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Aktuelle Rechtsprechung zum Recht der Fahrerlaubnisse - SVR

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A U F S ÄT Z E | Geiger, <strong>Aktuelle</strong> <strong><strong>Recht</strong>sprechung</strong> <strong>zum</strong> <strong>Recht</strong> <strong>der</strong> <strong>Fahrerlaubnisse</strong>III. <strong><strong>Recht</strong>sprechung</strong> <strong>zum</strong> Drogenkonsum1. Harte DrogenDie Regelungen <strong>der</strong> Fahrerlaubnis-Verordnung sind vor allemin Bezug auf Drogenauffällige unübersichtlich und erschwereneinen rechtmäßigen Vollzug. 16 Im Hinblick auf die sogenanntenharten Drogen – das sind nach Nr. 9.1 <strong>der</strong> Anlage 4 zur FeVim Wesentlichen 17 alle Betäubungsmittel, die unter das Betäubungsmittelgesetzfallen mit Ausnahme von Cannabis – ist die<strong>Recht</strong>slage hinreichend klar. Nach Nr. 9.1 <strong>der</strong> Anlage 4 zur FeVliegt Fahrungeeignetheit bei <strong>der</strong> – nachgewiesenen – Einnahmedieser Stoffe vor; ausreichend ist ein einmaliger Konsum. 18Etwas an<strong>der</strong>es mag gelten, wenn feststeht, dass lediglich eineexperimentelle Einnahme vorgelegen hat und weiterer Konsumausgeschlossen werden kann. Ob <strong>der</strong> Betreffende dasRauschmittel tatsächlich zu sich genommen hat, kann im Einzelfallaber durchaus Probleme aufwerfen. Regelmäßig wird<strong>der</strong> Nachweis <strong>der</strong> Wirkstoffe durch Untersuchung von Urin,Blut und Haaren geführt werden können. Nicht notwendigist, dass <strong>der</strong> Betreffende unter dem Einfluss dieser Drogen amStraßenverkehr teilgenommen hat; insoweit ist <strong>der</strong> Wortlautdes Gesetzes eindeutig. In diesen Fällen bedarf es auch keinerweitergehenden Aufklärungsmaßnahme etwa durch Anordnungzur Beibringung eines ärztlichen o<strong>der</strong> medizinisch-psychologischenGutachtens. Hier kann nach § 11 Abs. 7 FeV unmittelbardie Fahrerlaubnis entzogen werden. Es gibt jedochFallgestaltungen, bei denen im Blut Wirkstoffe o<strong>der</strong> Abbauproduktefestgestellt wurden, <strong>der</strong> Betreffende aber vorträgt, dieseseien auf „legale Weise“ entstanden. So wird im verkehrsmedizinischenSchrifttum berichtet, dass nach dem Konsum vonMohnprodukten im Blut Morphin und Codein nachgewiesenwurden. 19 Im Hinblick darauf, dass <strong>der</strong> Nachweis im Regelfallnur etwa 4 Stunden nach dem Genuss mohnhaltiger Lebensmittelmöglich ist und außerdem stark morphinhaltige Mohnsamenin Deutschland kaum erhältlich sind, wird das in <strong>der</strong>Praxis kaum relevant sein.Für den Fall, dass früherer Konsum von Drogen festgestelltwurde, ohne dass Abhängigkeit vorlag, in <strong>der</strong> Zwischenzeitaber Abstinenz behauptet wird, enthält § 14 Abs. 2 Nr. 2 FeVeine Son<strong>der</strong>regelung. Sie gilt im Wesentlichen nur für harteDrogen, für Cannabis nur bei regelmäßigem, nicht aber bei gelegentlichemKonsum. 20 Das Gesetz gibt nur für Abhängigkeitvon Rauschmitteln einen Hinweis auf die Mindestzeitraum,<strong>der</strong> verstrichen sein muss, um überhaupt die Fahreignung wie<strong>der</strong>erlangenzu können; Nr. 9.5 <strong>der</strong> Anlage 4 zur FeV schreibthierfür ein Jahr nach Entgiftung und Entwöhnung vor. Die<strong><strong>Recht</strong>sprechung</strong> wendet diese Frist auch für Fälle des missbräuchlichenKonsums von Drogen einschließlich Cannabisan. 21 Ob bei weiter zurückliegendem Konsum noch Aufklärungsmaßnahmenveranlasst sind, lässt sich nicht nach festenFristen entscheiden. Es sind vielmehr die Umstände desEinzelfalls maßgeblich. Der nachgewiesene Rauschmittelmissbrauchmuss nach seinem Gewicht und unter zeitlichenGesichtspunkten noch geeignet sein, die Kraftfahreignung inFrage zu stellen. 22 Kriterien hierfür sind insbeson<strong>der</strong>e Art undDauer des Konsums sowie das Suchtpotential <strong>der</strong> Droge. Danachkann auch eine länger zurückliegende DrogeneinnahmeAnlass sein, ein medizinisch-psychologisches Gutachten ein-zuholen. Dass dieses nur dann positiv sein kann, wenn die Abstinenzstabil ist, ist unabdingbare Voraussetzung.2. CannabisBei Cannabis ist die <strong>Recht</strong>slage ungleich verworrener. Zumeinen liegt das an einer nicht vollständigen Kongruenz vonFahrerlaubnisverordnung und <strong>der</strong>en Anlage 4. § 14 Abs. 1 S. 1Nr. 2 FeV spricht ganz allgemein von einer Einnahme von Betäubungsmittelnim Sinne des Betäubungsgesetzes und unterscheidetnicht zwischen harten Drogen und Cannabis. Nimmtman die Bestimmung ernst, müsste bei Vorliegen tatsächlicherHinweise auf jede Art von Drogenkonsum, also auch vonCannabis, ein medizinisches Gutachten angefor<strong>der</strong>t werden.Ähnliches gilt für § 14 Abs. 1 S. 2 FeV, <strong>der</strong> – undifferenziert– bei Drogenbesitz die Anfor<strong>der</strong>ung eines Facharztgutachtenserlaubt. Dagegen steht aber § 14 Abs. 1 S. 4 FeV, <strong>der</strong> bei gelegentlicherEinnahme von Cannabis und Vorliegen weitererTatsachen <strong>der</strong> Behörde die Möglichkeit einräumt, sich einmedizinisch-psychologisches Gutachten vorlegen zu lassen.Nr. 9.2.1 <strong>der</strong> Anlage 4 zur FeV sieht bei regelmäßigem Konsumvon Cannabis Fahrungeeignetheit als gegeben an, während beinur gelegentlicher Einnahme diese <strong>Recht</strong>sfolge nur eintritt,wenn weitere Tatsachen hinzukommen. Der nur gelegentlicheKonsum ist danach fahrerlaubnisrechtlich ohne Belang.Auflösen kann man dieses Regelungsgeflecht nur anhand einerteleologischen – o<strong>der</strong> besser berichtigenden – Auslegung.Gelegentlicher Cannabiskonsum ist – wie erwähnt – ohne Relevanz.Das führt dazu, dass § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 FeV nur beiHinweisen auf regelmäßigen Cannabiskonsum anwendbar ist.Besitz von Cannabis erlaubt die Anfor<strong>der</strong>ung eines ärztlichenGutachtens nur dann, wenn die Umstände des Falles den Verdachtaufdrängen, die Droge werde regelmäßig konsumiert.Das Gutachten darf dann nur mit <strong>der</strong> Fragestellung in Auftraggegeben werden, ob <strong>der</strong> Betreffende in diesem Umfang Cannabiszu sich nimmt. Gleiches gilt für den Besitz von Cannabis.Bei Hinweisen auf nur gelegentlichen Cannabiskonsum ist § 14Abs. 1 S. 4 FeV lex specialis zu den vorgenannten Bestimmungen.23 Hier sind Aufklärungsmaßnahmen nur zulässig, wennweitere Tatsachen vorliegen. Weiter erschwert wird <strong>der</strong> Vollzugdadurch, dass <strong>der</strong> Verordnungsgeber unbestimmte <strong>Recht</strong>sbegriffeverwendet, <strong>der</strong>en Bandbreite recht groß ist. In <strong>der</strong> <strong><strong>Recht</strong>sprechung</strong>ist weitgehend geklärt, dass regelmäßiger Konsum16 Hierzu ausführlich Zwerger, Erschwerter <strong>Recht</strong>sschutz durch Regelungsdefizitein <strong>der</strong> Fahrerlaubnis-Verordnung, insbeson<strong>der</strong>e bei Drogenauffälligkeitzfs 2006, 362.17 Zu einer Ausnahme vgl. Geiger, <strong>Aktuelle</strong> <strong><strong>Recht</strong>sprechung</strong> <strong>zum</strong> FahrerlaubnisrechtDAR 2004, 690/695 sowie VG Stuttgart, B. v. 20. 6. 2003 – 10 K 3079/03[Vensa]: Kath.18 OVG Rheinland-Pfalz v. 21. 11, 2000 DAR 2001, 183 = BA 2003, 71; OVG Lüneburgv. 14. 8. 2002 DAR 2002, 471; vgl. auch Zwerger, <strong>Recht</strong>sfragen beimEntzug <strong>der</strong> Fahrerlaubnis bei Drogenauffälligkeit, DAR 2005, 431/433.19 Westphal e.a., Morphin und Codein im Blut nach Genuss von Mohnsamen,BA 2006, 14.20 Driehaus, Die Anordnung eines medizinisch-psychologischen Gutachtensbei <strong>der</strong> Entziehung <strong>der</strong> Fahrerlaubnis wegen Drogenauffälligkeit, DAR 2006,7/8.21 BayVGH B. v. 3. 2. 2004 – 11 CS 04.157; B. v. 14. 5. 2003 – 11 CS 03.924 [soweitersichtlich nicht veröffentlicht].22 BVerwG v. 9. 6. 2005 DAR 2005, 431 = DVBl 2005, 1337.23 VG Braunschweig B. v. 8. 6. 2004 – 6 B 229/04 [<strong><strong>Recht</strong>sprechung</strong>sdatenbankNie<strong>der</strong>sachsen]; VG Augsburg v. 26. 9. 2001 NZV 2002, 291/292; Geiger; <strong>Aktuelle</strong><strong><strong>Recht</strong>sprechung</strong> <strong>zum</strong> Fahrerlaubnisrecht DAR 2004, 690/693 m.w.N.;a.A. VGH Baden-Württemberg, v. 4. 7. 2004 DAR 2004, 113; VG Augsburg, B.v. 25. 5. 2005 – Au 3 S 05.413 [soweit ersichtlich nicht veröffentlicht].40 4 | S VR 11/2006


Geiger, <strong>Aktuelle</strong> <strong><strong>Recht</strong>sprechung</strong> <strong>zum</strong> <strong>Recht</strong> <strong>der</strong> <strong>Fahrerlaubnisse</strong> | A U F S ÄT Z Eein solcher ist, <strong>der</strong> täglich o<strong>der</strong> fast täglich stattfindet. 24 ImSchrifttum und <strong>der</strong> früheren <strong><strong>Recht</strong>sprechung</strong> 25 gibt es dagegenauch an<strong>der</strong>e Definitionen. So wird insbeson<strong>der</strong>e geltendgemacht, dass auch <strong>der</strong> gewohnheitsmäßige Gebrauch vonCannabis darunter fällt. 26 Das ist anzunehmen, wenn sich <strong>der</strong>Drang, Cannabis zu konsumieren, so verselbständigt hat, dasseine willentliche Entscheidung darüber, ob ein Joint gerauchtwird, praktisch nicht mehr stattfindet. Was gelegentlicher Konsumist, regelt das Gesetz nicht. Maßgeblich für die Auslegungeines vom Normgeber verwendeten Wortes ist grundsätzlichdie Bedeutung dieses Wortes im allgemeinen Sprachgebrauch.In <strong>der</strong> deutschen Sprache wird „gelegentlich“ – soll die Häufigkeitvon Geschehnissen umschrieben werden – im Sinnevon „manchmal“, „häufiger, aber nicht regelmäßig“, „öfters“,„hin und wie<strong>der</strong>“ o<strong>der</strong> „ab und zu“ verstanden und dient damitzur Beschreibung eines mehr als ein Mal eingetretenen Ereignisses.Anhaltspunkte, dass <strong>der</strong> Verordnungsgeber das Wort„gelegentlich“ in einem an<strong>der</strong>en Sinn verstanden wissen will,sind nicht ersichtlich. Auch die Begründung zu § 14 FeV 27 lässtnicht darauf schließen, dass <strong>der</strong> Verordnungsgeber im Wi<strong>der</strong>spruch<strong>zum</strong> allgemeinen Sprachgebrauch davon ausgegangenwäre, auch ein einmaliger Konsum von Cannabis erfülle dasMerkmal <strong>der</strong> gelegentlichen Einnahme. 28 Richtigerweise wirdman das verneinen müssen. Gelegentlicher Konsum ist demnachein solcher, <strong>der</strong> hinter dem regelmäßigen zurück bleibt,aber häufiger als einmal stattgefunden hat. 29Bei <strong>der</strong> Entscheidung über die Frage, ob regelmäßiger o<strong>der</strong> gelegentlicherKonsum vorliegt sowie darüber, ob bei gelegentlicherEinnahme das erfor<strong>der</strong>liche Trennverhalten vorliegt, hatman sich bisher relativ zuverlässig auf bestimmte Laborwerteverlassen können. Insbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> Run<strong>der</strong>lass des Ministeriumsfür Wirtschaft und Mittelstand des Landes Nordrhein-Westfalen vom 10. Juni 1999 30 gibt hierfür Hinweise. Dabeiwird nicht auf den Nachweis des Wirkstoffs THC 31 abgestellt,son<strong>der</strong>n auf den Metaboliten THC-COOH. 32 Ein Wert vonweniger als 5 ng/ml THC-COOH im Serum wurde als Belegfür einmaligen Konsum o<strong>der</strong> als Verdacht auf gelegentlichenKonsum (bei Verkehrsteilnahme) gewertet. Dieser Wert ist jedochnicht mehr unumstritten. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshofhat zwischenzeitlich aufgrund von neueren naturwissenschaftlichenErkenntnissen diesen Wert jedenfallsdann verdoppelt, wenn die Blutabnahme in unmittelbaremzeitlichen Zusammenhang mit <strong>der</strong> Verkehrsteilnahme erfolgtist. 33 Dabei wird berücksichtigt, dass die mittlere Eliminationshalbwertszeitfür THC-COOH bei etwa 6 Tagen liegt. 34 Beieiner Blutabnahme, die in engem zeitlichen Zusammenhangmit <strong>der</strong> Fahrt unter Cannabiseinfluss erfolgt, muss die dannfestzustellende THC-COOH-Konzentration etwa doppeltso hoch sein, als wenn <strong>der</strong> Betreffende die Möglichkeit hatte,durch strikte Cannabisabstinenz während des ansonstenetwa einwöchigen Zeitraums zwischen <strong>der</strong> Anordnung und<strong>der</strong> Durchführung <strong>der</strong> Blutuntersuchung – <strong>der</strong> von den Verfasserndes Run<strong>der</strong>lasses offenbar angenommen wird – dieKonzentration dieses Metaboliten entsprechend zu senken.Der Run<strong>der</strong>lass geht weiterhin davon aus, dass bei einem Wertvon mehr als 5 ng/ml und weniger als 75 ng/ml THC-COOHim Blut gelegentlicher Konsum bewiesen sei und <strong>der</strong> Verdachtauf regelmäßige Einnahme bestehe. Im Bereich zwischen 75ng/ml und 150 ng/ml THC-COOH soll regelmäßiger Konsumanzunehmen sein. Während die <strong><strong>Recht</strong>sprechung</strong> das früherakzeptiert hatte, 35 wird die Sache zwischenzeitlich etwas differenziertergesehen. Ausgehend von <strong>der</strong> vorstehend skizziertenErkenntnis, dass <strong>der</strong> Run<strong>der</strong>lass von einer deutlich nachKonsumende genommenen Blutprobe ausgeht, 36 wird manfür eine spontan – also zeitnah – gewonnene Probe den Wertverdoppeln müssen. Ab einem THC-COOH-Wert von mehralso 150 ng/ml ist danach <strong>der</strong> Nachweis für regelmäßige Einnahmevon Cannabis geführt. 37 Der Bereich zwischen 5 ng/mlund 75 ng/ml THC-COOH ist nach <strong>der</strong>zeitiger Erkenntnislagenicht – mehr – geeignet, gelegentlichen Konsum als gegebenanzusehen. Aufgrund einer Beweisaufnahme ist <strong>der</strong> BayerischeVerwaltungsgerichtshof zu dem Ergebnis gekommen, dass eineKonzentration von 31 ng/ml auch bei nur einmaligen Konsumnicht ausgeschlossen werden könne 38 Zwischenzeitlich istauch <strong>der</strong> Bereich von 75 ng/ml bis 100 ng/ml nicht mehr „gerichtsfest“.Neuere Untersuchungen haben nämlich ergeben,dass auch bei einmaligem Konsum eine THC-COOH-Konzentrationvon bis zu 100 ng/ml im Serum auftreten kann. 39 Dasbedeutet, dass die Annahme eines gelegentlichen Konsumsohne weitere Aufklärungsmaßnahmen erst bei einem Wertvon mehr als 100 ng/ml gerechtfertigt ist. 40Ist gelegentlicher Konsum festgestellt, bedarf es noch desNachweises von Zusatztatsachen. Die bedeutsamste ist dasmangelnde Trennvermögen zwischen Cannabiskonsum undVerkehrsteilnahme. Auch hierzu kann man auf Laborwertezurückgreifen. Ursprünglich gab es auch insoweit einen als„sicher“ geltenden Bereich. Bei einer gleichzeitigen Feststellungvon THC und THC-COOH war regelmäßig von Fahrungeeignetheitauszugehen. Als Schwellenwerte wurden dabei2,0 ng/ml THC und 10 ng/ml THC-COOH angesehen. 41 In <strong>der</strong>Folgezeit wurden diese Werte teilweise in Frage gestellt; insbeson<strong>der</strong>egibt es Abweichungen nach unten. 42 Danach wird abeinem Wert von 1,0 ng/ml THC im Serum davon ausgegangen,24 So z.B. BayVGH v. 3. 9. 2002 BA 2004, 97; VGH Baden – Württemberg v. 30. 5.2003 NZV 2004, 213.25 Nachweise bei Geiger, <strong>Recht</strong>sschutz gegen Maßnahmen <strong>der</strong> Fahrerlaubnisbehörden,DAR 2001, 488/490.26 Geiger, Fahrerlaubnis und Drogenkonsum NZV 2003, 272/273; so auch VGSaarlouis, v. 7. 6. 2006, zfs 2006, 539.27 BR-Drucks. 443/89, S. 262 ff.28 VGH Baden-Württemberg v. 29. 9. 2003 NZV 2004, 215.29 BayVGH v. 25. 1. 2006 DAR 2006, 349 = zfs 2006, 294; OVG Brandenburg v.13. 12. 2004 BA 2006, 161; a.A. OVG Hamburg v. 23. 6. 2005 NJW 2006, 1367= BA 2006, 165 = zfs 2006, 626.30 Abgedruckt z.B. bei Zwerger, [Fn. 16], DAR 2005, 431/434 sowie Himmelreich,Cannabis-Konsum und seine Folgen für den Führerschein, BA 2002, 26.31 Abkürzung für Tetrahydrocannabiol.32 Tetrahydrocannabiol-Carbonsäure.33 BayVGH B. v. 14. 1. 2005 Az. 11 CS 04.3119 [juris-Nr. BYRE 050200842].34 Vgl. hierzu Daldrup e.a., Entscheidung zwischen einmaligem/gelegentlichemund regelmäßigem Cannabiskonsum BA 2000, 39/44.35 So z.B.noch VG Saarlouis [Fn. 26] zfs 2006, 539.36 Vgl. hierzu auch OVG Münster v. 7. 1. 2003 DAR 2003, 187/188: bis zu 8 Tagenach Auffor<strong>der</strong>ung zur Blutentnahme.37 OVG Lüneburg v. 11. 7. 2003 DAR 2003, 480.38 BayVGH [Fn. 29] DAR 2006, 349 = zfs 2006, 294; a.A. noch BayVGH v. 11.11.2004 <strong>SVR</strong> 2005, 152; B. v. 3. 2. 2004 – 11 CS04.157 [soweit ersichtlich nichtveröffentlicht].39 BayVGH, B. v. 27. 3. 2006 – 11 CS 05.1559 [soweit ersichtlich nicht veröffentlicht].40 VG Stuttgart, B. v. 27. 7. 2006 – 10 K 1946/06; v. 31. 7. 2006 – 10 K 2124/06[Vensa].41 BayVGH v. 14. 10. 2003 BA 2004, 561; VG Augsburg v. 23. 12. 2003 BA 2004,294; vgl. auch Zwerger [Fn. 18] DAR 2005, 431/434.42 VGH Baden-Württemberg v. 27. 3. 2006, <strong>SVR</strong> 06, 433 (in diesem Heft): 1,0ng/ml THC und 10,0 ng/ml THC-COOH; a.A. VG Stuttgart, B. 29. 11. 2005 – 3K 2989/05 [Vensa]; VG Freiburg B. v. 9. 1. 2006 – 1 K 1914/05 [Vensa].S VR 11/2006 | 405


A U F S ÄT Z E | Geiger, <strong>Aktuelle</strong> <strong><strong>Recht</strong>sprechung</strong> <strong>zum</strong> <strong>Recht</strong> <strong>der</strong> <strong>Fahrerlaubnisse</strong>dass <strong>der</strong> Betreffende unter dem Einfluss des Rauschmittels amStraßenverkehr teilgenommen hat. Dabei ist zu beachten, dassdie Nachweisgrenze <strong>der</strong>zeit bei etwa 0,5 ng/ml THC liegt. Dassbei einem solchen Wert eine Ahndung wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeitnicht möglich ist, 43 steht <strong>der</strong> Annahmeeiner cannabisbedingten Beeinträchtigung bei einem Wertvon 1,0 ng/ml nicht entgegen. 44 Es ist ein entscheiden<strong>der</strong> Unterschied,ob ein Verkehrsteilnehmer wegen eines Fehlverhaltensmit einem Bußgeld belegt wird o<strong>der</strong> ob im Rahmen <strong>der</strong>präventiven Gefahrenabwehr Maßnahmen getroffen werden,die auf den Schutz <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Verkehrsteilnehmer abzielen.Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof beruft sich für seineAnsicht, erst ab einem Wert von 2,0 ng/ml THC sei <strong>der</strong> Nachweisfür mangelndes Trennvermögen erbracht, auf das im Beschlussdes Bundesverfassungsgerichts vom 20. Juni 2002 45 zitierteGutachten des Prof. Dr. Krüger vom 15. August 2001, dasallerdings nicht mehr dem aktuellen Stand <strong>der</strong> Wissenschaftentspricht; danach ist für THC-Konzentrationen unter 2,0ng/ml im Blut, insbeson<strong>der</strong>e solchen an <strong>der</strong> Nachweisgrenze(damals 1,0 ng/ml), davon auszugehen, dass keine Risikoerhöhungfür den Straßenverkehr stattfindet. Nach den im Urteildes Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz 46 zitierten Ausführungendes von ihm gehörten Sachverständigen kann <strong>der</strong>zeitim Hinblick auf eine bestimmte Konzentration von THCim Blut kein Grenzwert als wissenschaftlich gesichert angesehenwerden, bei dem von einem Drogeneinfluss ausgegangenwerden kann, durch den die Verkehrssicherheit beeinträchtigtist. Es können jedoch nach dieser Quelle jedenfalls bei einerTHC-Konzentration von 2,0 ng/ml Blut bei ca. 50 % <strong>der</strong> CannabiskonsumentenBeeinträchtigungen festgestellt werden,die negative Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit haben.Hierbei handelt es sich insbeson<strong>der</strong>e um Antriebssteigerungen,die zu einer erhöhten Risikobereitschaft führen, sowie uminadäquate Weitstellung <strong>der</strong> Pupillen, die mit einer Herabsetzung<strong>der</strong> allgemeinen Sehschärfe einhergeht und zusammenmit <strong>der</strong> verzögerten Reaktion auf sich verän<strong>der</strong>nde Lichtverhältnissebei den betroffenen Kraftfahrzeugführern, insbeson<strong>der</strong>ebei Nachtfahrten, zu ausgeprägten Blendeffekten führt.Hieraus lässt sich jedoch nicht sicher schließen, welche Folgenbei Werten von 1,0 ng/ml auftreten. Außerdem gibt esneuere wissenschaftliche Erkenntnisse. Die im Beschluss desBaden-Württembergischen Verwaltungsgerichtshof vom 27.März 2006 47 wie<strong>der</strong>gegebene Studie, die an <strong>der</strong> UniversitätMaastricht erstellt wurde, kommt <strong>zum</strong> Ergebnis, dass auchbei THC-Konzentrationen unter 1,0 ng/ml im Blut noch Störungenim feinmotorischen Bereich feststellbar waren. Die in<strong>der</strong> Fachliteratur veröffentlichten Ergebnisse dieser Studie bestätigendas allerdings nicht. Danach waren bei Messwerten


Müller/Köhler, Gefahrentatbestände als Fehlerquellen in Bußgeldanzeigen | A U F S ÄT Z Egelegentlicher o<strong>der</strong> einmaliger Konsum vorliegt. Bei nachgewiesenemregelmäßigen Konsum wird in <strong>der</strong> Regel unmittelbardie Fahrerlaubnis entzogen werden. Bei THC-COOH-Wertenüber 150 ng/ml bei einer angekündigten Blutprobe dürfte<strong>der</strong> Nachweis erbracht sein; das gilt umso mehr, wenn zugleichTHC im Serum nachgewiesen werden kann. GelegentlicherKonsum ist nur bei Vorliegen weiterer Tatsachen von Bedeutung.Ein THC-COOH-Wert von mehr als 100 ng/ml wird hier-zu grundsätzlich ausreichen. Fehlendes Trennvermögen wirdin jedem Fall dann anzunehmen sein, wenn eine in unmittelbaremAnschluss an die Fahrt abgenommene Blutprobe einenWert von mindestens 2 ng/ml THC enthält. Im Hinblick aufunterschiedliche <strong><strong>Recht</strong>sprechung</strong> für den Bereich zwischen 1und 2 ng/ml ist die Fahrerlaubnisbehörde auf <strong>der</strong> sicheren Seite,wenn sie ein medizinisch-psychologisches Gutachten auf<strong>der</strong> Grundlage von § 14 Abs. 1 S. 4 FeV verlangt.Gefahrentatbestände als Fehlerquellen inBußgeldanzeigenProf. Dr. jur. Dieter Müller und Burkhard Köhler, Bautzen1. EinleitungBei <strong>der</strong> Anwendung <strong>der</strong> Tatbestände des BundeseinheitlichenTatbestandskataloges (BTKat-OWi) kann es durch Auslegungsfehlerdes Gefahrenbegriffes durch die <strong>Recht</strong>sanwen<strong>der</strong> in Polizeiund Bußgeldbehörden zu fehlerhaften Bußgeldbescheidenkommen. Der Erfolg eines durch einen <strong>Recht</strong>sanwalt eingelegtenEinspruchs kann davon abhängen, ob den Sachbearbeiterndie Fehlerquelle deutlich genug dargestellt werden kann. Eineeinheitliche Auslegung an Hand <strong>der</strong> vorgegebenen Kriterien<strong>der</strong> <strong><strong>Recht</strong>sprechung</strong> kann an<strong>der</strong>erseits zukünftigen Fehlern inPolizei und Bußgeldbehörde vorbeugen.2. Problematische Gefahrentatbestände im BT-Kat-OWiIm BTKat-OWi finden sich in zahlreichen Tatbeständen mitden folgenden Formulierungen:■ „… und gefährdeten dadurch an<strong>der</strong>e...“ 1■ „… Verkehrssicherheit wesentlich beeinträchtigt ...“ 2■ „... sie verhielten sich nicht so, ... dass eine Gefährdung ausgeschlossenwar.“ 3Bußgeldbescheide, die ohne eine ausführliche tatsächliche Begründung<strong>der</strong> tatbestandlichen Voraussetzungen erlassen werden,sind <strong>zum</strong>eist rechtsfehlerhaft und können bei einer an dieTatsachenlage angepassten Argumentation im Einspruchsverfahrenzur Einstellung führen.Die Beantwortung <strong>der</strong> Frage, ob nun eine wesentliche Beeinträchtigung<strong>der</strong> Verkehrssicherheit o<strong>der</strong> eine Gefährdungan<strong>der</strong>er vorliegt, soll im Folgenden anhand <strong>der</strong> geltenden,von <strong>der</strong> <strong><strong>Recht</strong>sprechung</strong> entwickelten Gefahrenbegriffe imVerkehrsrecht erläutert werden.3. BTKat-OWi Wortlaut „… und gefährdeten dadurchan<strong>der</strong>e“Die Norm des § 1 Abs. 2 StVO ordnet verbindlich an, dass sichje<strong>der</strong> Verkehrsteilnehmer so zu verhalten hat, dass kein An<strong>der</strong>ergeschädigt, gefährdet o<strong>der</strong> mehr als nach den Umständenunvermeidbar behin<strong>der</strong>t o<strong>der</strong> belästigt wird. Der Gefahrenbegriffi. S. d. § 1 Abs. 2 StVO for<strong>der</strong>t zur Erfüllung des Tatbestandsimmer eine konkrete Gefahr.Gefährdung ist regelmäßig die Herbeiführung eines Zustands,<strong>der</strong> die Besorgnis begründet, eine Schädigung (Verkehrsunfall)stehe unmittelbar bevor. Wenn dem Betroffenen gegenüber imBußgeldverfahren <strong>der</strong> Vorwurf <strong>der</strong> Gefährdung eröffnet wird,dann handelt es sich stets um eine konkrete Gefährdung. 4Keineswegs genügt es in diesen Fällen, wenn <strong>der</strong> Eintritt einesSchadens nur denkbar ist, weil er tatsächlich noch vom ungewissenHinzutreten weiterer Umstände abhängt. In diesen Fällenhandelt es sich regelmäßig um eine abstrakte Gefährdung,die nicht tatbestandsmäßig im Sinne des § 1 Abs. 2 StVO ist.Üblicherweise folgt die <strong>Recht</strong>sauslegung durch Polizeibeamteund Mitarbeiter in Bußgeldbehörden <strong>der</strong> einschlägigen Definition<strong>der</strong> <strong><strong>Recht</strong>sprechung</strong>, wie sie etwa im Kommentar vonHentschel wie<strong>der</strong>gegeben wird. Die Definition lautet danach:„Eine Gefährdung liegt vor, wenn Schaden für Leib o<strong>der</strong> Leben einesan<strong>der</strong>en wahrscheinlich ist und sein Ausbleiben nur vom Zufall abhängt.“5Im Rahmen einer Bußgeldanzeige ist regelmäßig zu ergänzen,dass das Definitionselement „Zufall“ im Zusammenhang miteiner konkreten Gefährdung unbedingt weiterer tatsächlicherErläuterungen bedarf, um eine Anzeige ordnungsgemäß abzufassen.Denn auch bei <strong>der</strong> abstrakten Gefahr hängt ein Schadenseintrittgrundsätzlich vom „Zufall“ ab, nur dass dieserZufall an eine weitere Verkettung von an<strong>der</strong>en tatsächlichenUmständen geknüpft ist und damit quasi einen Zufall zweitenGrades darstellt. Bereits aus diesem Gesichtspunkt ergeben sich1 Beispiel: Tatbestandsnummer (TBNR) 105125, Verstoß gegen § 5 Abs. 4 StVOdurch Gefährden an<strong>der</strong>er beim Wie<strong>der</strong>einordnen nach dem Überholen mit<strong>der</strong> Sanktion eines Verwarnungsgeldes von 30 €.2 Beispiele: TBNR 341600, Verstoß gegen § 41 StVZO durch Führen eines LKWbzw. Omnibusses unter Verstoß gegen eine Vorschrift über Bremsen mitSanktionen Bußgeld 100 €, 3 Punkte im VZR; TBNR 331618, Verstoß gegen§ 31 Abs. 2 StVZO durch Anordnung <strong>der</strong> Inbetriebnahme eines nicht verkehrssicherenLKW bzw. Omnibusses mit den Sanktionen Bußgeld iHv 150 €,3 Punkte im VZR.3 Beispiel: TBNR 102690, Verstoß gegen § 2 Abs. 3a StVO durch Führen eineskennzeichnungspflichtigen Kfz mit gefährlichen Gütern bei Schneeglätteo<strong>der</strong> Glatteis mit den Sanktionen Bußgeld iHV 75 €, 3 Punkte im VZR.4 OLG Köln, DAR 1996, S. 507.5 Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 38. Aufl. § 1 StVO Rn. 35; BayObLG, VRS48, S. 296; OLG Karlsruhe, NZV 1992, S. 248.S VR 11/2006 | 407

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