Phlegmatisch
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<strong>Phlegmatisch</strong><br />
So erkenne ich mich nicht.<br />
Der Morgen zeigt Grießkramgesicht.<br />
Der Spiegel zeigt was ich nicht mag.<br />
Ich trotte planlos durch den Tag.<br />
Dieser Tag kann mich nicht leiden.<br />
Würd alle Menschen lieber meiden.<br />
Lieber in mich selbst verkriechen.<br />
Durch die matte Zeit mich siechen.<br />
Keine Lust was sonst gefällt,<br />
mir das Leben gern erhellt.<br />
Muß mich winden, mich aufraffen,<br />
um es durch den Tag zu schaffen.<br />
Heute bin ich intensiv,<br />
bin phlegmatisch depressiv.<br />
Raffe mich heut nicht mehr auf.<br />
Ich bin einfach ganz mies drauf.
Traumsalat<br />
Groteske Bilder,<br />
drehen wilder,<br />
Seelenfilter.<br />
Und sie flitzen,<br />
und sie sitzen,<br />
in den Ritzen.<br />
Kleine, große,<br />
dubiose,<br />
augenlose,<br />
Fratzen lauern,<br />
hinter Mauern,<br />
zum erschauern.<br />
Traumgeschwirr,<br />
Traumgewirr,<br />
klar und irr.<br />
Schmaler Grat,<br />
keinen Rat,<br />
Traumsalat.<br />
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Albtraum<br />
Die Nacht ist ohne Sternenschein,<br />
nur mühsam schlafe ich heut ein.<br />
Entgleite langsam, seelenmatt.<br />
Geh durch die Straßen einer Stadt.<br />
Es ist Nacht, ich habe Zeit.<br />
Da kommt aus der Dunkelheit,<br />
mir entgegen ein fremder Mann,<br />
grüßt und spricht mich sofort an:<br />
„Hoffentlich seid ihr nicht sauer,<br />
wegen gestern, ich bedauer.<br />
Das Angebot war verlockend schön,<br />
doch aus der Kneipe mußt ich gehn.“<br />
Und er nannte seinen Grund,<br />
ein Lächeln umspielte seinen Mund:<br />
„Um einen Gefallen bitt ich dich,<br />
meine Frau wartet oben schon auf mich.<br />
Ich geb dir den Schlüssel. Hilfst du mir ?<br />
So komm ich leichter heim zu ihr.<br />
Du nimmst den Fahrstuhl in diesem Block,<br />
und bist du dann gleich im dritten Stock,<br />
öffnet sich die Tür, wirf den Schlüssel raus.<br />
Ich nehm den Weg durchs Treppenhaus.“
Im Fahrstuhl dann beschleicht es mich.<br />
Das ist ne Falle, sicherlich.<br />
Die Tür, sie öffnet, doch mir ist’s geglückt,<br />
hab schnell den Knopf abwärts gedrückt.<br />
Doch der Schlüssel verkeilt sich in der Tür,<br />
und reißt ihn aus den Händen mir.<br />
Die Fahrt nach unten – Erdgeschoss.<br />
Nur schnell hier weg, die Angst ist groß.<br />
Er stürmt das Treppenhaus hinab.<br />
Ich such den Ausgang, sonst wird es knapp.<br />
Da ist die Tür worauf „Ausgang“ steht,<br />
wohin der Weg zur Freiheit geht.<br />
Ich laufe durch – noch eine Tür.<br />
Der Mann, er läuft dicht hinter mir.<br />
Noch eine Tür – und wieder eine.<br />
Ich renne, zittere und weine.<br />
Noch eine Tür – noch eine Tür,<br />
keinen Ausweg find ich hier.<br />
Ausgang, Ausgang, Ausgang, Aus…<br />
Ich finde keinen Weg hier raus…<br />
Ich werde aus dem Schlaf gerissen.<br />
Schweißnaß sind Laken und das Kissen.<br />
Ich stehe auf, gehe aufs Klo.<br />
War nur ein Traum – Was bin ich froh.<br />
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Träumemeer<br />
Der Regen ist vorüber,<br />
die Erde, sie ist still,<br />
streif mir den Umhang über,<br />
und tue was ich will.<br />
Ein kleiner Moment der Ruhe,<br />
vom Weltenchaos, hin und her,<br />
tu ich was ich gern tue,<br />
ich träume mich ans Träumemeer.<br />
...<br />
Ich geh verstohlen seinen Strand entlang,<br />
vor manchen Träumen ist mir bang,<br />
strecke vorsichtig einen Zeh hinein,<br />
dann Schritt für Schritt, und tauche ein.<br />
Ich laß mich treiben von den Gezeiten,<br />
in des Traummeers tiefen Weiten,<br />
und die Traumflut bricht herein,<br />
als würde sie die Wahrheit sein.<br />
Die vom Realismus erstarrten Glieder,<br />
lockern sich und fühlen wieder.<br />
Mancher Traum der längst verschollen,<br />
ist aus dem Meer hervorgequollen.<br />
Die reale Welt, nur Schattenglanz,<br />
wird surreal, verschwindet ganz.<br />
Ich gleite allein auf Traummeerswogen,<br />
und werde in die Traumwelt hinabgezogen.
...tiefer und tiefer...<br />
... mehr und mehr...<br />
tief hier unten,<br />
im Träumemeer.<br />
Schritt für Schritt, Stück für Stück,<br />
muß ich wieder in die Welt zurück,<br />
aus der ich doch so gern entglitt,<br />
doch ein paar Träume nehm ich mit.<br />
Sie helfen nicht um zu verstehn,<br />
sie helfen nur zu überstehn.<br />
Die Träume behalt ich tief in mir,<br />
hoffe dass ich sie niemals verlier.<br />
Und habe ich einen Moment der Ruhe,<br />
dann tu ich das was ich gern tue.<br />
Ich komme immer wieder her,<br />
und bade mich im Träumemeer.<br />
Fluß der Zeit<br />
Der Fluß der Zeit, er plätschert leise,<br />
unscheinbar von der Quelle her.<br />
Wird lauter, schneller auf seiner Reise,<br />
und endet schließlich fern im Meer.<br />
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Er fließt durch Täler, fließt durch Felder,<br />
durch manches Dorf, durch manche Stadt.<br />
Durch ödes Land, durch grüne Wälder,<br />
nimmt mit sich jedes Kalenderblatt.<br />
Er kennt kein Halt, kennt keine Rast,<br />
durch Tag und Nacht, durch Dämmerung.<br />
Fließt durch die Jahre voller Hast,<br />
beständig ist die Veränderung.<br />
Wir mitten drin, er reißt uns mit,<br />
mal ruhiges Wasser, mal Stromschnellen.<br />
Mal Ausflugsfahrt, mal Höllenritt,<br />
oftmals die Angst vor dem Zerschellen.<br />
Ich hab es schon so oft versucht,<br />
und heute ist es mir gelungen,<br />
ich hab den Lauf der Zeit verflucht,<br />
bin durch den Strom ans Land gesprungen.<br />
Ich fand mich am flachen Ufer wieder,<br />
leicht fröstelnd, irritiert und splitternackt.<br />
Der Fluß der Zeit floß an mir vorüber,<br />
hörte sein Rauschen verzerrt und abgehackt.<br />
Seltsam die Luft, seltsam hier außen,<br />
still am Fluß der Zeit zu stehn.<br />
Er fließt mit Donnern und mit Brausen,<br />
konnte die Zeit zerrinnen sehn.
Ich fand einen netten Platz zum setzen,<br />
zum schlendern, zum träumen, unendlich.<br />
Doch ich bemerkte mit Entsetzen,<br />
die Zeit fließt weiter ohne mich.<br />
So floß die Zukunft zur Vergangenheit,<br />
ohne mich am Flussufer vorüber.<br />
Erkenntnis machte sich in mir breit,<br />
versäumte Zeit, sie kommt nicht wieder.<br />
Erst ganz langsam, dann ganz arg,<br />
kroch die Angst in mir empor.<br />
Sie wurde heftig, wurde stark,<br />
was bin ich Mensch doch für ein Tor.<br />
Auch ohne mich zerfließt die Zeit,<br />
und ich erfahre nicht wohin.<br />
Hab mich vom Lauf der Zeit befreit,<br />
und es macht keinen Sinn.<br />
Ich hab mich belogen, hab mich betrogen.<br />
Wohin fließt die Zukunft ? In das Glück ?<br />
Und ich sprang in hohem Bogen,<br />
wieder in den Fluß zurück.<br />
Die Zeit fließt von der Quelle her,<br />
mal Ausflugsfahrt, mal Höllenritt,<br />
und endet schließlich fern im Meer,<br />
ich mittendrin, sie reißt mich mit.<br />
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