Atmosphäre und Gebirge – - DMG
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promet, Jahrg. 32, Nr. 1/2, 2006 G. Mayr, A. Gohm: Schnelle Strömungen durch Gebirgseinschnitte<br />
15<br />
Grenzschichten in Verbindung mit der Seichtheit der<br />
Strömung beeinflussen diese durch die Verringerung<br />
der kinetischen Energie wesentlich. Entlang der seitlichen<br />
Ränder wird Vorticity von entgegengesetztem<br />
Vorzeichen erzeugt: zyklonale am (stromabwärts<br />
schauend) linken <strong>und</strong> antizyklonale am rechten Rand.<br />
Man erhält Streifen von potentieller Vorticity, deren<br />
Magnitude um ein Vielfaches höher ist als in der Stratosphäre<br />
<strong>und</strong> durchaus 50 PVU erreichen kann. Nicht<br />
nur die Grenzschicht, sondern auch die <strong>Atmosphäre</strong>nsprünge<br />
sind turbulent <strong>und</strong> Quellgebiete von potentieller<br />
Vorticity.<br />
Reibung spielt auch eine Rolle, wenn die Stromlinien<br />
nicht mehr dem Gelände zu folgen vermögen <strong>und</strong> sich<br />
von diesem lösen („Strömungsablösung“). Schießt eine<br />
Strömung überkritisch einen (steilen) Hang hinunter,<br />
liegt außerhalb dieser schießenden Schicht auf gleicher<br />
Höhe etwas weiter stromabwärts (potentiell) kältere<br />
Luft mit höherem Druck. Die daraus entstehende<br />
Druckgradientkraft trägt zur Strömungsablösung bei.<br />
Je stärker die Reibung, desto weiter oben am Hang löst<br />
sich die Strömung ab. Ein weiterer Faktor ist die im<br />
Lee in Bodennähe liegende Luftmasse. Ist sie sehr kalt,<br />
z. B. durch nächtliche Auskühlung, so wird sich die<br />
schießende Strömung auch vom Hang lösen <strong>und</strong> darüber<br />
hinweggleiten.<br />
Durch Strömungsablösung ist es am Talboden oft ruhig,<br />
während etwas oberhalb der Föhn bläst. Abb. 2-5<br />
zeigt ein Beispiel am Ostrand des Wipptals (mit höherer<br />
Topographie als über Talmitte) bei der Einmündung<br />
ins quergelegenen Inntal. Die Daten stammen<br />
von einem flugzeuggetragenen Aerosollidar. Die Einschnittströmung<br />
(rot) hat im Gegensatz zur darüber<br />
liegenden Luft (blau) einen deutlich höheren Aerosolgehalt.<br />
Die zuerst relativ dicke <strong>und</strong> langsame Strömung<br />
beschleunigt schon etwas vor dem Berggipfel<br />
(PAK) so stark, dass sie nur mehr wenige h<strong>und</strong>ert Meter<br />
dünn den Leehang hinunter schießt <strong>und</strong> bei etwa<br />
9 km sich mit einem <strong>Atmosphäre</strong>nsprung vom Hang<br />
ablöst. Die hohe Turbulenz im Sprung mischt darüber<br />
liegende Luft ein (gelbe <strong>und</strong> grüne Falschfarben). Die<br />
Luft mit dem hohen Aerosolgehalt im Inntal (IBK) ist<br />
Föhnluft aus dem Wipptal, die an der Nordkette (NK)<br />
abgelenkt wurde.<br />
2.3 Grenzen des Hydraulikkonzepts<br />
Für eine exakte Anwendbarkeit des hydraulischen<br />
Konzepts muss die fließende Schicht homogen sein,<br />
d. h. neutral geschichtet sein <strong>und</strong> nur einen Dichtebzw.<br />
potentiellen Temperaturwert aufweisen <strong>und</strong> von<br />
der benachbarten Schicht durch eine Dichte“stufe“ getrennt<br />
sein. Das Fehlen dieser „Stufe“ in der potentiellen<br />
Temperatur ist die häufigste Ursache, wieso das<br />
Hydraulikkonzept nicht angewandt werden kann, weil<br />
dann keine Entkoppelung zur darüber liegenden <strong>Atmosphäre</strong><br />
gegeben ist. Dass eine Einschnittströmung<br />
Seehöhe in km<br />
in den seltensten Fällen neutral, sondern kontinuierlich<br />
stabil geschichtet ist, beeinträchtigt die Anwendbarkeit<br />
des Hydraulikkonzepts weniger.<br />
Für Strömungen, die in der Vertikalen nicht weit über<br />
den Gebirgskamm reichen, also hauptsächlich auf die<br />
Einschnitte beschränkt sind, funktioniert die hydraulische<br />
Theorie gut. Ein Beispiel dafür ist der seichte<br />
Föhn. Fließt Luft bis weit oberhalb des Gebirgskamms<br />
über das Hindernis wie beim hochreichenden Föhn, ist<br />
die hydraulische Theorie auch wegen des Fehlens der<br />
stabilen Stufe am Oberrand nur mehr bedingt anwendbar<br />
<strong>und</strong> als Konzeptmodell eignet sich die linearisierte<br />
Schwerewellentheorie besser.<br />
3 Vorhersage<br />
Relative Rückstreuung<br />
(in dB bei 532 nm)<br />
Entfernung in km<br />
Breite/Länge in Grad<br />
Abb. 2-5: Vertikalschnitt der Rückstreuintensität entlang des<br />
östlichen Wipptalrandes vom 20.10.1999, 13:50 - 13:53<br />
UTC, gemessen von einem flugzeuggestützten Aerosollidar.<br />
Die Strömung läuft dabei von links nach<br />
rechts. Rot: Einschnittströmung mit hohem Aerosolgehalt,<br />
blau: darüber liegenden <strong>Atmosphäre</strong>. Der weiße<br />
Balken kommt daher, dass dort der Laserstrahl<br />
von einer Wolke blockiert wurde. Weitere Einzelheiten<br />
im Text (aus GOHM <strong>und</strong> MAYR 2004).<br />
In den Alpen, aber auch in anderen Gebirgszügen sind<br />
Gebirgseinschnitte meist besiedelt. In Verbindung mit<br />
ihrem häufigen Auftreten stellen schnelle Strömungen<br />
durch Einschnitte eine kleinräumige Vorhersageherausforderung<br />
dar. Im Wipptal zum Beispiel gab es<br />
während der 70tägigen Feldmesskampagne von MAP<br />
im Herbst 1999 an manchen Orten bis zu etwa 1/3 der<br />
Zeit Föhn (= schnelle Einschnittströmungen). Für den<br />
Meteorologen ist es wichtig zu erkennen, wann die Bedingungen<br />
für eine Einschnittströmung gegeben sind.<br />
Die konkrete Beschreibung erfolgt zwar für die Brennersenke,<br />
lässt sich aber leicht an den jeweiligen Einschnitt<br />
in den Alpen bzw. anderen Gebirgszügen anpassen.