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Das topologische Feldermodell II

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<strong>Das</strong> <strong>topologische</strong> <strong>Feldermodell</strong> <strong>II</strong> 28.10.2010<strong>Das</strong> <strong>topologische</strong> <strong>Feldermodell</strong> <strong>II</strong>Stellungsvariation im Mittelfeld• <strong>Das</strong> Mittelfeld zeichnet sich durch seine Stellungsvariation aus. So sind in dem folgendenBeispielsatz mit den drei Satzgliedern Subjekt, Dativobjekt und Akkusativobjekt im Mittelfeldalle sechs denkbaren Abfolgen (1‐5) grammatisch.1. ..., weil nur noch 5 Prozent dem SPD‐Kanzler die Schaffung neuer Arbeitsplätze zutrauen.2. ..., weil dem SPD‐Kanzler nur noch 5 Prozent die Schaffung neuer Arbeitsplätze zutrauen.3. ..., weil dem SPD‐Kanzler die Schaffung neuer Arbeitsplätze nur noch 5 Prozent zutrauen.4. ..., weil die Schaffung neuer Arbeitsplätze dem SPD‐Kanzler nur noch 5 Prozent zutrauen.5. ..., weil nur noch 5 Prozent die Schaffung neuer Arbeitsplätze dem SPD‐Kanzler zutrauen.6. ..., weil die Schaffung neuer Arbeitsplätze nur noch 5 Prozent dem SPD‐Kanzler zutrauen.• Trotz der Vielzahl der möglichen Stellungsvarianten neigt man dazu, die Satzgliedfolge in derersten Variante in (1) intuitiv als die beste oder akzeptabelste zu werten. Andere Stellungsvarianten,wie die in (5) und (6), sind vielleicht nicht per se, sondern nur mit besonderer Intonationin speziellem Kontext akzeptabel.• Die Variation der Satzgliedfolge im Mittelfeld ist nicht arbiträr; vielmehr unterliegt sie einerVielzahl von (morphosyntaktischen, semantischen und pragmatischen) Faktoren bzw. Prinzipien,die sich im konkreten Fall überlappen, bestärken oder einander widersprechen.Die Basisabfolge nach Kasus• Bei der Abfolge von Subjekt und Objekt(en) spielt zunächst das grammatische Merkmal desKasus eine entscheidende Rolle. Als Basisabfolge im Mittelfeld deutscher Sätze gilt:Nominativ/Subjekt > Dativobjekt > Akkusativobjekt (> sonstige Ergänzungen)• Für diese Basisabfolge im Mittelfeld spricht u.a. die Tatsache, dass in Fällen, in denen dieKasusmarkierung an den Mittelfeldelementen ambig ist und weder kontextuelle nochintonatorische Zusatzinformation vorliegen, diese Reihenfolge der Interpretation des Satzeszugrunde gelegt wird (7).7. Später hat die Chefin den Kollegen den neuen Assistenten vorgestellt.• Rein formal ist in (7) nicht eindeutig bestimmbar, welches Element welche Satzgliedfunktionhat. Bei den Kollegen kann es sich um ein Akkusativobjekt im Singular oder um ein Dativobjektim Plural handeln. Gleiche Interpretationsmöglichkeiten bieten sich für das Satzgliedden neuen Assistenten an: Entweder fungiert es als Akkusativobjekt im Singular oder als Dativobjektim Plural.Struktur der dt. Sprache 2: Der Satz WS 2010/11 Dr. Said Sahel Seite 1


<strong>Das</strong> <strong>topologische</strong> <strong>Feldermodell</strong> <strong>II</strong> 28.10.2010• Dadurch ergeben sich theoretisch zwei Lesarten: Entweder wird der neue Assistent den(mehreren) Kollegen vorgestellt oder der Kollege wird den (mehreren) neuen Assistentenvorgestellt.• Ohne zusätzliche Kontextinformation und/oder besondere Intonation liegt die erste Lesartnahe. Der Satz wird entsprechend der erwähnten Basisabfolge Dativobjekt vor Akkusativobjektinterpretiert: den Kollegen als Dativobjekt und den neuen Assistenten als Akkusativobjekt.• Unter bestimmten Bedingungen wird jedoch von der oben angenommenen BasisabfolgeSubjekt > Dativobjekt > Akkusativobjekt abgewichen, sodass auch andere Reihenfolgen imMittelfeld möglich sind.Basisabfolge (nach Kasus):Nominativ/Subjekt > Dativobjekt > Akkusativobjekt (> sonstige Ergänzungen)Die Thema‐Rhema‐Bedingung• Die Thema‐Rhema‐Bedingung ist ein informationsstruktureller Faktor, der die Abfolge imMittelfeld beeinflussen kann.• Aus informationsstruktureller Sicht enthält ein Satz für gewöhnlich eine bekannte bzw. vorerwähnteInformation, an die aus dem vorhergehenden Kontext angeknüpft wird, und eineneue, bisher unbekannte Information.• Die vorausgesetzte, bekannte Information in einer Aussage wird Thema, die neu hinzukommendeInformation als Rhema genannt.• In Bezug auf die Satzgliedstellung ist die Tendenz erkennbar, dass das Thema dem Rhemavorausgeht.• Um zu ermitteln, welches Satzglied in einem gegebenen Satz das Rhema ist, kann ein Kontexthergestellt werden, bei dem nach der neuen Information gefragt wird.• Wird in einem Satz wie in (8)8. Er stellt den Abgeordneten die Vertrauensfrage.nach dem Akkusativobjekt gefragt (9)9. Was stellt er den Abgeordneten?,impliziert das, dass das Akkusativobjekt die fehlende, neue Information ist und somit eindeutigals Rhema ausgemacht werden kann.• Als Antwort auf diese Frage ist nur die Stellungsvariante Dativobjekt vor Akkusativobjektbzw. Thema vor Rhema grammatisch (10). Die Abfolge Akkusativobjekt vor Dativobjekt bzw.Rhema vor Thema scheidet hingegen als viel schlechter aus (11)Struktur der dt. Sprache 2: Der Satz WS 2010/11 Dr. Said Sahel Seite 2


<strong>Das</strong> <strong>topologische</strong> <strong>Feldermodell</strong> <strong>II</strong> 28.10.201010. Was stellt er den Abgeordneten? Er stellt den Abgeordneten [die Vertrauensfrage Rhema ].11. Was stellt er den Abgeordneten? *Er stellt [die Vertrauensfrage Rhema ] den Abgeordneten.• In (10) liegt eine Konstruktion vor, die sowohl die Thema‐Rhema‐Bedingung (Thema vorRhema) als auch der Basisabfolge (nach Kasus) Dativobjekt vor Akkusativobjekt entspricht.• Ist hingegen das Dativobjekt das Rhema, also die neue Information, ist auch die Abfolge Akkusativobjektvor Dativobjekt möglich:12. Wem stellt er die Vertrauensfrage? Er stellt die Vertrauensfrage [den Abgeordneten Rhema ].• Im Unterschied zu (11) ist die Konstruktion in (12) völlig grammatisch, obwohl auch hier dieAbfolge Akkusativobjekt vor Dativobjekt vorliegt. Der Grammatikalitätsunterschied zwischen(11) und (12) ergibt sich daraus, dass das Akkusativobjekt in (12) das Thema ist.• Die Abfolge der Objekte in (12) erfüllt im Gegensatz zu (11) die Thema‐Rhema‐Bedingung(Thema vor Rhema) und ist deshalb grammatisch.• Allerdings ist bei derselben informationsstrukturellen Konstellation (das Akkusativobjekt alsThema und das Dativobjekt als Rhema) die Abfolge Dativobjekt vor Akkusativobjekt genausogrammatisch (13).13. Wem stellt er die Vertrauensfrage? Er stellt [den Abgeordneten Rhema ] die Vertrauensfrage.Thema‐Rhema‐Bedingung (Informationsstruktur):Thema vor Rhema!<strong>Das</strong> Definitheitsprinzip• Bei der Abfolge von Dativ‐ und Akkusativobjekt im Mittelfeld macht es durchaus einenUnterschied, ob die Objekte definit oder indefinit sind.14. (Wem hast du ein Buch geliehen?) *Ich habe ein Buch meinem neuen Schüler geliehen.15. (Wem hast du das Buch geliehen?) Ich habe das Buch meinem neuen Schüler geliehen.• Obwohl in den beiden Sätzen (14‐15) das Akkusativobjekt das Thema ist, ist nur (14)grammatisch, (15) hingegen nicht. Der Grammatikalitätsunterschied kann einzig daraufzurückgeführt werden, dass das thematische Akkusativobjekt in (14) indefinit (ein Buch),in (15) hingegen definit (das Buch) ist.Struktur der dt. Sprache 2: Der Satz WS 2010/11 Dr. Said Sahel Seite 3


<strong>Das</strong> <strong>topologische</strong> <strong>Feldermodell</strong> <strong>II</strong> 28.10.2010• Man kann daraus folgern, dass die Abfolge Akkusativobjekt vor Dativobjekt nur zulässigsein kann, wenn das Akkusativobjekt definit ist und zwar unabhängig davon, welches Objektdas Rhema und welches das Thema ist.• Diese Bedingung gilt auch, wenn beide Objekte indefinit sind:16. (Wem hast du ein Buch geliehen?) Ich habe einem neuen Schüler ein Buch geliehen.17. (Was hast du deinem neuen Schüler geliehen?) Ich habe einem neuen Schüler ein Buch geliehen.Definitheitsprinzip:definit vor indefinit!Die Pronomenregel• Alle oben aufgeführten und erläuterten Faktoren gelten in den Fällen, in denen die Satzgliederim Mittelfeld nominal realisiert sind. So gilt, wie bereits oben ausgeführt, die BasisabfolgeDativobjekt vor Akkusativobjekt für nominale Satzglieder.• Wenn aber beide Objekte pronominalisiert sind, ist nur die Abfolge Akkusativobjekt vorDativobjekt möglich (18).18. Er zeigte sie ihnen.Die Abfolge Dativobjekt vor Akkusativobjekt ist hingegen auszuschließen (19).19. *Er zeigte ihnen sie.• Unabhängig davon, ob die Abfolge Dativobjekt vor Akkusativobjekt als stark markiertoder gänzlich ungrammatisch eingestuft werden kann, haben wir es bei pronominalenObjekten mit einer anderen Basisabfolge als bei nominalen Objekten zu tun.• Wird nur ein Satzglied als Pronomen realisiert, sind die Verhältnisse ebenso eindeutig.Bei einer Kombination aus pronominalen und nominalen Satzgliedern im Mittelfeld werdendie pronominalen vorangestellt, unabhängig von der syntaktischen Funktion bzw.dem Kasus (20‐23).Struktur der dt. Sprache 2: Der Satz WS 2010/11 Dr. Said Sahel Seite 4


<strong>Das</strong> <strong>topologische</strong> <strong>Feldermodell</strong> <strong>II</strong> 28.10.201020. Er zeigte ihnen die karge Kammer hinter seinem Büro.21. *Er zeigte die karge Kammer hinter seinem Büro ihnen.22. Er zeigte sie den Vertrauten.23. *Er zeigte den Vertrauten sie.• Die Nachstellung des pronominalen Satzgliedes ihnen bzw. sie führt zurUngrammatikalität der Konstruktionen (21) und (23), während (20) und (22), in denendas pronominale Satzglied vor dem nominalen steht, grammatisch sind. Aus diesen Datenkann der Schluss gezogen werden, dass bei der Kombination aus pronominalen undnominalen Satzgliedern im Mittelfeld die Abfolge der Regel pronominal vor nominal unterliegt.• Die Pronomenregel zeigt, dass die Satzgliedabfolge im Mittelfeld unterschiedlichen Restriktionenunterliegt, je nachdem, ob die Satzglieder nominal oder pronominal realisiertsind.Pronomenregel:a. Akkusativobjekt vor Dativobjekt! (wenn beide Objekte pronominal sind)b. Pronominal vor nominal (wenn eines der Objekte pronominal ist)Struktur der dt. Sprache 2: Der Satz WS 2010/11 Dr. Said Sahel Seite 5

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