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<strong>Inhalt</strong>sverzeichnis<br />

Vorwort 7<br />

1 Gesellschaftlicher, politischer und wirtschaftlicher Rahmen 13<br />

2 Bildungswesen 31<br />

3 Berufs- und Wirtschaftspädagogik 49<br />

4 Die Entwicklung der Berufsbildung im Rahmen der<br />

gewerblichen Frage 67<br />

5 Rechtliche Grundlagen 89<br />

6 Berufliche Grundbildung 109<br />

7 Betriebliche Ausbildung 135<br />

8 Berufsfachschulen 155<br />

9 Ausbildungszentren und Lehrwerkstätten 171<br />

10 Höhere Berufsbildung 191<br />

11 Weiterbildung 207<br />

12 Kosten – Nutzen – Finanzierung 221<br />

13 Von der Schule ins Erwerbsleben 237<br />

14 Blick über die Grenze<br />

Von der nationalen Berufsbildung zum lebenslangen Lernen 267<br />

15 Weiterführende Literatur 285<br />

Verzeichnis der Abbildungen 296<br />

Verzeichnis der Tabellen 298<br />

Register 299


Vorwort<br />

Die Berufsbildung in der Schweiz findet in den letzten Jahren verstärkte<br />

Aufmerksamkeit auch im internationalen Rahmen. Im Besonderen wird die<br />

Reformfähigkeit der hiesigen Berufsbildung hervorgehoben. 1 Die Schweiz ist<br />

im Bereich der beruflichen Bildung ein «Sonderfall»: 2 Im Unterschied zur<br />

weltweit dominierenden angelsächsisch geprägten akademisch orientierten<br />

Schulkultur stützt sich die berufliche Bildung mehrheitlich auf eine betriebliche<br />

Aus- und Weiterbildung, die sich auch in einem globalen Umfeld<br />

behaupten muss. 3 Vor allem in den deutschsprachigen Ländern hat sich ein<br />

spezifisches Modell der beruflichen Bildung etabliert, das üblicherweise –<br />

etwas verkürzt – als «dual» bezeichnet wird, da es sowohl die Betriebe wie<br />

die Schulen, aber auch die Wirtschaft und den Staat in die Pflicht nimmt. Da<br />

in der Schweiz üblicherweise drei Lernumgebungen, nämlich der Betrieb,<br />

die Berufsfachschulen und an dritten Lernorten die überbetrieblichen Kurse<br />

(ÜK), im Spiel sind und neben dem Bund und den Kantonen die Organisationen<br />

der Arbeitswelt (OdA) partnerschaftlich sich um die Berufsbildung<br />

kümmern, wird bei uns auch vom «trialen System» gesprochen.<br />

Damit befinden wir uns bereits mitten in der Thematik der vorliegenden<br />

Veröffentlichung, die sich als eine Aufgabe gestellt hat, in einer Art Kompendium<br />

das ABC der schweizerischen Berufsbildung zu buchstabieren und es<br />

Einsteigern, Praktikern und bildungspolitisch Interessierten näherzubringen.<br />

Emil <strong>Wettstein</strong> ist ein Pionier in diesem Feld. Er war bereits Erstautor<br />

und Mitverfasser der 1985 von der Deutschschweizerischen Berufsbildungsämter-Konferenz<br />

herausgegebenen Einführung Die Berufsbildung in der<br />

Schweiz. 4 Im Anschluss an das 1980 in Kraft getretene neue Berufsbildungsgesetz<br />

war eine solche – seit Langem fällige – Übersicht eine hervorragende<br />

Grundlage für alle, die sich für ein damals nur wenigen bekanntes und<br />

unübersichtliches Phänomen interessierten. In der Zwischenzeit, im Jahr<br />

2004, ist wiederum ein neues Berufsbildungsgesetz in Kraft getreten, das<br />

neben der Erhaltung von Bewährtem viele Neuerungen möglich macht. Auch<br />

dazu liegen im Einzelnen informative und kenntnisreiche Broschüren, Darstellungen<br />

im Internet, Handreichungen und Studien vor. 5<br />

1 OECD: Systemic Innovation in the Swiss VET System. Country Case Study Report (Paris<br />

2008).<br />

2 Vgl. Philipp Gonon: Die Entwicklung und Dynamik der schweizerischen Berufsbildung –<br />

eine akteurs- und pfadgebundene Perspektive (Nationalfonds-Projekt: 100014_125051/1)<br />

(Zürich 2009).<br />

3 Zum «Sonderweg» für die Berufsbildung in Deutschland vgl. Richard Münch: Globale<br />

Eliten, lokale Autoritäten. Bildung und Wissenschaft unter dem Regime von PISA,<br />

McKinsey & Co. (Frankfurt 2009), S. 47 f.<br />

4 Emil <strong>Wettstein</strong> / Raphael Bossy / Franz Dommann / Daniel Villiger: Die Berufsbildung in<br />

der Schweiz – eine Einführung (Luzern 1985).<br />

5 Siehe aber in einem umfassenderen Sinne auch Rolf Dubs: Gutachten zu Fragen der<br />

schweizerischen Berufsbildung (Bern 2005).<br />

Vorwort<br />

7


8<br />

Berufsbildung in der Schweiz<br />

Die Leistung der vorliegenden Veröffentlichung ist nun wiederum darin<br />

zu sehen, dass eine Vielzahl von oft nur verstreut vorliegenden Informationen<br />

aus der Sicht von kundigen Experten, die sich im Feld auskennen (ich zähle<br />

mich unbescheidenerweise als Mitautor auch dazu), geordnet und thematisch<br />

gebündelt werden. Dieser Wissensstand wird mit einschlägigen neueren Veröffentlichungen<br />

und Forschungsergebnissen in Bezug gesetzt.<br />

Neben den faktenmässigen «basics» zur Schweiz und zum Bildungssystem<br />

im Allgemeinen folgen Kapitel zur Berufs- und Wirtschaftspädagogik als<br />

Wissenschafts- und Forschungsdisziplin, zur Geschichte der beruflichen Bildung<br />

in der Schweiz und zu den rechtlichen Grundlagen.<br />

In den folgenden Kapiteln werden übersichtlich die berufliche Grundbildung,<br />

dann im Besonderen die betriebliche Ausbildung, die Berufsfachschulen,<br />

die Ausbildungszentren und die Lehrwerkstätten präsentiert. Zwei Kapitel<br />

befassen sich mit der höheren Berufsbildung als wiederum spezifisch<br />

schweizerischem Phänomen und mit der Weiterbildung.<br />

Zwei weitere Kapitel widmen sich dem Kosten-Nutzen-Verhältnis und der<br />

Finanzierung der Berufsbildung sowie dem Übertritt von der Schule in die<br />

Ausbildung und von dort ins Erwerbsleben. Gerade diese beiden Bereiche<br />

sind nicht nur in politischer Hinsicht von Brisanz und Aktualität, es sind hier<br />

auch hinsichtlich der Forschungslage beachtliche Fortschritte im Vergleich<br />

zum letzten Jahrzehnt zu verzeichnen.<br />

Ein abschliessendes Kapitel versucht, die schweizerische Berufsbildung<br />

in einem internationalen Kontext zu situieren. Hier wird aufgezeigt, dass<br />

Internationalität keineswegs eine neuartige Entwicklung ist und Einflüsse<br />

nicht nur von aussen in die Schweiz eingebracht werden, sondern dass auch<br />

schweizerische Lösungen im Ausland Beachtung finden.<br />

Die Frage, ob das Berufsbildungsmodell, wie wir es insbesondere in Deutschland,<br />

Österreich und der Schweiz kennen, «zeitgemäss» und zukunftsträchtig<br />

sei, ist ein Dauerbrenner in der Berufs- und Wirtschaftspädagogik. 6 Auch<br />

Rudolf Strahm plädiert mit Blick auf die wirtschaftliche Erfolgsgeschichte<br />

der Schweiz in seiner Veröffentlichung Warum wir so reich sind vehement<br />

dafür, der Berufsbildung weiterhin einen bedeutsamen Platz zu sichern. Sie<br />

sei «effizient», gleichzeitig aber gefährdet, wenn sie nicht laufend erneuert<br />

werde. 7 In der Debatte um die Reform der dualen – bzw. trialen – Berufsausbildung<br />

spielt das Konzept des Berufes eine prominente Rolle. Als «organisierendes<br />

Prinzip» ist es der «harte Kern, der flexible Qualifizierung und gesellschaftliche<br />

Integration» der Auszubildenden beziehungsweise Lernenden<br />

gewährleiste. 8 Darüber hinaus wird dem Berufskonzept eine koordinierende<br />

Steuerungsdimension unterstellt. Solche systemtheoretischen Grundlagen<br />

werden jedoch mehr und mehr durch internationale bildungspolitische Setzungen,<br />

aber auch durch eine sich wandelnde Arbeitswelt infrage gestellt.<br />

6 Dieter Münk / Philipp Gonon / Klaus Breuer / Thomas Deissinger (Hrsg.): Modernisierung<br />

der Berufsbildung (Opladen 2008).<br />

7 Rudolf Strahm: Warum wir so reich sind. Wirtschafsbuch Schweiz (Bern 2008).<br />

8 Thomas Deissinger: Beruflichkeit als «organisierendes Prinzip» der deutschen Berufsausbildung<br />

(Markt Schwaben 1998).


Erschwerter Zugang zur beruflichen Grundbildung und später in die<br />

Arbeitswelt lassen die Aufrechterhaltung des bisher Bewährten fraglich<br />

erscheinen, zumal wenn Betriebe selbst sich den Mühen einer Ausbildung<br />

von Lehrlingen nicht mehr unterziehen wollen, sei es, weil sie vielen Jugendlichen<br />

die gestiegenen Anforderungen nicht zumuten, sei es, weil sie selbst<br />

bezüglich ihrer längerfristigen Marktpräsenz im Ungewissen sind.<br />

Als entscheidendes Kriterium für die weiterhin bedeutsame Rolle der<br />

Berufsbildung wird daher ihre permanente Reformbereitschaft gesehen.<br />

Nicht alle Länder und Regionen mit dominant dualer oder trialer Berufsbildung<br />

bewältigen dieses Erfordernis, sich auf Neues einzustellen, gleich, wie<br />

beispielsweise Felix Rauner in seiner Expertise Steuerung der beruflichen Bildung<br />

im internationalen Vergleich festhält. Der Schweiz bescheinigt er im<br />

Zusammenspiel zwischen den legislativen und exekutiven Steuerungsinstrumenten<br />

eine für Deutschland geradezu vorbildhafte Rolle. 9<br />

Neben nüchterner Faktendarlegung, Herleitung des Bestehenden werden<br />

in dieser Einführung auch mittels Fragen am Schluss der Kapitel Themen,<br />

wie sie hier angesprochen werden, einer Vertiefung zugeführt. Es ist erfreulich,<br />

dass es nun wiederum eine kompakte Darstellung zur schweizerischen<br />

Berufsbildung gibt.<br />

Emil <strong>Wettstein</strong> hat in seiner über zwanzigjährigen Lehrtätigkeit an der<br />

Universität Zürich Generationen von Studierenden (unter anderem auch den<br />

hier Schreibenden) nicht nur in diese Vielfalt an Fakten und Fragestellungen<br />

eingeführt, sondern auch die Möglichkeit aufgezeigt, weitere Antworten zu<br />

suchen.<br />

Abschliessend noch einige Worte zum Entstehungsprozess dieser Veröffentlichung.<br />

Der grössere Teil der Kapitel beruht auf Vorlesungsunterlagen<br />

von Dr. Emil <strong>Wettstein</strong>, die er im Hinblick auf diese Publikation gründlich<br />

überarbeitet und erweitert hat. Aus meiner Feder stammen die Kapitel<br />

3, 4 und 14. In einem zweiten Schritt haben wir uns gegenseitig Anregungen<br />

gegeben und Rückfragen gestellt. Danach wurde das Manuskript einigen<br />

ausgewählten Persönlichkeiten mit viel Erfahrung und hoher Expertise in<br />

der Berufsbildung zugesandt. Prof. Dr. Dr. h.c. Rolf Dubs, Dr. Hugo Barmettler<br />

(Bundesamt für Berufsbildung und Technologie BBT) und Peter Sigerist<br />

(Schweizerischer Gewerkschaftsbund SGB) haben sich erfreulicherweise in<br />

diese Lektüre vertieft und uns kritische Rückmeldungen vorgelegt. Ihnen<br />

allen danken wir recht herzlich für ihre Tipps und hilfreichen Kommentare.<br />

Trotzdem ist nicht auszuschliessen, dass sich an der einen oder anderen Stelle<br />

Fehler eingeschlichen haben, für die selbstverständlich wir als Autoren geradestehen<br />

müssen. Wir erhoffen uns dennoch wohlwollende, aber auch kritische<br />

Leser, die in diesem Buch einen Zugang zur schweizerischen Berufsbildung<br />

finden werden.<br />

9 Felix Rauner: Zusammenfassung. In: Bertelsmann Stiftung (Hrsg.): Steuerung der beruflichen<br />

Bildung im internationalen Vergleich (Gütersloh 2009), S. 17.<br />

Vorwort<br />

9


Michael Höntsch, Papieringenieur, Produktionstechnologe,<br />

Papierfabrik Utzenstorf AG


Die Berufsbildung hat grundsätzlich ein doppeltes Ziel: die Persön-<br />

lichkeit der Lernenden zu entwickeln und Nachwuchs für die Wirt-<br />

schaft und andere Bereiche der Arbeitswelt heranzubilden. Das<br />

folgende Kapitel liefert grundlegende Daten zur Bevölkerung, zum<br />

politischen System und zur Arbeitswelt, in der die Berufsbildung ihre<br />

Aufgabe zu erfüllen hat.<br />

Von den 7,5 Millionen ständigen Einwohner / innen der Schweiz leben<br />

zwei Drittel in städtischen Regionen. Knapp 80 Prozent verfügen<br />

über eine nachobligatorische Ausbildung. Gegen ein Viertel ist im<br />

Ausland geboren. Über 80 Prozent der 15- bis 64-Jährigen sind<br />

erwerbstätig, zu fast drei Vierteln im Dienstleistungssektor. Zwei<br />

Drittel der Erwerbstätigen arbeiten in Klein- und Mittelbetrieben.<br />

Drei Ebenen kennzeichnen die politische Struktur unseres Landes:<br />

Bund, Kantone und Gemeinden. Die Berufsbildung ist als Gemeinschaftsaufgabe<br />

konzipiert, die vom Bund und von den Kantonen in<br />

Zusammenarbeit mit den Organisationen der Arbeitswelt ( OdA )<br />

geprägt wird. Eine wichtige Rolle spielt auch das Koor dinationsorgan<br />

der Kantone, das für Bildungsfragen zuständig ist, die Schweizerische<br />

Konferenz der kantonalen Erziehungsdirekto ren ( EDK ).


Kapitel 1<br />

Gesellschaftlicher,<br />

politischer und<br />

wirtschaftlicher Rahmen


14<br />

Berufsbildung in der Schweiz<br />

1<br />

Struktur der Schweizer Bevölkerung<br />

In der Schweiz lebten 2006 7,5 Millionen Menschen. Ein Drittel der Schweizer<br />

Bevölkerung wohnt in den Agglomerationen der fünf Grossstädte Zürich<br />

( 1,1 Mio. Einwohner ), Genf ( 0,497 Mio. ), Basel ( 0,487 Mio. ), Bern ( 0,345 Mio. )<br />

und Lausanne ( 0,313 Mio. ). Ein weiteres Drittel lebt in den übrigen städtischen<br />

Regionen und das dritte Drittel in den ländlichen Gebieten.<br />

Die Zahl der ständigen Einwohner / innen hat innert zehn Jahren um<br />

6 Prozent zugenommen. In den grossen Agglomerationen blieb sie mehr oder<br />

weniger konstant, in den übrigen städtischen Regionen nahm sie zu, in den<br />

ländlichen ab.<br />

Bekanntlich wird unsere Bevölkerung immer älter: Die grösste Gruppe<br />

bilden heute die 40- bis 44-Jährigen ( 2006: 642 000 1 ), die Zahl der Geburten<br />

liegt um rund 40 Prozent tiefer ( Abbildung 1-1 ). Die Zahl der 15-Jährigen<br />

betrug im Jahr 2006 90 600 Personen.<br />

Von den 447 200 15- bis 19-Jährigen ( 2006 ) sind 81,4 Prozent Schweizerinnen<br />

und Schweizer, 7,2 Prozent Ausländerinnen und Ausländer, die in der<br />

Schweiz geboren sind, und 11,4 Prozent solche, die im Ausland geboren sind,<br />

davon stammen zwei Drittel ( rund 7 Prozent ) aus Staaten ausserhalb des<br />

Sprachraums, in dem sie leben. 2<br />

Fast ein Viertel aller Einwohner / innen der Schweiz ( 23 Prozent ) ist im<br />

Ausland geboren. Die Mehrzahl wandert erst im Erwachsenenalter ein<br />

( Abbildung 1-51* ). 3<br />

Im Zusammenhang mit der Berufsbildung interessiert natürlich der Bildungsstand<br />

der Bevölkerung: Rund 85 Prozent haben eine nachobligatorische<br />

Ausbildung ( Kapitel 2-4 und Abbildung 1-52 * ) besucht, 81 Prozent<br />

der Frauen und 89 Prozent der Männer. 1980 beliefen sich die entsprechenden<br />

Bevölkerungsanteile erst auf 50 Prozent ( Frauen ) und 66 Prozent ( Männer<br />

). 4<br />

Abbildung 1- 2 zeigt, welches der höchste Bildungsabschluss ist, der<br />

erreicht wurde, und wie sich das Verhältnis in den letzten 25 Jahren verändert<br />

hat: Eindrücklich ist die Reduktion des Anteils der Ungelernten, der bei den<br />

25- bis 64-jährigen Frauen von über 50 Prozent auf knapp 18 Prozent gesunken<br />

ist, bei den Männern von 33,9 Prozent auf 10,4 Prozent. Der Anteil der<br />

Personen, die als höchste Ausbildung eine Berufslehre abgeschlossen oder<br />

eine Mittelschule besucht haben, liegt während der ganzen Periode bei gut<br />

1 Bundesamt für Statistik ( Hrsg. ): Demografisches Porträt der Schweiz, Ausgabe 2007<br />

( Neuenburg 2007 ), S. 70.<br />

2 Diese Berechnungen basieren auf Quellen des BFS für 2006: Ausländische Wohnbevölkerung:<br />

petra-T11-18 ( su-d-01.03.01.01.26 ) und petra-T11-19 ( su-d-01.03.01.01.27 ) und<br />

ständige Wohnbevölkerung nach Alter und Geschlecht ( je-d-01.02.01.02.03 ).<br />

3 Die Berechnungen basieren auf Quellen des BFS für 2006: Einwanderung der ständigen<br />

Wohnbevölkerung nach Alter, Staatsangehörigkeit und Geschlecht, 2006, petra-T12-04<br />

( su-d-01.03.02.02.03.xls ).<br />

4 Panorama, Heft 3 / 2000, S. 13.<br />

* Mit Stern gekennzeichnete Abbildungen finden sich im Internet: www.bb09.ch.


98<br />

91<br />

84<br />

77<br />

70<br />

63<br />

56<br />

49<br />

42<br />

35<br />

28<br />

21<br />

14<br />

7<br />

0<br />

60 000 40 000 20 000 20 000 40 000 60 000<br />

2.7% 3.7%<br />

3.5%<br />

6.0%<br />

5.0%<br />

6.1%<br />

37.8%<br />

50.5%<br />

48.4%<br />

36.8%<br />

9.0%<br />

4.6%<br />

10.4%<br />

54.8%<br />

21.2%<br />

16.7%<br />

6.5%<br />

10.2%<br />

48.9%<br />

17.7%<br />

0%<br />

10%<br />

20%<br />

30%<br />

40%<br />

50%<br />

60%<br />

70%<br />

80%<br />

90%<br />

100%<br />

8.0% 8.5%<br />

10.3%<br />

2.9%<br />

44.9%<br />

33.9%<br />

14.3%<br />

2.6%<br />

50.3%<br />

24.2%<br />

1 Gesellschaftlicher, politischer und wirtschaftlicher Rahmen<br />

20.1%<br />

13.5%<br />

5.3%<br />

49.5%<br />

25.9%<br />

13.6%<br />

6.1%<br />

44.0%<br />

11.6% 10.4%<br />

1980 1990 1999 2007 1980 1990 1999 2007<br />

Frauen Männer<br />

Abbildung 1-1<br />

Altersaufbau der<br />

Bevöl kerung 2006<br />

Männer CH<br />

Frauen CH<br />

Männer Ausl.<br />

Frauen Ausl.<br />

Abbildung 1-2<br />

Bildungsstand der Bevölkerung<br />

– Entwicklung<br />

1980 –2007<br />

15<br />

Hochschulen<br />

Höhere Berufsbildung<br />

Sekundarstufe II<br />

Allgemeinbildung<br />

Sekundarstufe II<br />

Berufsbildung<br />

Ohne nachobligatorische<br />

Ausbildung


16<br />

Berufsbildung in der Schweiz<br />

der Hälfte. Zugenommen haben vor allem die Abschlüsse auf Tertiärstufe,<br />

bei den Frauen von rund 6 Prozent auf 33 Prozent, bei den Männern von<br />

18 auf knapp 40 Prozent. 5<br />

2<br />

Politische Akteure der Berufsbildung<br />

Die Berufsbildung ist in der Schweiz als Gemeinschaftsaufgabe der öffentlichen<br />

Hand und der Organisationen der Arbeitswelt ( OdA ) konzipiert<br />

( Abschnitt 2.5 dieses Kapitels und Kapitel 5-2.2 ).<br />

Von den drei Ebenen, die die politische Struktur der Schweiz bestimmen<br />

( Bund, Kantone und Gemeinden ), sind für die Berufsbildung vor allem Bund<br />

und Kantone von Bedeutung. In manchen Kantonen übernehmen auch die<br />

Bezirke gewisse Aufgaben, unter anderem bei der Berufsberatung.<br />

2.1<br />

Bund<br />

Die Legislative – das Parlament – umfasst zwei Kammern, den Nationalrat<br />

( 200 Mitglieder ) und den Ständerat ( 46 Mitglieder ). Für wichtige Themenbereiche<br />

werden ständige Kommissionen eingesetzt. So gibt es in jeder Kammer<br />

für das Bildungswesen eine «Kommission für Wissenschaft, Bildung und<br />

Kultur» ( WBK ).<br />

Die Regierung der Schweiz ( Exekutive ) besteht aus den sieben Mitgliedern<br />

des Bundesrats, die von der Vereinigten Bundesversammlung ( grosse<br />

und kleine Kammer des Parlaments ) gewählt werden.<br />

Für die Berufsbildung ist seit Jahrzehnten das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement<br />

( EVD ) zuständig, genauer: die Abteilung Berufsbildung<br />

des Bundesamtes für Berufsbildung und Technologie ( BBT ).<br />

Der Bildungsbereich, den das BBT betreut, umfasste 2006 200 000 Lernende<br />

in der beruflichen Grundbildung, 24 000 Absolvent / innen der höheren<br />

Berufsbildung und 49 000 Studierende an Fachhochschulen.<br />

Im Rahmen seiner Tätigkeit steht das BBT mit seinen 140 Mitarbeitenden<br />

( Stand 2006, inkl. Innovationsförderung ) unter anderem mit den 26 Kantonen<br />

und ihren Bildungsinstitutionen in Kontakt, ferner mit rund 600 Berufsverbänden<br />

sowie den sieben öffentlichen und zwei privaten Fachhochschulen.<br />

Das Budget des BBT belief sich auf rund 963 Millionen Franken, davon gingen<br />

491 Millionen in die Berufsbildung, 298 Millionen in die Fachhochschulen und<br />

126 Millionen in die Förderung des Wissens- und Technologietransfers zwischen<br />

Unternehmen und Hochschulen ( Innovationsförderung ). 6<br />

5 Bei den Werten für die Jahre 1980 und 1990 wurden Anlehren und ähnliche Ausbildungen<br />

noch zum Wert «ohne nachobligatorischen Abschluss» gezählt, später zu «Sek II –<br />

Berufsbildung». Die höheren Fachschulen, die später zu Fachhochschulen wurden, wurden<br />

bis und mit 1990 zur höheren Berufsbildung gezählt, später zu den Hochschulen.<br />

Quellen: BFS 2000 ( vgl. Panorama, Heft 3 / 2000, ‹www.panorama.ch/files/2076.pdf›,<br />

Zugriff: 11. 5. 2009 ) und BFS 2008.<br />

6 ‹www.bbt.admin.ch / bbt / portraet›.


1 Gesellschaftlicher, politischer und wirtschaftlicher Rahmen<br />

Andere Bereiche des Bildungswesens sind dem Eidgenössischen Departement<br />

des Innern ( EDI ) zugeordnet. Das Parlament wünscht allerdings, dass<br />

in absehbarer Zeit alle diese Bereiche in einem Departement konzentriert<br />

werden oder dass ein eigenes Bildungsdepartement geschaffen wird.<br />

2.2<br />

Kantone<br />

Wie der Bund verfügt auch jeder Kanton über eine Exekutive, mehrheitlich<br />

«Regierungsrat» genannt, und ein Parlament, meist «Kantonsrat» oder «Grosser<br />

Rat» genannt. Auch auf kantonaler Ebene führt jedes Exekutivmitglied<br />

ein Departement oder mehrere ( auch Direktionen genannt ). In den meisten<br />

Kantonen wurde die Berufsbildung lange Zeit von der jeweiligen Volkwirtschaftsdirektion<br />

betreut. Seit einigen Jahren ist aber in fast allen Kantonen<br />

die Bildungsdirektion zuständig.<br />

Wie in Kapitel 5-2 dargestellt wird, ist der Vollzug der Vorschriften über<br />

die Berufsbildung grossenteils den Kantonen übertragen, wozu diese eine<br />

entsprechende Dienststelle einzurichten haben, ein «Amt für Berufsbildung».<br />

Vielerorts sind diese Ämter aus dem jeweiligen Kantonalen Amt für Industrie,<br />

Gewerbe und Arbeit ( KIGA ) entstanden, wie das BBT seinerseits aus dem<br />

Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit ( BIGA ).<br />

Die Berufsbildungsämter betreuen aber nicht alle Aspekte der Berufsbildung:<br />

Der Vollzug des Arbeitsgesetzes ist auf kantonaler Ebene mehrheitlich<br />

Aufgabe der KIGA, heute oft «Amt für Wirtschaft und Arbeit» ( AWA )<br />

genannt. Die KIGA sind auch zuständig für die Massnahmen zur Verbesserung<br />

des Übergangs zwischen Bildungssystem und Arbeitswelt, die aus der<br />

Arbeitslosenversicherung finanziert werden ( Kapitel 13-2.3 und Kapitel<br />

13-3.3 )<br />

2.3<br />

Gemeinden<br />

Wie Bund und Kantone sind auch die Gemeinden ( Kommunen ) insofern<br />

selbstständig, als sie über eigene Mittel und politische Behörden verfügen.<br />

Für die Berufsbildung sind die Gemeinden aber nur noch von geringer<br />

Bedeutung.<br />

2.4<br />

Interkantonale Koordination<br />

Auf Ebene der Kantone und der Gemeinden existiert eine Vielfalt von Koordinationsgremien.<br />

Für die Berufsbildung ist vor allem dasjenige der Bildungsdirektionen<br />

der Kantone, die Schweizerische Konferenz der kantonalen<br />

Erziehungsdirektoren ( EDK ), und deren Schweizerische Berufs bildungs ämter-<br />

Konferenz ( SBBK ) von Bedeutung. Wir gehen in Kapitel 5-1.2 auf diese<br />

Gremien ein.<br />

2.5<br />

Organisationen der Arbeitswelt ( OdA )<br />

Eine Beschreibung von Bund, Kantonen und Gemeinden erfasst die politische<br />

Struktur des Landes nur unvollständig. Die entscheidenden Impulse<br />

kommen oft von Verbänden. Sie haben einen sehr grossen Einfluss auf den<br />

17


18<br />

Berufsbildung in der Schweiz<br />

Ablauf der Entscheidungsprozesse, es werden ihnen aber auch wichtige Vollzugsaufgaben<br />

übertragen ( parastaatliche Verwaltung ).<br />

Für die Berufsbildung sind vor allem die Berufsverbände und deren<br />

Zusammenschlüsse, die Spitzenverbände, wichtig. Es gibt sie auf nationaler,<br />

kantonaler und teilweise auch auf regionaler und kommunaler Ebene.<br />

Der Schweizerische Gewerbeverband ( SGV ) 7 darf für sich beanspruchen,<br />

dass er im 19. Jahrhundert den Anstoss zur Schaffung der dualen Berufsbildung<br />

gegeben hat ( Kapitel 4-3.3 ff.). Der SGV ist einerseits die Dachorganisation<br />

der für die einzelnen Berufe oder Branchen zuständigen rund<br />

210 Berufsverbände und fasst andererseits die 25 kantonalen Gewerbeverbände<br />

zusammen.<br />

Der Schweizerische Arbeitgeberverband 8 vertritt eher die grösseren Arbeitgeber.<br />

Es gehören ihm 36 Branchenarbeitgeberverbände und 42 lokale oder<br />

regionale Arbeitgeberverbände an, in denen Unternehmen mit insgesamt<br />

rund einer Million Arbeitnehmenden organisiert sind.<br />

Der grösste Spitzenverband der Arbeitnehmer ist der Schweizerische<br />

Gewerkschaftsbund ( SGB ) 9 mit rund 400 000 Mitgliedern. Ihm sind 16 Einzelgewerkschaften<br />

mit kantonalen und lokalen Gewerkschaften sowie kantonale<br />

respektive lokale Gewerkschaftsbünde angeschlossen.<br />

travail.suisse 10 ist der Dachverband der christlichen Gewerkschaften. Ihm<br />

haben sich auch Angestelltenverbände angeschlossen. Total vertritt er<br />

11 Verbände mit rund 160 000 Mitgliedern.<br />

Es gibt auch Verbände, die keiner dieser Spitzenorganisationen angehören.<br />

Für die Berufsbildung von besonderer Bedeutung ist der Kaufmännische<br />

Verband Schweiz ( KV Schweiz ) 11 , dessen lokale Sektionen teilweise Trägerorganisationen<br />

der kaufmännischen Berufsfachschulen sind.<br />

Bis vor wenigen Jahren waren das Bundesgesetz über die Berufsbildung<br />

und die oben erwähnten Behörden ausschliesslich für die Berufsbildung in<br />

Gewerbe, Industrie, Handel und Dienstleistungen zuständig. Seit der Revision<br />

dieses Gesetzes, erlassen im Jahre 2002, ist auch die Berufsbildung der<br />

Bereiche Gesundheit, Soziales und Kunst dem Gesetz unterstellt. Diese Bereiche<br />

sind aber nur zum kleinsten Teil durch die oben erwähnten Verbände<br />

repräsentiert, weshalb auch andere Organisationen wie Lehrmeistervereinigungen<br />

Aufgaben im Bereich der Berufsbildung übernehmen mussten.<br />

Man spricht heute deshalb nicht mehr von Berufsverbänden, sondern von<br />

«Organisationen der Arbeitswelt» ( OdA ). Sie haben zwei Koordinationsorgane<br />

gebildet, die Bildungsgewerkschaften 12 und den SQUF 13 , das Arbeitgeber-Netzwerk<br />

für Berufsbildung.<br />

Die Aufgaben der OdA sind äusserst vielfältig, wie in Abschnitt 2.7<br />

dieses Kapitels aufgezeigt wird.<br />

7 ‹www.sgv-usam.ch›.<br />

8 ‹www.arbeitgeber.ch›.<br />

9 ‹www.sgb.ch›.<br />

10 ‹www.travailsuisse.ch›.<br />

11 ‹www.kvschweiz.ch›.<br />

12 ‹www.bildungsgewerkschaften.ch›.<br />

13 ‹www.squf.ch›.


2.6<br />

Politische Parteien<br />

1 Gesellschaftlicher, politischer und wirtschaftlicher Rahmen<br />

Die Positionen der politischen Parteien stimmen im Bereich der Berufsbildung<br />

weitgehend mit denjenigen der ihnen nahestehenden Wirtschaftsverbände<br />

überein.<br />

Sofern sie sich zur Berufsbildung äussern, unterstützen sie durchwegs die<br />

berufliche Grundbildung, die höhere Berufsbildung und die Weiterbildung:<br />

«Die Kombination von betrieblicher Lehre und öffentlicher Berufsfachschule<br />

( duales System ) hat sich bewährt und ist ausländischen Modellen der Berufsbildung<br />

überlegen» 14 ( Schweizerische Volkspartei, SVP ). «Attraktive Berufslehren<br />

für Lehrlinge und Arbeitgeber bilden die Grundlage für den Werkplatz<br />

Schweiz» 15 ( Freisinnig-Demokratische Partei, FDP ). «Die Berufsbildung<br />

ist sowohl für die Volkswirtschaft ( hohe Produktivität, hohe Konkurrenzfähigkeit,<br />

hohes Lohnniveau, Bewältigung des Strukturwandels ) als auch für<br />

die berufliche Entfaltung aller in der Erwerbsarbeit entscheidend» 16 ( Sozialdemokratische<br />

Partei, SP ). « Die Berufsbildung – weiterhin ein attraktiver<br />

Weg» 17 ( Christlichdemokratische Volkspartei, CVP ).<br />

Im Übrigen widerspiegeln die Aussagen der Parteien zur Berufsbildung<br />

im Wesentlichen ihre politischen Grundhaltungen, was hier an der Frage<br />

aufgezeigt werden soll, wie die Zahl der Lehrstellen zu erhöhen sei:<br />

•<br />

•<br />

•<br />

•<br />

Die SVP verlangt administrative und steuerliche Entlastungen für die<br />

Lehrbetriebe und eine bessere Vorbereitung der Jugendlichen durch die<br />

Volksschule.<br />

FDP und CVP fordern Steuererleichterungen, die Abschaffung von<br />

Gebühren, Vorteile für ausbildende Betriebe bei öffentlichen Ausschreibungen<br />

und ein vorbildliches Verhalten der öffentlichen Hand.<br />

Die SP postuliert eine grundsätzliche Verpflichtung der Unternehmen zur<br />

Beteiligung an Aus- und Weiterbildung und dass Betriebe, die sich nicht<br />

in der Lehrlingsausbildung engagieren, von öffentlichen Aufträgen und<br />

Konzessionen ausgeschlossen werden. Der Bund soll dafür sorgen, dass<br />

genügend Berufsbildungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Das Recht<br />

auf eine ausreichende berufliche Ausbildung soll gewährleistet werden.<br />

Die Grünen ( GP ) sehen die Lösung in einem «Anreizsystem» ( ohne<br />

nähere Angaben ) und in der Unterstützung der Lehrmeister. 18<br />

CVP und SP verlangen eine massive Reduktion der Zahl der Lehrberufe und<br />

deren Zusammenfassung in Berufsfeldern. Zur Verbesserung der Qualität<br />

der Berufslehren ( deren Niveau zwar von keiner Partei angezweifelt wird )<br />

14 SVP: Wahlplattform 2007–2010, ‹www.svp.ch / file / wahlplattform07-11-d.pdf› ( Zugriff:<br />

10.7.2008 ).<br />

15 FDP: Bildung – Unser Rezept für mehr Beschäftigung. Unser Weg in die Wissensgesellschaft.<br />

Positionspapier vom 8. April 2000.<br />

16 SP: Bildungsthesen vom 31. März 2001, ‹www.sp-ps.ch › ( Zugriff: 10. 7. 2008 ).<br />

17 CVP: Positionspapier «Berufsbildung» vom 13. März 1999, ‹www.cvp.ch › ( Zugriff:<br />

10. 7. 2008 ).<br />

18 Bereits genannte Quellen und zusätzlich: CVP: Parteiprogramm der CVP Schweiz,<br />

18. September 2004 ; CVP: Wahlvertrag 07 vom 20. Januar 2007 ; Grüne Partei: Wahlplattform<br />

2007, ‹www.gruene.ch› ( Zugriff: 10. 7. 2008 ): Grüne Partei: Grüne Positionen zur<br />

Bildungspolitik, ‹www.gruene.ch› ( Zugriff: 10. 7. 2008 ).<br />

19


20<br />

Berufsbildung in der Schweiz<br />

soll die Zusammenarbeit zwischen den Lernorten verbessert werden ( FDP ),<br />

sollen Qualitätskontrollen für Lehrbetriebe eingeführt werden ( FDP ), schwächere<br />

Jugendliche unterstützt ( CVP, SP ), das schulische Angebot verbessert<br />

und selektiv Basislehrjahre eingeführt werden ( SP ).<br />

Die SVP lehnt Berufsbildungsfonds ( Kapitel 12-4 ) ab, die SP setzt sich<br />

für deren Einführung ein.<br />

Mehrere Parteien verlangen eine Stärkung ( GP ) beziehungsweise eine<br />

Aufwertung der Attraktivität der Berufsbildung gegenüber dem Weg über<br />

die Gymnasien ( SVP, FDP, SP ). Die SVP sieht in den ECVET-Credits 19 einen<br />

Weg zu diesem Ziel. Die SP möchte, dass man Berufsbildung und Mittelschulen<br />

vermehrt als Einheit begreift. 20<br />

2.7<br />

Berufsbildung als Verbundaufgabe<br />

Das 2002 erlassene Berufsbildungsgesetz beginnt mit dem Satz «Die Berufsbildung<br />

ist eine gemeinsame Aufgabe von Bund, Kantonen und Organisationen<br />

der Arbeitswelt». Dies zeigt die Bedeutung, welche die Zusammenarbeit<br />

von Bund, Kantonen und Organisationen der Arbeitswelt hat.<br />

Dieses Zusammenwirken äussert sich in unterschiedlichster Art: Es gibt<br />

kaum eine Kommission, in der nicht alle drei Verbundpartner vertreten sind,<br />

so auch in der Eidgenössischen Berufsbildungskommission, dem Beratungsorgan<br />

der Bundesbehörden «in allgemeinen Fragen der Berufsbildung, in<br />

Fragen der Entwicklung und der Koordination und deren Abstimmung mit<br />

der allgemeinen Bildungspolitik». 21 Die <strong>Inhalt</strong>e der Lehrgänge der beruflichen<br />

Grundbildung und der Prüfungen der höheren Berufsbildung werden<br />

entscheidend von den jeweiligen OdA geprägt, und sie sind auch federführend,<br />

wenn es um deren Anpassung an die Entwicklungen der Praxis<br />

geht. 22<br />

Gibt es einen Mangel an Lehrstellen, so treten die Behörden als Erstes an<br />

die OdA heran, denn sie haben den Kontakt zu den Lehrbetrieben.<br />

Für die Lehrabschlussprüfungen sind die Kantone zuständig. In gewissen<br />

Regionen und in bestimmten Berufen ist aber deren Durchführung an OdA<br />

delegiert. Die OdA sorgen auch für Nachwuchs bei den vielen Tausend<br />

Expertinnen und Experten, die die Prüfungen abnehmen, eine sehr<br />

anspruchsvolle und zeitaufwendige Funktion, deren Ausübung angesichts<br />

der bescheidenen Entschädigungen als ehrenamtlich betrachtet werden<br />

muss.<br />

OdA sind auch Träger gewisser Berufsfachschulen ( die Kosten werden<br />

allerdings von der öffentlichen Hand getragen ). Sie führen die Berufs- und<br />

19 Vgl. European Credit Transfer System for Vocational Education and Training, ein von der<br />

EU-Kommission geplantes Leistungspunktesystem für die berufliche Erstausbildung, analog<br />

zum European Credit Transfer System im europäischen Hochschulraum ( ECTS,<br />

Kapitel 14.3 ).<br />

20 Die Aussagen basieren auf einer Auswertung der im Juni 2008 auf den jeweiligen Webseiten<br />

publizierten Parteiprogramme und Positionspapiere.<br />

21 BBG, Art. 70.<br />

22 In den «Verordnungen über die berufliche Grundbildung» jedes Berufs ist dafür jeweils<br />

eine «Schweizerische Kommission für Berufsentwicklung und Qualität» vorgesehen.


1 Gesellschaftlicher, politischer und wirtschaftlicher Rahmen<br />

höheren Fachprüfungen durch. Sie sind verantwortlich für die «überbetrieblichen<br />

Kurse» und führen Ausbildungszentren. – Kurz: Ohne OdA würde<br />

die Schweizer Berufsbildung nicht funktionieren.<br />

Die OdA sind sich ihrer Bedeutung aber auch bewusst. Veränderungen<br />

sind nur dann «politisch machbar», wenn die betroffenen OdA einverstanden<br />

sind, und sie verteidigen denn auch energisch ihren Einfluss gegen «Übergriffe»<br />

der öffentlichen Hand.<br />

3<br />

Wirtschaftliche Rahmenbedingungen der<br />

Berufsbildung<br />

Die Rahmenbedingungen der Berufsbildung werden durch die Wirtschaftstätigkeit<br />

und die Wirtschaftsentwicklung geprägt. Auch wenn viele Absolventinnen<br />

und Absolventen der beruflichen Grundbildung in anderen Bereichen<br />

der Arbeitswelt arbeiten, zum Beispiel in kantonalen Spitälern oder der Bundesverwaltung,<br />

steht die Wirtschaft nach wie vor im Zentrum der Überlegungen,<br />

wenn es um Ziele, <strong>Inhalt</strong>e und Strukturen der Berufsbildung geht.<br />

3.1<br />

Erwerbstätige<br />

Im zweiten Quartal 2007 waren von der ständigen Wohnbevölkerung im Alter<br />

zwischen 15 und 64 Jahren 81,6 Prozent erwerbstätig ( 88,2 Prozent der Männer<br />

und 75 Prozent der Frauen ). 23<br />

2002 2003 2004 2005 2006 2007 Anteil<br />

2007<br />

Arbeitnehmende 3086 3071 3120 3138 3195 3240 79 %<br />

Lernende 207 198 196 199 211 216 5 %<br />

Selbstständige, einschliesslichmitarbeitende<br />

Familienmitglieder<br />

672 694 643 637 645 665 16 %<br />

Total 3965 3963 3959 3974 4051 4121 100 %<br />

3.1.1 Erwerbstätige nach Sektoren und Wirtschaftsbereichen<br />

Tabelle 1-2 zeigt, dass im Sektor I ( Landwirtschaft, Forstwirtschaft ) knapp<br />

4 Prozent der Erwerbstätigen arbeiten und der Sektor II ( Industrie und<br />

Gewerbe ) knapp ein Viertel beschäftigt. Fast drei Viertel sind im Sektor III<br />

( Dienstleistungen ) tätig. 25<br />

23 ‹www.bfs.admin.ch / bfs / portal / de / index / themen / 03 / 02 / blank / key / erwerbsquote.html›<br />

( Zugriff: 14. 11. 2008 ).<br />

24 BFS 2007, Tabelle je-d-03.02.01.03.<br />

25 Erwerbstätige: Bundesamt für Statistik, Erwerbstätigenstatistik ( ETS ), Tabelle 3.1<br />

( je-d-03.02.01.06.xls ) ; Anteil Lehrstellen: BFS, Lehrstellen an Arbeitsstellen, Tabelle<br />

ind40402d_v2_tabk.xls, aus Betriebszählung 2005.<br />

Tabelle 1-1<br />

Erwerbstätige nach<br />

Erwerbsstatus, jeweils<br />

2. Quartal, in Tausend 24<br />

21


22<br />

Berufsbildung in der Schweiz<br />

Tabelle 1-2<br />

Erwerbstätige 2006,<br />

Jahresdurchschnitt,<br />

in Tausend und in Prozent<br />

Erwerbs tätige Anteil an den<br />

Erwerbs tätigen<br />

( % )<br />

Anteil<br />

Lehrstellen<br />

( % )<br />

TOTAL 4304 100 5.6<br />

SEKTOR I 162 3.8<br />

SEKTOR II 1023 23.8 6.6<br />

Baugewerbe 303 7.0 9.7<br />

Maschinenbau 104 2.4 7.0<br />

Herstellung von Metallerzeugnissen 87 2.0 6.6<br />

Herstellung von medizinischen<br />

Geräten, Präzisionsinstrumenten ;<br />

Uhren<br />

85 2.0 3.4<br />

Chemische Industrie 68 1.6<br />

Herstellung von Nahrungsmitteln<br />

und Getränken<br />

Verlags- und Druckgewerbe,<br />

Vervielfältigung<br />

Übrige Abteilungen Sektor II<br />

( Anteil < 1 % )<br />

60 1.4<br />

48 1.1<br />

269 6.3<br />

SEKTOR III 3119 72.5 5.2<br />

Gesundheits- und Sozialwesen 497 11.5 5.3<br />

Erbringung von Dienstleistungen<br />

für Unternehmen<br />

Detailhandel ; Reparatur von<br />

Gebrauchsgütern<br />

387 9.0 4.6<br />

344 8.0 9.7<br />

Unterrichtswesen 280 6.5<br />

Gastgewerbe 244 5.7 4.1<br />

Handelsvermittlung und<br />

Gross handel<br />

Öffentliche Verwaltung ; Landesverteidigung,<br />

Sozialversicherung<br />

209 4.9<br />

185 4.3<br />

Kreditgewerbe 134 3.1<br />

Landverkehr ; Transport in<br />

Rohr fernleitungen<br />

Handel, Reparatur von Autos ;<br />

Tankstellen<br />

109 2.5<br />

99 2.3<br />

Nachrichtenübermittlung 88 2.0<br />

Informatikdienste 73 1.7<br />

Unterhaltung, Kultur und Sport 66 1.5<br />

Nebentätigkeiten für den Verkehr ;<br />

Reisebüros<br />

Interessenvertretungen und<br />

sonstige Vereinigungen<br />

65 1.5<br />

60 1.4<br />

Versicherungsgewerbe 57 1.3<br />

Private Haushalte 53 1.2<br />

Persönliche Dienstleistungen 49 1.1<br />

Übrige Abteilungen Sektor III<br />

( Anteil < 1 % )<br />

122 2.8


1 Gesellschaftlicher, politischer und wirtschaftlicher Rahmen<br />

In Abschnitt 1 dieses Kapitels haben wir gezeigt, dass heute rund 85 Prozent<br />

der Bevölkerung eine nachobligatorische Ausbildung besucht haben,<br />

der Abbildung 1-2 lässt sich ferner entnehmen, dass etwa zwei Drittel der<br />

heute 25- bis 64-jährigen Personen eine Berufsbildung absolviert haben. 26<br />

Wenn wir annehmen, dass diese Personen im Durchschnitt während 40 Jahren<br />

berufstätig sind, dass die Zahl der Arbeitenden konstant bleibt und keine<br />

Wanderbewegungen stattfinden, so scheiden jährlich 2,5 Prozent der gelernten<br />

Berufsleute aus dem Erwerbsleben aus und müssen durch Jugendliche<br />

ersetzt werden, die eine Berufslehre abschliessen. Eine berufliche Grundbildung<br />

dauert durchschnittlich etwa drei Jahre, sodass der Anteil der Lernenden<br />

zwei Drittel von 7,5 Prozent der Erwerbsbevölkerung betragen muss,<br />

also 5 Prozent. Dies entspricht recht gut den Angaben in Tabelle 1-2. Insofern<br />

erfüllt also die Berufsbildung ihre Aufgabe bei der Deckung des Nachwuchsbedarfs,<br />

gerechnet über die Bevölkerung als Ganzes.<br />

3.1.2 Arbeitslosigkeit<br />

Bei Statistiken zur Arbeitslosigkeit sind verschiedene Begriffe und Angaben<br />

zu unterscheiden: Als Arbeitslose gelten beim Bundesamt für Statistik Personen,<br />

die bei einem regionalen Arbeitsvermittlungszentrum ( R AV ) als arbeitslos<br />

registriert sind. Stellensuchende meint registrierte Arbeitslose und nicht<br />

arbeitslose Personen, die beim R AV gemeldet sind und eine Stelle suchen.<br />

Der Begriff Erwerbslose wird für Personen verwendet, die nach den internationalen<br />

Definitionen arbeitslos sind: Personen ohne Erwerbsarbeit und<br />

auf Stellensuche ; die Einschreibung beim R AV ist hier kein Kriterium.<br />

Die Zahlen zur Arbeitslosigkeit werden durch Daten über die Unterbeschäftigten<br />

ergänzt. Hier handelt es sich um teilzeiterwerbstätige Personen,<br />

die mehr arbeiten möchten. Weiter wird teilweise der Jahresdurchschnitt aufgeführt<br />

und teilweise die zu einem bestimmten Zeitpunkt existierende<br />

Arbeitslosigkeit. Schliesslich werden «saisonbereinigte» Verläufe publiziert.<br />

Darin sind jahreszeitliche Einflüsse, wie beispielsweise Ferienzeiten oder Jahreszeitenwechsel,<br />

kompensiert.<br />

Wenden wir uns nun der Entwicklung der Arbeitslosenzahlen im 20. Jahrhundert<br />

zu. 27 Im Zusammenhang mit der Berufsbildung interessiert vor allem<br />

der Verlauf bei den Jugendlichen. Die Details für die letzten 15 Jahre sind<br />

Abbildung 1-3 zu entnehmen.<br />

Die Entwicklung bei den jungen Erwachsenen entspricht derjenigen der<br />

ganzen Bevölkerung, verändert durch den Lehrabschluss im Sommer. Auch<br />

bei den 15- bis 19-Jährigen folgt die Arbeitslosenquote der Lage auf dem<br />

26 Personen mit einer Berufsbildung als höchstem Abschluss, zuzüglich Absolvent / innen<br />

einer höheren Berufsbildung und der Fachhochschulen, denn diese haben vorher auch<br />

eine Berufslehre absolviert.<br />

27 Vgl. Historisches Lexikon der Schweiz, Schlagwort «Arbeitslosigkeit», verfasst von<br />

Bernard Degen, Stand 11. 2. 2005 ( ‹www.hls-dhs-dss.ch / textes / d / D13924.php›, Zugriff:<br />

14. 11. 2008 ) und Abbildung 1-53 * .<br />

* Mit Stern gekennzeichnete Abbildungen finden sich im Internet: www.bb09.ch.<br />

23


24<br />

Berufsbildung in der Schweiz<br />

Tabelle 1-3<br />

Marktwirtschaftliche<br />

Unternehmen und dort<br />

Beschäftigte 2005<br />

gesamten Arbeitsmarkt, wobei aber nicht im Winter die höchsten Zahlen<br />

erreicht werden, sondern nach Ende des Schuljahres.<br />

Wie gesagt – diese Kurven zeigen nur, wie viele Personen bei den R AV als<br />

Arbeitslose registriert sind. In Abbildung 1-4 sind nun die in den R AV<br />

registrierten arbeitslosen 15- bis 24-Jährigen den gleichaltrigen Erwerbslosen<br />

gemäss obiger Definition gegenübergestellt. Man sieht, dass in den letzten<br />

Jahren nur etwa die Hälfte der Erwerbslosen dieser Altersgruppe bei den<br />

R AV registriert wurde.und registrierte Arbeitslose<br />

3.2<br />

Unternehmensstruktur<br />

Unternehmen werden in zwei Grössenklassen unterteilt. Ein Grossunternehmen<br />

beschäftigt 250 und mehr Vollzeitäquivalente ( Mitarbeitende, umgerechnet<br />

auf Vollzeittätigkeit ), Klein- und Mittelbetriebe ( KMU ) weniger als<br />

250 Vollzeitäquivalente.<br />

Die KMU werden weiter in drei Untergruppen aufgeteilt: in Kleinst-,<br />

Klein- und Mittelunternehmen:<br />

• Kleinstunternehmen: 0 bis 9 Vollzeitäquivalente,<br />

• Kleinunternehmen: 10 bis 49 Vollzeitäquivalente,<br />

• Mittelunternehmen: 50 bis 249 Vollzeitäquivalente.<br />

Der Anteil der marktwirtschaftlichen ( ! ) Grossunternehmen an allen Unternehmen<br />

beträgt nur gut 0,3 Prozent ( öffentliche Verwaltungen, öffentliche<br />

Hochschulen und Spitäler usw. sind in diesen Zahlen nicht enthalten ). Sie<br />

beschäftigen aber 33 Prozent der Arbeitnehmenden, die KMU 67 Prozent<br />

( Tabelle 1-3 ).<br />

Grossunternehmen<br />

( > 250 Beschäftigte )<br />

Mittlere Unternehmen<br />

( 50 – 249 Beschäftigte )<br />

Kleine Unternehmen<br />

( 10 – 49 Beschäftigte )<br />

Kleinstunternehmen<br />

( < 10 Beschäftigte )<br />

Anteil Unternehmen in % Anteil Beschäftigte in %<br />

0.34 % 32.92 %<br />

1.83 % 19.92 %<br />

10.26 % 22.21 %<br />

87.57 % 24.95 %<br />

Total 100.00 % 100.00 %


120 000<br />

100000<br />

80000<br />

60000<br />

40000<br />

20000<br />

0<br />

1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008<br />

60000<br />

50 000<br />

40 000<br />

30 000<br />

20000<br />

10000<br />

0<br />

1 Gesellschaftlicher, politischer und wirtschaftlicher Rahmen<br />

Total Frauen (Skala links)<br />

Total Männer<br />

(Skala links)<br />

15–19 Jahre (Skala rechts)<br />

20–24 Jahre (Skala rechts)<br />

Erwerbslose<br />

Registrierte Arbeitslose<br />

1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008<br />

60000<br />

50000<br />

40000<br />

30 000<br />

20 000<br />

10 000<br />

0<br />

Abbildung 1-3<br />

Registrierte Erwerbslose<br />

ab 1993 ( in Tausend )<br />

Abbildung 1-4<br />

15- bis 24-jährige<br />

Erwerbslose und<br />

registrierte Arbeitslose<br />

25


26<br />

Berufsbildung in der Schweiz<br />

Zahl und durchschnittliche Grösse der Betriebe haben sich in der Schweiz<br />

in den letzten zwanzig Jahren nicht wesentlich verändert. 28<br />

3.3<br />

Wirtschaftsentwicklung<br />

Auch wenn eine berufliche Grundbildung die Basis für verschiedenste Berufstätigkeiten<br />

darstellt, wird doch von Eltern, Medien und Politik – zu Recht –<br />

immer wieder gefragt, welche Berufe denn «Zukunft» hätten. Dies hat mit<br />

der Wirtschaftsentwicklung zu tun. Tatsächlich gibt es immer wieder Studien<br />

zur Frage, in welchen Bereichen der Wirtschaft mit einem überdurchschnittlichen<br />

Zuwachs gerechnet werden kann. 29 Leider fehlen bisher Gegenüberstellungen<br />

mit der Zahl der Lernenden. Wir wissen zwar, dass der wachsende<br />

Dienstleistungssektor weniger Jugendliche ausbildet als der stagnierende<br />

zweite Sektor ( Kapitel 7-1 ), doch sind manche Abschlüsse, die in Industrie<br />

oder Gewerbe erworben wurden, eine solide Basis für eine Karriere in<br />

bestimmten Dienstleistungsbereichen.<br />

3.4<br />

Wettbewerbsfähigkeit<br />

Anlass für die Schaffung der dualen Berufslehre ( Kapitel 6-2.6 ) waren 1884<br />

Sorgen um die Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Wirtschaft ( Kapitel 4-3.3 ).<br />

Bis 1999 beruhte die Regelung und Förderung der Berufsbildung auf einem<br />

Verfassungsartikel zur Wirtschaftsförderung ( Kapitel 5-Exkurs zur BV, Seite 93 ).<br />

Welche Bedeutung hat heute die Berufsbildung für die Wettbewerbsfähigkeit<br />

? Rudolf Strahm ist der Auffassung, die schweizerische Berufsbildung sei<br />

der entscheidende Faktor, «warum wir so reich sind». 30<br />

Vorweg – die Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz ist beeindruckend, wie internationale<br />

Vergleiche immer wieder zeigen: 31<br />

• WEF ( Global Competitiveness Index ) – Rang 2<br />

• World Bank Group ( Doing Business: Economy Rankings ) – Rang 15<br />

32<br />

• IMD ( World Competitiveness Yearbook ) – 2007: Rang 6, 2008: Rang 4<br />

• ETH KOF ( Index of Globalization ) – Rang 9<br />

• The Heritage Foundation ( Index of Economic Freedom ) – Rang 9<br />

28 Franz Jäger / Christian Thöni: KMU-Landschaft im Wandel. Analysen zur Betriebszählung<br />

2005 ( Neuenburg 2008 ), S. 12.<br />

29 Vgl. z. B. Gregory Rais: Strukturelle Analyse der Schweizer Wirtschaft, Bundesamt für<br />

Statistik. In: BFS aktuell, Mai 2008.<br />

30 Rudolf H. Strahm: Warum wir so reich sind. Wirtschaftsbuch Schweiz ( Bern 2008 ).<br />

31 Daniel Küng ( CEO Osec ): Standortmarketing als Teil der Aussenwirtschaftsförderung.<br />

Präsentationen zum Vortrag vom 29. April 2008 in Zürich.<br />

32 Gemäss dem IMD World Competitiveness Yearbook 2008 steht die Schweiz bezüglich<br />

Wettbewerbsfähigkeit hinter den USA, Singapur und Hongkong an vierter Stelle. Es folgen<br />

die Länder Luxemburg, Dänemark, Australien und Kanada. Unsere Nachbarländer<br />

belegen folgende Plätze: 14. Österreich, 16. Deutschland, 25. Frankreich und 46. Italien<br />

von 55 klassierten Ländern. Die Schweiz hat sich von 2007 auf 2008 vom 6. Platz um zwei<br />

Plätze verbessert. Quelle: IMD The World Competitiveness Scoreboard 2008, S. 13.


1 Gesellschaftlicher, politischer und wirtschaftlicher Rahmen<br />

Die Bedeutung der Berufsbildung ist aber insofern zu relativieren, als auch<br />

einigen Staaten mit fehlendem oder ganz anders aufgebautem Berufsbildungssystem<br />

eine hohe Wettbewerbsfähigkeit bescheinigt wird, so von der<br />

IMD beispielsweise den USA ( 1. Platz ) und Singapur ( 2. Platz ). Es gibt auch<br />

«reiche» Staaten mit anderen Berufsbildungssystemen, beispielsweise Schweden<br />

mit einem schulisch geprägten System.<br />

In einer von Forschern der Universität St. Gallen 33 durchgeführten Befragung<br />

von Führungskräften in Klein- und Mittelunternehmen beurteilten die<br />

Teilnehmenden verschiedene Standortfaktoren, wie zum Beispiel das Lohnniveau,<br />

die Bauvorschriften oder das Bildungssystem in der Schweiz, mithilfe<br />

einer Matrix nach zwei Dimensionen. Einerseits konnte das Angebot beziehungsweise<br />

der Ist-Zustand eines Standortfaktors als «schlecht», «ausreichend»<br />

oder «gut» bewertet werden, andererseits wurde nach der Bedeutung desselben<br />

Faktors für das Unternehmen gefragt.<br />

Die Befragten gewichteten nun die Verfügbarkeit von qualifizierten<br />

Arbeitskräften als eines der wichtigsten Standortkriterien, weit vor Lohnnebenkosten,<br />

Lohnniveau, Regulierung, Arbeitsfrieden, Zinsen, Zugang zu<br />

Auslandmärkten usw. Nur die Flexibilität der Arbeitszeit wurde als noch<br />

wichtiger eingestuft. Allerdings wurde die Verfügbarkeit qualifizierter<br />

Arbeitskräfte in der Schweiz gleichzeitig als «schlecht» bezeichnet.<br />

33 Franz Jäger / Christian Thöni: KMU-Landschaft im Wandel. Analysen zur Betriebszählung<br />

2005 ( Neuenburg 2008 ), S. 109.<br />

27


28<br />

Berufsbildung in der Schweiz<br />

Ausgewählte Fragen zur Repetition<br />

(1)<br />

(2)<br />

(3)<br />

(4)<br />

(5)<br />

(6)<br />

(7)<br />

Wie viele der heute lebenden Einwohner / innen der Schweiz haben<br />

keine nachobligatorische Ausbildung absolviert ?<br />

Welche Behörden beschäftigen sich vor allem mit der Berufsbildung ?<br />

Wer ist in der Schweiz für die Berufsbildung verantwortlich ?<br />

Welcher Anteil der Wohnbevölkerung ist erwerbstätig ?<br />

Welcher Anteil der Bevölkerung zwischen 25 und 64 Jahren hat eine<br />

Berufsbildung absolviert ? Wie gross muss der Anteil der Berufslernenden<br />

( Lehrlinge ) einer Belegschaft sein, damit dieser Anteil erhalten<br />

werden kann ?<br />

Was ist gemeint, wenn in Statistiken von «Erwerbslosen», was, wenn<br />

von «Arbeitslosen» die Rede ist ? Wie stark unterscheiden sich die<br />

entsprechenden Angaben ?<br />

Wie werden die Unternehmen nach ihrer Grösse eingeteilt ? Wie hoch<br />

ist der Anteil der KMU, und welcher Anteil der Erwerbstätigen ist<br />

dort tätig ?


10<br />

Berufsbildung in der Schweiz<br />

Ergänzend zum Buch finden sich auf ‹www.bb09.ch› weitere Abbildungen.<br />

Im Buch wird jeweils darauf hingewiesen (Abbildungsnummern mit *). Es ist<br />

geplant, auf dieser Website auch ergänzende Informationen, Korrekturen und<br />

aufdatierte Statistiken zu publizieren, ausserdem Lösungsvorschläge zu den<br />

im Buch enthaltenen Fragen zur Repetition und Vertiefung. Ein Forum<br />

erlaubt es Leserinnen und Lesern, entsprechende Hinweise anzubringen<br />

und – wenn gewünscht – auch die eine oder andere Thematik zu diskutieren.<br />

Prof. Dr. Philipp Gonon<br />

Im April 2009<br />

Zu den Fotos<br />

Bei den Fotografien, die den Kapiteln vorangestellt sind, handelt es sich um<br />

einen eigenständigen Beitrag der jungen Berner Fotografin Nadia Schweizer<br />

zum Thema «Berufe und Berufsbildung in der Schweiz». Alle Bilder zeigen<br />

Berufsleute, die in irgendeiner Weise mit Büchern, Buchherstellung und<br />

Buchvertrieb zu tun haben – von der Papierproduktion über die gestalterische<br />

Arbeit und den Handel bis hin zur Rohstoffwiederaufbereitung. Mit<br />

diesen Porträts wollten wir auch jenen Menschen ein Gesicht geben, an die<br />

man bei Büchern nicht unbedingt zu denken pflegt, ohne deren professionellen<br />

Einsatz aber kein Buch zur Welt kommt und seine Leserinnen und<br />

Leser findet – auch nicht dieses Kompendium der schweizerischen Berufsbildung.

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