Jähriges Bestehen des Kurdistan Kultur- und Hilfsverein ... - KKH e.V.

Jähriges Bestehen des Kurdistan Kultur- und Hilfsverein ... - KKH e.V. Jähriges Bestehen des Kurdistan Kultur- und Hilfsverein ... - KKH e.V.

29.11.2012 Aufrufe

19 Interview Studenten und Arbeiter, die sich Gedanken gemacht haben. Wir haben uns gefragt: Hier in diesem Lande, in Berlin, dürfen wir kurdisch sprechen. Wir treffen uns, wir hören unsere Musik. Warum geht das nicht in dem Land, in dem wir aufgewachsen, wo unsere Wurzeln sind? Dann haben wir gedacht: Wir müssen uns organisieren, denn Einzelkämpfer erreichen kaum etwas. Wir hatten auch kaum Mittel. Wir haben da und dort als Studenten gearbeitet und haben die Miete bezahlt. Nach und nach wurden auch in anderen Städten Vereine gegründet. Später auch in Frankreich, England, Schweden und Holland. Diese Organisationen sollten demokratische Strukturen haben, denn, wir wussten schon damals, dass wir militärisch gegen den türkischen Staat kaum etwas erreichen können. Und außerdem würden dadurch Menschen ums Leben kommen und das wollten wir nicht. Im Gegenteil: Wir wünschten uns, dass die Menschen bzw. Völker friedlich miteinander leben können. Beispiel Europa. So haben wir uns voran gearbeitet. Heute sehen wir, dass bewaffnete Auseinandersetzung keine Lösung ist. Durch bewaffnete Auseinandersetzungen wurden ungefähr 3500 Dörfer zerstört. Drei bis vier Millionen Kurden mussten ihre Dörfer, ihre Städte verlassen. Das aktuelle Angebot des Vereins ist beeindruckend, er verfügt über ganz vielfältige Bildungsangebote, Integrationskurse für Frauen, Kurse für straffällig gewordene Jugendliche und vieles mehr. Es gibt zum Beispiel auch eine Kita. Gibt es eigentlich etwas das fehlt? Vielleicht fällt Ihnen etwas ein, aus Ihrer langjährigen Erfahrung, wo Bedarf wäre in der Gesellschaft. John: Es werden natürlich häufig Angebote gemacht, für die es staatliche Finanzierungen gibt. Anders sind diese Elemente gar nicht aufrecht zu erhalten, weil Lehrer, Sozialpädagogen und Erzieher beschäftigt werden müssen. Dass ein kurdischer Verein sie anbietet ist ein wichtiges Signal der Integration: Wenn die Kinder und Enkelkinder kurdischer Einwanderer nun Polen oder Russen in Deutsch unterrichten, dann zeigt das die Selbstverständlichkeit und das Angekommensein in der Gesellschaft. Ist es wichtig, das Ehrenamt wieder zu stärken? Das wird ja in allen gesellschaftlichen Bereichen propagiert. Ist das ein Weg für den Verein, zu versuchen, Ehrenamtliche verstärkt heran zu holen? John: Der Verein empfindet sich ja nicht nur als Vertreter der kurdischen Einwanderer und ihrer Nachkommen, sondern hat auch eine Rolle im Integrationsgeschehen zu spielen und das bedeutet, sich nach Außen zu wenden, Kontakte zu anderen Gruppen, nicht nur zu Deutschen zu knüpfen. Das geschieht durch die Integrationsprogramme, wie schon erwähnt. Aber z. B. auch durch die Mitarbeit im Paritätischen Wohl- 35 Jahre Kurdischer Kultur- und Hilfsverein e.V. fahrtsverband, die ja von dem Geschäftsführer Herrn Aktas auch betrieben wird. Da gibt es sehr viele Kontakte und einen guten fachlichen Austausch über alle Gebiete der Sozialarbeit. Damit könnte man die ehrenamtliche Tätigkeit von Menschen - auch von älteren Menschen - fördern, die ihr Berufsleben weitgehend hinter sich haben, aber unbedingt noch etwas machen wollen und auch etwas machen sollen, damit sie gesund bleiben. Denn das bedingt ja einander, Tätigkeit und Gesundheit. Diese Menschen könnte man unterstützen, damit sie stärker in die Organisationen außerhalb des KKH e.V. hinein wachsen. Man braucht immer eine Struktur. Und der Kurdische Kulturverein hat diese Struktur: Indem man da hingehen kann, er hat eine Website, er bietet einen Treffpunkt. Deswegen ist es ja auch so wichtig, solche Stellen aufrecht zu erhalten und sie zu finanzieren. Auch das ist ja keine Selbstverständlichkeit und bei vielen Vereinen wackelt die Finanzierung ja auch. Hoffen wir, dass es hier nicht so ist. Welchen Migrationshintergrund haben die Menschen, die zu Ihnen kommen? Dr. Güler: Es kommen jetzt auch Menschen aus Afghanistan, aus asiatischen Ländern und Lateinamerika. Und auch Kurdinnen und Kurden aus dem syrischen Teil, aus dem irakischen Teil. Es kommen auch Türken und Araber. Wir sind für alle Menschen aus allen Kulturen da. Menschen, die unsere Hilfe brauchen, für die sind wir da. Ein Blick in die Zukunft geworfen: Wie sieht der Verein in 15 Jahren aus? Haben Sie dazu ein Bild vor Augen oder spielt das im Moment gar keine Rolle? Dr. Güler: Das spielt eine Rolle. Die Probleme, die wir heute haben, werden wir in 15, in 20 Jahren vielleicht nicht in diesem Maße haben. Aber dann wird es neue Fragestellungen geben. Institutionen und Vereine wie wir sind auch in Zukunft wichtig. Für zwischenmenschliche Beziehungen, für Solidarität, für Verständigung. Ich glaube, wir werden auch in Zukunft mit Energie, mit Kraft und Verstand weiter arbeiten. Für uns ist das auch eine Pflicht in Berlin und in Deutschland etwas beizutragen, denn wir haben hier Frieden gefunden. Wir hatten ja kein Zuhause. Durch diese demokratischen Strukturen sind wir frei und fühlen uns Zuhause. Und deshalb möchten wir für diese Gesellschaft beitragen was wir können. John: Viele kurdischstämmige Menschen werden ja auch in den verschiedenen Berufsfeldern aufsteigen. Also sei es nun als Rechtsanwälte, Lehrer, Ärzte, mit Sicherheit auch in der Politik - in allen Berufen. Und ich glaube, dass viele Kurden in der dritten und vierten Generation eine Botschafterfunktion haben. Auch zurück in das Land ihrer Großeltern, ihrer Vorfahren, kann man dann schon sagen. Dass sie dort helfen, beim wirtschaftlichen Aufbau, als Deutsche kurdischer Ab-

stammung. Und auch das ist wichtig, dass so ein Verein das koordiniert und zusammenfasst und Unterstützung gibt. Wir haben eine Vielzahl von Vereinen der verschiedenen Einwanderergruppen. Aber, wie gesagt, die kurdischen Vereine sind eben nach wie vor relativ selten, zumindest Vereine, die sehr dialogbereit und offen sind. Was muss eine Gesellschaft leisten, um Integration zu ermöglichen? Müssen wir uns als Zuwanderungsregion mehr anstrengen? John: Das liegt auf der Hand. Das man das Einwanderungsgeschehen und die Einwanderungen nicht mit knirschenden Zähnen gerade so über sich ergehen lassen sollte. Sondern, dass man dazu eine offene Haltung hat. Nicht eine unkritische, man kann durchaus sagen, wenn man andere Vorstellungen hat. Aber, die Menschen die hier sind müssen fair und offen behandelt werden. Sie brauchen Kontakte. Viele machen ja auch Deutschkurse, strengen sich an und dann verlassen sie die Deutschkurse nach sechs Monaten und sie finden niemanden mehr, der sich mit ihnen auf Deutsch unterhalten könnte. Die ganze Investition, die ganze geistige, die Energie- Investition, die finanzielle Investition ist umsonst, wenn man eine Sprache nicht pflegt, wenn man sie nicht praktiziert. Deswegen ist es wichtig, dass wir als Deutsche die Kontakte wollen und die Kontakte aufrechterhalten. Und uns auch anstrengen. Wäre es aus Ihrer Sicht sinnvoll oder ein Ziel einer Gesellschaft, dass so ein Verein, wie der KKH e.V. irgendwann überflüssig wird? John: Es sagt sich so einfach, ’man will sich überflüssig machen’. Dahinter steht ja die Vorstellung, die richtige Vorstellung auch: Wir haben uns gegründet, weil wir Probleme gesehen haben und jetzt haben wir die Probleme gelöst. Aber: Aus einer Problemlösung entstehen fast immer neue Probleme. Wie z. B. denen helfen, die ihre Integrationschancen nicht ergreifen konnten? Außerdem möchte ich betonen: Gerade in einem Europa der Vielfalt und der Vielstimmigkeit ist es wichtig, dass auch Kurden in Mitteleuropa vertreten sind und wir ihre Stimme hören und etwas von ihrer Kultur erfahren. Und deshalb ist es äußerst wünschenswert, wenn die Kurden in allen Einwanderungsregionen die neuen Herausforderungen annehmen, ihren Beitrag leisten, sich auch politisch und sozial engagieren. Das kann man, wie gesagt, nur strukturiert z.B. mit der Unterstützung eines Vereins wie dem KKH e.V. Das Gespräch führte Dörte Ahlrichs Interview 20

stammung. Und auch das ist wichtig, dass so ein Verein das<br />

koordiniert <strong>und</strong> zusammenfasst <strong>und</strong> Unterstützung gibt. Wir<br />

haben eine Vielzahl von Vereinen der verschiedenen Einwanderergruppen.<br />

Aber, wie gesagt, die kurdischen Vereine sind<br />

eben nach wie vor relativ selten, zumin<strong>des</strong>t Vereine, die sehr<br />

dialogbereit <strong>und</strong> offen sind.<br />

Was muss eine Gesellschaft leisten, um Integration zu<br />

ermöglichen? Müssen wir uns als Zuwanderungsregion<br />

mehr anstrengen?<br />

John: Das liegt auf der Hand. Das man das Einwanderungsgeschehen<br />

<strong>und</strong> die Einwanderungen nicht mit knirschenden<br />

Zähnen gerade so über sich ergehen lassen sollte. Sondern,<br />

dass man dazu eine offene Haltung hat. Nicht eine unkritische,<br />

man kann durchaus sagen, wenn man andere Vorstellungen<br />

hat. Aber, die Menschen die hier sind müssen fair <strong>und</strong><br />

offen behandelt werden. Sie brauchen Kontakte. Viele machen<br />

ja auch Deutschkurse, strengen sich an <strong>und</strong> dann verlassen<br />

sie die Deutschkurse nach sechs Monaten <strong>und</strong> sie finden niemanden<br />

mehr, der sich mit ihnen auf Deutsch unterhalten<br />

könnte. Die ganze Investition, die ganze geistige, die Energie-<br />

Investition, die finanzielle Investition ist umsonst, wenn man<br />

eine Sprache nicht pflegt, wenn man sie nicht praktiziert.<br />

Deswegen ist es wichtig, dass wir als Deutsche die Kontakte<br />

wollen <strong>und</strong> die Kontakte aufrechterhalten. Und uns auch anstrengen.<br />

Wäre es aus Ihrer Sicht sinnvoll oder ein Ziel einer Gesellschaft,<br />

dass so ein Verein, wie der <strong>KKH</strong> e.V. irgendwann<br />

überflüssig wird?<br />

John: Es sagt sich so einfach, ’man will sich überflüssig machen’.<br />

Dahinter steht ja die Vorstellung, die richtige Vorstellung<br />

auch: Wir haben uns gegründet, weil wir Probleme gesehen<br />

haben <strong>und</strong> jetzt haben wir die Probleme gelöst. Aber: Aus<br />

einer Problemlösung entstehen fast immer neue Probleme.<br />

Wie z. B. denen helfen, die ihre Integrationschancen nicht ergreifen<br />

konnten? Außerdem möchte ich betonen: Gerade in<br />

einem Europa der Vielfalt <strong>und</strong> der Vielstimmigkeit ist es wichtig,<br />

dass auch Kurden in Mitteleuropa vertreten sind <strong>und</strong> wir<br />

ihre Stimme hören <strong>und</strong> etwas von ihrer <strong>Kultur</strong> erfahren. Und<br />

<strong>des</strong>halb ist es äußerst wünschenswert, wenn die Kurden in allen<br />

Einwanderungsregionen die neuen Herausforderungen annehmen,<br />

ihren Beitrag leisten, sich auch politisch <strong>und</strong> sozial<br />

engagieren. Das kann man, wie gesagt, nur strukturiert z.B. mit<br />

der Unterstützung eines Vereins wie dem <strong>KKH</strong> e.V.<br />

Das Gespräch führte Dörte Ahlrichs<br />

Interview<br />

20

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!