suisse<br />
40 - Paternoster-Munitionsaufzug: Armeefilmdienst - Kundendienst, 3003 Bern<br />
40 - Munitionsmagazin: Armeefilmdienst: Armeefilmdienst - Kundendienst, 3003 Bern<br />
40 - Panzertür-Sicherheitsschleuse: Archiv Jean Odermatt, 8193 Eglisau<br />
40 - Hauptgang im Werkinneren <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong>: Hans Wyler, 8707Uetikon am See<br />
40 - Hinterer Gang: Archiv Jean Odermatt, 8193 Eglisau<br />
41 - Raumanordnung <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong>: Hansjakob Burkhardt, 6045 Meggen<br />
41 - Maschinenraum und SLM-Notstromgruppen <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong>: Archiv Jean Odermatt, 8193 Eglisau<br />
42 - Verpflegungsplan: Archiv Hansjakob Burkhardt, 6045 Meggen<br />
43 - Küche <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong>: Archiv Jean Odermatt, Fondazione La Claustra, 8193 Eglisau<br />
43 - Mannschaftsschlafraum: Inventar Kampf-/Führungsanlagen VBS, Maurice Lovisa, 3011 Bern<br />
43 - Mannschaftsessraum als Theorieraum: Archiv Jean Odermatt, 8193 Eglisau<br />
44 - MG-Bunker West <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong>: Archiv Hans Wyler, 8707 Uetikon am See<br />
44 - Lmg-Nahverteidigungsbunker Nord: Cédric Populu: La fortification suisse<br />
44 - Lmg-Nahverteidigung beim Portal:, Kalender militärischer Denkmäler 2003, Maurice Lovisa, 3011 Bern<br />
47 - Flabkanone: Flabsockel Foto Bolay; 20mm Flabkanone auf Flabsockel Solo aus Reglement<br />
48 - Eingangswache vor dem <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong>: Armeefilmdienst - Kundendienst, 3003 Bern<br />
49 - Feuerlöschtrupp: Armeefilmdienst - Kundendienst, 3003 Bern<br />
50 - Tagesbefehl: Archiv Hj. Burkhardt, 6045 Meggen<br />
51 - Feuerleitstelle: Armeefilmdienst - Kundendienst, 3003 Bern<br />
51 - SER: "Über dem Nebel - Geschichte des Fest Rgt 23 von 1948 – 1994", S. 35<br />
52 - Artilleriebeobachtungsposten <strong>San</strong> Giacomo: Hj. Burkhardt, 6045 Meggen<br />
53 - Munitionswart in der unteren Station: Armeefilmdienst - Kundendienst, 3003 Bern<br />
53 - Geschützraum ohne Panzerkuppel: K+W Thun, Nr. 1699<br />
54 - 10,5 cm Geschoss und MZZ: 10,5 cm Festungsgesch., Festungsart. Heft B, Reglement 57.210d<br />
54/55 - Im Geschützraum, Fest Art RS Sargans ca. 1975: Armeefilmdienst - Kundendienst, 3003 Bern<br />
55 - Richtvorrichtung: Die 10,5 cm Festungsgeschütze, Festungsart. Heft B, Reglement 57.210d, S. 69<br />
56 - Hülseninstandstellungsapparat: 10,5 cm Festungsgesch., Festungsart. Heft B, Reglement 57.210d<br />
57 - Kanoniere: Radierung von Hans Beat Wieland, Ansichtskarte Forte Airolo, Archiv Andrea Rauch<br />
58 - Stellungsbezug 12 cm Sch Mw und Sch Mw-Zug: Hans Wyler, 8707 Uetikon am See<br />
58 - Sch Mw-Schiessen Witenwasseren: Hansjakob Burkhardt, 6045 Meggen<br />
59 - Nebeleinsatz: Hansjakob Burkhardt, 6045 Meggen<br />
60 - Bunker-Mg 11 + Lmg-Doppelschiessscharte: Werk Reuenthal, Archiv Maurice Lovisa, 3011 Bern<br />
60 - Hindernisplan <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong>: Archiv Hptm Stefan Brauchli, 6020 Emmenbrücke<br />
61 - Schiesskdt auf dem Vallettagrat: Hansjakob Burkhardt, 6045 Meggen<br />
62 - Aufstieg Vallettalücke: Hansjakob Burkhardt, 6045 Meggen<br />
63 - Militärunterkunft auf dem Fibbiagrat, Tagebuchskizze 22./23. Juni 1970, Paul Erni, 4051 Basel<br />
63 - Gebirgspatrouille: Hansjakob Burkhardt, 6045 Meggen<br />
66 - Küche <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong>: Archiv Jean Odermatt, Fondazione La Claustra, 8193 Eglisau<br />
67 - Auf dem Pzo. Centrale: Hansjakob Burkhardt, 6045 Meggen<br />
70 - Mannschaftsessraum: Archiv Jean Odermatt, Fondazione La Claustra, 8193 Eglisau<br />
70 - Soldatenhaus General Guisan St. Gotthard: Postkarte CVJM 1944, CEVI Militär Service, Zürich<br />
70 - General Guisan, Einweihung des Soldatenhauses 4.11.44: 30. Jahresbericht CVJM, Cevi Militär Service<br />
71 - Wandmalerei Mannschaftsessraum <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong>: Hans Wyler, 8707 Uetikon am See<br />
71 - Widmung 1944: "Militärische Denkmäler im Kanton Tessin", ADAB, S. 12 + Maurice Lovisa, 3011 Bern<br />
72 - Offiziersmesse mit Wandmalerei: Hans Wyler, 8707 Uetikon am See<br />
72 - <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong>-Bar: Archiv Jean Odermatt, Fondazione La Claustra, 8193 Eglisau<br />
73 - Werktelefonzentrale <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong>: Hans Wyler, 8707 Uetikon am See<br />
75 - "Monoblock": Vademekum Festungstruppen "High-Tech statt Mythen", BAGF Bern, ca. 1980, S. 7<br />
76 - Einblick "La Claustra": Archiv Jean Odermatt, Fondazione La Claustra, 8193 Eglisau<br />
83 - "La Claustra": Archiv Jean Odermatt, Fondazione La Claustra, 8193 Eglisau<br />
84 - Wandmalerei in der Offiziersmesse <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong>, Archiv Jean Odermatt, 8193 Eglisau<br />
84 - Detailbild Wandmalerei in Offiziersmesse, Maurice Lovisa, 3011 Bern<br />
Bemerkungen:<br />
- Die Fotos des AFD sind nur zum Teil im <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> aufgenommen worden und stammen aus<br />
den 1980er Jahren.<br />
- Die Quelle der Fotos aus dem Buch "Schweiz 39 - 45, Krieg in einem neutralen Land – Bildreport Weltkrieg II",<br />
Piekalkiewicz Janusz, Motorbuch Verlag Stuttgart + Verlag Bucheli Zug, 1979, war nicht eruierbar.<br />
- Fotos K+W Thun aus Archiv RUAG Land Systems, Thun.
d) Abkürzungen:<br />
Abt Abteilung<br />
ABC Atomar, Biologisch und Chemisch<br />
AC Atomar und Chemisch<br />
ADAB Arbeitsgruppe Natur- und Denkmalschutz<br />
bei Kampf- und Führungsbauten des VBS<br />
AFD Armeefilmdienst Bern<br />
AGF Abteilung für Genie und Festungen Bern,<br />
später BAGF<br />
AK Armeekorps<br />
Art Artillerie<br />
ASU Atomschutzunterstand<br />
<strong>AW</strong> Artilleriewerk<br />
BAr Schweizerisches Bundesarchiv<br />
BBB Büro für Befestigungsbauten<br />
Bd. Band im BAr<br />
BK Bunkerkanone<br />
Br Brigadier / Brigade<br />
Bttr Batterie (Geschützbatterie, d.h. eine<br />
Formation von 2 – 6 Geschützen)<br />
DB Dienstbüchlein des Wehrmanns<br />
Det Detachement<br />
DHG Defensiv Handgranate<br />
Div Division / Divisionär<br />
EK Ergänzungskurs<br />
EMD Eidgenössisches Militärdepartement,<br />
später VBS<br />
EMP Elektromagnetischer Puls<br />
Fest Festung<br />
Flab Fliegerabwehr<br />
Four Fourier<br />
Füs Füsilier<br />
Fw Feldweibel<br />
FWK Festungswachtkorps<br />
Gfr Gefreiter<br />
GP Gewehrpatrone<br />
Gst Generalstab<br />
Hb Haubitze<br />
HD Hilfsdienst<br />
HG Handgranate<br />
ID Innerer Dienst<br />
IK Infanteriekanone<br />
Instr Instruktion<br />
Kan Kanone / Kanonier<br />
Kdo Kommando<br />
b) Hinweise:<br />
82<br />
Kdt Kommandant<br />
KKdt Korpskommandant<br />
KMob Kriegsmobilmachung<br />
KMS Kollektivmaskenschutz<br />
K + W Eidg. Konstruktionswerkstätte Thun<br />
Kp Kompanie<br />
Kpl Korporal<br />
KR Korrekturrechner<br />
KTA Kriegstechnische Abteilung des EMD<br />
Lmg Leichtes Maschinengewehr<br />
Lt Leutnant<br />
Mag Magazin<br />
Mg Maschinengewehr<br />
Mitr Mitrailleur = Maschinenengewehrschütze<br />
Mot Motorisiert<br />
MP Maschinenpistole<br />
Mun Munition<br />
Mun Mag Munitionsmagazin<br />
Mw Minenwerfer<br />
MVZ Momentan-Verzögerungszünder<br />
MZZ Momentan-Zeitzünder<br />
OS Offiziersschule<br />
Oblt Oberleutnant<br />
OST Organisation der Stäbe und Truppen<br />
Pz Panzer<br />
PzT Panzerturm<br />
Rgt Regiment<br />
RS Rekrutenschule<br />
<strong>San</strong> <strong>San</strong>ität<br />
SER Schiesselementenrechner<br />
Sch Mw Schwerer Minenwerfer<br />
S+S Sektion für Schiessversuche der KTA<br />
S+M Sektion für Munition der KTA<br />
SpG Spitzgranate<br />
StG Stahlgranate<br />
Stgw Sturmgewehr<br />
TO Truppenorganisation<br />
VBS Eidg. Departement für Verteidigung,<br />
Bevölkerungsschutz und Sport, vormals EMD<br />
Vo Mündungsgeschwindigkeit / Vorrohrge-<br />
schwindigkeit<br />
WK Wiederholungskurs<br />
Wm Wachtmeister<br />
ZZ Zeitzünder<br />
Wer sich für die Geschichte des Gotthardpasses und für die alten Festungen am Gotthard interessiert,<br />
dem sei im Sommer der Besuch folgender Museen empfohlen:<br />
� Museo Forte Ospizio <strong>San</strong> Gottardo<br />
� Museo Nazionale del <strong>San</strong> Gottardo<br />
� Festungsmuseum Fort Airolo
83<br />
Lageplan "La Claustra"<br />
Küche im "La Claustra" "Seminario"<br />
Essraum im "La Claustra" Neue "<strong>San</strong> <strong>Carlo</strong> Bar"
IMPRESSUM<br />
Verfasser: Hansjakob Burkhardt<br />
CH- 6045 Meggen, 2003 / <strong>2007</strong><br />
84<br />
Wandbilder 1944 in der Offiziersmesse des <strong>AW</strong> <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong><br />
Aufnahme im Januar <strong>2007</strong> als Download in die armasuisse-Homepage, Broschüren der ADAB<br />
über die militärischen Denkmäler:<br />
www.gr.admin.ch > Themen > Immobilien > Historische Militärbauten > Download <strong>San</strong> <strong>Carlo</strong><br />
armasuisse Immobilien / Januar <strong>2007</strong>