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Die Heilmittelverordnung als Ausgangspunkt der Kommunikation ...

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STUDIEN<br />

Verordnungen – zuweilen ein Ärgernis<br />

Unmut bei den Therapeuten wird vor allem ausgelöst wegen <strong>der</strong> Verweigerung einer Nachbesserung fehlerhaft ausgestellter Verordnungen<br />

durch einige Krankenkassen und <strong>der</strong> Verwehrung ihrer Vergütung für korrekt erbrachte Behandlungsleistungen. An<strong>der</strong>erseits<br />

ist lei<strong>der</strong> auch auf <strong>der</strong> Seite <strong>der</strong> Therapeuten zu beobachten, dass Arztangaben nicht immer korrekt beachtet werden. Dazu zählen eigenmächtige<br />

Verän<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Frequenzangabe, Verän<strong>der</strong>ung von z.B. KG-ZNS in KG, Ignorieren <strong>der</strong> Angabe, einen Therapiebericht<br />

zu erstellen. Bei diesen Angaben ist grundsätzlich davon auszugehen, dass <strong>der</strong> Arzt sich seine Gedanken über die <strong>Heilmittelverordnung</strong><br />

gemacht hat. Anmerkung <strong>der</strong> Herausgeber<br />

<strong>Die</strong> <strong>Heilmittelverordnung</strong> <strong>als</strong> <strong>Ausgangspunkt</strong> <strong>der</strong> <strong>Kommunikation</strong> zwischen<br />

Arztpraxis und physio-/massagetherapeutischen Praxen im ambulanten<br />

Versorgungsbereich. Eine deutschlandweite Fragebogenerhebung.<br />

Sabine Baumgart<br />

<strong>Kommunikation</strong> ist ein viel strapaziertes Wort, und es gibt ein kurzes Zitat von Paul Watzlawick (<strong>Kommunikation</strong>swissenschaftler,<br />

Psychotherapeut, Psychoanalytiker, Soziologe, Philosoph und Autor), welches vielschichtig Interpretiert<br />

werden kann: „Man kann nicht nicht kommunizieren.“ Nicht nur die Art und Weise, wie ein Informationsaustausch<br />

abläuft, son<strong>der</strong>n auch kein Informationsaustausch ist ebenso Ausdruck von <strong>Kommunikation</strong>.<br />

<strong>Die</strong> Motivation für diese Studie bildete die<br />

<strong>der</strong>zeitige Situation <strong>der</strong> Entwicklung des Gesundheitswesens<br />

in Deutschland. Punktuelle<br />

Umfragen zum Thema <strong>Kommunikation</strong> bei<br />

Angehörigen <strong>der</strong> physiotherapeutischen Berufe<br />

sowie auch bei Ärzten bringen oft eine<br />

negative Stimmung hervor, d.h. sie findet<br />

nicht o<strong>der</strong> nur schlecht statt (Göbel et al. 2011,<br />

Supp 2011). Hört man die Stimmen auf den<br />

gesundheitspolitischen Veranstaltungen, so<br />

steht das Thema interdisziplinäre Arbeit und<br />

<strong>Kommunikation</strong> im Mittelpunkt <strong>der</strong> notwendigen<br />

Entwicklung im Gesundheitswesen,<br />

um die zukünftigen Anfor<strong>der</strong>ungen an<br />

das System zu bewerkstelligen. Wie sieht es<br />

aber in <strong>der</strong> <strong>der</strong>zeitigen Realität aus?<br />

Das <strong>Kommunikation</strong>sverhalten zwischen<br />

Arzt und Patient sowie Therapeut und Patient<br />

ist bereits ein Thema <strong>der</strong> Forschung, welches<br />

Untersuchungsergebnisse hervorgebracht<br />

hat. Das <strong>Kommunikation</strong>sverhalten<br />

innerhalb <strong>der</strong> Gesundheitsfachberufe und<br />

<strong>der</strong> Ärzteschaft ist allerdings noch ein neues<br />

Forschungsfeld. Positiv ist an dieser Stelle<br />

die erste groß angelegt Befragung von<br />

Physio- und Ergotherapeuten (Barzel et al.<br />

2011) zu nennen. <strong>Die</strong> Anzahl <strong>der</strong> befragten<br />

Therapeuten und die klare wissenschaftliche<br />

Auswertung <strong>der</strong> Ergebnisse zeigen im<br />

Gegensatz zum Erfahrungsbericht von Goebel<br />

und Schulz ein aussagekräftiges Zahlenwerk.<br />

Beide Arbeiten werden mit den Ergebnissen<br />

dieser Studie diskutiert.<br />

Wesentlich ist, dass die Gesundheitsfachberufe<br />

politisch in Deutschland durch die<br />

1 PHYSIOTHERAPIE 08|12<br />

Berufsverbände vertreten sind. <strong>Die</strong> Ärzteschaft<br />

wird vertreten durch die jeweilige<br />

Zusammenfassung<br />

Kassenärztliche Vereinigung bzw. Ärztekammer.<br />

Gemeinsam mit den Krankenkas-<br />

Hintergrund: Über die Bedeutsamkeit einer guten interdisziplinären <strong>Kommunikation</strong><br />

ist man sich auf <strong>der</strong>zeitigen gesundheitspolitischen Veranstaltungen bewusst.<br />

Doch liegen die theoretischen Erkenntnisse, die bisher veröffentlichen Studien und<br />

die Wahrnehmungen in <strong>der</strong> Praxis zum Entwicklungsstand zu diesem Thema weit<br />

auseinan<strong>der</strong>.<br />

Ziel: <strong>Die</strong>se Studie soll helfen, Objektivität in die Summe <strong>der</strong> vielen unterschiedlichen<br />

Wahrnehmungen von Therapeuten und Ärzten zu bringen. Hauptkommunikationsmittel<br />

im ambulanten Sektor ist die <strong>Heilmittelverordnung</strong>. Wie sorgfältig wird<br />

mit ihr umgegangen? Wie sieht die <strong>Kommunikation</strong> aus, wenn Prozesse/Abläufe in<br />

<strong>der</strong> Versorgung f<strong>als</strong>ch gelaufen sind?<br />

Methode: Bundesweite Fragebogenerhebung in physiotherapeutischen Praxen und<br />

Praxen von Masseuren und medizinischer Bademeistern.<br />

Ergebnisse: Es wurden 4.302 <strong>Heilmittelverordnung</strong>en untersucht. In 761 Fällen waren<br />

die <strong>Heilmittelverordnung</strong>en fehlerhaft. Eine unkomplizierte Korrektur konnte<br />

407 Mal beobachtet werden. In 62 Fällen gab es Probleme bei <strong>der</strong> Korrektur. 8 Mal kam<br />

es zur Korrekturverweigerung, sodass die Patienten ihre Therapie nicht erhalten<br />

konnten. Aus den Retrospektiven betrachtet zeigte sich, dass auch einzelne <strong>Kommunikation</strong>selemente<br />

wie <strong>der</strong> Therapiebericht, ärztliche Zusatzinformationen und<br />

Feedback nicht zwingend für ein gutes <strong>Kommunikation</strong>sverhalten stehen.<br />

Schlussfolgerung: Nicht nur das Gesundheitswesen, son<strong>der</strong>n auch die gesetzgebenden<br />

und geldgebenden Institutionen sind mit in die Verantwortung einer gelingenden<br />

<strong>Kommunikation</strong> zu nehmen.<br />

Schlüsselwörter: Physiotherapie, Ärzte, <strong>Kommunikation</strong>, Ambulanz, <strong>Heilmittelverordnung</strong>


sen sind beide Berufsgruppen maßgeblich<br />

für die Gewährleistung <strong>der</strong> Gesundheitsversorgung<br />

im ambulanten sowie im stationären<br />

Bereich verantwortlich. Ausdruck<br />

bekommt diese Verantwortlichkeit in den<br />

Rahmenverträgen, die zwischen den Berufsgruppen<br />

und den Krankenkassen geschlossen<br />

worden sind (Rahmenverträge<br />

nach § 125 ABS.2 SGB V 2008). Hier wird die<br />

Verpflichtung zur Kooperation zwischen<br />

Ärzteschaft und Therapeuten vereinbart.<br />

Wie sieht es mit <strong>der</strong> Umsetzung dieser For<strong>der</strong>ung<br />

aus?<br />

In dieser Studie soll den Fragen nachgegangen<br />

werden: Wie sorgfältig gehen Ärzte<br />

mit dem <strong>Kommunikation</strong>smittel <strong>Heilmittelverordnung</strong><br />

um? Werden die <strong>Heilmittelverordnung</strong>en<br />

abrechnungsfähig für den<br />

Leistungserbringer ausgestellt? Werden Therapieziele<br />

angegeben und sind die Ärzte an<br />

Therapieberichten interessiert? Weiterhin<br />

ist von Interesse, ob die Ärzte Zusatzinformationen<br />

an den Therapeuten mitgeben<br />

und ob sie dem Therapeuten ein Feedback<br />

zur Therapie senden.<br />

<strong>Die</strong>se Studie soll erste Objektivität in die<br />

Summe <strong>der</strong> vielen unterschiedlichen Wahrnehmungen<br />

von Therapeuten und Ärzten<br />

bezüglich <strong>der</strong> <strong>Kommunikation</strong> miteinan<strong>der</strong><br />

bringen. Sie soll das Bewusstsein dafür in<br />

beiden Berufsgruppen schärfen. <strong>Kommunikation</strong><br />

und Kooperation sind die Basis für eine<br />

erfolgreiche Arbeit am und mit dem gemeinsamen<br />

Patienten.<br />

Methoden<br />

<strong>Die</strong> Datenerhebung basiert auf einer Fragebogenerhebung.<br />

Der Fragebogen wurde<br />

von <strong>der</strong> Autorin entwickelt und anschließend<br />

in einem Team von 13 Physiotherapeuten<br />

sowie Masseuren und med. Bademeistern<br />

evaluiert. 5 von 6 Fragen waren dichotom<br />

mit ja o<strong>der</strong> nein zu beantworten:<br />

1. Ist die <strong>Heilmittelverordnung</strong> fehlerhaft<br />

ausgefüllt?<br />

2. Wurde ein Therapiebericht vom Arzt<br />

verlangt?<br />

3. Wurde ein Therapieziel von Seiten des<br />

Arztes bestimmt?<br />

4. Gab es therapierelevante Zusatzinformationen<br />

zum Patienten wie z.B. Röntgen,<br />

Labor?<br />

5. Bekam <strong>der</strong> Therapeut auf seinen Therapiebericht<br />

ein Feedback vom Arzt?<br />

Tab. 1: Erläuterungen und Definitionen zum Fragebogen<br />

STUDIEN<br />

Therapieberichte<br />

Ist das Feld Therapiebericht„JA“ o<strong>der</strong>„Nein“ angekreuzt? <strong>Die</strong> Erfassung gilt nur für die im Zeitraum<br />

<strong>der</strong> Datenerhebung eingereichten Rezepte.<br />

Nicht für die bereits„in Arbeit“ befindlichen Rezepte.<br />

Feedbacks auf den Therapiebericht (vom Arzt o<strong>der</strong> Patienten) Ja/nein<br />

Als Feedback zählt jegliche Art <strong>der</strong> Reaktion auf Ihren Therapiebericht sei es:<br />

■ fachliche Anerkennung / Auseinan<strong>der</strong>setzung (inkl. erbetener Rückruf),<br />

■ allgemeine positive Äußerungen zum Bericht,<br />

■ allgemeine negative Äußerungen zum Bericht,<br />

gleich ob <strong>der</strong> Arzt mit dem Therapeuten direkt Kontakt aufgenommen hat o<strong>der</strong> dies über den<br />

Patienten bestellen ließ.<br />

Rezepte mit Angaben zum Therapieziel<br />

Hier wird ausschließlich nach den Wünschen <strong>der</strong> Ärzte in Bezug auf Eigenübungsprogramme gesucht.<br />

Laut Heilmittelkatalog werden die Ärzte aufgefor<strong>der</strong>t, die Notwendigkeit eines Eigenübungsprogrammes<br />

in <strong>der</strong> Spalte Therapieziel zu dokumentieren.<br />

Zusätzliche Arztberichte, z.B. RÖ<br />

sind vom Arzt zusätzliche Berichte mitgeschickt worden?<br />

Per Post o<strong>der</strong> mit dem Patienten. Ja o<strong>der</strong> Nein?<br />

F<strong>als</strong>ch ausgestellte Verordnungen<br />

Gemeint ist jeglicher Fehler, <strong>der</strong> die Abrechnungsfähigkeit des<br />

Rezeptes verhin<strong>der</strong>t und somit auch den Beginn <strong>der</strong> Therapie verzögert.<br />

Än<strong>der</strong>ungsverhalten <strong>der</strong> Arztpraxen<br />

■ unkompliziert: <strong>Die</strong> Arztpraxis nimmt Än<strong>der</strong>ungswünsche freundlich auf und erledigt diese unbürokratisch.<br />

Sie kommt dem Patienten/Therapeuten hier freundlich entgegen (ggf. entschuldigt<br />

sie sich für den Fehler). Ebenso ist eine eventuelle Neuversendung des Rezeptes per Post kein<br />

Problem und wird sofort erledigt, damit dem Behandlungsbeginn nichts im Wege steht.<br />

■ kompliziert: <strong>Die</strong> Arztpraxis nimmt Än<strong>der</strong>ungswünsche nur schimpfend bis drohend entgegen.<br />

Patienten werden genötigt, den Therapeuten zu wechseln. Kurze Lösungswege wie z.B. Versand<br />

per Post sind nicht möglich. <strong>Die</strong> Än<strong>der</strong>ungen dauern länger <strong>als</strong> 3 Tage o<strong>der</strong> sind zum nächsten<br />

Behandlungstermin noch nicht durchgeführt/abgeschlossen.<br />

■ Verweigerung: <strong>Die</strong> Arztpraxis führt Än<strong>der</strong>ungswünsche nicht aus. For<strong>der</strong>t stattdessen den Patienten<br />

gleich auf, eine an<strong>der</strong>e Praxis aufzusuchen und spricht ggf. dem Therapeuten gegenüber<br />

Drohungen aus.<br />

<strong>Die</strong> Frage 6, in <strong>der</strong> nach dem Än<strong>der</strong>ungsverhalten<br />

des Arztes gefragt wurde, mussten<br />

die Therapeuten o<strong>der</strong> Rezeptionskräfte<br />

differenzierter beantworten. Hier bestanden<br />

die Antwortmöglichkeiten „unkompliziert,<br />

kompliziert und Verweigerung”.<br />

Alle Fragen wurden für die Studienteilnehmer<br />

genau beschrieben (Tab. 1).<br />

Der Zeitraum <strong>der</strong> Datenaufnahme betrug<br />

8 Wochen. <strong>Die</strong> Rekrutierung <strong>der</strong> Teilnehmer<br />

erfolgte durch die Landesvorsitzenden des<br />

Verbandes Physikalische Therapie (VPT). <strong>Die</strong><br />

Teilnahme basierte auf Freiwilligkeit. Nach<br />

schriftlicher Einverständniserklärung beka-<br />

men die Teilnehmer Fragebögen und die Erläuterungen<br />

und Definitionen zugesandt.<br />

Für die statistische Auswertung wurde das<br />

Programm „das Statistiklabor“ verwendet.<br />

<strong>Die</strong>ses bedient sich <strong>der</strong> statistischen Sprache„R“<br />

und wird durch das Bundesministerium<br />

für Bildung und Forschung (BMBF), <strong>der</strong><br />

Freien Universität Berlin und <strong>der</strong> Sun Site<br />

Austria at the University of Vienna unterstützt<br />

(R Development Core Team R). <strong>Die</strong> Datenauswertung<br />

ist deskriptiv geplant. Dargestellt<br />

werden die Eckdaten <strong>der</strong> Stichprobe.<br />

Dem folgt eine prozentuale Auswertung<br />

(inklusive Fehlergrenze) <strong>der</strong> Antworten zur<br />

08|12 PHYSIOTHERAPIE<br />

2


STUDIEN<br />

Teilnehmende<br />

Diagramm 1: Prozentuale Verteilung <strong>der</strong> teilnehmenden Praxen je Landesgruppe<br />

des VPT<br />

fehlerhaft ausgefüllten Verordnung, dem<br />

angefor<strong>der</strong>ten Therapiebericht, vom Arzt<br />

gegebene Zusatzinformationen zum Patienten<br />

und ein eventuell gegebenes Feedback<br />

des Arztes in Bezug auf die Gesamtmenge<br />

<strong>der</strong> Verordnungen. Eventuell bestehende<br />

Korrelationen und/o<strong>der</strong> Scheinkorrelationen<br />

(Mayer 2009) <strong>der</strong> einzelnen Variablen<br />

können durch den gegebenen Fragebogenaufbau<br />

nur retrospektiv betrachtet<br />

werden.<br />

Auch wird das Än<strong>der</strong>ungsverhalten <strong>der</strong><br />

Arztpraxen prozentual (inklusive Fehlergrenze)<br />

untersucht, und es soll die Frage beantwortet<br />

werden: Gibt es einen Zusammenhang<br />

zwischen dem Bestehen einer<br />

physiotherapeutischen Praxis in Jahren gemessen<br />

und dem Än<strong>der</strong>ungsverhalten <strong>der</strong><br />

Arztpraxen?<br />

Ergebnisse<br />

<strong>Die</strong> Stichprobe<br />

Das Einverständnis zur Teilnahme an <strong>der</strong><br />

Studie gaben 23 Praxen schriftlich ab. Zum<br />

Zeitpunkt <strong>der</strong> Beendigung <strong>der</strong> Datenaufnahme<br />

(13.01.2012) lagen die Datensätze<br />

von 19 Praxen vor. Das entspricht einem<br />

Tab. 2: Struktur zur Auswertung bereitstehenden Stichprobe<br />

Dropout von 17,391 %. Eine Beschreibung<br />

<strong>der</strong> Struktur <strong>der</strong> Stichprobe ist in Tab. 2 und<br />

3 sowie in Diagramm 1 abgebildet.<br />

Nicht alle Landesgruppen des VPT sendeten<br />

ihre Daten bis zum vereinbarten Termin<br />

ein. So kam es, dass z.B. Berlin-Brandenburg<br />

erst Ende Januar Daten einreichte.<br />

Da zu diesem Zeitpunkt die statistische Berechnung<br />

bereits erfolgte, konnten die erhobenen<br />

Daten nicht mehr in die Auswertung<br />

integriert werden. An<strong>der</strong>e meldeten<br />

sich gar nicht zurück. <strong>Die</strong> Verteilung <strong>der</strong> Praxen<br />

auf die Landesgruppen s. Diagr. 1.<br />

<strong>Die</strong> Anzahl <strong>der</strong> Mitarbeiter in den einzelnen<br />

Praxen betrug 2 bis 24 Therapeuten.<br />

Daraus ergeben sich große Unterschiede in<br />

Bezug auf das untersuchte Rezeptvolumen.<br />

Zum verbesserten Einblick in die Ergebnisse<br />

werden die abgefragten Parameter in Median<br />

und <strong>der</strong> Spannweite angegeben. Der<br />

Wert in <strong>der</strong> Klammer beschreibt die Spannweite<br />

(Range).<br />

<strong>Die</strong> <strong>Heilmittelverordnung</strong>en<br />

<strong>Die</strong> Gesamtmenge <strong>der</strong> untersuchten <strong>Heilmittelverordnung</strong>en<br />

betrug in realen Zah-<br />

n Praxen n Therapeuten fachliche Ausrichtungen <strong>der</strong> Praxen (Doppelnennung möglich)<br />

orthop./chir. internistisch pädiatrisch neurologisch<br />

19 143 19 8 6 4<br />

Tab. 3: Median und Range <strong>der</strong> auswertbaren Daten<br />

VO je Praxis fehlerhafte VO verlangter Zusatzinformationen Feedback des<br />

Therapiebericht des Arztes Arztes<br />

215 34 71 1 1<br />

(22 - 444) (6 - 90) (6 - 140) (0 - 14) (0 - 43)<br />

3 PHYSIOTHERAPIE 08|12<br />

Diagramm 2: Prozentuale Verteilung <strong>der</strong> dichotomen Antwortmöglichkeiten<br />

des Fragebogens auf das Gesamtvolumen <strong>der</strong> untersuchten <strong>Heilmittelverordnung</strong>en<br />

len 4.302. Davon waren in 761 Fällen die<br />

<strong>Heilmittelverordnung</strong>en fehlerhaft ausgefüllt<br />

und konnten so nicht zum problemlosen<br />

Start <strong>der</strong> Therapie führen. Extremfälle<br />

(n=8) zeigten, dass es sogar zu einem Nichtstattfinden<br />

<strong>der</strong> Therapie gekommen ist. Einen<br />

komplizierten und mit Problemen behafteten<br />

Start in die Therapie hatten n=62<br />

Patienten. In 1.347 Fällen wurde vom Arzt<br />

ein Therapiebericht verlangt. Ein Feedback<br />

des behandelnden Arztes konnte nur in 62<br />

Fällen gezählt werden. <strong>Die</strong> Zahlen zum Therapieziel<br />

bezüglich eines gewünschten<br />

Selbstübungsprogrammes konnten nicht<br />

ausgewertet werden. Es hat sich gezeigt,<br />

dass <strong>der</strong> in den Erläuterungen und Definitionen<br />

(Tab. 1) beschriebener Umgang mit<br />

dieser Frage im Praxisalltag nicht umgesetzt<br />

werden konnte. Zusatzinformationen zum<br />

Patienten wurden in 45 Fällen von den Arztpraxen<br />

mitgegeben. Bei <strong>der</strong> Berechnung <strong>der</strong><br />

Fehlergrenzen <strong>der</strong> einzelnen Variablen<br />

kommt man bei einem Konfidenzniveau von<br />

95 % zu folgenden Auswertungen:<br />

Basierend auf den vorliegenden und<br />

untersuchten <strong>Heilmittelverordnung</strong>en<br />

n=4.302 kann gesagt werden, dass<br />

■ in 17,69 % ±1,15 % die <strong>Heilmittelverordnung</strong><br />

f<strong>als</strong>ch ausgestellt wurden<br />

■ in 31,31 % ± 1,38 % Therapieberichte<br />

angefor<strong>der</strong>t wurden<br />

■ in 1,05 % ± 0,29 % dem Therapeuten<br />

Zusatzinformationen zum Patient gegeben<br />

wurden<br />

■ in 1,44 % ± 0,35 % <strong>der</strong> Therapeut ein<br />

Feedback zu seiner Therapie bekommen<br />

hat


Retroperspektivische Betrachtung <strong>der</strong><br />

einzelnen abgefragten Variablen<br />

Korrelationsbericht 1<br />

Besteht ein Zusammenhang zwischen den<br />

fehlerhaft ausgestellten <strong>Heilmittelverordnung</strong>en<br />

und den verlangten Therapieberichten?<br />

Diagramm 3: Korrelationbericht 1<br />

Diagramm 4: Boxplot zu den Variablen<br />

des Korrelationsberichtes 1<br />

x= MEAN fehlerhafte VO = 40.05 SD = 26.86<br />

y= MEAN angefor<strong>der</strong>te<br />

Therapieberichte = 70.89 SD = 44.76<br />

Korrelationskoeffizient r = xy = 0.74<br />

<strong>Die</strong>ses Ergebnis würde aussagen, dass je<br />

mehr fehlerhafte Verordnungen ausgestellt<br />

werden, auch mehr Therapieberichte abgefragt<br />

werden. Da dieser Zusammenhang eher<br />

unwahrscheinlich ist, wurde das Ergebnis auf<br />

eine Scheinkorrelation hin geprüft.<br />

z =MEAN gesamt n = 226.42 SD = 121.89<br />

Korrelationskoeffizient r = xz = 0.81<br />

Korrelationskoeffizient r = yz = 0.85<br />

Partielle Korrelationskoeffizient r = 0,16<br />

Es handelt sich hier um einen Scheinzusammenhang.<br />

Korrelationsbericht 2<br />

Besteht ein Zusammenhang zwischen den<br />

fehlerhaft ausgestellten Heilmittelverord-<br />

nungen und den vom Arzt geleisteten Zusatzinformationen<br />

zum Patienten und dessen<br />

Therapie?<br />

MEAN fehlerhafte VO = 40.05<br />

MEAN Zusatzinformationen = 2.37<br />

Korrelationskoeffizient r = 0.09<br />

Diagramm 5: Korrelationsbericht 2<br />

Ein Zusammenhang zwischen sorgfältig<br />

ausgefüllten Verordnungen und gleichzeitig<br />

gegebenen Zusatzinformationen zum<br />

Patienten konnte nicht festgestellt werden.<br />

Korrelationsbericht 3<br />

Besteht ein Zusammenhang zwischen den<br />

fehlerhaft ausgestellten <strong>Heilmittelverordnung</strong>en<br />

und den vom Arzt gegebenen Feedbacks<br />

zum Patienten und dessen Therapie?<br />

MEAN fehlerhafte VO = 40.05<br />

MEAN Feedbacks = 3.26<br />

Korrelationskoeffizient r = -0.13<br />

Diagramm 6: Korrelationsbericht 3<br />

Ein Zusammenhang zwischen sorgfältig<br />

ausgefüllten Verordnungen und gleichzeitig<br />

gegebenen Feedbacks zur Behandlung<br />

konnte nicht festgestellt werden.<br />

Korrelationsbericht 4<br />

Existiert ein Zusammenhang zwischen <strong>der</strong><br />

von den Ärzten gegebenen Zusatzinformationen<br />

und <strong>der</strong> gegebenen Feedbacks?<br />

x = MEAN Zusatzinfo = 2.37 SD = 3.62<br />

y = MEAN Feedback = 3.26 SD = 9.73<br />

Korrelationskoeffizient r = xy = 0.77<br />

Das Ergebnis r = 0,77 sagt aus, dass Ärzte,<br />

die Zusatzinformationen zum Patienten<br />

mitgeben, ebenso mehr Feedbacks an den<br />

Therapeuten geben. Um auch hier auszuschließen,<br />

dass es sich um einen rein rechnerischen<br />

Zusammenhang handelt, wurde<br />

die Scheinkorrelation berechnet.<br />

z = MEAN n Gesamt = 226.42 SD = 121.89<br />

Korrelationskoeffizient r = xz = 0.25<br />

Korrelationskoeffizient r = yz = 0.08<br />

Partieller Korrelationskoeffizient r = 0,78<br />

Diagramm 7: Korrelationsbericht 4<br />

Diagramm 8: Boxplot <strong>der</strong> Variablen zum<br />

Korrelationsbericht 4<br />

Diagramm 9: Boxplot <strong>der</strong> Gesamtheit<br />

<strong>der</strong> Verordnungen <strong>der</strong> Stichprobe<br />

STUDIEN<br />

Hier handelt es sich um einen wirklichen<br />

Zusammenhang zwischen den Variablen<br />

Zusatzinformationen vom Arzt und Feedback<br />

des Arztes. Je mehr Zusatzinformationen<br />

vom Arzt mitgegeben werden, desto<br />

mehr Feedback bekommt <strong>der</strong> Therapeut<br />

auch vom Arzt.<br />

Korrelationsbericht 5<br />

Existiert ein Zusammenhang zwischen <strong>der</strong><br />

von den Ärzten angefor<strong>der</strong>ten Therapieberichte<br />

und <strong>der</strong> von den Ärzten gegebenen<br />

Feedbacks?<br />

08|12 PHYSIOTHERAPIE<br />

4


STUDIEN<br />

MEAN angefor<strong>der</strong>ter Therapiebericht = 70.89<br />

MEAN Feedbacks = 3.26<br />

Korrelationskoeffizient r = 0.19<br />

Diagramm 10: Korrelationsbericht 5<br />

Deutlich ist zu erkennen, dass es keinen<br />

Zusammenhang zwischen ärztlich angefor<strong>der</strong>te<br />

Therapieberichte und nach <strong>der</strong> Behandlung<br />

gegebene Feedbacks an den Therapeuten<br />

gibt.<br />

Das Än<strong>der</strong>ungsverhalten<br />

<strong>der</strong> Arztpraxen<br />

Es bestanden drei definierte Antwortmöglichkeiten<br />

(s. Tab. 1): unkompliziert, kompliziert<br />

und Verweigerung. Von den insgesamt<br />

761 f<strong>als</strong>ch ausgefüllten Rezepten wurden<br />

407 Rezepte unkompliziert geän<strong>der</strong>t. Bei 62<br />

Rezepten gab es Probleme mit <strong>der</strong> Bereitschaft<br />

<strong>der</strong> Arztpraxen, die f<strong>als</strong>che Verordnung<br />

zu än<strong>der</strong>n, und in 8 Fällen wurde eine<br />

Än<strong>der</strong>ung sogar verweigert. Zu den restlichen<br />

284 Rezepten dokumentierten die<br />

physiotherapeutischen Praxen kein Än<strong>der</strong>ungsverhalten.<br />

<strong>Die</strong> Berechnung <strong>der</strong> Fehlergrenzen bei einem<br />

Konfidenzniveau von 95 % lassen folgende<br />

Aussagen zu:<br />

Basierend auf den vorliegenden Daten<br />

n=761 und ihrer verschiedenen Antwortmöglichkeiten<br />

kann gesagt werden,<br />

dass:<br />

■ in 1,05 % ± 0,2 % eine Än<strong>der</strong>ung <strong>der</strong><br />

<strong>Heilmittelverordnung</strong> durch die Arztpraxis<br />

verweigert wurde<br />

■ in 8,15 % ± 0,57 % <strong>der</strong> Än<strong>der</strong>ungsprozess<br />

problematisch ablief<br />

■ in 53,48 % ± 1,18 % <strong>der</strong> Än<strong>der</strong>ungsprozess<br />

ohne Probleme durchgeführt<br />

wurde<br />

5 PHYSIOTHERAPIE 08|12<br />

Diagramm 11: Prozentuale Verteilung des Än<strong>der</strong>ungsverhaltens <strong>der</strong> Arztpraxen<br />

Korrelationsbericht 6<br />

Kann man Rückschlüsse ziehen zwischen einem<br />

komplizierten Än<strong>der</strong>ungsverhalten <strong>der</strong><br />

Arztpraxis und <strong>der</strong> Dauer des Bestehens einer<br />

<strong>der</strong> physiotherapeutischen Praxis?<br />

MEAN Praxisexistenzjahren = 19.90 SD = 10.26<br />

MEAN kompliziertem<br />

Än<strong>der</strong>ungsverhalten = 2.95 SD = 4.96<br />

Korrelationskoeffizient r = 0.32<br />

Bei einem Korrelationskoeffizient von 0,32<br />

liegt kein statistischer Zusammenhang zwischen<br />

den bestehenden Praxisjahren einer<br />

Physiotherapie und dem Än<strong>der</strong>ungsverhalten<br />

<strong>der</strong> jeweiligen Arztpraxis vor. <strong>Die</strong> Erfahrungswerte<br />

einer physiotherapeutischen Praxis<br />

haben somit keinen Einfluss auf das <strong>Kommunikation</strong>sverhalten<br />

zu den Arztpraxen.<br />

Diskussion<br />

Zum Studiendesign<br />

<strong>Die</strong> Art <strong>der</strong> zur Auswertung entwickelten Arbeitsblätter<br />

erwies sich für den Praxisalltag<br />

<strong>als</strong> anwen<strong>der</strong>freundlich. Einschränkend<br />

muss erwähnt werden, dass die Skalierung<br />

<strong>der</strong> unterschiedlichen Antwortmöglichkeiten<br />

(dichotom o<strong>der</strong> drei-gestaffelt) zu Ungenauigkeiten<br />

führte. Schwierig war das Verständnis<br />

<strong>der</strong> Therapeuten für die einzelnen<br />

Definitionen aus <strong>der</strong> Tabelle 1 heraus, d.h.,<br />

wie die einzelnen Kategorien gemeint waren.<br />

Hier zeigte sich deutlich, dass eine rein<br />

schriftliche Information <strong>der</strong> Studienteilnehmer,<br />

wie sie über die Tabelle 1 gestaltet<br />

wurde, nicht ausreichend Erklärung gab und<br />

es so zu nichtauswertbaren Daten im Bereich<br />

Therapieziele kam. Auch die 37,32 %<br />

ohne Angaben versehenen Antworten auf<br />

das Än<strong>der</strong>ungsverhalten <strong>der</strong> Arztpraxen<br />

kann mit unzureichen<strong>der</strong> Erläuterung erklärt<br />

werden. Für folgende Studien ist hier<br />

ein zusätzliches mündliches Aufklärungsgespräch<br />

mit den teilnehmenden Praxen<br />

ratsam. Ebenso ist zu überlegen, ob bei<br />

zukünftigen Befragungen die Anzahl <strong>der</strong><br />

Items auf maximal drei reduziert werden<br />

und die Skalierung gleichbleibend sein sollte.<br />

<strong>Die</strong> Mehrzahl <strong>der</strong> physiotherapeutischen<br />

Praxen arbeitet ohne Rezeptionspersonal,<br />

somit erhöht sich <strong>der</strong> Stressfaktor und die<br />

Fehlerquote beim Ausfüllen von Fragen unterschiedlicher<br />

Skalierung.<br />

Zu den Fragestellungen<br />

und <strong>der</strong> bestehenden Literatur<br />

1. Wie sorgfältig gehen Ärzte mit dem<br />

<strong>Kommunikation</strong>smittel <strong>Heilmittelverordnung</strong><br />

um?<br />

2. Werden die <strong>Heilmittelverordnung</strong>en<br />

gültig bzw. abrechnungsfähig für den<br />

Leistungserbringer ausgestellt?<br />

3. Werden Therapieziele angegeben und<br />

sind die Ärzte an Therapieberichten interessiert?<br />

4. Geben Ärzte Zusatzinformationen an<br />

den Therapeuten mit und senden sie<br />

dem Therapeuten ein Feedback zur<br />

Therapie?<br />

<strong>Die</strong> eingangs gestellte Frage nach <strong>der</strong> allgemeinen<br />

Sorgfaltspflicht <strong>der</strong> <strong>Heilmittelverordnung</strong><br />

gegenüber muss kritisch beantwortet<br />

werden. Fast jede fünfte <strong>Heilmittelverordnung</strong><br />

wurde von den Arztpraxen<br />

f<strong>als</strong>ch ausgestellt. <strong>Die</strong>se Tatsache zog und<br />

zieht noch heute Probleme nach sich, die<br />

vom Patienten, <strong>der</strong> physiotherapeutischen<br />

Praxis o<strong>der</strong> Massagepraxis und vom Personal<br />

<strong>der</strong> Arztpraxis (inkl. Arzt) zu tragen waren<br />

und sind.<br />

Hauptsächlich war/ist jedoch immer <strong>der</strong><br />

Patient betroffen. Er konnte/kann seine Therapie<br />

nur mit <strong>der</strong> Überwindung von Hin<strong>der</strong>nissen<br />

beginnen. Für jeden zweiten Patienten<br />

mit einer fehlerhaften <strong>Heilmittelverordnung</strong><br />

waren die Hin<strong>der</strong>nisse klein. <strong>Die</strong><br />

Arztpraxen zeigten ein unkompliziertes Ver-


halten bei <strong>der</strong> Lösung des Problems. Betrachtet<br />

man die an<strong>der</strong>e Hälfte <strong>der</strong> Patienten,<br />

so gab es da viele Hin<strong>der</strong>nisse. <strong>Die</strong>se<br />

wie<strong>der</strong>um können sich ungünstig auf den<br />

Therapiebeginn und -verlauf auswirken<br />

(Dehn-Hindenberg 2009). In 1,05 % <strong>der</strong> untersuchten<br />

Fälle war eine Therapie nicht<br />

möglich, da sich die Arztpraxen weigerten,<br />

die <strong>Heilmittelverordnung</strong> zu än<strong>der</strong>n. Problematische<br />

Übergänge von <strong>der</strong> ärztlichen<br />

zur physiotherapeutischen Therapie för<strong>der</strong>n<br />

nicht das Vertrauen <strong>der</strong> Patienten in die Medizin<br />

und erschweren so die Compliance des<br />

Patienten. Im Bereich <strong>der</strong> medikamentösen<br />

Therapie liegen zum Thema Non Compliance<br />

bereits etliche gesundheitsökonomische<br />

Auswertungen vor. Notwendig wären<br />

<strong>der</strong>artige Untersuchungen auch im Bereich<br />

<strong>der</strong> Heilmittelversorgung. Um den kommunikativen<br />

Ablauf im ambulanten Praxisalltag<br />

besser zu beurteilen, wäre eine künftige<br />

Fragestellung wie folgt möglich:<br />

Gehen Ärzte, die auf eine gute <strong>Kommunikation</strong><br />

zwischen ihnen und <strong>der</strong> physiotherapeutischen<br />

Praxis bauen, auch sorgfältig<br />

mit dem Ausfüllen <strong>der</strong> <strong>Heilmittelverordnung</strong><br />

um?<br />

Retroperspektivisch stellten sich Fragen<br />

wie, ob die Sorgfaltspflicht <strong>der</strong> <strong>Heilmittelverordnung</strong><br />

gegenüber sich auch in an<strong>der</strong>en<br />

Bestandteilen des <strong>Kommunikation</strong>sverhaltens<br />

<strong>der</strong> Ärzte zu den Therapeuten wi<strong>der</strong>spiegelte.<br />

<strong>Die</strong> Ergebnisse <strong>der</strong> statistischen<br />

Tests (Korrelationsberichte 1-3) zeigten<br />

sich hier negativ. We<strong>der</strong> das Anfor<strong>der</strong>n<br />

eines Therapieberichtes noch das Mitgeben<br />

von Zusatzinformationen und das Geben eines<br />

Feedbacks an den Therapeuten standen<br />

in dieser Untersuchung im Zusammenhang<br />

mit <strong>der</strong> Sorgfaltspflicht gegenüber <strong>der</strong> <strong>Heilmittelverordnung</strong>.<br />

Weiterhin zeigten die Ergebnisse<br />

(Korrelationsbericht 5), dass das<br />

Anfor<strong>der</strong>n eines Therapieberichtes kein Ausdruck<br />

von <strong>Kommunikation</strong>sbereitschaft seitens<br />

<strong>der</strong> ärztlichen Praxis ist. <strong>Die</strong>s wäre eine<br />

Fragestellung für spätere Untersuchungen.<br />

<strong>Die</strong>se könnte lauten:<br />

Hat <strong>der</strong> vom Arzt verlangte Therapiebericht<br />

etwas mit seinem Verhalten gegenüber<br />

dem Therapeuten zu tun, d.h.,<br />

for<strong>der</strong>t ein Arzt einen Therapiebericht an,<br />

bedeutet dieses auch, dass er eine gute<br />

<strong>Kommunikation</strong> zu den Therapeuten unterhält?<br />

Angesichts <strong>der</strong> Studie von Goebel und<br />

Schulz (Goebel et al. 2011) sieht man, dass<br />

dies nicht unbedingt im Zusammenhang<br />

stehen muss. For<strong>der</strong>t in dieser Studie die<br />

Arztpraxis einen Therapiebericht an, so erwartet<br />

sie zwar eine <strong>Kommunikation</strong> vom<br />

Therapeuten zum Arzt, doch lässt sich nicht<br />

zeigen, dass auch in umgekehrter Richtung<br />

ein Kontakt vom Arzt zum Therapeuten<br />

stattfindet. Sie beklagten, dass bei 264 ausgestellten<br />

Verordnungen in ihrer Praxis nur<br />

33 Therapieberichte zurück kamen und nur<br />

ein Physiotherapeut direkt mit ihnen Kontakt<br />

aufnahm. Bei <strong>der</strong> Analyse ihrer Daten<br />

dachten sie über mögliche Gründe nach,<br />

nahmen aber keinen Kontakt zu den Therapeuten<br />

auf.<br />

<strong>Die</strong> neueste deutsche Literatur (Goebel et<br />

al. 2011, Barzel et al. 2011) betrachtend zum<br />

Thema zeigt sich immer wie<strong>der</strong> ein <strong>Kommunikation</strong>sdefizit<br />

zwischen den Berufen<br />

<strong>der</strong> Gesundheitsbranche auf. Jede Berufsgruppe<br />

ist von ihrer subjektiven Wahrnehmung<br />

geprägt. Und wie im ganz normalen<br />

Leben sind es immer die an<strong>der</strong>en, die nicht<br />

kommunizieren. Es scheint schwierig zu<br />

sein, einen neutralen Blick auf dieses Problem<br />

zu finden.<br />

Goebel und Schulz gaben Zeitmangel <strong>als</strong><br />

einer ihrer Hauptgedanken an. Der dann<br />

wie<strong>der</strong> mit folgen<strong>der</strong> Begründung verworfen<br />

worden ist: „…im medizinischen Bereich,<br />

am bekanntesten bei Ärzten, die Dokumentation<br />

<strong>der</strong> durchgeführten Maßnahmen und<br />

<strong>der</strong>en Resultate – sei es diagnostisch o<strong>der</strong> therapeutisch<br />

– wie auch Weiterleitung in Form<br />

eines Berichtes an den Mit- und Weiterbehandler<br />

integraler Bestandteil <strong>der</strong> Patientenbehandlung<br />

ist… “. <strong>Die</strong> Ergebnisse dieser Studie<br />

können diesen integralen Bestandteil<br />

<strong>der</strong> Patientenbehandlung nicht bestätigen.<br />

Bei den 4.302 untersuchten Heilmittelver-<br />

STUDIEN<br />

ordnungen, gab es nur in 45 Fällen die im<br />

Zitat beschriebenen Informationen. <strong>Die</strong>se<br />

ernüchternde Tatsache lässt Platz für weitere<br />

Fragestellungen zum Thema <strong>Kommunikation</strong><br />

zwischen den physiotherapeutischen<br />

Berufen und den Arztpraxen im ambulanten<br />

Versorgungsgebiet wie z.B.:<br />

Geben Ärzte, die ihren Patienten Zusatzinformationen<br />

für die Physiotherapie mitgeben,<br />

im Anschluss <strong>der</strong> Behandlung<br />

dem Therapeuten ein Feedback?<br />

Der Aspekt, ob fehlende <strong>Kommunikation</strong><br />

etwas mit Zeitmangel zu tun haben könnte,<br />

benötigt eine Auseinan<strong>der</strong>setzung mit<br />

den unterschiedlichen Voraussetzungen im<br />

beruflichen Alltag sowie im wirtschaftlichen<br />

Bereich. Noch ist die Realität bei den physiotherapeutischen<br />

Berufen im ambulanten<br />

Sektor so, dass die Befundaufnahme, Dokumentation<br />

und <strong>der</strong> Therapiebericht nicht<br />

bezahlt werden, da sie keine eigene Leistungsposition<br />

innehaben. Gleichzeitig sind<br />

sie aber in den Rahmenverträgen verankert<br />

(Rahmenvertrag nach § 125 ABS.2 SGB V, §<br />

5 und 7). <strong>Die</strong> Krankenkassen verlangen somit,<br />

an<strong>der</strong>s <strong>als</strong> beim Ergotherapeuten (Vergütungsvereinbarungen<br />

2011), dass diese<br />

Leistungen in die ca. 20 minütigen Therapiezeiten<br />

integriert werden. Sollten unter<br />

diesen Umständen Therapeuten dem<br />

Wunsch einer engeren Kooperation und<br />

ausführlicheren Therapieberichterstattung<br />

von Goebel und Schulz nachkommen, so<br />

kann dies nur unter Abzug <strong>der</strong> Therapiezeit<br />

am Patienten geschehen. Ein Aspekt, unter<br />

dem <strong>der</strong> Therapeut ins Kreuzfeuer zwischen<br />

Krankenkasse, Arzt, Patient und eigenem<br />

Gewissen gerät. In einigen Fällen kam es hier<br />

Abb. 1: Zirkulus vitiosus <strong>der</strong> schlechten <strong>Kommunikation</strong> zwischen physiotherapeutischen und ärztlichen<br />

Praxen im ambulanten Bereich<br />

08|12 PHYSIOTHERAPIE<br />

6


STUDIEN<br />

sogar bereits zur Verweigerung <strong>der</strong> Zahlung<br />

seitens <strong>der</strong> Kassen, weil nur eine Anamnese<br />

und ein Befund gemacht wurden (Falldokumentationen<br />

im VPT Büro Hamburg,<br />

Schleswig-Holstein).<br />

<strong>Die</strong> definierte Therapiezeit ist bereits in<br />

den Leistungsbeschreibungen <strong>der</strong> Rahmenverträge<br />

mit den Kassen eng bemessen,<br />

sodass für eine qualitativ hohe Dokumentation<br />

keine realistische Zeit vorhanden<br />

ist. Bestätigung finden diese Fakten in <strong>der</strong><br />

Arbeit von Barzel (Barzel et al. 2011). Auch<br />

sie hält fest, dass <strong>der</strong>artige Arbeiten strukturell<br />

im ambulanten Bereich nicht vorgesehen<br />

sind. <strong>Die</strong> Dokumentation ist für Physiotherapeuten<br />

sowie Masseure und med.<br />

Bademeister in dem Heilmittelkatalog nicht<br />

vorgesehen.<br />

<strong>Die</strong> Diskussion von Goebel und Schulz ist<br />

durch das Ziehen von kurzsichtigen Schlussfolgerungen<br />

geprägt. Bei <strong>der</strong> Beantwortung<br />

ihrer Fragen bleiben sie auf <strong>der</strong> Ebene ihrer<br />

Eindrücke und Vorurteile. Sie belegen keine<br />

ihrer Antworten wissenschaftlich (Goebel et<br />

al. 2011). Sie geben zwar an, telefonisch gut<br />

erreichbar gewesen zu sein, doch eine amerikanische<br />

Studie (Ärzte Zeitung, 9.11.2011)<br />

wi<strong>der</strong>spricht dem beim Blick auf die Gesamtheit<br />

<strong>der</strong> Arztpraxen in Deutschland und<br />

acht an<strong>der</strong>en europäischen Län<strong>der</strong>n sowie<br />

den USA, Kanada, Australien und Neuseeland.<br />

Hier zeigten die Autoren, dass es in den<br />

deutschen Arztpraxen einen Mangel am<br />

Austausch von Informationen gebe. Auch<br />

zeigten sich die deutschen Ärzte schwerer<br />

telefonisch erreichbar <strong>als</strong> in den an<strong>der</strong>en<br />

Län<strong>der</strong>n. Schlussfolgernd kamen die Autoren<br />

zu dem Ergebnis, dass die Hausärzte in<br />

Deutschland die Ärzte mit <strong>der</strong> besten <strong>Kommunikation</strong><br />

sind.<br />

Zusammengefasst kann man einen Kreis<br />

von Missständen in <strong>der</strong> <strong>Kommunikation</strong> des<br />

ambulanten Versorgungsbereiches erstellen.<br />

<strong>Die</strong>ser Zirkulus vitiosus beruht allein auf<br />

den Aspekten dieser Studie und erhebt auf<br />

keinen Fall Anspruch auf Vollständigkeit.<br />

Doch wäre das deutsche Gesundheitssystem<br />

einen Schritt weiter, wenn dieser aus<br />

ärztlicher sowie therapeutischer Sicht gemeinsam<br />

mit den Krankenkassen aufgearbeitet<br />

werden würde.<br />

In einer australischen Untersuchung zur<br />

Zufriedenheit/Unzufriedenheit im Beruf (bei<br />

Ergotherapeuten) führte das Team um Moore<br />

(Moore et al. 2006) mögliche Ursachen für<br />

diese Parameter an. <strong>Die</strong> Hauptursachen für<br />

Unzufriedenheit waren die fehlende Wertschätzung<br />

<strong>der</strong> geleisteten Arbeit sowie das<br />

mangelnde Verständnis und die Unkenntnis<br />

über das berufliche Aufgaben- und<br />

7 PHYSIOTHERAPIE 08|12<br />

Betätigungsfeld des Berufstandes (Barzel<br />

2011). Im deutschen Gesundheitssystem lassen<br />

sich diese Defizite im ambulanten Bereich<br />

immer noch gehäufter finden <strong>als</strong> im<br />

klinischen Bereich (Goebel et al. 2011, Barzel<br />

et al. 2011). Mehr Transparenz, mehr Austausch,<br />

mehr gegenseitiges Vertrauen und<br />

weniger Hierarchie sind wichtige Bausteine<br />

für die erfolgreiche kommunikative interdisziplinäre<br />

Arbeit heute und in Zukunft.<br />

Große Worte und doch schwer umzusetzen,<br />

da hier auch die Voraussetzungen durch den<br />

Gesetzgeber und die Krankenkassen verbessert<br />

werden muss. Eine gelingende Zusammenarbeit<br />

in <strong>der</strong> ambulanten Medizin<br />

darf nicht ins Ehrenamt abrutschen. Auch<br />

die von Goebel und Schulz Goebel et al. 2011)<br />

empfohlene Zwangsverpflichtung, dass alle<br />

physiotherapeutischen Praxen einen kooperierenden<br />

Arzt haben müssen, <strong>der</strong> die<br />

Physiotherapeuten regelmäßig kontrolliert,<br />

kann nicht zur Beseitigung <strong>der</strong> kommunikativen<br />

Missstände führen.<br />

Ärzte, die Zusatzinformationen zum Patienten<br />

und zur Therapie geben, sowie Ärzte,<br />

die dem Therapeuten ein Feedback auf die<br />

erfolgte Behandlung senden, sind prozentual<br />

lei<strong>der</strong> noch in <strong>der</strong> Min<strong>der</strong>zahl. <strong>Die</strong>ses<br />

Verhalten ist positive Motivation und Wertschätzung<br />

für die Arbeit des Therapeuten<br />

und ein Ausdruck für eine <strong>Kommunikation</strong><br />

auf Augenhöhe. Doch muss auch dargestellt<br />

sein, dass dieser kleine Prozentsatz (unter 2<br />

%) zu den„ehrenamtlichen“ Ärzten und Therapeuten<br />

gehören. Sie gestalten ihre Zusammenarbeit<br />

zum Wohle ihrer gemeinsamen<br />

Patienten.<br />

Zusammenfassend kann man sagen, dass<br />

das Defizit in <strong>der</strong> <strong>Kommunikation</strong> im ambulanten<br />

Sektor z.Zt. nicht allein aus dem<br />

Jahrhun<strong>der</strong>te alten Hierarchiedenken <strong>der</strong><br />

Mediziner kommt, son<strong>der</strong>n auch politische<br />

und wirtschaftliche Gründe hat. Gesetzgebende<br />

und geldgebende Institutionen und<br />

ihre Mitglie<strong>der</strong> sind an dieser Stelle mit in<br />

die Verantwortung zu nehmen! Ebenso wäre<br />

es wünschenswert, die kommunikativen<br />

Kompetenzen <strong>der</strong> Therapeuten und Ärzte<br />

bereits während ihrer Ausbildung besser zu<br />

för<strong>der</strong>n. <strong>Die</strong> Akademisierung <strong>der</strong> Gesundheitsfachberufe<br />

zeigt hier eine positive Vorreiterstellung.<br />

Literatur<br />

1. Ärzte Zeitung 9. 11.2011 15:07. Deutsche Ärzte<br />

oft unerreichbar. www.aerztezeitung.de<br />

2. Barzel A, Ketels G, Schön G et al. Erste deutschlandweite<br />

Befragung von Physio- und Ergo-<br />

therapeuten zur Berufssituation. Teil 1: Profil<br />

<strong>der</strong> Teilnehmer (Basisdaten). physioscience<br />

2011; 7:29-35<br />

3. Barzel A, Ketels G, Schön G et al. Erste deutschlandweite<br />

Befragung von Physio- und Ergotherapeuten<br />

zur Berufssituation. Teil 3: Physiound<br />

Ergotherapeuten zwischen Kooperation<br />

und Konkurrenz. physioscience 2011; 7:91-98<br />

4. Barzel A, Ketels G, Schön G et al. Erste deutschlandweite<br />

Befragung von Physio- und Ergotherapeuten<br />

zur Berufssituation. Teil 4: Zufriedenheit<br />

im Beruf. physioscience 2011; 7:159-166<br />

5. Dehn-Hindenberg A. <strong>Kommunikation</strong> im Therapieprozess:<br />

Bedürfnisse und Bewertungen<br />

von Patienten. <strong>Die</strong> Ersatzkasse 4, 2009: 132-135<br />

6. Ergotherapie Liste<br />

7. Göbel D, Schultz W. Ambulante Physiotherapie<br />

in Orthopädie und Unfallchirurgie: Kann <strong>der</strong> Erfolg<br />

überhaupt beurteilt werden? Z Orthop Unfall<br />

2011; 149: 17-22<br />

8. Mayer HO, Interview und schriftl. Befragung. OldenbourgVerlag<br />

MünchenWien 2009, S.121-122<br />

9. Moore K, Cruickshank M, Hass M. Job satisfaction<br />

in occupational therapy: a qualitative investigation<br />

in urban Australia. Australian Occupational<br />

Therapy Journal 2006; 53: 18-26<br />

10. Rahmenverträge – Vertrag nach §125 ABS. 2<br />

SGB V zwischen dem Verband Physikalischer<br />

Therapie – Vereinigung für physiotherapeutische<br />

Berufe (VPT) e.V. und dem Verband <strong>der</strong><br />

Angestellten-Krankenkassen (VdAK) e.V. und<br />

dem AEV-Arbeiter-Ersatzkassen-Verband e.V.,<br />

Siegburg 2008; Vertrag nach § 125 ABS. 2 SGB<br />

V zwischen VPT und AOK Rheinland/ Hamburg,<br />

BKK-Landesverband NORD Krankenkassen<br />

für den Gartenbau, handelnd <strong>als</strong> Landesverband<br />

<strong>der</strong> landwirtschaftlichen Krankenversicherung,<br />

Innungskrankenkasse Hamburg<br />

und <strong>der</strong> See- Krankenkasse. 2006<br />

11. R Development Core Team R. A language and<br />

environment for statistical computing. Vienna:<br />

R Foundation for Statistical Computing;<br />

2010. www.R-project.org<br />

12. Supp G. Leserbrief zur Arbeit von D. Goebel<br />

und W. Schultz: Ambulante Physiotherapie in<br />

<strong>der</strong> Orthopädie und Unfallchirurgie: Kann <strong>der</strong><br />

Erfolg überhaupt beurteilt werden? Z Orthop<br />

Unfall 2011; 149: 342-343<br />

Sabine Baumgart<br />

Bc.,M.Sc.Phys.<br />

Harburger Rathausstraße 33<br />

21073 Hamburg<br />

In gekürzter Fassung erschienen in<br />

Physiotherapie in Theorie und Praxis<br />

2012; 33(8): 338-347

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