Saitenspiel: Im Quartett - Druckservice HP Nacke KG
Saitenspiel: Im Quartett - Druckservice HP Nacke KG
Saitenspiel: Im Quartett - Druckservice HP Nacke KG
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
DIE BESTE ZEIT<br />
Das Magazin für Lebensart<br />
Wuppertal und Bergisches Land Ausgabe 12, 2011 - 3,50 Euro<br />
DEAD_Lines<br />
Ausstellung Kunsthalle Barmen<br />
Der Jazz lebt !<br />
Das 9. Wuppertaler Jazzmeeting<br />
<strong>Saitenspiel</strong><br />
Das Prisma-<strong>Quartett</strong><br />
Irgendwie jüdisch<br />
Alte Synagoge und jüdisches Museum<br />
Mit spitzer Feder<br />
Der Zeichner André Poloczek<br />
Inszenierte Träume<br />
Die Fotografi n Alina Gross<br />
Zwischen Kloppe und Glück<br />
Die Schriftstellerin Karla Schneider<br />
Jeder Vers ein Leopardenbiss<br />
Peter- Hammer-Verlag<br />
TiC mit Kiss me, Kate<br />
Musical auf der Bühne<br />
Zivilist unter Uniformierten<br />
Der SPD-Politiker Dr. Willfried Penner<br />
Neue Kunstbücher<br />
vorgestellt von Thomas Hirsch<br />
Kulturnotizen<br />
Kulturveranstaltungen der Region<br />
1
„Die Beste Zeit – Das Magazin für Lebensart“ erhalten Sie ab sofort:<br />
Projektraum<br />
Luisenstraße 90<br />
42103 Wuppertal · Tel.: 31 79 173<br />
www.galerie-epikur.de<br />
epikurepikur<br />
Museums-Shop<br />
Turmhof 8<br />
42103 Wuppertal<br />
Telefon (0202) 563-6231<br />
www.von-der-heydt-museum.de<br />
<strong>Druckservice</strong> <strong>HP</strong> <strong>Nacke</strong> <strong>KG</strong><br />
Mediapartner · Druck · Verlag<br />
Friedrich-Engels-Allee 122<br />
42285 Wuppertal<br />
Telefon (0202) 28 10 40<br />
www.hpnackekg.de<br />
Friseursalon Capilli<br />
Heinrich Wermann-Bruschke<br />
Manteuffelstr. 2, 42329 Wuppertal<br />
Telefon (0202) 30 13 22<br />
<strong>Im</strong>manuelskirche<br />
Wuppertal-Barmen<br />
42275 Wuppertal<br />
Telefon (0202) 64 19 69<br />
www.immanuelskirche.de<br />
Bürobedarf Illert<br />
Grabenstraße 4 · 42103 Wuppertal<br />
Telefon (0202) 97 65 808<br />
www.buero-illert.de<br />
Hirschstraße 12 · 42285 Wuppertal<br />
Telefon (0202) 31 72 98 9<br />
www.skulpturenpark-waldfrieden.de<br />
Hauptstraße 17<br />
42349 Wuppertal<br />
Telefon (0202) 47 28 70<br />
www.nettesheim.com<br />
<strong>Im</strong>pressum<br />
Bücher Köndgen<br />
Werth 79 · 42103 Wuppertal<br />
Telefon (0202) 24 800-50<br />
www.koendgen.de<br />
Wohn- und Objektbeleuchtung<br />
Karlstraße 37 · 42105 Wuppertal<br />
Telefon (0202) 2 44 34 40<br />
www.lichtbogen-wuppertal.de<br />
Bücherladen<br />
Jutta Lücke<br />
Hünefeldstraße 83<br />
42285 Wuppertal<br />
Telefon (0202) 88 353<br />
„Die beste Zeit“ erscheint in Wuppertal und<br />
im Bergischen Land<br />
Erscheinungsweise: 5 – 6 mal pro Jahr<br />
Verlag <strong>HP</strong> <strong>Nacke</strong> <strong>KG</strong> - Die beste Zeit<br />
Friedrich-Engels-Allee 122, 42285 Wuppertal<br />
Telefon 02 02 - 28 10 40<br />
E-Mail: verlag@hpnackekg.de<br />
V. i. S. d. P.: HansPeter <strong>Nacke</strong> und Frank Becker<br />
Erfüllungsort und Gerichtsstand Wuppertal<br />
Bildnachweise/Textquellen sind unter den Beiträgen<br />
vermerkt.<br />
WIR BAUEN ATMOSPHÄRE:<br />
„pure life“ für blomus<br />
Ueberholz. GmbH<br />
Büro für temporäre Architektur<br />
Telefon: +49 (0) 202 2 80 96-0<br />
www.ueberholz.de<br />
Bahnhofsbuchhandlung im<br />
Barmer Bahnhof<br />
Winklerstraße 2 · 42283 Wuppertal<br />
Telefon (0202) 59 53 85<br />
Friedrich-Ebert-Str. /<br />
Ecke Laurentiusstr. 12<br />
42103 Wuppertal<br />
Telefon (0202) 30 40 01<br />
www.mackensen.de<br />
Galerie<br />
Friedrich-Ebert-Straße 152a<br />
42117 Wuppertal · Tel.: 4 26 52 62<br />
www.galerie-epikur.de<br />
Umschlagbild: Erwin Olaf, Di † 1997, aus der Serie Royal<br />
Blood, 2000, Lambda Print, 125 x 125 cm, Courtesy Flatland<br />
Gallery, Utrecht<br />
Gastbeiträge durch Autoren spiegeln nicht immer die Meinung<br />
des Verlages und der Herausgeber wider. Für den Inhalt dieser<br />
Beiträge zeichnen die jeweiligen Autoren verantwortlich.<br />
Kürzungen bzw Textänderungen, sofern nicht sinnentstellend,<br />
liegen im Ermessen der Redaktion. Für unverlangt eingesandte<br />
Beiträge kann keine Gewähr übernommen werden.<br />
Nachdruck – auch auszugsweise – von Beiträgen innerhalb der<br />
gesetzlichen Schutzfrist nur mit der ausdrücklichen Genehmigung<br />
des Verlages.<br />
Trotz journalistischer Sorgfalt wird für Verzögerung, Irrtümer<br />
oder Unterlassungen keine Haftung übernommen.<br />
epikurepikur
Editorial<br />
Liebe Leserinnen,<br />
lieber Leser,<br />
vor Ihnen liegt die 12. Ausgabe der Besten Zeit. Wir berichten von der<br />
aktuellen Ausstellung „Dead-Lines“ in der Kunsthalle Barmen, vom<br />
9. Wuppertaler Jazzmeeting und stellen die Begegnungsstätte Alte Synagoge<br />
mit der Ausstellung Tora und Textilen vor. Sie fi nden Porträts von Dr.<br />
Wilfried Penner, dem Karikaturisten Polo, der Fotografi n Alina Gross,<br />
sowie der Wuppertaler Schriftstellerin Karla Schneider: insgesamt 52 Seiten<br />
mit Beiträgen aus dem kulturellen Leben unserer Stadt, interessanten<br />
Buchvorstellungen sowie umfangreichen Kulturnotizen im Anhang der<br />
Ausgabe.<br />
Zum Ende des Jahres stellt sich für mich erneut die Frage: geht es weiter<br />
und wenn ja, wie geht es weiter - oder stellen wir die Herausgabe des<br />
Kulturmagazins wegen Erfolglosigkeit komplett ein. Es gibt Leser, die<br />
immer auf die nächste Ausgabe warten, sie rufen an und möchten den<br />
Erscheinungstermin genau wissen. Dennoch ist die Resonanz allgemein<br />
betrachtet gering, vor allem wenn man die mühevolle Arbeit bedenkt,<br />
die in jeder Ausgabe steckt. Es war meine Vision, ein solches Produkt ins<br />
Leben zu rufen, unabhängig und als Ergänzung der kulturell regionalen<br />
Berichterstattung unserer Tageszeitung. Für den interessierten Bürger<br />
informativer zu sein, Einblicke zu geben in das kulturelle Geschehen,<br />
Menschen zu porträtieren, Initiativen oder Institutionen vorzustellen und<br />
das ohne jeden Anzeigenfriedhof oder Gefälligkeitsjournalismus.<br />
Wir sind sehr erwartungsvoll im Jahr 2009 gestartet, haben viel Zeit und<br />
Mühen investiert, leider blieb der erwünschte Erfolg aus. Offensichtlich<br />
gibt es keinen Markt neben den hochglänzenden Lifestyle-Magazinen oder<br />
reinen Anzeigenblättern. Zu anspruchsvoll, zu einseitig sind wohl die größten<br />
Kritikpunkte. Nach meiner Ansicht fehlte aber eine entsprechende, kulturell<br />
hochwertige Informationsquelle in dieser Stadt. Ich bringe größtes Verständnis<br />
dafür auf, dass man auf Dauer nicht rein für Gottes Lohn arbeiten möchte<br />
und so danke ich allen Autoren für ihre konstruktive Mitarbeit.<br />
Nachdem Frank Becker seine Arbeit als Mitherausgeber aus persönlichen<br />
Gründen zum Ende des Jahres beenden wird, werde ich diese Aufgabe kaum<br />
zusätzlich bewältigen können. Allein an Satz und Layout arbeite ich an jeder<br />
Ausgabe viele Stunden. Ich bin kaum in der Lage, das Zusammenstellen,<br />
Schreiben und Koordinieren der journalistischen Feinarbeit zusätzlich zu<br />
übernehmen. Sollte ich das Magazin einstellen müssen, wird mir das sicher<br />
nicht leicht fallen. Vielleicht ergibt sich aber doch durch das eine oder andere<br />
noch ausstehende Gespräch die Möglichkeit, zukünftig ein Fortbestehen<br />
des Magazins sichern zu können. Persönlich danke ich Frank Becker für<br />
seine Mitarbeit in der Vergangenheit. Danken aber möchte ich auch den<br />
Unternehmen, die uns mit ihren Anzeigen unterstützen. So können wir einen<br />
Teil der Produktionskosten auffangen.<br />
Ich hoffe, dass es weiter geht und wünsche Ihnen noch sonnige Herbsttage<br />
sowie viel Vergnügen bei unserer Lektüre<br />
Ihr<br />
HansPeter <strong>Nacke</strong><br />
3
4<br />
Keine Angst vor Berührung<br />
Barbara Neusel-Munkenbeck und die Urne “moi“<br />
seit 1813<br />
Alles hat seine Zeit.<br />
Berliner Straße 49 + 52-54 · 42275 Wuppertal · www.neusel-bestattungen.de Tag und Nacht 66 36 74
Inhalt<br />
Ausgabe 12, 3. Jahrgang, November 2011<br />
Auf Schritt und Tritt<br />
DEAD_Lines – Ausstellung in der<br />
Kunsthalle Barmen<br />
von Frank Becker<br />
Der Jazz lebt !<br />
Seite 6<br />
Das 9. Wuppertaler Jazzmeeting<br />
von Heiner Bontrup Seite 12<br />
<strong>Saitenspiel</strong><br />
Das Prisma-<strong>Quartett</strong> in der<br />
Historischen Stadthalle Wuppertal<br />
von Johannes Vesper Seite 16<br />
Irgendwie jüdisch<br />
Tora und Textilien:<br />
Alte Synagoge und jüdisches Museum<br />
von Marlene Baum Seite 18<br />
Mit spitzer Feder<br />
Der Wuppertaler Zeichner, Karikaturist<br />
und Illustrator André Poloczek<br />
von Frank Becker Seite 22<br />
Inszenierte Träume<br />
Die Fotografi n Alina Gross<br />
von Frank Becker<br />
Von Kindheiten, Wunschträumen<br />
und Schnecken<br />
Seite 26<br />
Die Wuppertaler Schriftstellerin Karla<br />
Schneider – von Frank Becker Seite 29<br />
TiC mit dem Musical Kiss me, Kate<br />
Cole Porters Musical nach 63 Jahren<br />
noch immer ein Publikumsmagnet<br />
von Frank Becker Seite 33<br />
Jeder Vers ein Leopardenbiss<br />
Else-Lasker-Schüler-Almanach<br />
im Peter-Hammer-Verlag erschienen<br />
von Heiner Bontrup<br />
Gänsehaut<br />
Seite 33<br />
Eine Erzählung von<br />
Karl Otto Mühl Seite 37<br />
Als Zivilist unter Uniformierten<br />
Annäherung an ein Portrait des<br />
SPD-Politikers Dr. Willfried Penner<br />
von Matthias Dohmen Seite 39<br />
Neue Kunstbücher<br />
Die Stadt als Architektur<br />
vorgestellt von Thomas Hirsch Seite 42<br />
Buchvorstellungen<br />
Geschichtsbücher – Buchgeschichten<br />
vorgestellt von Matthias Dohmen Seite 44<br />
Dada-Ada<br />
Assoziationen<br />
von Heiner Bontrup Seite 45<br />
Kulturnotizen<br />
Kulturveranstaltungen in der Region Seite 46<br />
Zwischen den Fronten<br />
Die Kriegstagebücher Gerhard Nebels,<br />
wiederentdeckt von Michael Zeller<br />
von Johannes Vesper Seite 50<br />
5
6<br />
Noch bis zum 12. Februar 2012<br />
ist in der Kunsthalle Barmen<br />
des Wuppertaler Von der Heydt-<br />
Museums eine in ihrem Sujet wohl<br />
einzigartige Ausstellung zu sehen:<br />
DEAD_Lines.<br />
Dr. Gerhard Finckh, Leiter des<br />
Von der Heydt-Museums<br />
und die Kuratoren Dr. Birgit Richard und<br />
Dr. Oliver Zybok<br />
Auf Schritt und Tritt<br />
Solange Künstler sich mit dem Leben<br />
beschäftigt haben, ist auch å Ende das<br />
Thema. Der Tod ist auf Schritt und Tritt<br />
im Leben dabei, daher auch topisch für<br />
die bildende Kunst. Raffael, Albrecht<br />
Dürer, Hans Baldung, Alfred Rethel und<br />
Gustav Klimt haben den Tod gemalt, Arnold<br />
Böcklins „Toteninsel“ ist so legendär<br />
geworden wie Jacques-Louis Davids „Tod<br />
des Marat“ (1793) und Wolf Vostell hat<br />
den Tod zum Fluxus-Thema gemacht.<br />
Francisco de Goya, A. Paul Weber, Edvard<br />
Munch, Bazon Brock, Salvador Dali<br />
haben sich mit dem Unausweichlichen<br />
beschäftigt - die Zahl der Künstler ist<br />
Legion. Erst kürzlich veröffentlichte der<br />
Lappan Verlag einen Band mit Cartoons<br />
zum Tod, der mit den großen zeitgenössischen<br />
Zeichnern publikumsnah die<br />
makaber-witzige Seite des Sterbens und<br />
seiner Umstände präsentierte.<br />
Womit wir beim Heute sind - und uns<br />
dem Charakter der aktuellen Ausstellung<br />
in Wuppertal nähern. Die Kuratoren Dr.<br />
Birgit Richard und Dr. Oliver Zybok<br />
haben ihr Augenmerk auf die zeitgenössische<br />
Kunst gerichtet - genauer: auf die<br />
letzten 20 Jahre - und 120 Arbeiten von<br />
56 internationalen Künstlern für ihre<br />
Ausstellung zusammengetragen. Gezeigt<br />
werden Gemälde und Zeichnungen,<br />
Video- und Raum-Installationen, Skulpturen<br />
und Fotografi en. Aufgenommen<br />
wurden „Positionen zur Endlichkeit des<br />
Lebens“ (Birgit Richard), die Orte und<br />
Symbole des Todes aufsuchen, den allgegenwärtigen<br />
medialen Totenkult persifl ieren<br />
(Beispiel Erwin Olafs „Diana“, 2000),<br />
den Jugendkulturen Gothic, Punk und<br />
Black Metal Raum geben mit dem Numinosen<br />
spielen und hautnah mit dem Tod<br />
konfrontieren wie z.B. Anne-Julie Raccoursier<br />
mit ihrer Installation „Jet Lag“<br />
(2007), die ein z.T. von einem Leichentuch<br />
überdecktes Modell einer Boeing<br />
707 zeigt (ihre Arbeit „The Last Refl ex“,<br />
2011) haben wir als Motto über diesen<br />
Artikel gestellt), die nüchternen Fotos von<br />
Lucinda Devlin, die kühl ausgeleuchtete<br />
Todeszellen und Hinrichtungsräume in<br />
US-Gefängnissen aufgenommen hat,<br />
oder ein von Willie Doherty fotografi ertes<br />
ausgebranntes Autowrack „Abandoned<br />
Vehicle II“ (1994).<br />
Mit seiner skulpturalen Installation<br />
„Anzug“ (2007), einer männlichen<br />
Schaufensterpuppe im dezenten Nadelstreifenanzug,<br />
ausgerüstet mit einem<br />
Scharfschützengewehr und Unmengen<br />
von Munition hat MK Kaehne vier Jahre<br />
vor dem grauenhaften Massaker auf der<br />
norwegischen Ferieninsel Utoya wie in<br />
einer alptraumhaften Ahnung ein künstlerisches<br />
Dokument von erschreckender<br />
Aktualität geschaffen. Kaehne erreicht es<br />
durch zwei eindeutige Hinweise, den Finger<br />
am Abzug der Waffe und das Fehlen
Lucinda Devlin, Lethal Injection Chamber, Nevada State Prison, Carson City, Nevada, 1991, aus der Serie The Omega Suites, Chromogenic<br />
print, ca. 49,5 x 49,5 cm, Courtesy Galerie m, Bochum<br />
der oberen Kopfhälfte, also des Gehirns,<br />
die allen Massenmördern, welcher Motivlage<br />
auch immer, gleiche Grundsätzlichkeit<br />
unmißverständlich darzustellen.<br />
Apokalyptisch auch Markus Selgs „Der<br />
Vorhof“ (2004), ein grandioses Tableau in<br />
der Tradition eines Goya.<br />
Schon zu Lebzeiten Ikone und durch<br />
ihren mystifi zierten Tod beinahe zur<br />
Heiligen geworden ist Diana Spencer,<br />
Princess of Wales, „Königin der Herzen“<br />
der Yellow Press und ihrer Leser(innen).<br />
Ihr hat - ich erwähnte es oben - der Holländer<br />
Erwin Olaf mit seinem Gemälde<br />
„Di † 1997“ aus der Serie „Royal Blood“<br />
ein makabres Denkmal gesetzt, das<br />
nun selbst das Zeug hat, zur Ikone zu<br />
werden.<br />
Eines der eindrucksvollsten Werke der<br />
Wuppertaler Ausstellung und durch<br />
seine Teilnahme wirklich sensationell<br />
ist Gregory Crewdsons 145 x 223 cm<br />
große Fotoinszenierung „Esther Terrace“<br />
(2006). Crewdson beherrscht wie kein<br />
zweiter in der Fotografi e die Gegenwart<br />
der Tristesse bis hin zur düsteren Existenzangst<br />
einzufangen. Vor ihm hat das in der<br />
Malerei Edward Hopper zur Perfektion<br />
gebracht. Gregory Crewdsons Entwürfe<br />
sind jedoch von ungleich komplexerer<br />
Anlage. Gewiß ist er seit Beginn des 21.<br />
Jahrhunderts einer der weltweit maßgeblichen<br />
Fotografen.<br />
7
8<br />
oben: Anne-Julie Raccoursier, sans titre, 2011, Neonröhre, Acryl und Klebefolie auf Wand, Maße<br />
variabel, Courtesy by the artist<br />
unten: Almut Linde, Dirty Minimal #52.2 — Landschaft / Feuerpause – Landscape / Cease-Fire, 2008, 2-tlg., C-Print,<br />
318 x 206 cm, Courtesy rahncontemporary, Zürich<br />
rechte Seite: Erwin Olaf, Di † 1997, aus der Serie Royal Blood, 2000, Lambda Print, hinter Plexiglas auf<br />
Dibond aufgezogen, 125 x 125 cm, Courtesy Flatland Gallery, Utrecht
Nicht gezeigt werden dankenswerterweise Beispiele<br />
der entsetzlichen „Plastinate“ des Kunst-<br />
Scharlatans Gunter von Hagens - Wuppertals<br />
Museumsdirektor Dr. Gerhard Finckh hat die<br />
nachvollziehbare Begründung zur Hand: „Das<br />
ist keine Kunst, sondern Handwerk und für<br />
die Kunstwelt unbedeutend.“ Dem ist wohl<br />
nichts hinzuzufügen.<br />
Ein Novum ist, daß um eine Woche<br />
zeitversetzt parallel in der Galerie der Stadt<br />
Remscheid, deren Leiter Oliver Zybok ist,<br />
unter gleichem Titel eine zweite Ausstellung<br />
überschneidend mit Werken z.T. der selben<br />
Künstler wie in Wuppertal eröffnet wird.<br />
Die dort gezeigten Arbeiten ergänzen das<br />
Thema, die Auswahl aber unterscheidet sich<br />
insofern, daß sie den Museumsbesuchern der<br />
Wuppertaler Kunsthalle den Anblick einiger<br />
der eher widerwärtigen Werke erspart, die<br />
Kurator Oliver Zybok für sein eigenes Haus<br />
ausgewählt hat. Aber das ist ja vielleicht<br />
auch nur mein einer grundsätzlichen Ethik<br />
und Ästhetik geschuldeter ganz persönlicher<br />
Geschmack.<br />
Ich habe Ihnen hier nur einige der 70 in<br />
Wuppertal ausgestellten Arbeiten vorstellen<br />
können. Ein Besuch in der Ausstellung lohnt<br />
auf jeden Fall - sicher auch ein vergleichender/ergänzender<br />
Besuch in der Städtischen<br />
Galerie Remscheid, die eine Parallel-Ausstellung<br />
zeigt.<br />
Kunsthalle Barmen - Geschwister-Scholl-<br />
Platz 4-6 - 42275 Wuppertal<br />
Zu den Ausstellungen ist ein von beiden<br />
Museen gemeinsam herausgegebener hervorragender<br />
Katalog erschienen, der in aller<br />
Ausführlichkeit mit brillanten Abbildungen<br />
(alle Exponate werden im Bild gezeigt) und<br />
diversen Aufsätzen das Thema vorstellt:<br />
DEAD_Lines - Hrsg. von Oliver Zybok<br />
und Birgit Richard, Texte von Verena Kuni,<br />
Thomas Macho, Birgit Richard, Manfred<br />
Schneider, Oliver Zybok u. a.<br />
© 2011 Verlag Hatje Cantz, ca. 256 Seiten,<br />
ca. 200 farbige Abb., Deutsch/Englisch,<br />
24,50 x 30,50 cm, gebunden,<br />
ISBN 978-3-7757-3005-1 - 39,80 Euro<br />
Weitere Informationen: www.hatjecantz.de<br />
www.von-der-heydt-kunsthalle.de<br />
Frank Becker<br />
Gregory Crewdson, Untitled (Esther Terrace),<br />
2006, aus der Serie Beneath the Roses,<br />
Digitaler Pigmentdruck, 145 x 223,5 cm,<br />
Museum Frieder Burda, Baden-Baden<br />
11
Beweismittel: Das 9. Wuppertaler<br />
Jazzmeeting<br />
links:<br />
Saxophon (Klaus Dapper)<br />
Foto: Thorsten Leiendecker<br />
unten:<br />
Roy Harrington und Jens Filser<br />
Foto: Karl-Heinz Krauskopf<br />
These: Der Jazz lebt !<br />
Der Psychologe Mihaly Csikszentmihalyi<br />
hatte in den 70er Jahren begonnen,<br />
das Phänomen des „Flow“ zu untersuchen.<br />
Wer jenes wunderbare Gefühl<br />
der Übereinstimmung von sich selbst<br />
mit seiner Mit- und Umwelt praktisch<br />
und live erleben möchte, der gehe zum<br />
Jazzmeeting in die Kulturkneipe „Ada“.<br />
Das Haus des Jazz kennt viele Zimmer<br />
und Kammern: Ob Hot oder Cool,<br />
ob Bebop oder Free: auf zwei simultan<br />
bespielten Bühnen und Ebenen kann der<br />
Besucher zwischen den unterschiedlichen<br />
Spielarten des Jazz fl anieren, auf Neues<br />
und Unbekanntes stoßen oder sein Herz<br />
an Altbewährtem erwärmen. Das von<br />
einem Team um Rainer Widmann und<br />
Uli Armbruster initiierte und organisierte<br />
Jazzmeeting, das nun schon zum neunten<br />
Male über die Bühne ging, ist inzwischen<br />
zu einer festen Institution der Bergischen<br />
Kulturregion geworden. Und zu einer Art<br />
Leistungsschau der quantitativ differenzierten<br />
und qualitativ hochwertigen Wuppertaler<br />
Jazzszene. Mehr als 500 Besucher<br />
strömten in das Ada und füllten es bis auf<br />
den letzten Platz. „Das Schöne am Jazz-<br />
meeting ist, dass sich hier die Protagonisten<br />
ganz unterschiedlicher Stilrichtungen<br />
treffen, die einander – obwohl sie in einer<br />
Stadt leben und spielen – sonst vielleicht<br />
einander gar nicht begegnen würden.<br />
So kam es immer mal wieder zu überraschenden<br />
Fusionsprojekten.“ Wunderbar<br />
ist auch, dass sich der Jazz, dem schon als<br />
Musik des vergangenen Jahrhunderts der<br />
Tod angedichtet wurde, beim Meeting im<br />
Ada als unverschämt lebendig erweist. Da<br />
sind junge Gesichter zu sehen – auf der<br />
Bühne und im Publikum! In diesem Jahr<br />
etwa das „CFG and all that jazz“-Septett<br />
des Carl-Fuhlrott-Gymnasiums. Unter<br />
der Leitung der Lehrerin und leidenschaftlichen<br />
Saxophonisten präsentierte<br />
die Schüler-Combo Jazz-Klassiker und<br />
heimste dafür begeisterten Beifall an<br />
jenem Ort ein, der früher eine Hochburg<br />
des Free Jazz war. So ändern sich die<br />
Zeiten und künstliche Schranken fallen.<br />
Dass der Nachwuchs auch musikalisch<br />
überzeugen und dabei sogar Wege jenseits<br />
des Mainstreams beschreiten konnte,<br />
demonstrierte die die 20-köpfi ge Band<br />
„Jazzpension“ der Bergischen Musikschu-<br />
13
le unter der Leitung des Trompeters Martin<br />
Zobel. Für viele der jungen Musiker<br />
dieses Ensembles ist die Unterkunft in der<br />
Jazzpension ein wichtiger Zwischenstopp<br />
auf dem Weg zum Studium von Jazz und<br />
Popularmusik. Dieses Zusammenführen<br />
von etablierten und jungen Musikern ist<br />
eine kluge Form der Nachwuchsförderung<br />
– was wohl auch das Ministerium<br />
für Jugend und Kultur sowie der Landesmusikrat<br />
so sehen, die das „Jazzmeeting“<br />
dankenswerterweise als Sponsoren fi nanziell<br />
unterstützen und ermöglichen.<br />
linke Seite: CFG-and all that jazz<br />
v.l.n.r. Leon Gleser, Max Schneider, Nicole<br />
Schaller-Picard, Zita King,<br />
Foto: Karl-Heinz Krauskopf<br />
unten links: Holger Mertin<br />
Foto: Karl-Heinz Krauskopf<br />
unten rechts: André Enthöfer<br />
Foto: Thorsten Leiendecker<br />
Neben den Auftritten von Wuppertaler<br />
Jazzgrößen wie Andre Enthöfer war<br />
das „Saz Special Project“ des Wuppertaler<br />
Musikers Ralf Werner einer der Höhepunkte.<br />
Das Saz-Projekt vereint unterschiedliche<br />
Musikkulturen: Tabla, die<br />
indische Handtrommel, trifft in Gestalt<br />
des Cellos auf die europäische Musiksprache<br />
der Klassik, verbindet sich mit dem<br />
Folk der 1970er Jahre und dem jazzigen<br />
Sound des Saxophons. Vier Musikkulturen<br />
aus Indien, den USA, dem Orient<br />
und Deutschland verschmelzen zu einem<br />
wunderbaren Amalgam aus Klangfarben.<br />
Besonderer Gast bei diesem Projekt war<br />
der mit zweitem Wohnsitz in Wuppertal<br />
lebende amerikanische Gitarrist David<br />
Becker.<br />
Beeindruckend war auch die intermediale<br />
Performance, bei der drei Musiker<br />
auf drei Videokünstler trafen. Eberhard<br />
Kranemann (Gitarre, Saxophon, Keyboard,<br />
Stimme), Gründungsmitglied der<br />
legendären Gruppe „Kraftwerk“ und damit<br />
einer der wesentlichen Protagonisten<br />
der Neuen Deutschen Welle war Motor<br />
dieses Projektes, bei der alle Protagonisten<br />
gemeinsam frei improvisierend auf die<br />
Klangangebote und Bildvorschläge der<br />
jeweils anderen eingingen, sodass sich ein<br />
ständig veränderndes Gefl echt aus aus<br />
potischen und akustischen Informationen<br />
entstand, das den Zuhörer magisch in den<br />
Bann seiner Aufmerksamkeit zog.<br />
Die Überraschung des diesjährigen<br />
Meetings war vielleicht das Duo Mathias<br />
Haus und André Nenzda. Haus’ Vibraphon<br />
trifft auf Nenzdas Kontrabass;<br />
Metall auf Holz und was aus dieser Begegnung<br />
entstand, waren dichte Passagen<br />
von Schwebungen, Klangschichtungen<br />
und intensiver Stille: ein ganz ungewöhnlicher<br />
Flow aus Klangfarben und Tönen,<br />
der noch lange nachklingen – wie das<br />
Jazzmeeting selbst.<br />
Heiner Bontrup<br />
15
16<br />
Das Prisma-Streichquartett<br />
in der Historischen Stadthalle<br />
Wuppertal<br />
Das Prisma-<strong>Quartett</strong> v.l.n.r.:<br />
Pirkko Langer, Cello<br />
Kathrin Brosi, Violine<br />
Annette Hartmann, Viola<br />
Benjamin Spillner, Violine<br />
© für beide Fotos: Janine Kühn<br />
<strong>Saitenspiel</strong>: <strong>Im</strong> <strong>Quartett</strong> (1)<br />
Das Prisma-<strong>Quartett</strong> ist in Wuppertal in<br />
bester Erinnerung, war es doch bereits<br />
in der letzten Spielzeit am gleichem Ort<br />
zu hören, damals mit selten aufgeführten<br />
Werken wie Otmar Schoecks „Notturno“<br />
für Solo-Bariton und Streichquartett<br />
oder John Cages „String Quartet in Four<br />
parts“. Die Auseinandersetzung mit<br />
zeitgenössischer Musik ist dem lebendigen<br />
<strong>Quartett</strong> wichtig. In den letzten<br />
zwei Jahren wechselte die Besetzung der<br />
beiden Geigen zweimal. Nun spielen<br />
also Benjamin Spiller, Kathrin Brosi,<br />
Annette Hartmann und Pirkko Langer<br />
zusammen. Der aktuelle, junge Primarius<br />
ist Konzertmeister der Heidelberger Symphoniker<br />
und Schüler von Ulf Hoelscher.<br />
Kathrin Brosi stammt aus dem Württemberger<br />
Kammerorchester und scheint sich<br />
schon immer vor allem für Kammermusik<br />
interessiert zu haben.<br />
An diesem herrlichen, sonnigen Herbsttag<br />
(23. 10. 2011) wird das Kammerkonzert<br />
am Nachmittag eröffnet mit Joseph<br />
Haydns Quintenquartett (Op. 76.Nr. 2),<br />
so benannt nach den fallenden Quinten,<br />
mit denen das <strong>Quartett</strong> beginnt. In der<br />
offenen, luziden Akustik des Mendelssohn-Saales<br />
wird jede Nuance hörbar,<br />
jede Nähe des Bogens zum Steg und jede<br />
forcierte Berührung mit der Saite. Die<br />
1. Violine ist bei Haydn immer enorm<br />
gefordert, virtuos in den Ecksätzen und<br />
im Variationssatz, der warme Ton des<br />
Violoncellos hält dagegen. Die Oktavkopplung<br />
der Violinen gegen Bratsche<br />
und Cello in der Art eines zweistimmigen<br />
Kanons gibt es schon in den ganz frühen<br />
Streichquartetten Haydns, des Erfi nders<br />
dieser Gattung. Aber welche musikalische<br />
Entwicklung der Persönlichkeit bzw.<br />
ihres musikalischen Ausdrucks fi ndet sich<br />
zwischen Op. 1.1 von 1756 und dem<br />
Op. 76,2 von 1799. Die Vitalität und der<br />
Einfallsreichtum sind beim 67 jährigen<br />
Haydn ungebrochen, und wir konnten<br />
das heute erleben.<br />
Der 1926 in Rumänien geborene<br />
György Kurtág gilt neben Ligeti als der<br />
wichtigste Komponist Ungarns. 1993 war
er als „Composer in Residence“ Gast der<br />
Berliner Philharmoniker. Heute nun 12<br />
kurze Stücke („Mikroludien“ Op. 13) von<br />
1977/78. Schwebende Disharmonien,<br />
schluchzende Glissandi, kräftige Pizzicati,<br />
rhythmische vertrackte Klänge. Leises<br />
Flageolett mit Dämpfer oder auch ohne<br />
erinnert an Töne, die man von Panfl öten<br />
her kennt. Kräftige Motive von Bratsche<br />
und Cello im Klangteppich der beiden<br />
Geigen, Große dynamische Gegensätze<br />
im Tremolo mit und ohne Vibrato. Der<br />
Zuhörer ist ob der Ausdrucksfülle und<br />
der Leichtigkeit des Vortrags fasziniert.<br />
Nach der Pause dann das Streichquar-<br />
<strong>Im</strong> Herbst/Winter 2011 bringt das Prisma<br />
<strong>Quartett</strong> folgende Konzertprogramme zu<br />
Gehör:<br />
J. Haydn: Streichquartett d-moll, op. 76/2<br />
G. Kurtág: 12 Mikroludien für Streichquartett,<br />
op. 13, Hommage à Mihály András<br />
J. Brahms: Streichquartett, a-moll, op. 51/2<br />
D. Hahne: „Writings“ für Klavierquartett,<br />
elektronische Klänge und Video (2009)<br />
D. Hahne: „Ecoute II“ für verstärktes<br />
Streichquartett und Klarinette (1997)<br />
W. A. Mozart: Streichquartett G-Dur,<br />
KV 387<br />
B. Bartók: Streichquartett Nr. 3, Sz 85<br />
F. Mendelssohn Bartholdy: Streichquartett<br />
Nr. 6, f-moll, op. 80<br />
F. Schubert: <strong>Quartett</strong>satz c-moll, D 703<br />
A. Zemlinsky: Streichquartett Nr. 3, op. 19<br />
L. v. Beethoven: Streichquartett B-Dur,<br />
op. 18/6<br />
J. Haydn: Streichquartett Es-Dur, op. 64/6<br />
S. Prokofi ev: Streichquartett Nr. 2, F-Dur,<br />
op. 92, Sur des Thèmes Kabardines<br />
M. Ravel: Streichquartett F-Dur<br />
Termine in Wuppertal:<br />
25. 11.12011 Schulkonzert<br />
Sonntag, 27. 11. 2011, 16.00 Uhr:<br />
W. A. Mozart: Streichquartett G-Dur,<br />
KV 387<br />
Bela Bartók: 3. Streichquartett<br />
F. Mendelssohn-Bartholdy: Streichquartett<br />
f-moll Op. 88<br />
Die gesamte Kammermusikreihe 2011/12<br />
mit dem Prisma-<strong>Quartett</strong> wird wie 2010/11<br />
fi nanziell gefördert von Detlef Muthmann.<br />
Weitere Informationen:<br />
www.prisma-quartett.de<br />
tett a-moll (Op. 51, Nr. 2) von Johannes<br />
Brahms. Zwar kein Alterswerk wie Op.<br />
76.2, aber immerhin war Brahms 40 Jahre<br />
alt, bevor er erstmals Streichquartette<br />
und zwar die des Op. 51 veröffentlichte.<br />
Es war also eine lange Geburt mit seinen<br />
Streichquartetten. Er hat sie seinem<br />
Freund, dem heute noch berühmten<br />
Chirurgen Theodor Billroth gewidmet.<br />
Das Werk von 1873 gibt mit singenden,<br />
nahezu wienerisch anmutenden,<br />
schwelgenden Melodien die Stimmung<br />
des Komponisten („frei- aber froh bzw.<br />
„frei, aber einsam“! Kopfmotiv: a-f-a-e)<br />
wieder. <strong>Im</strong> 3. Satz, der mit fl inkem Piano<br />
Sommernachtsträume weckt, ist die<br />
Virtuosität und Sensibilität aller vier gefordert.<br />
Das ganze <strong>Quartett</strong> ist bei seiner<br />
Komplexität voll wunderbarer Musik und<br />
im letzten Satz mit einem kurzen Finale<br />
furioso synkopisch-ungarisch angehaucht.<br />
Das <strong>Quartett</strong> bedankte sich für den reichen<br />
Applaus des kleinen Publikums mit<br />
dem 2. Satz aus Mendelssohns Streichquartett<br />
Nr. 6, welches in Gänze später in<br />
der Wuppertaler Kammermusikserie des<br />
<strong>Quartett</strong>s zu hören sein wird.<br />
Johannes Vesper<br />
17
Tora und Textilien:<br />
Alte Synagoge und jüdisches<br />
Museum<br />
rechts:<br />
Die Begegnungsstätte Alte Synagoge an der<br />
Genügsamkeitstraße in Elberfeld<br />
linke Seite:<br />
„Die kleine Reni“ –<br />
Ausstellungsdetail<br />
Irgendwie jüdisch<br />
Eigentlich hätte dort ein Parkhaus stehen<br />
sollen – da, wo seit 1865 bis zu ihrer Zerstörung<br />
in der Reichskristallnacht 1938 die<br />
Elberfelder Synagoge gestanden hat. Wer<br />
hätte gedacht, dass an dieser Stelle heute,<br />
mitten in der Stadt, ein Apfelgarten steht!<br />
Parkhaus oder Gedenkstätte – darüber<br />
stimmte schließlich 1986 nach langen<br />
Debatten der Rat der Stadt Wuppertal ab:<br />
„Am Platz der ehemaligen Synagoge in der<br />
Genügsamkeitstraße in Elberfeld wird ein<br />
Mahnmal errichtet. Die Gedenkstätte soll<br />
an das Schicksal der Juden in Wuppertal in<br />
der Zeit des Nationalsozialismus erinnern<br />
und die nachwachsenden Generationen<br />
mahnen, das Schicksal dieser Bürger unserer<br />
Stadt nicht zu vergessen, um gemeinsam<br />
zu verhindern, dass je wieder Gleiches<br />
geschieht.“<br />
Die spannungsreichen Diskussionen der<br />
Politiker kann man heute in der Begegnungsstätte<br />
mittels einer Hörstation verfolgen.<br />
Angesichts des Ergebnisses ist es kaum<br />
noch nachvollziehbar, dass es beinahe zu<br />
einem Scheitern gekommen wäre !<br />
Zwei Jahre nach dem Ratsbeschluss wurde<br />
ein Architektenwettbewerb zu Gunsten der<br />
Architekten- und Künstlergemeinschaft<br />
Peter Busmann & Godfried Haberer, Köln,<br />
mit dem Bildhauer Zbyszek Oksiuta, Köln,<br />
und dem Landschaftsarchitekten Volker<br />
Püschel aus Mettmann entschieden.<br />
<strong>Im</strong> Juni 1993 gründete sich der „Trägerverein<br />
Begegnungsstätte Alte Synagoge<br />
Wuppertal“ e. V. aus zehn Vereinen, zu<br />
denen u. a. die Bergische Universität<br />
Wuppertal, evangelische und katholische<br />
Institutionen und die Jüdische Kultusgemeinde<br />
Wuppertal gehörten.<br />
Ulrike Schrader hat die Begegnungsstätte<br />
seit 1994 ohne Dauerausstellung<br />
geleitet. 2009 sah sie die Zeit gekommen,<br />
das Konzept zu ändern: „Mit dem wachsenden<br />
zeitlichen Abstand vom Nationalsozialismus<br />
gerät der moralische Aspekt in<br />
den Hintergrund. An seine Stelle tritt der<br />
Bedarf an Informationen, die zeitgemäß<br />
lebendig und anschaulich aufbereitet sein<br />
müssen, um auch in Zukunft Interesse zu<br />
wecken.“ ‚Tora und Textilien’ heißt die<br />
Ausstellung, denn es war die Herstellung<br />
von Stoffen und Bändern, also Textilien,<br />
die das Wuppertal seit dem 17. Jahrhundert<br />
für Einwanderer, darunter auch vielen<br />
Juden, so attraktiv machte.<br />
Da die Juden als unterdrückte Minderheit<br />
dauernde Rechtsunsicherheit zu erdulden<br />
hatten, hofften sie auf günstigere Lebens-<br />
und Arbeitsmöglichkeiten. So ist es kein<br />
Wunder, dass sie sich mit den Zielen der<br />
Französischen Revolution identifi zierten<br />
und die Chancen ergriffen, die ihnen die<br />
rechtliche Gleichstellung und der rasante<br />
wirtschaftliche und technische Aufschwung<br />
zu Beginn des 19. Jahrhunderts boten.<br />
Während 17 Jahren ihrer Tätigkeit als<br />
Leiterin der Begegnungsstätte hat Ulrike<br />
Schrader von Wuppertaler Bürgern und<br />
19
20<br />
vor allem von ehemaligen Wuppertalern,<br />
die als Juden ihre Heimat um 1930 haben<br />
verlassen müssen, eine Fülle von Dokumenten<br />
wie Schriftstücken, Fotografi en<br />
und Objekten bekommen. Diesen Schatz<br />
galt es zu ordnen und zu gestalten.<br />
An diesem Punkt begann die Zusammenarbeit<br />
zwischen der Kuratorin Ulrike<br />
Schrader und der Kommunikationsdesignerin<br />
Andrea Hold-Ferneck und ihren<br />
Mitarbeitern. Sie konnte neben ihrer<br />
berufl ichen Qualifi kation - „Designer<br />
gestalten die zu kommunizierenden Inhalte<br />
im Raum und setzen dabei optische<br />
Schwerpunkte,“ auch ihre Erfahrungen als<br />
bildende Künstlerin einbringen, da sie ihre<br />
Fotografi en in den jeweiligen Ausstellungsräumen<br />
eigenwillig inszeniert, indem sie<br />
vorgefundene Gegenstände einbezieht. In<br />
Abstimmung mit der Kuratorin entwickelte<br />
sie das gesamte künstlerische Ausstellungskonzept<br />
– von der Innenarchitektur<br />
über das farbliche und grafi sche Erscheinungsbild<br />
so wie der Lichtführung des<br />
gesamten „Museums“.<br />
Unterwegs zur Gedenkstätte sieht der<br />
Besucher sofort, dass ihn eine besondere<br />
Architektur erwartet. Der Blick ist gefesselt<br />
durch das langgezogene stilisierte Sockelgeschoss<br />
eines Gründerzeithauses, das dort<br />
einst an der Genügsamkeitstraße gestanden<br />
hat. In seiner eigenwilligen Perspektive<br />
erscheint es einem expressionistischen<br />
Bühnenbild entnommen. Angelehnt an<br />
den Hang und damit aus der Senkrechten<br />
gekippt, leitet es zum Eingang des Hauses.<br />
Jetzt, im September, steht dort ein Korb<br />
mit museumseigenen Äpfeln. Sie sind aus<br />
dem Apfelgarten der Gedenkstätte. Der<br />
Landschaftsarchitekt Wolfgang Püschel<br />
hat oberhalb der Gebäude am Hang einen<br />
durch Mauerreste und Häuser abgeschlossenen<br />
Apfelgarten mit zehn Apfelbäumen<br />
und einem schmalen, achsialen Wasserlauf<br />
angelegt. Die rechte Seite der Baukörper<br />
begrenzt eine schlichte, grau geschotterte<br />
Freifl äche, deren einziger Schmuck eine<br />
„sofora japonica“, ein prachtvoller Baum<br />
mit tief hängenden Zweigen ist, der sich<br />
den unwirtlichen Bedingungen dieses<br />
Standortes gewachsen zeigt. Unter den<br />
Zweigen fast verborgen fi ndet sich ein Granitblock,<br />
der ebenso an eine Bank denken<br />
lässt wie an einen Sarkophag. Von dort aus<br />
sieht man gut den abweisenden grauen<br />
Baukörper des Langhauses, der an eine<br />
Lagerbaracke erinnert. Jeder Bau besteht<br />
aus einem anderen Material, Stahl, Ziegel,<br />
Granit, Beton oder Blei. In Anlehnung an<br />
den Grundriss der früheren Synagoge haben<br />
die Architekten eine Gruppierung von<br />
Bauten geschaffen, die sich aus geometrischen<br />
Grundformen wie Würfel, Rechteck,<br />
Halbkreis und Kreis addieren und eng<br />
auf einander bezogen sind, indem sie sich<br />
irgendwo durchdringen. Diese an mittelalterliche<br />
Kirchen erinnernde additive<br />
Bauweise wirkt ebenso leicht wie wuchtig,<br />
einladend und abweisend, zurückhaltend<br />
und monumental, spannungsvoll und<br />
zurückgenommen.<br />
Das gesamte Ensemble bezieht sich auf<br />
den Grundriss der früheren Synagoge,<br />
deren ehemaliger Fußboden durch dunkle<br />
Steinplatten aus Granit bezeichnet ist,<br />
die sich in der großen Halle des Kubus<br />
fortsetzen und gegen hellere Platten aus<br />
Marmor innerhalb der neuen Bebauung<br />
abgesetzt sind.<br />
Die Architekten haben alle Fenster- und<br />
Türrahmen der Halle auf den ursprünglichen<br />
Grundriss bezogen, so dass alles aus<br />
den Fugen geraten scheint, entsprechend<br />
dem Fragment des Gründerzeithauses an<br />
der Straßenfront. Nichts ist an eine Achse<br />
gebunden außer dem schmalen Wasserlauf,<br />
der den Obstgarten durchteilt, und<br />
deshalb ist alles in Bewegung. Selbst die<br />
Apfelbäume sind schräg gepfl anzt.<br />
Diese stillen, leeren Räume galt es<br />
einerseits zu bewahren, andererseits für<br />
eine Dauerausstellung zu nutzen. Die<br />
Designerin sah die Herausforderung darin,<br />
sich nicht der vorhandenen Architektur<br />
unterzuordnen, sondern ihre eigenen Ideen<br />
„in Harmonie dagegen zu setzen.“ So hat<br />
Andrea Hold-Ferneck die architektonische<br />
Sprache aufgenommen: Alle Maße der Einbauten<br />
in der Ausstellungshalle beziehen<br />
sich auf die von der Architektur vorgegebenen<br />
Proportionen und ordnen sich so der<br />
Harmonie des Raumes ein.<br />
Bei der Präsentation der Ausstellungsstücke<br />
war es der Kuratorin und der Gestalterin<br />
ein Anliegen, den Besucher durch modernes<br />
Ausstellungsdesign aufzufordern sich<br />
einzulassen. Gemeinsam haben sie aus<br />
dem reichen Fundus der verschiedenen<br />
Themenkomplexe die passenden Stücke<br />
zusammengestellt und Ideen entwickelt,<br />
wie die Objekte, Dokumente, Texte und<br />
Hörstationen zu präsentieren seien. Andrea<br />
Hold-Ferneck kam dabei ihre Fähigkeit zugute,<br />
Inhalte in Farben, Formen und Proportionen<br />
einzubetten und sich in die Rolle<br />
des möglichst unbefangenen Betrachters zu<br />
versetzen. Ulrike Schrader wünschte sich<br />
ein vielseitiges, abwechslungsreiches Ausstellungskonzept.<br />
Ihr ist es wichtig, dass die<br />
Begegnungsstätte auch als außerschulischer<br />
Ort des Lernens genutzt werden kann.<br />
So ist ein überaus anschauliches, lebendiges<br />
„Museum“ entstanden. Das Foyer der<br />
Begegnungsstätte ist schlicht und zurückgenommen.<br />
Hier wurde als erstes für eine<br />
hellere Beleuchtung gesorgt. Rechter Hand<br />
öffnet sich ein großer, heller runder Bibliotheksraum,<br />
der zum Verweilen einlädt.
Vom Treppenhaus aus wird der Betrachter<br />
mit jedem Schritt in das Leben<br />
und in die Bräuche der Juden eingeführt.<br />
Die Farben Grün und Rot begleiten ihn<br />
durch das Haus – bis auf die kleinen<br />
weißen Täfelchen, die ihm zum ersten Mal<br />
im Treppenhaus begegnen. Sie sind blau<br />
beschriftet „irgendwie jüdisch“. „Blau ist<br />
die jüdische Farbe,“ sagt Ulrike Schrader,<br />
„denn Himmelblau ist die Farbe der<br />
Streifen des jüdischen Gebetsmantels, des<br />
Tallit. Und deshalb müssen wir neben dem<br />
Grün auch noch ein bisschen Blau haben.<br />
Öffnet man ein Täfelchen, blickt einem<br />
ein Mensch entgegen wie du und ich, der<br />
über seine ‚irgendwie jüdische’ Identität<br />
Auskunft gibt.“ Schnell wird klar, dass es<br />
„das Judentum“ nicht gibt.<br />
Oben angekommen befi ndet man sich<br />
in einer strahlend hellen kleinen Rotunde.<br />
Hier fi nden sich stilisierte Küchenschränke,<br />
in denen man koschere Speisen entdecken<br />
kann, Speisevorschriften so wie verschiedene<br />
Gegenstände aus dem jüdischen Alltag<br />
und Festtagskreis. Ein schmaler Korridor<br />
führt unmittelbar in den Kubus, der<br />
großen Ausstellungshalle, mit einem abgetrennten<br />
intimeren Raumteil für Ausstellungsstücke,<br />
die dem Schicksal der Juden<br />
seit dem ersten Weltkrieg gewidmet sind.<br />
Frei im Raum, jedoch auf dem Bodensegment<br />
der früheren Synagoge, stehen<br />
stilisierte Synagogenbänke, die auch an<br />
altmodische Schulpulte erinnern. Hier<br />
kann man sich niederlassen, Schubfächer<br />
und Pultdeckel öffnen, Dokumente<br />
und Objekte entdecken oder Biografi en<br />
nachlesen. Neben den Bänken sind wunderschöne,<br />
detaillierte hölzerne Modelle<br />
der Synagogen im Bergischen Raum zu<br />
sehen.<br />
<strong>Im</strong> Kubus laden leuchtend orangefarbene<br />
Täfelchen Kinder ein, sie in die Hand<br />
zu nehmen: „Der Wuppertaler Künstler<br />
Wolf Erlbruch hat Illustrationen zu dem<br />
jüdischen Weber Samuel Steilberger gezeichnet,<br />
der Mitte des 19. Jahrhunderts<br />
mit seiner Frau und seinen neun Kindern<br />
von Langenberg in das aufblühende Elberfeld<br />
gezogen ist. Dieser weit verzweigten<br />
Familie verdanken sich zahlreiche<br />
Ausstellungsstücke, die von 1701-2010<br />
datieren und vor allem den kleinen Besuchern<br />
helfen sich zu orientieren.“<br />
Durch hohe schmale Fenster fällte der<br />
Blick auf den Apfelgarten. Der Garten liegt<br />
am Hang und präsentiert sich in seiner<br />
ganzen üppigen Fülle. Jetzt, im Herbst,<br />
leuchten die Früchte rot aus dem Laub.<br />
<strong>Im</strong> Inneren ist die Ausstellungsarchitektur<br />
durch ein kühles lichtes Grün dominiert,<br />
das mit einem hellen Brombeerrot kontrastiert.<br />
Vereinzelt sieht man es als Akzent auf<br />
Beschriftungen, und beide Farben fi nden<br />
sich auf dem Logo des Museums.<br />
Dazu sagt die Designerin: „Mir war es<br />
ein Anliegen, die zahlreichen beigefarbenen<br />
und grauen Dokumente so einzubetten,<br />
dass sie optimal lesbar sind und<br />
möglichst prägnant wirken. Die Farbe<br />
musste zu den vorhandenen Grautönen<br />
passen und auf den Betrachter anre-<br />
gend wirken. Außerdem soll sich weiße<br />
und schwarze Schrift gut abheben. Die<br />
Farben haben also bestimmte Kriterien<br />
zu erfüllen. Auch der Blick von Außen<br />
nach Innen ist zu bedenken: Ein grünes<br />
Inneres passt zu einem roten Ziegelbau<br />
und leuchtet von Innen nach Außen. Ich<br />
habe diese Farben nicht aus symbolischen<br />
Gründen gewählt.“<br />
Dennoch darf man sich als Betrachter an<br />
die symbolische Bedeutung von Farben erinnern.<br />
So steht das Grün ebenso für den<br />
Tod wie für das Leben und bedeutet in der<br />
Kabbala „Sieg“. Auch die Äpfel kann man<br />
symbolisch sehen. Sie sind zugleich Sinnbilder<br />
der Fruchtbarkeit und der Liebe wie<br />
der Sünde und des Bösen; im Lateinischen<br />
heißt der Apfel ‚malum’, das Böse. Eva ist<br />
der Versuchung erlegen, von dem Apfel zu<br />
essen, und Maria, die Jüdin war, trägt als<br />
neue Eva den Apfel in der Hand. Selbst<br />
die Anzahl der Apfelbäume ist wohl nicht<br />
zufällig gewählt: „Die Zehnzahl bezieht<br />
sich möglicherweise auf den ‚Minjan’,<br />
das Quorum der jüdischen Männer, die<br />
anwesend sein müssen, wenn aus der Tora<br />
gelesen werden soll.“<br />
Die Begegnungsstätte Alte Synagoge<br />
ist ein lebendiges „Museum“, das ebenso<br />
souverän wie zurückhaltend mit einem<br />
überaus sensiblen Thema umgeht und<br />
sich nicht aufdrängt. Sie ist eine Ort der<br />
Stille mitten in Elberfeld, an den man<br />
gern zurückkehrt. So reiht sie sich ein in<br />
die die Kostbarkeiten, die in dieser Stadt<br />
zu entdecken sind.<br />
Öffnungszeiten:<br />
Dienstags bis freitags 14 – 17 Uhr<br />
Sonntags 14 – 17 Uhr<br />
Führungen:<br />
Telefon 02 02-5 63 28 43<br />
Marlene Baum<br />
Fotos: Andrea Hold-Ferneck<br />
Fotos links und linke Seite:<br />
Ausstellungsdetails<br />
Foto rechts:<br />
Blick in die große Ausstellungshalle<br />
21
Die Gitarrenspielerin<br />
André Poloczek<br />
Foto: Jörg Lange<br />
Loriots Grabstein<br />
Mit spitzer Feder<br />
Der mit Wupperwasser getaufte Zeichner,<br />
Karikaturist und Illustrator André<br />
Poloczek (51), ein überzeugter Arrenberger,<br />
der unter dem Kürzel «POLO» zu<br />
den besten deutschen Cartoonisten zählt,<br />
erreicht mit der 2 g leichten Zeichenfeder<br />
etwas, das von unschätzbarem therapeutischem<br />
Wert ist: er schenkt uns eins<br />
ums andere Schmunzeln oder herzliches<br />
Lachen. Längst ist er neben seinem<br />
Urgroßonkel Wilhelm Neumann-Torborg<br />
(1856-1917), der 1903 das jüngst auf<br />
dem Elberfelder Kirchplatz wiedererrichtete<br />
Armenpfl ege-Denkmal geschaffen<br />
hatte, in die Wikipedia-Liste der berühmten<br />
Wuppertaler eingezogen. Daß<br />
Wuppertal mit Künstlern wie Chlodwig<br />
Poth, Eugen Egner und Jorgo Schäfer<br />
eine große Tradition der gezeichneten<br />
Satire und somit einen guten Boden dafür<br />
hat, sei am Rande erwähnt.<br />
Aus seinem Atelier an der Friedrich-<br />
Ebert-Straße - mit Wupperblick und<br />
Schwebahn-Vorbeifl ug im 3-Minuten<br />
Takt - gehen die Bilder ins Land, die<br />
schon so viele Menschen zu eben diesem<br />
Lachen gebracht haben, Leser von „Titanic“<br />
(seit 2009 mit Andreas Greve als<br />
„Jünger & Schlanker“), „Eulenspiegel“,<br />
„ran“, „Tabula“, „Kowalski“ und „X-<br />
Mag“ (um nur einige zu nennen) werden<br />
es wissen. Sein «Anton von der Gathe»<br />
(zuerst in den Wupper Nachrichten<br />
später) in der Wuppertaler Rundschau<br />
war 20 Jahre lang Kult, wenn auch ein<br />
Ölberger, ähnlich die monatlichen „Tuffi<br />
s“ im Satire-Magazin „iTalien“. Sicher<br />
hat manch einer auch schon eins seiner<br />
an die 20 Bücher, in der Mehrzahl beim<br />
Lappan Verlag erschienen, in den Händen<br />
gehabt und nicht wieder hergeben wollen.<br />
Das ist zu verstehen, denn sie sind von<br />
tiefem Humor, der mitunter auch beißenden<br />
Spott und scharfe Satire enthält.<br />
„Schadenfreude ist die reinste, aber auch<br />
die einfachste“, sagt POLO, „das ist mir<br />
meist zu wenig.“ Diesen Grundsatz hält<br />
er ein und ist zufrieden, wenn das Lachen<br />
ein Erkenntnis-Lachen ist: „Dann stimmt<br />
die Pointe!“. Große Erfolge waren 1997<br />
das geradezu prophetische „Die Post geht<br />
an die Börse“, 1998 das ultimative VW-<br />
Buch „Echt Käfer“ (beide mit Ari Plikat)<br />
und 2001 „Mama, was ist ein Klugscheißer?“,<br />
Humorstandards seine Bücher der<br />
Reihe „Cartoons für...“. Wer sich übrigens<br />
eine bittere Pille aus der Apotheke holen<br />
muß, kann sich die auch mit POLOs<br />
Cartoons versüßen: Seit 2000 ist POLOs<br />
jährlicher Kalender „Heitere Apotheken-<br />
Welt“ der Renner im legalen Drogenhandel.<br />
Dauerhaft lauern seine Cartoons<br />
und Postkarten in den Buchläden auf<br />
Lachhungrige.<br />
23
24<br />
POLO arbeitet diszipliniert mit einer<br />
selbst gesetzten Kernzeit von 10.30 –<br />
19.30 Uhr in seiner Humorwerkstatt und<br />
legt Wert auf das Handwerk. Er gehört<br />
zu den wenigen, die - wenn auch nicht<br />
ausschließlich - noch mit der Zeichenfeder<br />
und dem Tuschefäßchen arbeiten und<br />
er ist ständig auf der Jagd nach dem raren<br />
Werkzeug, damit das heitere Werk gelinge.<br />
1996 wurde er mit dem 1. Preis beim<br />
Berliner Karikaturensommer belohnt, vergleichbar<br />
mit dem Deutschen Kleinkunstpreis,<br />
sozusagen der „Oscar“ der Zeichner,<br />
2002 in Dresden mit dem mit 5.000,-<br />
Euro dotierten 2. Platz im „Deutschen<br />
Karikaturenpreis“. Seit 2008 nimmt er<br />
jährlich am Prerower Karikaturensommer<br />
teil, einer Open-Air-Ausstellung;, 2010<br />
schmückte einer seiner Cartoons den Titel<br />
des begleitenden Katalogs – und auch<br />
die „Caricatura“ in Kassel sieht POLO<br />
gerne als ständigen Gast. Sein Strich wird<br />
erkannt und geschätzt, auch von privaten<br />
Auftraggebern, denn er arbeitet auch als<br />
Illustrator und Werbegraphiker. Seine<br />
erste Liebe galt übrigens der Malerei, er ist<br />
ein großer Vermeer-Verehrer. Da ist PO-<br />
LOs „Gitarrenspielerin“ als Tribut an den<br />
alten Holländer nur logische Konsequenz.<br />
Mit Andreas Greve, den er schon 1989<br />
bei F.K. Waechters Sommerakademie<br />
getroffen hat, bildet POLO seit 2009<br />
das Cartoon-Duo „Jünger & Schlanker“.<br />
Nicht nur veröffentlichen die beiden<br />
regelmäßig ihre Cartoons in der „Titanic“<br />
und in den „Musenblättern“, sie treten<br />
auch mit Bühnenprogrammen live vor<br />
ihr Publikum und das - wovon ich mich<br />
schon selbst überzeugen konnte - mit<br />
großem Erfolg.<br />
Die Welt kann Schüler von F.K. Waechter<br />
und F.W. Bernstein, der nun selbst zur<br />
Bundesliga der heiteren Graphik zählt,<br />
zwar mit seinen urkomischen, bisweilen<br />
erfrischend albernen Cartoons nicht besser<br />
machen, aber man erträgt sie lachend<br />
leichter. Dazu dienen dem „gelernten“<br />
Literaturwissenschaftler als Augen<br />
zwinkernd benutze Mittel Scherz, Satire,<br />
Ironie und tiefere Bedeutung. Joachim<br />
Ringelnatz hat es in einem seiner „Kuttel<br />
Daddeldu“-Gedichte auf den Punkt gebracht:<br />
„Du mußt die Leute in die Fresse<br />
knacken...“. Das tut POLO konsequent,<br />
doch keiner könnte ihm böse sein – er hat<br />
ja Recht! Was viele gar nicht wissen, ist,<br />
daß er so ganz nebenbei ein vorzüglicher<br />
Portrait-Karikaturist ist, der die Großen<br />
der deutschen Literatur zu seinem<br />
Lieblingsthema gemacht hat. Hermann<br />
Hesse, Heinrich Böll, Günther Grass oder<br />
besagten Ringelnatz zum Beispiel hat er<br />
mit scharfem Blick und spitzer Feder in<br />
limitierter Aufl age köstlich aufgespießt.<br />
Wenn POLO nicht zeichnet oder zur<br />
Entspannung zur E-Gitarre greift (Rock/<br />
Blues) - – als Mitglied der „Yell Owl Girl<br />
Group“ konnte er vor einiger Zeit sogar<br />
beim Revival des legendären „Armutszeugnis“<br />
aufspielen -, ist er auch ein vorzüglicher<br />
Kaffeemaschinen-<strong>Im</strong>itator, wie<br />
er in Jürgen von der Lippes Fernsehshow<br />
„Wat is?“ bewiesen hat und Kopist der<br />
Fahrrad-Werbung aus alten Neckermann-<br />
Katalogen. Auch nicht zu verachten, aber<br />
viel zu selten zu sehen. Was ihm gegen<br />
den Strich geht? Die äußerst unangenehme<br />
Vorstellung, mal keinen Stift und kein<br />
Papier bei sich zu haben.<br />
Frank Becker<br />
Illustrationen:<br />
links: Klobürste<br />
rechts oben: Magellanstraße, Mitte: Giraffe,<br />
unten: Heliumschwein<br />
rechts außen:Leuchtturm
Buchveröffentlichungen<br />
1992 Erster eigener Cartoonband, „Arsch<br />
auf Grundeis“, Semmel Verlach, Kiel.<br />
1993 Mittelalter-Comicband „Walther<br />
–Teufelspakt und Minnesang“ mit Axel<br />
Stöcker, Semmel Verlach<br />
1995 „Cartoons für Katzenfans“, Lappan<br />
Verlag, Oldenburg<br />
1996 „Cartoons für Feinschmecker“,<br />
Lappan Verlag, „Cartoons für Geburtstagskinder“,<br />
Lappan Verlag<br />
1997 „Viel Spaß beim Tanzen“, Lappan<br />
Verlag, „Die Post geht an die Börse“ zusammen<br />
mit Ari Plikat, Lappan Verlag.<br />
1998 „Cartoons für Banker“, Lappan<br />
Verlag<br />
„Cartoons für Schwiegermütter“, Lappan<br />
Verlag<br />
„Echt Käfer“ zusammen mit Ari Plikat,<br />
Lappan Verlag<br />
2000 „Cartoons für Apotheker“ zusammen<br />
mit Steffen Köpf, Lappan Verlag<br />
2001 „Mama, was ist ein Klugscheißer?...“<br />
Lappan Verlag<br />
2003 „Möchtest du darüber reden?“<br />
Selbst gemachte Katastrophen ein Klappbuch<br />
bei Lappan<br />
Cartoons, Karikaturen, Comics und<br />
Illustrationen erschienen bisher u. a. in:<br />
Der Rabe, Die Mitbestimmung, Eulenspiegel,<br />
Finanztest, Frankfurter Rundschau,<br />
GEO Saison, iTALien, Konkret,<br />
Kowalski, mare, Maxi, Stern, Süddeutsche<br />
Zeitung, taz, titanic, Top Magazin,<br />
Wuppertaler Rundschau, ‘ran, x-mag,<br />
metallzeitung, Rat Aktuell.<br />
Zahlreiche Einzel- und Gruppenausstellungen<br />
1994 Sonderpreis des Regierenden Bürgermeisters<br />
von Berlin beim ‚Köpenicker<br />
Karikaturensommer‘ Dritter Preis beim<br />
‚Ironimus ‘94‘<br />
1996 Erster Preis beim ‚Berliner Karikaturensommer‘<br />
2002 2. Platz beim „Deutschen Karikaturenpreis“<br />
der Sächsischen Zeitung<br />
2010 Sieger beim Prerower Sommer<br />
Weitere Informationen unter:<br />
www.polo.cartoon.de und<br />
www.juengerundschlanker.com<br />
25
26<br />
Die Fotografi n Alina Gross<br />
Inszenierte Träume<br />
Alina Gross inszeniert - sie inszeniert<br />
Traumwelten, Märchen, Realitäten, Provokationen<br />
- und sie inszeniert sich. Das tut<br />
die in Düsseldorf lebende Foto-Designerin<br />
seit dem Beginn ihrer bemerkenswerten<br />
fotografi schen Karriere konsequent, mit<br />
Akribie und unter hohem künstlerischem<br />
wie materiellem Aufwand. Bereits während<br />
ihres Studiums begann sie mit aufwendigen<br />
Produktionen, darunter der schwarz-weiße<br />
Zyklus „Labyrinthe avec Alinka“, durch<br />
den 2005 erstmals die Presse nachhaltig auf<br />
ihre Arbeit aufmerksam wurde.<br />
Das Diplom mit der Arbeit „Alinka<br />
Pandora“*) an der Universität Wuppertal,<br />
Ausstellungen in Köln, Düsseldorf und<br />
Wuppertal, Foto-Shootings im Studio und<br />
Inszenierungen auf Modemessen, hinter<br />
Theaterkulissen, in Tiefgaragen, in der<br />
Natur und in Kiesgruben markieren den<br />
Weg und zeigen die Vielseitigkeit der außergewöhnlich<br />
talentierten Fotografi n; als<br />
freie Mitarbeiterin gestaltete sie die ersten<br />
Fotoseiten des Kulturmagazins „Musenblätter“<br />
mit.<br />
*) „In allen Bildern geht es bei der fotografi<br />
schen Inszenierung um die Kombination<br />
von Mensch, Natur und dem<br />
Animalischen. Ich stelle mich mal als ein<br />
Mischwesen zwischen Mensch und Katze,<br />
mal als Blume, Sumpffrau, Nymphe oder<br />
kriegerische Amazone dar. Die Nacktheit in<br />
meinen Selbst-Bildern ist Teil der Inszenierung,<br />
kann verführerisch wirken, aber<br />
auch befremden, trägt in jedem Fall eine<br />
symbolische Botschaft.<br />
In meinen Bildern ist der Körper als Teil der<br />
physischen Präsenz ungeheuer wichtig und<br />
unverzichtbar, er dient quasi als Projektionsfl<br />
äche meiner inneren Befi ndlichkeit. Die<br />
Bühne, auf der ich diese Konzepte in Szene<br />
setze, ist von Menschen leer, ich kann ungestört<br />
mit der Natur verschmelzen. Anteil<br />
am Ergebnis der Fotostrecken hat auch das<br />
Unberechenbare der Natur, das mitunter<br />
maßgeblichen und unmittelbaren Einfl uss<br />
auf die Arbeit mit und in ihr ausübt. Ich<br />
bewege mich in einer Art Zeitverschiebung<br />
zwischen den Zeiten. Die Kamera ist dabei<br />
meine Tür zwischen den Dimensionen,<br />
die ich über das Medium der Fotografi e
auf meinem Filmstreifen „mit nach Hause<br />
zurück bringe“.<br />
Alina Gross (Alinka), 1980 mit ukrainischen,<br />
tatarischen und transsilvanischen<br />
Vorfahren in Tschernowzy (Tschernowitz),<br />
Ukraine/UdSSR geboren, kam mit der Familie<br />
1992 nach Deutschland. Alina fühlte<br />
sich bereits als Kind dem Wundersamen,<br />
Grotesken zugetan, las viel, insbesondere<br />
russische Volksmärchen und Sagen, griechische<br />
Mythologie und die dänischen Kunstmärchen<br />
H.C. Andersens. <strong>Im</strong> russischen<br />
sozialistischen System in Jugendverbände,<br />
Sportvereine und Gruppen eingebunden,<br />
stand Alina Gross in Deutschland plötzlich<br />
„am Rand“, spürte eine Ausgrenzung und<br />
setzte sich folglich noch intensiver mit sich<br />
selbst auseinander.<br />
Am Gymnasium Wuppertal-Vohwinkel<br />
legte sie im Jahr 2000 das Abitur mit den<br />
Schwerpunkten Deutsch und Geschichte<br />
ab, als Ergebnis der Auseinandersetzung<br />
mit Kultur und Gesellschaft der neuen<br />
Heimat. Mit künstlerischer Gestaltung<br />
hatte sie bis dahin über den Rahmen<br />
des schulischen Kunstunterrichts hinaus<br />
erstaunlicherweise noch keine Berührung<br />
gehabt.<br />
Der erste Kontakt zur Fotografi e entstand<br />
durch eine Schulkameradin, die einen<br />
VHS-Kurs in Fotografi e besuchte und ein<br />
Modell brauchte – eine Initialzündung:<br />
„Das kann ich auch!“ Während sie sich<br />
mit den Fotos der Freundin bei Agenturen<br />
bewarb und auch für Mode- und Werbe-<br />
Fotografi e gecastet wurde, begann sie<br />
autodidaktisch selber mit der Fotografi e,<br />
richtete zu Hause ein Studio ein und begann<br />
Freunde, Verwandte, Nachbarn und<br />
die eigene Schwester zu portraitieren. Erste<br />
Grundlagen gewann sie durch ein Praktikum<br />
bei dem Solinger Werbefotografen<br />
Thomas Philippi (u.a. Telekom, Zwilling,<br />
Wilkinson).<br />
Der künftige Studiengang und Lebensweg<br />
war sonnenklar: es mußte die Fotografi<br />
e werden. Beim Auswahlverfahren am<br />
Fachbereich Visuelle Kommunikation in<br />
Wuppertal konnte sie sich gegen 400 weitere<br />
Bewerber durchsetzen und bekam einen<br />
der 30 Studienplätze dort zugesprochen.<br />
Auch die Folkwang-Hochschule Essen<br />
bot ihr einen Studienplatz an, aber Alinka<br />
entschied sich 2001 für Wuppertal.<br />
Über Modefotos und journalistische Fotografi<br />
e dort bei Marc Itzikowitz kam sie sehr<br />
bald auf den Schwerpunkt ihrer Studien:<br />
die inszenierte szenische Fotografi e (bei Susan<br />
Lamér) und die gelegentliche Selbstinszenierung<br />
im Rahmen aufwendiger Foto-<br />
Shootings. Ein Layout-Studium bei Uwe<br />
Lösch folgte. Der Austausch mit Thomas<br />
Rusch in Paris, mit Svenson (Hamburg,<br />
Berlin, Paris) und Udo Spreitzenbarth<br />
(New York) gab Alina Gross entscheidende<br />
<strong>Im</strong>pulse für ihre Arbeit. Arbeitskontakte<br />
(technische Unterstützung) mit Agfa und<br />
Epson. Veröffentlichungen in „Max“ und<br />
„Photographie“ (Modell) und „Max Online“<br />
(Fotostrecke mit eigenen Arbeiten).<br />
Alina Gross: „Meine Selbstporträts liegen<br />
in der kunsthistorischen Tradition dieses<br />
Genres. Das „Selbstbildnis” im traditionellen<br />
Sinn - die Darstellung eines Künstlers<br />
27
28<br />
mit dem eigenen Gesicht, Körper und<br />
persönlicher Ausstrahlung ist heute nicht<br />
mehr einzige Form der Selbstdarstellung.<br />
Ich habe mich hingegen bewusst für die<br />
traditionelle Darstellungsform entschieden.<br />
Vom Anbeginn der Kunst genossen<br />
biblische, mythologische und historische<br />
Szenen mit der menschlichen Gestalt als<br />
tragendem Element einen höheren Rang,<br />
als z.B. Stillleben. Das fesselte mein Interesse<br />
an antiken Sagen und Geschichten über<br />
den Ursprung der Welt, am Entstehen der<br />
darstellenden Kunst und ihrer Bedeutung.<br />
Die Frage, warum so viele Kunstwerke<br />
seit jeher ihren starken Ausdruck in der<br />
Darstellung der weiblichen Gestalt als<br />
elementarer Bestandteil der Natur fi nden,<br />
trieb mich zusätzlich um.“<br />
Alina Gross hat neben Fantasy und<br />
Fiction und Film Noir („Anges Obscures“,<br />
„Studie Androgyn“, „Der Mann, der vom<br />
Himmel fi el“, „Film Stills“) die subtil<br />
inszenierte Erotik zum Kernthema ihrer<br />
Arbeit hinter der Kamera gemacht. Zu den<br />
herausragenden Fotostrecken zählen neben<br />
ihren erotischen Märchen-Inszenierungen<br />
mittlerweile „Absolut makellos“, „Plastic<br />
Dreams“, „The Golden Age of Pin Ups“,<br />
„Märchen für Erwachsene“, „Paper Moon“,<br />
„Les grandes bourgeoises“ und „Die<br />
unheimliche Frau“, erotische Zeitreisen in<br />
reale wie surreale Phantasiewelten, die auch<br />
in Ausstellungen gezeigt wurden. Das Bizarre<br />
und Groteske des Alltags, das sie auch<br />
in ihrem Leben entdeckt, fi ndet ebenso<br />
Eingang in ihre Arbeit.<br />
„Ich benutze die Kamera als künstlerisches<br />
Werkzeug und die Fotografi e als<br />
Medium meiner Selbsterfahrung und -darstellung<br />
für meine Selbstinszenierungen.<br />
Fotografi en protokollieren meinen Versuch,<br />
unter die zerbrechliche Schale zu blicken,<br />
mehr zu sehen, als oberfl ächlich da ist und<br />
das alles durch meinen Körper und die<br />
benutzten Symbolismen zum Ausdruck zu<br />
bringen. Ich befasse mich mit den Idealen<br />
der Weiblichkeit sowie mit den Urbildern<br />
der Frau, den weiblichen Bildern in ihrer<br />
idealisierten, aber auch bedrohlichen Form.<br />
Die Natur wird von mir als Frau personifi<br />
ziert. Meine Selbstporträts handeln von<br />
persönlichen Leidenschaften, Ängsten,<br />
sowie den Grenzgängen des Frau-Seins,<br />
auf die es gilt, sich einzulassen. Die Vielschichtigkeit<br />
der denkenden, fühlenden,<br />
handelnden, spielenden, kämpfenden Frau,<br />
ihres Wesens und ihrer Natur kommt in<br />
meinen Selbstbildern zum Ausdruck. Ich<br />
übernehme in die überkommenen, traditionell<br />
überlieferten Darstellungen der Frau,<br />
zeige in ihnen die vorgegebene Rolle - und<br />
breche sie.“<br />
Daß aber neben der Provokation und<br />
der bitteren Ironie auch Heiterkeit einen<br />
Platz in Alina Gross´ Werk hat, zeigt ihre<br />
augenzwinkernde Pin-Up-Serie, die mit<br />
strahlendem 50er-Jahre-US-Zahnpasta-<br />
Lächeln ein mittlerweile klassisches Genre<br />
parodiert. Sich selbst sieht sie als verträumt,<br />
doch geschäftstüchtig, zielstrebig, jedoch<br />
zurückhaltend, neugierig, aber nicht indis-<br />
kret. „Die gefestigte Basis meines Lebens<br />
lasse ich trotz aller Experimentierlust, der<br />
Berührung von Grenzen und der Abgründe,<br />
die mich bei meiner Arbeit nicht<br />
gleichgültig lassen, nicht los.“<br />
Aktuelle Arbeiten und Projekte<br />
2008 nahm Alina Gross, die sich nicht<br />
mehr „Alinka“ nennt, sondern bewußt<br />
auf die Verniedlichungsform verzichtet,<br />
eine Stellung bei der Casting-Model-<br />
Schauspielagentur Thomsen (ehemals<br />
Coackroach) als Casting-Fotografi n an<br />
und wurde in Düsseldorf und Hamburg<br />
eingesetzt.<br />
2009 folgt eine Einladung zu einer<br />
Gruppenausstellung. Thema „der nackte<br />
Mensch“.<br />
Sie macht eine Serie von Selbstportraits<br />
und nennt sie „Vanitas I-II“.<br />
Das Hauptthema Ihrer Arbeit ist es,<br />
Schönheit zu zeigen, welche sich aus bizarren<br />
Elementen defi niert. Mode, Requisite<br />
und Technik benutzt Sie als Mittel zur<br />
emotionalen Darstellung von Frauen. Die<br />
Ausstellung ist ein Erfolg, und es folgt eine<br />
Einladung in die Künstlergruppe<br />
Bergische Kunstgenossenschaft (B<strong>KG</strong>,<br />
deren Mitglied sie seit 2009 ist).<br />
2010 erste Soloausstellung im Studio der<br />
B<strong>KG</strong>. Bei der Ausstellung „Photographie 6<br />
Positionen 2010“ lernt Alina den Regisseur<br />
Joachim Mais kennen. Mit Ihm beginnt<br />
Sie Kurzfi lme zu drehen. Es folgt ihre erste<br />
Performance. Weitere Kurzfi lme folgen.<br />
Sie lernt den Komponisten Andreas Resch<br />
kennen. Gemeinsam arbeiten sie an Kurzfi<br />
lmen und Musikvideos.<br />
Ihre neue Muse wird das Model Sydney La<br />
Faire. Beide Frauen haben zahlreiche Projekte<br />
zusammen gestaltet, sowohl kommerzieller<br />
wie auch künstlerischer Art.<br />
2011 folgt eine Ausstellung unter dem Titel<br />
„Die unheimliche Frau“ in den Räumen<br />
der Wuppertaler Zeitschrift „Bergische<br />
Blätter“<br />
Vom 3. Dezember 2011 bis Anfang<br />
Februar 2012. „Die unheimliche Frau“ im<br />
Showroom A M P L I T Y D E -<br />
Fech & Schäfer GbR, Benderstraße 142 -<br />
40625 Düsseldorf zu sehen.<br />
2011 erreicht sie der Ruf zu einer<br />
Gastdozentur am Fashion Design Institute<br />
Düsseldorf.<br />
Frank Becker
Von Kindheiten, Wunschträumen und Schnecken<br />
oder<br />
Zwischen Kloppe und Glück<br />
Die Wuppertaler Schriftstellerin<br />
Karla Schneider<br />
Foto:<br />
Frank Becker<br />
„Es war so still im Klassenzimmer, daß man<br />
hören konnte, wie der Tafelschwamm sein<br />
Wasser verdunstete.“ Solch wunderbare<br />
Sätze sind es, die Karla Schneiders Bücher<br />
zum besonderen Lesegenuß machen. Sie<br />
hat das Vermögen der Sprache, die Gabe<br />
des Erzählens, den Vorzug ausgezeichneter<br />
Erinnerung, das Geschenk des Humors<br />
– und sie schreibt aus Passion. Ihr<br />
genauer Blick, die akkurate Beschreibung<br />
und das treffende Wort machen dem<br />
Leser Erkennen und Wiedererkennen,<br />
Betrachtung und Identifi kation möglich.<br />
Genaue Recherche gehört zusätzlich zum<br />
Handwerk. Lesen als Spaziergang durch<br />
die eigene Phantasie oder das eigene<br />
Leben – mit diesem Ziel schlägt man gern<br />
ein Buch auf.<br />
Seit 32 Jahren Wuppertalerin, hat die in<br />
Dresden geborene Schriftstellerin Karla<br />
Schneider, Kolumnistin der „Zeit“ und<br />
der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“,<br />
schon reichlich Preise und Ehrungen für<br />
ihr umfangreiches Werk bekommen. U.a.<br />
war es 1989 der Astrid-Lindgren-Preis für<br />
das Kinderbuch „Fünfeinhalb Tage zur<br />
Erdbeerzeit“, 1993 der Bettina von Ar-<br />
nim-Preis für Kurzgeschichten; „Die Reise<br />
in den Norden“ brachte ihr 1995 Plätze<br />
in den Focus- und Deutschlandfunk-Bestenlisten<br />
ein, 1996 die Nominierung zum<br />
Kinder- und Jugendbuchpreis und die<br />
Aufnahme in die Ehrenliste des „International<br />
Book Board for Young Children“.<br />
2008 wurde Schneider mit dem Alex-<br />
Wedding-Preis ausgezeichnet, 2009 das<br />
Buch „Wenn ich das 7. Geißlein wär´“<br />
mit dem „Luchs“ von Radio Bremen und<br />
es wurde gleichzeitig vom Institut für<br />
Jugendliteratur zum „Buch des Monats<br />
März 2009“ gekürt. Landesstipendien<br />
ermöglichten die Arbeit an ihrem Opus<br />
magnum „Rückkehr nach Podgoritza“,<br />
die Geschichte des Geschwisterpaares<br />
Siemen und Nora, das sich nach 28<br />
Jahren der Trennung wieder fi ndet und<br />
die Erinnerung an die Kinderzeit in der<br />
sächsischen Heimat intensiv durchlebt.<br />
Karla Schneider, 1938 in Dresden<br />
geboren und nicht durch proletarische<br />
Abkunft privilegiert, hatte es in der<br />
gleichgeschalteten DDR nicht leicht, und<br />
sie ist auch nicht den leichten Weg gegangen.<br />
Fabrikarbeit, Buchhandelslehre,<br />
Journalismus (Feuilleton „Die Union“),<br />
29
30<br />
den sie bald wegen des eklatanten Mangels<br />
an Entfaltungsmöglichkeiten an den<br />
Nagel hängte, ein Krimi im Eulenspiegel-<br />
Verlag, wieder Buchhandel und vier Jahre<br />
monatliche Ausreiseanträge, verbunden<br />
mit Schikanen. Dann 1979 endlich die<br />
Chance, den Maulkorb abzustreifen. Sie<br />
durfte den ungeliebten Staat und mußte<br />
die geliebte Heimat verlassen.<br />
Ihre Bücher schreibt sie für Kinder und<br />
Erwachsene. Die Romane entstehen in<br />
der Stille ihrer Cronenberger Wohnung,<br />
wo sie bei idyllischem Blick, noch immer<br />
ohne PC, auf ihrer geliebten „Gabriele“<br />
die Entwürfe schreibt.<br />
Die autobiographisch beeinfl ußten<br />
Romane „Kor, der Engel“, „Zwischen<br />
Kloppe und Glück“ und „Rückkehr nach<br />
Podgoritza“ gehören als ihre persönlichsten<br />
Bücher auch zum Berührendsten<br />
ihres Œuvres. Ihr großer Roman „Die<br />
Geschwister Apraksin - Das Abenteuer<br />
einer unfreiwilligen Reise“, ein aufregendes<br />
Buch, das vom Überlebenswillen der<br />
Geschwistern Polly, Klascha, Ossja, Fedja<br />
und Dilldotschka erzählt, die sich in den<br />
Wirren nach der Russischen Oktoberrevolution<br />
allein durchschlagen müssen,<br />
entwirft das großartige Panorama einer<br />
aufgewühlten, unsicheren Zeit zwischen<br />
Moskau, Wolgograd, Rostow, Sewastopol,<br />
Charkow und Kursk mit schillerndem<br />
Personal - ein episches Werk von faszinie-<br />
render Erzählkunst, zugleich ein Entwicklungsroman<br />
von Rang.<br />
Anspruchsvoll detailgenaue historische<br />
Erzählungen, kindgerecht erzählte Geschichten<br />
und dramatische Entwicklungsromane<br />
stehen in Karla Schneiders Werk<br />
gleichberechtigt nebeneinander. Abseits<br />
von jedem hochgestochenen literarischen<br />
oder stilistischen Experiment, ohne pseudointellektuellen<br />
Schnickschnack schreibt<br />
Karla Schneider ehrliche, vergnügliche,<br />
höchst amüsante, lesens- und schenkenswerte<br />
Bücher. Übrigens: Lob für ihr<br />
sprachlich und stilistisch aus der Menge<br />
herausragendes Werk weist sie bescheiden<br />
zurück: „Das bin ich dem Leser schuldig.“<br />
Die Märchensammlungen der Brüder<br />
Grimm inspirieren Autoren immer mal<br />
wieder zu neuen Interpretationen, Umdichtungen,<br />
mundartlichen Nacherzählungen<br />
und dümmlichen Übersetzungen<br />
in eine aufgesetzte Jugendsprache. Die<br />
Grande Dame der Jugendliteratur, Karla<br />
Schneider, begeht einen völlig anderen<br />
Weg. Zwei der bekanntesten Märchen,<br />
´Rotkäppchen` einerseits und ´Der Wolf<br />
und die 7 Geißlein` andererseits, fügt sie<br />
zu einem Erzählstrang zusammen, versetzt<br />
sich in einen kleinen Jungen und läßt ihn<br />
sagen „Wenn ich der Jäger wäre, hätte ich<br />
es so gemacht: …“. In der Fortsetzung<br />
der Phantasiereise spielt er dann eines der<br />
Geißlein und fabuliert „Wenn ich das 7.<br />
Geißlein wär´…“. (J.K.)<br />
Karla Schneiders jüngster Erfolgsroman<br />
ist in den 1950er Jahren der jungen<br />
Bundesrepublik angesiedelt, in einer<br />
Zeit des Aufschwungs einerseits und<br />
der noch nachklingenden Nachkriegs-<br />
Unsicherheit andererseits. Die 13-jährige<br />
Wilhelmina wird durch die Spielsucht<br />
des durchaus liebenswerten Stiefvaters<br />
in eine verzweifelte Situation gestürzt:<br />
er hat die Wohnung der kleinen Familie<br />
samt Inventar als Pfand eingesetzt und<br />
verloren. Von einer Klassenfahrt zurück,<br />
steht Willa vor verschlossener Tür, hinter<br />
der fremde Menschen von ihren Tellern<br />
essen, in ihren Möbeln wohnen und ihre<br />
Filmprogramm- und Autogrammkarten-<br />
Sammlung auf den Müll geworfen habe.<br />
Eine Welt stürzt ein. Doch es tun sich<br />
überraschende Wege auf, die Willa mit<br />
ihrem im Krieg gefallen geglaubten Vater<br />
zusammenbringen und sie in die Traumwelt<br />
des Filmgeschäftes führen. Wieder<br />
hat Karla Schneider mit geschickter<br />
Hand und fesselnden Erzählfäden eine<br />
Geschichte gewoben, die sowohl jugendliche<br />
Leser - hier vielleicht insbesondere<br />
Mädchen -, als auch Erwachsene nicht<br />
losläßt.
Karla Schneiders Bücher und<br />
Publikationen (Auswahl):<br />
Die Brauerei auf dem Kissen, Berlin/<br />
DDR 1974 (unter dem Namen „Karla<br />
Sander“)<br />
Der Mensch und sein Drachen, Düsseldorf<br />
(u.a.) 1988<br />
Spätprogramm, Lohr 1988<br />
Raben-Beiträge, Zürich, ab 2008<br />
Die Suche nach der Lerche, Erlangen<br />
1989<br />
Fünfeinhalb Tage zur Erdbeerzeit,<br />
Hamburg 1989 (Astrid-Lindgren-Preis)<br />
Vielleicht sind Schränke gar nicht so,<br />
Lahr 1989<br />
Der Knabenkrautgarten, Zürich 1989<br />
Ritter Suppengrün und das süße Geheimnis,<br />
Würzburg 1991<br />
Lauter Windeier, Weinheim 1992<br />
Die abenteuerliche Geschichte der<br />
Filomena Findeisen, Weinheim 1992<br />
Kor, der Engel, Zürich 1992<br />
Wenn man Märri Schimmel heißt,<br />
Weinheim 1993<br />
Almuth und Helene, Zürich 1993<br />
Die Reise in den Norden,. Weinheim<br />
1995 (Focus-Bestenliste)<br />
Merits Geburtstag, Berlin 1996<br />
Matti Sörensen und Petja Wuppdich,<br />
München 1996<br />
Zwischen Kloppe und Glück oder Wer<br />
sammelt hat mehr vom Leben, Weinheim<br />
1997<br />
Der Zaun, Hamburg 2000<br />
Rückkehr nach Podgoritza, Frankfurt am<br />
Main 2001<br />
Der klügste Hase unter der Sonne, Weinheim<br />
2003<br />
Glückskind, München 2003<br />
Marcolini oder wie man Günstling wird,<br />
München 2007<br />
Wenn ich das 7. Geißlein wär‘, Köln<br />
2009 (Buch des Monats/„Luchs“ Radio<br />
Bremen)<br />
Holly Vogeltritt. Ein Märchen, Düsseldorf<br />
2009<br />
Der Sommer, als ich Filmstar war,<br />
München 2010<br />
Frank Becker<br />
Links einige der zahlreichen Buchtitel von<br />
Karla Schneider.<br />
Karla Schneider – aus: „Priesterin des Grammophons“<br />
(unveröffentlicht)<br />
„Wir gehen spazieren“, hieß es, als ich mich erkundigte, wo wir denn hin<br />
wollten.<br />
Langsam wurde mir unbehaglich, denn es passte nicht zu meiner Mutter,<br />
ohne Anliegen auszugehen. Und Spaziergänge gehörten ausschließlich zum<br />
Sonntagnachmittag und fanden dann im Familienkonvoi statt: Opa,<br />
Oma, zwei Töchter, zwei Enkel.<br />
Kurz vorm Wasserwerk, das einsam in den Wiesen lag, kam uns jemand<br />
entgegen. Serge Kerambrune. Ich brüllte seinen Namen, damit er uns ja<br />
auch rechtzeitig erkannte und sich rechtzeitig freuen konnte. Aber der Ruf<br />
wurde mir von meiner Mutter mit der Hand in den Mund zurückgepresst.<br />
Das verstörte mich. Mir war nicht klar, wer von uns dreien sich<br />
denn zu fürchten hatte. Und weshalb.<br />
Wir gingen jetzt zu dritt auf dem Wiesenweg weiter; Serge in der Mitte. Mit<br />
der einen Hand führte er mich, den anderen Arm hatte er um meine Mutter<br />
geschlungen. Mit ihren Gesichtern taten sie, was ich sonst nur bei Pferden im<br />
Gespann beobachtet hatte - so ein zärtliches Beschnuppern und Kosen.<br />
Als wir den Schlosspark erreichten, der zu dieser Zeit menschenleer war,<br />
ließen sich Serge und meine Mutter auf eine Bank fallen. Ich sollte auf<br />
der großen Wiese Blumen pfl ücken. Den Rasen zu betreten war eigentlich<br />
streng verboten. Erst nach der dritten ungeduldigen Versicherung meiner<br />
Mutter, das würde um diese späte Stunde nicht mehr gelten, traute ich<br />
mich. Der Rasen war schon ganz dunkel, weil ihm die Baumkronen ringsum<br />
das Tageslicht nahmen. Ich hockte mich hin zum Pfl ücken, und der<br />
Tau pinselte Nasses an die bloßen Stellen<br />
unterm Rock. Buschwindröschen! Unmengen!<br />
Als ich merkte, dass ich von weißem Nebel umzingelt war, blickte ich mich<br />
um. Aber da war niemand mehr. Die Stelle, wo vorhin noch die Bank mit<br />
meiner Mutter und Serge gestanden hatte, war leer. Ich blieb stehen, wo ich<br />
stand und fi ng an nach meiner Mutter zu rufen.<br />
Endlich kam eine Antwort, sehr leise. Sie kam aus dem Dunkel hinter<br />
meinem Rücken. Ich hatte mich beim Pfl ücken mehrmals gedreht und die<br />
Richtung verloren. Undeutlich erkannte ich jetzt zwei Gestalten, die, zu<br />
einer zusammengewachsen, noch immer auf der Bank saßen. Die Stimme<br />
meiner Mutter klang schläfrig und nachsichtig. Trotzdem kam es mir so<br />
vor, als ob sie sich über mich ärgerte.<br />
Ich blieb ratlos vor der Bank stehen, konnte nur mehr die Umrisse der beiden<br />
sehen und scharrte unglücklich mit der Schuhspitze im Sand. Ich war<br />
nicht willkommen, soviel war klar.<br />
Nach einer Weile wurde endlich eine Hand ausgestreckt. Sie gehörte Serge<br />
und stopfte mich unter Serges Achselhöhle. Serge küsste meine Mutter und<br />
meine Mutter küsste Serge. Und manchmal küsste Serge sogar auch mich.<br />
Für den Heimweg nahmen wir nicht mehr den Wiesenweg, sondern lieber<br />
die feste Straße, die zwischen den Apfelplantagen entlanglief. Wir gingen<br />
noch schleppender als auf dem Herweg, durch Arme und Hände aneinandergefesselt.<br />
Straßenbahnen rasselten an uns vorbei. Die herabgezogenen<br />
Verdunklungsrollos vor den Fenstern waren von gelben Lichtstreifen eingerahmt<br />
wie gelockerte Türchen von Adventskalendern.<br />
31
32<br />
Am Platz angelangt, blieben wir im Schutz der<br />
Telefonzelle stehen. Eine Frau näherte sich, vom Unterdorf<br />
her. Sie hatte eine Taschenlampe dabei, weil alle<br />
Straßenbeleuchtung verboten war, um die Flieger nicht<br />
anzulocken. Die Frau schlug Haken, um den geraden<br />
Weg über den Platz zu vermeiden und unterhalb der<br />
Telefonzelle anzukommen, so dass sie an uns vorbei<br />
musste. Ihr Kopf mit dem kleinen Dutt war interessiert<br />
nach unserer Umarmungsgruppe gedreht.<br />
Serge sagte gerade etwas Halblautes auf Französisch.<br />
Meine Mutter zischte, er solle still sein. Ich konnte hören,<br />
wie sie die Luft einzog, als hätte sie sich verbrannt.<br />
Jetzt erkannte auch ich, wer die Frau war.<br />
Es war die Trulle von nebenan. Die, vor der Oma<br />
solche Angst hatte. Sie nannte sie manchmal „die Vorsitzende<br />
der Frauenschaft“, manchmal „die Zöllnern“.<br />
Doch trotz dieser Angst war Oma nie dazu zu bewegen,<br />
zu den „bunten Abenden“ dieses Klubs zu gehen. Meine<br />
Mutter und Tante Irmi hingegen kamen nicht darum<br />
herum. Sie stöhnten und guckten mit verdrehten Augen<br />
an die Decke. Dann hieß es: „Bringen wir es hinter<br />
uns.“ Und anderntags machten sie sich über all das<br />
lustig, vor allem über die Lieder, die man dort singen<br />
musste.<br />
Kaum war die Vorsitzende außer Sicht, trennten<br />
wir uns von Serge. Unser Hof, von den drei Flügeln<br />
des Hauses umrahmt und vom Torgitter zur Gasse hin<br />
abgeriegelt, empfi ng uns mit vorgeschriebener Düsternis.<br />
Kein Fenster hell. Alles verdunkelt, wie es sich gehörte.<br />
Doch kaum hatten wir das quietschende Hoftor hinter<br />
uns, als auch schon Omas Stimme von oben ein furchtsames<br />
„Käthe, bist du das?“ rief. Wo um Himmelswillen<br />
wir bis jetzt gewesen wären? Nach Einbruch der<br />
Dunkelheit, ohne vorher Bescheid zu geben! Wenn nun<br />
Alarm gewesen wäre? Was hätte sie dann Opa sagen<br />
sollen? Ein bisschen Rücksicht auf den alten Vater dürfe<br />
man von einer erwachsenen Tochter doch wohl erwarten.<br />
Das Abortfenster der Riedels, direkt unter unserem<br />
gelegen, öffnete sich behutsam, und ein Kopf schob sich<br />
heraus wie bei einer Schildkröte.<br />
Um Oma zu beschwichtigen und um den ehrbaren<br />
und gefahrlosen Charakter unseres Abendspaziergangs zu<br />
betonen, meldete ich mich aus dem Grund des Hofes zu<br />
Wort. Außerdem war ich der Meinung, dass unsere Beziehung<br />
zu Serge Kerambrune aus dem Land Bretannje<br />
längst den Status einer legitimen Familie erlangt hätte.<br />
Mit einem Stöhnen knallte Oma das Fenster zu. Auch<br />
meine Mutter stöhnte und schlug im Dunkeln heftig<br />
und blindlings nach mir. Halb gestoßen, halb gezerrt<br />
wurde ich durchs nachtschwarze Treppenhaus nach<br />
oben befördert. Während ich mit einem Ruck in unsere<br />
Wohnung hineinfl og, verschwanden Oma, die uns oben<br />
abgepasst hatte, und meine Mutter in unserem Wohnzimmer,<br />
wo wir uns nie aufhielten und wo alles mit<br />
Betttüchern verhängt war.<br />
Ohne Licht saß ich in der Küche, die Hände zwischen<br />
die Knie geklemmt, und wartete darauf, dass das geheime<br />
Palaver zu Ende gehen und mir jemand endlich<br />
Abendbrot machen würde. Meine Mutter, als sie wieder<br />
herauskam, sprach von da an nur mehr das Nötigste<br />
mit mir. Und am nächsten Tag trat die verhängte Strafe<br />
in Kraft: Ich durfte nicht mehr in den Garten. Die Begründung<br />
blieb unklar, wie immer bei uns. Ich bekam<br />
nur soviel mit, dass ich selbst für die Strafe verantwortlich<br />
sei. Erst nach dem Feierabend der Dachdecker<br />
dürfte ich wieder raus, hieß es.<br />
Ich hielt es am nächsten Tag so ohne Garten und ohne<br />
Serge nicht aus und ging zu Trudchen Mix, meiner<br />
Schulfreundin.<br />
Wir haben dann in ihren Büchern alle schwarzweißen<br />
Bilder mit Buntstiften ausgemalt. Trudchen Mix wusste<br />
nichts von Serge. Sie hatte keine Ahnung, dass er mein<br />
neuer Vater werden würde. Wir redeten überhaupt nie<br />
über unsere Familien, wir hatten genug anderes. Doch<br />
als ich schließlich die weißen Vorsatzblätter in einem<br />
ihrer Bücher mit Kolonnen von Särsch Särsch Särsch<br />
anfüllte, noch eine und noch eine, von oben nach unten,<br />
Särsch Särsch Särsch, wurde sie böse.<br />
„Das radierst du mir wieder weg! Was soll das überhaupt<br />
heißen? Das Wort gibt’s doch gar nicht.“<br />
Als ich nach Sonnenuntergang daheim aufkreuzte, war<br />
meine Mutter nicht da. Oma kam mit in unsere Wohnung,<br />
strich mir eine Brotschnitte mit Margarine und<br />
träufelte auf die andere sogar vom kostbaren Kapillärsirup<br />
aus Opas Kelterei. Oma war es auch, die heute bei<br />
uns die Läden vorlegte und die fl ache Kerze anzündete<br />
und mir auf der Gasfl amme Wasser warm machte für<br />
Gesicht und Zähne.<br />
Als ich mich nach meiner Mutter erkundigte, sagte<br />
Oma bloß: „Die kommt schon wieder. Zieh jetzt dein<br />
Nachthemd an!“<br />
Stunden später klappte unten die Haustür. Der Verschluss<br />
der Wohnungstür schnappte behutsam, und<br />
meine Mutter war wieder da. Sie tat ganz beiläufi g, als<br />
sei sie nur eben rasch auf dem Abort gewesen, drüben in<br />
der anderen Wohnung.
TiC mit dem Musical Kiss me, Kate<br />
Theater auf dem Theater ist immer<br />
ein besonderer Spaß - auch für die<br />
Darsteller, die dabei selbstironisch aus<br />
dem (ihrem) Bühnenleben schöpfen<br />
können. „Kiss Me Kate“ von Samuel<br />
und Bella Spewack mit den Songs von<br />
Cole Porter ist so ein Stück, das auf<br />
mehreren Ebenen den Protagonisten<br />
wenigstens zwei Chancen gibt, zu brillieren:<br />
im Shakespeare´schen Original<br />
und der Rahmenhandlung. Das gelang<br />
am Wochenende den Darstellern des<br />
Cronenberger TiC gleich zweimal hintereinander<br />
bei vollem Haus und guter<br />
Stimmung in der spritzigen Inszenierung<br />
von Ralf Budde à la bonheur.<br />
Szenenfoto aus „Kiss me, Kate“ von<br />
Gerhard Bartsch<br />
Nach 63 Jahren ist Cole Porters Musical<br />
„Kiss me, Kate“ noch immer ein<br />
Publikumsmagnet. Und weil man im gar<br />
nicht mehr so kleinen Wuppertaler Privattheater<br />
erfi ndungsreich ist, sich vorzüglich<br />
auch auf Musical-Stoffe versteht,<br />
über erstaunlich große Sing-Stimmen<br />
im Sprechensemble verfügt, gelingt es<br />
immer wieder (zuletzt in „My Fair Lady“<br />
und „Der kleine Horrorladen“) neben<br />
klassischem Theater und Boulevard auch<br />
im musikalischen Bereich Volltreffer zu<br />
landen. So also jetzt wieder mit „Kiss<br />
Me Kate“ in den prächtigen Kostümen<br />
von Kerstin Faber die auch für die<br />
stimmungsvoll ausgestattete, ideenreiche<br />
Bühne zeichnet.<br />
Theater auf dem Theater ist stets ein<br />
besonderes Vergnügen: Fred Graham<br />
(André Klem) spielt in (s)einer zweitklassigen<br />
musikalisch aufgebrezelten<br />
Inszenierung von Shakespeares Komödie<br />
„Der Widerspenstigen Zähmung“ vor<br />
leerem Haus im provinziellen Baltimore<br />
den Petruchio, der die männerfeindliche,<br />
kratzbürstige und schöne Katharina<br />
zähmen muß, um mit ihr in den Hafen<br />
der Ehe segeln zu können. Ausgerechnet<br />
seine „Geschiedene“ Lilli Vanessi<br />
(Sabine Henke), die ihn heimlich immer<br />
noch liebt (wie er sie), hat diesen Part<br />
übernommen. So entwickelt sich die<br />
Geschichte zum doppelten „Zähmen“<br />
in allen verzwickten Richtungen und<br />
mit allen nur denkbaren Verwicklungen.<br />
Nicht nur, dass er sich mit einem wenig<br />
engagierten Ensemble herumschlagen<br />
und den Seiltanz zwischen seiner Ex und<br />
der verführerischen Lois Lane (so heißt<br />
übrigens auch Supermans heimliche Liebe)<br />
bewältigen muß, es rücken ihm auch<br />
zwei Gangster auf die Pelle, die Geld von<br />
ihm fordern, das Lucentio-Darsteller Bill<br />
(Henning Flüsloh) unter seinem Namen<br />
beim Spiel verloren hat.<br />
Die deutsche Text-Fassung von Susanne<br />
FelicitasWolf ist zu der verzwickt<br />
komischen Handlung zwischen Globe<br />
und Off-Broadway ein weiterer Garant<br />
für beste Unterhaltung. Die Aufzählung<br />
der Hits, mit denen Cole Porters<br />
schwungvolle Bearbeitung von Shakespeares<br />
„Der Widerspenstigen Zähmung“<br />
seit seiner Broadway-Premiere 1948<br />
wuchern kann, reiht unsterbliche Evergreens<br />
aneinander, die seither wirklich<br />
die Spatzen von den Dächern pfeifen.<br />
„Premierenfi eber(Another Op´nin´,<br />
Another Show)“ ist ungezählte Male<br />
auch anderenorts zitiert worden, der<br />
Walzer „Wunderbar“ ein Mitsummer,<br />
den man tief im Ohr verankert mit nach<br />
Hause nimmt, das fi ngerschnippende<br />
„It´s Darn Too Hot (Viel zu heiß)“<br />
wurde in der Choreographie von Dana<br />
Großmann zur mitreißenden Ensemble-<br />
Tanznummer und „Wo ist die liebestolle<br />
Zeit?“ wie seine anderen Songs zum Triumph<br />
des hervorragenden André Klem<br />
als Fred Graham/Petruccio. Sabine<br />
33
34<br />
Henke an seiner Seite gibt mit Temperament<br />
eine kratzbürstige Lilli Vanessi/Katharina,<br />
der mit „Kampf dem Mann (I<br />
Hate Men)“ die vielleicht meistbejubelte<br />
Paradenummer des Abends gelang. Beiden<br />
höchst charmanten Besetzungen des<br />
pfi ffi gen Blondchens Lois Lane/Bianca<br />
(Jana Konietzki/Elisabeth Wahle) gelang<br />
deren Motto-Song „Aber treu bin ich<br />
nur dir (Always True In My Fashion)“<br />
zuckersüß.<br />
Unsichtbar für das Publikum, aber<br />
sozusagen in einer glänzend besetzten<br />
Hauptrolle agiert dabei die Musik Cole<br />
Porters. Stefan Hüfner zog bewährt die<br />
musikalischen Fäden und bereitete den<br />
Boden für die unsterblichen Melodien<br />
und schmissige Tanznummern (Choreographie:<br />
Dana Großmann).<br />
Natürlich wartet man seit Wolfgang<br />
Neuss/Wolfgang Müller auch gespannt<br />
auf „Schlag nach bei Shakespeare<br />
(Brush Up Your Shakespeare)“, mit dem<br />
gefl ügelten Refrain. Die beiden Filmkomiker<br />
haben Maßstäbe gesetzt, die kaum<br />
mehr zu erreichen sein werden. Tobias<br />
Unverzagt und Reinhard Clement gaben<br />
die beiden bildungsbefl issenen Gangster<br />
und spielten/sangen sich als Ganoven<br />
mit Herz für die Bühne auch in die Herzen<br />
der amüsierten Gäste. Ein vergnüglicher<br />
Abend, den man sich ruhig zweimal<br />
gönnen kann.<br />
Informationen und Termine der nächsten<br />
Vorstellungen: www.tic-theater.de<br />
Frank Becker<br />
Szenenfotos aus „Kiss me, Kate“ von<br />
Gerhard Bartsch
Der neue<br />
Else-Lasker-Schüler-Almanach<br />
im Peter Hammer Verlag<br />
erschienen<br />
Jeder Vers ein Leopardenbiss<br />
„Sie ist cool, sie ist Trend“, schreibt eine<br />
Schülerin über Else Lasker-Schüler. Was<br />
wohl die Dichterin dazu gesagt hätte? Vielleicht<br />
würde sie, lebte sie in unseren Tagen,<br />
sagen: „Nein, cool war ich nie, Gott sei<br />
Dank!“ Eher war sie wohl „shibusa shirazu“,<br />
ein japanischer Ausdruck für jene delikate<br />
Mischung aus „hot“ und „meschugge“<br />
- für die es im Deutschen kein Äquivalent<br />
gibt. Oder sie hätte mit ihren eigenen<br />
Worten aus dem Jahre 1912 geantwortet:<br />
„Wahre Kunst ist ewig, ob sie von heute oder<br />
von damals ist. Welcher Dilettant hat das<br />
Wort modern erfunden! Was wertvoll ist –<br />
bleibt bestehen.“ Kaum ein anderes Zitat<br />
passt treffender zum 20-jährigen Bestehen<br />
der Else-Lasker-Schüler-Gesellschschaft<br />
und ihrem Jubiläumsalmanach. Denn<br />
knapp einhundert Jahre später erfährt die<br />
Aussage der Dichterin und Poetin der Zeichenfeder<br />
Bestätigung: In der „Deutschen<br />
Nationalgalerie im Hamburger Bahnhof –<br />
35
36<br />
Museum der Gegenwart“ in Berlin fand im<br />
Frühjahr 2011 die Ausstellung “Else Lasker-<br />
Schüler“. Die Bilder“ statt. Die Poetin der<br />
Zeichenfeder kehrt damit zurück in den<br />
Kanon der Bildenden Kunst und zugleich<br />
an jenen Ort, aus dem die Nationalsozialisten<br />
ihre Zeichnungen vor 78 Jahren als<br />
„entartet“ verbannt hatten.<br />
Dass ihre Kunst wieder neu entdeckt<br />
wird und ihre Dichtung die Zeit überdauert,<br />
ist einzig das Verdienst der großen<br />
Poetin selbst, doch mit dazu beigetragen<br />
hat sicherlich auch die nach der Dichterin<br />
benannte Wuppertaler Literaturgesellschaft,<br />
die der Heiligen Else der Poesie<br />
mit 16 hochkarätig besetzten Symposien<br />
im In- und Ausland die Messe gesungen<br />
hat.<br />
Der neunte Almanach, gerade druckfrisch<br />
im Peter Hammer Verlag erschienen,<br />
bietet einen Rückblick auf die vier<br />
letzten Symposien in Wuppertal/Solingen<br />
(2008), Berlin (2009), Catania (2009)<br />
und in Tel Aviv (2010) und ist wegen der<br />
Umschlaggestaltung durch den Wuppertaler<br />
Grafi ker Wolf Erlbruch nicht nur ein<br />
literarisches, sondern auch ein ästhetisches<br />
Vergnügen. <strong>Im</strong> Mittelpunkt der Symposien<br />
standen neben den der Dichterin<br />
gewidmeten Theaterstücken aus der Feder<br />
Gerold Theobalts, wissenschaftliche Vorträge<br />
und politische Diskussionsrunden:<br />
ein 500 Seiten buntes Kaladeiskop durch<br />
Leben und Werk der Dichterin. Publiziert<br />
werden bislang unbekannte Zeitungsberichte,<br />
neue Grundlagen für die Forschung,<br />
und wissenschaftliche Vorträge.<br />
Die Autorenliste liest sich wie ein Who is<br />
Who der Else-Lasker-Schüler-Forschung.<br />
Professor Heinz Rölleke beleuchtet in<br />
seiner bekannt unprätentiösen und im<br />
besten Sinne nüchternen Art die Liebesbeziehung<br />
zwischen Else Lasker-Schüler<br />
und Gottfried Benn, der spät, sicherlich<br />
zu spät über die einstige Geliebte<br />
schrieb: „Dies war die größte Lyrikerin, die<br />
Deutschland je hatte... <strong>Im</strong>mer unbeirrbar sie<br />
selbst, fantastisch in sich selbst verschworren,<br />
feindlich allem Satten, Sicheren, Netten,<br />
vermochte sie ihre leidenschaftlichen Gefühle<br />
auszudrücken, ohne das Geheimnisvolle zu<br />
entschleiern und zu vergeben, das ihr Wesen<br />
war.“ Doch dies ist bereits der Abgesang<br />
auf eine Liebesbeziehung, die längst erloschen<br />
war, gesungen nach dem Tod der<br />
Dichterin und Benns späten Einsicht in<br />
den eigenen fatalen politischen Irrtum vor<br />
seinem Rückzug in die innere Emigration.<br />
Rölleke zieht trennscharf eine Demarkationslinie<br />
zwischen dem wissenschaftlich<br />
Belegbaren und dem bloß Spekulativen<br />
dieser lyrischen Liaison und lässt dafür<br />
dem dichterischen Wort dieses Liebesdialogs<br />
freien Raum zur Entfaltung. Für Else<br />
Lasker-Schüler war der Arzt Dr. Benn, der<br />
Dichter des Morgue-Zyklus, der so sarkastisch<br />
und nüchtern auf das menschliche<br />
Leiden schauen und damit einen vollkommen<br />
neuen Ton in die deutsche Dichtung<br />
brachte, ein Faszinosum: „Jeder Vers ein<br />
Leopardenbiss“.<br />
Lasker-Schüler-Biographin Sigrid<br />
Bauschinger berichtet über einen Brief<br />
der Dichterin, den diese 1940 an Papst<br />
Pius XII. geschrieben und „im Namen des<br />
Judentums“ den Heiligen Vater um eine<br />
eindeutigen Haltung der Katholischen<br />
Kirche gegenüber Hitler-Deutschland<br />
gebeten hatte. Bauschingers Rekonstruktionen,<br />
welche Irritationen und (kirchen-)<br />
politischen Richtungskämpfe innerhalb der<br />
Kurie dieser Brief der Dichterin ausgelöst<br />
hat, lesen sich spannend wie ein Krimi.<br />
Ungeheuer sexuelle Augen<br />
Neben den wissenschaftlichen Beiträgen<br />
sind es häufi g die Lebenserinnerungen von<br />
Zeitzeugen, die der Dichterin noch begegnet<br />
sind, die entzücken und dem Leser<br />
die Dichterin näher bringen. Avital Ben<br />
Chorin, 1923 in der Luther-Stadt Eisenach<br />
als Erika Fackenheim geboren, schloss sich<br />
früh der zionistischen Bewegung an und<br />
reiste 1936 nach Palästina aus. Ihre Eltern<br />
wurden 1944 in Auschwitz ermordet. In<br />
Jerusalem studierte sie und wollte als Lehrerin<br />
arbeiten. Als junge Frau verliebte sie<br />
sich in ihren späteren Mann, den Dichter<br />
Schalom Ben-Chorin. Sie wurde dann<br />
literarische Sekretärin im Hause des Staatspräsidenten<br />
Ben Zvi. Avital Ben Chorin<br />
erinnert sich in ihrem Beitrag für den Almanach<br />
an ihre Jerusalemer Begegnungen<br />
mit Else Lasker-Schüler, deren Gedichte sie<br />
schon als Jugendliche gelesen und bewundert<br />
hatte. Doch das junge Mädchen war<br />
zu schüchtern, um der großen Dichterin<br />
ihre Bewunderung zum Ausdruck bringen<br />
zu können. Zu ihren Lesungen kam auch<br />
ihr späterer Mann und es mag unbewusste<br />
Eifersucht der alten Dichterin im Spiel<br />
gewesen sein, als sie ihm sagte: „Bringen<br />
Sie nur diese Frau nicht wieder mit!“ Und<br />
dann hinzufügte: „Ungeheuer sexuelle<br />
Augen!“ Avital Ben Chorin erzählt auf eine<br />
sehr berührende Art und Weise, wie in den<br />
letzten Lebensjahren der Dichterin das<br />
Eis zwischen ihr und Else Laker-Schüler<br />
schmolz und sich die frühe Ablehnung in<br />
eine späte Freundschaft wandelte.<br />
Avital Ben Chorin hat diese Begebenheit<br />
auch Schülerinnen und Schülern der<br />
nach der Dichterin benannten Wuppertaler<br />
Gesamtschule berichtet. Eine für die<br />
jungen Menschen sehr beeindruckende<br />
Erfahrung, da sie hautnah miterleben<br />
konnten, dass das, was sie im Deutsch-<br />
und Geschichtsunterricht lernen, in der<br />
konkreten Begegnung mit Menschen<br />
lebendig wird. Neben dem wissenschaftlichen<br />
Austausch waren daher die Zeitzeugenbegegnungen<br />
und die Zusammenarbeit<br />
mit Schulen immer ein wesentlicher<br />
Bestandteil der Symposien, über den<br />
die Journalistin Ulrike Müller in diesem<br />
Almanach eindrücklich berichtet.<br />
Experimentallabor für ein Zentrum der<br />
verfolgten Künste<br />
„In ihrem Zusammenspiel von künstlerischen<br />
Beiträgen, wissenschaftlichem<br />
Austausch und Zeitzeugenbegegnungen<br />
und Zusammenarbeit mit Universitäten<br />
und Schulen sind die Symposien auch<br />
eine Art Experimentallabor dafür, wie ein<br />
Zentrum der verfolgten Künste arbeiten<br />
könnte: international, interdisziplinär,<br />
interkulturell“, sagt Hajo Jahn, Vorsitzender<br />
der Else-Lasker-Schüler-Gesellschaft<br />
und Herausgeber dieses Almanachs. Es<br />
gehöre wenig prophetische Gabe dazu zu<br />
erkennen, dass das 21. Jahrhundert ein<br />
Jahrhundert der Migrationsbewegungen<br />
werde – ausgelöst durch humanitäre,<br />
ökonomische und ökologische Katastrophen.<br />
„Eine Ethik der Erinnerung an das<br />
Exil kann daher mit dazu beitragen, dass<br />
wir unsere eigene Gesellschaft im Hinblick<br />
auf das, was auf Europa und Deutschland<br />
in Zukunft zukommen wird, menschlicher<br />
und toleranter gestalten.“<br />
Heiner Bontrup<br />
Jeder Vers ein Leopardenbiss<br />
Peter Hammer Verlag, 2011<br />
ISBN 987-3-7795-0360-6<br />
Erhältlich zum Preis von 22 Euro
Gänsehaut<br />
Karl Otto Mühl<br />
Foto: Frank Becker<br />
Der Tag der Rückkehr hat mit Ereignissen<br />
begonnen, die über mich hinwegrauschten<br />
wir eine Ouvertüre. Eine Politikerwitwe<br />
stand am Dreieckstisch. Sie war gekommen,<br />
um das Stehcafé kennenzulernen, von dem<br />
sie gehört hatte.<br />
Mehr Tische vorzufi nden, hätte sie sogar<br />
enttäuscht, sagt sie gleich entgegenkommend.<br />
Nein, dieser riesige Dreieckstisch hier, der<br />
sei genau das Richtige. Sie hat eine Freundin<br />
mitgebracht, die aufmerksam zu-hört. Das<br />
Gespräch schweift ab zum Thema des Nein-<br />
Sagen-Könnens – zum Beispiel jetzt zu einem<br />
weiteren Stück Kuchen. Aber sie kann das<br />
Thema auch weiter fassen, sagt sie: Nein zu<br />
Leuten, die einen vereinnahmen wollen.<br />
Die soll man für ihr Interesse und ihr<br />
Engagement loben, empfehle ich. Schließlich<br />
haben wir es hier auch mit einer Art von<br />
Liebe zu tun. Gleichzeitig soll man sich aber<br />
auch heimlich zu machen, oder sogar aus<br />
dem Staub. „Verstehe. Es geht um schwache<br />
Ichgrenzen“, sagt die Politikerfrau sachkundig<br />
und zustimmend. „Man ist selber schuld,<br />
wenn einen die Leute bestürmen.“<br />
Jedoch, ich muss fort. Mein Scheibenwischer<br />
sitzt fest, und so kann ich nicht herum-<br />
fahren. Ich fahre zu Marek, dessen Hof voll<br />
Autos steht. Es sind kleine, alte Autos, auch<br />
große alte, aber auch jüngere, noble, große.<br />
Man sieht ihnen nicht an, wem sie gehören,<br />
armen oder reichen Polen, armen oder<br />
reichen Deutschen. Es kommen aber immer<br />
mehr altansässige Deutsche, die herausgefunden<br />
haben, dass Marek sich seiner Kunden<br />
annimmt.<br />
Drei Männer beugen sich mit sorgenvollen<br />
Gesichtern über einen Motor, Marek<br />
tastet eine Oberfl äche mit dem Zeigefi nger<br />
ab. Darius eilt von der Seite mit einem<br />
Schraubenschlüssel herbei. Ich weiß nicht,<br />
was sie machen, aber nach zehn Minuten<br />
segelt der Audi wieder stolz davon. Marek eilt<br />
zum nächsten der herumstehenden Autos.<br />
Jetzt hat mich Marek entdeckt. „Hier<br />
kommt ein Veteran“, ruft er. „Er schreibt Bücher.<br />
Bringt ihm Kaffee!“ Gleich darauf sitze<br />
ich in Mareks Büro, werde nach Milch und<br />
Zucker gefragt. Regelmäßig schaut Mareks<br />
Mitarbeiter, Sebastian, nach, ob ich noch<br />
genügend Kaffee habe.<br />
Durch die Türe erspähe ich fast ein<br />
Dutzend von Mareks Genossen. Manche<br />
stehen beratend und unterstützend bei<br />
37
38<br />
einem Monteur; Einzelne, die ich noch nicht<br />
kenne, scheinen neu eingestellt zu. Ich höre<br />
viel Polnisch.<br />
Es dauert schon fast eine Stunde mit der<br />
Reparatur. Marek kommt herein und erklärt<br />
es mir. Die Einzelteile sind oxidiert. Man<br />
nimmt alles auseinander und reinigt es. „Was<br />
machen die Kinder?“ frage ich Marek. „Sie<br />
haben jetzt doch zwei.“<br />
Das ist das Stichwort für Marek. „Drei!“<br />
berichtigt er mich stolz. „Die machen so<br />
viel Freude. Ich habe letzte Woche jeden<br />
Abend bis ein Uhr gearbeitet und das große<br />
Puppenhaus auf der Veranda gebaut. Ohne<br />
Zeichnung, alles mit Bohrmaschine und<br />
Säge. Glauben Sie mir, es hat sich gelohnt.“<br />
„So viele Kinder!“, sage ich. „Jetzt müssen<br />
Sie ein richtig anständiger Mensch sein.“<br />
„Bin ich das nicht?“ fragt er erschrocken.<br />
Ich berichtige mich schnell, ich habe sagen<br />
wollen, dass er jetzt abends mehr zuhause<br />
sein müsse. Schließlich habe ich ihn schon<br />
mit Freunden durch die Stadt ziehen sehen.<br />
„Früher war ich schlimmer“, gibt Marek<br />
zu. „Aber jetzt!“ Den Rest des Satzes ersetzt<br />
er durch eine einfallsreiche Handbewegung.<br />
Ich verstehe. Schlimm sei er nur kurze Zeit<br />
gewesen, ergänzt Marek. Schon als Junge sei<br />
er ja regelmäßig dem „Papa“ nach Belgien<br />
gefahren und habe monatelang auf Pfl anzungen<br />
gearbeitet. Dann hatten sie zuhause<br />
wieder Geld.<br />
„Sie kennen ja die Vorurteile hier“, sage<br />
ich. „Die Polen seien faul, unordentlich und<br />
so – alles Quatsch! Viele sind sogar besser.“<br />
„Man muss es lernen“, antwortet Marek<br />
mehrdeutig. Ich sehe aber, seine Werkstatt<br />
ist aufgeräumt – wie sagt man bei uns – wie<br />
aus dem Ei gepellt. Wenn er auf Landsleute<br />
treffe, die nicht zuverlässig seien, schimpfe er<br />
mit ihnen. Das seien keine Geschäftsleute,<br />
wie er sie sehe. Es gebe auch aus manchen<br />
Ländern Unzufriedene, die eingewandert<br />
seien. „Geht doch zurück“, sage ich denen.<br />
„Da ist es vielleicht wärmer.“<br />
Das alles höre ich natürlich gern. Aber,<br />
frage ich, da habe er doch diese Liebhaberei,<br />
diese Stahlhelme, SS-Koppelschlösser,<br />
Messer –<br />
Darauf sei er sogar gierig, antwortet er. Er<br />
kaufe das Zeug, wo er es fi nde. Hier seien<br />
die CD´s mit Kriegsfi lmen im Schrank. Er<br />
sei verrückt darauf. Wenn es krache und die<br />
Leute vorwärts stürmten. Aber –<br />
„Was ist mit „Aber?“ frage ich.<br />
Aber er möchte beileibe nicht dabei sein.<br />
Das nicht.<br />
„Und wir sind in euer Land eingefallen.“<br />
„Ich weiß. Aber der Hitler war doch ganz<br />
...“<br />
„Was, Marek?“<br />
„Einfach wie wahnsinnig.“<br />
„Aha“, sage ich. „Möchtet Ihr ihn haben?“<br />
„Ich bin doch nicht verrückt.“ Das glaube<br />
ich auch nicht. Eher glaube ich, dass Marek<br />
demnächst ausgebrannt sein wird, wenn er<br />
fortfährt, immer gleich mehrere Autos auf<br />
einmal zu reparieren. Ich sage ihm das.<br />
„Nein“, sagt er, „das passiert mir nicht. Ich<br />
bin ja abends mit meinen Kindern zusammen.<br />
Am Sonntagmorgen lag die Mittlere<br />
zwischen uns im Bett. Wissen Sie, was sie<br />
mir gesagt hat? Sie hat gesagt: Papa, ich danke<br />
dir, dass du mir das Leben geschenkt hast.<br />
Ich habe eine Gänsehaut bekommen.<br />
„Geht mir jetzt auch so“, sage ich. Füe<br />
mich klingt der Satz seiner kleinen Tochter<br />
wie Worte aus einer Gegenwelt.<br />
„Und meiner Frau hat sie einen Brief<br />
geschrieben: „Mama, ich liebe dich so. Ich<br />
möchte keinen Tag ohne dich leben. Meine<br />
Frau hat ihr darauf geschrieben: „Ich liebe<br />
dich auch. Du machst mir soviel Freude.“<br />
Ich schaue gerührt nach unten. Ich hasse<br />
den Gedanken, dass diese schönen Worte<br />
vielleicht von einer Lehrerin vorgesagt wurden.<br />
Ich glaube es auch nicht.<br />
„Der Mann lobt Gott mit seinem Leben“,<br />
würde mein Freund, der Pastor, sagen.<br />
Ich gehe zum Auto, das Marek schon an<br />
der Straße geparkt hat. „Viel Gesundheit!“<br />
ruft er hinter mir her.<br />
Karl Otto Mühl<br />
Kultur, Information und Unterhaltung im Internet<br />
Täglich neu – mit großem Archiv<br />
Literatur – Musik – Bühne – Film – Feuilleton – Museen – Comic – Fotografi e – Reise<br />
Unabhängig, werbefrei und ohne Maulkorb<br />
www.musenblaetter.de
Als Zivilist unter Uniformierten<br />
Annäherungen<br />
an ein Porträt des SPD-Politikers<br />
Dr. Willfried Penner<br />
Willfried Penner (links) mit Manfred<br />
Wörner im Bundestags-Verteidigungsausschuss,<br />
1980. Foto: Arnold, Bundesarchiv<br />
Drei repräsentative großformatige in Blau<br />
eingebundene Bücher, allesamt Unikate,<br />
das eine mit dem „Bericht des Verteidigungsausschusses<br />
als 1. Untersuchungsausschuss<br />
gemäß Artikel 45a Absatz 2<br />
Grundgesetz – 16. Wahlperiode –“, das<br />
zweite mit sämtlichen Reden, die Dr.<br />
Willfried Penner jemals im Bundestag<br />
gehalten hat, das dritte schließlich mit<br />
den Jahresberichten des Wehrbeauftragten<br />
aus den Jahren 2000 bis 2004: Der gebürtige<br />
Wuppertaler, vielfach im Bund wie<br />
in seiner Heimatstadt ausgezeichnet, ist<br />
ein wenig stolz auf diese Konvolute, die<br />
Zeugnis ablegen über einen bedeutenden<br />
Teil seines politischen Lebens.<br />
Zu dem dickleibigen Band über die Zeit<br />
als Wehrbeauftragter haben zwei persönliche<br />
Referenten jener Jahre, Bettina<br />
Petzold und Guido Large, ein persönlich<br />
gefasstes Vorwort beigesteuert. Ausgiebig<br />
habe er von seinem Recht Gebrauch<br />
gemacht, Truppenteile unangemeldet<br />
aufzusuchen, um mit Mannschaften<br />
und Offi zieren quasi unpräpariert ins<br />
Gespräch zu kommen. Häufi g habe er<br />
sich mit folgenden Worten vorgestellt:<br />
„Guten Tag, ich bin Willfried Penner aus<br />
Wuppertal in Berlin, nicht vorbestraft,<br />
seit 34 Jahren mit derselben Frau verheiratet,<br />
drei Kinder und noch unterhaltspfl<br />
ichtig.“ Macht die Umgebung einen<br />
sehr martialischen Eindruck oder steht<br />
sie gar unter Waffen, wir zitieren weiter,<br />
„hebt er dabei die Hände zu einer Geste,<br />
als wolle er sich angesichts des drohenden<br />
Todes retten“. Er hat noch mehr<br />
überlebt.<br />
Der geborene Wuppertaler machte sein<br />
Abitur am Dörpfeld, studierte und<br />
promovierte, trat schließlich in seiner<br />
Heimatstadt das Amt eines Ersten Staatsanwalts<br />
an. 1966 wurde er Mitglied der<br />
SPD, für die er sieben Jahre im Rat der<br />
Stadt saß. Viele Menschen kennen ihn<br />
als langjährigen Vorsitzenden des Stadt-<br />
39
40<br />
Bühnenfoto v. Daniel Werkle, Aufführung am 5. 12. 2009 im Kleinen Schauspielhaus Wuppertal mit (v.l.) Julia Penner, Alexander von Hugo<br />
und Willfried Penner<br />
sportbundes. Seit 1972 schaffte er acht<br />
Mal den direkten Einzug in den Bundestag,<br />
war dort u. a. Vorsitzender des<br />
einfl ussreichen Innenausschusses, nahm<br />
an mehreren Untersuchungsausschüssen<br />
teil und übte maßgebliche Funktionen<br />
in seiner Fraktion aus. Zu Zeiten des<br />
NATO-Doppelbeschlusses arbeitete er<br />
als Parlamentarischer Staatssekretär auf<br />
der Hardthöhe. <strong>Im</strong> Jahre 2000 wurde er,<br />
spannendes Ende einer Dienstfahrt, mit<br />
einer breiten Mehrheit zum Wehrbeauftragten<br />
gewählt. In diesen Jahren war er<br />
auch als Generalbundesanwalt und als<br />
BND-Chef im Gespräch. Zu den vielen<br />
Auszeichnungen, die er erhielt, zählen<br />
das Große Bundesverdienstkreuz, der<br />
Ehrenring der Stadt Wuppertal, deren<br />
Ehrenbürger er sich nennen darf, und die<br />
Goldene Schwebebahn.<br />
Heute wohnt der – nach dem Tod von<br />
Katharina Penner in zweiter Ehe verheiratete<br />
– 75-Jährige am Katernberg. Die<br />
drei Kinder sind längst erwachsen. Auch<br />
die Schauspielerin Julia, die ebenfalls an<br />
ihrer Vaterstadt hängt. „Else“ heißt die<br />
Collage über die große Lyrikerin Lasker-<br />
Schüler, die ein Kollege vom Fach,<br />
sie selbst und Vater Willfried Anfang<br />
Dezember 2009 im Schauspielhaus zur<br />
Aufführung brachten. Seinen Ausfl ug<br />
auf die Bretter, die die Welt bedeuten,<br />
betrachtet er als einmalige Angelegenheit.<br />
Drei Wochen drei bis vier Stunden<br />
am Tag Texte einzustudieren, hat auch<br />
von Wilfried Penner, der sich rühmt, ein<br />
gutes Gedächtnis zu haben, einiges verlangt.<br />
<strong>Im</strong> nächsten Jahr wird die Tochter,<br />
die derzeit im armenischen Jerewan ihre<br />
Schauspielkünste zum Besten gibt, ins<br />
Tal zurückkehren, und zwar mit einer<br />
Revue über Friedrich Engels. Der Vater<br />
wird dann im Zuschauerraum sitzen.<br />
So wie er sein berufl iches Leben unter<br />
Volldampf absolviert hat, pfl egt er jetzt<br />
mit der passenden Ruhe sein Pensionärsdasein.<br />
Und erinnert sich beizeiten.<br />
Etwa an seine Zeit in der Zentralen Stelle<br />
zur Verfolgung von nationalsozialistischen<br />
Gewaltverbrechen, eine Dienststelle der<br />
Bundesländer mit Sitz in Ludwigsburg,<br />
an die es den 30-Jährigen 1966 verschlug.<br />
Es sei, sagt er, eine „mitunter frustrierende<br />
Zeit“ gewesen, in der nicht alle um Auskünfte<br />
gebetenen staatlichen Stellen sehr<br />
kooperativ gewesen seien. Welcher Geist<br />
in manchen Amtsstuben und auf manchen<br />
Gerichtsfl uren herrschte, kann man<br />
in Wolfgang Staudtes legendärem Film<br />
„Rosen für den Staatsanwalt“ studieren.<br />
Ludwigsburg ist längst passé, und wir<br />
schreiben die 1980er Jahre, als der<br />
Bundestagsabgeordnete Dr. Willfried<br />
Penner die bolivianische Hauptstadt<br />
La Paz und dort den Deutschen Klub<br />
besucht, in dem immer noch der Geist<br />
des Wilhelminischen Reiches oder<br />
auch der braunen Zeit hochgehalten<br />
wird. Auf die Frage, ob man hier<br />
Herrn Altmann kenne (den Namen<br />
hatte der in Frankreich zwei Mal zum<br />
Tode verurteilte NS-Verbrecher Klaus<br />
Barbie angenommen), antwortete man<br />
ihm: „Ja, der ging hier ein und aus und<br />
führte ein großes Wort.“ Mitarbeiter<br />
der deutschen Botschaft besuchten,<br />
wie man sich denken kann, ebenfalls
den Klub, doch auf Fragen, ob man<br />
etwas über den Verbleib des ehemaligen<br />
SS-Hauptsturmführers wisse,<br />
Dr. Willfried Penner<br />
Foto: Matthias Dohmen<br />
����������<br />
����������������������������������<br />
����������������������<br />
������������������������<br />
����������������������������<br />
����������������������<br />
���������������<br />
���������������<br />
��������������<br />
bekamen die Mitarbeiter der Zentralstelle<br />
seinerzeit vom Auswärtigen Amt<br />
die stereotype Antwort, man wisse von<br />
nichts und niemandem.<br />
Das muss man dann schlucken oder<br />
weiterbohren. „Tag und Nacht haben wir<br />
seinerzeit geackert“, sagt er heute. Ein hohes<br />
Maß an Arbeitseinsatz und Disziplin<br />
bescheinigt ihm Freund und Feind, zum<br />
Beispiel im Flick-Untersuchungsausschuss<br />
oder, siehe oben, als Wehrbeauftragter,<br />
eine Art Traumjob für Willfried Penner.<br />
Vorgeschlagen hatten ihn die Fraktionen<br />
von Grünen, FDP, PDS und SPD.<br />
Das war nach den turbulenten Jahren,<br />
als die Auseinandersetzungen um die<br />
„Nachrüstung“ die SPD schwer zerrissen.<br />
Willfried Penner hielt, als Zivilist auf die<br />
Hardthöhe geraten, um dem damaligen<br />
Minister Apel zur Seite zu stehen, stramm<br />
Kurs und trat bei der Wahl 1982 in<br />
Wuppertal als SPD-Unterbezirksvorsit-<br />
������������������������������������������������������������������������������������������<br />
zender nicht mehr an. Heute weiß er, dass<br />
seine Beharrlichkeit ihm zumindest im<br />
Nachhinein viele Sympathien an der Basis<br />
eingebracht hat.<br />
Die Zeit nutzt er heute für Reisen und<br />
das Lesen dicker Wälzer über Friedrich<br />
den Großen, Dietrich Bonhoeffer, über<br />
das Dritte Reich und die „Endlösung“,<br />
über den Internationalen Gerichtshof in<br />
Den Haag. Selten fällt sein Blick auf die<br />
in Blau eingebundenen Bände. In das<br />
Vorwort zu den Wehrbeauftragten-Berichten<br />
haben ihm die ehemaligen „Persönlichen“<br />
ein großes Lob hineingeschrieben:<br />
„Wir haben unendlich viel<br />
gelernt, nicht nur über die Bundeswehr,<br />
sondern auch über Kollegialität bis hin<br />
zur Freundschaft, und wir werden uns<br />
den Rest unseres dienstlichen Daseins daran<br />
erinnern.“ Vielleicht auch darüber hinaus.<br />
Matthias Dohmen<br />
�������������<br />
����������<br />
����������������<br />
41
42<br />
Neue Kunstbücher<br />
Die Stadt als Architektur<br />
Vorgestellt von Thomas Hirsch<br />
Architektur teilt etwas über ihre Zeit<br />
mit, sie folgt nicht nur Funktionen, sondern<br />
auch Stilen und Moden und spiegelt<br />
die Form der Gesellschaft wider. Zweifelsohne<br />
wirkt sie – und im Verbund als<br />
Anlage der Stadt – auf das Wohlbefi nden<br />
der Menschen ein. Folglich kann mittels<br />
Architektur und Städteplanung Einfl uss<br />
auf die Bevölkerung genommen werden.<br />
Zu den Ländern, die dies auf schlimme<br />
Weise demonstrieren, gehört Nordkorea<br />
mit seiner Hauptstadt Pjöngjang, in der<br />
etwa drei Millionen Menschen leben: eine<br />
„Retortenstadt, in der das Leben von der<br />
ersten Zellteilung an in einzelnen Funktionseinheiten<br />
streng überwacht wird“, wie<br />
Philipp Meuser in seinem „Architekturführer<br />
Pjöngjang“ schreibt, den er im eigenen<br />
Verlag DOM publishers veröffentlicht<br />
hat. Dieses Buch führt schon durch seine<br />
Existenz diese Stadt ad absurdum. Pjöngjang<br />
scheint nur wenig für Menschen und<br />
schon gar nicht zur Begehung geschaffen.<br />
Die Architektur dient der Darstellung des<br />
Regimes; die perfekte Großzügigkeit, die<br />
hier demonstriert wird, geht zulasten des<br />
Einzelnen und dessen Versorgung. Dieser<br />
wirkt durch die Größe der Gebäude, der<br />
Straßen, der Plätze und der Denkmäler<br />
noch kleiner und soll sich dem Herrschaftssystem<br />
unterordnen. Der „Reiseführer<br />
Pjöngjang“ besteht aus zwei handlichen<br />
Büchern im Schuber, der erste Band gibt<br />
mit seinen Abbildungen und Kurztexten<br />
die offi zielle Sicht von Pjöngjang wieder. Es<br />
wird ein umfassendes Bild vermittelt, das<br />
keine Selbstzweifel kennt. Der zweite Band<br />
macht sozusagen die Probe aufs Exempel,<br />
schreitet nun in Großaufnahmen die heroi-<br />
Philipp Meuser (Hg.): Architekturführer<br />
Pjöngjang, zwei Bände im Schuber, zus.<br />
368 S. mit 350 Abb., Broschur, 24 x 14 cm,<br />
DOM publishers, 38,– Euro<br />
schen Stätten, Sportanlagen und Versammlungsplätze<br />
ab und bemüht sich dabei um<br />
eine objektive Sicht. Philipp Meuser hat<br />
sich in sein Projekt hinein gekniet, selbst<br />
fotografi ert, und dazu gehört, dass er auch<br />
das Traktat zur Baukunst des Staatspräsidenten<br />
Kim Jong-Il abdruckt. Die Bauten<br />
selbst orientieren sich übrigens an den<br />
sowjetischen Vorstellungen des Wohnens<br />
und Lebens, die Ideologie des Kommunismus<br />
ist hier zum Äußersten getrieben.<br />
Frédéric Chaubin: CCCP – Cosmic Communist<br />
Constructions Photographed, 312 S.,<br />
durchgehend s/w und farbig bebildert, Hardcover,<br />
34 x 26 cm, Taschen, 39,99 Euro<br />
Dass es in der ehemaligen Sowjetunion<br />
noch andere Formen der Architektur<br />
gab, das zeigt eine weitere Neuerscheinung.<br />
Der Journalist und Fotograf<br />
Frédéric Chaubet betreibt hier seine<br />
private Recherche über die non-konforme<br />
Architektur der Sowjetunion, die vor<br />
allem nach dem Tod Breshnews vereinzelt<br />
zugelassen wurde. Dieser „Aufweichung“<br />
an Gebäuden und Denkmälern<br />
ist Chaubet bis nach Asien auf der Spur:<br />
den pitturesken Bekrönungen und Verschiebungen<br />
der Baukörper, den seriellen<br />
Wabenstrukturen und Wellenlinien aus<br />
Beton. Chaubet spricht von der „Form<br />
der Extravaganz“ und der „unerwarteten<br />
Schönheit dieser vergessenen<br />
Relikte“, die meisten der Gebäude sind<br />
außer Gebrauch, schon im Status des<br />
Verwitterns. - Schon das ist gefährlich:<br />
ein Hauch von Nostalgie schwingt mit,<br />
dabei schleicht sich eine merkwürdige<br />
Verschiebung ein, die das Diktatorische<br />
des Sowjetkommunismus ausblendet.<br />
Auch inhaltlich bleibt unscharf, worum<br />
es geht. Zu disparat sind die Bauten, die<br />
Chaubet fotografi ert und in das Buch<br />
aufgenommen hat.<br />
Mitunter ist die Landschaft (die Platzierung<br />
des Gebäudes, dessen Aussicht)<br />
die Sensation. Die Bildlegenden sind wenig<br />
aussagekräftig, ja es ist dumm, wenn<br />
eine Darstellung des Ikarus als „Batman<br />
von Tifl is“ bezeichnet wird. Trotzdem,<br />
es gibt eindrucksvolle Fotos außergewöhnlicher<br />
Gebäude zu sehen, für den<br />
sehr guten Druck ist der Taschen Verlag<br />
verantwortlich. Ein schönes Bilderbuch,<br />
zum Ausliegen auf den Beistelltischen.<br />
Wie aus einem Guss wirkt das Buch<br />
„Brasilia“ im Verlag Scheidegger & Spiess,<br />
das Fotografi en von René Burri aus der<br />
Zeit zwischen 1958 und 1997 umfasst.<br />
Also, Burri ließe sich gewiss nur ungern<br />
mit Chaubin in einen Topf werfen. Brasilia,<br />
das Meisterstück des Architekten Oscar<br />
Niemeyer, ist eine künstliche Stadt wie etwa<br />
Chandigarh in Indien und – schlussendlich<br />
– auch Pjöngjang. Brasilia wurde im wesentlichen<br />
zwischen 1958 und 1970 errichtet als<br />
gigantisches Projekt des brasilianischen Staates.<br />
Brasilia sollte Hauptstadt mit dem Regierungssitz<br />
werden. <strong>Im</strong> riesigen Maßstab,<br />
mit den architektonischen Ambitionen im<br />
Hinblick auch auf die Verschiedenheit der<br />
Gebäude und die Infrastruktur und schließlich<br />
im enormen Tempo der Realisierung<br />
sorgte der Bau, vermittelt in Illustrierten<br />
durch Fotografen wie René Burri, weltweit<br />
für Aufsehen. Neben Repräsentationsbauten<br />
entstanden Schulen, Wohnblocks, Freizeitanlagen.<br />
Aber davon zeigen seine s/w- und<br />
Farbfotos wenig. Burri dokumentiert die<br />
Entstehung, die Baustellen, er porträtiert die<br />
Arbeiter und Einwohner und verdeutlicht<br />
so das Euphorische des Projektes. Er fängt<br />
vermeintlich banale Szenen so ein, dass<br />
sie dynamisch bleiben, als Teil des Ganzen<br />
vermittelt sind und sich selbst nicht zu<br />
wichtig nehmen: Burri ist überschauender<br />
Augenzeuge.<br />
René Burri wurde 1933 in Zürich geboren.<br />
Seit 1959 gehört er zu den Fotografen<br />
der berühmten Pariser Agentur „Magnum“.<br />
Als Reportagefotograf reist er rund um den<br />
Erdball, den unterschiedlichsten Themen<br />
auf der Spur. Unter anderem dokumentiert<br />
er die architektonische Arbeit von Le<br />
Corbusier. Der Anspruch des Dokumentarischen<br />
auf höchstem Niveau kennzeichnet<br />
auch seine Bilder von Brasilia. Natürlich
Arthur Rüegg (Hg.), René Burri - Brasilia,<br />
224 S. mit 130 farb. und 80 s/w-Abb.,<br />
Hardcover, 31 x 23 cm, Scheidegger &<br />
Spiess, 77,– Euro<br />
muss das für Burri selbst ein journalistisches<br />
Vergnügen gewesen sein, die Entstehung<br />
einer Hauptstadt von Anfang an und über<br />
Jahre begleiten zu können. Eine Art Goldgräberstimmung<br />
zeichnet sich in seinen<br />
Fotografi en ab. Burri arbeitet mit Symbolik<br />
und aussagekräftigen Situationen, etwa<br />
wenn er den Staatspräsidenten Kubitschek<br />
an seinem Schreibtisch zeigt oder Baufahrzeuge<br />
im Ackerland fotografi ert. All dies ist<br />
nun in eine grob chronologische Abfolge<br />
eingebunden, als Story aus Vision und<br />
schließlich Resümee – ein großartiges Buch!<br />
„Ich fühle mich sehr der Idee der europäischen<br />
Stadt mit ihrer zweitausend Jahre<br />
alten Geschichte verpfl ichtet. Diese Idee<br />
möchte ich weiterentwickeln“, schreibt Max<br />
Dudler, ein Landsmann von René Burri und<br />
etablierter Architekt. Seit neuestem sind die<br />
sieben Bände, die zu seiner Architektur seit<br />
den 1990er Jahren von ihm herausgegeben<br />
und beim Schweizer Verlag Niggli publiziert<br />
worden sind, in einem Schuber zusammengefasst.<br />
Schon die solide Präsentation und<br />
die graphische Gestaltung der Bände signalisieren:<br />
Max Dudlers Sache ist die Strenge<br />
und die Akkuratheit der Form, die Präzision<br />
im Detail. Basismodul ist das Quadrat, das<br />
etwa zu gleichen Rasterungen der Fassade<br />
oder einer einheitlichen, aus gefugten hellen<br />
Steinen gebauten Front führt. Dann wieder<br />
fördern riesige Scheiben den Austausch von<br />
Innen und Außen und deuten weiter an, wie<br />
Dudler auf die jeweilige städtische Situation<br />
reagiert. Nie sind seine Gebäude abweisend,<br />
sie sind „Teamplayer“ innerhalb der<br />
urbanen oder landschaftlichen Umgebung<br />
und mitunter auf ökologische Praktikabilität<br />
ausgerichtet. Max Dudler wurde 1949 in der<br />
Schweiz geboren, nach Studien in Frankfurt<br />
und Berlin war er zunächst Architekt bei O.<br />
M. Ungers, ehe er sich selbstständig gemacht<br />
hat, heute mit Büros in Berlin und Zürich.<br />
Seit 2004 hat er eine Professur für Baukunst<br />
an der Düsseldorfer Kunstakademie inne.<br />
Ein Schwerpukt seiner Tätigkeit ist Berlin<br />
– hier ist er zu den wenigen Hauptstadt-Architekten<br />
zu rechnen, die sensibel umbauen<br />
und implantieren und an der Vermittlung<br />
zwischen Bewahrung von Substanz und homogener<br />
Formulierung von Gegenwärtigkeit<br />
und Fortschritt arbeiten. Zu seinen Bauten<br />
gehören das Jacob-und-Wilhelm-Grimm-<br />
Zentrum der Universität, das Umspannwerk<br />
Lützowplatz und das Bundesministerium für<br />
Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, die in<br />
der Kassette im Niggli Verlag vorgestellt werden.<br />
In der Vielzahl von schwergewichtigen<br />
Publikationen internationaler Architekturbüros,<br />
die selten frei von der Selbstbewerbung<br />
sind, ragt der „Dudler-Schuber“ angenehm<br />
heraus: durch die präzise Vermittlung der<br />
Anliegen der Architektur im Stadtbild und<br />
die Konsequenz im Werk dieses Architekten.<br />
Max Dudler: Kontinuität/Continuity, 7<br />
Bände im Schuber, zus. 664 S. mit über<br />
500 Abb., Broschur, 28 x 23,5 x 8 cm,<br />
Niggli, 140,– Euro<br />
43
44<br />
Geschichtsbücher, Buchgeschichten<br />
Vorgestellt von Matthias Dohmen<br />
Es ist der „immer wieder“ tobende<br />
Streit, „ob Wahrheit in der<br />
Geschichtswissenschaft überhaupt ein<br />
sinnvolles Ziel sei, ob die Geschichtswissenschaft<br />
nicht viel mehr der<br />
Literatur ähnele“, fragt sich Robert<br />
Schnepf in der Einleitung (Seite<br />
9). Und zitiert wenig später Hegel,<br />
der geschrieben hat, die Erfahrung<br />
lehre, „dass Völker und Regierungen<br />
niemals etwas aus der Geschichte<br />
gelernt“ haben (S. 34).<br />
Sehr instruktiv sind des Autors<br />
– sich durch das ganze Büchlein<br />
durchziehende – Darlegungen über<br />
Freund und Feind in der so genannten<br />
Fischer-Kontroverse, die bis auf<br />
den heutigen Tag anhält. Ob die<br />
Wilhelminische Regierung den Ersten<br />
Weltkrieg provoziert und ausschlaggebend<br />
hervorgerufen hat, beschäftigte<br />
schon 1919 den Sozialdemokraten<br />
Karl Kautsky. Sehr viel schlauer wird<br />
der Leser Schnepfs allerdings nicht.<br />
Selbst Quellen können in die Irre<br />
führen und haben nur ein „Vetorecht“<br />
(S. 38).<br />
Robert Schnepf, Geschichte erklären.<br />
Grundprobleme und Grundbegriffe,<br />
Göttingen: Vandenhoeck 2011. 189 S.,<br />
24,95 Euro<br />
Doch ein Triumph des gedruckten Buchs:<br />
Seit 1995 legt die Friedrich-Ebert-Stiftung<br />
in Bonn unter Mitwirkung der Bibliothek<br />
der Stiftung „Archiv der Parteien<br />
und Massenorganisationen der DDR“ in<br />
Berlin diese renommierte Bibliographie<br />
vor. Es gibt zwar – auch von der FES –<br />
jede Menge Datenbanken im Internet,<br />
doch muss ma sich deren (Teil-) Ergebnisse<br />
auch ausdrucken, um sie nachhaltig<br />
zu nutzen.<br />
Und was bringt ein Bücherverzeichnis,<br />
das nicht durch sauber aufbereitete<br />
Register erschlossen ist? Die hier besprochene<br />
Bibliographie enthält Verzeichnisse<br />
der Personen (Verfasser, Herausgeber,<br />
aber auch solche, die Gegenstand von<br />
Biographien sind), der Schlagworte, von<br />
Regionen und Orten sowie der behandelten<br />
Körperschaften.<br />
Einige Hundert Zeitschriften aus 23<br />
Ländern sind für das Jahr 2010 ausgewertet<br />
worden. Hut ab!<br />
Bibliographie zur Geschichte der deutschen<br />
Arbeiterbewegung. Jahrgang 35/2010,<br />
hrsgg. von der Bibliothek der Friedrich-<br />
Ebert-Stiftung, Bonn: J. H. W. Dietz 2011.<br />
216 S., 29,90 Euro<br />
Neben Paul Wentzke ist Hans Spethmann<br />
der führende stark rechtsgewirkte<br />
Historiograph des „Ruhrkampfes“.<br />
Beide führten ihre antimarxistische<br />
Geschichtsschreibung in brauner Zeit<br />
fort und kamen nach 1933 mit ihrem<br />
„Ja“ zum „Führertum“ so recht zu Ehren.<br />
Schande über SPD und KPD: Auf die<br />
Großindustriellen war man „vor dem<br />
Umbruch“ 1933 „nicht gut zu sprechen“<br />
(S. 1457).<br />
Gleichwohl enthält Spethmanns insgesamt<br />
fünf Bände umfassende Darstellung<br />
eine Fülle an Fakten, die ihresgleichen<br />
sucht. Nun hat der Klartext-Verlag<br />
nach der Neuaufl age der ersten drei<br />
Bände, die man allerdings nicht einmal<br />
mehr bei Amazon kaufen kann, die als<br />
verschollen geltenden Teile Drei und Vier<br />
in einem Band publiziert.<br />
Ein Literatur- und Quellenverzeichnis,<br />
ein Gesamtregister (über alle Bände) und<br />
Karten runden die sorgfältig aufgemachte<br />
Publikation ab.<br />
Hans Spethmann, Das Ruhrgebiet. Band 4<br />
und 5, hrsgg. von Gustav Ihde und<br />
Hans-Werner Wehling, Essen: Klartext 2011.<br />
1756 S., 64,95 Euro
Dada-Ada<br />
Assoziationen.<br />
Früher nannte man das<br />
Spinnen. Stoffe spinnen, Themen.<br />
Tibetteppiche in Berlin<br />
In Zürich und im Engelstal.<br />
Zürich-Dada im Cabaret Voltaire,<br />
Spiegelgasse. Das Ada,<br />
Wiesenstraße.<br />
Unterm Tippentappentönnchen:<br />
Migrationsgegend.<br />
Gegen Hintergrund. Aber viel Vordergrund.<br />
Arbeiterviertel<br />
Ohne Arbeiter.<br />
Arbeit. Los.<br />
Wanderergastronomie, wunder wie.<br />
Dort Richard Huelsenbeck und Tristan Tzara. Hier<br />
Mitch Heinrich in vokalen Klang- und Sinnaakrobationen.<br />
Sinnfreiheiten – Freier Sinn.<br />
O.K., einverstanden, zugegeben:<br />
Raumzeitliche Distanzen. Weltgeschichtlicher Abstand.<br />
Aber.<br />
Sinnliche Allianzen.<br />
Unsere Kulturförderung<br />
ist gut für die Sinne.<br />
Tastendes Experimentieren im Reich der Klänge<br />
und Töne. Auch Soundrevolutionen brauchen<br />
Ihren Ort.<br />
Damals.<br />
Hier wie<br />
Dort: Befreiung. Aufbruch.<br />
Wegblasen. Kaputtspielen.<br />
Weil ein Land erstarrt.<br />
Stinkt wie Schweizer Käse: Deutsche Schweiz, deutscher Schweiß<br />
Deutsche Scheiße. Braun in Berlin. In-Berlin: Blue<br />
die Notes und zuweilen auch die Eier. Dem Bürger<br />
fl iegt vom Kopf der spitze Hut. Und<br />
<strong>Im</strong> Ada Töne um die Ohren. Jedes Böhnchen eins. Damals.<br />
Heute: neue Bürgerlichkeit. Free Jazz ohne Freibier.<br />
<strong>Im</strong>provisation, Tanz, Performance.<br />
Zwischen Rakhi und Rembetiko<br />
Zwischen Börek und Brötzmann<br />
Zwischen Döner und Daxophon:<br />
(K)ein Tango ohne Tanga?<br />
Wer weiß das schon? Wahrscheinlich. Jedenfalls<br />
Unterm Sheddach<br />
Pepes Bass<br />
Schlagwerk, Sax und ein<br />
Pianola für den toten Geist von Astor Piazola<br />
Heiner Bontrup<br />
Sparkassen-Finanzgruppe<br />
Kunst und Kultur prägen die gesellschaftliche Entwicklung. Die Sparkassen-Finanzgruppe ist der größte nicht-staatliche Kulturförderer<br />
Deutschlands. Auch die Stadtsparkasse Wuppertal ist ein wichtiger Partner für Kunst und Kultur in unserer Stadt. Das ist gut für<br />
die Kultur und gut für Wuppertal. www.sparkasse-wuppertal.de<br />
Sparkasse. Gut für Wuppertal.<br />
S<br />
45
46<br />
Kulturnotizen<br />
Gryphius-Preis 2011<br />
an Michael Zeller<br />
Der mit 10.000 Euro dotierte Große<br />
Literaturpreis der KünstlerGilde e.V. Esslingen<br />
geht in diesem Jahr an den in Wuppertal<br />
lebenden Schriftsteller Michael Zeller.<br />
Der noch im deutschen Breslau geborene<br />
Preisträger wendet sich in besonderer Weise<br />
in seinem gewichtigen literarischen Werk den<br />
Nachbarn im Osten und Südosten zu und<br />
ist durch sein kontinuierliches Wirken ein<br />
wichtiger aktiver Vermittler einer europäischen<br />
Verständigung. In Romanen und Erzählungen<br />
engagiert sich der Autor für eine<br />
tragfähige deutsch-polnische Nachbarschaft.<br />
Der Andreas Gryphius-Preis wurde von<br />
der KünstlerGilde 1957 begründet. Zu seinen<br />
Preisträgern gehören u.a. Heinz Piontek,<br />
Johannes Urzidil, Wolfgang Koeppen, Franz<br />
Tumler, Peter Huchel, Siegfried Lenz, Horst<br />
Bienek, Peter Härtling, Stefan Chwin und<br />
zuletzt Arno Surminski und Renata Schuman.<br />
Die Preisverleihung nimmt am 11. November<br />
der Bundesvorsitzende der KünstlerGilde, Prof.<br />
Dr. Wolfgang Schulz, im Gerhart-Hauptmann-<br />
Haus in Düsseldorf vor. Die Laudatio hält<br />
die Literaturkritikerin und Autorin Marta<br />
Kijowska.<br />
Der Andreas Gryphius-Preis wird seit 1957<br />
durch die 1948 in Esslingen gegründete KünstlerGilde<br />
e. V. verliehen. Sein Name erinnert an<br />
den großen schlesischen Dramatiker und Dichter<br />
Andreas Gryphius (1616-1664). Er zählt zu<br />
den renommiertesten Literaturpreisen in der<br />
Bundesrepublik Deutschland. Unter den<br />
Trägerinnen und Trägern befi nden sich nicht<br />
zuletzt Heinz Piontek, August Scholtis, Johannes<br />
Urzidil, Franz Tumler, Horst Bienek, Manfred<br />
Bieler, Wolfgang Koeppen, Rose Ausländer,<br />
Gertrud Fussenegger, Peter Huchel, Frank<br />
Thiess, Reiner Kunze, Saul Friedländer, Hans<br />
Sahl, Hans Werner Richter, Siegfried Lenz,<br />
Otfried Preußler, Peter Härtling, Ota Filip,<br />
Andrzej Szczypiorski, Janosch, Jiri Grusa, Karl<br />
Dedecius sowie Stefan Chwin.<br />
Christina Rau zu Besuch in der<br />
Begegnungsstätte Alte Synagoge<br />
Die Vorsitzende der Johannes-Rau-Stiftung<br />
ließ sich durch die Dauerausstellung<br />
führen<br />
Einen Besuch in Wuppertal verband<br />
die Witwe von Johannes Rau heute mit<br />
einer Besichtigung der Ausstellung über<br />
die jüdische Geschichte in Wuppertal.<br />
Die Johannes-Rau-Stiftung zählt zu den<br />
Sponsoren der Begegnungsstätte, und so<br />
zeigte Christina Rau lebhaftes Interesse<br />
an der neuen Konzeption. Von Antonia<br />
Dicken-Begrich, der Vorsitzenden des<br />
Trägervereins Begegnungsstätte Alte<br />
Synagoge, und Dr. Ulrike Schrader,<br />
ließ sie sich die einzelnen Stationen<br />
der Schau und ihre lebendigen Vermittlungsmethoden<br />
erläutern. In den Herbstferien<br />
steht die Ausstellung zwischen<br />
14 und 17 Uhr (außer Montags und<br />
Samstags) allen Interessierten Besuchern<br />
offen.<br />
Foto: Begegnungsstätte Alte Synagoge<br />
Die Welt hebt an zu singen<br />
Erneut haben Wuppertaler Autoren<br />
Anerkennung durch Aufnahme von<br />
lyrischen Texten in Anthologien gefunden.<br />
Dieter Jandt, Mitglied des Verbands<br />
deutscher Schriftsteller (VS), hat sich<br />
erfolgreich um Aufnahme dreier Gedichte<br />
in die Anthologie „Schlafende Hunde II<br />
- Politische Lyrik in der Spaßgesellschaft“<br />
beworben. (Wie schon vor einer Weile<br />
berichtet, sind in dieselbe Anthologie<br />
auch fünf Gedichte von Karl Otto Mühl<br />
aufgenommen worden.) Darüber hinaus<br />
sind Karl Otto Mühl und Michael Zeller,<br />
beide Mitglieder sowohl des VS wie<br />
des PEN, mit je einem Gedicht in dem<br />
gerade erschienenen Reclam-Bändchen<br />
„Die Welt hebt an zu singen“, hg. von der<br />
Wuppertaler Literaturwissenschaftlerin<br />
Gabriele Sander, vertreten.<br />
Auch die Wiederholung eines Bühnenerfolgs<br />
kündigt sich an: Karl Otto<br />
Mühls „Rheinpromenade“, 1974 in<br />
Wuppertal uraufgeführt und Jahre lang<br />
im Repertoire vieler deutscher Bühnen,<br />
feiert demnächst Wiederaufnahme (angekündigt<br />
für 2012, nunmehr verschoben<br />
auf 2012/13) in der „Schlosserei“, einer<br />
Spielstätte des Kölner Schauspielhauses.<br />
Regie führt Nora Bussenius.<br />
Mirijam Contzen – Saltando<br />
Die renommierte Geigerin Mirijam<br />
Contzen kommt nach Wuppertal und<br />
wird Werke zeitgenössischer Komponisten<br />
sowie zeitgenössische Bearbeitungen von<br />
Kompositionen von Franz Liszt spielen.<br />
Alle Werke sind Uraufführungen!<br />
Sonntag, 06.11.2011um 20 Uhr in<br />
der Historischen Stadthalle Wuppertal,<br />
Mendelssohn-Saal. Der Abend steht unter<br />
dem Motto „Saltando“ (deutsch: „mit<br />
tanzendem/ springendem Bogen“)<br />
Mirjam Contzen<br />
Mirijam Contzen, vielfach ausgezeichnete<br />
Solistin von internationalem<br />
Rang (Echo-Klassik 2001), zieht die<br />
Hörer mit lebendiger Musikalität und<br />
atemberaubendem Virtuosentum in<br />
ihren Bann. Begleitet wird sie von Sinfonia<br />
NRW, einer der interessantesten<br />
Orchester-Neugründungen der letzten<br />
Jahre, die den Hörerinnen und Hörern<br />
bereits vom Auftritt bei der Bergischen<br />
Biennale 2010 bekannt ist. Ausgangspunkt<br />
ihres Programms SALTANDO<br />
ist Franz Liszt, Jubilar des Jahres 2011.<br />
Der ist nun zwar als Klaviervirtuose<br />
bekannt – doch lassen Sie sich überraschen,<br />
wie den zeitgenössischen<br />
Komponisten des Abends der Sprung in<br />
ein aufregend neues Violingenre gelingt!<br />
So viel sei verraten: Auch Paganini spielt<br />
eine Rolle …
Eine Einführung zu dem Konzert<br />
mit dem Musikwissenschaftler Reinhard<br />
Buskies fi ndet um 19 Uhr statt.<br />
Das Programm:<br />
Franz Liszt: Mephistowalzer Nr. 1 - Der<br />
Tanz in der Dorfschenke - Bearbeitung<br />
für Kammerorchester von Johannes<br />
Marks (UA)<br />
Lutz-Werner Hesse: Introduzione e moto<br />
perpetuo für Violine und Ensemble (UA)<br />
Franz Liszt: Etude "La campanella" nach<br />
Paganini in der Bearbeitung für Violine<br />
und Kammerorchester von Michael<br />
Schultheis (UA)<br />
Franz Liszt: Polonaise Nr. 2 E-Dur -<br />
Bearbeitung für Kammerorchester von<br />
Michael Schultheis<br />
Johannes Marks: Konzert für Violine und<br />
Kammerorchester (UA)<br />
Michael Walter: Offene Gegend. Musikalische<br />
Szene nach Faust II (UA)<br />
Das Kammerorchester Sinfonia NRW<br />
hat sich einer lebendigen Musikausübung<br />
verschrieben: Die Programme<br />
bestehen immer aus einer Mischung von<br />
Altem und Neuem - die spannungsvolle<br />
Verfl echtung von Bekanntem in Konfrontation<br />
mit Reaktionen der heutigen Zeit<br />
steht im Zentrum. Die Musikerinnen und<br />
Musiker sind herausragende Studierende<br />
aus NRW, die gemeinsam mit erfahrenen<br />
Orchestermusikern spielen. Zum<br />
Konzept gehört auch der unmittelbare<br />
Austausch mit den Komponisten. Der<br />
Klangkörper ist ungewöhnlich besetzt:<br />
The art of tool making<br />
Zu den solistischen Streichern treten u.A.<br />
Blechblasinstrumente und Schlagwerk,<br />
so dass verglichen mit dem 'normalen'<br />
Kammerorchester ein größeres klangliches<br />
Volumen erzielt wird.<br />
Vorverkauf: 0211/27 4000 und www.<br />
westticket.de<br />
Eintritt: 20 EUR /erm. 13 EUR<br />
Aufführung in Wuppertal:<br />
Sonntag, 06.11.2011, 20 Uhr, Historische<br />
Stadthalle Wuppertal, Mendelssohn-<br />
Saal, Johannisberg 40<br />
Konzerteinführung um 19 Uhr<br />
Weitere Aufführungen:<br />
Freitag, 04.11.2011, 20 Uhr, Hörsaal H<br />
1, Hindenburgplatz 10-12, Münster<br />
Samstag, 05.11.2011, 20 Uhr, Museum<br />
für Kunst und Kulturgeschichte Dortmund,<br />
Hansastraße 3<br />
Ruhr-Museum Essen zeigt Bilder<br />
seiner Fotografi schen Sammlung<br />
Essen - Unter dem Titel „Von A bis Z.<br />
Die Fotografi sche Sammlung des Ruhr<br />
Museums“ präsentiert das Ruhr Museum<br />
in Essen eine neue Sonderausstellung. Die<br />
bis zum 10. Juni nächsten Jahres laufende<br />
Schau in der Galerie der Kohlenwäsche auf<br />
dem Welterbe Zollverein zeigt etwa 300<br />
Bilder aus dem gewaltigen Fotoarchiv des<br />
Museums, die zum Teil noch nie öffentlich<br />
zu sehen waren. Die neue Schau ist Auftakt<br />
einer Reihe von Ausstellungen, in<br />
denen die einzelnen Sammlungen des<br />
Ruhr Museums präsentiert werden, die<br />
von regionaler und internationaler Bedeutung<br />
sind.<br />
Die Ausstellung ist montags bis sonntags<br />
von 10 bis 18 Uhr geöffnet.<br />
Internet: www.ruhrmuseum.de<br />
Internationale Tanzwochen in<br />
Neuss gestartet<br />
Neuss - <strong>Im</strong> rheinischen Neuss sind die<br />
diesjährigen Internationalen Tanzwo chen<br />
gestartet. Bis zum Februar kommenden<br />
Jahres werden Ensembles aus der ganzen<br />
Welt ein abwechs lungsrei ches Programm<br />
zeigen. Zum Auftakt kam die Armitage<br />
Gone! Dance Company aus New York, die<br />
47
48<br />
Peter Krämer<br />
WP/StB<br />
Andreas Niemeyer<br />
WP/StB<br />
Thomas Pintzke<br />
StB<br />
Katrin Schoenian<br />
WP/StB<br />
Dr. Jörg Steckhan<br />
RA/WP/StB<br />
Peter Temmert<br />
WP/StB<br />
Anke Jagau<br />
RA/StB<br />
Susanne Schäfer<br />
StB<br />
Stephan Schmacks<br />
StB<br />
VIEL<br />
MEHR<br />
ALS<br />
NUR<br />
STEUERN<br />
RINKE TREUHAND GmbH Wirtschaftsprüfungs-/Steuerberatungsgesellschaft<br />
Wall 39 – 42103 Wuppertal – 0202 2496-0<br />
www.rinke.eu Unternehmensberatung – Steuerberatung – Wirtschaftsprüfung<br />
mit ihrer Choreographie „Relativity“ zum<br />
ersten Mal in Deutschland zu sehen ist.<br />
Unter der Leitung von Karole Armitage<br />
zeigt das Ensemble darüber hinaus „The<br />
Watteau Duets“ und die „Ligeti Essays“.<br />
Bereits zum zweiten Mal besucht<br />
das Cedar Lake Contemporary aus New<br />
York unter der Leitung von Benoit-Swan<br />
Pouffer die international renommierte<br />
Veranstaltung in Neuss. Zu ihrem<br />
einzigen Gastspiel in NRW kommt das<br />
Bayrische Staatsballett 2 im Dezember<br />
an den Rhein. Ivan Liška und Konstanze<br />
Vernon haben eine 16köpfi ge Juniorcompagnie<br />
zusammengestellt, die bereits im<br />
großen Staatstheater auftreten konnte.<br />
Aus Stuttgart kommt Gauthier Dance in<br />
die Neusser Stadthalle, die ihr abwechslungsreiches<br />
Programm „Lucky Seven“<br />
präsentiert. Das Zürcher Ballett unter der<br />
Leitung von Heinz Spoerli, der schon im<br />
Gründungsjahr der Tanzwochen zu Gast<br />
war, zeigt „In den Winden im Nichts“,<br />
eine Choreographie der Cello-Suiten 2,3<br />
und 6 von Bach.<br />
Internet: www.tanzwochen.de<br />
Ausstellung „Stroh zu Gold“ im<br />
Ziegeleimuseum Lage eröffnet<br />
Lage - „Stroh zu Gold“ lautet der Titel<br />
einer Ausstellung im Ziegeleimuseum im<br />
westfälischen Lage, die bis zum 18. März<br />
nächsten Jahres den Mythos magischer<br />
Geschichten und Figuren aus textilen Märchen<br />
aufgreift. Zu sehen sind über 250<br />
Objekte aus dem 18. und 19. Jahrhundert.<br />
Darunter Arbeitsgeräte wie Spinnrad,<br />
Spindel, Webstuhl, Schneidertisch und<br />
Zwirnmühle. Bücher des 19. Jahrhunderts<br />
zeigen in der Ausstellung Holzstiche<br />
aus der Märchenwelt der Brüder Grimm<br />
und des Wilhelm Hauff.<br />
Ausgestellt werden außerdem 60<br />
Jahre alte Theaterkulissen, kleinteilig in<br />
kolorierte Pappe geschnitten, sowie Märchenbilder<br />
im Jugendstil aus „Stollwerck´s<br />
königlichen Schokoladentafeln“ von<br />
1906. Einen Hauch von der zauberhaften<br />
Atmosphäre orientalischer Märchen<br />
aus 1001 Nacht vermitteln Zeremonial-<br />
Gegenstände der Turkmenen wie Kronen,<br />
Hochzeitspantoffeln, ein Dolch mit<br />
Damastklinge sowie ein kunstvoll gearbeiteter<br />
Jurteneingang.<br />
Die Ausstellung ist dienstags bis sonntags<br />
von 10 bis 18 Uhr geöffnet.<br />
Museum Abteiberg zeigt Werke<br />
des US-amerikanischen Künstlers<br />
Morgan Fisher<br />
Mönchengladbach - Unter dem Titel<br />
„Translations“ präsentiert das Museum<br />
Abteiberg in Mönchengladbach eine Ausstellung<br />
mit Werken des amerikanischen<br />
Künstlers Morgan Fisher. Es ist die erste<br />
Ausstellung, in der Fisher seine Auseinandersetzung<br />
mit der Malerei zeigt. Seit den<br />
späten 1990er Jahren fertigt der in Los<br />
Angeles arbeitende Künstler Installationen<br />
aus Malerei, in denen monochrome<br />
Gemälde zu einem neuartigen Anschauungsobjekt<br />
werden.<br />
Sie handeln von den Größen,<br />
Formaten, farblichen und räumlichen<br />
Beziehungen, von den Gesichtsfeldern<br />
des Betrachters, den Bedingungen von<br />
Architektur sowie den Phänomenen der
Wahrnehmung und ihrer Nachbilder.<br />
Fisher ist auch Filmemacher und studierter<br />
Kunsthistoriker. In seinen Werken<br />
hat er sich auch immer wieder mit der<br />
Komposition und Wirkungsweise anderer<br />
künstlerischer Werke befaßt. Die Ausstellung<br />
entstand in Zusammenarbeit mit der<br />
Wiener Generali Foundation.<br />
Die Ausstellung ist dienstags bis sonntags<br />
von 11 bis 18 Uhr geöffnet.<br />
Internet: www.museum-abteiberg.de<br />
Duisburger Museum würdigt Ulrich<br />
Erben mit einer Werkschau<br />
Duisburg/Düsseldorf - Unter dem<br />
Titel „Ulrich Erben – Lust und Kalkül.<br />
Malerei aus fünf Jahrzehnten“ würdigt<br />
das MKM Museum Küppersmühle in<br />
Duisburg den 1940 geborenen Künstler.<br />
Die Werkschau läuft bis zum 29. Januar<br />
nächsten Jahres und zeigt rund 160<br />
Gemälde sowie Papierarbeiten und einen<br />
Lichtobjekt-Raum. Erben zählt seit über<br />
40 Jahren zu den wichtigsten deutschen<br />
Vertretern der Farbfeldmalerei. Erben, der<br />
in Düsseldorf lebt, war 25 Jahre als Professor<br />
an der Kunstakademie Düsseldorf/<br />
Münster tätig.<br />
Die Ausstellung ist mittwochs von 14<br />
- 18 Uhr sowie donnerstags bis sonsntags<br />
von 11 bis 18 Uhr geöffnet.<br />
Internet: www.museum-kueppersmuehle.de<br />
Deutsches Glasmalerei-Museum<br />
Linnich würdigt Georg Meistermann<br />
Linnich - Zum 100. Geburtstag<br />
des Künstlers ist seit dem 22. Oktober<br />
im Deutschen Glasmalerei-Museum<br />
im nordrhein-westfälischen Linnich<br />
die Schau „Das Leben des Menschen<br />
ist in Farbe eingehüllt“ zu sehen. Die<br />
bis zum 29. Januar nächsten Jahres laufende<br />
Schau würdigt den Künstler<br />
Georg Meistermann (1911-1990), der<br />
in diesem Jahr 100 Jahre alt geworden<br />
wäre. Man zeigt Werke aus allen Phasen<br />
und Kunstgattungen des Schaffens von<br />
Münstermann. Glasmalereien, Entwurfskartons,<br />
Gemälde und Zeichnungen<br />
bieten dem Besucher einen Einblick in<br />
das malerische und glasmalerische Werk<br />
Meistermanns in den Jahren von 1927<br />
bis 1990. Der Künstler mußte schon<br />
1933 auf Anweisung der Nationalsozialisten<br />
die Kunstakademie in Düsseldorf<br />
verlassen. Noch im gleichen Jahr hatten<br />
die Nazis seine Ausstellung geschlossen<br />
und die Arbeitsmöglichkeiten des Künstlers<br />
erheblich behindert. Das Frühwerk<br />
Meistermanns wurde im Krieg zerstört,<br />
heute zählt er mit zu den bedeutendsten<br />
Vertretern der „Inneren Emigration“ und<br />
der „Verfemten Kunst“. In über 52 Jahren<br />
stattete der Künstler unter anderem<br />
mehr als 170 Kirchen mit umfangreichen<br />
Glasfensterzyklen aus. Er wirkte<br />
zudem maßgeblich beim künstlerischen<br />
Wiederaufbau der romanischen Kirchen<br />
in Köln mit.<br />
Die Ausstellung ist dienstags bis<br />
sonntags von 11 bis 17 Uhr geöffnet.<br />
Internet: www.glasmalerei-museum.de<br />
Erste deutsche Ausstellung zum<br />
Werk von Mamma Andersson in<br />
Krefeld<br />
Krefeld - „Dog Days“ lautet der<br />
Titel der ersten deutschen Ausstellung<br />
zum Werk der schwedischen Künstlerin<br />
Mamma Andersson, die bis zum 5.<br />
Februar nächsten Jahres im Museum<br />
Haus Esters in Krefeld zu sehen ist.<br />
Die 1962 geborene Andersson geghört<br />
zu den wichtigsten zeitgenössischen<br />
Künstlern Skandinaviens. In der eigens<br />
für das Krefelder Museum konzipierten<br />
Schau werden etwa 14 neue Gemälde<br />
und 4 Arbeiten auf Papier gezeigt, die<br />
im Zeitraum eines Jahres entstanden<br />
sind. In ihrer Malerei läßt die Künstlerin<br />
verschiedene Quellen zu überraschenden,<br />
mehrschichtigen Amalgamen<br />
zusammenfl ießen. So bezieht sie sich<br />
einerseits auf die Tradition der nordischen<br />
Landschaftsmalerei des 19. und<br />
20. Jahrhunderts, während sie andererseits<br />
Interieurs als Vorlage verwendet,<br />
die aus kriminaltechnischen Recherchen<br />
stammen und daher ungeschminkte,<br />
gewöhnliche Räume in ihre Gemälde<br />
eindringen lassen. Wo die Künstlerin<br />
auf die Darstellung von Personen verzichtet,<br />
werden Interieurs und Dinge<br />
der Außenwelt durch malerische Mittel<br />
psychologisch aufgeladen. So entpuppt<br />
sich etwa die Darstellung eines gewöhnlichen<br />
Kinderzimmers näher besehen als<br />
Ort von Einsamkeit und Destruktion,<br />
ein leeres Schiffsdeck von schwarzer See<br />
umgeben als Metapher existenziellen<br />
Ausgeliefertseins.<br />
Die Ausstellung ist dienstags bis sonntags<br />
von 11 bis 17 Uhr geöffnet.<br />
Internet: www.kunstmuseenkrefeld.de<br />
49
50<br />
Ausstellung zu Expression<br />
und Religion im Essener Museum<br />
Folkwang<br />
Louis Soutter „The Empty Cross“,<br />
1939, Fingermalerei in Deckfarben<br />
Essen - „The Empty Cross - Expression<br />
und Religion in Werken einer Schweizer<br />
Privatsammlung“ lautet der Titel einer<br />
Ausstellung, die am 12. November im<br />
Essener Museum Folkwang eröffnet wird.<br />
Zu sehen sind bis zum 22. Januar 2012<br />
etwa 70 druckgrafi sche Blätter vor allem<br />
des Expressionismus gemeinsam mit<br />
thematisch verwandten Aquarellen und<br />
Zeichnungen, unter anderem Arbeiten<br />
von Emil Nolde, Karl Schmidt-Rottluff<br />
und Max Beckmann, die in der Zeit um<br />
den Ersten Weltkrieg viele Werke religiösen<br />
Inhalts schufen. Bei der Darstellung<br />
von Motiven des Alten und Neuen Testaments<br />
vor allem in Holzschnitten und<br />
Radierungen gelang es den Künstlern,<br />
den psychologischen Gehalt der Szenen<br />
herauszuarbeiten. Eine sehr persönliche<br />
Fortentwicklung der christlichen Ikonographie<br />
realisierte auch Louis Soutter in<br />
seinen Zeichnungen, die in den 1920er<br />
und 1930er Jahren entstanden.<br />
Die Ausstellung ist dienstags bis sonntags<br />
von 10 bis 18 Uhr sowie freitags bis<br />
22.30 Uhr geöffnet.<br />
Internet: www.museum-folkwang.de<br />
Picasso durch die Kamera von<br />
David Douglas Duncan gesehen<br />
Münster - „Picasso bei der Arbeit<br />
- Durch die Linse von David Douglas<br />
Duncan“ lautet der Titel einer Ausstellung,<br />
die im Kunstmuseum<br />
Münster zu sehen ist. Der spanische<br />
Künstler wird in den Aufnahmen von<br />
Duncan bis zum 15. Januar 2012 von<br />
seiner privaten Seite gezeigt. Auch<br />
in Bielefeld und Köln sind derzeit<br />
Ausstellungen über Picasso zu sehen.<br />
Insgesamt 115 Fotografi en zeigen ihn<br />
in der Münsteraner Schau bei der<br />
künstlerischen Arbeit im Atelier, umgeben<br />
von seiner Frau Jacqueline und<br />
seinen Kindern. Die Ausstellung stellt<br />
parallel zu Duncans Arbeiten auch viele<br />
der auf den Fotos auszumachenden<br />
Kunstwerke von Picasso aus, darunter<br />
zahlreiche Keramiken, Bronzen und<br />
Blechskulpturen. Der als Kriegsfotograf<br />
bekannt gewordene Duncan durfte<br />
Picasso über Jahre hinweg mit der Kamera<br />
begleiten, angefangen bei ihrem<br />
ersten Treffen 1956 bis hin zu Picassos<br />
Tod 1973.<br />
Die Ausstellung ist dienstags bis<br />
sonntags von 10 bis 18 Uhr geöffnet.<br />
Internet:<br />
www.kunstmuseum-picasso-muenster.de<br />
Ausstellung zum Werk von<br />
Werner Gilles im Kunstmuseum<br />
Mülheim/Ruhr<br />
Mülheim/Ruhr - „Träumender und<br />
Sehender“ lautet der Titel einer Ausstellung<br />
im Kunstmuseum Mülheim/Ruhr,<br />
die bis zum 8. Januar nächsten Jahres<br />
Werke des Künstlers Werner Gilles präsentiert.<br />
Mit seinen lyrischen Abstraktionen<br />
hat der Maler und Grafi ker (1894–1961)<br />
eine eigene Position in der Kunst des 20.<br />
Jahrhunderts eingenommen. Die Ausstellung<br />
fi ndet anläßlich des 50. Todestages<br />
von Gilles statt und präsentiert rund 150<br />
Gemälde und Aquarelle des Künstlers.<br />
Von den Nationalsozialisten verfemt,<br />
gehörte Gilles nach dem Zweiten Weltkrieg<br />
zu den ersten modernen Künstlern,<br />
die wieder ausgestellt wurden. 1954 mit<br />
dem Großen Preis für Malerei des Landes<br />
NRW ausgezeichnet, nahm der Künstler<br />
1955 und 1959 an der Documenta<br />
I und II in Kassel teil. Ausgehend von<br />
seinen großen Kompositionen und Zyklen<br />
mit mythologischen und christlichen Motiven<br />
spannt die Ausstellung einen Bogen<br />
hin zu den mediterranen Landschaften<br />
seiner Wahlheimat, der italienischen<br />
Insel Ischia.<br />
Zu sehen sind auch Fotografi en und<br />
der preisgekrönte Film „Der Maler des Orpheus“<br />
aus dem Jahr 1960 von Carl Lamb.<br />
Die präsentierten Gemälde, Aquarelle<br />
und Grafi ken stammen entweder aus dem<br />
Nachlaß des Künstlers oder sind Leihgaben<br />
unter anderem der Hamburger Kunsthalle,<br />
der Staatlichen Museen zu Berlin,<br />
dem Von der Heydt-Museum Wuppertal,<br />
dem Märkischen Museum in Witten oder<br />
dem Folkwang-Museum in Essen.<br />
Die Ausstellung ist dienstags, mittwochs<br />
und freitags von 11 bis 17 Uhr,<br />
donnerstags von 11 bis 21 Uhr sowie<br />
samstags und sonntags von 10 bis 17 Uhr<br />
geöffnet.<br />
Internet: www.kunstmuseum-mh.de<br />
Ausstellung über Leben und Werk<br />
von Nelly Sachs in Dortmund<br />
Dortmund - „Flucht und Verwandlusng.<br />
Nelly Sachs, Schriftstellerin,<br />
Berlin - Stockholm“ lautet der Titel<br />
einer Ausstellung, die am 18. November<br />
Nelly Sachs’ Wohnung am Bergsundsstrand<br />
1970
im Dortmunder Museum für Kunst<br />
und Kulturgeschichte eröffnet wird.<br />
Anhand einer Fülle bisher unbekannter<br />
Fotos, Texte und Zeugnisse werden die<br />
wachsende Radikalität und der kulturgeschichtliche<br />
Kontext ihrer Dichtung<br />
herausgearbeitet. Die Schau entstand<br />
in Zusammenarbeit mit dem Jüdischen<br />
Museum Berlin, dem Jüdischen Theater<br />
Stockholm, der Königlichen Bibliothek<br />
Stockholm, der Schwedischen Botschaft<br />
und dem Suhrkamp Verlag. <strong>Im</strong> Dezember<br />
vergibt die Stadt Dortmund zum 25.<br />
Mal den 1961 gestifteten und nach der<br />
Dichterin benannten Nelly Sachs Literaturpreis.<br />
<strong>Im</strong> Mai<br />
Die Ausstellung ist dienstags, mittwochs,<br />
freitags und sonntags von 10<br />
bis 17 Uhr, donnerstags von 10 bis 20<br />
Uhr sowie samstags von 12 bis 17 Uhr<br />
geöffnet.<br />
Internet: www.mkk.dortmund.de<br />
Hetjens-Museum präsentiert<br />
„Japanische Keramik zwischen<br />
Tradition und Moderne“<br />
Kawabata Fumio, Vasenobjekt, 2003,<br />
Unglasiertes Steinzeug aus marmoriertem<br />
Ton mit Feuerschur-Deko<br />
Düsseldorf - Das Hetjens-Museum<br />
in Düsseldorf zeigt bis zum 29. Januar<br />
nächsten Jahres die Ausstellung „Japanische<br />
Keramik zwischen Tradition und<br />
Moderne.“ Die laufende Schau fi ndet<br />
im Rahmen des Japan-Jahres statt, das an<br />
die Aufnahme der Handelsbeziehungen<br />
zwischen Deutschland und Japan vor 150<br />
Taitan Fukuda, Set für kalten Sake mit<br />
Sakegießer und 2 Bechern, 2002, Steinzeug<br />
mit Kupferglasur<br />
Jahren erinnert. In der Studioausstellung<br />
werden Objekte der historischen Sammlung<br />
des Museums modernen Keramiken<br />
aus Japan gegenübergestellt, die als Leihgaben<br />
aus dem Museum für Asiatische<br />
Kunst der Staatlichen Museen zu Berlin<br />
kommen. In der Zusammenschau wird<br />
das für Japan so symptomatische Nebeneinander<br />
von Tradition und Moderne<br />
deutlich. Einerseits orientieren sich die<br />
Töpfer noch heute stark an traditionellen<br />
Vorbildern etwa bei Formentypen und<br />
Dekore. Andererseits gehen Studiotöpfer<br />
ganz ungewohnte neue Wege in der Keramikgestaltung.<br />
Ablesbar ist der bis heute<br />
prägende Einfl uß des Zen-Buddhismus,<br />
denn gerade die Teekeramik ist in ihrer<br />
kunstvollen Natürlichkeit nicht ohne den<br />
buddhistischen Kontext zu verstehen.<br />
Die Ausstellung ist dienstags sowie<br />
donnerstags bis sonntags von 11 bis 17<br />
Uhr und mittwochs von 11 bis 21 Uhr<br />
geöffnet.<br />
Weltweit größte Sammlung von<br />
Arbeiterskulpturen kommt nach<br />
Dortmund<br />
Dortmund - Die weltweit größte<br />
Sammlung von Arbeiterskulpturen des<br />
Bauarbeiter von A. Boucher (1850-1934)<br />
Gelsenkirchener Kunstliebhabers Werner<br />
Bibl hat seit Samstag im Industriemuseum<br />
Zeche Zollern in Dortmund eine<br />
neue Heimat. Wie der Landschaftsverband<br />
Westfalen-Lippe als Träger<br />
des Museums mitteilte, handelt es sich<br />
um über 200 Bronzefi guren namhafter<br />
Bildhauer. Die Objekte zeigen Menschen<br />
aus den Bereichen Bergbau, Landwirtschaft<br />
und Schwerindustrie und geben<br />
einen Einblick in die unterschiedlichen<br />
Facetten menschlicher Arbeit. Einen Termin<br />
für die erste öffentliche Ausstellung<br />
der Skulpturen in Dortmund gibt es noch<br />
nicht. Zunächst wird die Sammlung Bibl<br />
im kommenden Jahr im Weltkulturerbe<br />
Erzbergwerk Rammelsberg in Goslar gezeigt,<br />
erklärte ein Sprecher des Verbandes<br />
Kinofest Lünen zeigt ab<br />
10. November aktuelle deutschsprachige<br />
Filme<br />
Lünen - Das überregionale Kinofest<br />
im westfälischen Lünen zeigt ab dem 10.<br />
November vier Tage lang insgesamt 50<br />
aktuelle, deutschsprachige Filme. Zehn<br />
Streifen laufen im Wettbewerb um die<br />
„Lüdia“, den mit 10.000 Euro dotierten<br />
Hauptpreis des Kinofestes, über den das<br />
Publikum entscheidet.<br />
<strong>Im</strong> Mittelpunkt der diesjährigen<br />
Produktionen stehen starke Persönlichkeiten,<br />
die jenseits der üblichen Entwürfe<br />
um ihren Platz im Leben kämpfen. So<br />
zeigt etwa der Spielfi lm „Der Brand“ von<br />
Brigitte Maria Bertele die Folgen einer<br />
Vergewaltigung, in der Dokumentation<br />
„Der Fall Chodorkowski“ gehe es um die<br />
Hintergründe für die Verurteilung des<br />
russischen Ex-Oligarchen. Die Beiträge<br />
für junge Zuschauer konkurrieren um<br />
den Kinderfi lmpreis „Rakete“.<br />
Internet: www.kinofest-luenen.de<br />
Von Andreas Rehnolt und Frank Becker<br />
51
Der Tipp für alle<br />
ab 60<br />
Mit dem BärenTicket sind Sie im ganzen<br />
VRR-Gebiet unterwegs, rund um die Uhr und<br />
in der 1. Klasse.<br />
Weitere Infos im MobiCenter<br />
Tel.: 0202 569-5200<br />
www.wsw-online.de<br />
52