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Abschied nehmen - GdFF

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Gerhard Orgaß – Schließung der HWP hat den Zorn geweckt<br />

<strong>GdFF</strong><br />

„Man hat mir meine politische<br />

Heimat gestohlen.“<br />

28 HWP MAGAZIN 1/2005<br />

Gerhard Orgaß ist konsequent, auch wenn er damit schon<br />

viele Male in seinem Leben auf Widerstand gestoßen ist.<br />

Doch er hat sich nie davon abhalten lassen, die Sache zu<br />

verfolgen und den richtigen Weg zu finden, um ein Problem<br />

wirklich erfolgreich zu lösen. Umso enttäuschter ist<br />

Gerhard Orgaß von der Entwicklung der CDU, der Partei,<br />

für die er lange Jahre in der Hamburger Bürgerschaft und<br />

im Bundestag tätig war. Nicht selten waren die Kollegen<br />

aus der eigenen Fraktion ihm mit Ungläubigkeit und<br />

Ablehnung begegnet, weil er nicht die „Meinung der Partei”<br />

vertrat. „Aber dann merkt man, dass einem das Herz<br />

bis in die Zunge schlägt”, sagt Orgaß und man spürt, dass<br />

von dem Engagement im Laufe der Jahre nichts verloren<br />

gegangen ist.<br />

Nur um der Macht<br />

willen seine Fahne<br />

nach dem Wind<br />

hängen, sich immer<br />

wieder verbiegen,<br />

nur um einen bestimmten<br />

Posten zu<br />

bekommen, darauf<br />

hätte Orgaß, der im<br />

Oktober 77 Jahre alt<br />

wurde, sich nicht<br />

einlassen können.<br />

Dabei ist seine Enttäuschung<br />

zu spüren.<br />

„Nach dem<br />

schweren Herzinfarkt<br />

1981 habe ich<br />

zunächst noch weiter<br />

gemacht, obwohl<br />

mein Arzt mir dringend<br />

davon abgeraten<br />

hat. Aber zu<br />

dem Zeitpunkt hatte<br />

Kohl bereits die<br />

‚moralische Wende’<br />

eingeläutet, bei der Blüm voll mitzog. Eine solche Politik<br />

wollte ich mit meinem Namen nicht verbunden wissen.”<br />

Also hörte Orgaß doch auf die Alarmsignale seines Körpers<br />

und legte all seine Ämter nieder, selbst seine Position in den<br />

Sozialausschüssen. „Dieses Rücktrittsschreiben gehört zu<br />

den bittersten meines Lebens. Aber wie sollte ich anders<br />

handeln, wenn ich mir selbst treu bleiben wollte?”<br />

Im Lauf seines Lebens hat Orgaß sich auf vielen Schauplätzen<br />

engagiert. Unter anderem war er über 20 Jahre Mitglied<br />

des Landesvorstandes der CDU Hamburg, Mitglied<br />

des Deutschen Bundestages, 22 Jahre lang stellvertretender<br />

Bundesvorsitzender der Sozialausschüsse der CDA (christlich-demokratische<br />

Arbeitnehmerschaft), Angestellter der<br />

gemeinnützigen Wohnungs- und Siedlungsgesellschaft<br />

„Neue Heimat”, Mitglied der Industriegewerkschaft Bau-<br />

Steine-Erden (heute IG Bau), Mitglied der Deutschen Kolpingfamilie<br />

sowie Generalsekretär des Deutschen Verbandes<br />

für Wohnungswesen, Städtebau und Raumplanung e.V.<br />

Häufig wurde er in Programm- und Grundsatzkommissionen<br />

der Bundes-CDU und anderer Verbände berufen – eine<br />

Aufgabe, die ihm lag. Denn Orgaß hörte und hört in der<br />

Regel nicht auf zu argumentieren bis ein Vorhaben in sich<br />

stimmig und vor allem aussichtsreich ist.<br />

Gegen den Strom<br />

„Wenn ich mich im Nachhinein frage, was ich überhaupt<br />

bewegt habe, ist die Antwort nicht leicht. Gewiss kann ich<br />

Erfolge auf manchen Feldern der Politik aufweisen, wenn<br />

auch vieles davon heute keinen Bestand mehr hat. Und ich<br />

habe Menschen geholfen, die aus welchen Gründen auch<br />

immer ins Räderwerk der Bürokratie geraten waren.” Orgaß<br />

erinnert sich in diesem Zusammenhang an seine Mitarbeit<br />

am Städtebauförderungsgesetz, das 1971 verabschiedet wurde.<br />

„Dort habe ich durch meine Beharrlichkeit schon eine<br />

Menge erreicht.” Orgaß gehörte zum Vermittlungsausschuss.<br />

Durch seine vorherige Berufspraxis bei verschiedenen<br />

Baufirmen, unter anderem als Betriebsratsvorsitzender,<br />

brachte er ausreichend Wissen und Erfahrung für diese Aufgabe<br />

mit. „Wohnungspolitik muss immer auch Strukturpolitik<br />

sein. Denn Wohnen bildet Vermögen: Und soll das etwa<br />

nur denen zufallen, die schon haben? Dort mussten wir<br />

ansetzen.” Doch das war ein schwieriger Weg. Während der<br />

ersten Lesung zur Verabschiedung wehrte Orgaß sich gegen<br />

das geplante Vorgehen der CDU. „Sie meinten, die Eigentümerinteressen<br />

vor der Gefahr des Kollektivismus retten zu<br />

müssen.” In einem Gespräch unter vier Augen konnte Orgaß<br />

Rainer Barzel, der am Tag zuvor noch anderer Meinung<br />

gewesen war, von den Mängeln des Papiers überzeugen. Barzels<br />

Rede veranlasste daraufhin den Bundesrat, das Gesetz -<br />

gegen die Entscheidung des Bundestages - erneut in den<br />

Vermittlungsausschuss zu geben. Die optimierte Fassung,<br />

die später mit breiter Mehrheit beschlossen wurde, ebnete<br />

den Weg für eine neue Form des Genossenschaftswesens.<br />

Der Erfolg ließ aber nicht den ganzen Ärger verblassen, den<br />

Orgaß sich im Verlauf dieses Prozesses innerhalb der eigenen<br />

Fraktion zugezogen hatte. Gegen die „gemeinsame Eigentumsauffassung<br />

der Partei” zu stimmen, wurde nicht gern<br />

gesehen.<br />

Farbe bekennen<br />

Bereits in jungen Jahren ist Orgaß konsequent seinen eigenen<br />

Weg gegangen. „Ich bin stolz darauf, dass ich mich<br />

während der Nazizeit nie in die Hitlerjugend habe zwingen<br />

lassen. Stattdessen bin ich 1943 der von den Nazis verbotenen<br />

Kolpingfamilie beigetreten. Deren Prägung wurzelt in<br />

der Christlichen Soziallehre.” 1950 wurde Orgaß zum Ju-

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