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Psychoonkologischen Basisdokumentation - Brustkrebs - PO-Bado

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Manual und Interviewleitfadenzur<strong>Psychoonkologischen</strong><strong>Basisdokumentation</strong>- <strong>Brustkrebs</strong> (<strong>PO</strong>-<strong>Bado</strong>-BK) -Arbeitsgruppe <strong>PO</strong>-<strong>Bado</strong> München:Peter HerschbachBirgitt Marten-MittagApril 2007


Arbeitsgruppe <strong>PO</strong>-<strong>Bado</strong> München 2007VorbemerkungDie Psychoonkologische <strong>Basisdokumentation</strong> (<strong>PO</strong>-<strong>Bado</strong>) ist eine Fremdeinschätzungsskalafür das psychosoziale Befinden von Krebspatienten (aller Diagnosen und Stadien). Sie wurdevon der Arbeitsgruppe <strong>PO</strong>-<strong>Bado</strong> 1 mit Unterstützung von DA<strong>PO</strong> (Deutsche Arbeitsgemeinschaftfür Psychoonkologie und PSO (Arbeitsgemeinschaft für Psychoonkologie in der DeutschenKrebsgesellschft), gefördert von der Deutschen Krebshilfe, in den Jahren 2000 bis2006 entwickelt. Die <strong>PO</strong>-<strong>Bado</strong> kann von Ärzten, Psychologen und Krankenpflegekräften benutztwerden, um Art und Ausmaß psychologischer Belastung von Krebspatienten zu dokumentieren,zu kommunizieren, Indikationsentscheidungen zu begründen, therapeutische Interventionenzu evaluieren und Vergleiche mit einer Datenbank von inzwischen 6000 Patientenanzustellen.An Informationsmaterial liegt bisher vor: das <strong>PO</strong>-<strong>Bado</strong>-Manual (incl. Interviewleitfaden) sowiemehrere Publikationen.Die <strong>PO</strong>-<strong>Bado</strong> beschränkt sich aus Gründen der Ökonomie und Praktikabilität auf die für dassubjektive Befinden von Tumorpatienten zentralen Faktoren. Da das Instrument bei allen Tumordiagnosenund Krankheitsstadien eingesetzt werden soll, wurde auf spezifische Krankheitsaspekteverzichtet. Von verschiedenen Seiten (z.B. von in der Zertifizierungsphase befindlichenBrustzentren) wurde jedoch Bedarf für eine standardisierte brustkrebsspezifischepsychosoziale Befunderhebung signalisiert. <strong>Brustkrebs</strong>patientinnen stellen zudem die zahlenmäßiggrößte Gruppe unter den Krebsdiagnosen dar. Daher lag es nahe, dass als erstekrankheitsspezifische Form der <strong>PO</strong>-<strong>Bado</strong> die <strong>PO</strong>-<strong>Bado</strong>-Mamma entwickelt wurde.Die Angaben zur Person (1. Seite der <strong>PO</strong>-<strong>Bado</strong>-BK) wurden gegenüber der Standardversionim wesentlichen beibehalten; Fragen zur Diagnose wurden für Mamma-Ca-Patientinnen angepasst.Die somatischen und psychosozialen Belastungsitems der <strong>PO</strong>-<strong>Bado</strong> wurden ebenfallsbeibehalten und um brustkrebsspezifische Belastungsbereiche erweitert. Diese Entwicklungder <strong>PO</strong>-<strong>Bado</strong>-BK erfolgte in zwei Phasen: die explorative Studienphase sollte dazu dienen,brustkrebsspezifische Belastungsbereiche zu erfassen. In der anschließenden Validierungsstudiewurden diese neuen Belastungsitems psychometrisch überprüft.Im Folgenden wird zunächst eine Anleitung zur Beantwortung der demographischen und medizinischenFragen gegeben. Für die Einschätzung der somatischen und psychischen Belastungsitemsschlagen wir ein halbstandardisiertes Interview vor, das sich bisher als Grund-1 Peter Herschbach, München; Monika Keller, Heidelberg; Gabriele Blettner, Wiesbaden;Erhard Schneider, Wangen; Gerhard Strittmatter, Münster; Andrea Schumacher, Münster;Tobias Brandl, München; Lucie Knight, Heidelberg- 2 -


Arbeitsgruppe <strong>PO</strong>-<strong>Bado</strong> München 2007lage für die Beantwortung der Items bewährt hat. Es wird im 2. Teil beschrieben. Im Anhangbefindet sich das <strong>PO</strong>-<strong>Bado</strong>-BK-Formular.Anleitung zur Einschätzung der einzelnen ItemsSoziodemographische und medizinische Angaben (<strong>PO</strong>-<strong>Bado</strong>, S.1)Mit fester Partnerschaft sind Ehepartner oder andere feste Lebenspartner gemeint. Entscheidendist, ob eine verbindliche, tragfähige Beziehung besteht.Arbeitssituation: Berufstätig umfasst sowohl Vollzeit- als auch Teilzeitarbeitsverhältnisse undauch Selbstständigkeit, aber nicht geringfügige Beschäftigungen oder Aushilfstätigkeiten.Hausarbeit trifft auf Patienten zu, die keiner Berufstätigkeit nachgehen, z.B. Hausfrauen odernicht Erwerbstätige. Krank geschrieben trifft zu, wenn Arbeitsunfähigkeit (bzw. Krankschreibung)vorliegt. Arbeitslos bezieht sich auf Patienten, die Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfebeziehen bzw. die arbeitssuchend sind. Rente umfasst Altersrente und Erwerbsminderungsrente.Lymphknotenbefall: Hier soll angegeben werden, ob die der betroffenen Brust benachbartenaxillären Lymphknoten befallen waren; es handelt sich hier um einen sehr relevanten Prognosefaktor.Operationsart: Wurde, was heute üblich ist, brusterhaltend oder radikal (operative Entfernungder gesamten Brust) operiert?Brustaufbau: Wurde ein plastisch-chirurgischer Wiederaufbau der betroffenen Brust vorgenommenoder ist ein solcher Eingriff vorgesehen?Lymphödem: Anschwellen des Arms (auch Einschränkung der Bewegungsfähigkeit) infolgeeines Lymphstaus, zu dem es durch die Entfernung der Lymphknoten kommen kann.Menopause: Zeitpunkt der letzten Menstruation (Regelblutung) im Leben der Frau.Mit dem Datum der Erstdiagnose ist das Datum gemeint, an dem bei der betreffenden Patientinzum ersten Mal eine Krebserkrankung diagnostiziert wurde. Bei mehreren Tumorerkrankungensoll das Datum der Ersterkrankung angegeben werden, auch wenn dies nicht mit derunter Tumordiagnose gemachten Angabe übereinstimmt. Zusätzlich soll angegeben werden,ob Metastasen diagnostiziert wurden.Aktueller Krankheitsstatus: Eine Ersterkrankung liegt vor, wenn bei der Patientin zum erstenMal eine Krebserkrankung festgestellt wurde. Rezidiv / Progredienz, wenn eine früher diagnostizierteund behandelte Krebserkrankung erneut in Form eines Lokalrezidivs aufgetretenist. Zweittumor, wenn unabhängig von einer früheren Krebserkrankung ein weiterer Tumordiagnostiziert wurde. Remission, wenn die Krebserkrankung erfolgreich behandelt wurde undim Moment nicht nachweisbar ist (NED: no evidence of disease).- 3 -


Arbeitsgruppe <strong>PO</strong>-<strong>Bado</strong> München 2007In der Rubrik Behandlungen in den letzten zwei Monaten sind Mehrfachnennungen möglich,z.B. wenn im letzten Monat im Anschluss an eine Operation eine Chemo- oder Strahlentherapiedurchgeführt wurde.Weitere relevante somatische Erkrankungen: Falls die Patientin neben der Krebserkrankungdurch andere Krankheiten zusätzlich belastet wird, sollte dies hier mit der möglichst klarenDiagnose angegeben werden, z.B. Diabetes mellitus.Psychopharmaka / Opiate: Hier sollen psychisch wirksame Medikamente (z.B. Antidepressiva,Anxiolytika, Neuroleptika, Opiate) dokumentiert werden, die die Patientin zur Zeit einnimmt.Psychologische / psychiatrische Behandlung in der Vergangenheit: Damit sind z.B. früherePsychotherapien, Behandlungen in psychiatrischen oder psychosomatischen Klinikenoder auch Behandlungen mit Psychopharmaka (z.B. Antidepressiva) gemeint.Aktueller Funktionsstatus: entspricht der WHO-ECOG-Skala (s. Anhang 2).Gesprächsinitiative / Zugangsweg: Wenn es sich bei dem Patientenkontakt um ein Routinegesprächhandelt, z.B. im Rahmen der Aufnahme oder der Vorstellung des psychoonkologischenDienstes, das nicht von der Patientin initiiert wurde, ist Kategorie 1 zu wählen. VorausgewähltePatientinnnen (Kategorie 2) sind z.B. solche, die von einem Arzt, vom Pflegepersonaloder von Angehörigen für eine psychoonkologische Untersuchung zugewiesen wurdenbzw. auch solche, die den Kontakt zum Psychoonkologen von sich aus gesucht haben. Zur 3.Gruppe gehören Patientinnen, bei denen das Gespräch bzw. die psychoonkologische Untersuchungim Rahmen einer Studie stattfindet.Somatische, psychische und zusätzliche BelastungenIn den folgenden drei Kernbereichen der <strong>PO</strong>-<strong>Bado</strong>-BK geht es um Belastungen, unter denendie Patientin möglicherweise leidet. Dabei wird zwischen somatischen, psychischen und zusätzlichenBelastungsfaktoren unterschieden.Für die Anwendung der <strong>PO</strong>-<strong>Bado</strong> sind zwei Punkte von zentraler Bedeutung:1. Das zentrale Bewertungskriterium ist das subjektive Befinden des Patienten, nichtdie Stärke eines Symptoms! Bezogen auf das Item „Erschöpfung/Mattigkeit“ beispielsweise,soll nicht das Ausmaß der Erschöpfung beurteilt werden, sondern das Ausmaß dersubjektiven Belastung, das die Erschöpfung auslöst. Also nicht: Wie stark ist die Erschöpfung?sondern Wie sehr leiden Sie unter der Erschöpfung?.2. Zeitfenster der Beurteilung sind lediglich die letzten drei Tage! Falls das subjektiveBefinden innerhalb des Zeitfensters schwankte, soll die stärkste Belastung während derletzten drei Tage erfasst werden.- 4 -


Arbeitsgruppe <strong>PO</strong>-<strong>Bado</strong> München 2007Die einzelnen Faktoren sollen nach folgendem generellen Prinzip gewertet werden:0 nicht: Es gibt keine Hinweise dafür, dass der Patient unter diesem Aspekt leidetoder der Faktor trifft nicht auf den Patienten zu. 0 soll auch angekreuztwerden, wenn keine Informationen vorliegen.1 wenig: Der Patient leidet in geringem Ausmaß unter diesem Aspekt, aber nichtso stark, dass ihn die Belastung ernsthaft einschränkt.2 mittelmäßig: Der Patient fühlt sich durch diesen Aspekt belastet und eingeschränkt.Subjektiver Leidensdruck ist in mittelmäßiger Ausprägung vorhanden.3 ziemlich: Der Patient leidet erheblich unter diesem Aspekt und beschreibt eineziemlich stark einschränkende Belastung.4 sehr: Der Patient ist außerordentlich belastet und leidet so stark unter diesemAspekt, dass die Belastung für ihn schwer zu ertragen ist.In der Skala sind die Abstände zwischen den einzelnen Werten als gleich anzusehen.Die einzelnen BelastungsbereicheSomatische Belastungen:Zu den somatischen Belastungen gehören sowohl körperliche Beschwerden als auch funktionelleEinschränkungen, unter denen die Patientin leidet.1. Erschöpfung / MattigkeitLeidet die Patientin unter einer allgemein eingeschränkten körperlichen Vitalität, Kraftlosigkeit,Schwäche, leichter Erschöpfbarkeit und/oder Müdigkeit?Beispiel: Eine Patientin leidet erheblich darunter, dass sie bei der kleinsten Anstrengungermüdet und sich selbst nach einem kurzen Spaziergang längere Zeit ausruhenmuss, um sich wieder zu erholen. (Rating: 3)Beispiel: Eine Patientin berichtet, dass sie sich gelegentlich müde fühlt und sich mehrals früher ausruhen muss. Dies mache ihr jedoch nichts aus, da sie die Ruhezeitenauch genießen kann und sich bewusst Erholung gönnt. (Rating: 0)2. Schmerzen- 5 -


Arbeitsgruppe <strong>PO</strong>-<strong>Bado</strong> München 2007Leidet die Patientin unter körperlichen Schmerzen? Wenn ja, wie stark fühlt sie sich durchdiese Schmerzen belastet?Beispiel: Eine Patientin mit Knochenmetastasen leidet unter starken Schmerzen imRücken, die bei Belastung extrem zunehmen. Sie hat zwar Medikamente, nimmt dieseaber wegen der von ihr gefürchteten Nebenwirkungen nur „im Notfall“. Dann sind dieSchmerzen und die Angst vor Verschlimmerung oft so stark, dass die Medikamentekaum wirken. Die Patientin sagt: „Die Schmerzen bestimmen mein Leben.“ (Rating: 4)Wenn eine Patientin keine Schmerzen hat, weil sie medikamentös gut eingestellt ist (z.B. miteiner Schmerzpumpe), soll „wenig“ angekreuzt werden.3. Bewegungseinschränkung im Schulter- / ArmbereichBeispiel: Eine Patientin leidet an einem Lymphödem, das die Belastbarkeit und Beweglichkeitdes rechten Armes erheblich einschränkt. Sie hat Schmerzen im Schulter-/Armbereich und kann u.U. anfallende Haushaltsarbeiten (Putzen, Einkaufen etc.) nichtmehr alleine verrichten, was ihr sehr schwer fällt, da sie immer sehr aktiv war .(Rating: 3)4. Einschränkungen bei Aktivitäten des täglichen LebensLeidet die Patientin darunter, dass sie normale Verrichtungen des täglichen Lebens nichtmehr selbst ausführen kann, z.B. Haushaltsführung, sich waschen, sich anziehen, auf die Toilettegehen, essen? Können alle Glieder bewegt werden oder ist die Patientin durch Behinderungenbeim Gehen, Stehen, Sitzen oder Tragen belastet?Beispiel: Eine Patientin ist nach dem vierten Zyklus ihrer Chemotherapie ziemlich geschwächt.Sie ist seit zwei Tagen nicht in der Lage, ihren Haushalt alleine zu führenund muss zeitweise die Hilfe ihrer Mutter in Anspruch nehmen, was ihr unangenehmist. Da sie dies als vorübergehenden Zustand betrachtet, ist sie dadurch allerdings nurwenig belastet. (Rating: 1)Bei stationären Patienten, die vor kurzem operiert wurden, liegen natürlich erhebliche Einschränkungenin diesem Bereich vor. Wenn Patienten allerdings davon ausgehen, dass diesein vorübergehender Zustand ist und gut damit zurecht kommen, sind sie in diesem Punkt alsnur wenig belastet einzuschätzen.Beispiel: Eine vor drei Tagen operierte Patientin berichtet, dass es ihr den Umständenentsprechend gut geht. Sie kann sogar schon ein paar Schritte laufen und rechnet damit,dass sie planmäßig entlassen werden kann. (Rating: 1)Beispiel: Trotz guten Fortschritten nach der Operation und günstiger Prognose machtes einer stationären Patientin sehr zu schaffen, dass sie in ihren Aktivitäten einge-- 6 -


Arbeitsgruppe <strong>PO</strong>-<strong>Bado</strong> München 2007schränkt ist. Sie macht sich Sorgen, ob sie wohl die Treppe zu ihrer Wohnung nochbewältigen kann. (Rating: 3)5. HitzewallungenLeidet die Patientin unter Hitzewallungen, z.B. aufrund einer antihormonellen Therapie? Inwelchem Ausmaß fühlt sie sich dadurch belastet?Beispiel: Eine berufstätige Patientin berichtet, dass ihr häufig während der Arbeit derSchweiß ausbricht und ihr Gesicht dunkelrot anläuft. Das ist ihr vor Kollegen und Kundensehr unangenehm. (Rating: 3)6. Weitere somatische BelastungenHier sollen Befunde dokumentiert werden, die nicht mit den obigen Kategorien erfasst werdenkönnen, aber für die Patienten eine körperliche oder funktionelle Belastung darstellen, z.B.Übelkeit, Appetitlosigkeit, Fieber, Luftnot. Auch dieses Item soll immer geratet werden, auchwenn keine weiteren Belastungen vorliegen (in diesem Fall mit 0).Psychische Belastungen:Die Items in diesem Teil beziehen sich auf seelische Belastungen. Es geht vor allem um emotionaleReaktionen, unter denen die Patientin leidet bzw. die von ihr als Belastung empfundenwerden. Neben expliziten Patienten-Äußerungen sollte auch auf den nonverbalen Ausdruckgeachtet werden (Verhalten, Körperhaltung, Stimme, Mimik und Gestik).- 7 -


Arbeitsgruppe <strong>PO</strong>-<strong>Bado</strong> München 20071. SchlafstörungenLeidet die Patientin unter Einschlafproblemen, Durchschlafproblemen, frühmorgendlichem Erwachenoder sonstigen Schlafproblemen (z.B. Alpträumen)?Während eines stationären Aufenthalts können Schlafprobleme unter Umständen durch dieungewohnte Umgebung oder durch nächtliche Störungen bzw. Lärm durch Pflegende und Mitpatientenhervorgerufen werden. Das entscheidende Beurteilungskriterium ist, wie stark diePatientin sich durch die Schlafstörungen in ihrem Befinden beeinträchtigt fühlt.Beispiel: Die Patientin leidet so stark unter Schlafstörungen, dass sie nur sehr seltendurchschlafen kann. Dadurch fühlt sie sich tagsüber äußerst erschöpft und niedergeschlagen.Im Gespräch erwähnt sie, dass der Gedanke an die Nacht für sie unerträglichist und dass sie sich keinen Rat mehr weiß. (Rating: 4)2. Stimmungsschwankungen / VerunsicherungIst die Stimmungslage der Patientin eher konstant oder berichtet sie über Stimmungsschwankungenoder Unausgeglichenheit? Wechselt die Stimmung plötzlich von Niedergeschlagenheitzu Optimismus und Euphorie oder Unausgeglichenheit?Diese emotionale Situation kann häufiger in der Frühphase der Krebserkrankung beobachtetwerden, wenn die Patientin um die Annahme der Erkrankung ringt.Beispiel: Bisherige Wertvorstellungen und Gewissheiten sind durch die Krankheit inFrage gestellt. Die Patientin hat „den Boden unter den Füßen verloren“. (Rating: 4)Beispiel: Eine Patientin fühlt sich zeitweise hoffnungsvoll und hat Vertrauen in die Behandlung.Diese Zeiten wechseln sich aber fast täglich mit Phasen der Angst und Resignationab. Sie ist verunsichert, weil sie so etwas von sich nicht kennt. (Rating: 2)Starke Verunsicherung kann auch auf eine Schockreaktion hinweisen, in der sich die Patientindurcheinander, wie erstarrt, überwältigt, eingefroren oder handlungsunfähig fühlt. Wenn dieSchockreaktion eine Affektblockade hervorruft, wirkt der Patient ruhig und gefasst, nimmt seineUmgebung aber eher als unwirklich wahr. Informationen erreichen ihn oft nicht.Beispiel: eine Patientin, die vor drei Tagen erfahren hat, dass sie <strong>Brustkrebs</strong> hat undmorgen operiert werden soll, berichtet, dass ihre Stimmung manchmal gut und optimistischist, manchmal, z.B. vor dem Einschlafen, weine sie, weil sie keinen Ausweg sieht.Sie ist sehr durch dieses Auf und Ab verunsichert. (Rating: 4)3. Kognitive Einschränkungen (z.B. Konzentrations- / Gedächtnisstörungen)- 8 -


Arbeitsgruppe <strong>PO</strong>-<strong>Bado</strong> München 2007Sind kognitive Fähigkeiten wie Konzentration, Gedächtnis, örtliche oder zeitliche Orientierungbeeinträchtigt? Leidet die Patientin z.B. darunter, dass sie sich nichts mehr merken kann?Beispiel: Eine Patientin unter Chemotherapie schildert, dass sie sich nicht mehr konzentrierenkann. Es fällt ihr schwer, die Zeitung zu lesen, was sie normalerweise gernetut. Sie kann die Sätze, die sie liest, nicht aufnehmen und erinnert sich nicht an dasGelesene. Sie äußert die Befürchtung, sie könnte „den Verstand verlieren“. (Rating: 4)Beispiel: Eine Patientin verpasst hintereinander zwei wichtige Arzttermine, die sie vergessenhat, in ihren Terminkalender einzutragen. Sie berichtet, dass ihr solche „peinlichen“Dinge in letzter Zeit öfter passieren und dass ihr Gedächtnis „nachlässt“. (Rating:2)4. Hilflosigkeit / AusgeliefertseinLeidet die Patientin darunter, dass sie ihrer Krankheit und/oder ihren Behandlern hilflos ausgeliefertist? Wird die Situation als Kontrollverlust empfunden? Äußert die Patientin Gefühleder Ohnmacht oder leidet sie darunter, ihre Situation nicht beeinflussen zu können? Bereitetes der Patientin Probleme, wichtige Dinge nicht mehr in der Hand zu haben und auf andereangewiesen zu sein?Beispiel: Eine bettlägerige Patientin klagt darüber, dass sie nicht weiß, wo sich wichtigeDinge befinden, weil jeder, der in ihre Wohnung kommt (mobile Pflege, Tochter,Tante), aufräumt und in ihren persönlichen Dingen „herumkramt“, ohne sie zu fragenoder zu informieren. (Rating: 2)Beispiel: Eine Patientin besteht darauf, dass sie gut über ihre Krankheit und die anstehendeChemotherapie informiert wird. Sie fühlt sich in die Therapieentscheidungen miteinbezogen und hat Vertrauen in die Ärzte. (Rating: 0)5. Angst / Sorgen / AnspannungDas Stichwort “Angst” umfasst sowohl situationsbezogene Angst bzw. Furcht vor bestimmtenDingen oder Situationen als auch globale Ängstlichkeit. Angst kann mit physiologischen Reaktioneneinhergehen, z.B. mit Herzrasen, Schwitzen und/oder Atemnot, die von Patienten alsSymptome einer körperlichen Krankheit gedeutet werden können und dann häufig noch mehrAngst hervorrufen. Es kann auch zu plötzlichen, anfallartigen Panikattacken kommen. Angstkann sich nonverbal z.B. durch Zittern, Erstarrung oder Unruhe äußern. Eine Krebsdiagnoseruft verständlicherweise beim Großteil der Patienten Ängste und Sorgen hervor.Leidet die Patientin unter allgemeiner Ängstlichkeit oder ängstigt sie sich vor bestimmten Behandlungsverfahren,z.B. vor Chemotherapie oder vor operativen Eingriffen? Hat die Patientin- 9 -


Arbeitsgruppe <strong>PO</strong>-<strong>Bado</strong> München 2007Angst vor dem weiteren Verlauf der Krankheit oder vor dem Tod? Macht sie sich Sorgen umdie Zukunft?Beispiel (situative Angst): Eine ältere Patientin ist das erste Mal im Krankenhaus undängstigt sich sehr vor der bevorstehenden Operation. Dies äußert sich durch Zittern,Unruhe und Schwitzen. Die Operation verzögert sich aus organisatorischen Gründenum einige Tage, was zu einer Wartezeit führt, die für die Patientin nur schwer auszuhaltenist. (Rating: 4)Beispiel (Progredienzangst): Eine Patientin wurde erfolgreich operiert, lebt aber inständiger Angst vor einem Rezidiv. Die Nachuntersuchungen sind für sie immer sehrbeunruhigend. Sie beobachtet sich täglich und meint oft, Symptome einer Wiedererkrankungzu spüren. (Rating: 3)Leidet die Patientin unter körperlichen oder seelischen Anspannungen, Verspannungen oderUnruhe? Fühlt sie sich zum Beispiel getrieben, gehetzt, “unter Hochspannung”, ungeduldigoder in bestimmten Körperpartien verspannt?Beispiel: Eine Patientin beschreibt, sie fühle sich seit der Krebsdiagnose wie auf einemPulverfass. Sie sei in Aufruhr, wie getrieben und unfähig, sich zu entspannen. Im Gesprächfällt es ihr schwer, still zu sitzen. (Rating: 4)6. Scham / SelbstunsicherheitLeidet die Patientin unter beschämenden Aspekten der Erkrankung oder der Behandlung?Erlebt sie es als beschämend, krank, schwach, verunstaltet zu sein? Ist es ihr peinlich, aufHilfe angewiesen zu sein? Inwieweit ist ihr Selbstbild durch die Erkrankung beeinträchtigt?Beispiel: Eine Patientin leidet massiv unter Haarausfall als Nebenwirkung der Chemotherapie;sie verlässt das Haus nur noch im Notfall, um nicht gesehen zu werden (Rating:4)Beispiel: Einer Patientin fällt es nach der Mastektomie schwer, sich selbst im Spiegelnackt anzusehen; sie vermeidet Schwimmbäder. (Rating: 3)7. Veränderungen des Körpers / KörperbildesBeispiel: Eine Patientin kann sich nicht damit abfinden, dass sie sich „asymmetrisch“fühlt. (Rating: 3)8. Gestörtes Lustempfinden (Sexualität)Beispiel: Eine jüngere Patientin ist durch die körperlichen Veränderungen der Krebs-Behandlung (an der Brust, hormonell, psychisch) nicht wie früher in der Lage, Lustbeim sexuellen Verkehr zu empfinden. (Rating: 3)- 10 -


Arbeitsgruppe <strong>PO</strong>-<strong>Bado</strong> München 20079. Trauer / Niedergeschlagenheit / DepressivitätWirkt die Patientin niedergeschlagen, bedrückt und traurig? Äußert sie schmerzliche Gefühle?Kann sie sich an (früher) angenehmen Aktivitäten nicht mehr freuen und leidet darunter? Wirktdie Patientin resigniert bzw. sieht sie ihre Situation als hoffnungslos? Fehlt ihr der gewohnteAntrieb? Zieht sie sich von anderen zurück? Besonders ist auf nonverbale Zeichen von Niedergeschlagenheitzu achten (Mimik, Gestik, Vitalität, Veränderungen im Verhalten).Trauer / Traurigkeit stellen eine häufige Antwort auf die vielfältigen Verluste in Zusammenhangmit einer Krebserkrankung dar, mit denen sich Patienten konfrontiert sehen. Dabei gehtes nicht nur um den Verlust von Unversehrtheit, sondern auch von Zukunftsperspektiven undInfragestellung von Grundeinstellungen und Werten. Leidet die Patient unter einer Trauerreaktion?Empfindet sie traurige oder schmerzliche Gefühle angesichts von endgültigen Verlusten?Unter Umständen ist eine Trauerreaktion erst im zeitlichen Verlauf von Depressivität zuunterscheiden. Schmerzliche und ausgeprägte traurige Gefühle sprechen eher gegen eineDepression, das Bewusstsein für den Verlust bleibt erhalten.Beispiel: Eine Patientin mit fortgeschrittenem Mamma-Ca berichtet mit spürbaremSchmerz, dass sie viele ihrer Pläne, die sie sich für ihren Ruhestand vorgenommenhatte, nicht mehr verwirklichen kann. (Rating: 3)Anzeichen einer depressiven Reaktion sind: Verlust von Freude und Interesse an Aktivitäten,die vorher Freude machten, depressive Verstimmung, Gefühl der Wertlosigkeit, Hoffnungslosigkeitund Sinnlosigkeit, unablässiges Grübeln um Gedanken, von denen es nicht gelingtloszukommen, Schuldgefühle bzw. die Überzeugung, anderen nur noch „eine Last“ zusein, Entscheidungsunfähigkeit, verminderte Denk- und Konzentrationsfähigkeit, Gefühl derÜberforderung („Ich schaffe das nicht mehr.“), Antriebsverarmung bzw. -verlust, Ein- undDurchschlafstörungen, besonders mit morgendlichem Früherwachen („Morgen-Grauen“), psychomotorischeVerlangsamung oder innere Unruhe, sozialer Rückzug, Selbstmordgedanken.Beispiel: Eine <strong>Brustkrebs</strong>patientin fühlt sich seit der Entfernung ihrer linken Brust wertlosund hat deshalb ihre sozialen Kontakte eingeschränkt, weil sie sich von anderennicht verstanden fühlt. Sie schläft morgens sehr lange und hat die Lust an Aktivitätenverloren, die ihr früher Freude machten. Da sie ihren Beruf nicht mehr ausüben kann,hat sie wenig Hoffnung bezüglich ihrer Zukunft. Sie hat Angst davor, bald von Sozialhilfeabhängig zu sein und sieht keinen Ausweg. (Rating: 3)10. Weitere psychische Belastungen- 11 -


Arbeitsgruppe <strong>PO</strong>-<strong>Bado</strong> München 2007Andere emotionale Belastungen, unter denen die Patientin leidet und die nicht mit den obigenKategorien erfasst werden können, z.B. Wut, Ärger, Schuldgefühle. Auch dieses Item soll immergeratet werden, auch wenn keine weiteren Belastungen vorliegen (in diesem Fall mit 0).Beispiel: Eine Patientin beklagt sich öfter beim Pflegepersonal. Das Zimmer sei zugigund das Essen komme meist lauwarm bei ihr an. Über ihren Hausarzt ist sie sehr verärgert,da er ihre Erkrankung nicht früh genug diagnostiziert habe. Schließlich sei sieimmer bei den Vorsorgeuntersuchungen gewesen. (Wut, Ärger; Rating: 2)Beispiel: Eine Patientin sagt: „Ich glaube, dass der Krebs hauptsächlich von falscherErnährung kommt. Ich hätte besser auf mich achten sollen. Jetzt ist es zu spät.“(Schuldgefühle; Rating: 3)Zusätzliche Belastungsfaktoren:In diesem Teil sollen Belastungen dokumentiert werden, die sich vor allem auf das sozialeUmfeld des Patienten und zusätzliche Probleme beziehen. Diese können schon vor der Erkrankungbestanden haben oder durch die Krankheit verstärkt oder ausgelöst worden sein.Die Einschätzung erfolgt dichotom (ja – nein), da es hier nicht um Befindlichkeiten, sondernum das Vorhandensein (oder Nicht-Vorhandensein) von konkreten Problemen geht.1. Belastende Probleme im Familien- oder FreundeskreisHierzu gehören sowohl Beziehungsprobleme, die durch die Krankheit hervorgerufen wurdenals auch Probleme, die unabhängig von der Erkrankung eine Belastung darstellen. Gemeintsind nicht nur Spannungen und Konflikte, sondern auch Belastungen wie z.B. Krankheit oderTod einer nahen Bezugsperson, Sorge um Angehörige, Probleme in Bezug auf die Versorgungvon Kindern oder pflegebedürftigen Familienmitgliedern, Unfähigkeit von Bezugspersonen,mit der Krebserkrankung umzugehen, d.h. alles, was im Kontext bedeutsamer Beziehungeneine Belastung darstellt und über die zu erwartenden Reaktionen (z.B. Betroffenheit derAngehörigen) hinausgeht.Beispiel: Eine Patientin macht sich große Sorgen um ihr behindertes Kind, das zwar ineiner Behinderteneinrichtung betreut wird, aber am Wochenende normalerweise nachHause kommt. Sie kann die Versorgung des Kindes am Wochenende nun nicht mehrleisten und befürchtet negative Auswirkungen auf das Kind und die Familie.Beispiel: Eine Patientin, die sich vor kurzem dazu entschlossen hatte, sich von ihremEhemann zu trennen, erkrankt an einem Rezidiv. Sie weiß nicht, ob sie die Trennungtrotz der Krankheit verwirklichen kann, möchte aber auch nicht in der problematischenBeziehung bleiben. Dies belastet sie sehr.- 12 -


Arbeitsgruppe <strong>PO</strong>-<strong>Bado</strong> München 20072. Belastende wirtschaftliche / berufliche ProblemeWelche finanziellen und beruflichen Folgen hat die Erkrankung für die Patientin? Ist sie dadurchin ihrer wirtschaftlichen Existenz bedroht? Ist sie um ihre berufliche Zukunft besorgtoder leidet sie darunter, dass sie nicht mehr oder nicht mehr wie bisher berufstätig sein kann?Gab es schon vor der Erkrankung Probleme in diesen Bereichen?Beispiel: Eine 40jährige Patientin muss aufgrund ihrer Tumorerkrankung Erwerbsminderungsrentebeantragen. Sie hat vor wenigen Jahren eine Eigentumswohnung gekauft,die mit einer größeren Hypothek belastet ist. Die vereinbarten monatlichen Zahlungenkann sie nicht mehr leisten. Sie fürchtet, dass bald eine Zwangsversteigerungdroht und weiß keinen Ausweg aus der Situation.Beispiel: Einer Patientin wurde von ihrem Arbeitgeber nahe gelegt, Frührente zu beantragen,da sie ja sowieso nicht mehr arbeiten könne. Der Patientin bedeutet ihr Berufallerdings sehr viel und sie hatte gehofft, stufenweise wieder in die Berufstätigkeiteinsteigen zu können. Die Reaktion des Arbeitgebers hat ihr alle Hoffnung genommen.Sie fühlt sich unverstanden und abgeschoben.3. Weitere zusätzliche BelastungsfaktorenHier können andere zusätzlich zur Krebserkrankung bestehende oder durch dieKrankheit verursachte belastende Faktoren ergänzt werden, zum Beispiel Problememit Behandlern oder Belastungen infolge Pflege- bzw. Hilfsbedürftigkeit.Beispiel: Eine Patientin berichtet, dass die Ärzte nicht das geringste Verständnis für siehätten. Niemand habe ihr erklärt, was ihre Diagnose genau bedeute. Auf ihre Fragenbekomme sie nur einsilbige und ausweichende Antworten. Sie könne den Ärzten nichtmehr vertrauen und fühle sich wie eine Nummer behandelt.4. Das aktuelle emotionale Befinden ist durch krankheitsunabhängige BelastungenbeeinflusstHäufig wird das emotionale Befinden der Tumorpatienten auf die Tumorerkrankung zurückgeführt.Es können aber auch andere, krankheitsunabhängige Probleme vorherrschend sein.Steht das psychosoziale Befinden primär in Zusammenhang mit der Krebserkrankung odergibt es andere Faktoren und Auslöser? Gab es schon vor der Erkrankung ähnliche Probleme?Beispiel: Bei einer Patienten, die schon vor der Erkrankung unter einer Angststörunglitt, etwa unter nächtlichen Angstzuständen und Panikattacken, die sich durch dieKrebsdiagnose verschlimmerten, ist der aktuelle emotionale Zustand nicht ausschließ-- 13 -


Arbeitsgruppe <strong>PO</strong>-<strong>Bado</strong> München 2007lich krankheitsbedingt. Die früheren psychischen Belastungen spielen zusätzlich eineRolle und beeinflussen das seelische Befinden.Beispiel: Eine ältere Patientin hat die Operation gerade hinter sich und eine recht gutePrognose. Sie ist sehr niedergeschlagen und weint sofort, wenn man sie anspricht.Beim Nachfragen stellt sich heraus, dass Ihre erwachsene Tochter gerade mit einer„Borderline-Persönlichkeitsstörung“ in eine psychiatrische Klinik gekommen ist. Sieweiß nicht was die Diagnose bedeutet, ist voller Schuldgefühle und Angst.IndikationBei der Patientin besteht aktuell eine Indikation für professionelle psychosoziale Unterstützung?Sollte der Patientin aktuell professionelle psychosoziale Unterstützung/–Beratung angeboten werden?Hier kann erfasst werden, ob gegenwärtig von psychoonkologischen Maßnahmen (z.B. Einzelgesprächen,Entspannungsgruppe, Psychoedukation) eine Verbesserung der Befindlichkeitoder Lebensqualität des Patienten zu erwarten ist oder ob mindestens eine genauere psychoonkologischeUntersuchung zur Klärung der Bedürftigkeit notwendig ist. Die Antwort ist unabhängigdavon zu geben, ob die Patientin Interesse oder Motivation ausdrückt, eventuelle Therapieangeboteauch anzunehmen.- 14 -


Arbeitsgruppe <strong>PO</strong>-<strong>Bado</strong> München 2007InterviewleitfadenWir empfehlen ein spezielles halbstandardisiertes Interview, um die Belastungsitems der <strong>PO</strong>-<strong>Bado</strong>-<strong>Brustkrebs</strong> angemessen beantworten zu können. Dieses Interview dauert erfahrungsgemäßca. 30 Minuten. Es liegt nahe, die spezifischen Fragen in die individuelle klinische Situation„vor Ort“ zu integrieren (Anamnese, Erstgespräch, Konsilanforderung etc.).Grundsätzlich sollte der Interviewer versuchen, das Gespräch entsprechend der Belastungsbereichezu strukturieren. Bitte bedenken Sie, dass der Fokus auf den letzten drei Tagenliegt. Das Ansprechen der einzelnen Belastungsaspekte sollte möglichst mit einer allgemeinformulierten Orientierungsfrage zur aktuellen Situation eingeleitet werden.Beispiel: „Wie geht es Ihnen im Moment?“In Abhängigkeit von den Patientenäußerungen sollten anschließend spezifische Fragen zukonkreten Symptomen (z. B. Erschöpfung oder Sorgen) gestellt werden.Beispiel: „Wie sieht es mit Ihrer körperlichen Energie aus?“Falls eine deutliche Diskrepanz zwischen den Äußerungen der Patientin und dem subjektivenEindruck des Untersuchers besteht, sollte dies vorsichtig angesprochen werden.Beispiel: „Sie sagen, dass Sie gut mit Ihrer Krankheit zurecht kommen, aber vorhin, alsIhnen die Tränen kamen, hatte ich den Eindruck, dass Sie sehr besorgt sind.“Letztlich hat immer der Gesamteindruck des Interviewers, der auch die nonverbale Kommunikationder Patientin berücksichtigt, Vorrang vor den direkten Patientenäußerungen.Der GesprächsbeginnDer Gesprächsbeginn hängt stark von dem Untersuchungskontext und dem Gesprächsrahmenab. Unabhängig davon sollte am Beginn des Gesprächs Ihre Vorstellung (Name undFunktion) stehen, der Grund/Anlass Ihrer Kontaktaufnahme („Ich wurde von Dr. X gerufen, derden Eindruck hatte, dass Sie momentan eine schwierige Situation zu bewältigen haben.“ oder„Wir sprechen mit jedem neuen Tumorpatienten in unserer Klinik.“) sowie der Hinweis darauf,dass Sie sich mit der Patientin im folgenden Gespräch gerne über das aktuelle körperlicheund vor allem auch seelische Befinden unterhalten möchten. Des Weiteren sollte die Patientinzu Beginn darauf vorbereitet werden, dass Sie sich zunächst lediglich einen allgemeinenEindruck von ihrem Befinden machen möchten und dass es bei Bedarf die Möglichkeit zu weiterenGesprächen gebe.- 15 -


Arbeitsgruppe <strong>PO</strong>-<strong>Bado</strong> München 2007Erhebung der somatischen BelastungenDas Befinden der Patientin sollte mit einer allgemeinen, offen gestellten Frage angesprochenwerden.Beispiel Orientierungsfrage: „Wie geht es Ihnen im Moment?“ oder „Wie kommen Siemit Ihrer Situation zurecht?“Anschließend sollten die einzelnen Bereiche zunächst ebenfalls offen angesprochen und anschließendvertieft werden, auch in Form geschlossener Nachfragen (s. folgende Beispiele).Bei der Erhebung des seelischen Befindens ist es besonders wichtig, auf Äußerungen derPatientin zu achten, die auf Belastungen hinweisen und diese aufzugreifen. Äußerungen wie„Manchmal weiß ich nicht, wie das noch weitergehen soll“, könnten Sorgen hinsichtlich derZukunft, Ängste oder Hoffnungslosigkeit ausdrücken. Allgemeine Bemerkungen, z.B. „Na ja,man macht sich schon so seine Gedanken“ können mit Fragen wie „Was geht Ihnen da durchden Kopf?“ aufgegriffen werden.1. Erschöpfung / MattigkeitBeispiel: „Werden Sie leicht müde?“ ... „Wie sieht es mit Ihrer Energie aus?“2. Schmerzen„Sind die Schmerzen den ganzen Tag gleich, oder verändern sie sich“ ... „Können Sie selberetwas tun, um die Schmerzen zu beeinflussen?“3. Bewegungseinschränkungen des Arms / der SchulterBeispiel: „Sie sagten, dass Sie den rechten Arm nicht gut bewegen können, wie belastendist das für Sie?“.- 16 -


Arbeitsgruppe <strong>PO</strong>-<strong>Bado</strong> München 20074. Einschränkungen bei Aktivitäten des täglichen LebensBeispiel: „Wie kommen Sie mit Ihren alltäglichen Aufgaben, zum Beispiel mit Ihrem Haushalt,zurecht?“ Hier kann der Untersucher sich auch auf die Angaben der Patientin zu Bewegungseinschränkungenbeziehen.5. HitzewallungenBeispiel: „Sie sprachen vorhin von Hitzewallungen, wie sehr machen Ihnen die zu schaffen?“6. Weitere somatische Belastungen(z.B. Übelkeit, sonstige Schmerzen, Therapienebenwirkungen)Um den Themenbereich abzuschließen, sollte der Interviewer das bisher Gesagte zusammenfassenund die Patientin fragen, ob es noch weitere körperliche Beschwerden gibt, die nochnicht erwähnt wurden.Beispiel: „Gibt es noch andere körperliche Beschwerden, die Sie belasten?“Da die <strong>PO</strong>-<strong>Bado</strong>-BK nur die zentralen, häufiger genannten Belastungsfaktoren beinhaltet, gibtes in jedem Bereich ein Item zur Ergänzung weiterer Belastungen. Dieses sollte immer genutztwerden, wenn die Patientin Probleme erwähnt, die mit den spezifischen Items nicht erfasstwerden können.Wie oben erwähnt, ist das zentrale Beurteilungskriterium die subjektive Belastung desPatienten, nicht das Ausmaß von Beschwerden.Erhebung der psychischen BelastungenDas psychische Befinden der Patientin kann mit einer allgemeinen Frage angesprochen werden,die möglichst offen gestellt werden sollte. Dies ermöglicht der Patientin, entweder positiveoder negative Gefühle zu äußern bzw. das Angebot, über seelische Belastungen zu redenanzunehmen oder auch abzulehnen.Orientierungsfrage: „Wie geht es Ihnen im Augenblick seelisch?“ ... „Wie würden Sie IhreStimmung beschreiben?“ ... „War das schon immer so oder hat sich in der letzten Zeit etwasan Ihrem seelischen Befinden geändert?“Spezifische Fragen sind nötig, wenn die Bereiche nicht spontan angesprochen werden:- 17 -


Arbeitsgruppe <strong>PO</strong>-<strong>Bado</strong> München 20071. SchlafstörungenBeispiel: „Wie gut schlafen Sie im Moment?“2. Stimmungsschwankungen / VerunsicherungBeispiel: „Würden Sie Ihre Stimmung als konstant oder eher als wechselnd beschreiben?“„Erleben Sie Stimmungseinbrüche?“3. Kognitive Einschränkungen (z.B. Konzentrations- / Gedächtnisstörung)Beispiel: „Wie gut können Sie sich momentan auf ein Buch, eine Zeitung oder eine Fernsehsendungkonzentrieren?“ „Ich sehe hier einige Zeitschriften. Lesen Sie gerne?“4. Hilflosigkeit / AusgeliefertseinBeispiel: „Wie gut fühlen Sie sich hier in der Klinik aufgehoben?“ „Wie viel Kontrolle habenSie aus Ihrer Sicht über Ihre Situation?“ „Bereitet es Ihnen Probleme, dass Sie momentanso wenig ausrichten können?“5. Angst / Sorgen / AnspannungBeispiel: „Wie stark sind Sie um Ihren Gesundheitszustand besorgt?“ „Was ist momentanIhre größte Sorge?“ „Haben Sie jemanden, mit dem Sie darüber reden können?“6. Scham / SelbstunsicherheitBeispiel: „Sind Sie seit Ihrer Krankheit unsicherer geworden?“ „Wie äußerst sich das?“7. Körperbild / Veränderungen des KörpersBeispiel: „Wie kommen Sie mit den Veränderungen Ihres Körper zurecht?“8. Gestörtes Lustempfinden (Sexualität)Beispiel: „Manche <strong>Brustkrebs</strong>patientinnen klagen über geringeres Verlangen nach Sexualitätseit der Erkrankung. Ist das auch für Sie ein Problem?“9. Trauer / Niedergeschlagenheit / DepressivitätBeispiel: „Fühlen Sie sich manchmal auch niedergeschlagen oder traurig?“- 18 -


Arbeitsgruppe <strong>PO</strong>-<strong>Bado</strong> München 200710. Weitere psychische Belastungen (z.B. Wut, Ärger, Schuldgefühle)Beispiel: „Gibt es außer dem, was Sie bisher erwähnt haben noch andere Dinge, die Ihnenzu schaffen machen?"Erhebung der zusätzlichen BelastungsfaktorenSoziale und weitere Belastungen können in der Regel mit generellen Fragen zur familiärenSituation oder der allgemeinen Lebenssituation erhoben werden.Orientierungsfrage: „Wie leben Sie momentan?“ ... „Leben Sie allein oder mit einemPartner / einer Familie?“ ... „Wie sieht Ihre familiäre / berufliche Situation aus?“Je nachdem, was die Patientin auf diese Fragen hin berichtet, kann der Untersucher genauereFragen stellen.Beispiel: „Wie ist es für Ihren Partner (Ihre Familie), dass Sie jetzt krank sind?“Der Untersucher sollte sich einen Eindruck zu folgenden Bereichen verschaffen:• Beziehungen und Familie• soziales Umfeld und Freundeskreis• aktuelle Arbeitssituation und wirtschaftliche SituationUm zu ermitteln, ob es zusätzliche Belastungen gibt, die bisher noch nicht erwähnt wurden,kann eine allgemeine Frage gestellt werden:Orientierungsfrage: “Gibt es noch andere Probleme oder Sorgen, die wir bisher noch nichtbesprochen haben?”In Bezug auf zusätzliche Belastungsfaktoren sind sowohl krankheitsbedingte als auch krankheitsunabhängigeProbleme relevant.Im <strong>PO</strong>-<strong>Bado</strong>-BK-Bogen soll angegeben werden, ob das seelische Befinden durch krankheitsunabhängigeBelastungen beeinflusst ist. Es kommt immer wieder vor, dass die aktuelle emotionaleBelastung von Patienten stärker durch krebsunabhängige Faktoren bestimmt ist alsdurch die Krebserkrankung. Dies können andere Erkrankungen sein oder auch familiäre Faktoren(z.B. der Suizidversuch der Tochter) oder auch berufliche / finanzielle Probleme (z.B.drohende Arbeitslosigkeit). Falls dies nicht aus den Antworten der Patientin hervorgeht, kannder Untersucher eine gezielte Frage stellen:Beispiel: „Sind diese Gefühle – diese Traurigkeit und diese Ängste – denn vor allem durchIhre Krankheit bedingt oder gibt es noch andere Ursachen, die dafür verantwortlich seinkönnten?“- 19 -


Arbeitsgruppe <strong>PO</strong>-<strong>Bado</strong> München 2007An dieser Stelle kann es auch von Bedeutung sein zu erfragen, ob Probleme schon vor derErkrankung bestanden haben:Beispiel: „Kennen Sie solche Phasen der Niedergeschlagenheit von früher?“Das entsprechende Item der <strong>PO</strong>-<strong>Bado</strong>-BK ist mit „Ja“ zu beantworten, wenn solche krankheitsunabhängigenBelastungsfaktoren genannt wurden.Beendigung des Gesprächs, Zusammenfassung & IndikationAm Ende des Gespräches sollte zunächst nach Aspekten der Krebsbewältigung gefragt werden,die vielleicht bisher noch nicht angesprochen wurden:„Was hilft Ihnen am meisten, mit Ihrer Situation zurechtzukommen? Was sind momentanIhre Stützen im Leben?“Um das Gespräch abzuschließen empfiehlt es sich, die Hauptpunkte kurz zusammenzufassenund der Patientin Rückmeldung über die im Gespräch gewonnenen Eindrücke zu geben. Sokann sie überprüfen, ob sie richtig verstanden wurde.„Ich habe den Eindruck, dass die Sorge um den weiteren Verlauf Ihrer Erkrankung aktuelldas lebensbestimmende Thema ......"Wenn der Untersucher den Eindruck hat, dass professionelle psychosoziale Unterstützungnötig ist, sollte er der Patientin dies rückmelden und das weitere Vorgehen klar vereinbaren.Beispiel: „ Ich würde Ihnen weitere Gespräche vorschlagen, weil ich den Eindruck habe,dies könnte Ihnen bei der weiteren Krankheitsbewältigung helfen - Wie sehen Siedas?“oder„Ich habe den Eindruck gewonnen, dass Sie momentan recht gut zurechtkommen, sodassSie keinen Psychoonkologen brauchen - sehen Sie das auch so?“ („Wenn sichdaran etwas ändern sollte, können Sie uns ... erreichen“).- 20 -


Arbeitsgruppe <strong>PO</strong>-<strong>Bado</strong> München 2007LiteraturHerschbach P, Brandl T, Knight L, Keller M (2004). Einheitliche Beschreibung des subjektivenBefindens von Krebskranken. Entwicklung einer psychoonkologischen <strong>Basisdokumentation</strong>(<strong>PO</strong>-<strong>Bado</strong>). Deutsches Ärzteblatt 101(12): 799-802Knight L, Mussell M, Brandl T, Herschbach P, Marten-Mittag B, Treiber M, Keller M (2008)Development and Psychometric Evaluation of the Basic Documentation for Psycho-Oncology(<strong>PO</strong>-<strong>Bado</strong>). J Psychosom Res 64(4):373-81Herschbach P, Book K, Brandl T, Keller M, Lindena G, Neuwöhner, K, Marten-Mittag B(2008a) Psychological Distress in Cancer Patients Assessed with an Expert Rating Scale.British J. Cancer, Jul 8;99(1):37-43Herschbach P, Book K, Brandl T, Keller M, Marten-Mittag B (2008b) The Basic Documentationfor Psycho-Oncology (<strong>PO</strong>-<strong>Bado</strong>) – an expert rating scale for the psychosocial condition ofcancer patients. Onkologie, 31: 591-596Herschbach, P., Weis, J. (Hrsg.) Screeningverfahren in der Psychoonkologie. Testinstrumentezur Identifikation betreuungsbedürftiger Krebspatienten. Eine Empfehlung der PSO für diepsychoonkologische Behandlungspraxis. Deutsche Krebsgesellschaft, Berlin 2008Anhang: Aktueller Funktionsstatus – ECOG-Scala(Eastern Cooperative Oncology Group performance scale)ECOGKarnofsky0 Normale Aktivität 100 %1 Symptome vorhanden, Pat. ist aber fast uneingeschränkt gehfähig 85 %2 Zeitweise Bettruhe, aber weniger als 50 % der normalen Tageszeit 65 %3 Pat. muss mehr als 50 % der normalen Tageszeit im Bett verbringen 45 %4 Pat. ist ständig bettlägerig 20 %- 21 -


Psychoonkologische <strong>Basisdokumentation</strong> – <strong>Brustkrebs</strong> (<strong>PO</strong>-<strong>Bado</strong>-BK)Untersucher:Patient:Datum:Soziodemographische und medizinische AngabenAlter: .........Feste Partnerschaft: Ja Nein Nicht bekanntKinder: Ja Nein Nicht bekanntArbeitssituation: Berufstätig Hausarbeit Krank geschrieben Arbeitslos Rente Sonstiges: .....................................Lymphknotenbefall: Ja Nein Nicht bekanntOperationsart: Brusterhaltend Mastektomie Sonstiges ..............................Brustaufbau: Nein Erfolgt Geplant EntfälltLymphödem: Ja Nein Nicht bekanntMenopause: Ja Nein Nicht bekanntDatum der Erstdiagnose: (Monat/Jahr) ........ /.......... Nicht bekanntMetastasen: Ja Nein Nicht bekanntAktuellerKrankheitsstatus: Ersterkrankung Rezidiv Zweittumor Remission Derzeit nicht zu beurteilenBehandlungen in denletzten zwei Monaten: OP Chemotherapie Bestrahlung Hormontherapie Sonstige:........................... KeineWeitere relevantesomatische Erkrankungen:Psychopharmaka / Opiate:(z.B. Tranquilizer, Morphin)Psychologische / psychiatrische Behandlung in derVergangenheit: Ja (bitte benennen): ..................................................................................... Nein Nicht bekannt Ja (bitte benennen): ..................................................................................... Keine Nicht bekannt Ja Nein Nicht bekanntAktueller Funktionsstatus:(WHO-ECOG-Scala 0-4)Gesprächsinitiative /Zugangsweg: 0 Normale Aktivität 1 Symptome vorhanden, Patient ist aber fast uneingeschränkt gehfähig 2 Zeitweise Bettruhe, aber weniger als 50% der normalen Tageszeit 3 Patient muss mehr als 50% der normalen Tageszeit im Bett verbringen 4 Patient ist ständig bettlägerig 1 Routinedokumentation (Aufnahme-/Routinegespräch) 2 Vorausgewählte Patientin (Zuweisung durch Behandler, Angehörige od. Patientin selbst) 3 Wissenschaftliche Zwecke (Studie etc.)© AG <strong>PO</strong>-<strong>Bado</strong> München 20071 von 2

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