30.11.2012 Aufrufe

Saitenspiel: Im Quartett - Druckservice HP Nacke KG

Saitenspiel: Im Quartett - Druckservice HP Nacke KG

Saitenspiel: Im Quartett - Druckservice HP Nacke KG

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

DIE BESTE ZEIT<br />

Das Magazin für Lebensart<br />

Wuppertal und Bergisches Land Ausgabe 12, 2011 - 3,50 Euro<br />

DEAD_Lines<br />

Ausstellung Kunsthalle Barmen<br />

Der Jazz lebt !<br />

Das 9. Wuppertaler Jazzmeeting<br />

<strong>Saitenspiel</strong><br />

Das Prisma-<strong>Quartett</strong><br />

Irgendwie jüdisch<br />

Alte Synagoge und jüdisches Museum<br />

Mit spitzer Feder<br />

Der Zeichner André Poloczek<br />

Inszenierte Träume<br />

Die Fotografi n Alina Gross<br />

Zwischen Kloppe und Glück<br />

Die Schriftstellerin Karla Schneider<br />

Jeder Vers ein Leopardenbiss<br />

Peter- Hammer-Verlag<br />

TiC mit Kiss me, Kate<br />

Musical auf der Bühne<br />

Zivilist unter Uniformierten<br />

Der SPD-Politiker Dr. Willfried Penner<br />

Neue Kunstbücher<br />

vorgestellt von Thomas Hirsch<br />

Kulturnotizen<br />

Kulturveranstaltungen der Region<br />

1


„Die Beste Zeit – Das Magazin für Lebensart“ erhalten Sie ab sofort:<br />

Projektraum<br />

Luisenstraße 90<br />

42103 Wuppertal · Tel.: 31 79 173<br />

www.galerie-epikur.de<br />

epikurepikur<br />

Museums-Shop<br />

Turmhof 8<br />

42103 Wuppertal<br />

Telefon (0202) 563-6231<br />

www.von-der-heydt-museum.de<br />

<strong>Druckservice</strong> <strong>HP</strong> <strong>Nacke</strong> <strong>KG</strong><br />

Mediapartner · Druck · Verlag<br />

Friedrich-Engels-Allee 122<br />

42285 Wuppertal<br />

Telefon (0202) 28 10 40<br />

www.hpnackekg.de<br />

Friseursalon Capilli<br />

Heinrich Wermann-Bruschke<br />

Manteuffelstr. 2, 42329 Wuppertal<br />

Telefon (0202) 30 13 22<br />

<strong>Im</strong>manuelskirche<br />

Wuppertal-Barmen<br />

42275 Wuppertal<br />

Telefon (0202) 64 19 69<br />

www.immanuelskirche.de<br />

Bürobedarf Illert<br />

Grabenstraße 4 · 42103 Wuppertal<br />

Telefon (0202) 97 65 808<br />

www.buero-illert.de<br />

Hirschstraße 12 · 42285 Wuppertal<br />

Telefon (0202) 31 72 98 9<br />

www.skulpturenpark-waldfrieden.de<br />

Hauptstraße 17<br />

42349 Wuppertal<br />

Telefon (0202) 47 28 70<br />

www.nettesheim.com<br />

<strong>Im</strong>pressum<br />

Bücher Köndgen<br />

Werth 79 · 42103 Wuppertal<br />

Telefon (0202) 24 800-50<br />

www.koendgen.de<br />

Wohn- und Objektbeleuchtung<br />

Karlstraße 37 · 42105 Wuppertal<br />

Telefon (0202) 2 44 34 40<br />

www.lichtbogen-wuppertal.de<br />

Bücherladen<br />

Jutta Lücke<br />

Hünefeldstraße 83<br />

42285 Wuppertal<br />

Telefon (0202) 88 353<br />

„Die beste Zeit“ erscheint in Wuppertal und<br />

im Bergischen Land<br />

Erscheinungsweise: 5 – 6 mal pro Jahr<br />

Verlag <strong>HP</strong> <strong>Nacke</strong> <strong>KG</strong> - Die beste Zeit<br />

Friedrich-Engels-Allee 122, 42285 Wuppertal<br />

Telefon 02 02 - 28 10 40<br />

E-Mail: verlag@hpnackekg.de<br />

V. i. S. d. P.: HansPeter <strong>Nacke</strong> und Frank Becker<br />

Erfüllungsort und Gerichtsstand Wuppertal<br />

Bildnachweise/Textquellen sind unter den Beiträgen<br />

vermerkt.<br />

WIR BAUEN ATMOSPHÄRE:<br />

„pure life“ für blomus<br />

Ueberholz. GmbH<br />

Büro für temporäre Architektur<br />

Telefon: +49 (0) 202 2 80 96-0<br />

www.ueberholz.de<br />

Bahnhofsbuchhandlung im<br />

Barmer Bahnhof<br />

Winklerstraße 2 · 42283 Wuppertal<br />

Telefon (0202) 59 53 85<br />

Friedrich-Ebert-Str. /<br />

Ecke Laurentiusstr. 12<br />

42103 Wuppertal<br />

Telefon (0202) 30 40 01<br />

www.mackensen.de<br />

Galerie<br />

Friedrich-Ebert-Straße 152a<br />

42117 Wuppertal · Tel.: 4 26 52 62<br />

www.galerie-epikur.de<br />

Umschlagbild: Erwin Olaf, Di † 1997, aus der Serie Royal<br />

Blood, 2000, Lambda Print, 125 x 125 cm, Courtesy Flatland<br />

Gallery, Utrecht<br />

Gastbeiträge durch Autoren spiegeln nicht immer die Meinung<br />

des Verlages und der Herausgeber wider. Für den Inhalt dieser<br />

Beiträge zeichnen die jeweiligen Autoren verantwortlich.<br />

Kürzungen bzw Textänderungen, sofern nicht sinnentstellend,<br />

liegen im Ermessen der Redaktion. Für unverlangt eingesandte<br />

Beiträge kann keine Gewähr übernommen werden.<br />

Nachdruck – auch auszugsweise – von Beiträgen innerhalb der<br />

gesetzlichen Schutzfrist nur mit der ausdrücklichen Genehmigung<br />

des Verlages.<br />

Trotz journalistischer Sorgfalt wird für Verzögerung, Irrtümer<br />

oder Unterlassungen keine Haftung übernommen.<br />

epikurepikur


Editorial<br />

Liebe Leserinnen,<br />

lieber Leser,<br />

vor Ihnen liegt die 12. Ausgabe der Besten Zeit. Wir berichten von der<br />

aktuellen Ausstellung „Dead-Lines“ in der Kunsthalle Barmen, vom<br />

9. Wuppertaler Jazzmeeting und stellen die Begegnungsstätte Alte Synagoge<br />

mit der Ausstellung Tora und Textilen vor. Sie fi nden Porträts von Dr.<br />

Wilfried Penner, dem Karikaturisten Polo, der Fotografi n Alina Gross,<br />

sowie der Wuppertaler Schriftstellerin Karla Schneider: insgesamt 52 Seiten<br />

mit Beiträgen aus dem kulturellen Leben unserer Stadt, interessanten<br />

Buchvorstellungen sowie umfangreichen Kulturnotizen im Anhang der<br />

Ausgabe.<br />

Zum Ende des Jahres stellt sich für mich erneut die Frage: geht es weiter<br />

und wenn ja, wie geht es weiter - oder stellen wir die Herausgabe des<br />

Kulturmagazins wegen Erfolglosigkeit komplett ein. Es gibt Leser, die<br />

immer auf die nächste Ausgabe warten, sie rufen an und möchten den<br />

Erscheinungstermin genau wissen. Dennoch ist die Resonanz allgemein<br />

betrachtet gering, vor allem wenn man die mühevolle Arbeit bedenkt,<br />

die in jeder Ausgabe steckt. Es war meine Vision, ein solches Produkt ins<br />

Leben zu rufen, unabhängig und als Ergänzung der kulturell regionalen<br />

Berichterstattung unserer Tageszeitung. Für den interessierten Bürger<br />

informativer zu sein, Einblicke zu geben in das kulturelle Geschehen,<br />

Menschen zu porträtieren, Initiativen oder Institutionen vorzustellen und<br />

das ohne jeden Anzeigenfriedhof oder Gefälligkeitsjournalismus.<br />

Wir sind sehr erwartungsvoll im Jahr 2009 gestartet, haben viel Zeit und<br />

Mühen investiert, leider blieb der erwünschte Erfolg aus. Offensichtlich<br />

gibt es keinen Markt neben den hochglänzenden Lifestyle-Magazinen oder<br />

reinen Anzeigenblättern. Zu anspruchsvoll, zu einseitig sind wohl die größten<br />

Kritikpunkte. Nach meiner Ansicht fehlte aber eine entsprechende, kulturell<br />

hochwertige Informationsquelle in dieser Stadt. Ich bringe größtes Verständnis<br />

dafür auf, dass man auf Dauer nicht rein für Gottes Lohn arbeiten möchte<br />

und so danke ich allen Autoren für ihre konstruktive Mitarbeit.<br />

Nachdem Frank Becker seine Arbeit als Mitherausgeber aus persönlichen<br />

Gründen zum Ende des Jahres beenden wird, werde ich diese Aufgabe kaum<br />

zusätzlich bewältigen können. Allein an Satz und Layout arbeite ich an jeder<br />

Ausgabe viele Stunden. Ich bin kaum in der Lage, das Zusammenstellen,<br />

Schreiben und Koordinieren der journalistischen Feinarbeit zusätzlich zu<br />

übernehmen. Sollte ich das Magazin einstellen müssen, wird mir das sicher<br />

nicht leicht fallen. Vielleicht ergibt sich aber doch durch das eine oder andere<br />

noch ausstehende Gespräch die Möglichkeit, zukünftig ein Fortbestehen<br />

des Magazins sichern zu können. Persönlich danke ich Frank Becker für<br />

seine Mitarbeit in der Vergangenheit. Danken aber möchte ich auch den<br />

Unternehmen, die uns mit ihren Anzeigen unterstützen. So können wir einen<br />

Teil der Produktionskosten auffangen.<br />

Ich hoffe, dass es weiter geht und wünsche Ihnen noch sonnige Herbsttage<br />

sowie viel Vergnügen bei unserer Lektüre<br />

Ihr<br />

HansPeter <strong>Nacke</strong><br />

3


4<br />

Keine Angst vor Berührung<br />

Barbara Neusel-Munkenbeck und die Urne “moi“<br />

seit 1813<br />

Alles hat seine Zeit.<br />

Berliner Straße 49 + 52-54 · 42275 Wuppertal · www.neusel-bestattungen.de Tag und Nacht 66 36 74


Inhalt<br />

Ausgabe 12, 3. Jahrgang, November 2011<br />

Auf Schritt und Tritt<br />

DEAD_Lines – Ausstellung in der<br />

Kunsthalle Barmen<br />

von Frank Becker<br />

Der Jazz lebt !<br />

Seite 6<br />

Das 9. Wuppertaler Jazzmeeting<br />

von Heiner Bontrup Seite 12<br />

<strong>Saitenspiel</strong><br />

Das Prisma-<strong>Quartett</strong> in der<br />

Historischen Stadthalle Wuppertal<br />

von Johannes Vesper Seite 16<br />

Irgendwie jüdisch<br />

Tora und Textilien:<br />

Alte Synagoge und jüdisches Museum<br />

von Marlene Baum Seite 18<br />

Mit spitzer Feder<br />

Der Wuppertaler Zeichner, Karikaturist<br />

und Illustrator André Poloczek<br />

von Frank Becker Seite 22<br />

Inszenierte Träume<br />

Die Fotografi n Alina Gross<br />

von Frank Becker<br />

Von Kindheiten, Wunschträumen<br />

und Schnecken<br />

Seite 26<br />

Die Wuppertaler Schriftstellerin Karla<br />

Schneider – von Frank Becker Seite 29<br />

TiC mit dem Musical Kiss me, Kate<br />

Cole Porters Musical nach 63 Jahren<br />

noch immer ein Publikumsmagnet<br />

von Frank Becker Seite 33<br />

Jeder Vers ein Leopardenbiss<br />

Else-Lasker-Schüler-Almanach<br />

im Peter-Hammer-Verlag erschienen<br />

von Heiner Bontrup<br />

Gänsehaut<br />

Seite 33<br />

Eine Erzählung von<br />

Karl Otto Mühl Seite 37<br />

Als Zivilist unter Uniformierten<br />

Annäherung an ein Portrait des<br />

SPD-Politikers Dr. Willfried Penner<br />

von Matthias Dohmen Seite 39<br />

Neue Kunstbücher<br />

Die Stadt als Architektur<br />

vorgestellt von Thomas Hirsch Seite 42<br />

Buchvorstellungen<br />

Geschichtsbücher – Buchgeschichten<br />

vorgestellt von Matthias Dohmen Seite 44<br />

Dada-Ada<br />

Assoziationen<br />

von Heiner Bontrup Seite 45<br />

Kulturnotizen<br />

Kulturveranstaltungen in der Region Seite 46<br />

Zwischen den Fronten<br />

Die Kriegstagebücher Gerhard Nebels,<br />

wiederentdeckt von Michael Zeller<br />

von Johannes Vesper Seite 50<br />

5


6<br />

Noch bis zum 12. Februar 2012<br />

ist in der Kunsthalle Barmen<br />

des Wuppertaler Von der Heydt-<br />

Museums eine in ihrem Sujet wohl<br />

einzigartige Ausstellung zu sehen:<br />

DEAD_Lines.<br />

Dr. Gerhard Finckh, Leiter des<br />

Von der Heydt-Museums<br />

und die Kuratoren Dr. Birgit Richard und<br />

Dr. Oliver Zybok<br />

Auf Schritt und Tritt<br />

Solange Künstler sich mit dem Leben<br />

beschäftigt haben, ist auch å Ende das<br />

Thema. Der Tod ist auf Schritt und Tritt<br />

im Leben dabei, daher auch topisch für<br />

die bildende Kunst. Raffael, Albrecht<br />

Dürer, Hans Baldung, Alfred Rethel und<br />

Gustav Klimt haben den Tod gemalt, Arnold<br />

Böcklins „Toteninsel“ ist so legendär<br />

geworden wie Jacques-Louis Davids „Tod<br />

des Marat“ (1793) und Wolf Vostell hat<br />

den Tod zum Fluxus-Thema gemacht.<br />

Francisco de Goya, A. Paul Weber, Edvard<br />

Munch, Bazon Brock, Salvador Dali<br />

haben sich mit dem Unausweichlichen<br />

beschäftigt - die Zahl der Künstler ist<br />

Legion. Erst kürzlich veröffentlichte der<br />

Lappan Verlag einen Band mit Cartoons<br />

zum Tod, der mit den großen zeitgenössischen<br />

Zeichnern publikumsnah die<br />

makaber-witzige Seite des Sterbens und<br />

seiner Umstände präsentierte.<br />

Womit wir beim Heute sind - und uns<br />

dem Charakter der aktuellen Ausstellung<br />

in Wuppertal nähern. Die Kuratoren Dr.<br />

Birgit Richard und Dr. Oliver Zybok<br />

haben ihr Augenmerk auf die zeitgenössische<br />

Kunst gerichtet - genauer: auf die<br />

letzten 20 Jahre - und 120 Arbeiten von<br />

56 internationalen Künstlern für ihre<br />

Ausstellung zusammengetragen. Gezeigt<br />

werden Gemälde und Zeichnungen,<br />

Video- und Raum-Installationen, Skulpturen<br />

und Fotografi en. Aufgenommen<br />

wurden „Positionen zur Endlichkeit des<br />

Lebens“ (Birgit Richard), die Orte und<br />

Symbole des Todes aufsuchen, den allgegenwärtigen<br />

medialen Totenkult persifl ieren<br />

(Beispiel Erwin Olafs „Diana“, 2000),<br />

den Jugendkulturen Gothic, Punk und<br />

Black Metal Raum geben mit dem Numinosen<br />

spielen und hautnah mit dem Tod<br />

konfrontieren wie z.B. Anne-Julie Raccoursier<br />

mit ihrer Installation „Jet Lag“<br />

(2007), die ein z.T. von einem Leichentuch<br />

überdecktes Modell einer Boeing<br />

707 zeigt (ihre Arbeit „The Last Refl ex“,<br />

2011) haben wir als Motto über diesen<br />

Artikel gestellt), die nüchternen Fotos von<br />

Lucinda Devlin, die kühl ausgeleuchtete<br />

Todeszellen und Hinrichtungsräume in<br />

US-Gefängnissen aufgenommen hat,<br />

oder ein von Willie Doherty fotografi ertes<br />

ausgebranntes Autowrack „Abandoned<br />

Vehicle II“ (1994).<br />

Mit seiner skulpturalen Installation<br />

„Anzug“ (2007), einer männlichen<br />

Schaufensterpuppe im dezenten Nadelstreifenanzug,<br />

ausgerüstet mit einem<br />

Scharfschützengewehr und Unmengen<br />

von Munition hat MK Kaehne vier Jahre<br />

vor dem grauenhaften Massaker auf der<br />

norwegischen Ferieninsel Utoya wie in<br />

einer alptraumhaften Ahnung ein künstlerisches<br />

Dokument von erschreckender<br />

Aktualität geschaffen. Kaehne erreicht es<br />

durch zwei eindeutige Hinweise, den Finger<br />

am Abzug der Waffe und das Fehlen


Lucinda Devlin, Lethal Injection Chamber, Nevada State Prison, Carson City, Nevada, 1991, aus der Serie The Omega Suites, Chromogenic<br />

print, ca. 49,5 x 49,5 cm, Courtesy Galerie m, Bochum<br />

der oberen Kopfhälfte, also des Gehirns,<br />

die allen Massenmördern, welcher Motivlage<br />

auch immer, gleiche Grundsätzlichkeit<br />

unmißverständlich darzustellen.<br />

Apokalyptisch auch Markus Selgs „Der<br />

Vorhof“ (2004), ein grandioses Tableau in<br />

der Tradition eines Goya.<br />

Schon zu Lebzeiten Ikone und durch<br />

ihren mystifi zierten Tod beinahe zur<br />

Heiligen geworden ist Diana Spencer,<br />

Princess of Wales, „Königin der Herzen“<br />

der Yellow Press und ihrer Leser(innen).<br />

Ihr hat - ich erwähnte es oben - der Holländer<br />

Erwin Olaf mit seinem Gemälde<br />

„Di † 1997“ aus der Serie „Royal Blood“<br />

ein makabres Denkmal gesetzt, das<br />

nun selbst das Zeug hat, zur Ikone zu<br />

werden.<br />

Eines der eindrucksvollsten Werke der<br />

Wuppertaler Ausstellung und durch<br />

seine Teilnahme wirklich sensationell<br />

ist Gregory Crewdsons 145 x 223 cm<br />

große Fotoinszenierung „Esther Terrace“<br />

(2006). Crewdson beherrscht wie kein<br />

zweiter in der Fotografi e die Gegenwart<br />

der Tristesse bis hin zur düsteren Existenzangst<br />

einzufangen. Vor ihm hat das in der<br />

Malerei Edward Hopper zur Perfektion<br />

gebracht. Gregory Crewdsons Entwürfe<br />

sind jedoch von ungleich komplexerer<br />

Anlage. Gewiß ist er seit Beginn des 21.<br />

Jahrhunderts einer der weltweit maßgeblichen<br />

Fotografen.<br />

7


8<br />

oben: Anne-Julie Raccoursier, sans titre, 2011, Neonröhre, Acryl und Klebefolie auf Wand, Maße<br />

variabel, Courtesy by the artist<br />

unten: Almut Linde, Dirty Minimal #52.2 — Landschaft / Feuerpause – Landscape / Cease-Fire, 2008, 2-tlg., C-Print,<br />

318 x 206 cm, Courtesy rahncontemporary, Zürich<br />

rechte Seite: Erwin Olaf, Di † 1997, aus der Serie Royal Blood, 2000, Lambda Print, hinter Plexiglas auf<br />

Dibond aufgezogen, 125 x 125 cm, Courtesy Flatland Gallery, Utrecht


Nicht gezeigt werden dankenswerterweise Beispiele<br />

der entsetzlichen „Plastinate“ des Kunst-<br />

Scharlatans Gunter von Hagens - Wuppertals<br />

Museumsdirektor Dr. Gerhard Finckh hat die<br />

nachvollziehbare Begründung zur Hand: „Das<br />

ist keine Kunst, sondern Handwerk und für<br />

die Kunstwelt unbedeutend.“ Dem ist wohl<br />

nichts hinzuzufügen.<br />

Ein Novum ist, daß um eine Woche<br />

zeitversetzt parallel in der Galerie der Stadt<br />

Remscheid, deren Leiter Oliver Zybok ist,<br />

unter gleichem Titel eine zweite Ausstellung<br />

überschneidend mit Werken z.T. der selben<br />

Künstler wie in Wuppertal eröffnet wird.<br />

Die dort gezeigten Arbeiten ergänzen das<br />

Thema, die Auswahl aber unterscheidet sich<br />

insofern, daß sie den Museumsbesuchern der<br />

Wuppertaler Kunsthalle den Anblick einiger<br />

der eher widerwärtigen Werke erspart, die<br />

Kurator Oliver Zybok für sein eigenes Haus<br />

ausgewählt hat. Aber das ist ja vielleicht<br />

auch nur mein einer grundsätzlichen Ethik<br />

und Ästhetik geschuldeter ganz persönlicher<br />

Geschmack.<br />

Ich habe Ihnen hier nur einige der 70 in<br />

Wuppertal ausgestellten Arbeiten vorstellen<br />

können. Ein Besuch in der Ausstellung lohnt<br />

auf jeden Fall - sicher auch ein vergleichender/ergänzender<br />

Besuch in der Städtischen<br />

Galerie Remscheid, die eine Parallel-Ausstellung<br />

zeigt.<br />

Kunsthalle Barmen - Geschwister-Scholl-<br />

Platz 4-6 - 42275 Wuppertal<br />

Zu den Ausstellungen ist ein von beiden<br />

Museen gemeinsam herausgegebener hervorragender<br />

Katalog erschienen, der in aller<br />

Ausführlichkeit mit brillanten Abbildungen<br />

(alle Exponate werden im Bild gezeigt) und<br />

diversen Aufsätzen das Thema vorstellt:<br />

DEAD_Lines - Hrsg. von Oliver Zybok<br />

und Birgit Richard, Texte von Verena Kuni,<br />

Thomas Macho, Birgit Richard, Manfred<br />

Schneider, Oliver Zybok u. a.<br />

© 2011 Verlag Hatje Cantz, ca. 256 Seiten,<br />

ca. 200 farbige Abb., Deutsch/Englisch,<br />

24,50 x 30,50 cm, gebunden,<br />

ISBN 978-3-7757-3005-1 - 39,80 Euro<br />

Weitere Informationen: www.hatjecantz.de<br />

www.von-der-heydt-kunsthalle.de<br />

Frank Becker<br />

Gregory Crewdson, Untitled (Esther Terrace),<br />

2006, aus der Serie Beneath the Roses,<br />

Digitaler Pigmentdruck, 145 x 223,5 cm,<br />

Museum Frieder Burda, Baden-Baden<br />

11


Beweismittel: Das 9. Wuppertaler<br />

Jazzmeeting<br />

links:<br />

Saxophon (Klaus Dapper)<br />

Foto: Thorsten Leiendecker<br />

unten:<br />

Roy Harrington und Jens Filser<br />

Foto: Karl-Heinz Krauskopf<br />

These: Der Jazz lebt !<br />

Der Psychologe Mihaly Csikszentmihalyi<br />

hatte in den 70er Jahren begonnen,<br />

das Phänomen des „Flow“ zu untersuchen.<br />

Wer jenes wunderbare Gefühl<br />

der Übereinstimmung von sich selbst<br />

mit seiner Mit- und Umwelt praktisch<br />

und live erleben möchte, der gehe zum<br />

Jazzmeeting in die Kulturkneipe „Ada“.<br />

Das Haus des Jazz kennt viele Zimmer<br />

und Kammern: Ob Hot oder Cool,<br />

ob Bebop oder Free: auf zwei simultan<br />

bespielten Bühnen und Ebenen kann der<br />

Besucher zwischen den unterschiedlichen<br />

Spielarten des Jazz fl anieren, auf Neues<br />

und Unbekanntes stoßen oder sein Herz<br />

an Altbewährtem erwärmen. Das von<br />

einem Team um Rainer Widmann und<br />

Uli Armbruster initiierte und organisierte<br />

Jazzmeeting, das nun schon zum neunten<br />

Male über die Bühne ging, ist inzwischen<br />

zu einer festen Institution der Bergischen<br />

Kulturregion geworden. Und zu einer Art<br />

Leistungsschau der quantitativ differenzierten<br />

und qualitativ hochwertigen Wuppertaler<br />

Jazzszene. Mehr als 500 Besucher<br />

strömten in das Ada und füllten es bis auf<br />

den letzten Platz. „Das Schöne am Jazz-<br />

meeting ist, dass sich hier die Protagonisten<br />

ganz unterschiedlicher Stilrichtungen<br />

treffen, die einander – obwohl sie in einer<br />

Stadt leben und spielen – sonst vielleicht<br />

einander gar nicht begegnen würden.<br />

So kam es immer mal wieder zu überraschenden<br />

Fusionsprojekten.“ Wunderbar<br />

ist auch, dass sich der Jazz, dem schon als<br />

Musik des vergangenen Jahrhunderts der<br />

Tod angedichtet wurde, beim Meeting im<br />

Ada als unverschämt lebendig erweist. Da<br />

sind junge Gesichter zu sehen – auf der<br />

Bühne und im Publikum! In diesem Jahr<br />

etwa das „CFG and all that jazz“-Septett<br />

des Carl-Fuhlrott-Gymnasiums. Unter<br />

der Leitung der Lehrerin und leidenschaftlichen<br />

Saxophonisten präsentierte<br />

die Schüler-Combo Jazz-Klassiker und<br />

heimste dafür begeisterten Beifall an<br />

jenem Ort ein, der früher eine Hochburg<br />

des Free Jazz war. So ändern sich die<br />

Zeiten und künstliche Schranken fallen.<br />

Dass der Nachwuchs auch musikalisch<br />

überzeugen und dabei sogar Wege jenseits<br />

des Mainstreams beschreiten konnte,<br />

demonstrierte die die 20-köpfi ge Band<br />

„Jazzpension“ der Bergischen Musikschu-<br />

13


le unter der Leitung des Trompeters Martin<br />

Zobel. Für viele der jungen Musiker<br />

dieses Ensembles ist die Unterkunft in der<br />

Jazzpension ein wichtiger Zwischenstopp<br />

auf dem Weg zum Studium von Jazz und<br />

Popularmusik. Dieses Zusammenführen<br />

von etablierten und jungen Musikern ist<br />

eine kluge Form der Nachwuchsförderung<br />

– was wohl auch das Ministerium<br />

für Jugend und Kultur sowie der Landesmusikrat<br />

so sehen, die das „Jazzmeeting“<br />

dankenswerterweise als Sponsoren fi nanziell<br />

unterstützen und ermöglichen.<br />

linke Seite: CFG-and all that jazz<br />

v.l.n.r. Leon Gleser, Max Schneider, Nicole<br />

Schaller-Picard, Zita King,<br />

Foto: Karl-Heinz Krauskopf<br />

unten links: Holger Mertin<br />

Foto: Karl-Heinz Krauskopf<br />

unten rechts: André Enthöfer<br />

Foto: Thorsten Leiendecker<br />

Neben den Auftritten von Wuppertaler<br />

Jazzgrößen wie Andre Enthöfer war<br />

das „Saz Special Project“ des Wuppertaler<br />

Musikers Ralf Werner einer der Höhepunkte.<br />

Das Saz-Projekt vereint unterschiedliche<br />

Musikkulturen: Tabla, die<br />

indische Handtrommel, trifft in Gestalt<br />

des Cellos auf die europäische Musiksprache<br />

der Klassik, verbindet sich mit dem<br />

Folk der 1970er Jahre und dem jazzigen<br />

Sound des Saxophons. Vier Musikkulturen<br />

aus Indien, den USA, dem Orient<br />

und Deutschland verschmelzen zu einem<br />

wunderbaren Amalgam aus Klangfarben.<br />

Besonderer Gast bei diesem Projekt war<br />

der mit zweitem Wohnsitz in Wuppertal<br />

lebende amerikanische Gitarrist David<br />

Becker.<br />

Beeindruckend war auch die intermediale<br />

Performance, bei der drei Musiker<br />

auf drei Videokünstler trafen. Eberhard<br />

Kranemann (Gitarre, Saxophon, Keyboard,<br />

Stimme), Gründungsmitglied der<br />

legendären Gruppe „Kraftwerk“ und damit<br />

einer der wesentlichen Protagonisten<br />

der Neuen Deutschen Welle war Motor<br />

dieses Projektes, bei der alle Protagonisten<br />

gemeinsam frei improvisierend auf die<br />

Klangangebote und Bildvorschläge der<br />

jeweils anderen eingingen, sodass sich ein<br />

ständig veränderndes Gefl echt aus aus<br />

potischen und akustischen Informationen<br />

entstand, das den Zuhörer magisch in den<br />

Bann seiner Aufmerksamkeit zog.<br />

Die Überraschung des diesjährigen<br />

Meetings war vielleicht das Duo Mathias<br />

Haus und André Nenzda. Haus’ Vibraphon<br />

trifft auf Nenzdas Kontrabass;<br />

Metall auf Holz und was aus dieser Begegnung<br />

entstand, waren dichte Passagen<br />

von Schwebungen, Klangschichtungen<br />

und intensiver Stille: ein ganz ungewöhnlicher<br />

Flow aus Klangfarben und Tönen,<br />

der noch lange nachklingen – wie das<br />

Jazzmeeting selbst.<br />

Heiner Bontrup<br />

15


16<br />

Das Prisma-Streichquartett<br />

in der Historischen Stadthalle<br />

Wuppertal<br />

Das Prisma-<strong>Quartett</strong> v.l.n.r.:<br />

Pirkko Langer, Cello<br />

Kathrin Brosi, Violine<br />

Annette Hartmann, Viola<br />

Benjamin Spillner, Violine<br />

© für beide Fotos: Janine Kühn<br />

<strong>Saitenspiel</strong>: <strong>Im</strong> <strong>Quartett</strong> (1)<br />

Das Prisma-<strong>Quartett</strong> ist in Wuppertal in<br />

bester Erinnerung, war es doch bereits<br />

in der letzten Spielzeit am gleichem Ort<br />

zu hören, damals mit selten aufgeführten<br />

Werken wie Otmar Schoecks „Notturno“<br />

für Solo-Bariton und Streichquartett<br />

oder John Cages „String Quartet in Four<br />

parts“. Die Auseinandersetzung mit<br />

zeitgenössischer Musik ist dem lebendigen<br />

<strong>Quartett</strong> wichtig. In den letzten<br />

zwei Jahren wechselte die Besetzung der<br />

beiden Geigen zweimal. Nun spielen<br />

also Benjamin Spiller, Kathrin Brosi,<br />

Annette Hartmann und Pirkko Langer<br />

zusammen. Der aktuelle, junge Primarius<br />

ist Konzertmeister der Heidelberger Symphoniker<br />

und Schüler von Ulf Hoelscher.<br />

Kathrin Brosi stammt aus dem Württemberger<br />

Kammerorchester und scheint sich<br />

schon immer vor allem für Kammermusik<br />

interessiert zu haben.<br />

An diesem herrlichen, sonnigen Herbsttag<br />

(23. 10. 2011) wird das Kammerkonzert<br />

am Nachmittag eröffnet mit Joseph<br />

Haydns Quintenquartett (Op. 76.Nr. 2),<br />

so benannt nach den fallenden Quinten,<br />

mit denen das <strong>Quartett</strong> beginnt. In der<br />

offenen, luziden Akustik des Mendelssohn-Saales<br />

wird jede Nuance hörbar,<br />

jede Nähe des Bogens zum Steg und jede<br />

forcierte Berührung mit der Saite. Die<br />

1. Violine ist bei Haydn immer enorm<br />

gefordert, virtuos in den Ecksätzen und<br />

im Variationssatz, der warme Ton des<br />

Violoncellos hält dagegen. Die Oktavkopplung<br />

der Violinen gegen Bratsche<br />

und Cello in der Art eines zweistimmigen<br />

Kanons gibt es schon in den ganz frühen<br />

Streichquartetten Haydns, des Erfi nders<br />

dieser Gattung. Aber welche musikalische<br />

Entwicklung der Persönlichkeit bzw.<br />

ihres musikalischen Ausdrucks fi ndet sich<br />

zwischen Op. 1.1 von 1756 und dem<br />

Op. 76,2 von 1799. Die Vitalität und der<br />

Einfallsreichtum sind beim 67 jährigen<br />

Haydn ungebrochen, und wir konnten<br />

das heute erleben.<br />

Der 1926 in Rumänien geborene<br />

György Kurtág gilt neben Ligeti als der<br />

wichtigste Komponist Ungarns. 1993 war


er als „Composer in Residence“ Gast der<br />

Berliner Philharmoniker. Heute nun 12<br />

kurze Stücke („Mikroludien“ Op. 13) von<br />

1977/78. Schwebende Disharmonien,<br />

schluchzende Glissandi, kräftige Pizzicati,<br />

rhythmische vertrackte Klänge. Leises<br />

Flageolett mit Dämpfer oder auch ohne<br />

erinnert an Töne, die man von Panfl öten<br />

her kennt. Kräftige Motive von Bratsche<br />

und Cello im Klangteppich der beiden<br />

Geigen, Große dynamische Gegensätze<br />

im Tremolo mit und ohne Vibrato. Der<br />

Zuhörer ist ob der Ausdrucksfülle und<br />

der Leichtigkeit des Vortrags fasziniert.<br />

Nach der Pause dann das Streichquar-<br />

<strong>Im</strong> Herbst/Winter 2011 bringt das Prisma<br />

<strong>Quartett</strong> folgende Konzertprogramme zu<br />

Gehör:<br />

J. Haydn: Streichquartett d-moll, op. 76/2<br />

G. Kurtág: 12 Mikroludien für Streichquartett,<br />

op. 13, Hommage à Mihály András<br />

J. Brahms: Streichquartett, a-moll, op. 51/2<br />

D. Hahne: „Writings“ für Klavierquartett,<br />

elektronische Klänge und Video (2009)<br />

D. Hahne: „Ecoute II“ für verstärktes<br />

Streichquartett und Klarinette (1997)<br />

W. A. Mozart: Streichquartett G-Dur,<br />

KV 387<br />

B. Bartók: Streichquartett Nr. 3, Sz 85<br />

F. Mendelssohn Bartholdy: Streichquartett<br />

Nr. 6, f-moll, op. 80<br />

F. Schubert: <strong>Quartett</strong>satz c-moll, D 703<br />

A. Zemlinsky: Streichquartett Nr. 3, op. 19<br />

L. v. Beethoven: Streichquartett B-Dur,<br />

op. 18/6<br />

J. Haydn: Streichquartett Es-Dur, op. 64/6<br />

S. Prokofi ev: Streichquartett Nr. 2, F-Dur,<br />

op. 92, Sur des Thèmes Kabardines<br />

M. Ravel: Streichquartett F-Dur<br />

Termine in Wuppertal:<br />

25. 11.12011 Schulkonzert<br />

Sonntag, 27. 11. 2011, 16.00 Uhr:<br />

W. A. Mozart: Streichquartett G-Dur,<br />

KV 387<br />

Bela Bartók: 3. Streichquartett<br />

F. Mendelssohn-Bartholdy: Streichquartett<br />

f-moll Op. 88<br />

Die gesamte Kammermusikreihe 2011/12<br />

mit dem Prisma-<strong>Quartett</strong> wird wie 2010/11<br />

fi nanziell gefördert von Detlef Muthmann.<br />

Weitere Informationen:<br />

www.prisma-quartett.de<br />

tett a-moll (Op. 51, Nr. 2) von Johannes<br />

Brahms. Zwar kein Alterswerk wie Op.<br />

76.2, aber immerhin war Brahms 40 Jahre<br />

alt, bevor er erstmals Streichquartette<br />

und zwar die des Op. 51 veröffentlichte.<br />

Es war also eine lange Geburt mit seinen<br />

Streichquartetten. Er hat sie seinem<br />

Freund, dem heute noch berühmten<br />

Chirurgen Theodor Billroth gewidmet.<br />

Das Werk von 1873 gibt mit singenden,<br />

nahezu wienerisch anmutenden,<br />

schwelgenden Melodien die Stimmung<br />

des Komponisten („frei- aber froh bzw.<br />

„frei, aber einsam“! Kopfmotiv: a-f-a-e)<br />

wieder. <strong>Im</strong> 3. Satz, der mit fl inkem Piano<br />

Sommernachtsträume weckt, ist die<br />

Virtuosität und Sensibilität aller vier gefordert.<br />

Das ganze <strong>Quartett</strong> ist bei seiner<br />

Komplexität voll wunderbarer Musik und<br />

im letzten Satz mit einem kurzen Finale<br />

furioso synkopisch-ungarisch angehaucht.<br />

Das <strong>Quartett</strong> bedankte sich für den reichen<br />

Applaus des kleinen Publikums mit<br />

dem 2. Satz aus Mendelssohns Streichquartett<br />

Nr. 6, welches in Gänze später in<br />

der Wuppertaler Kammermusikserie des<br />

<strong>Quartett</strong>s zu hören sein wird.<br />

Johannes Vesper<br />

17


Tora und Textilien:<br />

Alte Synagoge und jüdisches<br />

Museum<br />

rechts:<br />

Die Begegnungsstätte Alte Synagoge an der<br />

Genügsamkeitstraße in Elberfeld<br />

linke Seite:<br />

„Die kleine Reni“ –<br />

Ausstellungsdetail<br />

Irgendwie jüdisch<br />

Eigentlich hätte dort ein Parkhaus stehen<br />

sollen – da, wo seit 1865 bis zu ihrer Zerstörung<br />

in der Reichskristallnacht 1938 die<br />

Elberfelder Synagoge gestanden hat. Wer<br />

hätte gedacht, dass an dieser Stelle heute,<br />

mitten in der Stadt, ein Apfelgarten steht!<br />

Parkhaus oder Gedenkstätte – darüber<br />

stimmte schließlich 1986 nach langen<br />

Debatten der Rat der Stadt Wuppertal ab:<br />

„Am Platz der ehemaligen Synagoge in der<br />

Genügsamkeitstraße in Elberfeld wird ein<br />

Mahnmal errichtet. Die Gedenkstätte soll<br />

an das Schicksal der Juden in Wuppertal in<br />

der Zeit des Nationalsozialismus erinnern<br />

und die nachwachsenden Generationen<br />

mahnen, das Schicksal dieser Bürger unserer<br />

Stadt nicht zu vergessen, um gemeinsam<br />

zu verhindern, dass je wieder Gleiches<br />

geschieht.“<br />

Die spannungsreichen Diskussionen der<br />

Politiker kann man heute in der Begegnungsstätte<br />

mittels einer Hörstation verfolgen.<br />

Angesichts des Ergebnisses ist es kaum<br />

noch nachvollziehbar, dass es beinahe zu<br />

einem Scheitern gekommen wäre !<br />

Zwei Jahre nach dem Ratsbeschluss wurde<br />

ein Architektenwettbewerb zu Gunsten der<br />

Architekten- und Künstlergemeinschaft<br />

Peter Busmann & Godfried Haberer, Köln,<br />

mit dem Bildhauer Zbyszek Oksiuta, Köln,<br />

und dem Landschaftsarchitekten Volker<br />

Püschel aus Mettmann entschieden.<br />

<strong>Im</strong> Juni 1993 gründete sich der „Trägerverein<br />

Begegnungsstätte Alte Synagoge<br />

Wuppertal“ e. V. aus zehn Vereinen, zu<br />

denen u. a. die Bergische Universität<br />

Wuppertal, evangelische und katholische<br />

Institutionen und die Jüdische Kultusgemeinde<br />

Wuppertal gehörten.<br />

Ulrike Schrader hat die Begegnungsstätte<br />

seit 1994 ohne Dauerausstellung<br />

geleitet. 2009 sah sie die Zeit gekommen,<br />

das Konzept zu ändern: „Mit dem wachsenden<br />

zeitlichen Abstand vom Nationalsozialismus<br />

gerät der moralische Aspekt in<br />

den Hintergrund. An seine Stelle tritt der<br />

Bedarf an Informationen, die zeitgemäß<br />

lebendig und anschaulich aufbereitet sein<br />

müssen, um auch in Zukunft Interesse zu<br />

wecken.“ ‚Tora und Textilien’ heißt die<br />

Ausstellung, denn es war die Herstellung<br />

von Stoffen und Bändern, also Textilien,<br />

die das Wuppertal seit dem 17. Jahrhundert<br />

für Einwanderer, darunter auch vielen<br />

Juden, so attraktiv machte.<br />

Da die Juden als unterdrückte Minderheit<br />

dauernde Rechtsunsicherheit zu erdulden<br />

hatten, hofften sie auf günstigere Lebens-<br />

und Arbeitsmöglichkeiten. So ist es kein<br />

Wunder, dass sie sich mit den Zielen der<br />

Französischen Revolution identifi zierten<br />

und die Chancen ergriffen, die ihnen die<br />

rechtliche Gleichstellung und der rasante<br />

wirtschaftliche und technische Aufschwung<br />

zu Beginn des 19. Jahrhunderts boten.<br />

Während 17 Jahren ihrer Tätigkeit als<br />

Leiterin der Begegnungsstätte hat Ulrike<br />

Schrader von Wuppertaler Bürgern und<br />

19


20<br />

vor allem von ehemaligen Wuppertalern,<br />

die als Juden ihre Heimat um 1930 haben<br />

verlassen müssen, eine Fülle von Dokumenten<br />

wie Schriftstücken, Fotografi en<br />

und Objekten bekommen. Diesen Schatz<br />

galt es zu ordnen und zu gestalten.<br />

An diesem Punkt begann die Zusammenarbeit<br />

zwischen der Kuratorin Ulrike<br />

Schrader und der Kommunikationsdesignerin<br />

Andrea Hold-Ferneck und ihren<br />

Mitarbeitern. Sie konnte neben ihrer<br />

berufl ichen Qualifi kation - „Designer<br />

gestalten die zu kommunizierenden Inhalte<br />

im Raum und setzen dabei optische<br />

Schwerpunkte,“ auch ihre Erfahrungen als<br />

bildende Künstlerin einbringen, da sie ihre<br />

Fotografi en in den jeweiligen Ausstellungsräumen<br />

eigenwillig inszeniert, indem sie<br />

vorgefundene Gegenstände einbezieht. In<br />

Abstimmung mit der Kuratorin entwickelte<br />

sie das gesamte künstlerische Ausstellungskonzept<br />

– von der Innenarchitektur<br />

über das farbliche und grafi sche Erscheinungsbild<br />

so wie der Lichtführung des<br />

gesamten „Museums“.<br />

Unterwegs zur Gedenkstätte sieht der<br />

Besucher sofort, dass ihn eine besondere<br />

Architektur erwartet. Der Blick ist gefesselt<br />

durch das langgezogene stilisierte Sockelgeschoss<br />

eines Gründerzeithauses, das dort<br />

einst an der Genügsamkeitstraße gestanden<br />

hat. In seiner eigenwilligen Perspektive<br />

erscheint es einem expressionistischen<br />

Bühnenbild entnommen. Angelehnt an<br />

den Hang und damit aus der Senkrechten<br />

gekippt, leitet es zum Eingang des Hauses.<br />

Jetzt, im September, steht dort ein Korb<br />

mit museumseigenen Äpfeln. Sie sind aus<br />

dem Apfelgarten der Gedenkstätte. Der<br />

Landschaftsarchitekt Wolfgang Püschel<br />

hat oberhalb der Gebäude am Hang einen<br />

durch Mauerreste und Häuser abgeschlossenen<br />

Apfelgarten mit zehn Apfelbäumen<br />

und einem schmalen, achsialen Wasserlauf<br />

angelegt. Die rechte Seite der Baukörper<br />

begrenzt eine schlichte, grau geschotterte<br />

Freifl äche, deren einziger Schmuck eine<br />

„sofora japonica“, ein prachtvoller Baum<br />

mit tief hängenden Zweigen ist, der sich<br />

den unwirtlichen Bedingungen dieses<br />

Standortes gewachsen zeigt. Unter den<br />

Zweigen fast verborgen fi ndet sich ein Granitblock,<br />

der ebenso an eine Bank denken<br />

lässt wie an einen Sarkophag. Von dort aus<br />

sieht man gut den abweisenden grauen<br />

Baukörper des Langhauses, der an eine<br />

Lagerbaracke erinnert. Jeder Bau besteht<br />

aus einem anderen Material, Stahl, Ziegel,<br />

Granit, Beton oder Blei. In Anlehnung an<br />

den Grundriss der früheren Synagoge haben<br />

die Architekten eine Gruppierung von<br />

Bauten geschaffen, die sich aus geometrischen<br />

Grundformen wie Würfel, Rechteck,<br />

Halbkreis und Kreis addieren und eng<br />

auf einander bezogen sind, indem sie sich<br />

irgendwo durchdringen. Diese an mittelalterliche<br />

Kirchen erinnernde additive<br />

Bauweise wirkt ebenso leicht wie wuchtig,<br />

einladend und abweisend, zurückhaltend<br />

und monumental, spannungsvoll und<br />

zurückgenommen.<br />

Das gesamte Ensemble bezieht sich auf<br />

den Grundriss der früheren Synagoge,<br />

deren ehemaliger Fußboden durch dunkle<br />

Steinplatten aus Granit bezeichnet ist,<br />

die sich in der großen Halle des Kubus<br />

fortsetzen und gegen hellere Platten aus<br />

Marmor innerhalb der neuen Bebauung<br />

abgesetzt sind.<br />

Die Architekten haben alle Fenster- und<br />

Türrahmen der Halle auf den ursprünglichen<br />

Grundriss bezogen, so dass alles aus<br />

den Fugen geraten scheint, entsprechend<br />

dem Fragment des Gründerzeithauses an<br />

der Straßenfront. Nichts ist an eine Achse<br />

gebunden außer dem schmalen Wasserlauf,<br />

der den Obstgarten durchteilt, und<br />

deshalb ist alles in Bewegung. Selbst die<br />

Apfelbäume sind schräg gepfl anzt.<br />

Diese stillen, leeren Räume galt es<br />

einerseits zu bewahren, andererseits für<br />

eine Dauerausstellung zu nutzen. Die<br />

Designerin sah die Herausforderung darin,<br />

sich nicht der vorhandenen Architektur<br />

unterzuordnen, sondern ihre eigenen Ideen<br />

„in Harmonie dagegen zu setzen.“ So hat<br />

Andrea Hold-Ferneck die architektonische<br />

Sprache aufgenommen: Alle Maße der Einbauten<br />

in der Ausstellungshalle beziehen<br />

sich auf die von der Architektur vorgegebenen<br />

Proportionen und ordnen sich so der<br />

Harmonie des Raumes ein.<br />

Bei der Präsentation der Ausstellungsstücke<br />

war es der Kuratorin und der Gestalterin<br />

ein Anliegen, den Besucher durch modernes<br />

Ausstellungsdesign aufzufordern sich<br />

einzulassen. Gemeinsam haben sie aus<br />

dem reichen Fundus der verschiedenen<br />

Themenkomplexe die passenden Stücke<br />

zusammengestellt und Ideen entwickelt,<br />

wie die Objekte, Dokumente, Texte und<br />

Hörstationen zu präsentieren seien. Andrea<br />

Hold-Ferneck kam dabei ihre Fähigkeit zugute,<br />

Inhalte in Farben, Formen und Proportionen<br />

einzubetten und sich in die Rolle<br />

des möglichst unbefangenen Betrachters zu<br />

versetzen. Ulrike Schrader wünschte sich<br />

ein vielseitiges, abwechslungsreiches Ausstellungskonzept.<br />

Ihr ist es wichtig, dass die<br />

Begegnungsstätte auch als außerschulischer<br />

Ort des Lernens genutzt werden kann.<br />

So ist ein überaus anschauliches, lebendiges<br />

„Museum“ entstanden. Das Foyer der<br />

Begegnungsstätte ist schlicht und zurückgenommen.<br />

Hier wurde als erstes für eine<br />

hellere Beleuchtung gesorgt. Rechter Hand<br />

öffnet sich ein großer, heller runder Bibliotheksraum,<br />

der zum Verweilen einlädt.


Vom Treppenhaus aus wird der Betrachter<br />

mit jedem Schritt in das Leben<br />

und in die Bräuche der Juden eingeführt.<br />

Die Farben Grün und Rot begleiten ihn<br />

durch das Haus – bis auf die kleinen<br />

weißen Täfelchen, die ihm zum ersten Mal<br />

im Treppenhaus begegnen. Sie sind blau<br />

beschriftet „irgendwie jüdisch“. „Blau ist<br />

die jüdische Farbe,“ sagt Ulrike Schrader,<br />

„denn Himmelblau ist die Farbe der<br />

Streifen des jüdischen Gebetsmantels, des<br />

Tallit. Und deshalb müssen wir neben dem<br />

Grün auch noch ein bisschen Blau haben.<br />

Öffnet man ein Täfelchen, blickt einem<br />

ein Mensch entgegen wie du und ich, der<br />

über seine ‚irgendwie jüdische’ Identität<br />

Auskunft gibt.“ Schnell wird klar, dass es<br />

„das Judentum“ nicht gibt.<br />

Oben angekommen befi ndet man sich<br />

in einer strahlend hellen kleinen Rotunde.<br />

Hier fi nden sich stilisierte Küchenschränke,<br />

in denen man koschere Speisen entdecken<br />

kann, Speisevorschriften so wie verschiedene<br />

Gegenstände aus dem jüdischen Alltag<br />

und Festtagskreis. Ein schmaler Korridor<br />

führt unmittelbar in den Kubus, der<br />

großen Ausstellungshalle, mit einem abgetrennten<br />

intimeren Raumteil für Ausstellungsstücke,<br />

die dem Schicksal der Juden<br />

seit dem ersten Weltkrieg gewidmet sind.<br />

Frei im Raum, jedoch auf dem Bodensegment<br />

der früheren Synagoge, stehen<br />

stilisierte Synagogenbänke, die auch an<br />

altmodische Schulpulte erinnern. Hier<br />

kann man sich niederlassen, Schubfächer<br />

und Pultdeckel öffnen, Dokumente<br />

und Objekte entdecken oder Biografi en<br />

nachlesen. Neben den Bänken sind wunderschöne,<br />

detaillierte hölzerne Modelle<br />

der Synagogen im Bergischen Raum zu<br />

sehen.<br />

<strong>Im</strong> Kubus laden leuchtend orangefarbene<br />

Täfelchen Kinder ein, sie in die Hand<br />

zu nehmen: „Der Wuppertaler Künstler<br />

Wolf Erlbruch hat Illustrationen zu dem<br />

jüdischen Weber Samuel Steilberger gezeichnet,<br />

der Mitte des 19. Jahrhunderts<br />

mit seiner Frau und seinen neun Kindern<br />

von Langenberg in das aufblühende Elberfeld<br />

gezogen ist. Dieser weit verzweigten<br />

Familie verdanken sich zahlreiche<br />

Ausstellungsstücke, die von 1701-2010<br />

datieren und vor allem den kleinen Besuchern<br />

helfen sich zu orientieren.“<br />

Durch hohe schmale Fenster fällte der<br />

Blick auf den Apfelgarten. Der Garten liegt<br />

am Hang und präsentiert sich in seiner<br />

ganzen üppigen Fülle. Jetzt, im Herbst,<br />

leuchten die Früchte rot aus dem Laub.<br />

<strong>Im</strong> Inneren ist die Ausstellungsarchitektur<br />

durch ein kühles lichtes Grün dominiert,<br />

das mit einem hellen Brombeerrot kontrastiert.<br />

Vereinzelt sieht man es als Akzent auf<br />

Beschriftungen, und beide Farben fi nden<br />

sich auf dem Logo des Museums.<br />

Dazu sagt die Designerin: „Mir war es<br />

ein Anliegen, die zahlreichen beigefarbenen<br />

und grauen Dokumente so einzubetten,<br />

dass sie optimal lesbar sind und<br />

möglichst prägnant wirken. Die Farbe<br />

musste zu den vorhandenen Grautönen<br />

passen und auf den Betrachter anre-<br />

gend wirken. Außerdem soll sich weiße<br />

und schwarze Schrift gut abheben. Die<br />

Farben haben also bestimmte Kriterien<br />

zu erfüllen. Auch der Blick von Außen<br />

nach Innen ist zu bedenken: Ein grünes<br />

Inneres passt zu einem roten Ziegelbau<br />

und leuchtet von Innen nach Außen. Ich<br />

habe diese Farben nicht aus symbolischen<br />

Gründen gewählt.“<br />

Dennoch darf man sich als Betrachter an<br />

die symbolische Bedeutung von Farben erinnern.<br />

So steht das Grün ebenso für den<br />

Tod wie für das Leben und bedeutet in der<br />

Kabbala „Sieg“. Auch die Äpfel kann man<br />

symbolisch sehen. Sie sind zugleich Sinnbilder<br />

der Fruchtbarkeit und der Liebe wie<br />

der Sünde und des Bösen; im Lateinischen<br />

heißt der Apfel ‚malum’, das Böse. Eva ist<br />

der Versuchung erlegen, von dem Apfel zu<br />

essen, und Maria, die Jüdin war, trägt als<br />

neue Eva den Apfel in der Hand. Selbst<br />

die Anzahl der Apfelbäume ist wohl nicht<br />

zufällig gewählt: „Die Zehnzahl bezieht<br />

sich möglicherweise auf den ‚Minjan’,<br />

das Quorum der jüdischen Männer, die<br />

anwesend sein müssen, wenn aus der Tora<br />

gelesen werden soll.“<br />

Die Begegnungsstätte Alte Synagoge<br />

ist ein lebendiges „Museum“, das ebenso<br />

souverän wie zurückhaltend mit einem<br />

überaus sensiblen Thema umgeht und<br />

sich nicht aufdrängt. Sie ist eine Ort der<br />

Stille mitten in Elberfeld, an den man<br />

gern zurückkehrt. So reiht sie sich ein in<br />

die die Kostbarkeiten, die in dieser Stadt<br />

zu entdecken sind.<br />

Öffnungszeiten:<br />

Dienstags bis freitags 14 – 17 Uhr<br />

Sonntags 14 – 17 Uhr<br />

Führungen:<br />

Telefon 02 02-5 63 28 43<br />

Marlene Baum<br />

Fotos: Andrea Hold-Ferneck<br />

Fotos links und linke Seite:<br />

Ausstellungsdetails<br />

Foto rechts:<br />

Blick in die große Ausstellungshalle<br />

21


Die Gitarrenspielerin<br />

André Poloczek<br />

Foto: Jörg Lange<br />

Loriots Grabstein<br />

Mit spitzer Feder<br />

Der mit Wupperwasser getaufte Zeichner,<br />

Karikaturist und Illustrator André<br />

Poloczek (51), ein überzeugter Arrenberger,<br />

der unter dem Kürzel «POLO» zu<br />

den besten deutschen Cartoonisten zählt,<br />

erreicht mit der 2 g leichten Zeichenfeder<br />

etwas, das von unschätzbarem therapeutischem<br />

Wert ist: er schenkt uns eins<br />

ums andere Schmunzeln oder herzliches<br />

Lachen. Längst ist er neben seinem<br />

Urgroßonkel Wilhelm Neumann-Torborg<br />

(1856-1917), der 1903 das jüngst auf<br />

dem Elberfelder Kirchplatz wiedererrichtete<br />

Armenpfl ege-Denkmal geschaffen<br />

hatte, in die Wikipedia-Liste der berühmten<br />

Wuppertaler eingezogen. Daß<br />

Wuppertal mit Künstlern wie Chlodwig<br />

Poth, Eugen Egner und Jorgo Schäfer<br />

eine große Tradition der gezeichneten<br />

Satire und somit einen guten Boden dafür<br />

hat, sei am Rande erwähnt.<br />

Aus seinem Atelier an der Friedrich-<br />

Ebert-Straße - mit Wupperblick und<br />

Schwebahn-Vorbeifl ug im 3-Minuten<br />

Takt - gehen die Bilder ins Land, die<br />

schon so viele Menschen zu eben diesem<br />

Lachen gebracht haben, Leser von „Titanic“<br />

(seit 2009 mit Andreas Greve als<br />

„Jünger & Schlanker“), „Eulenspiegel“,<br />

„ran“, „Tabula“, „Kowalski“ und „X-<br />

Mag“ (um nur einige zu nennen) werden<br />

es wissen. Sein «Anton von der Gathe»<br />

(zuerst in den Wupper Nachrichten<br />

später) in der Wuppertaler Rundschau<br />

war 20 Jahre lang Kult, wenn auch ein<br />

Ölberger, ähnlich die monatlichen „Tuffi<br />

s“ im Satire-Magazin „iTalien“. Sicher<br />

hat manch einer auch schon eins seiner<br />

an die 20 Bücher, in der Mehrzahl beim<br />

Lappan Verlag erschienen, in den Händen<br />

gehabt und nicht wieder hergeben wollen.<br />

Das ist zu verstehen, denn sie sind von<br />

tiefem Humor, der mitunter auch beißenden<br />

Spott und scharfe Satire enthält.<br />

„Schadenfreude ist die reinste, aber auch<br />

die einfachste“, sagt POLO, „das ist mir<br />

meist zu wenig.“ Diesen Grundsatz hält<br />

er ein und ist zufrieden, wenn das Lachen<br />

ein Erkenntnis-Lachen ist: „Dann stimmt<br />

die Pointe!“. Große Erfolge waren 1997<br />

das geradezu prophetische „Die Post geht<br />

an die Börse“, 1998 das ultimative VW-<br />

Buch „Echt Käfer“ (beide mit Ari Plikat)<br />

und 2001 „Mama, was ist ein Klugscheißer?“,<br />

Humorstandards seine Bücher der<br />

Reihe „Cartoons für...“. Wer sich übrigens<br />

eine bittere Pille aus der Apotheke holen<br />

muß, kann sich die auch mit POLOs<br />

Cartoons versüßen: Seit 2000 ist POLOs<br />

jährlicher Kalender „Heitere Apotheken-<br />

Welt“ der Renner im legalen Drogenhandel.<br />

Dauerhaft lauern seine Cartoons<br />

und Postkarten in den Buchläden auf<br />

Lachhungrige.<br />

23


24<br />

POLO arbeitet diszipliniert mit einer<br />

selbst gesetzten Kernzeit von 10.30 –<br />

19.30 Uhr in seiner Humorwerkstatt und<br />

legt Wert auf das Handwerk. Er gehört<br />

zu den wenigen, die - wenn auch nicht<br />

ausschließlich - noch mit der Zeichenfeder<br />

und dem Tuschefäßchen arbeiten und<br />

er ist ständig auf der Jagd nach dem raren<br />

Werkzeug, damit das heitere Werk gelinge.<br />

1996 wurde er mit dem 1. Preis beim<br />

Berliner Karikaturensommer belohnt, vergleichbar<br />

mit dem Deutschen Kleinkunstpreis,<br />

sozusagen der „Oscar“ der Zeichner,<br />

2002 in Dresden mit dem mit 5.000,-<br />

Euro dotierten 2. Platz im „Deutschen<br />

Karikaturenpreis“. Seit 2008 nimmt er<br />

jährlich am Prerower Karikaturensommer<br />

teil, einer Open-Air-Ausstellung;, 2010<br />

schmückte einer seiner Cartoons den Titel<br />

des begleitenden Katalogs – und auch<br />

die „Caricatura“ in Kassel sieht POLO<br />

gerne als ständigen Gast. Sein Strich wird<br />

erkannt und geschätzt, auch von privaten<br />

Auftraggebern, denn er arbeitet auch als<br />

Illustrator und Werbegraphiker. Seine<br />

erste Liebe galt übrigens der Malerei, er ist<br />

ein großer Vermeer-Verehrer. Da ist PO-<br />

LOs „Gitarrenspielerin“ als Tribut an den<br />

alten Holländer nur logische Konsequenz.<br />

Mit Andreas Greve, den er schon 1989<br />

bei F.K. Waechters Sommerakademie<br />

getroffen hat, bildet POLO seit 2009<br />

das Cartoon-Duo „Jünger & Schlanker“.<br />

Nicht nur veröffentlichen die beiden<br />

regelmäßig ihre Cartoons in der „Titanic“<br />

und in den „Musenblättern“, sie treten<br />

auch mit Bühnenprogrammen live vor<br />

ihr Publikum und das - wovon ich mich<br />

schon selbst überzeugen konnte - mit<br />

großem Erfolg.<br />

Die Welt kann Schüler von F.K. Waechter<br />

und F.W. Bernstein, der nun selbst zur<br />

Bundesliga der heiteren Graphik zählt,<br />

zwar mit seinen urkomischen, bisweilen<br />

erfrischend albernen Cartoons nicht besser<br />

machen, aber man erträgt sie lachend<br />

leichter. Dazu dienen dem „gelernten“<br />

Literaturwissenschaftler als Augen<br />

zwinkernd benutze Mittel Scherz, Satire,<br />

Ironie und tiefere Bedeutung. Joachim<br />

Ringelnatz hat es in einem seiner „Kuttel<br />

Daddeldu“-Gedichte auf den Punkt gebracht:<br />

„Du mußt die Leute in die Fresse<br />

knacken...“. Das tut POLO konsequent,<br />

doch keiner könnte ihm böse sein – er hat<br />

ja Recht! Was viele gar nicht wissen, ist,<br />

daß er so ganz nebenbei ein vorzüglicher<br />

Portrait-Karikaturist ist, der die Großen<br />

der deutschen Literatur zu seinem<br />

Lieblingsthema gemacht hat. Hermann<br />

Hesse, Heinrich Böll, Günther Grass oder<br />

besagten Ringelnatz zum Beispiel hat er<br />

mit scharfem Blick und spitzer Feder in<br />

limitierter Aufl age köstlich aufgespießt.<br />

Wenn POLO nicht zeichnet oder zur<br />

Entspannung zur E-Gitarre greift (Rock/<br />

Blues) - – als Mitglied der „Yell Owl Girl<br />

Group“ konnte er vor einiger Zeit sogar<br />

beim Revival des legendären „Armutszeugnis“<br />

aufspielen -, ist er auch ein vorzüglicher<br />

Kaffeemaschinen-<strong>Im</strong>itator, wie<br />

er in Jürgen von der Lippes Fernsehshow<br />

„Wat is?“ bewiesen hat und Kopist der<br />

Fahrrad-Werbung aus alten Neckermann-<br />

Katalogen. Auch nicht zu verachten, aber<br />

viel zu selten zu sehen. Was ihm gegen<br />

den Strich geht? Die äußerst unangenehme<br />

Vorstellung, mal keinen Stift und kein<br />

Papier bei sich zu haben.<br />

Frank Becker<br />

Illustrationen:<br />

links: Klobürste<br />

rechts oben: Magellanstraße, Mitte: Giraffe,<br />

unten: Heliumschwein<br />

rechts außen:Leuchtturm


Buchveröffentlichungen<br />

1992 Erster eigener Cartoonband, „Arsch<br />

auf Grundeis“, Semmel Verlach, Kiel.<br />

1993 Mittelalter-Comicband „Walther<br />

–Teufelspakt und Minnesang“ mit Axel<br />

Stöcker, Semmel Verlach<br />

1995 „Cartoons für Katzenfans“, Lappan<br />

Verlag, Oldenburg<br />

1996 „Cartoons für Feinschmecker“,<br />

Lappan Verlag, „Cartoons für Geburtstagskinder“,<br />

Lappan Verlag<br />

1997 „Viel Spaß beim Tanzen“, Lappan<br />

Verlag, „Die Post geht an die Börse“ zusammen<br />

mit Ari Plikat, Lappan Verlag.<br />

1998 „Cartoons für Banker“, Lappan<br />

Verlag<br />

„Cartoons für Schwiegermütter“, Lappan<br />

Verlag<br />

„Echt Käfer“ zusammen mit Ari Plikat,<br />

Lappan Verlag<br />

2000 „Cartoons für Apotheker“ zusammen<br />

mit Steffen Köpf, Lappan Verlag<br />

2001 „Mama, was ist ein Klugscheißer?...“<br />

Lappan Verlag<br />

2003 „Möchtest du darüber reden?“<br />

Selbst gemachte Katastrophen ein Klappbuch<br />

bei Lappan<br />

Cartoons, Karikaturen, Comics und<br />

Illustrationen erschienen bisher u. a. in:<br />

Der Rabe, Die Mitbestimmung, Eulenspiegel,<br />

Finanztest, Frankfurter Rundschau,<br />

GEO Saison, iTALien, Konkret,<br />

Kowalski, mare, Maxi, Stern, Süddeutsche<br />

Zeitung, taz, titanic, Top Magazin,<br />

Wuppertaler Rundschau, ‘ran, x-mag,<br />

metallzeitung, Rat Aktuell.<br />

Zahlreiche Einzel- und Gruppenausstellungen<br />

1994 Sonderpreis des Regierenden Bürgermeisters<br />

von Berlin beim ‚Köpenicker<br />

Karikaturensommer‘ Dritter Preis beim<br />

‚Ironimus ‘94‘<br />

1996 Erster Preis beim ‚Berliner Karikaturensommer‘<br />

2002 2. Platz beim „Deutschen Karikaturenpreis“<br />

der Sächsischen Zeitung<br />

2010 Sieger beim Prerower Sommer<br />

Weitere Informationen unter:<br />

www.polo.cartoon.de und<br />

www.juengerundschlanker.com<br />

25


26<br />

Die Fotografi n Alina Gross<br />

Inszenierte Träume<br />

Alina Gross inszeniert - sie inszeniert<br />

Traumwelten, Märchen, Realitäten, Provokationen<br />

- und sie inszeniert sich. Das tut<br />

die in Düsseldorf lebende Foto-Designerin<br />

seit dem Beginn ihrer bemerkenswerten<br />

fotografi schen Karriere konsequent, mit<br />

Akribie und unter hohem künstlerischem<br />

wie materiellem Aufwand. Bereits während<br />

ihres Studiums begann sie mit aufwendigen<br />

Produktionen, darunter der schwarz-weiße<br />

Zyklus „Labyrinthe avec Alinka“, durch<br />

den 2005 erstmals die Presse nachhaltig auf<br />

ihre Arbeit aufmerksam wurde.<br />

Das Diplom mit der Arbeit „Alinka<br />

Pandora“*) an der Universität Wuppertal,<br />

Ausstellungen in Köln, Düsseldorf und<br />

Wuppertal, Foto-Shootings im Studio und<br />

Inszenierungen auf Modemessen, hinter<br />

Theaterkulissen, in Tiefgaragen, in der<br />

Natur und in Kiesgruben markieren den<br />

Weg und zeigen die Vielseitigkeit der außergewöhnlich<br />

talentierten Fotografi n; als<br />

freie Mitarbeiterin gestaltete sie die ersten<br />

Fotoseiten des Kulturmagazins „Musenblätter“<br />

mit.<br />

*) „In allen Bildern geht es bei der fotografi<br />

schen Inszenierung um die Kombination<br />

von Mensch, Natur und dem<br />

Animalischen. Ich stelle mich mal als ein<br />

Mischwesen zwischen Mensch und Katze,<br />

mal als Blume, Sumpffrau, Nymphe oder<br />

kriegerische Amazone dar. Die Nacktheit in<br />

meinen Selbst-Bildern ist Teil der Inszenierung,<br />

kann verführerisch wirken, aber<br />

auch befremden, trägt in jedem Fall eine<br />

symbolische Botschaft.<br />

In meinen Bildern ist der Körper als Teil der<br />

physischen Präsenz ungeheuer wichtig und<br />

unverzichtbar, er dient quasi als Projektionsfl<br />

äche meiner inneren Befi ndlichkeit. Die<br />

Bühne, auf der ich diese Konzepte in Szene<br />

setze, ist von Menschen leer, ich kann ungestört<br />

mit der Natur verschmelzen. Anteil<br />

am Ergebnis der Fotostrecken hat auch das<br />

Unberechenbare der Natur, das mitunter<br />

maßgeblichen und unmittelbaren Einfl uss<br />

auf die Arbeit mit und in ihr ausübt. Ich<br />

bewege mich in einer Art Zeitverschiebung<br />

zwischen den Zeiten. Die Kamera ist dabei<br />

meine Tür zwischen den Dimensionen,<br />

die ich über das Medium der Fotografi e


auf meinem Filmstreifen „mit nach Hause<br />

zurück bringe“.<br />

Alina Gross (Alinka), 1980 mit ukrainischen,<br />

tatarischen und transsilvanischen<br />

Vorfahren in Tschernowzy (Tschernowitz),<br />

Ukraine/UdSSR geboren, kam mit der Familie<br />

1992 nach Deutschland. Alina fühlte<br />

sich bereits als Kind dem Wundersamen,<br />

Grotesken zugetan, las viel, insbesondere<br />

russische Volksmärchen und Sagen, griechische<br />

Mythologie und die dänischen Kunstmärchen<br />

H.C. Andersens. <strong>Im</strong> russischen<br />

sozialistischen System in Jugendverbände,<br />

Sportvereine und Gruppen eingebunden,<br />

stand Alina Gross in Deutschland plötzlich<br />

„am Rand“, spürte eine Ausgrenzung und<br />

setzte sich folglich noch intensiver mit sich<br />

selbst auseinander.<br />

Am Gymnasium Wuppertal-Vohwinkel<br />

legte sie im Jahr 2000 das Abitur mit den<br />

Schwerpunkten Deutsch und Geschichte<br />

ab, als Ergebnis der Auseinandersetzung<br />

mit Kultur und Gesellschaft der neuen<br />

Heimat. Mit künstlerischer Gestaltung<br />

hatte sie bis dahin über den Rahmen<br />

des schulischen Kunstunterrichts hinaus<br />

erstaunlicherweise noch keine Berührung<br />

gehabt.<br />

Der erste Kontakt zur Fotografi e entstand<br />

durch eine Schulkameradin, die einen<br />

VHS-Kurs in Fotografi e besuchte und ein<br />

Modell brauchte – eine Initialzündung:<br />

„Das kann ich auch!“ Während sie sich<br />

mit den Fotos der Freundin bei Agenturen<br />

bewarb und auch für Mode- und Werbe-<br />

Fotografi e gecastet wurde, begann sie<br />

autodidaktisch selber mit der Fotografi e,<br />

richtete zu Hause ein Studio ein und begann<br />

Freunde, Verwandte, Nachbarn und<br />

die eigene Schwester zu portraitieren. Erste<br />

Grundlagen gewann sie durch ein Praktikum<br />

bei dem Solinger Werbefotografen<br />

Thomas Philippi (u.a. Telekom, Zwilling,<br />

Wilkinson).<br />

Der künftige Studiengang und Lebensweg<br />

war sonnenklar: es mußte die Fotografi<br />

e werden. Beim Auswahlverfahren am<br />

Fachbereich Visuelle Kommunikation in<br />

Wuppertal konnte sie sich gegen 400 weitere<br />

Bewerber durchsetzen und bekam einen<br />

der 30 Studienplätze dort zugesprochen.<br />

Auch die Folkwang-Hochschule Essen<br />

bot ihr einen Studienplatz an, aber Alinka<br />

entschied sich 2001 für Wuppertal.<br />

Über Modefotos und journalistische Fotografi<br />

e dort bei Marc Itzikowitz kam sie sehr<br />

bald auf den Schwerpunkt ihrer Studien:<br />

die inszenierte szenische Fotografi e (bei Susan<br />

Lamér) und die gelegentliche Selbstinszenierung<br />

im Rahmen aufwendiger Foto-<br />

Shootings. Ein Layout-Studium bei Uwe<br />

Lösch folgte. Der Austausch mit Thomas<br />

Rusch in Paris, mit Svenson (Hamburg,<br />

Berlin, Paris) und Udo Spreitzenbarth<br />

(New York) gab Alina Gross entscheidende<br />

<strong>Im</strong>pulse für ihre Arbeit. Arbeitskontakte<br />

(technische Unterstützung) mit Agfa und<br />

Epson. Veröffentlichungen in „Max“ und<br />

„Photographie“ (Modell) und „Max Online“<br />

(Fotostrecke mit eigenen Arbeiten).<br />

Alina Gross: „Meine Selbstporträts liegen<br />

in der kunsthistorischen Tradition dieses<br />

Genres. Das „Selbstbildnis” im traditionellen<br />

Sinn - die Darstellung eines Künstlers<br />

27


28<br />

mit dem eigenen Gesicht, Körper und<br />

persönlicher Ausstrahlung ist heute nicht<br />

mehr einzige Form der Selbstdarstellung.<br />

Ich habe mich hingegen bewusst für die<br />

traditionelle Darstellungsform entschieden.<br />

Vom Anbeginn der Kunst genossen<br />

biblische, mythologische und historische<br />

Szenen mit der menschlichen Gestalt als<br />

tragendem Element einen höheren Rang,<br />

als z.B. Stillleben. Das fesselte mein Interesse<br />

an antiken Sagen und Geschichten über<br />

den Ursprung der Welt, am Entstehen der<br />

darstellenden Kunst und ihrer Bedeutung.<br />

Die Frage, warum so viele Kunstwerke<br />

seit jeher ihren starken Ausdruck in der<br />

Darstellung der weiblichen Gestalt als<br />

elementarer Bestandteil der Natur fi nden,<br />

trieb mich zusätzlich um.“<br />

Alina Gross hat neben Fantasy und<br />

Fiction und Film Noir („Anges Obscures“,<br />

„Studie Androgyn“, „Der Mann, der vom<br />

Himmel fi el“, „Film Stills“) die subtil<br />

inszenierte Erotik zum Kernthema ihrer<br />

Arbeit hinter der Kamera gemacht. Zu den<br />

herausragenden Fotostrecken zählen neben<br />

ihren erotischen Märchen-Inszenierungen<br />

mittlerweile „Absolut makellos“, „Plastic<br />

Dreams“, „The Golden Age of Pin Ups“,<br />

„Märchen für Erwachsene“, „Paper Moon“,<br />

„Les grandes bourgeoises“ und „Die<br />

unheimliche Frau“, erotische Zeitreisen in<br />

reale wie surreale Phantasiewelten, die auch<br />

in Ausstellungen gezeigt wurden. Das Bizarre<br />

und Groteske des Alltags, das sie auch<br />

in ihrem Leben entdeckt, fi ndet ebenso<br />

Eingang in ihre Arbeit.<br />

„Ich benutze die Kamera als künstlerisches<br />

Werkzeug und die Fotografi e als<br />

Medium meiner Selbsterfahrung und -darstellung<br />

für meine Selbstinszenierungen.<br />

Fotografi en protokollieren meinen Versuch,<br />

unter die zerbrechliche Schale zu blicken,<br />

mehr zu sehen, als oberfl ächlich da ist und<br />

das alles durch meinen Körper und die<br />

benutzten Symbolismen zum Ausdruck zu<br />

bringen. Ich befasse mich mit den Idealen<br />

der Weiblichkeit sowie mit den Urbildern<br />

der Frau, den weiblichen Bildern in ihrer<br />

idealisierten, aber auch bedrohlichen Form.<br />

Die Natur wird von mir als Frau personifi<br />

ziert. Meine Selbstporträts handeln von<br />

persönlichen Leidenschaften, Ängsten,<br />

sowie den Grenzgängen des Frau-Seins,<br />

auf die es gilt, sich einzulassen. Die Vielschichtigkeit<br />

der denkenden, fühlenden,<br />

handelnden, spielenden, kämpfenden Frau,<br />

ihres Wesens und ihrer Natur kommt in<br />

meinen Selbstbildern zum Ausdruck. Ich<br />

übernehme in die überkommenen, traditionell<br />

überlieferten Darstellungen der Frau,<br />

zeige in ihnen die vorgegebene Rolle - und<br />

breche sie.“<br />

Daß aber neben der Provokation und<br />

der bitteren Ironie auch Heiterkeit einen<br />

Platz in Alina Gross´ Werk hat, zeigt ihre<br />

augenzwinkernde Pin-Up-Serie, die mit<br />

strahlendem 50er-Jahre-US-Zahnpasta-<br />

Lächeln ein mittlerweile klassisches Genre<br />

parodiert. Sich selbst sieht sie als verträumt,<br />

doch geschäftstüchtig, zielstrebig, jedoch<br />

zurückhaltend, neugierig, aber nicht indis-<br />

kret. „Die gefestigte Basis meines Lebens<br />

lasse ich trotz aller Experimentierlust, der<br />

Berührung von Grenzen und der Abgründe,<br />

die mich bei meiner Arbeit nicht<br />

gleichgültig lassen, nicht los.“<br />

Aktuelle Arbeiten und Projekte<br />

2008 nahm Alina Gross, die sich nicht<br />

mehr „Alinka“ nennt, sondern bewußt<br />

auf die Verniedlichungsform verzichtet,<br />

eine Stellung bei der Casting-Model-<br />

Schauspielagentur Thomsen (ehemals<br />

Coackroach) als Casting-Fotografi n an<br />

und wurde in Düsseldorf und Hamburg<br />

eingesetzt.<br />

2009 folgt eine Einladung zu einer<br />

Gruppenausstellung. Thema „der nackte<br />

Mensch“.<br />

Sie macht eine Serie von Selbstportraits<br />

und nennt sie „Vanitas I-II“.<br />

Das Hauptthema Ihrer Arbeit ist es,<br />

Schönheit zu zeigen, welche sich aus bizarren<br />

Elementen defi niert. Mode, Requisite<br />

und Technik benutzt Sie als Mittel zur<br />

emotionalen Darstellung von Frauen. Die<br />

Ausstellung ist ein Erfolg, und es folgt eine<br />

Einladung in die Künstlergruppe<br />

Bergische Kunstgenossenschaft (B<strong>KG</strong>,<br />

deren Mitglied sie seit 2009 ist).<br />

2010 erste Soloausstellung im Studio der<br />

B<strong>KG</strong>. Bei der Ausstellung „Photographie 6<br />

Positionen 2010“ lernt Alina den Regisseur<br />

Joachim Mais kennen. Mit Ihm beginnt<br />

Sie Kurzfi lme zu drehen. Es folgt ihre erste<br />

Performance. Weitere Kurzfi lme folgen.<br />

Sie lernt den Komponisten Andreas Resch<br />

kennen. Gemeinsam arbeiten sie an Kurzfi<br />

lmen und Musikvideos.<br />

Ihre neue Muse wird das Model Sydney La<br />

Faire. Beide Frauen haben zahlreiche Projekte<br />

zusammen gestaltet, sowohl kommerzieller<br />

wie auch künstlerischer Art.<br />

2011 folgt eine Ausstellung unter dem Titel<br />

„Die unheimliche Frau“ in den Räumen<br />

der Wuppertaler Zeitschrift „Bergische<br />

Blätter“<br />

Vom 3. Dezember 2011 bis Anfang<br />

Februar 2012. „Die unheimliche Frau“ im<br />

Showroom A M P L I T Y D E -<br />

Fech & Schäfer GbR, Benderstraße 142 -<br />

40625 Düsseldorf zu sehen.<br />

2011 erreicht sie der Ruf zu einer<br />

Gastdozentur am Fashion Design Institute<br />

Düsseldorf.<br />

Frank Becker


Von Kindheiten, Wunschträumen und Schnecken<br />

oder<br />

Zwischen Kloppe und Glück<br />

Die Wuppertaler Schriftstellerin<br />

Karla Schneider<br />

Foto:<br />

Frank Becker<br />

„Es war so still im Klassenzimmer, daß man<br />

hören konnte, wie der Tafelschwamm sein<br />

Wasser verdunstete.“ Solch wunderbare<br />

Sätze sind es, die Karla Schneiders Bücher<br />

zum besonderen Lesegenuß machen. Sie<br />

hat das Vermögen der Sprache, die Gabe<br />

des Erzählens, den Vorzug ausgezeichneter<br />

Erinnerung, das Geschenk des Humors<br />

– und sie schreibt aus Passion. Ihr<br />

genauer Blick, die akkurate Beschreibung<br />

und das treffende Wort machen dem<br />

Leser Erkennen und Wiedererkennen,<br />

Betrachtung und Identifi kation möglich.<br />

Genaue Recherche gehört zusätzlich zum<br />

Handwerk. Lesen als Spaziergang durch<br />

die eigene Phantasie oder das eigene<br />

Leben – mit diesem Ziel schlägt man gern<br />

ein Buch auf.<br />

Seit 32 Jahren Wuppertalerin, hat die in<br />

Dresden geborene Schriftstellerin Karla<br />

Schneider, Kolumnistin der „Zeit“ und<br />

der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“,<br />

schon reichlich Preise und Ehrungen für<br />

ihr umfangreiches Werk bekommen. U.a.<br />

war es 1989 der Astrid-Lindgren-Preis für<br />

das Kinderbuch „Fünfeinhalb Tage zur<br />

Erdbeerzeit“, 1993 der Bettina von Ar-<br />

nim-Preis für Kurzgeschichten; „Die Reise<br />

in den Norden“ brachte ihr 1995 Plätze<br />

in den Focus- und Deutschlandfunk-Bestenlisten<br />

ein, 1996 die Nominierung zum<br />

Kinder- und Jugendbuchpreis und die<br />

Aufnahme in die Ehrenliste des „International<br />

Book Board for Young Children“.<br />

2008 wurde Schneider mit dem Alex-<br />

Wedding-Preis ausgezeichnet, 2009 das<br />

Buch „Wenn ich das 7. Geißlein wär´“<br />

mit dem „Luchs“ von Radio Bremen und<br />

es wurde gleichzeitig vom Institut für<br />

Jugendliteratur zum „Buch des Monats<br />

März 2009“ gekürt. Landesstipendien<br />

ermöglichten die Arbeit an ihrem Opus<br />

magnum „Rückkehr nach Podgoritza“,<br />

die Geschichte des Geschwisterpaares<br />

Siemen und Nora, das sich nach 28<br />

Jahren der Trennung wieder fi ndet und<br />

die Erinnerung an die Kinderzeit in der<br />

sächsischen Heimat intensiv durchlebt.<br />

Karla Schneider, 1938 in Dresden<br />

geboren und nicht durch proletarische<br />

Abkunft privilegiert, hatte es in der<br />

gleichgeschalteten DDR nicht leicht, und<br />

sie ist auch nicht den leichten Weg gegangen.<br />

Fabrikarbeit, Buchhandelslehre,<br />

Journalismus (Feuilleton „Die Union“),<br />

29


30<br />

den sie bald wegen des eklatanten Mangels<br />

an Entfaltungsmöglichkeiten an den<br />

Nagel hängte, ein Krimi im Eulenspiegel-<br />

Verlag, wieder Buchhandel und vier Jahre<br />

monatliche Ausreiseanträge, verbunden<br />

mit Schikanen. Dann 1979 endlich die<br />

Chance, den Maulkorb abzustreifen. Sie<br />

durfte den ungeliebten Staat und mußte<br />

die geliebte Heimat verlassen.<br />

Ihre Bücher schreibt sie für Kinder und<br />

Erwachsene. Die Romane entstehen in<br />

der Stille ihrer Cronenberger Wohnung,<br />

wo sie bei idyllischem Blick, noch immer<br />

ohne PC, auf ihrer geliebten „Gabriele“<br />

die Entwürfe schreibt.<br />

Die autobiographisch beeinfl ußten<br />

Romane „Kor, der Engel“, „Zwischen<br />

Kloppe und Glück“ und „Rückkehr nach<br />

Podgoritza“ gehören als ihre persönlichsten<br />

Bücher auch zum Berührendsten<br />

ihres Œuvres. Ihr großer Roman „Die<br />

Geschwister Apraksin - Das Abenteuer<br />

einer unfreiwilligen Reise“, ein aufregendes<br />

Buch, das vom Überlebenswillen der<br />

Geschwistern Polly, Klascha, Ossja, Fedja<br />

und Dilldotschka erzählt, die sich in den<br />

Wirren nach der Russischen Oktoberrevolution<br />

allein durchschlagen müssen,<br />

entwirft das großartige Panorama einer<br />

aufgewühlten, unsicheren Zeit zwischen<br />

Moskau, Wolgograd, Rostow, Sewastopol,<br />

Charkow und Kursk mit schillerndem<br />

Personal - ein episches Werk von faszinie-<br />

render Erzählkunst, zugleich ein Entwicklungsroman<br />

von Rang.<br />

Anspruchsvoll detailgenaue historische<br />

Erzählungen, kindgerecht erzählte Geschichten<br />

und dramatische Entwicklungsromane<br />

stehen in Karla Schneiders Werk<br />

gleichberechtigt nebeneinander. Abseits<br />

von jedem hochgestochenen literarischen<br />

oder stilistischen Experiment, ohne pseudointellektuellen<br />

Schnickschnack schreibt<br />

Karla Schneider ehrliche, vergnügliche,<br />

höchst amüsante, lesens- und schenkenswerte<br />

Bücher. Übrigens: Lob für ihr<br />

sprachlich und stilistisch aus der Menge<br />

herausragendes Werk weist sie bescheiden<br />

zurück: „Das bin ich dem Leser schuldig.“<br />

Die Märchensammlungen der Brüder<br />

Grimm inspirieren Autoren immer mal<br />

wieder zu neuen Interpretationen, Umdichtungen,<br />

mundartlichen Nacherzählungen<br />

und dümmlichen Übersetzungen<br />

in eine aufgesetzte Jugendsprache. Die<br />

Grande Dame der Jugendliteratur, Karla<br />

Schneider, begeht einen völlig anderen<br />

Weg. Zwei der bekanntesten Märchen,<br />

´Rotkäppchen` einerseits und ´Der Wolf<br />

und die 7 Geißlein` andererseits, fügt sie<br />

zu einem Erzählstrang zusammen, versetzt<br />

sich in einen kleinen Jungen und läßt ihn<br />

sagen „Wenn ich der Jäger wäre, hätte ich<br />

es so gemacht: …“. In der Fortsetzung<br />

der Phantasiereise spielt er dann eines der<br />

Geißlein und fabuliert „Wenn ich das 7.<br />

Geißlein wär´…“. (J.K.)<br />

Karla Schneiders jüngster Erfolgsroman<br />

ist in den 1950er Jahren der jungen<br />

Bundesrepublik angesiedelt, in einer<br />

Zeit des Aufschwungs einerseits und<br />

der noch nachklingenden Nachkriegs-<br />

Unsicherheit andererseits. Die 13-jährige<br />

Wilhelmina wird durch die Spielsucht<br />

des durchaus liebenswerten Stiefvaters<br />

in eine verzweifelte Situation gestürzt:<br />

er hat die Wohnung der kleinen Familie<br />

samt Inventar als Pfand eingesetzt und<br />

verloren. Von einer Klassenfahrt zurück,<br />

steht Willa vor verschlossener Tür, hinter<br />

der fremde Menschen von ihren Tellern<br />

essen, in ihren Möbeln wohnen und ihre<br />

Filmprogramm- und Autogrammkarten-<br />

Sammlung auf den Müll geworfen habe.<br />

Eine Welt stürzt ein. Doch es tun sich<br />

überraschende Wege auf, die Willa mit<br />

ihrem im Krieg gefallen geglaubten Vater<br />

zusammenbringen und sie in die Traumwelt<br />

des Filmgeschäftes führen. Wieder<br />

hat Karla Schneider mit geschickter<br />

Hand und fesselnden Erzählfäden eine<br />

Geschichte gewoben, die sowohl jugendliche<br />

Leser - hier vielleicht insbesondere<br />

Mädchen -, als auch Erwachsene nicht<br />

losläßt.


Karla Schneiders Bücher und<br />

Publikationen (Auswahl):<br />

Die Brauerei auf dem Kissen, Berlin/<br />

DDR 1974 (unter dem Namen „Karla<br />

Sander“)<br />

Der Mensch und sein Drachen, Düsseldorf<br />

(u.a.) 1988<br />

Spätprogramm, Lohr 1988<br />

Raben-Beiträge, Zürich, ab 2008<br />

Die Suche nach der Lerche, Erlangen<br />

1989<br />

Fünfeinhalb Tage zur Erdbeerzeit,<br />

Hamburg 1989 (Astrid-Lindgren-Preis)<br />

Vielleicht sind Schränke gar nicht so,<br />

Lahr 1989<br />

Der Knabenkrautgarten, Zürich 1989<br />

Ritter Suppengrün und das süße Geheimnis,<br />

Würzburg 1991<br />

Lauter Windeier, Weinheim 1992<br />

Die abenteuerliche Geschichte der<br />

Filomena Findeisen, Weinheim 1992<br />

Kor, der Engel, Zürich 1992<br />

Wenn man Märri Schimmel heißt,<br />

Weinheim 1993<br />

Almuth und Helene, Zürich 1993<br />

Die Reise in den Norden,. Weinheim<br />

1995 (Focus-Bestenliste)<br />

Merits Geburtstag, Berlin 1996<br />

Matti Sörensen und Petja Wuppdich,<br />

München 1996<br />

Zwischen Kloppe und Glück oder Wer<br />

sammelt hat mehr vom Leben, Weinheim<br />

1997<br />

Der Zaun, Hamburg 2000<br />

Rückkehr nach Podgoritza, Frankfurt am<br />

Main 2001<br />

Der klügste Hase unter der Sonne, Weinheim<br />

2003<br />

Glückskind, München 2003<br />

Marcolini oder wie man Günstling wird,<br />

München 2007<br />

Wenn ich das 7. Geißlein wär‘, Köln<br />

2009 (Buch des Monats/„Luchs“ Radio<br />

Bremen)<br />

Holly Vogeltritt. Ein Märchen, Düsseldorf<br />

2009<br />

Der Sommer, als ich Filmstar war,<br />

München 2010<br />

Frank Becker<br />

Links einige der zahlreichen Buchtitel von<br />

Karla Schneider.<br />

Karla Schneider – aus: „Priesterin des Grammophons“<br />

(unveröffentlicht)<br />

„Wir gehen spazieren“, hieß es, als ich mich erkundigte, wo wir denn hin<br />

wollten.<br />

Langsam wurde mir unbehaglich, denn es passte nicht zu meiner Mutter,<br />

ohne Anliegen auszugehen. Und Spaziergänge gehörten ausschließlich zum<br />

Sonntagnachmittag und fanden dann im Familienkonvoi statt: Opa,<br />

Oma, zwei Töchter, zwei Enkel.<br />

Kurz vorm Wasserwerk, das einsam in den Wiesen lag, kam uns jemand<br />

entgegen. Serge Kerambrune. Ich brüllte seinen Namen, damit er uns ja<br />

auch rechtzeitig erkannte und sich rechtzeitig freuen konnte. Aber der Ruf<br />

wurde mir von meiner Mutter mit der Hand in den Mund zurückgepresst.<br />

Das verstörte mich. Mir war nicht klar, wer von uns dreien sich<br />

denn zu fürchten hatte. Und weshalb.<br />

Wir gingen jetzt zu dritt auf dem Wiesenweg weiter; Serge in der Mitte. Mit<br />

der einen Hand führte er mich, den anderen Arm hatte er um meine Mutter<br />

geschlungen. Mit ihren Gesichtern taten sie, was ich sonst nur bei Pferden im<br />

Gespann beobachtet hatte - so ein zärtliches Beschnuppern und Kosen.<br />

Als wir den Schlosspark erreichten, der zu dieser Zeit menschenleer war,<br />

ließen sich Serge und meine Mutter auf eine Bank fallen. Ich sollte auf<br />

der großen Wiese Blumen pfl ücken. Den Rasen zu betreten war eigentlich<br />

streng verboten. Erst nach der dritten ungeduldigen Versicherung meiner<br />

Mutter, das würde um diese späte Stunde nicht mehr gelten, traute ich<br />

mich. Der Rasen war schon ganz dunkel, weil ihm die Baumkronen ringsum<br />

das Tageslicht nahmen. Ich hockte mich hin zum Pfl ücken, und der<br />

Tau pinselte Nasses an die bloßen Stellen<br />

unterm Rock. Buschwindröschen! Unmengen!<br />

Als ich merkte, dass ich von weißem Nebel umzingelt war, blickte ich mich<br />

um. Aber da war niemand mehr. Die Stelle, wo vorhin noch die Bank mit<br />

meiner Mutter und Serge gestanden hatte, war leer. Ich blieb stehen, wo ich<br />

stand und fi ng an nach meiner Mutter zu rufen.<br />

Endlich kam eine Antwort, sehr leise. Sie kam aus dem Dunkel hinter<br />

meinem Rücken. Ich hatte mich beim Pfl ücken mehrmals gedreht und die<br />

Richtung verloren. Undeutlich erkannte ich jetzt zwei Gestalten, die, zu<br />

einer zusammengewachsen, noch immer auf der Bank saßen. Die Stimme<br />

meiner Mutter klang schläfrig und nachsichtig. Trotzdem kam es mir so<br />

vor, als ob sie sich über mich ärgerte.<br />

Ich blieb ratlos vor der Bank stehen, konnte nur mehr die Umrisse der beiden<br />

sehen und scharrte unglücklich mit der Schuhspitze im Sand. Ich war<br />

nicht willkommen, soviel war klar.<br />

Nach einer Weile wurde endlich eine Hand ausgestreckt. Sie gehörte Serge<br />

und stopfte mich unter Serges Achselhöhle. Serge küsste meine Mutter und<br />

meine Mutter küsste Serge. Und manchmal küsste Serge sogar auch mich.<br />

Für den Heimweg nahmen wir nicht mehr den Wiesenweg, sondern lieber<br />

die feste Straße, die zwischen den Apfelplantagen entlanglief. Wir gingen<br />

noch schleppender als auf dem Herweg, durch Arme und Hände aneinandergefesselt.<br />

Straßenbahnen rasselten an uns vorbei. Die herabgezogenen<br />

Verdunklungsrollos vor den Fenstern waren von gelben Lichtstreifen eingerahmt<br />

wie gelockerte Türchen von Adventskalendern.<br />

31


32<br />

Am Platz angelangt, blieben wir im Schutz der<br />

Telefonzelle stehen. Eine Frau näherte sich, vom Unterdorf<br />

her. Sie hatte eine Taschenlampe dabei, weil alle<br />

Straßenbeleuchtung verboten war, um die Flieger nicht<br />

anzulocken. Die Frau schlug Haken, um den geraden<br />

Weg über den Platz zu vermeiden und unterhalb der<br />

Telefonzelle anzukommen, so dass sie an uns vorbei<br />

musste. Ihr Kopf mit dem kleinen Dutt war interessiert<br />

nach unserer Umarmungsgruppe gedreht.<br />

Serge sagte gerade etwas Halblautes auf Französisch.<br />

Meine Mutter zischte, er solle still sein. Ich konnte hören,<br />

wie sie die Luft einzog, als hätte sie sich verbrannt.<br />

Jetzt erkannte auch ich, wer die Frau war.<br />

Es war die Trulle von nebenan. Die, vor der Oma<br />

solche Angst hatte. Sie nannte sie manchmal „die Vorsitzende<br />

der Frauenschaft“, manchmal „die Zöllnern“.<br />

Doch trotz dieser Angst war Oma nie dazu zu bewegen,<br />

zu den „bunten Abenden“ dieses Klubs zu gehen. Meine<br />

Mutter und Tante Irmi hingegen kamen nicht darum<br />

herum. Sie stöhnten und guckten mit verdrehten Augen<br />

an die Decke. Dann hieß es: „Bringen wir es hinter<br />

uns.“ Und anderntags machten sie sich über all das<br />

lustig, vor allem über die Lieder, die man dort singen<br />

musste.<br />

Kaum war die Vorsitzende außer Sicht, trennten<br />

wir uns von Serge. Unser Hof, von den drei Flügeln<br />

des Hauses umrahmt und vom Torgitter zur Gasse hin<br />

abgeriegelt, empfi ng uns mit vorgeschriebener Düsternis.<br />

Kein Fenster hell. Alles verdunkelt, wie es sich gehörte.<br />

Doch kaum hatten wir das quietschende Hoftor hinter<br />

uns, als auch schon Omas Stimme von oben ein furchtsames<br />

„Käthe, bist du das?“ rief. Wo um Himmelswillen<br />

wir bis jetzt gewesen wären? Nach Einbruch der<br />

Dunkelheit, ohne vorher Bescheid zu geben! Wenn nun<br />

Alarm gewesen wäre? Was hätte sie dann Opa sagen<br />

sollen? Ein bisschen Rücksicht auf den alten Vater dürfe<br />

man von einer erwachsenen Tochter doch wohl erwarten.<br />

Das Abortfenster der Riedels, direkt unter unserem<br />

gelegen, öffnete sich behutsam, und ein Kopf schob sich<br />

heraus wie bei einer Schildkröte.<br />

Um Oma zu beschwichtigen und um den ehrbaren<br />

und gefahrlosen Charakter unseres Abendspaziergangs zu<br />

betonen, meldete ich mich aus dem Grund des Hofes zu<br />

Wort. Außerdem war ich der Meinung, dass unsere Beziehung<br />

zu Serge Kerambrune aus dem Land Bretannje<br />

längst den Status einer legitimen Familie erlangt hätte.<br />

Mit einem Stöhnen knallte Oma das Fenster zu. Auch<br />

meine Mutter stöhnte und schlug im Dunkeln heftig<br />

und blindlings nach mir. Halb gestoßen, halb gezerrt<br />

wurde ich durchs nachtschwarze Treppenhaus nach<br />

oben befördert. Während ich mit einem Ruck in unsere<br />

Wohnung hineinfl og, verschwanden Oma, die uns oben<br />

abgepasst hatte, und meine Mutter in unserem Wohnzimmer,<br />

wo wir uns nie aufhielten und wo alles mit<br />

Betttüchern verhängt war.<br />

Ohne Licht saß ich in der Küche, die Hände zwischen<br />

die Knie geklemmt, und wartete darauf, dass das geheime<br />

Palaver zu Ende gehen und mir jemand endlich<br />

Abendbrot machen würde. Meine Mutter, als sie wieder<br />

herauskam, sprach von da an nur mehr das Nötigste<br />

mit mir. Und am nächsten Tag trat die verhängte Strafe<br />

in Kraft: Ich durfte nicht mehr in den Garten. Die Begründung<br />

blieb unklar, wie immer bei uns. Ich bekam<br />

nur soviel mit, dass ich selbst für die Strafe verantwortlich<br />

sei. Erst nach dem Feierabend der Dachdecker<br />

dürfte ich wieder raus, hieß es.<br />

Ich hielt es am nächsten Tag so ohne Garten und ohne<br />

Serge nicht aus und ging zu Trudchen Mix, meiner<br />

Schulfreundin.<br />

Wir haben dann in ihren Büchern alle schwarzweißen<br />

Bilder mit Buntstiften ausgemalt. Trudchen Mix wusste<br />

nichts von Serge. Sie hatte keine Ahnung, dass er mein<br />

neuer Vater werden würde. Wir redeten überhaupt nie<br />

über unsere Familien, wir hatten genug anderes. Doch<br />

als ich schließlich die weißen Vorsatzblätter in einem<br />

ihrer Bücher mit Kolonnen von Särsch Särsch Särsch<br />

anfüllte, noch eine und noch eine, von oben nach unten,<br />

Särsch Särsch Särsch, wurde sie böse.<br />

„Das radierst du mir wieder weg! Was soll das überhaupt<br />

heißen? Das Wort gibt’s doch gar nicht.“<br />

Als ich nach Sonnenuntergang daheim aufkreuzte, war<br />

meine Mutter nicht da. Oma kam mit in unsere Wohnung,<br />

strich mir eine Brotschnitte mit Margarine und<br />

träufelte auf die andere sogar vom kostbaren Kapillärsirup<br />

aus Opas Kelterei. Oma war es auch, die heute bei<br />

uns die Läden vorlegte und die fl ache Kerze anzündete<br />

und mir auf der Gasfl amme Wasser warm machte für<br />

Gesicht und Zähne.<br />

Als ich mich nach meiner Mutter erkundigte, sagte<br />

Oma bloß: „Die kommt schon wieder. Zieh jetzt dein<br />

Nachthemd an!“<br />

Stunden später klappte unten die Haustür. Der Verschluss<br />

der Wohnungstür schnappte behutsam, und<br />

meine Mutter war wieder da. Sie tat ganz beiläufi g, als<br />

sei sie nur eben rasch auf dem Abort gewesen, drüben in<br />

der anderen Wohnung.


TiC mit dem Musical Kiss me, Kate<br />

Theater auf dem Theater ist immer<br />

ein besonderer Spaß - auch für die<br />

Darsteller, die dabei selbstironisch aus<br />

dem (ihrem) Bühnenleben schöpfen<br />

können. „Kiss Me Kate“ von Samuel<br />

und Bella Spewack mit den Songs von<br />

Cole Porter ist so ein Stück, das auf<br />

mehreren Ebenen den Protagonisten<br />

wenigstens zwei Chancen gibt, zu brillieren:<br />

im Shakespeare´schen Original<br />

und der Rahmenhandlung. Das gelang<br />

am Wochenende den Darstellern des<br />

Cronenberger TiC gleich zweimal hintereinander<br />

bei vollem Haus und guter<br />

Stimmung in der spritzigen Inszenierung<br />

von Ralf Budde à la bonheur.<br />

Szenenfoto aus „Kiss me, Kate“ von<br />

Gerhard Bartsch<br />

Nach 63 Jahren ist Cole Porters Musical<br />

„Kiss me, Kate“ noch immer ein<br />

Publikumsmagnet. Und weil man im gar<br />

nicht mehr so kleinen Wuppertaler Privattheater<br />

erfi ndungsreich ist, sich vorzüglich<br />

auch auf Musical-Stoffe versteht,<br />

über erstaunlich große Sing-Stimmen<br />

im Sprechensemble verfügt, gelingt es<br />

immer wieder (zuletzt in „My Fair Lady“<br />

und „Der kleine Horrorladen“) neben<br />

klassischem Theater und Boulevard auch<br />

im musikalischen Bereich Volltreffer zu<br />

landen. So also jetzt wieder mit „Kiss<br />

Me Kate“ in den prächtigen Kostümen<br />

von Kerstin Faber die auch für die<br />

stimmungsvoll ausgestattete, ideenreiche<br />

Bühne zeichnet.<br />

Theater auf dem Theater ist stets ein<br />

besonderes Vergnügen: Fred Graham<br />

(André Klem) spielt in (s)einer zweitklassigen<br />

musikalisch aufgebrezelten<br />

Inszenierung von Shakespeares Komödie<br />

„Der Widerspenstigen Zähmung“ vor<br />

leerem Haus im provinziellen Baltimore<br />

den Petruchio, der die männerfeindliche,<br />

kratzbürstige und schöne Katharina<br />

zähmen muß, um mit ihr in den Hafen<br />

der Ehe segeln zu können. Ausgerechnet<br />

seine „Geschiedene“ Lilli Vanessi<br />

(Sabine Henke), die ihn heimlich immer<br />

noch liebt (wie er sie), hat diesen Part<br />

übernommen. So entwickelt sich die<br />

Geschichte zum doppelten „Zähmen“<br />

in allen verzwickten Richtungen und<br />

mit allen nur denkbaren Verwicklungen.<br />

Nicht nur, dass er sich mit einem wenig<br />

engagierten Ensemble herumschlagen<br />

und den Seiltanz zwischen seiner Ex und<br />

der verführerischen Lois Lane (so heißt<br />

übrigens auch Supermans heimliche Liebe)<br />

bewältigen muß, es rücken ihm auch<br />

zwei Gangster auf die Pelle, die Geld von<br />

ihm fordern, das Lucentio-Darsteller Bill<br />

(Henning Flüsloh) unter seinem Namen<br />

beim Spiel verloren hat.<br />

Die deutsche Text-Fassung von Susanne<br />

FelicitasWolf ist zu der verzwickt<br />

komischen Handlung zwischen Globe<br />

und Off-Broadway ein weiterer Garant<br />

für beste Unterhaltung. Die Aufzählung<br />

der Hits, mit denen Cole Porters<br />

schwungvolle Bearbeitung von Shakespeares<br />

„Der Widerspenstigen Zähmung“<br />

seit seiner Broadway-Premiere 1948<br />

wuchern kann, reiht unsterbliche Evergreens<br />

aneinander, die seither wirklich<br />

die Spatzen von den Dächern pfeifen.<br />

„Premierenfi eber(Another Op´nin´,<br />

Another Show)“ ist ungezählte Male<br />

auch anderenorts zitiert worden, der<br />

Walzer „Wunderbar“ ein Mitsummer,<br />

den man tief im Ohr verankert mit nach<br />

Hause nimmt, das fi ngerschnippende<br />

„It´s Darn Too Hot (Viel zu heiß)“<br />

wurde in der Choreographie von Dana<br />

Großmann zur mitreißenden Ensemble-<br />

Tanznummer und „Wo ist die liebestolle<br />

Zeit?“ wie seine anderen Songs zum Triumph<br />

des hervorragenden André Klem<br />

als Fred Graham/Petruccio. Sabine<br />

33


34<br />

Henke an seiner Seite gibt mit Temperament<br />

eine kratzbürstige Lilli Vanessi/Katharina,<br />

der mit „Kampf dem Mann (I<br />

Hate Men)“ die vielleicht meistbejubelte<br />

Paradenummer des Abends gelang. Beiden<br />

höchst charmanten Besetzungen des<br />

pfi ffi gen Blondchens Lois Lane/Bianca<br />

(Jana Konietzki/Elisabeth Wahle) gelang<br />

deren Motto-Song „Aber treu bin ich<br />

nur dir (Always True In My Fashion)“<br />

zuckersüß.<br />

Unsichtbar für das Publikum, aber<br />

sozusagen in einer glänzend besetzten<br />

Hauptrolle agiert dabei die Musik Cole<br />

Porters. Stefan Hüfner zog bewährt die<br />

musikalischen Fäden und bereitete den<br />

Boden für die unsterblichen Melodien<br />

und schmissige Tanznummern (Choreographie:<br />

Dana Großmann).<br />

Natürlich wartet man seit Wolfgang<br />

Neuss/Wolfgang Müller auch gespannt<br />

auf „Schlag nach bei Shakespeare<br />

(Brush Up Your Shakespeare)“, mit dem<br />

gefl ügelten Refrain. Die beiden Filmkomiker<br />

haben Maßstäbe gesetzt, die kaum<br />

mehr zu erreichen sein werden. Tobias<br />

Unverzagt und Reinhard Clement gaben<br />

die beiden bildungsbefl issenen Gangster<br />

und spielten/sangen sich als Ganoven<br />

mit Herz für die Bühne auch in die Herzen<br />

der amüsierten Gäste. Ein vergnüglicher<br />

Abend, den man sich ruhig zweimal<br />

gönnen kann.<br />

Informationen und Termine der nächsten<br />

Vorstellungen: www.tic-theater.de<br />

Frank Becker<br />

Szenenfotos aus „Kiss me, Kate“ von<br />

Gerhard Bartsch


Der neue<br />

Else-Lasker-Schüler-Almanach<br />

im Peter Hammer Verlag<br />

erschienen<br />

Jeder Vers ein Leopardenbiss<br />

„Sie ist cool, sie ist Trend“, schreibt eine<br />

Schülerin über Else Lasker-Schüler. Was<br />

wohl die Dichterin dazu gesagt hätte? Vielleicht<br />

würde sie, lebte sie in unseren Tagen,<br />

sagen: „Nein, cool war ich nie, Gott sei<br />

Dank!“ Eher war sie wohl „shibusa shirazu“,<br />

ein japanischer Ausdruck für jene delikate<br />

Mischung aus „hot“ und „meschugge“<br />

- für die es im Deutschen kein Äquivalent<br />

gibt. Oder sie hätte mit ihren eigenen<br />

Worten aus dem Jahre 1912 geantwortet:<br />

„Wahre Kunst ist ewig, ob sie von heute oder<br />

von damals ist. Welcher Dilettant hat das<br />

Wort modern erfunden! Was wertvoll ist –<br />

bleibt bestehen.“ Kaum ein anderes Zitat<br />

passt treffender zum 20-jährigen Bestehen<br />

der Else-Lasker-Schüler-Gesellschschaft<br />

und ihrem Jubiläumsalmanach. Denn<br />

knapp einhundert Jahre später erfährt die<br />

Aussage der Dichterin und Poetin der Zeichenfeder<br />

Bestätigung: In der „Deutschen<br />

Nationalgalerie im Hamburger Bahnhof –<br />

35


36<br />

Museum der Gegenwart“ in Berlin fand im<br />

Frühjahr 2011 die Ausstellung “Else Lasker-<br />

Schüler“. Die Bilder“ statt. Die Poetin der<br />

Zeichenfeder kehrt damit zurück in den<br />

Kanon der Bildenden Kunst und zugleich<br />

an jenen Ort, aus dem die Nationalsozialisten<br />

ihre Zeichnungen vor 78 Jahren als<br />

„entartet“ verbannt hatten.<br />

Dass ihre Kunst wieder neu entdeckt<br />

wird und ihre Dichtung die Zeit überdauert,<br />

ist einzig das Verdienst der großen<br />

Poetin selbst, doch mit dazu beigetragen<br />

hat sicherlich auch die nach der Dichterin<br />

benannte Wuppertaler Literaturgesellschaft,<br />

die der Heiligen Else der Poesie<br />

mit 16 hochkarätig besetzten Symposien<br />

im In- und Ausland die Messe gesungen<br />

hat.<br />

Der neunte Almanach, gerade druckfrisch<br />

im Peter Hammer Verlag erschienen,<br />

bietet einen Rückblick auf die vier<br />

letzten Symposien in Wuppertal/Solingen<br />

(2008), Berlin (2009), Catania (2009)<br />

und in Tel Aviv (2010) und ist wegen der<br />

Umschlaggestaltung durch den Wuppertaler<br />

Grafi ker Wolf Erlbruch nicht nur ein<br />

literarisches, sondern auch ein ästhetisches<br />

Vergnügen. <strong>Im</strong> Mittelpunkt der Symposien<br />

standen neben den der Dichterin<br />

gewidmeten Theaterstücken aus der Feder<br />

Gerold Theobalts, wissenschaftliche Vorträge<br />

und politische Diskussionsrunden:<br />

ein 500 Seiten buntes Kaladeiskop durch<br />

Leben und Werk der Dichterin. Publiziert<br />

werden bislang unbekannte Zeitungsberichte,<br />

neue Grundlagen für die Forschung,<br />

und wissenschaftliche Vorträge.<br />

Die Autorenliste liest sich wie ein Who is<br />

Who der Else-Lasker-Schüler-Forschung.<br />

Professor Heinz Rölleke beleuchtet in<br />

seiner bekannt unprätentiösen und im<br />

besten Sinne nüchternen Art die Liebesbeziehung<br />

zwischen Else Lasker-Schüler<br />

und Gottfried Benn, der spät, sicherlich<br />

zu spät über die einstige Geliebte<br />

schrieb: „Dies war die größte Lyrikerin, die<br />

Deutschland je hatte... <strong>Im</strong>mer unbeirrbar sie<br />

selbst, fantastisch in sich selbst verschworren,<br />

feindlich allem Satten, Sicheren, Netten,<br />

vermochte sie ihre leidenschaftlichen Gefühle<br />

auszudrücken, ohne das Geheimnisvolle zu<br />

entschleiern und zu vergeben, das ihr Wesen<br />

war.“ Doch dies ist bereits der Abgesang<br />

auf eine Liebesbeziehung, die längst erloschen<br />

war, gesungen nach dem Tod der<br />

Dichterin und Benns späten Einsicht in<br />

den eigenen fatalen politischen Irrtum vor<br />

seinem Rückzug in die innere Emigration.<br />

Rölleke zieht trennscharf eine Demarkationslinie<br />

zwischen dem wissenschaftlich<br />

Belegbaren und dem bloß Spekulativen<br />

dieser lyrischen Liaison und lässt dafür<br />

dem dichterischen Wort dieses Liebesdialogs<br />

freien Raum zur Entfaltung. Für Else<br />

Lasker-Schüler war der Arzt Dr. Benn, der<br />

Dichter des Morgue-Zyklus, der so sarkastisch<br />

und nüchtern auf das menschliche<br />

Leiden schauen und damit einen vollkommen<br />

neuen Ton in die deutsche Dichtung<br />

brachte, ein Faszinosum: „Jeder Vers ein<br />

Leopardenbiss“.<br />

Lasker-Schüler-Biographin Sigrid<br />

Bauschinger berichtet über einen Brief<br />

der Dichterin, den diese 1940 an Papst<br />

Pius XII. geschrieben und „im Namen des<br />

Judentums“ den Heiligen Vater um eine<br />

eindeutigen Haltung der Katholischen<br />

Kirche gegenüber Hitler-Deutschland<br />

gebeten hatte. Bauschingers Rekonstruktionen,<br />

welche Irritationen und (kirchen-)<br />

politischen Richtungskämpfe innerhalb der<br />

Kurie dieser Brief der Dichterin ausgelöst<br />

hat, lesen sich spannend wie ein Krimi.<br />

Ungeheuer sexuelle Augen<br />

Neben den wissenschaftlichen Beiträgen<br />

sind es häufi g die Lebenserinnerungen von<br />

Zeitzeugen, die der Dichterin noch begegnet<br />

sind, die entzücken und dem Leser<br />

die Dichterin näher bringen. Avital Ben<br />

Chorin, 1923 in der Luther-Stadt Eisenach<br />

als Erika Fackenheim geboren, schloss sich<br />

früh der zionistischen Bewegung an und<br />

reiste 1936 nach Palästina aus. Ihre Eltern<br />

wurden 1944 in Auschwitz ermordet. In<br />

Jerusalem studierte sie und wollte als Lehrerin<br />

arbeiten. Als junge Frau verliebte sie<br />

sich in ihren späteren Mann, den Dichter<br />

Schalom Ben-Chorin. Sie wurde dann<br />

literarische Sekretärin im Hause des Staatspräsidenten<br />

Ben Zvi. Avital Ben Chorin<br />

erinnert sich in ihrem Beitrag für den Almanach<br />

an ihre Jerusalemer Begegnungen<br />

mit Else Lasker-Schüler, deren Gedichte sie<br />

schon als Jugendliche gelesen und bewundert<br />

hatte. Doch das junge Mädchen war<br />

zu schüchtern, um der großen Dichterin<br />

ihre Bewunderung zum Ausdruck bringen<br />

zu können. Zu ihren Lesungen kam auch<br />

ihr späterer Mann und es mag unbewusste<br />

Eifersucht der alten Dichterin im Spiel<br />

gewesen sein, als sie ihm sagte: „Bringen<br />

Sie nur diese Frau nicht wieder mit!“ Und<br />

dann hinzufügte: „Ungeheuer sexuelle<br />

Augen!“ Avital Ben Chorin erzählt auf eine<br />

sehr berührende Art und Weise, wie in den<br />

letzten Lebensjahren der Dichterin das<br />

Eis zwischen ihr und Else Laker-Schüler<br />

schmolz und sich die frühe Ablehnung in<br />

eine späte Freundschaft wandelte.<br />

Avital Ben Chorin hat diese Begebenheit<br />

auch Schülerinnen und Schülern der<br />

nach der Dichterin benannten Wuppertaler<br />

Gesamtschule berichtet. Eine für die<br />

jungen Menschen sehr beeindruckende<br />

Erfahrung, da sie hautnah miterleben<br />

konnten, dass das, was sie im Deutsch-<br />

und Geschichtsunterricht lernen, in der<br />

konkreten Begegnung mit Menschen<br />

lebendig wird. Neben dem wissenschaftlichen<br />

Austausch waren daher die Zeitzeugenbegegnungen<br />

und die Zusammenarbeit<br />

mit Schulen immer ein wesentlicher<br />

Bestandteil der Symposien, über den<br />

die Journalistin Ulrike Müller in diesem<br />

Almanach eindrücklich berichtet.<br />

Experimentallabor für ein Zentrum der<br />

verfolgten Künste<br />

„In ihrem Zusammenspiel von künstlerischen<br />

Beiträgen, wissenschaftlichem<br />

Austausch und Zeitzeugenbegegnungen<br />

und Zusammenarbeit mit Universitäten<br />

und Schulen sind die Symposien auch<br />

eine Art Experimentallabor dafür, wie ein<br />

Zentrum der verfolgten Künste arbeiten<br />

könnte: international, interdisziplinär,<br />

interkulturell“, sagt Hajo Jahn, Vorsitzender<br />

der Else-Lasker-Schüler-Gesellschaft<br />

und Herausgeber dieses Almanachs. Es<br />

gehöre wenig prophetische Gabe dazu zu<br />

erkennen, dass das 21. Jahrhundert ein<br />

Jahrhundert der Migrationsbewegungen<br />

werde – ausgelöst durch humanitäre,<br />

ökonomische und ökologische Katastrophen.<br />

„Eine Ethik der Erinnerung an das<br />

Exil kann daher mit dazu beitragen, dass<br />

wir unsere eigene Gesellschaft im Hinblick<br />

auf das, was auf Europa und Deutschland<br />

in Zukunft zukommen wird, menschlicher<br />

und toleranter gestalten.“<br />

Heiner Bontrup<br />

Jeder Vers ein Leopardenbiss<br />

Peter Hammer Verlag, 2011<br />

ISBN 987-3-7795-0360-6<br />

Erhältlich zum Preis von 22 Euro


Gänsehaut<br />

Karl Otto Mühl<br />

Foto: Frank Becker<br />

Der Tag der Rückkehr hat mit Ereignissen<br />

begonnen, die über mich hinwegrauschten<br />

wir eine Ouvertüre. Eine Politikerwitwe<br />

stand am Dreieckstisch. Sie war gekommen,<br />

um das Stehcafé kennenzulernen, von dem<br />

sie gehört hatte.<br />

Mehr Tische vorzufi nden, hätte sie sogar<br />

enttäuscht, sagt sie gleich entgegenkommend.<br />

Nein, dieser riesige Dreieckstisch hier, der<br />

sei genau das Richtige. Sie hat eine Freundin<br />

mitgebracht, die aufmerksam zu-hört. Das<br />

Gespräch schweift ab zum Thema des Nein-<br />

Sagen-Könnens – zum Beispiel jetzt zu einem<br />

weiteren Stück Kuchen. Aber sie kann das<br />

Thema auch weiter fassen, sagt sie: Nein zu<br />

Leuten, die einen vereinnahmen wollen.<br />

Die soll man für ihr Interesse und ihr<br />

Engagement loben, empfehle ich. Schließlich<br />

haben wir es hier auch mit einer Art von<br />

Liebe zu tun. Gleichzeitig soll man sich aber<br />

auch heimlich zu machen, oder sogar aus<br />

dem Staub. „Verstehe. Es geht um schwache<br />

Ichgrenzen“, sagt die Politikerfrau sachkundig<br />

und zustimmend. „Man ist selber schuld,<br />

wenn einen die Leute bestürmen.“<br />

Jedoch, ich muss fort. Mein Scheibenwischer<br />

sitzt fest, und so kann ich nicht herum-<br />

fahren. Ich fahre zu Marek, dessen Hof voll<br />

Autos steht. Es sind kleine, alte Autos, auch<br />

große alte, aber auch jüngere, noble, große.<br />

Man sieht ihnen nicht an, wem sie gehören,<br />

armen oder reichen Polen, armen oder<br />

reichen Deutschen. Es kommen aber immer<br />

mehr altansässige Deutsche, die herausgefunden<br />

haben, dass Marek sich seiner Kunden<br />

annimmt.<br />

Drei Männer beugen sich mit sorgenvollen<br />

Gesichtern über einen Motor, Marek<br />

tastet eine Oberfl äche mit dem Zeigefi nger<br />

ab. Darius eilt von der Seite mit einem<br />

Schraubenschlüssel herbei. Ich weiß nicht,<br />

was sie machen, aber nach zehn Minuten<br />

segelt der Audi wieder stolz davon. Marek eilt<br />

zum nächsten der herumstehenden Autos.<br />

Jetzt hat mich Marek entdeckt. „Hier<br />

kommt ein Veteran“, ruft er. „Er schreibt Bücher.<br />

Bringt ihm Kaffee!“ Gleich darauf sitze<br />

ich in Mareks Büro, werde nach Milch und<br />

Zucker gefragt. Regelmäßig schaut Mareks<br />

Mitarbeiter, Sebastian, nach, ob ich noch<br />

genügend Kaffee habe.<br />

Durch die Türe erspähe ich fast ein<br />

Dutzend von Mareks Genossen. Manche<br />

stehen beratend und unterstützend bei<br />

37


38<br />

einem Monteur; Einzelne, die ich noch nicht<br />

kenne, scheinen neu eingestellt zu. Ich höre<br />

viel Polnisch.<br />

Es dauert schon fast eine Stunde mit der<br />

Reparatur. Marek kommt herein und erklärt<br />

es mir. Die Einzelteile sind oxidiert. Man<br />

nimmt alles auseinander und reinigt es. „Was<br />

machen die Kinder?“ frage ich Marek. „Sie<br />

haben jetzt doch zwei.“<br />

Das ist das Stichwort für Marek. „Drei!“<br />

berichtigt er mich stolz. „Die machen so<br />

viel Freude. Ich habe letzte Woche jeden<br />

Abend bis ein Uhr gearbeitet und das große<br />

Puppenhaus auf der Veranda gebaut. Ohne<br />

Zeichnung, alles mit Bohrmaschine und<br />

Säge. Glauben Sie mir, es hat sich gelohnt.“<br />

„So viele Kinder!“, sage ich. „Jetzt müssen<br />

Sie ein richtig anständiger Mensch sein.“<br />

„Bin ich das nicht?“ fragt er erschrocken.<br />

Ich berichtige mich schnell, ich habe sagen<br />

wollen, dass er jetzt abends mehr zuhause<br />

sein müsse. Schließlich habe ich ihn schon<br />

mit Freunden durch die Stadt ziehen sehen.<br />

„Früher war ich schlimmer“, gibt Marek<br />

zu. „Aber jetzt!“ Den Rest des Satzes ersetzt<br />

er durch eine einfallsreiche Handbewegung.<br />

Ich verstehe. Schlimm sei er nur kurze Zeit<br />

gewesen, ergänzt Marek. Schon als Junge sei<br />

er ja regelmäßig dem „Papa“ nach Belgien<br />

gefahren und habe monatelang auf Pfl anzungen<br />

gearbeitet. Dann hatten sie zuhause<br />

wieder Geld.<br />

„Sie kennen ja die Vorurteile hier“, sage<br />

ich. „Die Polen seien faul, unordentlich und<br />

so – alles Quatsch! Viele sind sogar besser.“<br />

„Man muss es lernen“, antwortet Marek<br />

mehrdeutig. Ich sehe aber, seine Werkstatt<br />

ist aufgeräumt – wie sagt man bei uns – wie<br />

aus dem Ei gepellt. Wenn er auf Landsleute<br />

treffe, die nicht zuverlässig seien, schimpfe er<br />

mit ihnen. Das seien keine Geschäftsleute,<br />

wie er sie sehe. Es gebe auch aus manchen<br />

Ländern Unzufriedene, die eingewandert<br />

seien. „Geht doch zurück“, sage ich denen.<br />

„Da ist es vielleicht wärmer.“<br />

Das alles höre ich natürlich gern. Aber,<br />

frage ich, da habe er doch diese Liebhaberei,<br />

diese Stahlhelme, SS-Koppelschlösser,<br />

Messer –<br />

Darauf sei er sogar gierig, antwortet er. Er<br />

kaufe das Zeug, wo er es fi nde. Hier seien<br />

die CD´s mit Kriegsfi lmen im Schrank. Er<br />

sei verrückt darauf. Wenn es krache und die<br />

Leute vorwärts stürmten. Aber –<br />

„Was ist mit „Aber?“ frage ich.<br />

Aber er möchte beileibe nicht dabei sein.<br />

Das nicht.<br />

„Und wir sind in euer Land eingefallen.“<br />

„Ich weiß. Aber der Hitler war doch ganz<br />

...“<br />

„Was, Marek?“<br />

„Einfach wie wahnsinnig.“<br />

„Aha“, sage ich. „Möchtet Ihr ihn haben?“<br />

„Ich bin doch nicht verrückt.“ Das glaube<br />

ich auch nicht. Eher glaube ich, dass Marek<br />

demnächst ausgebrannt sein wird, wenn er<br />

fortfährt, immer gleich mehrere Autos auf<br />

einmal zu reparieren. Ich sage ihm das.<br />

„Nein“, sagt er, „das passiert mir nicht. Ich<br />

bin ja abends mit meinen Kindern zusammen.<br />

Am Sonntagmorgen lag die Mittlere<br />

zwischen uns im Bett. Wissen Sie, was sie<br />

mir gesagt hat? Sie hat gesagt: Papa, ich danke<br />

dir, dass du mir das Leben geschenkt hast.<br />

Ich habe eine Gänsehaut bekommen.<br />

„Geht mir jetzt auch so“, sage ich. Füe<br />

mich klingt der Satz seiner kleinen Tochter<br />

wie Worte aus einer Gegenwelt.<br />

„Und meiner Frau hat sie einen Brief<br />

geschrieben: „Mama, ich liebe dich so. Ich<br />

möchte keinen Tag ohne dich leben. Meine<br />

Frau hat ihr darauf geschrieben: „Ich liebe<br />

dich auch. Du machst mir soviel Freude.“<br />

Ich schaue gerührt nach unten. Ich hasse<br />

den Gedanken, dass diese schönen Worte<br />

vielleicht von einer Lehrerin vorgesagt wurden.<br />

Ich glaube es auch nicht.<br />

„Der Mann lobt Gott mit seinem Leben“,<br />

würde mein Freund, der Pastor, sagen.<br />

Ich gehe zum Auto, das Marek schon an<br />

der Straße geparkt hat. „Viel Gesundheit!“<br />

ruft er hinter mir her.<br />

Karl Otto Mühl<br />

Kultur, Information und Unterhaltung im Internet<br />

Täglich neu – mit großem Archiv<br />

Literatur – Musik – Bühne – Film – Feuilleton – Museen – Comic – Fotografi e – Reise<br />

Unabhängig, werbefrei und ohne Maulkorb<br />

www.musenblaetter.de


Als Zivilist unter Uniformierten<br />

Annäherungen<br />

an ein Porträt des SPD-Politikers<br />

Dr. Willfried Penner<br />

Willfried Penner (links) mit Manfred<br />

Wörner im Bundestags-Verteidigungsausschuss,<br />

1980. Foto: Arnold, Bundesarchiv<br />

Drei repräsentative großformatige in Blau<br />

eingebundene Bücher, allesamt Unikate,<br />

das eine mit dem „Bericht des Verteidigungsausschusses<br />

als 1. Untersuchungsausschuss<br />

gemäß Artikel 45a Absatz 2<br />

Grundgesetz – 16. Wahlperiode –“, das<br />

zweite mit sämtlichen Reden, die Dr.<br />

Willfried Penner jemals im Bundestag<br />

gehalten hat, das dritte schließlich mit<br />

den Jahresberichten des Wehrbeauftragten<br />

aus den Jahren 2000 bis 2004: Der gebürtige<br />

Wuppertaler, vielfach im Bund wie<br />

in seiner Heimatstadt ausgezeichnet, ist<br />

ein wenig stolz auf diese Konvolute, die<br />

Zeugnis ablegen über einen bedeutenden<br />

Teil seines politischen Lebens.<br />

Zu dem dickleibigen Band über die Zeit<br />

als Wehrbeauftragter haben zwei persönliche<br />

Referenten jener Jahre, Bettina<br />

Petzold und Guido Large, ein persönlich<br />

gefasstes Vorwort beigesteuert. Ausgiebig<br />

habe er von seinem Recht Gebrauch<br />

gemacht, Truppenteile unangemeldet<br />

aufzusuchen, um mit Mannschaften<br />

und Offi zieren quasi unpräpariert ins<br />

Gespräch zu kommen. Häufi g habe er<br />

sich mit folgenden Worten vorgestellt:<br />

„Guten Tag, ich bin Willfried Penner aus<br />

Wuppertal in Berlin, nicht vorbestraft,<br />

seit 34 Jahren mit derselben Frau verheiratet,<br />

drei Kinder und noch unterhaltspfl<br />

ichtig.“ Macht die Umgebung einen<br />

sehr martialischen Eindruck oder steht<br />

sie gar unter Waffen, wir zitieren weiter,<br />

„hebt er dabei die Hände zu einer Geste,<br />

als wolle er sich angesichts des drohenden<br />

Todes retten“. Er hat noch mehr<br />

überlebt.<br />

Der geborene Wuppertaler machte sein<br />

Abitur am Dörpfeld, studierte und<br />

promovierte, trat schließlich in seiner<br />

Heimatstadt das Amt eines Ersten Staatsanwalts<br />

an. 1966 wurde er Mitglied der<br />

SPD, für die er sieben Jahre im Rat der<br />

Stadt saß. Viele Menschen kennen ihn<br />

als langjährigen Vorsitzenden des Stadt-<br />

39


40<br />

Bühnenfoto v. Daniel Werkle, Aufführung am 5. 12. 2009 im Kleinen Schauspielhaus Wuppertal mit (v.l.) Julia Penner, Alexander von Hugo<br />

und Willfried Penner<br />

sportbundes. Seit 1972 schaffte er acht<br />

Mal den direkten Einzug in den Bundestag,<br />

war dort u. a. Vorsitzender des<br />

einfl ussreichen Innenausschusses, nahm<br />

an mehreren Untersuchungsausschüssen<br />

teil und übte maßgebliche Funktionen<br />

in seiner Fraktion aus. Zu Zeiten des<br />

NATO-Doppelbeschlusses arbeitete er<br />

als Parlamentarischer Staatssekretär auf<br />

der Hardthöhe. <strong>Im</strong> Jahre 2000 wurde er,<br />

spannendes Ende einer Dienstfahrt, mit<br />

einer breiten Mehrheit zum Wehrbeauftragten<br />

gewählt. In diesen Jahren war er<br />

auch als Generalbundesanwalt und als<br />

BND-Chef im Gespräch. Zu den vielen<br />

Auszeichnungen, die er erhielt, zählen<br />

das Große Bundesverdienstkreuz, der<br />

Ehrenring der Stadt Wuppertal, deren<br />

Ehrenbürger er sich nennen darf, und die<br />

Goldene Schwebebahn.<br />

Heute wohnt der – nach dem Tod von<br />

Katharina Penner in zweiter Ehe verheiratete<br />

– 75-Jährige am Katernberg. Die<br />

drei Kinder sind längst erwachsen. Auch<br />

die Schauspielerin Julia, die ebenfalls an<br />

ihrer Vaterstadt hängt. „Else“ heißt die<br />

Collage über die große Lyrikerin Lasker-<br />

Schüler, die ein Kollege vom Fach,<br />

sie selbst und Vater Willfried Anfang<br />

Dezember 2009 im Schauspielhaus zur<br />

Aufführung brachten. Seinen Ausfl ug<br />

auf die Bretter, die die Welt bedeuten,<br />

betrachtet er als einmalige Angelegenheit.<br />

Drei Wochen drei bis vier Stunden<br />

am Tag Texte einzustudieren, hat auch<br />

von Wilfried Penner, der sich rühmt, ein<br />

gutes Gedächtnis zu haben, einiges verlangt.<br />

<strong>Im</strong> nächsten Jahr wird die Tochter,<br />

die derzeit im armenischen Jerewan ihre<br />

Schauspielkünste zum Besten gibt, ins<br />

Tal zurückkehren, und zwar mit einer<br />

Revue über Friedrich Engels. Der Vater<br />

wird dann im Zuschauerraum sitzen.<br />

So wie er sein berufl iches Leben unter<br />

Volldampf absolviert hat, pfl egt er jetzt<br />

mit der passenden Ruhe sein Pensionärsdasein.<br />

Und erinnert sich beizeiten.<br />

Etwa an seine Zeit in der Zentralen Stelle<br />

zur Verfolgung von nationalsozialistischen<br />

Gewaltverbrechen, eine Dienststelle der<br />

Bundesländer mit Sitz in Ludwigsburg,<br />

an die es den 30-Jährigen 1966 verschlug.<br />

Es sei, sagt er, eine „mitunter frustrierende<br />

Zeit“ gewesen, in der nicht alle um Auskünfte<br />

gebetenen staatlichen Stellen sehr<br />

kooperativ gewesen seien. Welcher Geist<br />

in manchen Amtsstuben und auf manchen<br />

Gerichtsfl uren herrschte, kann man<br />

in Wolfgang Staudtes legendärem Film<br />

„Rosen für den Staatsanwalt“ studieren.<br />

Ludwigsburg ist längst passé, und wir<br />

schreiben die 1980er Jahre, als der<br />

Bundestagsabgeordnete Dr. Willfried<br />

Penner die bolivianische Hauptstadt<br />

La Paz und dort den Deutschen Klub<br />

besucht, in dem immer noch der Geist<br />

des Wilhelminischen Reiches oder<br />

auch der braunen Zeit hochgehalten<br />

wird. Auf die Frage, ob man hier<br />

Herrn Altmann kenne (den Namen<br />

hatte der in Frankreich zwei Mal zum<br />

Tode verurteilte NS-Verbrecher Klaus<br />

Barbie angenommen), antwortete man<br />

ihm: „Ja, der ging hier ein und aus und<br />

führte ein großes Wort.“ Mitarbeiter<br />

der deutschen Botschaft besuchten,<br />

wie man sich denken kann, ebenfalls


den Klub, doch auf Fragen, ob man<br />

etwas über den Verbleib des ehemaligen<br />

SS-Hauptsturmführers wisse,<br />

Dr. Willfried Penner<br />

Foto: Matthias Dohmen<br />

����������<br />

����������������������������������<br />

����������������������<br />

������������������������<br />

����������������������������<br />

����������������������<br />

���������������<br />

���������������<br />

��������������<br />

bekamen die Mitarbeiter der Zentralstelle<br />

seinerzeit vom Auswärtigen Amt<br />

die stereotype Antwort, man wisse von<br />

nichts und niemandem.<br />

Das muss man dann schlucken oder<br />

weiterbohren. „Tag und Nacht haben wir<br />

seinerzeit geackert“, sagt er heute. Ein hohes<br />

Maß an Arbeitseinsatz und Disziplin<br />

bescheinigt ihm Freund und Feind, zum<br />

Beispiel im Flick-Untersuchungsausschuss<br />

oder, siehe oben, als Wehrbeauftragter,<br />

eine Art Traumjob für Willfried Penner.<br />

Vorgeschlagen hatten ihn die Fraktionen<br />

von Grünen, FDP, PDS und SPD.<br />

Das war nach den turbulenten Jahren,<br />

als die Auseinandersetzungen um die<br />

„Nachrüstung“ die SPD schwer zerrissen.<br />

Willfried Penner hielt, als Zivilist auf die<br />

Hardthöhe geraten, um dem damaligen<br />

Minister Apel zur Seite zu stehen, stramm<br />

Kurs und trat bei der Wahl 1982 in<br />

Wuppertal als SPD-Unterbezirksvorsit-<br />

������������������������������������������������������������������������������������������<br />

zender nicht mehr an. Heute weiß er, dass<br />

seine Beharrlichkeit ihm zumindest im<br />

Nachhinein viele Sympathien an der Basis<br />

eingebracht hat.<br />

Die Zeit nutzt er heute für Reisen und<br />

das Lesen dicker Wälzer über Friedrich<br />

den Großen, Dietrich Bonhoeffer, über<br />

das Dritte Reich und die „Endlösung“,<br />

über den Internationalen Gerichtshof in<br />

Den Haag. Selten fällt sein Blick auf die<br />

in Blau eingebundenen Bände. In das<br />

Vorwort zu den Wehrbeauftragten-Berichten<br />

haben ihm die ehemaligen „Persönlichen“<br />

ein großes Lob hineingeschrieben:<br />

„Wir haben unendlich viel<br />

gelernt, nicht nur über die Bundeswehr,<br />

sondern auch über Kollegialität bis hin<br />

zur Freundschaft, und wir werden uns<br />

den Rest unseres dienstlichen Daseins daran<br />

erinnern.“ Vielleicht auch darüber hinaus.<br />

Matthias Dohmen<br />

�������������<br />

����������<br />

����������������<br />

41


42<br />

Neue Kunstbücher<br />

Die Stadt als Architektur<br />

Vorgestellt von Thomas Hirsch<br />

Architektur teilt etwas über ihre Zeit<br />

mit, sie folgt nicht nur Funktionen, sondern<br />

auch Stilen und Moden und spiegelt<br />

die Form der Gesellschaft wider. Zweifelsohne<br />

wirkt sie – und im Verbund als<br />

Anlage der Stadt – auf das Wohlbefi nden<br />

der Menschen ein. Folglich kann mittels<br />

Architektur und Städteplanung Einfl uss<br />

auf die Bevölkerung genommen werden.<br />

Zu den Ländern, die dies auf schlimme<br />

Weise demonstrieren, gehört Nordkorea<br />

mit seiner Hauptstadt Pjöngjang, in der<br />

etwa drei Millionen Menschen leben: eine<br />

„Retortenstadt, in der das Leben von der<br />

ersten Zellteilung an in einzelnen Funktionseinheiten<br />

streng überwacht wird“, wie<br />

Philipp Meuser in seinem „Architekturführer<br />

Pjöngjang“ schreibt, den er im eigenen<br />

Verlag DOM publishers veröffentlicht<br />

hat. Dieses Buch führt schon durch seine<br />

Existenz diese Stadt ad absurdum. Pjöngjang<br />

scheint nur wenig für Menschen und<br />

schon gar nicht zur Begehung geschaffen.<br />

Die Architektur dient der Darstellung des<br />

Regimes; die perfekte Großzügigkeit, die<br />

hier demonstriert wird, geht zulasten des<br />

Einzelnen und dessen Versorgung. Dieser<br />

wirkt durch die Größe der Gebäude, der<br />

Straßen, der Plätze und der Denkmäler<br />

noch kleiner und soll sich dem Herrschaftssystem<br />

unterordnen. Der „Reiseführer<br />

Pjöngjang“ besteht aus zwei handlichen<br />

Büchern im Schuber, der erste Band gibt<br />

mit seinen Abbildungen und Kurztexten<br />

die offi zielle Sicht von Pjöngjang wieder. Es<br />

wird ein umfassendes Bild vermittelt, das<br />

keine Selbstzweifel kennt. Der zweite Band<br />

macht sozusagen die Probe aufs Exempel,<br />

schreitet nun in Großaufnahmen die heroi-<br />

Philipp Meuser (Hg.): Architekturführer<br />

Pjöngjang, zwei Bände im Schuber, zus.<br />

368 S. mit 350 Abb., Broschur, 24 x 14 cm,<br />

DOM publishers, 38,– Euro<br />

schen Stätten, Sportanlagen und Versammlungsplätze<br />

ab und bemüht sich dabei um<br />

eine objektive Sicht. Philipp Meuser hat<br />

sich in sein Projekt hinein gekniet, selbst<br />

fotografi ert, und dazu gehört, dass er auch<br />

das Traktat zur Baukunst des Staatspräsidenten<br />

Kim Jong-Il abdruckt. Die Bauten<br />

selbst orientieren sich übrigens an den<br />

sowjetischen Vorstellungen des Wohnens<br />

und Lebens, die Ideologie des Kommunismus<br />

ist hier zum Äußersten getrieben.<br />

Frédéric Chaubin: CCCP – Cosmic Communist<br />

Constructions Photographed, 312 S.,<br />

durchgehend s/w und farbig bebildert, Hardcover,<br />

34 x 26 cm, Taschen, 39,99 Euro<br />

Dass es in der ehemaligen Sowjetunion<br />

noch andere Formen der Architektur<br />

gab, das zeigt eine weitere Neuerscheinung.<br />

Der Journalist und Fotograf<br />

Frédéric Chaubet betreibt hier seine<br />

private Recherche über die non-konforme<br />

Architektur der Sowjetunion, die vor<br />

allem nach dem Tod Breshnews vereinzelt<br />

zugelassen wurde. Dieser „Aufweichung“<br />

an Gebäuden und Denkmälern<br />

ist Chaubet bis nach Asien auf der Spur:<br />

den pitturesken Bekrönungen und Verschiebungen<br />

der Baukörper, den seriellen<br />

Wabenstrukturen und Wellenlinien aus<br />

Beton. Chaubet spricht von der „Form<br />

der Extravaganz“ und der „unerwarteten<br />

Schönheit dieser vergessenen<br />

Relikte“, die meisten der Gebäude sind<br />

außer Gebrauch, schon im Status des<br />

Verwitterns. - Schon das ist gefährlich:<br />

ein Hauch von Nostalgie schwingt mit,<br />

dabei schleicht sich eine merkwürdige<br />

Verschiebung ein, die das Diktatorische<br />

des Sowjetkommunismus ausblendet.<br />

Auch inhaltlich bleibt unscharf, worum<br />

es geht. Zu disparat sind die Bauten, die<br />

Chaubet fotografi ert und in das Buch<br />

aufgenommen hat.<br />

Mitunter ist die Landschaft (die Platzierung<br />

des Gebäudes, dessen Aussicht)<br />

die Sensation. Die Bildlegenden sind wenig<br />

aussagekräftig, ja es ist dumm, wenn<br />

eine Darstellung des Ikarus als „Batman<br />

von Tifl is“ bezeichnet wird. Trotzdem,<br />

es gibt eindrucksvolle Fotos außergewöhnlicher<br />

Gebäude zu sehen, für den<br />

sehr guten Druck ist der Taschen Verlag<br />

verantwortlich. Ein schönes Bilderbuch,<br />

zum Ausliegen auf den Beistelltischen.<br />

Wie aus einem Guss wirkt das Buch<br />

„Brasilia“ im Verlag Scheidegger & Spiess,<br />

das Fotografi en von René Burri aus der<br />

Zeit zwischen 1958 und 1997 umfasst.<br />

Also, Burri ließe sich gewiss nur ungern<br />

mit Chaubin in einen Topf werfen. Brasilia,<br />

das Meisterstück des Architekten Oscar<br />

Niemeyer, ist eine künstliche Stadt wie etwa<br />

Chandigarh in Indien und – schlussendlich<br />

– auch Pjöngjang. Brasilia wurde im wesentlichen<br />

zwischen 1958 und 1970 errichtet als<br />

gigantisches Projekt des brasilianischen Staates.<br />

Brasilia sollte Hauptstadt mit dem Regierungssitz<br />

werden. <strong>Im</strong> riesigen Maßstab,<br />

mit den architektonischen Ambitionen im<br />

Hinblick auch auf die Verschiedenheit der<br />

Gebäude und die Infrastruktur und schließlich<br />

im enormen Tempo der Realisierung<br />

sorgte der Bau, vermittelt in Illustrierten<br />

durch Fotografen wie René Burri, weltweit<br />

für Aufsehen. Neben Repräsentationsbauten<br />

entstanden Schulen, Wohnblocks, Freizeitanlagen.<br />

Aber davon zeigen seine s/w- und<br />

Farbfotos wenig. Burri dokumentiert die<br />

Entstehung, die Baustellen, er porträtiert die<br />

Arbeiter und Einwohner und verdeutlicht<br />

so das Euphorische des Projektes. Er fängt<br />

vermeintlich banale Szenen so ein, dass<br />

sie dynamisch bleiben, als Teil des Ganzen<br />

vermittelt sind und sich selbst nicht zu<br />

wichtig nehmen: Burri ist überschauender<br />

Augenzeuge.<br />

René Burri wurde 1933 in Zürich geboren.<br />

Seit 1959 gehört er zu den Fotografen<br />

der berühmten Pariser Agentur „Magnum“.<br />

Als Reportagefotograf reist er rund um den<br />

Erdball, den unterschiedlichsten Themen<br />

auf der Spur. Unter anderem dokumentiert<br />

er die architektonische Arbeit von Le<br />

Corbusier. Der Anspruch des Dokumentarischen<br />

auf höchstem Niveau kennzeichnet<br />

auch seine Bilder von Brasilia. Natürlich


Arthur Rüegg (Hg.), René Burri - Brasilia,<br />

224 S. mit 130 farb. und 80 s/w-Abb.,<br />

Hardcover, 31 x 23 cm, Scheidegger &<br />

Spiess, 77,– Euro<br />

muss das für Burri selbst ein journalistisches<br />

Vergnügen gewesen sein, die Entstehung<br />

einer Hauptstadt von Anfang an und über<br />

Jahre begleiten zu können. Eine Art Goldgräberstimmung<br />

zeichnet sich in seinen<br />

Fotografi en ab. Burri arbeitet mit Symbolik<br />

und aussagekräftigen Situationen, etwa<br />

wenn er den Staatspräsidenten Kubitschek<br />

an seinem Schreibtisch zeigt oder Baufahrzeuge<br />

im Ackerland fotografi ert. All dies ist<br />

nun in eine grob chronologische Abfolge<br />

eingebunden, als Story aus Vision und<br />

schließlich Resümee – ein großartiges Buch!<br />

„Ich fühle mich sehr der Idee der europäischen<br />

Stadt mit ihrer zweitausend Jahre<br />

alten Geschichte verpfl ichtet. Diese Idee<br />

möchte ich weiterentwickeln“, schreibt Max<br />

Dudler, ein Landsmann von René Burri und<br />

etablierter Architekt. Seit neuestem sind die<br />

sieben Bände, die zu seiner Architektur seit<br />

den 1990er Jahren von ihm herausgegeben<br />

und beim Schweizer Verlag Niggli publiziert<br />

worden sind, in einem Schuber zusammengefasst.<br />

Schon die solide Präsentation und<br />

die graphische Gestaltung der Bände signalisieren:<br />

Max Dudlers Sache ist die Strenge<br />

und die Akkuratheit der Form, die Präzision<br />

im Detail. Basismodul ist das Quadrat, das<br />

etwa zu gleichen Rasterungen der Fassade<br />

oder einer einheitlichen, aus gefugten hellen<br />

Steinen gebauten Front führt. Dann wieder<br />

fördern riesige Scheiben den Austausch von<br />

Innen und Außen und deuten weiter an, wie<br />

Dudler auf die jeweilige städtische Situation<br />

reagiert. Nie sind seine Gebäude abweisend,<br />

sie sind „Teamplayer“ innerhalb der<br />

urbanen oder landschaftlichen Umgebung<br />

und mitunter auf ökologische Praktikabilität<br />

ausgerichtet. Max Dudler wurde 1949 in der<br />

Schweiz geboren, nach Studien in Frankfurt<br />

und Berlin war er zunächst Architekt bei O.<br />

M. Ungers, ehe er sich selbstständig gemacht<br />

hat, heute mit Büros in Berlin und Zürich.<br />

Seit 2004 hat er eine Professur für Baukunst<br />

an der Düsseldorfer Kunstakademie inne.<br />

Ein Schwerpukt seiner Tätigkeit ist Berlin<br />

– hier ist er zu den wenigen Hauptstadt-Architekten<br />

zu rechnen, die sensibel umbauen<br />

und implantieren und an der Vermittlung<br />

zwischen Bewahrung von Substanz und homogener<br />

Formulierung von Gegenwärtigkeit<br />

und Fortschritt arbeiten. Zu seinen Bauten<br />

gehören das Jacob-und-Wilhelm-Grimm-<br />

Zentrum der Universität, das Umspannwerk<br />

Lützowplatz und das Bundesministerium für<br />

Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, die in<br />

der Kassette im Niggli Verlag vorgestellt werden.<br />

In der Vielzahl von schwergewichtigen<br />

Publikationen internationaler Architekturbüros,<br />

die selten frei von der Selbstbewerbung<br />

sind, ragt der „Dudler-Schuber“ angenehm<br />

heraus: durch die präzise Vermittlung der<br />

Anliegen der Architektur im Stadtbild und<br />

die Konsequenz im Werk dieses Architekten.<br />

Max Dudler: Kontinuität/Continuity, 7<br />

Bände im Schuber, zus. 664 S. mit über<br />

500 Abb., Broschur, 28 x 23,5 x 8 cm,<br />

Niggli, 140,– Euro<br />

43


44<br />

Geschichtsbücher, Buchgeschichten<br />

Vorgestellt von Matthias Dohmen<br />

Es ist der „immer wieder“ tobende<br />

Streit, „ob Wahrheit in der<br />

Geschichtswissenschaft überhaupt ein<br />

sinnvolles Ziel sei, ob die Geschichtswissenschaft<br />

nicht viel mehr der<br />

Literatur ähnele“, fragt sich Robert<br />

Schnepf in der Einleitung (Seite<br />

9). Und zitiert wenig später Hegel,<br />

der geschrieben hat, die Erfahrung<br />

lehre, „dass Völker und Regierungen<br />

niemals etwas aus der Geschichte<br />

gelernt“ haben (S. 34).<br />

Sehr instruktiv sind des Autors<br />

– sich durch das ganze Büchlein<br />

durchziehende – Darlegungen über<br />

Freund und Feind in der so genannten<br />

Fischer-Kontroverse, die bis auf<br />

den heutigen Tag anhält. Ob die<br />

Wilhelminische Regierung den Ersten<br />

Weltkrieg provoziert und ausschlaggebend<br />

hervorgerufen hat, beschäftigte<br />

schon 1919 den Sozialdemokraten<br />

Karl Kautsky. Sehr viel schlauer wird<br />

der Leser Schnepfs allerdings nicht.<br />

Selbst Quellen können in die Irre<br />

führen und haben nur ein „Vetorecht“<br />

(S. 38).<br />

Robert Schnepf, Geschichte erklären.<br />

Grundprobleme und Grundbegriffe,<br />

Göttingen: Vandenhoeck 2011. 189 S.,<br />

24,95 Euro<br />

Doch ein Triumph des gedruckten Buchs:<br />

Seit 1995 legt die Friedrich-Ebert-Stiftung<br />

in Bonn unter Mitwirkung der Bibliothek<br />

der Stiftung „Archiv der Parteien<br />

und Massenorganisationen der DDR“ in<br />

Berlin diese renommierte Bibliographie<br />

vor. Es gibt zwar – auch von der FES –<br />

jede Menge Datenbanken im Internet,<br />

doch muss ma sich deren (Teil-) Ergebnisse<br />

auch ausdrucken, um sie nachhaltig<br />

zu nutzen.<br />

Und was bringt ein Bücherverzeichnis,<br />

das nicht durch sauber aufbereitete<br />

Register erschlossen ist? Die hier besprochene<br />

Bibliographie enthält Verzeichnisse<br />

der Personen (Verfasser, Herausgeber,<br />

aber auch solche, die Gegenstand von<br />

Biographien sind), der Schlagworte, von<br />

Regionen und Orten sowie der behandelten<br />

Körperschaften.<br />

Einige Hundert Zeitschriften aus 23<br />

Ländern sind für das Jahr 2010 ausgewertet<br />

worden. Hut ab!<br />

Bibliographie zur Geschichte der deutschen<br />

Arbeiterbewegung. Jahrgang 35/2010,<br />

hrsgg. von der Bibliothek der Friedrich-<br />

Ebert-Stiftung, Bonn: J. H. W. Dietz 2011.<br />

216 S., 29,90 Euro<br />

Neben Paul Wentzke ist Hans Spethmann<br />

der führende stark rechtsgewirkte<br />

Historiograph des „Ruhrkampfes“.<br />

Beide führten ihre antimarxistische<br />

Geschichtsschreibung in brauner Zeit<br />

fort und kamen nach 1933 mit ihrem<br />

„Ja“ zum „Führertum“ so recht zu Ehren.<br />

Schande über SPD und KPD: Auf die<br />

Großindustriellen war man „vor dem<br />

Umbruch“ 1933 „nicht gut zu sprechen“<br />

(S. 1457).<br />

Gleichwohl enthält Spethmanns insgesamt<br />

fünf Bände umfassende Darstellung<br />

eine Fülle an Fakten, die ihresgleichen<br />

sucht. Nun hat der Klartext-Verlag<br />

nach der Neuaufl age der ersten drei<br />

Bände, die man allerdings nicht einmal<br />

mehr bei Amazon kaufen kann, die als<br />

verschollen geltenden Teile Drei und Vier<br />

in einem Band publiziert.<br />

Ein Literatur- und Quellenverzeichnis,<br />

ein Gesamtregister (über alle Bände) und<br />

Karten runden die sorgfältig aufgemachte<br />

Publikation ab.<br />

Hans Spethmann, Das Ruhrgebiet. Band 4<br />

und 5, hrsgg. von Gustav Ihde und<br />

Hans-Werner Wehling, Essen: Klartext 2011.<br />

1756 S., 64,95 Euro


Dada-Ada<br />

Assoziationen.<br />

Früher nannte man das<br />

Spinnen. Stoffe spinnen, Themen.<br />

Tibetteppiche in Berlin<br />

In Zürich und im Engelstal.<br />

Zürich-Dada im Cabaret Voltaire,<br />

Spiegelgasse. Das Ada,<br />

Wiesenstraße.<br />

Unterm Tippentappentönnchen:<br />

Migrationsgegend.<br />

Gegen Hintergrund. Aber viel Vordergrund.<br />

Arbeiterviertel<br />

Ohne Arbeiter.<br />

Arbeit. Los.<br />

Wanderergastronomie, wunder wie.<br />

Dort Richard Huelsenbeck und Tristan Tzara. Hier<br />

Mitch Heinrich in vokalen Klang- und Sinnaakrobationen.<br />

Sinnfreiheiten – Freier Sinn.<br />

O.K., einverstanden, zugegeben:<br />

Raumzeitliche Distanzen. Weltgeschichtlicher Abstand.<br />

Aber.<br />

Sinnliche Allianzen.<br />

Unsere Kulturförderung<br />

ist gut für die Sinne.<br />

Tastendes Experimentieren im Reich der Klänge<br />

und Töne. Auch Soundrevolutionen brauchen<br />

Ihren Ort.<br />

Damals.<br />

Hier wie<br />

Dort: Befreiung. Aufbruch.<br />

Wegblasen. Kaputtspielen.<br />

Weil ein Land erstarrt.<br />

Stinkt wie Schweizer Käse: Deutsche Schweiz, deutscher Schweiß<br />

Deutsche Scheiße. Braun in Berlin. In-Berlin: Blue<br />

die Notes und zuweilen auch die Eier. Dem Bürger<br />

fl iegt vom Kopf der spitze Hut. Und<br />

<strong>Im</strong> Ada Töne um die Ohren. Jedes Böhnchen eins. Damals.<br />

Heute: neue Bürgerlichkeit. Free Jazz ohne Freibier.<br />

<strong>Im</strong>provisation, Tanz, Performance.<br />

Zwischen Rakhi und Rembetiko<br />

Zwischen Börek und Brötzmann<br />

Zwischen Döner und Daxophon:<br />

(K)ein Tango ohne Tanga?<br />

Wer weiß das schon? Wahrscheinlich. Jedenfalls<br />

Unterm Sheddach<br />

Pepes Bass<br />

Schlagwerk, Sax und ein<br />

Pianola für den toten Geist von Astor Piazola<br />

Heiner Bontrup<br />

Sparkassen-Finanzgruppe<br />

Kunst und Kultur prägen die gesellschaftliche Entwicklung. Die Sparkassen-Finanzgruppe ist der größte nicht-staatliche Kulturförderer<br />

Deutschlands. Auch die Stadtsparkasse Wuppertal ist ein wichtiger Partner für Kunst und Kultur in unserer Stadt. Das ist gut für<br />

die Kultur und gut für Wuppertal. www.sparkasse-wuppertal.de<br />

Sparkasse. Gut für Wuppertal.<br />

S<br />

45


46<br />

Kulturnotizen<br />

Gryphius-Preis 2011<br />

an Michael Zeller<br />

Der mit 10.000 Euro dotierte Große<br />

Literaturpreis der KünstlerGilde e.V. Esslingen<br />

geht in diesem Jahr an den in Wuppertal<br />

lebenden Schriftsteller Michael Zeller.<br />

Der noch im deutschen Breslau geborene<br />

Preisträger wendet sich in besonderer Weise<br />

in seinem gewichtigen literarischen Werk den<br />

Nachbarn im Osten und Südosten zu und<br />

ist durch sein kontinuierliches Wirken ein<br />

wichtiger aktiver Vermittler einer europäischen<br />

Verständigung. In Romanen und Erzählungen<br />

engagiert sich der Autor für eine<br />

tragfähige deutsch-polnische Nachbarschaft.<br />

Der Andreas Gryphius-Preis wurde von<br />

der KünstlerGilde 1957 begründet. Zu seinen<br />

Preisträgern gehören u.a. Heinz Piontek,<br />

Johannes Urzidil, Wolfgang Koeppen, Franz<br />

Tumler, Peter Huchel, Siegfried Lenz, Horst<br />

Bienek, Peter Härtling, Stefan Chwin und<br />

zuletzt Arno Surminski und Renata Schuman.<br />

Die Preisverleihung nimmt am 11. November<br />

der Bundesvorsitzende der KünstlerGilde, Prof.<br />

Dr. Wolfgang Schulz, im Gerhart-Hauptmann-<br />

Haus in Düsseldorf vor. Die Laudatio hält<br />

die Literaturkritikerin und Autorin Marta<br />

Kijowska.<br />

Der Andreas Gryphius-Preis wird seit 1957<br />

durch die 1948 in Esslingen gegründete KünstlerGilde<br />

e. V. verliehen. Sein Name erinnert an<br />

den großen schlesischen Dramatiker und Dichter<br />

Andreas Gryphius (1616-1664). Er zählt zu<br />

den renommiertesten Literaturpreisen in der<br />

Bundesrepublik Deutschland. Unter den<br />

Trägerinnen und Trägern befi nden sich nicht<br />

zuletzt Heinz Piontek, August Scholtis, Johannes<br />

Urzidil, Franz Tumler, Horst Bienek, Manfred<br />

Bieler, Wolfgang Koeppen, Rose Ausländer,<br />

Gertrud Fussenegger, Peter Huchel, Frank<br />

Thiess, Reiner Kunze, Saul Friedländer, Hans<br />

Sahl, Hans Werner Richter, Siegfried Lenz,<br />

Otfried Preußler, Peter Härtling, Ota Filip,<br />

Andrzej Szczypiorski, Janosch, Jiri Grusa, Karl<br />

Dedecius sowie Stefan Chwin.<br />

Christina Rau zu Besuch in der<br />

Begegnungsstätte Alte Synagoge<br />

Die Vorsitzende der Johannes-Rau-Stiftung<br />

ließ sich durch die Dauerausstellung<br />

führen<br />

Einen Besuch in Wuppertal verband<br />

die Witwe von Johannes Rau heute mit<br />

einer Besichtigung der Ausstellung über<br />

die jüdische Geschichte in Wuppertal.<br />

Die Johannes-Rau-Stiftung zählt zu den<br />

Sponsoren der Begegnungsstätte, und so<br />

zeigte Christina Rau lebhaftes Interesse<br />

an der neuen Konzeption. Von Antonia<br />

Dicken-Begrich, der Vorsitzenden des<br />

Trägervereins Begegnungsstätte Alte<br />

Synagoge, und Dr. Ulrike Schrader,<br />

ließ sie sich die einzelnen Stationen<br />

der Schau und ihre lebendigen Vermittlungsmethoden<br />

erläutern. In den Herbstferien<br />

steht die Ausstellung zwischen<br />

14 und 17 Uhr (außer Montags und<br />

Samstags) allen Interessierten Besuchern<br />

offen.<br />

Foto: Begegnungsstätte Alte Synagoge<br />

Die Welt hebt an zu singen<br />

Erneut haben Wuppertaler Autoren<br />

Anerkennung durch Aufnahme von<br />

lyrischen Texten in Anthologien gefunden.<br />

Dieter Jandt, Mitglied des Verbands<br />

deutscher Schriftsteller (VS), hat sich<br />

erfolgreich um Aufnahme dreier Gedichte<br />

in die Anthologie „Schlafende Hunde II<br />

- Politische Lyrik in der Spaßgesellschaft“<br />

beworben. (Wie schon vor einer Weile<br />

berichtet, sind in dieselbe Anthologie<br />

auch fünf Gedichte von Karl Otto Mühl<br />

aufgenommen worden.) Darüber hinaus<br />

sind Karl Otto Mühl und Michael Zeller,<br />

beide Mitglieder sowohl des VS wie<br />

des PEN, mit je einem Gedicht in dem<br />

gerade erschienenen Reclam-Bändchen<br />

„Die Welt hebt an zu singen“, hg. von der<br />

Wuppertaler Literaturwissenschaftlerin<br />

Gabriele Sander, vertreten.<br />

Auch die Wiederholung eines Bühnenerfolgs<br />

kündigt sich an: Karl Otto<br />

Mühls „Rheinpromenade“, 1974 in<br />

Wuppertal uraufgeführt und Jahre lang<br />

im Repertoire vieler deutscher Bühnen,<br />

feiert demnächst Wiederaufnahme (angekündigt<br />

für 2012, nunmehr verschoben<br />

auf 2012/13) in der „Schlosserei“, einer<br />

Spielstätte des Kölner Schauspielhauses.<br />

Regie führt Nora Bussenius.<br />

Mirijam Contzen – Saltando<br />

Die renommierte Geigerin Mirijam<br />

Contzen kommt nach Wuppertal und<br />

wird Werke zeitgenössischer Komponisten<br />

sowie zeitgenössische Bearbeitungen von<br />

Kompositionen von Franz Liszt spielen.<br />

Alle Werke sind Uraufführungen!<br />

Sonntag, 06.11.2011um 20 Uhr in<br />

der Historischen Stadthalle Wuppertal,<br />

Mendelssohn-Saal. Der Abend steht unter<br />

dem Motto „Saltando“ (deutsch: „mit<br />

tanzendem/ springendem Bogen“)<br />

Mirjam Contzen<br />

Mirijam Contzen, vielfach ausgezeichnete<br />

Solistin von internationalem<br />

Rang (Echo-Klassik 2001), zieht die<br />

Hörer mit lebendiger Musikalität und<br />

atemberaubendem Virtuosentum in<br />

ihren Bann. Begleitet wird sie von Sinfonia<br />

NRW, einer der interessantesten<br />

Orchester-Neugründungen der letzten<br />

Jahre, die den Hörerinnen und Hörern<br />

bereits vom Auftritt bei der Bergischen<br />

Biennale 2010 bekannt ist. Ausgangspunkt<br />

ihres Programms SALTANDO<br />

ist Franz Liszt, Jubilar des Jahres 2011.<br />

Der ist nun zwar als Klaviervirtuose<br />

bekannt – doch lassen Sie sich überraschen,<br />

wie den zeitgenössischen<br />

Komponisten des Abends der Sprung in<br />

ein aufregend neues Violingenre gelingt!<br />

So viel sei verraten: Auch Paganini spielt<br />

eine Rolle …


Eine Einführung zu dem Konzert<br />

mit dem Musikwissenschaftler Reinhard<br />

Buskies fi ndet um 19 Uhr statt.<br />

Das Programm:<br />

Franz Liszt: Mephistowalzer Nr. 1 - Der<br />

Tanz in der Dorfschenke - Bearbeitung<br />

für Kammerorchester von Johannes<br />

Marks (UA)<br />

Lutz-Werner Hesse: Introduzione e moto<br />

perpetuo für Violine und Ensemble (UA)<br />

Franz Liszt: Etude "La campanella" nach<br />

Paganini in der Bearbeitung für Violine<br />

und Kammerorchester von Michael<br />

Schultheis (UA)<br />

Franz Liszt: Polonaise Nr. 2 E-Dur -<br />

Bearbeitung für Kammerorchester von<br />

Michael Schultheis<br />

Johannes Marks: Konzert für Violine und<br />

Kammerorchester (UA)<br />

Michael Walter: Offene Gegend. Musikalische<br />

Szene nach Faust II (UA)<br />

Das Kammerorchester Sinfonia NRW<br />

hat sich einer lebendigen Musikausübung<br />

verschrieben: Die Programme<br />

bestehen immer aus einer Mischung von<br />

Altem und Neuem - die spannungsvolle<br />

Verfl echtung von Bekanntem in Konfrontation<br />

mit Reaktionen der heutigen Zeit<br />

steht im Zentrum. Die Musikerinnen und<br />

Musiker sind herausragende Studierende<br />

aus NRW, die gemeinsam mit erfahrenen<br />

Orchestermusikern spielen. Zum<br />

Konzept gehört auch der unmittelbare<br />

Austausch mit den Komponisten. Der<br />

Klangkörper ist ungewöhnlich besetzt:<br />

The art of tool making<br />

Zu den solistischen Streichern treten u.A.<br />

Blechblasinstrumente und Schlagwerk,<br />

so dass verglichen mit dem 'normalen'<br />

Kammerorchester ein größeres klangliches<br />

Volumen erzielt wird.<br />

Vorverkauf: 0211/27 4000 und www.<br />

westticket.de<br />

Eintritt: 20 EUR /erm. 13 EUR<br />

Aufführung in Wuppertal:<br />

Sonntag, 06.11.2011, 20 Uhr, Historische<br />

Stadthalle Wuppertal, Mendelssohn-<br />

Saal, Johannisberg 40<br />

Konzerteinführung um 19 Uhr<br />

Weitere Aufführungen:<br />

Freitag, 04.11.2011, 20 Uhr, Hörsaal H<br />

1, Hindenburgplatz 10-12, Münster<br />

Samstag, 05.11.2011, 20 Uhr, Museum<br />

für Kunst und Kulturgeschichte Dortmund,<br />

Hansastraße 3<br />

Ruhr-Museum Essen zeigt Bilder<br />

seiner Fotografi schen Sammlung<br />

Essen - Unter dem Titel „Von A bis Z.<br />

Die Fotografi sche Sammlung des Ruhr<br />

Museums“ präsentiert das Ruhr Museum<br />

in Essen eine neue Sonderausstellung. Die<br />

bis zum 10. Juni nächsten Jahres laufende<br />

Schau in der Galerie der Kohlenwäsche auf<br />

dem Welterbe Zollverein zeigt etwa 300<br />

Bilder aus dem gewaltigen Fotoarchiv des<br />

Museums, die zum Teil noch nie öffentlich<br />

zu sehen waren. Die neue Schau ist Auftakt<br />

einer Reihe von Ausstellungen, in<br />

denen die einzelnen Sammlungen des<br />

Ruhr Museums präsentiert werden, die<br />

von regionaler und internationaler Bedeutung<br />

sind.<br />

Die Ausstellung ist montags bis sonntags<br />

von 10 bis 18 Uhr geöffnet.<br />

Internet: www.ruhrmuseum.de<br />

Internationale Tanzwochen in<br />

Neuss gestartet<br />

Neuss - <strong>Im</strong> rheinischen Neuss sind die<br />

diesjährigen Internationalen Tanzwo chen<br />

gestartet. Bis zum Februar kommenden<br />

Jahres werden Ensembles aus der ganzen<br />

Welt ein abwechs lungsrei ches Programm<br />

zeigen. Zum Auftakt kam die Armitage<br />

Gone! Dance Company aus New York, die<br />

47


48<br />

Peter Krämer<br />

WP/StB<br />

Andreas Niemeyer<br />

WP/StB<br />

Thomas Pintzke<br />

StB<br />

Katrin Schoenian<br />

WP/StB<br />

Dr. Jörg Steckhan<br />

RA/WP/StB<br />

Peter Temmert<br />

WP/StB<br />

Anke Jagau<br />

RA/StB<br />

Susanne Schäfer<br />

StB<br />

Stephan Schmacks<br />

StB<br />

VIEL<br />

MEHR<br />

ALS<br />

NUR<br />

STEUERN<br />

RINKE TREUHAND GmbH Wirtschaftsprüfungs-/Steuerberatungsgesellschaft<br />

Wall 39 – 42103 Wuppertal – 0202 2496-0<br />

www.rinke.eu Unternehmensberatung – Steuerberatung – Wirtschaftsprüfung<br />

mit ihrer Choreographie „Relativity“ zum<br />

ersten Mal in Deutschland zu sehen ist.<br />

Unter der Leitung von Karole Armitage<br />

zeigt das Ensemble darüber hinaus „The<br />

Watteau Duets“ und die „Ligeti Essays“.<br />

Bereits zum zweiten Mal besucht<br />

das Cedar Lake Contemporary aus New<br />

York unter der Leitung von Benoit-Swan<br />

Pouffer die international renommierte<br />

Veranstaltung in Neuss. Zu ihrem<br />

einzigen Gastspiel in NRW kommt das<br />

Bayrische Staatsballett 2 im Dezember<br />

an den Rhein. Ivan Liška und Konstanze<br />

Vernon haben eine 16köpfi ge Juniorcompagnie<br />

zusammengestellt, die bereits im<br />

großen Staatstheater auftreten konnte.<br />

Aus Stuttgart kommt Gauthier Dance in<br />

die Neusser Stadthalle, die ihr abwechslungsreiches<br />

Programm „Lucky Seven“<br />

präsentiert. Das Zürcher Ballett unter der<br />

Leitung von Heinz Spoerli, der schon im<br />

Gründungsjahr der Tanzwochen zu Gast<br />

war, zeigt „In den Winden im Nichts“,<br />

eine Choreographie der Cello-Suiten 2,3<br />

und 6 von Bach.<br />

Internet: www.tanzwochen.de<br />

Ausstellung „Stroh zu Gold“ im<br />

Ziegeleimuseum Lage eröffnet<br />

Lage - „Stroh zu Gold“ lautet der Titel<br />

einer Ausstellung im Ziegeleimuseum im<br />

westfälischen Lage, die bis zum 18. März<br />

nächsten Jahres den Mythos magischer<br />

Geschichten und Figuren aus textilen Märchen<br />

aufgreift. Zu sehen sind über 250<br />

Objekte aus dem 18. und 19. Jahrhundert.<br />

Darunter Arbeitsgeräte wie Spinnrad,<br />

Spindel, Webstuhl, Schneidertisch und<br />

Zwirnmühle. Bücher des 19. Jahrhunderts<br />

zeigen in der Ausstellung Holzstiche<br />

aus der Märchenwelt der Brüder Grimm<br />

und des Wilhelm Hauff.<br />

Ausgestellt werden außerdem 60<br />

Jahre alte Theaterkulissen, kleinteilig in<br />

kolorierte Pappe geschnitten, sowie Märchenbilder<br />

im Jugendstil aus „Stollwerck´s<br />

königlichen Schokoladentafeln“ von<br />

1906. Einen Hauch von der zauberhaften<br />

Atmosphäre orientalischer Märchen<br />

aus 1001 Nacht vermitteln Zeremonial-<br />

Gegenstände der Turkmenen wie Kronen,<br />

Hochzeitspantoffeln, ein Dolch mit<br />

Damastklinge sowie ein kunstvoll gearbeiteter<br />

Jurteneingang.<br />

Die Ausstellung ist dienstags bis sonntags<br />

von 10 bis 18 Uhr geöffnet.<br />

Museum Abteiberg zeigt Werke<br />

des US-amerikanischen Künstlers<br />

Morgan Fisher<br />

Mönchengladbach - Unter dem Titel<br />

„Translations“ präsentiert das Museum<br />

Abteiberg in Mönchengladbach eine Ausstellung<br />

mit Werken des amerikanischen<br />

Künstlers Morgan Fisher. Es ist die erste<br />

Ausstellung, in der Fisher seine Auseinandersetzung<br />

mit der Malerei zeigt. Seit den<br />

späten 1990er Jahren fertigt der in Los<br />

Angeles arbeitende Künstler Installationen<br />

aus Malerei, in denen monochrome<br />

Gemälde zu einem neuartigen Anschauungsobjekt<br />

werden.<br />

Sie handeln von den Größen,<br />

Formaten, farblichen und räumlichen<br />

Beziehungen, von den Gesichtsfeldern<br />

des Betrachters, den Bedingungen von<br />

Architektur sowie den Phänomenen der


Wahrnehmung und ihrer Nachbilder.<br />

Fisher ist auch Filmemacher und studierter<br />

Kunsthistoriker. In seinen Werken<br />

hat er sich auch immer wieder mit der<br />

Komposition und Wirkungsweise anderer<br />

künstlerischer Werke befaßt. Die Ausstellung<br />

entstand in Zusammenarbeit mit der<br />

Wiener Generali Foundation.<br />

Die Ausstellung ist dienstags bis sonntags<br />

von 11 bis 18 Uhr geöffnet.<br />

Internet: www.museum-abteiberg.de<br />

Duisburger Museum würdigt Ulrich<br />

Erben mit einer Werkschau<br />

Duisburg/Düsseldorf - Unter dem<br />

Titel „Ulrich Erben – Lust und Kalkül.<br />

Malerei aus fünf Jahrzehnten“ würdigt<br />

das MKM Museum Küppersmühle in<br />

Duisburg den 1940 geborenen Künstler.<br />

Die Werkschau läuft bis zum 29. Januar<br />

nächsten Jahres und zeigt rund 160<br />

Gemälde sowie Papierarbeiten und einen<br />

Lichtobjekt-Raum. Erben zählt seit über<br />

40 Jahren zu den wichtigsten deutschen<br />

Vertretern der Farbfeldmalerei. Erben, der<br />

in Düsseldorf lebt, war 25 Jahre als Professor<br />

an der Kunstakademie Düsseldorf/<br />

Münster tätig.<br />

Die Ausstellung ist mittwochs von 14<br />

- 18 Uhr sowie donnerstags bis sonsntags<br />

von 11 bis 18 Uhr geöffnet.<br />

Internet: www.museum-kueppersmuehle.de<br />

Deutsches Glasmalerei-Museum<br />

Linnich würdigt Georg Meistermann<br />

Linnich - Zum 100. Geburtstag<br />

des Künstlers ist seit dem 22. Oktober<br />

im Deutschen Glasmalerei-Museum<br />

im nordrhein-westfälischen Linnich<br />

die Schau „Das Leben des Menschen<br />

ist in Farbe eingehüllt“ zu sehen. Die<br />

bis zum 29. Januar nächsten Jahres laufende<br />

Schau würdigt den Künstler<br />

Georg Meistermann (1911-1990), der<br />

in diesem Jahr 100 Jahre alt geworden<br />

wäre. Man zeigt Werke aus allen Phasen<br />

und Kunstgattungen des Schaffens von<br />

Münstermann. Glasmalereien, Entwurfskartons,<br />

Gemälde und Zeichnungen<br />

bieten dem Besucher einen Einblick in<br />

das malerische und glasmalerische Werk<br />

Meistermanns in den Jahren von 1927<br />

bis 1990. Der Künstler mußte schon<br />

1933 auf Anweisung der Nationalsozialisten<br />

die Kunstakademie in Düsseldorf<br />

verlassen. Noch im gleichen Jahr hatten<br />

die Nazis seine Ausstellung geschlossen<br />

und die Arbeitsmöglichkeiten des Künstlers<br />

erheblich behindert. Das Frühwerk<br />

Meistermanns wurde im Krieg zerstört,<br />

heute zählt er mit zu den bedeutendsten<br />

Vertretern der „Inneren Emigration“ und<br />

der „Verfemten Kunst“. In über 52 Jahren<br />

stattete der Künstler unter anderem<br />

mehr als 170 Kirchen mit umfangreichen<br />

Glasfensterzyklen aus. Er wirkte<br />

zudem maßgeblich beim künstlerischen<br />

Wiederaufbau der romanischen Kirchen<br />

in Köln mit.<br />

Die Ausstellung ist dienstags bis<br />

sonntags von 11 bis 17 Uhr geöffnet.<br />

Internet: www.glasmalerei-museum.de<br />

Erste deutsche Ausstellung zum<br />

Werk von Mamma Andersson in<br />

Krefeld<br />

Krefeld - „Dog Days“ lautet der<br />

Titel der ersten deutschen Ausstellung<br />

zum Werk der schwedischen Künstlerin<br />

Mamma Andersson, die bis zum 5.<br />

Februar nächsten Jahres im Museum<br />

Haus Esters in Krefeld zu sehen ist.<br />

Die 1962 geborene Andersson geghört<br />

zu den wichtigsten zeitgenössischen<br />

Künstlern Skandinaviens. In der eigens<br />

für das Krefelder Museum konzipierten<br />

Schau werden etwa 14 neue Gemälde<br />

und 4 Arbeiten auf Papier gezeigt, die<br />

im Zeitraum eines Jahres entstanden<br />

sind. In ihrer Malerei läßt die Künstlerin<br />

verschiedene Quellen zu überraschenden,<br />

mehrschichtigen Amalgamen<br />

zusammenfl ießen. So bezieht sie sich<br />

einerseits auf die Tradition der nordischen<br />

Landschaftsmalerei des 19. und<br />

20. Jahrhunderts, während sie andererseits<br />

Interieurs als Vorlage verwendet,<br />

die aus kriminaltechnischen Recherchen<br />

stammen und daher ungeschminkte,<br />

gewöhnliche Räume in ihre Gemälde<br />

eindringen lassen. Wo die Künstlerin<br />

auf die Darstellung von Personen verzichtet,<br />

werden Interieurs und Dinge<br />

der Außenwelt durch malerische Mittel<br />

psychologisch aufgeladen. So entpuppt<br />

sich etwa die Darstellung eines gewöhnlichen<br />

Kinderzimmers näher besehen als<br />

Ort von Einsamkeit und Destruktion,<br />

ein leeres Schiffsdeck von schwarzer See<br />

umgeben als Metapher existenziellen<br />

Ausgeliefertseins.<br />

Die Ausstellung ist dienstags bis sonntags<br />

von 11 bis 17 Uhr geöffnet.<br />

Internet: www.kunstmuseenkrefeld.de<br />

49


50<br />

Ausstellung zu Expression<br />

und Religion im Essener Museum<br />

Folkwang<br />

Louis Soutter „The Empty Cross“,<br />

1939, Fingermalerei in Deckfarben<br />

Essen - „The Empty Cross - Expression<br />

und Religion in Werken einer Schweizer<br />

Privatsammlung“ lautet der Titel einer<br />

Ausstellung, die am 12. November im<br />

Essener Museum Folkwang eröffnet wird.<br />

Zu sehen sind bis zum 22. Januar 2012<br />

etwa 70 druckgrafi sche Blätter vor allem<br />

des Expressionismus gemeinsam mit<br />

thematisch verwandten Aquarellen und<br />

Zeichnungen, unter anderem Arbeiten<br />

von Emil Nolde, Karl Schmidt-Rottluff<br />

und Max Beckmann, die in der Zeit um<br />

den Ersten Weltkrieg viele Werke religiösen<br />

Inhalts schufen. Bei der Darstellung<br />

von Motiven des Alten und Neuen Testaments<br />

vor allem in Holzschnitten und<br />

Radierungen gelang es den Künstlern,<br />

den psychologischen Gehalt der Szenen<br />

herauszuarbeiten. Eine sehr persönliche<br />

Fortentwicklung der christlichen Ikonographie<br />

realisierte auch Louis Soutter in<br />

seinen Zeichnungen, die in den 1920er<br />

und 1930er Jahren entstanden.<br />

Die Ausstellung ist dienstags bis sonntags<br />

von 10 bis 18 Uhr sowie freitags bis<br />

22.30 Uhr geöffnet.<br />

Internet: www.museum-folkwang.de<br />

Picasso durch die Kamera von<br />

David Douglas Duncan gesehen<br />

Münster - „Picasso bei der Arbeit<br />

- Durch die Linse von David Douglas<br />

Duncan“ lautet der Titel einer Ausstellung,<br />

die im Kunstmuseum<br />

Münster zu sehen ist. Der spanische<br />

Künstler wird in den Aufnahmen von<br />

Duncan bis zum 15. Januar 2012 von<br />

seiner privaten Seite gezeigt. Auch<br />

in Bielefeld und Köln sind derzeit<br />

Ausstellungen über Picasso zu sehen.<br />

Insgesamt 115 Fotografi en zeigen ihn<br />

in der Münsteraner Schau bei der<br />

künstlerischen Arbeit im Atelier, umgeben<br />

von seiner Frau Jacqueline und<br />

seinen Kindern. Die Ausstellung stellt<br />

parallel zu Duncans Arbeiten auch viele<br />

der auf den Fotos auszumachenden<br />

Kunstwerke von Picasso aus, darunter<br />

zahlreiche Keramiken, Bronzen und<br />

Blechskulpturen. Der als Kriegsfotograf<br />

bekannt gewordene Duncan durfte<br />

Picasso über Jahre hinweg mit der Kamera<br />

begleiten, angefangen bei ihrem<br />

ersten Treffen 1956 bis hin zu Picassos<br />

Tod 1973.<br />

Die Ausstellung ist dienstags bis<br />

sonntags von 10 bis 18 Uhr geöffnet.<br />

Internet:<br />

www.kunstmuseum-picasso-muenster.de<br />

Ausstellung zum Werk von<br />

Werner Gilles im Kunstmuseum<br />

Mülheim/Ruhr<br />

Mülheim/Ruhr - „Träumender und<br />

Sehender“ lautet der Titel einer Ausstellung<br />

im Kunstmuseum Mülheim/Ruhr,<br />

die bis zum 8. Januar nächsten Jahres<br />

Werke des Künstlers Werner Gilles präsentiert.<br />

Mit seinen lyrischen Abstraktionen<br />

hat der Maler und Grafi ker (1894–1961)<br />

eine eigene Position in der Kunst des 20.<br />

Jahrhunderts eingenommen. Die Ausstellung<br />

fi ndet anläßlich des 50. Todestages<br />

von Gilles statt und präsentiert rund 150<br />

Gemälde und Aquarelle des Künstlers.<br />

Von den Nationalsozialisten verfemt,<br />

gehörte Gilles nach dem Zweiten Weltkrieg<br />

zu den ersten modernen Künstlern,<br />

die wieder ausgestellt wurden. 1954 mit<br />

dem Großen Preis für Malerei des Landes<br />

NRW ausgezeichnet, nahm der Künstler<br />

1955 und 1959 an der Documenta<br />

I und II in Kassel teil. Ausgehend von<br />

seinen großen Kompositionen und Zyklen<br />

mit mythologischen und christlichen Motiven<br />

spannt die Ausstellung einen Bogen<br />

hin zu den mediterranen Landschaften<br />

seiner Wahlheimat, der italienischen<br />

Insel Ischia.<br />

Zu sehen sind auch Fotografi en und<br />

der preisgekrönte Film „Der Maler des Orpheus“<br />

aus dem Jahr 1960 von Carl Lamb.<br />

Die präsentierten Gemälde, Aquarelle<br />

und Grafi ken stammen entweder aus dem<br />

Nachlaß des Künstlers oder sind Leihgaben<br />

unter anderem der Hamburger Kunsthalle,<br />

der Staatlichen Museen zu Berlin,<br />

dem Von der Heydt-Museum Wuppertal,<br />

dem Märkischen Museum in Witten oder<br />

dem Folkwang-Museum in Essen.<br />

Die Ausstellung ist dienstags, mittwochs<br />

und freitags von 11 bis 17 Uhr,<br />

donnerstags von 11 bis 21 Uhr sowie<br />

samstags und sonntags von 10 bis 17 Uhr<br />

geöffnet.<br />

Internet: www.kunstmuseum-mh.de<br />

Ausstellung über Leben und Werk<br />

von Nelly Sachs in Dortmund<br />

Dortmund - „Flucht und Verwandlusng.<br />

Nelly Sachs, Schriftstellerin,<br />

Berlin - Stockholm“ lautet der Titel<br />

einer Ausstellung, die am 18. November<br />

Nelly Sachs’ Wohnung am Bergsundsstrand<br />

1970


im Dortmunder Museum für Kunst<br />

und Kulturgeschichte eröffnet wird.<br />

Anhand einer Fülle bisher unbekannter<br />

Fotos, Texte und Zeugnisse werden die<br />

wachsende Radikalität und der kulturgeschichtliche<br />

Kontext ihrer Dichtung<br />

herausgearbeitet. Die Schau entstand<br />

in Zusammenarbeit mit dem Jüdischen<br />

Museum Berlin, dem Jüdischen Theater<br />

Stockholm, der Königlichen Bibliothek<br />

Stockholm, der Schwedischen Botschaft<br />

und dem Suhrkamp Verlag. <strong>Im</strong> Dezember<br />

vergibt die Stadt Dortmund zum 25.<br />

Mal den 1961 gestifteten und nach der<br />

Dichterin benannten Nelly Sachs Literaturpreis.<br />

<strong>Im</strong> Mai<br />

Die Ausstellung ist dienstags, mittwochs,<br />

freitags und sonntags von 10<br />

bis 17 Uhr, donnerstags von 10 bis 20<br />

Uhr sowie samstags von 12 bis 17 Uhr<br />

geöffnet.<br />

Internet: www.mkk.dortmund.de<br />

Hetjens-Museum präsentiert<br />

„Japanische Keramik zwischen<br />

Tradition und Moderne“<br />

Kawabata Fumio, Vasenobjekt, 2003,<br />

Unglasiertes Steinzeug aus marmoriertem<br />

Ton mit Feuerschur-Deko<br />

Düsseldorf - Das Hetjens-Museum<br />

in Düsseldorf zeigt bis zum 29. Januar<br />

nächsten Jahres die Ausstellung „Japanische<br />

Keramik zwischen Tradition und<br />

Moderne.“ Die laufende Schau fi ndet<br />

im Rahmen des Japan-Jahres statt, das an<br />

die Aufnahme der Handelsbeziehungen<br />

zwischen Deutschland und Japan vor 150<br />

Taitan Fukuda, Set für kalten Sake mit<br />

Sakegießer und 2 Bechern, 2002, Steinzeug<br />

mit Kupferglasur<br />

Jahren erinnert. In der Studioausstellung<br />

werden Objekte der historischen Sammlung<br />

des Museums modernen Keramiken<br />

aus Japan gegenübergestellt, die als Leihgaben<br />

aus dem Museum für Asiatische<br />

Kunst der Staatlichen Museen zu Berlin<br />

kommen. In der Zusammenschau wird<br />

das für Japan so symptomatische Nebeneinander<br />

von Tradition und Moderne<br />

deutlich. Einerseits orientieren sich die<br />

Töpfer noch heute stark an traditionellen<br />

Vorbildern etwa bei Formentypen und<br />

Dekore. Andererseits gehen Studiotöpfer<br />

ganz ungewohnte neue Wege in der Keramikgestaltung.<br />

Ablesbar ist der bis heute<br />

prägende Einfl uß des Zen-Buddhismus,<br />

denn gerade die Teekeramik ist in ihrer<br />

kunstvollen Natürlichkeit nicht ohne den<br />

buddhistischen Kontext zu verstehen.<br />

Die Ausstellung ist dienstags sowie<br />

donnerstags bis sonntags von 11 bis 17<br />

Uhr und mittwochs von 11 bis 21 Uhr<br />

geöffnet.<br />

Weltweit größte Sammlung von<br />

Arbeiterskulpturen kommt nach<br />

Dortmund<br />

Dortmund - Die weltweit größte<br />

Sammlung von Arbeiterskulpturen des<br />

Bauarbeiter von A. Boucher (1850-1934)<br />

Gelsenkirchener Kunstliebhabers Werner<br />

Bibl hat seit Samstag im Industriemuseum<br />

Zeche Zollern in Dortmund eine<br />

neue Heimat. Wie der Landschaftsverband<br />

Westfalen-Lippe als Träger<br />

des Museums mitteilte, handelt es sich<br />

um über 200 Bronzefi guren namhafter<br />

Bildhauer. Die Objekte zeigen Menschen<br />

aus den Bereichen Bergbau, Landwirtschaft<br />

und Schwerindustrie und geben<br />

einen Einblick in die unterschiedlichen<br />

Facetten menschlicher Arbeit. Einen Termin<br />

für die erste öffentliche Ausstellung<br />

der Skulpturen in Dortmund gibt es noch<br />

nicht. Zunächst wird die Sammlung Bibl<br />

im kommenden Jahr im Weltkulturerbe<br />

Erzbergwerk Rammelsberg in Goslar gezeigt,<br />

erklärte ein Sprecher des Verbandes<br />

Kinofest Lünen zeigt ab<br />

10. November aktuelle deutschsprachige<br />

Filme<br />

Lünen - Das überregionale Kinofest<br />

im westfälischen Lünen zeigt ab dem 10.<br />

November vier Tage lang insgesamt 50<br />

aktuelle, deutschsprachige Filme. Zehn<br />

Streifen laufen im Wettbewerb um die<br />

„Lüdia“, den mit 10.000 Euro dotierten<br />

Hauptpreis des Kinofestes, über den das<br />

Publikum entscheidet.<br />

<strong>Im</strong> Mittelpunkt der diesjährigen<br />

Produktionen stehen starke Persönlichkeiten,<br />

die jenseits der üblichen Entwürfe<br />

um ihren Platz im Leben kämpfen. So<br />

zeigt etwa der Spielfi lm „Der Brand“ von<br />

Brigitte Maria Bertele die Folgen einer<br />

Vergewaltigung, in der Dokumentation<br />

„Der Fall Chodorkowski“ gehe es um die<br />

Hintergründe für die Verurteilung des<br />

russischen Ex-Oligarchen. Die Beiträge<br />

für junge Zuschauer konkurrieren um<br />

den Kinderfi lmpreis „Rakete“.<br />

Internet: www.kinofest-luenen.de<br />

Von Andreas Rehnolt und Frank Becker<br />

51


Der Tipp für alle<br />

ab 60<br />

Mit dem BärenTicket sind Sie im ganzen<br />

VRR-Gebiet unterwegs, rund um die Uhr und<br />

in der 1. Klasse.<br />

Weitere Infos im MobiCenter<br />

Tel.: 0202 569-5200<br />

www.wsw-online.de<br />

52

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!