Präsentation von Herrn Dr. Roderburg

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GestaltungsberatungunterMissbrauchsvorwurfRingvorlesung:Kölner Kolloquium zumSteuerrechtSommersemester 2013RA/StB <strong>Dr</strong>. Georg <strong>Roderburg</strong>, 27. Mai 2013Freshfields Bruckhaus Deringer LLP


Gliederung1. Einführung2. FG Thüringen v. 28.9.2011 – Az. 3 K 1086/093. EuGH v. 10.11.2011 – Rs. C-126/104. Der Gesamtplan als Rechts- und Gestaltungsmissbrauch5. Fazit1


1. EinführungFreshfields Bruckhaus Deringer LLP


1. EinführungGrundkonflikt• „Die Steuer ist der Preis der Freiheit. Wenn der Staat durch die Garantie derEigentümer- und Berufsfreiheit das Wirtschaftsleben in privater Hand belässt,er also strukturell auf Staatswirtschaft und Staatsunternehmen verzichtet,muss er sich durch Teilhabe am Erfolg privaten Wirtschaftens durch Steuernfinanzieren. […] Wenn der Staat auf der Oberseite seiner Medaille die Freiheitaufprägt, muss er auf der Unterseite die Steuer abbilden.“ (P. Kirchhof)• „Es [steht] grundsätzlich jedem Steuerpflichtigen frei […], seineAngelegenheiten so einzurichten, daß er möglichst wenig Steuern zu zahlenbraucht.“ (BVerfG v. 14. 4. 1959 - 1 BvL 23 u. 34/57)• Die Steuergestaltung ist so alt wie das Steuergesetz selbst!• Ein Lebenssachverhalt wird hierzu so gestaltet, dass er denSteuertatbestand nicht erfüllt.• historische Beispiele:- Fenstersteuer (Umgehung durch Zumauern <strong>von</strong> Fenstern)- österreichische Vermögenssteuer mit Dachfläche alsBemessungsgrundlage (Umgehung durch Auszug aus Burgen)3


1. EinführungGrundkonfliktInteresse desStaates anhinreichendemSteueraufkommenSteuergerechtigkeitGrundrechte desSteuerbürgersUnternehmerfreiheitLeistungsfähigkeitsprinzipGestaltungsfreiheitFinanzierungsfreiheitArt. 12 GGArt. 14 GGMicroökonomischrationales Interessedes Steuerbürgersan Steuerersparnis4


1. EinführungAufgabe des steuerlichen Beraters• Der Berater ist zuerst rechtlicher Interessenvertreter seines Mandanten.• Er unterstützt ihn, die hochkomplexen und z. T. nicht nachvollziehbarenRegelungen des Steuerrechts zu bewältigen.• Dies dient der „Waffengleichheit“ mit dem Steuerstaat.• Steuergestaltung = Steuerlich motivierte Beeinflussung <strong>von</strong> Höhe und/oderZeitpunkt der Steuerbelastung durch Sachverhaltsgestaltung oderWahlrechtsausübung.• Es gibt die Steuergestaltung, weil der Gesetzgeber selbst innerhalbverschiedener Steuerarten tatbestandlich differenziert.5


1. EinführungGrenzen der Steuergestaltung• Missbrauchsbekämpfung ist zu einem zentralen Thema derSteuergesetzgebung geworden.• spezielle Missbrauchsnormen (bspw. 8c KStG, § 22 UmwStG, § 4h EStG)• allgemeine Missbrauchsvorschriften, insb. § 42 AOFunktion des § 42 AO• Mit § 42 AO richtet der Gesetzgeber einen Auftrag an Rspr. und Finanzverwaltungzur Abwehr <strong>von</strong> Steuerumgehungen. Unklar ist die Reichweite derNorm.• Dies gilt insb. im Verhältnis zu speziellen Missbrauchsvorschriften; hier istfraglich, ob die speziellen Missbrauchsvorschriften eine Anwendung <strong>von</strong> § 42AO sperren.• Zwar hat sich der Gesetzgeber um eine Klarstellung im Rahmen des JStG 2008bemüht, es bleiben aber zahlreiche Zweifelsfragen, weil durch SpezialnormenWertungen zum Ausdruck kommen, die nicht ohne weiteres unterlaufen werdendürfen.6


2. Urteil des FG Thüringen vom 28.9.2011Freshfields Bruckhaus Deringer LLP


a) Zusammenfassung des UrteilsMaßgebliche Aussagen:• Die im UmwStG normierten Missbrauchstatbestände sind nicht per seabschließend; die Reichweite der Sperrwirkung der speziellenMissbrauchstatbestände ist durch Auslegung zu ermitteln.• § 12 Abs. 3 S. 2 UmwStG a. F. lässt lediglich den Verlustvortrag einer auf eineandere Gesellschaft verschmolzene Gesellschaft untergehen. Daraus kannnicht geschlossen werden, dass bei entgegengesetzterVerschmelzungsrichtung, also der Aufnahme einer Gewinngesellschaft durcheine Verlustgesellschaft, kein Gestaltungsmissbrauch vorliegt.• Wird ein am Markt tätiges Gewinnunternehmen auf eine (Schwester-)Verlustgesellschaft verschmolzen, deren Geschäftsbetrieb eingestellt ist, unddies allein der Nutzung des Verlustvortrages dient, liegt ein Missbrauchrechtlicher Gestaltungen (§ 42 Abs. 1 S. 2 AO) vor, was die Nutzung desVerlustvortrages ausschließt.8


a) Zusammenfassung des UrteilsSachverhalt (vereinfacht) - AusgangssituationB-GmbHAutohaus GmbH & Co. KG(Sitz: B-Burg)100 % 100 %C-GmbHSituation:• B erwirtschaftet seit Jahren Verluste• 2003: Kündigung desVertragshändlervertrages• Zu diesem Zeitpunkt wurde Gewerbeabgemeldet und Ort der GL in dieRäumlichkeiten der Mutter verlegt (B-Burg), Sitz war vorher A-StadtSituation:• erfolgreich am Markt tätig• Geschäftsführer: Herr Köhler• Sitz C-Stadt• FA stellt hohen Verlustvortrag fest• Geschäftsführer: Herr Müller9


a) Zusammenfassung des UrteilsSachverhalt – Verschmelzung (notarieller Vertrag vom 27.8.2004)Autohaus GmbH & Co. KGB-GmbH100 %(Verlustgesellschaft – Übernehmende Gesellschaft)100 %Verschmelzung durchAufnahme gegenGewährung <strong>von</strong>GesellschaftsrechtenC-GmbH(Gewinngesellschaft – Übertragende Gesellschaft)10


a) Zusammenfassung des UrteilsSachverhalt – Maßnahmen nach der VerschmelzungAutohaus GmbH & Co. KGB-GmbH100 %Gesellschafterversammlung am27.8.2004• Umbenennung in C-GmbH• Abberufung GF Müller• Bestellung GF Köhler• Sitzverlegung nach C-Stadt• Buchhaltung der übertragendenGesellschaft wurde imWesentlichen fortgeführt.11


a) Zusammenfassung des UrteilsSachverhalt – Ergebnis der GestaltungAutohaus GmbH & Co. KGC-GmbH (neu)• Sitz in C-Stadt• GF: Herr Köhler100 %• Geschäftsbetrieb der ehemaligenC-GmbH wird fortgeführt, derGeschäftsbetrieb der ehemaligenB GmbH nicht.• Verlustvortrag der ehem. B-GmbH bleibt bei C (neu).• FA will nach BP Verlustvortragnicht anerkennen.• Der rechtlich zulässigeVerschmelzungsvorgang seiMissbrauch rechtlicherGestaltung gem. § 42 AO.• Dagegen richtet sich die C-GmbH im Klagewege• Die Klage vor dem FGThüringen hat jedoch keinenErfolg!12


a) Zusammenfassung des UrteilsBegründung des Thüringischen FG:• § 8 Abs. 4 KStG a. F. stehe der Verlustnutzung nicht entgegen, denn hier seies zu keiner Änderung der Beteiligungsquoten gekommen (§ 8 Abs. 4 S. 2KStG a. F.).• § 12 Abs. 3 S. 2 UmwStG a. F. stehe der Verlustnutzung ebenfalls nichtentgegen, denn die Regelung betreffe die Nutzung des Verlustvortrages derübernehmenden und nicht der übertragenden Körperschaft.• Ein anderes Verständnis <strong>von</strong> § 12 Abs. 3 S. 2 UmwStG scheitere an derWortsinngrenze und damit am Vorbehalt des Gesetzes.• Hier müsse die Verschmelzung jedoch als Gestaltungsmissbrauch (§ 42Abs. 1 S. 2 AO) bewertet werden.13


a) Zusammenfassung des UrteilsBegründung des Thüringischen FG:• Zur Anwendbarkeit <strong>von</strong> § 42 AO innerhalb des UmwStG:• Anwendbarkeit sei gem. § 42 Abs. 2 AO a. F. immer dann gegeben, wennseine Anwendbarkeit gesetzlich nicht ausdrücklich ausgeschlossen ist.• Insoweit seien die im UmwStG enthaltenen Missbrauchstatbestände nichtper se abschließend.• Vielmehr sei im Einzelfall zu ermitteln, ob und inwieweit den speziellenMissbrauchsvorschriften eine Sperrwirkung zukomme.14


a) Zusammenfassung des UrteilsBegründung des Thüringischen FG:• Zur Bestimmung des Inhalts und der Grenze der Sperrwirkung des § 12Abs. 3 S. 2 a. F. UmwStG:• Spezielle Missbrauchsvorschriften begrenzten die im Rahmen des UmwStGzur Verfügung gestellten Umwandlungsmöglichkeiten.• Fehlende Einschränkungen seien ein Indiz für die Zulässigkeit derMaßnahme.• § 12 Abs. 3 S. 2 a. F. UmwStG komme aber keine Sperrwirkung zu, nachAnsicht des FG solle durch die Vorschrift gerade nicht konkret über dasVorliegen einer missbräuchlichen Gestaltung entschieden werden.- Zwar spreche der Gesetzgeber darin nur den Fall der Verschmelzung derVerlustgesellschaft auf eine Gewinngesellschaft an, daraus könne abernicht geschlossen werden, dass die vorliegende Gestaltung nicht per seals missbräuchlich anzusehen sei.- Im Übrigen verweist das FG auf ein Urteil des BFH v. 28.10.2008 – Az. I R4/09, welchem jedoch keine Aussagekraft bzgl. des hier zu entscheidenFalls beizumessen ist.15


a) Zusammenfassung des UrteilsBegründung des Thüringischen FG:• Zur näheren Bestimmung der Voraussetzungen <strong>von</strong> § 42 AO• Missbrauch liege immer dann vor, wenn zu Erreichung des wirtschaftlichenZiels eine unangemessene Gestaltung gewählt werde, die derSteuerminderung diene und durch außersteuerliche Gründe nicht zurechtfertigen sei.• Aber: Das Motiv der Steuerersparnis allein mache eine Gestaltung nichtunangemessen.• Eine Gestaltung ist erst dann unangemessen, wenn der Steuerpflichtige dievom Gesetzgeber vorgegebene typische Gestaltung nicht gebraucht,sondern statt einer einfachen rechtlichen Möglichkeit eine umständliche,komplizierte, schwerfällige, gekünstelte wähle.16


a) Zusammenfassung des UrteilsBegründung des Thüringischen FG:• Im konkreten Fall seien diese Voraussetzungen erfüllt:• Faktisch habe sich die B-GmbH in Abwicklung befunden.• Nach der Verschmelzung sei die ursprüngliche B-GmbH wirtschaftlichuntergegangen.• Im Ergebnis sollte nur die ursprüngliche C-GmbH fortbestehen, dieses Zielwäre mit einer Verschmelzung der ursprünglichen B-GmbH auf die C-GmbHebenfalls erreicht worden.• Dem Gesetzgeber komme es bei § 12 Abs. 3 S. 2 UmwStG a. F. und § 8Abs. 4 KStG a. F. darauf an, einen Verlusthandel zu vermeiden.17


) Mögliche Auswirkungen der aktuellen Entwicklungen• Verschmelzung einer Gewinngesellschaft auf eine Verlustgesellschaft ist bishertypische und allgemein geläufige Gestaltung.• Wird das Urteil vom FG Thüringen durch den BFH bestätigt, wird vielfach in derGestaltungspraxis Unsicherheit darüber herrschen, wann die Gestaltungzulässig ist und wann sie wegen § 42 AO nicht anzuerkennen ist.• Die Reichweite der typisierten Missbrauchsvorschriften des UmwStG (unddamit auch anderer Steuergesetze) wird unklar.• Planungssicherheit geht verloren.• Wirtschaftlich sinnvolle Verschmelzungen, die das UmwStG gerade fördernmöchte, unterbleiben u. U.• Gestaltungen müssten wohl zunehmend durch verbindliche Auskünfteabgesichert werden.• Dadurch käme es zu einer Einführung des im Rahmen des JStG 2008verworfenen § 138a AO (Anzeigepflicht für Steuergestaltungen) „durch dieHintertür“.18


c) Bewertung• Auch wenn das Urteil eine alte Rechtslage betrifft, wirft es die Frage nach demVerhältnis <strong>von</strong> § 42 AO zu speziellen Missbrauchsvorschriften auf.• Im Rahmen des JStG 2008 wollte der Gesetzgeber mit § 42 Abs. 1 S. 2 AOfestlegen, dass die allgemeine Missbrauchsvermeidungsvorschrift nichtzwingend verdrängt wird, wenn einzelne Tatbestandsmerkmale einerspeziellen Missbrauchsvermeidungsvorschrift nicht erfüllt sind.• Ob diese Anordnung allerdings wirksam ist, ist fraglich.• Durch die spezielle Missbrauchsvorschriften definiert der Gesetzgeber, wasaus seiner Sicht missbräuchlich ist. Daran muss er sich festhalten lassen.Bereichsspezifisch tritt damit Sperrwirkung <strong>von</strong> § 42 AO ein.• Es ist nicht akzeptabel, als „weitere Auffanglinie“ auf § 42 AOzurückzugreifen.• Dies gilt umso mehr, wenn spezielle Missbrauchsvorschriften Reaktion aufBFH-Urteile, welche die Anwendung des § 42 AO durch die Verwaltungnicht bestätigt haben, sind.19


c) Bewertung• Im Rahmen des UmwStG und § 8c KStG ist eindeutig geregelt, wann bei einerUnternehmensumstrukturierung Verluste untergehen.• Es handelt sich hierbei um typisierte Missbrauchsvorschriften.• Diesen ist um Umkehrschluss zu entnehmen, dass alle anderen nichtspeziell geregelten Gestaltungen nicht missbräuchlich sind. Anderenfallshätte der Gesetzgeber ohne Weiteres einen Verlustuntergang für dieumgekehrte Verschmelzungsrichtung anordnen können.• Anderenfalls würden die Wertungen des Gesetzgebers unterlaufen.• Es soll kein Verlust übertragen werden, der Verlust bleibt vielmehr bei derKörperschaft bestehen, die ihn erlitten hat.• „Rosinentheorie“ der Finanzverwaltung ist nicht akzeptabel.20


3. Urteil des EuGH v. 10.11.2011 (Foggia)Freshfields Bruckhaus Deringer LLP


a) Zusammenfassung des UrteilsUnionsrechtlicher Rahmen• Urteil betraf die Auslegung der Fusions-Richtlinie (2009/133/EG):• RL soll steuerneutrale Umstrukturierung (Fusionen, Spaltungen, etc.)ermöglichen.• Die erfassten Vorgänge dürfen keine Besteuerung desVeräußerungsgewinns zur Folge haben (Art. 4 Abs. 1 RL).• Wenn die Mitgliedstaaten die Übernahme <strong>von</strong> Verlusten gestatten, müssensie diese Vorschriften auf EU/EWR-Gesellschaften und Betriebsstättenerweitern.• Aber: Mitgliedstaaten können die Anwendung der RL versagen, wennUmstrukturierung in erster Linie auf Steuerumgehung zielt. Da<strong>von</strong> kannausgegangen werden, wenn der Vorgang nicht auf vernünftigenwirtschaftlichen Gründen (insb. Umstrukturierung oder Rationalisierung)beruht.22


a) Zusammenfassung des UrteilsNationales Recht und Sachverhalt• Nationales Recht:• Das portugiesische Steuerrecht ermöglicht den Übergang <strong>von</strong> Verlusten;dieser kann jedoch beim „Fehlen vernünftiger wirtschaftlicher Gründe“versagt werden.• Damit wurde der Begriff des „vernünftigen wirtschaftlichen Grundes“ derFusions-RL in nationales Steuerrecht übernommen.• Sachverhalt:• Die Foggia SGPS, eine portugiesische Holdinggesellschaft, nahm imRahmen einer Fusion drei andere zu dem Konzern gehörendeHoldinggesellschaften auf (Hinaufverschmelzung) und beantragte, dieungenutzten Verluste der aufgenommenen Gesellschaften berücksichtigenzu dürfen.• Dies versagte die Finanzverwaltung mit dem Argument, für die Fusion fehltenvernünftige wirtschaftliche Gründe.• Die aufgenommene Gesellschaft habe in den vergangenen Jahren nurVerluste erzielt und nur in Wertpapiere investiert. Z. T. sei unklar, woher dieVerluste stammten.23


a) Zusammenfassung des UrteilsVorlagefrage• Das portugiesische Gericht legte dem EuGH im Wesentlichen folgendeFrage zur Vorabentscheidung vor:• Ist Art. 11 Abs. 1 Buchst. a) der Fusions-RL a. F. dahingehend auszulegen,dass eine Fusion zwischen zwei Gesellschaften des selben Konzerns als imSinne dieser RL auf „vernünftigen wirtschaftlichen Gründen“ angesehenwerden kann, wenn sie- eine positive Wirkung auf die Strukturkosten dieses Konzerns hat,- auch wenn die aufgenommene Gesellschaft keine Tätigkeit entfaltet, keineBeteiligung hält und- der aufnehmenden Gesellschaft nur hohe Verluste überträgt?24


a) Zusammenfassung des UrteilsEntscheidung des EuGH• Die Mitgliedstaaten können die Verlustübertragung untersagen, wenn keine(außersteuerlichen) wirtschaftlichen Gründe für die Umstrukturierung vorliegen.• Die Beurteilung muss anhand einer Gesamtschau bezogen auf jedenEinzelfall stattfinden; eine generelle [typisierende] Vorschrift, die bestimmteGruppen <strong>von</strong> Vorgängen unabhängig da<strong>von</strong>, ob eine Steuerumgehungvorliegt, <strong>von</strong> Steuervergünstigungen ausschließt, ist mit der Fusions-RL nichtvereinbar.• Allein das Streben nach einem steuerlichen Vorteil ist nicht hinreichend.• Die positive Wirkung auf die Strukturkosten des Konzerns reicht allein nichtzwingend zur Rechtfertigung aus, denn diese Kostenvorteile sind jederkonzerninternen Umstrukturierung immanent.• Dies gilt insb., wenn die Senkung der Strukturkosten im Vergleich zu densteuerlichen Vorteilen nur <strong>von</strong> nebensächlicher Bedeutung ist.• Art. 11 Abs. 1 Buchst. a) Fusions-RL spiegelt den allgemeinen Grundsatz desUnionsrechts wider, wonach Rechtsmissbrauch verboten sei. Die Anwendungder Unionsvorschriften dürfe nicht zu einem Schutz missbräuchlicher Praktikenführen.25


a) Zusammenfassung des UrteilsFolgerungen für das deutsche Recht• Die Entscheidung ist nicht unmittelbar auf das deutsche Recht übertragbar.• Das deutsche Umwandlungsrecht enthält anders als das portugiesischeUmwandlungsrecht keine Verweisungen auf Begriffe der Fusions-RL.• RL gelten im Grds. nur innerstaatlich, wenn der nationale Gesetzgeber sieinnerstaatlich umgesetzt hat; im Falle einer ungenügenden Umsetzung kannes jedoch zu einer <strong>Dr</strong>ittwirkung kommen.• Bei Verschmelzungen und Spaltungen gehen nach dt. Recht Verluste nichtauf den übernehmenden Rechtsträger über (vgl. § 12 Abs. 3 S. 1 i. V. m. § 4Abs. 2 S. 2 UmwStG).• Mittelbarer Einfluss auf die Auslegung nationaler Missbrauchsnormen istdenkbar, bspw.• § 42 Abs. 2 AO („außersteuerliche Gründe“)• § 50d Abs. 3 S. 1 Nr. 1 EStG („wirtschaftliche Gründe“)26


) Mögliche Auswirkungen der aktuellen Entwicklungen• Der EuGH geht da<strong>von</strong> aus, dass Umstrukturierenden die latente Gefahr bergen,missbräuchlich zu sein.• Wirtschaftliche Gründe sollten daher sorgfältig dokumentiert werden, umentsprechende Vorwürfe der Finanzbehörden entkräften zu können.• Allerdings wirft die Entscheidung unionsrechtliche Zweifel an typisierendenMissbrauchsvorschriften im deutschen Steuerrecht auf, bspw.• § 8c KStG, § 15 Abs. 2, 3 UmwStG, § 22 Abs. 1, 2 UmwStG, § 4h EStG• Sind die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Normen erfüllt, bleibt keinRaum für einen Entlastungsbeweis. Nach Ansicht des EuGH ist jedoch stetseine Einzelfallprüfung erforderlich, bestimmte Vorgänge dürfen nicht unterden Generalverdacht der Missbräuchlichkeit gestellt werden.• Wenn automatisch ein Steuervorteil ausgeschlossen wird „ginge [das]nämlich über das zur Verhinderung <strong>von</strong> Steuerhinterziehung und -umgehunghinaus und beeinträchtigte das mit der Richtlinie 90/434 verfolgte Ziel“hinaus.27


c) Bewertung• EuGH wirft Zweifel an der unionsrechtlichen Zulässigkeit typisierterMissbrauchsvorschriften auf.• Der Gesetzgeber sollte dies zum Anlass nehmen, die bisherige Praxis derMissbrauchsgesetzgebung zu überdenken.• Jedenfalls sollten in allen typisierten MissbrauchsvorschriftenEntlastungsbeweise ermöglicht werden.• Auf der anderen Seite macht der EuGH klar, dass Gestaltungen, die in ersterLinie steuergetrieben sind, bei der also wirtschaftliche Gründe völlignebensächlich sind, keine Privilegierungen verdienen.• Jedoch müssen klare Tatbestandsvoraussetzungen formuliert werden, die<strong>von</strong> der Finanzverwaltung zu akzeptieren sind (wenn nicht durch denGesetzgeber, dann durch Gerichte).• Anderenfalls ist Steuerberatung und -planung nur schwer möglich.• Planungssicherheit ist angesichts hoher Steuerlast u. U. für denwirtschaftlichen Bestand <strong>von</strong> Unternehmen maßgeblich.28


4. Der Gesamtplan als Rechts- undGestaltungsmissbrauchFreshfields Bruckhaus Deringer LLP


a) Darstellung des Gesamtplankonzepts• Das Argumentationsmuster des Gesamtplans dient dazu, eine Mehrzahl <strong>von</strong>Rechtsgeschäften, die in einem zeitlichen und sachlichen Zusammenhangstehen, zu einem wirtschaftlich einheitlichen Vorgang zusammenzufassen.• Das Gesamtergebnis wird als einheitlicher Vorgang unter einenSteuertatbestand subsumiert.• Gesamtplan-Rspr. hat Überschneidungen zu § 42 AO, kann aber auchzugunsten des Steuerpflichten angewandt werden.• In folgenden Zusammenhängen wird der Rückgriff auf Gesamtpläne u. a.diskutiert:• Gewährung der Tarifvergünstigung gem. §§ 16, 34 EStG bei Veräußerung<strong>von</strong> Mitunternehmeranteilen• Auslagerung wesentlicher Betriebsgrundlagen im Vorfeld einerEinbringung/Umwandlung nach §§ 20, 24 UmwStG• Besteuerung <strong>von</strong> Private Equity-Modellen30


a) Darstellung des GesamtplankonzeptsDer Gesamtplan (Dogmatische Grundlagen)• Dogmatische Grundlagen der Gesamtplan-Rspr. sind bisher ungeklärt:• z. T. wird der Gesamtplan als besonderer Anwendungsfall des § 42 AOqualifiziert (so wohl die Mehrzahl der BFH-Senate)• z. T. wird der Gesamtplan als Mittel teleologischer Auslegung <strong>von</strong>Steuerrechtsnormen interpretiert (wirtschaftliche Betrachtungsweise)• die Beantwortung dieser Frage hängt auch <strong>von</strong> der Einordnung <strong>von</strong> § 42 AOab („Außentheorie“ vs. „Innentheorie“).- Außentheorie: § 42 AO ist Auffangtatbestand und deshalb mitTatbestandsvoraussetzungen und Rechtsfolge ernst zu nehmen. EineAnwendung setzt stets die Erfüllung des Tatbestandes voraus.- Innentheorie: § 42 AO ist kein eigener Tatbestand, die Verhinderung <strong>von</strong>Missbräuchen erfolgt durch Auslegung der betreffenden Steuernormenselbst.31


a) Darstellung des GesamtplankonzeptsDer Gesamtplan (Dogmatische Grundlagen)• Die dogmatische Einordnung hat für die Anwendung des Gesamtplans –entgegen anderslautender Stimmen – praktische Relevanz:• Wird er als Spezialfall des § 42 AO betrachtet, müssen dieTatbestandsmerkmale <strong>von</strong> § 42 AO erfüllt sein.• Anderenfalls sind die Tatbestandsmerkmale <strong>von</strong> § 42 AO nicht zwingend zuerfüllen.32


a) Darstellung des GesamtplankonzeptsDer Gesamtplan (Voraussetzungen)• Über die Voraussetzungen scheint jedoch weitgehende Einigkeit zu herrschen.Die Annahme eines Gesamtplan erfordert• das Vorhandensein eines vorhergingen, zielgerichteten Plans desSteuerpfl. der alle für die Erreichung des Endziels wesentlichen Teilschritteumfasst,• mit dem nach dem letzten Teilschritt ein bestimmter Zustand herbeigeführtwerden soll, hinsichtlich dessen die einzelnen Teilschritte keineeigenständige, sondern nur dienende Funktion haben,• bei dem sämtliche Teilschritte durch den Steuerpfl. beherrschbar sind• und durch den das geplante Endziel erreicht wird.• Die subjektiven Tatbestandsmerkmale sind lt. BFH anhand <strong>von</strong> Indizien zubeurteilen.• Besondere Bedeutung kommt dem sachlichen und zeitlichen Zusammenhangzwischen den Teilschritten zu.• Eine Entlastungsmöglichkeit wg. wirtschaftlicher Gründe wird derzeit nichtausdrücklich genannt.33


) Mögliche Auswirkungen der aktuellen Entwicklungen• Die Anwendung des Gesamtplans setzt stets einen mehraktigen Plan voraus.• Insbesondere bei komplizierten Akquisitionen und Umstrukturierungen sindregelmäßig sehr detaillierte steuerliche Planungen notwendig, um steuerlicheFaktoren, die nicht selten mit ausschlaggebend sind, angemessenberücksichtigen zu können.• Dies gilt besonders im Private Equity-Bereich mit mittelfristigemInvestitionshorizont der Gesetzgeber begünstigt durch tatbestandlicheDifferenzierungen solche Gestaltungen und setzt z. T. Anreize.• Beispiel: Leverage-Buy-Out-Transaktionen (LBO)• Insbesondere kommt dem sachlichen und zeitlichen Zusammenhang dereinzelnen Teilschritte große Bedeutung zu. An dieser Stelle sind allerdings dieTatbestandsvoraussetzungen weitgehend ungeklärt.• Bestrebungen in der Verwaltung, die Gesamtplan-Regelungen extensivanwenden zu wollen, sorgen in diesem Bereich für große Unsicherheit.• Vorausschauende Gestaltungsberatung ist vor diesem Hintergrund nur bedingtmöglich.34


c) Bewertung• Gesamtplan sollte gesetzlich normiert werden.• Klare Tatbestandsvoraussetzungen, insbesondere hinsichtlich des „zeitlichenZusammenhangs“ bedeuten Rechtssicherheit.• Die spezialgesetzlichen Wertungen dürfen nicht durch eine extensiveAnwendung der bisherigen Gesamtplan-Grds. unterlaufen werden.35


5. FazitFreshfields Bruckhaus Deringer LLP


5. Fazit• Finanzverwaltung und Rspr. müssen sich im Hinblick auf Rechtssicherheit undVorbehalt des Gesetzes entscheiden:• Entweder spezialgesetzliche Missbrauchsvermeidung, deren gesetzlicheWertungen akzeptiert werden, oder• Generalklausel, die aber einer (richterrechtlichen) tatbestandlichenKonkretisierung bedarf.• Generalklausel als rückwärtige Auffanglinie ist nicht akzeptabel.• Im Rahmen spezialgesetzlicher Missbrauchsvermeidung sollte zunehmend dieMöglichkeit eines Entlastungsbeweises aufgenommen werden.• Dies ermöglicht wirtschaftlich sinnvolle Umstrukturieren, ohne Potential fürmissbräuchliche Gestaltungen zu eröffnen.• So können Vorgaben des Europa-Rechts eingehalten werden.• Dies dient dem allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz.37


Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!Diese Informationen sind nicht als umfassende Darstellung gedacht und können eine individuelleRechtsberatung nicht ersetzen.© Freshfields Bruckhaus Deringer LLP 201238

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