1 nachhaltige architektur in der praxis - merz kley partner
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2<br />
MARIN CENTRE<br />
Architektur schafft Anziehungspunkte! In Zeiten, <strong>in</strong> denen ke<strong>in</strong><br />
Museum ohne Bilbao-Effekt und ohne grossflächigen Museumsshop<br />
auskommt, müssen sich auch die Handelsketten für ihre E<strong>in</strong>kaufs<br />
zentren etwas e<strong>in</strong>fallen lassen. Manche lassen sich von e<strong>in</strong>em «Star<br />
architekten» e<strong>in</strong>en skulpturalen Bau als Publikumsmagneten auf die<br />
grüne Wiese stellen.<br />
Im Fal le des Mar<strong>in</strong> Cent re ist bereits die Ausgangslage komplexer:<br />
Der im Dossier vorgestellte Bau ist <strong>der</strong> Nachfolger e<strong>in</strong>es älteren E<strong>in</strong><br />
kaufszentrums an gleicher Stelle. Zunächst galt es also, den Über<br />
gang perfekt zu organisieren. Darüber h<strong>in</strong>aus waren Bauherrschaft<br />
und Architekten - die den Auftrag über e<strong>in</strong>en Sludienauftrag erhalten<br />
hatten - um soziale, ökologische und gestalterische Nachhaltigkeit<br />
besorgt. Entstanden ist e<strong>in</strong> E<strong>in</strong>kaufszentrum, <strong>in</strong> dem die Kund<strong>in</strong>nen<br />
und Kunden <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em übersichtlichen, lichtdurchfluteten Raum wie<br />
auf e<strong>in</strong>em städtischen Platz e<strong>in</strong>kaufen können. Dass dabei auch<br />
die architektonische Gestaltung nicht zu kurz kam, zeigt schon die<br />
g länzend schwarze Blechhülle des 310, 184m grossen und 17.5m<br />
hohen Monolithen. Eigentlich ganz pragmatisch s<strong>in</strong>d die Fensteröff<br />
nungen im Fassadenraster verteilt, was den E<strong>in</strong>druck von Pixeln auf<br />
e<strong>in</strong>em schwarzen Bildschirm vermittelt und Neugier weckt. Schliess<br />
lich folgt <strong>der</strong> <strong>in</strong>nere Ablauf e<strong>in</strong>er genau geplanten Inszenierung:<br />
Durch die schwarze Hülle gelangen die Besucher<strong>in</strong>nen und Besu<br />
cher <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Halbdunkel, während sie im Zentrum von e<strong>in</strong>er lichten,<br />
taghellen Halle empfangen werden.<br />
Der Weg führt also von <strong>der</strong> «dekorierten Kiste" h<strong>in</strong> zu e<strong>in</strong>er soliden<br />
Corporate Architecture, die Nachhaltigkeitsüberlegungen selbstver<br />
ständlich mit e<strong>in</strong>schliesst. Mit se<strong>in</strong>en vielschichtigen Optimierungs<br />
ebenen bildet das Mar<strong>in</strong> Cent re e<strong>in</strong>en mächtigen Stadtbauste<strong>in</strong> für<br />
e<strong>in</strong>en verhältnismässig kle<strong>in</strong>en Ort. Auch wenn das Ersche<strong>in</strong>ungsbild<br />
zurückhalten<strong>der</strong> ist, bekommt Mar<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>richtung, die ähnlich wie<br />
Frank O. Gehrys Guggenheim Museum <strong>in</strong> Bilbao viele Auswärtige an<br />
zieht. Diese Chance lässt sich auch die Geme<strong>in</strong>de nicht entgehen<br />
und <strong>in</strong>tegriert den grossen Nachbarn <strong>in</strong> ihr Alltagsleben.<br />
Alexan<strong>der</strong> Felix
TITELBILD<br />
Ausschnitt <strong>der</strong> Nordfassade. Insgesamt<br />
6400 glänzende, schwarze Metallpaneele und<br />
900 pixelartig verteilte Öffnungen bilden die<br />
Gebäudehülle des Mar<strong>in</strong> Centre<br />
INHALT<br />
EDITORIAL. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2<br />
«STÄDTEBAULICHE IDENTITÄT UND PERSPEKTIVENWECHSELl)<br />
Christophe Catsaros E<strong>in</strong> Gespräch mit <strong>der</strong> Bauherrenschaft und den Architekten<br />
über Zusammenarbeit, Corporate Architecture und Nachhaltigkeit<br />
....... 6<br />
WETTBEWERB FÜR DAS NEUE MARIN CENTRE ..... . . .. 14<br />
Alexan<strong>der</strong> Felix Z004 gewannen Bauart Architekten den Studienauftrag für das neue<br />
Mar<strong>in</strong> Centre mit e<strong>in</strong>em One-Box-Konzept, das ursprünglich niemand für machbar hielt<br />
ÜBERRASCHENDE SCHRÄGEN UND LICHTE RÄUME . . . . . . . . . . . . . . . . 22<br />
An na Hohler, Christophe CatsarQs Das neue Mar<strong>in</strong> Centre ist e<strong>in</strong>e typologische<br />
Weiterentwicklung e<strong>in</strong>es E<strong>in</strong>kaufszentrums, das sich trotz dem grossen Massstab <strong>in</strong> den<br />
Ort e<strong>in</strong>passt<br />
NACHHALTIGE ARCHITEKTUR IN DER PRAXIS ...... 36<br />
Aldo Rota, DarioAiulfi, Wil/i Frei, Emmanuel Rey Das Mar<strong>in</strong> Centre entspricht dem<br />
M<strong>in</strong>ergie-Standard und weist <strong>in</strong>novative, ressourcenschonende technische Lösungen<br />
für e<strong>in</strong>e <strong>nachhaltige</strong> Entwicklung auf<br />
AM BAU BETEILIGTE .... • ....... • ........ 50<br />
DANK ...............•.. . ........ • .......•........ 51<br />
IMPRESSUM . . . . • . • . . . . . . . . . • . . • . • . . . . . . . • . • . . . . • . .. 52<br />
Dossier I November 2011
4<br />
Fussgängerzugang zum<br />
Mar<strong>in</strong> (entre vom<br />
benachbarten Ort aus
6<br />
•• • •<br />
«STADTEBAULICHE IDENTITAT<br />
UND PERSPEKTIVENWECHSEL»<br />
Text; Christophe Catsaros<br />
itbe rsetzung; Richard Squire<br />
In e<strong>in</strong>em Gespräch mit Christophe Catsaros lassen Fabrice Zumbrunnen als Bauherren<br />
vertreter <strong>der</strong> Migros sowie Willi Frei und Emmanuel Rey von Bauart Architekten<br />
ihre Zusammenarbeit beim Projekt Mar<strong>in</strong> Centre Revue passieren. Sie sprechen über<br />
Corporate Architecture, Nachhaltigkeit und über die Erkenntnisse, die beide Seiten aus<br />
<strong>der</strong> engen Zusammenarbeit gewonnen haben.
CHRISTOPHE CATSAROS: E<strong>in</strong> E<strong>in</strong>kaufszentrum<br />
kann man doch auch ohne e<strong>in</strong>en Architekten bauen.<br />
Es gibt Standardgebäudetypen, die man e<strong>in</strong>fach<br />
nach bauen kann. Wozu braucht man da noch e<strong>in</strong>en<br />
Arch itekten? Was trägt er zu Ihrem Projekt bei?<br />
FABRICE ZUMBRUNNEN: Es spielen hier zwei D<strong>in</strong><br />
ge here<strong>in</strong>: zunächst e<strong>in</strong>mal das. was man als Unter<br />
nehmen will, und dann natürlich auch persönliche<br />
Präferenzen. Wir stellen uns generell die Frage nach<br />
dem Platz des Handels <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gesellschaft.<br />
Insgesamt hat sich unser Ansatz enorm verän<br />
<strong>der</strong>t. Die Läden, die wir <strong>in</strong> den letzten fünf Jahren<br />
gebaut haben, s<strong>in</strong>d völlig an<strong>der</strong>s und e<strong>in</strong> deutlicher<br />
Beleg, dass wir uns jedes Mal aufs Neue <strong>in</strong> das jewei<br />
lige Stadtbild e<strong>in</strong>fügen und uns so vom ,Schuh<br />
karton,·Modell verabschieden. Der Arch itekt unter<br />
stützt uns bei <strong>der</strong> Suche nach <strong>der</strong> richtigen Lö sung,<br />
Dass für uns die Qualität wichti g ist, macht die Um<br />
setzung von Projekten leichter. Wenn wir vorweg<br />
nehmen, was die Politik und die zuständigen Behör<br />
uen von uns erwarten, s<strong>in</strong>d die Chancen grösser,<br />
dass wir unsere Projekte realisieren können.<br />
Beim Mar<strong>in</strong> Centre standen wir vor ziemlichen<br />
Herausfor<strong>der</strong>ungen, al le<strong>in</strong>e wegen <strong>der</strong> Grässe des<br />
Projekts: Der Schwierigkeitsgrad war e<strong>in</strong> ganz ande<br />
rer als bei e<strong>in</strong>em Laden <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Wohnviertel.<br />
Aber am Anfang muss man sich dieselben grund<br />
sätzlichen Fragen stellen: Wie gross soll das E<strong>in</strong><br />
kaufszentrum se<strong>in</strong>? Welchen Erwartungen und wei<br />
chem Bedarf soll es en tsprechen? Wie können wir<br />
die Kunden anlocken? Wie kommen sie zu uns? Wie<br />
stellen sie sich das ideale E<strong>in</strong>kaufszentrum vor? Bei<br />
solchen Fragen kommt man schnell dazu, über die<br />
traditionellen Marktstudien h<strong>in</strong>aus die Grundlagen<br />
des eigenen Geschäfts zu h<strong>in</strong>terfragen. Dafür schlägt<br />
sich die Zeit, die man <strong>in</strong> dieser Vorbereitungsphase<br />
aufwendet, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Qualität <strong>der</strong> Ausschreibung nie<strong>der</strong>.<br />
Bei diesem Projekt haben wir e<strong>in</strong>en eher unge<br />
wöhnlichen Weg gewählt, denn anstatt e<strong>in</strong> Archi<br />
tekturbüro direkt zu beauftragen, haben wir e<strong>in</strong>en<br />
Studienauftrag ausgeschrieben und vier Büros zur<br />
Teilnahme e<strong>in</strong>geladen. Unsere ambitionierte Vorgabe<br />
war, dass <strong>der</strong> Geschäftsbetrieb während des Um<br />
baus weiterläuft, Wir haben mit den e<strong>in</strong>zelnen Ar<br />
chitekturbüros Workshops veranstaltet: Jedes Team<br />
legte zunächst se<strong>in</strong>e Ideen vor und überarbeitete sei<br />
nen Entwurf anhand unserer Reaktionen. Nach die<br />
sem Dialogverfahren erh ielt Bauart den Zuschlag.<br />
Es ist wirklich erstaunlich, wie unterschiedlich die<br />
Vorschläge waren, obwohl alle nach denselben Vor-<br />
gaben gearbeitet hatten. Der Beitrag des Architekten<br />
zu e<strong>in</strong>em solchen Projekt liegt gerade <strong>in</strong> <strong>der</strong> Berei<br />
cherung durch den Austausch.<br />
Oie Lösung von Bauart, das gesamte Programm <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>em e<strong>in</strong>zigen Gebäude unterzubr<strong>in</strong>gen, war zu <br />
nächst <strong>in</strong>s Auge gefasst worden, wurde dann aber als<br />
undurchführbar e<strong>in</strong>gestuft. Wir waren daher von<br />
e<strong>in</strong>em Projekt ausgegangen, <strong>in</strong> dem zwei Gebäude<br />
teile mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> verbunden waren: e<strong>in</strong> Teil für die<br />
Fachgeschäfte und <strong>der</strong> zweite für die Boutiquen so<br />
wie für den Verbrauchermarkt. Bauart wählte als e<strong>in</strong><br />
ziges Büro e<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e Lösung , Dies ist e<strong>in</strong> konkretes<br />
Beispiel für den Beitrag <strong>der</strong> Architekten. Mit ihm s<strong>in</strong>d<br />
Lösungen möglich, die vorher nicht gesehen wurden.<br />
Zwischen Wettbewerb und Realisierung gab es<br />
zahlreiche Än<strong>der</strong>ungen und Verbesserungen, doch<br />
<strong>der</strong> Grundgedanke blieb erhalten. Wir können be<br />
haupten, das Ergebnis ist besser als <strong>der</strong> ursprüng<br />
liche Arbeitsauftrag. Du rch den Dialog konnten wir<br />
bestimmte schablonenartige Vorstellungen h<strong>in</strong>ter<br />
fragen. Ich denke, was e<strong>in</strong>en Architekten vor allem<br />
auszeichnet. ist se<strong>in</strong>e rähigkeit zuzuhören , um dann<br />
Lösungen zu entwickeln, die über das h<strong>in</strong>ausgehen,<br />
was <strong>der</strong> Bauherr erwartet. Qualitativ hochwertige<br />
Bauvorhaben s<strong>in</strong>d oft das Ergebnis e<strong>in</strong>es solchen<br />
Dialogs. In diesem Projekt hat je<strong>der</strong> se<strong>in</strong>e Aufgabe<br />
erfüllt: Oie Architekten konnten das, was wir brau<br />
chen , <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Form packen und mit Inhalt füllen, und<br />
zwar durch ihren eigenen Entwurf, <strong>in</strong> dem wir uns<br />
auch wie<strong>der</strong>fanden.<br />
C, C.: Das Gebäude sieht aus wie e<strong>in</strong> schwarzer Mo<br />
nolith. Übl icherweise s<strong>in</strong>d grosse E<strong>in</strong>kaufszentren ja<br />
bl<strong>in</strong>de Kästen ohne Öffnungen und mit künstlicher<br />
Beleuchtung. Beim Mar<strong>in</strong> Centre habe ich den E<strong>in</strong><br />
druck, dass die Architektur diesen Typus <strong>in</strong> Form<br />
e<strong>in</strong>er Abwandlung kommentiert. Sie wirft e<strong>in</strong>en be<strong>in</strong>a<br />
he kritischen Blick auf das Objekt ,E<strong>in</strong>kaufszentrum·<br />
Ich sehe da auch e<strong>in</strong>e gewisse Ehrlichkeit <strong>in</strong> <strong>der</strong> Art<br />
und Weise, wie das Gebäude zu se<strong>in</strong>er Grösse und<br />
zu se<strong>in</strong>er monolithischen Gestalt steh t.<br />
WILL! FREI: Die Frage, ob man dazu stehen sollte<br />
o<strong>der</strong> nicht, habe ich mir nie gestellt. E<strong>in</strong> Gebäude so<br />
zu planen, dass die Grösse proportional zum Ver<br />
wendungszweck ist, hielt ich schon immer für richtig ,<br />
und <strong>in</strong>tu itiv habe ich nie versucht, sie zu kaschieren<br />
o<strong>der</strong> das Gebäude durch e<strong>in</strong>e Fragmentierung o<strong>der</strong><br />
ähnliche Kunstgriffe kle<strong>in</strong>er ersche<strong>in</strong>en zu lassen.<br />
E<strong>in</strong> grosses Gebäude, das dadurch wirkt, dass es zu<br />
se<strong>in</strong>en aussergewöhnlichen Massen steht. und das<br />
1 Asymmetrische, grüne<br />
Pyramiden betten<br />
das Ma r<strong>in</strong> (entre <strong>in</strong> die<br />
Umgebung e<strong>in</strong><br />
Dossier I November 201 J 7
8<br />
Z Abriss des Bestands<br />
3 Neubau des ersten Bauteils<br />
Li E<strong>in</strong>bau des Holztragwerks<br />
über <strong>der</strong> zentralen Halle<br />
5 Blick <strong>in</strong> die zentrale Halle<br />
mit noch sichtbaren<br />
Ho]zträgern<br />
sich <strong>in</strong> die Landschaft e<strong>in</strong>fügt und dort e<strong>in</strong>en neuen<br />
Akzent setzt, halte ich für e<strong>in</strong>en <strong>in</strong>teressanten An<br />
satz. Dadurch, dass wir das Parkhaus <strong>in</strong> den Kom<br />
plex <strong>in</strong>tegriert haben, haben wir das Volumen sogar<br />
noch vergrössert. Die eigentliche Schwierigkeit kam<br />
danach, denn wir mussten e<strong>in</strong>e Antwort für die unter<br />
schiedlichen Massstäbe f<strong>in</strong>den, auf die dieses volu<br />
m<strong>in</strong>öse Gebäude trifft: den Blick von <strong>der</strong> Autobahn<br />
aus, die E<strong>in</strong>fahrt mit dem Pkw und die Fussgänger<br />
perspektive vom Dorf Mar<strong>in</strong> aus.<br />
EMMANUEL REY: In dem Konzept, das wir entwi<br />
ckelt haben, gibt es e<strong>in</strong>e Art doppeltes Aufe<strong>in</strong>an<strong>der</strong><br />
treffen. Da s<strong>in</strong>d zunächst die re<strong>in</strong> funktionalen As<br />
pekte wie effiziente Lösungen für die Logistik und<br />
die Erschliessung. Es gab e<strong>in</strong>e ganze Reihe von<br />
E<strong>in</strong>schränkungen, die uns geholfen haben, die opti<br />
male Lösung zu f<strong>in</strong>den, <strong>in</strong>dem wir unzählige re<strong>in</strong><br />
technische Parameter berücksichtigt haben.<br />
Dann liessen wir uns von e<strong>in</strong>em zweiten Aspekt<br />
leiten, nämlich von <strong>der</strong> Idee, für die Geme<strong>in</strong>de Mar<strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>en zentralen Ort zu schaffen. Das gewünschte<br />
Projekt sprengte die üblichen Dimensionen. Wir<br />
sollten quasi e<strong>in</strong> städtebauliches Element planen.<br />
Also haben wir bestimmte Räume nicht als Ge<br />
schäftsflächen, son<strong>der</strong>n als Teile e<strong>in</strong>er Stadt ange<br />
legt. So entwickelte sich die zentrale Halle zu e<strong>in</strong>em<br />
öffentlichen Platz, <strong>der</strong> e<strong>in</strong>e städtebauliche Funktion<br />
erfüllt. Dieser Übergang von e<strong>in</strong>em simplen E<strong>in</strong><br />
kaufszentrum zu e<strong>in</strong>em Raum mit eigener Identität<br />
erklärt <strong>in</strong> vielen Fällen, warum wir uns für die gewähl<br />
te Lösung entschieden haben - etwa beim Tages<br />
licht, das <strong>in</strong> das Zentrum des Komplexes fällt, denn<br />
die Öffnungen im Dach erzeugen genau jene unter<br />
schiedlichen Lichtverhältnisse, die es wie e<strong>in</strong>en<br />
Aussenraum wirken lassen.<br />
Diese Idee von e<strong>in</strong>em offenen Raum mitten <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>em Geschäftskomplex war die Grundlage für die<br />
weitere Planung , bei <strong>der</strong> wir manchmal Lösungen<br />
F. Z.: Die Auflage, dass das Gebäude e<strong>in</strong>e städte<br />
bauliche Identität und e<strong>in</strong>e aussagekräftige Optik<br />
haben sollte, war im Übrigen <strong>der</strong> AufgabensteIlung<br />
zu entnehmen. Das Centre sollte von <strong>der</strong> Autobahn<br />
aus gut sichtbar se<strong>in</strong>, selbst wenn das Ergebnis zu<br />
grossen Teilen vom Talent des Architekten abhängt.<br />
Ich denke, da gibt es e<strong>in</strong> subtiles Spiel zwischen<br />
dem Sichtbaren und dem Verborgenen. Sie sagen,<br />
wir s<strong>in</strong>d sehr ehrlich, aber wir verstecken auch vieles;<br />
wenn wir etwas enthüllen, dann subtil.<br />
Wir haben e<strong>in</strong> Parkhaus, das e<strong>in</strong>deutig als sol<br />
ches gekennzeichnet, allerd<strong>in</strong>gs von aussen nicht<br />
als solches erkennbar ist, denn es bef<strong>in</strong>det sich im<br />
Gebäude. Die Mall mag zwar von Licht durchflutet<br />
se<strong>in</strong>, aber <strong>der</strong> Übergang vom Parkhaus zur Mall<br />
erfolgt im Dämmerlicht. Ich glaube, das s<strong>in</strong>d sehr<br />
subtile Ausdrucksformen. Natürlich erfüllt das<br />
Centre se<strong>in</strong>e Funktion, aber es ist auch sehr facet<br />
tenreich gestaltet und verlässt damit ausgetretene<br />
Pfade.<br />
Wenn Sie e<strong>in</strong> E<strong>in</strong>kaufszentrum dieser Grösse<br />
bauen, besteht die Gefahr, <strong>in</strong> die Karikatur abzuglei<br />
ten. Obwohl das Mar<strong>in</strong> Centre so gross ist, müssen<br />
Besucher im Gegensatz zu herkömmlichen E<strong>in</strong>kaufs<br />
zentren von ihrem Auto aus nicht weiter zu den Lä<br />
den laufen als jemand, <strong>der</strong> an se<strong>in</strong>em Wohnort <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>em E<strong>in</strong>zelhandelsgeschäft e<strong>in</strong>kauft. H<strong>in</strong>zu kommt<br />
die vorbildliche Anb<strong>in</strong>dung an das öffentliche Nah<br />
verkehrsnetz. Das Mar<strong>in</strong> Centre ist für alle mit dem<br />
Auto, dem Zug, dem Bus o<strong>der</strong> zu Fuss erreichbar.<br />
Diese und weitere Details machen den Unterschied<br />
aus. Sie stehen vor e<strong>in</strong>em schwarzen Kubus, <strong>der</strong> auf<br />
den ersten Blick geschlossen wirkt, und doch ist <strong>der</strong><br />
Innenraum lichtdurchflutet. Oie Interpretation des<br />
Gebäudes mag zunächst simpel ersche<strong>in</strong>en, aber<br />
wenn man vor Ort ist, wird e<strong>in</strong>em bewusst, dass es<br />
das Ergebnis e<strong>in</strong>er wahrhaft fe<strong>in</strong>en und gekonnten<br />
Umsetzung ist.<br />
fanden, die nicht dem klassischen Modell e<strong>in</strong>es E<strong>in</strong>- C. C.: Auf die Bedürfnisse <strong>der</strong> automobilen Besucher<br />
kaufszentrums entsprechen. Nehmen Sie zum Bei- geht das Projekt durch kurze Wege und günstig<br />
spiel die Gebäudehülle: Sie wurde, wo immer mög- platzierte Stellplätze e<strong>in</strong>. Wie sieht es mit den Fuss-<br />
lieh, durchbrachen, und dort, wo sie dicht se<strong>in</strong> muss, gängern aus? Wie sieht Ihre Lösung für die Verb<strong>in</strong>-<br />
ist sie opak. Sie bietet hohe Funktionalität und hebt dung zwischen Centre und Dorf aus, und welche<br />
den Bau über e<strong>in</strong> re<strong>in</strong>es Gewerbeobjekt h<strong>in</strong>aus. Möglichkeit zur städtebaulichen Gestaltung bot sich?
E. R.: In <strong>der</strong> Anfangsphase des Projekts haben wir<br />
den Weg zum Standort oft zu Fuss, mit dem Auto und<br />
im Zug zurückgelegt. So wurde uns relativ schnell<br />
klar, dass unser Entwurf auf mehreren Ebenen gleich<br />
zeitig funktionieren muss.<br />
Am westlichen Rand hatten wir durch den Wegfall<br />
des früheren Parkplatzes genug Platz, e<strong>in</strong>en Fuss<br />
weg anzulegen. Wenn man auf <strong>der</strong> Karte die Grund<br />
stücksgrösse des Centres und die Ausdehnung des<br />
Dorfes Mar<strong>in</strong> betrachtet, fällt e<strong>in</strong>em e<strong>in</strong> Bruch im<br />
Massstab auf, wie er für Ortse<strong>in</strong>gänge typisch ist.<br />
Es kam <strong>der</strong> Gedanke auf, diese städtebauliche<br />
Lücke durch e<strong>in</strong>e Landschaftsgestaltung zu füllen.<br />
Der dreieckige Park symbolisiert im Übrigen das<br />
Schicksal von Mar<strong>in</strong> genau an dieser Stelle, denn<br />
Autobahn, Bahnl<strong>in</strong>ie und die Strassen zum alten<br />
Ortskern zerteilen das Gebiet <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Dreieck. Daher<br />
haben wir den unbebauten, leeren Raum ausgehend<br />
von kartografischen Elementen gestaltet.<br />
In diesem S<strong>in</strong>ne machen auch die Pyramiden for<br />
male Anleihen beim Centre. Wir wollten e<strong>in</strong>en Über<br />
gang zwischen den Stirnseiten zur Strasse und <strong>der</strong><br />
Architektur des Centres schaffen. Wir hatten den Ge<br />
danken, bereits am Dorfrand die plastischen Brüche<br />
beg<strong>in</strong>nen zu lassen, die durch das Centre entstehen.<br />
C. C.: Wäre e<strong>in</strong> ste<strong>in</strong>erner Platz möglich gewesen?<br />
E. R.: Wir haben uns bemüht, möglichst wenig Flä-<br />
hörden h<strong>in</strong>weisen, die uns erst darauf aufmerksam<br />
gemacht haben, welche Chance <strong>in</strong> <strong>der</strong> Neugestal<br />
tung <strong>der</strong> Aussenanlagen liegt. Schliesslich wird e<strong>in</strong><br />
Raum, <strong>der</strong> zu e<strong>in</strong>er Art Niemandsland hätte werden<br />
können, zu e<strong>in</strong>er grossen Entwicklungschance. Ich<br />
f<strong>in</strong>de das sehr mutig und möchte den Vertretern <strong>der</strong><br />
Geme<strong>in</strong>de danken, die politischen Mut gezeigt ha<br />
ben und wichtige Partner für uns waren.<br />
Der Stadtpark bekam nach und nach e<strong>in</strong>e Art<br />
Eigendynamik: So werden an e<strong>in</strong>er <strong>der</strong> Pyramiden<br />
Sitzreihen <strong>in</strong>stalliert, und die Geme<strong>in</strong>de plant hier e<strong>in</strong><br />
Veranstaltungsprogramm. Das halte ich <strong>in</strong> Kombi<br />
nation mit <strong>der</strong> Architektur des Parks für sehr vielver<br />
sprechend. Auch sehr spannend war, dass e<strong>in</strong>ige<br />
Elemente quasi von alle<strong>in</strong>e entstanden s<strong>in</strong>d, ohne<br />
dass sie Teil <strong>der</strong> ursprünglichen Aufgobc WD.rcn.<br />
Heute kommen immer mehr Kunden zu Fuss, was<br />
auch für uns e<strong>in</strong>e Überraschung ist. Wir stellen fest,<br />
dass durchaus e<strong>in</strong>e Verb<strong>in</strong>dung wie zu e<strong>in</strong>em Tante<br />
Emma-Laden an <strong>der</strong> Ecke entstehen kann, obwohl wir<br />
bei <strong>der</strong> Planung von e<strong>in</strong>er völlig an<strong>der</strong>en Situation<br />
ausgegangen waren und uns eher auf den Autover<br />
kehr konzentriert hatten. Ich denke, wir werden noch<br />
weitere Überraschungen erleben. Alles hängt davon<br />
ab, wie die Kunden das Centre akzeptieren und nut<br />
zen werden. Oft geht man von Annahmen aus, die<br />
sich nicht unbed<strong>in</strong>gt mit den Präferenzen <strong>der</strong> Kunden<br />
decken.<br />
chen zu versiegeln. Die Pyramiden bestehen übri- C. c.: Es ist sehr gut, zu hören, dass es Möglichkeiten<br />
gens aus Aushub- und Abrissmaterial. Verwertet zur Aneignung gibt.<br />
man dieses Material gleich vor Ort und transportiert<br />
man es nicht weiter, dann schont das die Umwelt. W.F.: Die Platzierung e<strong>in</strong>es
- IO<br />
man zu Fuss, zeichnet sich das Centre am Horizont<br />
ab. Je näher man kommt, desto stärker än<strong>der</strong>t sich<br />
die Dimension, bis <strong>der</strong> E<strong>in</strong>gang <strong>in</strong>s Blickfeld rückt<br />
und <strong>der</strong> Gesamtkomplex aus dem Gesichtsfeld ver<br />
schwunden ist. Diesen Übergang zwischen Fern<br />
und Nahsicht mo<strong>der</strong>ieren die Pyramiden. Die Sicht<br />
auf das Centre aus <strong>der</strong> Bewegung heraus ist gut<br />
gelungen. Dies ist e<strong>in</strong>e <strong>der</strong> Bereicherungen des<br />
ursprünglichen Konzepts.<br />
C. c.: Die Pyramiden machen den Kubus zu Dreiecken.<br />
F. Z.: Dieses Element habe ich ziemlich h<strong>in</strong>terfragt,<br />
aber letztlich funktioniert es sehr gut. Ich höre oft,<br />
wir hätten die Bushaltestelle näher an den E<strong>in</strong>gang<br />
gelegt. Das stimmt jedoch nicht, die Entfernung ist<br />
dieselbe. Vielmehr lassen die glückliche Komb<strong>in</strong>a<br />
tion aus Grösse und Form des Gebäudes sowie die<br />
.Rahmung, des E<strong>in</strong>gangs durch die Pyramiden die-<br />
sen E<strong>in</strong>druck entstehen.<br />
lung analysiert werden, und wir haben <strong>in</strong>tegrierte<br />
Lösungen wie thermoaktive Decken entwickelt, die<br />
e<strong>in</strong>e sehr gute Leistungsausbeute und e<strong>in</strong>en sehr<br />
hohen Wirkungsgrad haben.<br />
Mit <strong>der</strong> Decke über <strong>der</strong> zentralen Halle kann man<br />
unsere Arbeitsweise <strong>in</strong> Sachen <strong>nachhaltige</strong> Entwick<br />
lung gut erklären: Da war zum e<strong>in</strong>en <strong>der</strong> gestal<br />
terische Aspekt, die Schönheit des tageszeitab<br />
hängigen Lichte<strong>in</strong>falls, zum an<strong>der</strong>en <strong>der</strong> technische,<br />
denn diese Konstruktion ist e<strong>in</strong>e Art natürliche Klima<br />
anlage. Das Tragwerk besteht aus Holz, was jedoch<br />
nicht gleich zu sehen ist. Anstatt explizit darauf h<strong>in</strong><br />
zuweisen, dass es sich um Holz handelt und damit<br />
,öko, ist, verfolgen wir e<strong>in</strong>en eher <strong>in</strong>tegrierten An<br />
satz, <strong>der</strong> ohne Zurschaustellung auskommt. Die von<br />
uns gewählten Lösungen sollen nicht spektakulär<br />
se<strong>in</strong>, folgen aber e<strong>in</strong>er Vision von <strong>nachhaltige</strong>r Archi<br />
tektur. Grundpr<strong>in</strong>zip ist <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e das Streben<br />
nach Angemessenheit <strong>der</strong> e<strong>in</strong>gesetzten Mittel.<br />
Ähnliches gilt auch für die <strong>in</strong>tegrierten Solarkollek-<br />
toren auf dem Parkhaus. Wegen dieser <strong>in</strong>tegrierten<br />
C. C.: Durch die Pyramiden konnte e<strong>in</strong> Teil des Aus- Arbeitsweise müssen wir bestimmte D<strong>in</strong>ge nicht ex-<br />
hubs vor Ort verwertet werden. Das möchte ich als tra betonen. Wir müssen den Aspekt <strong>der</strong> Nachhaltig-<br />
Überleitung zur <strong>nachhaltige</strong>n EntwiCklung benutzen. keit nicht wie e<strong>in</strong>e Standarte vor uns hertragen.<br />
Welches ist über Zahlen h<strong>in</strong>aus <strong>der</strong> Leitgedanke für<br />
dieses Projekt? F. Z.: Für uns war das Thema <strong>nachhaltige</strong> Entwick<br />
lung schon immer Teil e<strong>in</strong>er komplexen Analyse, wo-<br />
E. R.: Wir trennen bei unseren Projekten die Frage bei bestimmte Parameter beherrsch bar s<strong>in</strong>d und an-<br />
<strong>der</strong> Nachhaltigkeit nicht von architektonischen Be- <strong>der</strong>e nicht <strong>in</strong> unser Ressort fallen. Auf <strong>der</strong> e<strong>in</strong>en Seite<br />
langen. Wir planen nicht zuerst das Projekt, um an- steht das Gebäude, das die M<strong>in</strong>ergie-Vorgaben er-<br />
schliessend e<strong>in</strong> paar Beson<strong>der</strong>heiten zur ökolo- füllt bzw. teilweise sogar noch bessere Werte erzielt,<br />
gischen o<strong>der</strong> sozialen Nachhaltigkeit h<strong>in</strong>zuzufügen. auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite s<strong>in</strong>d die Geschäftsleute, die<br />
Die <strong>nachhaltige</strong> Entwicklung ist von Anfang an Be- Flächen mieten und zu ökologischem Handeln auf-<br />
standteil des Projekts, was bei e<strong>in</strong>em E<strong>in</strong>kaufs- gefor<strong>der</strong>t werden, ohne dass sie dazu gezwungen<br />
zentrum dieser Grässe ke<strong>in</strong>e Selbstverständlichkeit s<strong>in</strong>d. Was mich <strong>in</strong> Bezug auf die Nachhaltigkeit beru-<br />
ist. higt, ist die Tatsache, dass das Projekt bereits e<strong>in</strong>e<br />
Ausserdem würde ich die Zahlen und die Leis- ziemlich grosse Anpassungsfähigkeit bewiesen hat.<br />
tungskennziffern nicht kle<strong>in</strong>reden, denn diese zu er- Ich er<strong>in</strong>nere immer wie<strong>der</strong> gerne daran, dass wir<br />
reichen war e<strong>in</strong>e echte Herausfor<strong>der</strong>ung. Wir haben ursprünglich die Idee <strong>der</strong> Umgestaltung des Be-<br />
recht früh geme<strong>in</strong>sam mit Ingenieurbüros am Projekt stands für nachhaltig hielten. TatSächlich wäre es e<strong>in</strong><br />
gearbeitet und versucht, viele Kennzahlen und Fak- energetisches Desaster geworden. Der Abriss mit<br />
toren zu ermitteln, die uns als Arbeitsgrundlage anschliessendem Neubau hat sich als viel besser er-<br />
dienten. Insbeson<strong>der</strong>e gab es e<strong>in</strong>e Zusammenarbeit wiesen. Diese Me<strong>in</strong>ung zu vertreten ist nicht immer<br />
mit dem Büro Sorane, das viel Erfahrung mit gros- e<strong>in</strong>fach. Mit dieser Erfahrung begannen wir übri-<br />
sen E<strong>in</strong>kaufszentren hat. So konnte die Fragestel- gens, weitere Läden zu überarbeiten. Heute stellen
12<br />
Blick <strong>in</strong> die Migres auf <strong>der</strong><br />
unteren Verkaufsebene<br />
kurz ver <strong>der</strong> Eröffnung
14<br />
••<br />
WETTBEWERB FUR DAS NEUE<br />
MARIN CENTRE<br />
Text: Alexan<strong>der</strong> Felix<br />
Im Jahr 2004 gewann das Büro Bauart den Studienauftrag für das neue Mar<strong>in</strong> Centre<br />
mit e<strong>in</strong>em Konzept, das alle Räume <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em e<strong>in</strong>zigen Volumen zusammenfasst, was<br />
ursprünglich niemand für machbar hielt. Das Projekt wurde <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Dialogverfahren<br />
entwickelt und hat sich <strong>in</strong> mehreren Überarbeitungen als sehr robust erwiesen.
"j--<br />
16<br />
6 Grundrissausschnitt aus dem Wettbewerbsprojekt
--<br />
Dossier I November 2011 17
"--- 18<br />
die Gebäudegrenzen fe<strong>in</strong>er auf die unregelmässige<br />
Grundstücksform abgestimmt wurden und <strong>der</strong> E<strong>in</strong><br />
gang für Zu-Fuss-Gehende akzentuiert wurde<br />
(Abb.5).<br />
Die Jury empfahl das Kon zept von Bauart<br />
schliesslich zur Weiterbearbeitung, da es unter an<br />
<strong>der</strong>em e<strong>in</strong>e ökonomische Abwicklung des komple<br />
xen Bauablaufs bei laufendem Betrieb versprach.<br />
Von Anfang an waren den Architekten das funktio<br />
nale Zusammenspiel und die räumliche Kraft <strong>der</strong><br />
zentralen Elemente wichtig. Durch die Komposition<br />
aus verhältnismässig e<strong>in</strong>fachen E<strong>in</strong>zelteilen konnte<br />
e<strong>in</strong>e grosse Bearbeitungstiefe <strong>in</strong> zahlre ichen As<br />
pekten erreicht werden. Zwei unterschiedliche und<br />
komplementäre Elemente prägen das Siegerprojekt<br />
und verleihen dem neuen Migros-Centre se<strong>in</strong>e Iden<br />
tität. Das Parkhaus erstreckt sich entlang <strong>der</strong> Auto<br />
bahn und bildet e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>gangsfassade für die moto<br />
risierten Besuchenden. Die Belieferung <strong>der</strong> Läden<br />
erfolgt über die Rückseite von Süden her.<br />
Der Geschäftsteil besteht aus umgenutzten und<br />
neuen Bautei len. Das Konzept von Bauart ist akri-<br />
bisch auf die Bauphasen und die Logistik h<strong>in</strong> aus<br />
gerichtet. Die Bauzeit wurde auf fünf Jahre veran<br />
schlagt. Zunächst wird <strong>der</strong> Neubauteil im Osten des<br />
bestehenden Baus errichtet - <strong>der</strong> erste Bauabschnitt<br />
des neuen E<strong>in</strong>kaufskomplexes. Nach dessen Fertig<br />
stellung ziehen die bestehenden Läden dorth<strong>in</strong> um .<br />
Anschliessend wird <strong>der</strong> zweite Bauabschnitt aus<br />
geführt und so die Mall komplettiert. Jedes Geschäft<br />
zieht nur e<strong>in</strong>mal um, ohne zwischenzeitlich von <strong>der</strong><br />
Baustelle umschlossen o<strong>der</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Provisorium<br />
untergebracht zu se<strong>in</strong>.<br />
Den ganzen Komplex hält e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>heitliche Fassa<br />
de zusammen. Der Ausdruck, den die Visualisie<br />
rungen zeigen, weicht von <strong>der</strong> realisierten Ausführung<br />
ab, die Grundsätze waren aber bereits def<strong>in</strong>iert: E<strong>in</strong>e<br />
e<strong>in</strong>fache, zurückhaltende und e<strong>in</strong>heitliche Fassade<br />
kann gut auf verschiedene Öffnungsanfor<strong>der</strong>ungen<br />
(Büros, Läden, Parkhaus, Anlieferung) reagieren.<br />
Oie Architekten planten die Erschliessung aus<br />
drei Richtungen: Neben <strong>der</strong> kurzen Verkehrser<br />
schliessung von <strong>der</strong> Autobahn aus direkt <strong>in</strong>s Park<br />
haus wurde nach Westen e<strong>in</strong> zweiter attraktiver E<strong>in</strong>-
gang ausgerichtet. Er empfängt die Fussgänger, die<br />
aus Mar<strong>in</strong> o<strong>der</strong> vom Bushalt her kommen . Ausser<br />
dem führt e<strong>in</strong>e fussläufige Anb<strong>in</strong>dung zur Bahnsta<br />
tion Mar<strong>in</strong>-Epagnier, wo bislang die Ödnis e<strong>in</strong>es Ge<br />
werbegebiets herrschte.<br />
Die Kompaktheit <strong>der</strong> Anlage führt zu kurzen We<br />
gen tür Kund<strong>in</strong>nen und Kunden und für den Betrieb.<br />
Durch das lang gestreckte fünfgeschossige Park<br />
haus und jeweils drei Zugänge zur Mall beträgt die<br />
Entfernung vom Auto zum E<strong>in</strong>kaufszentrum weniger<br />
als 50m. E<strong>in</strong> grosser, rechteckiger Platz - ähnlich<br />
e<strong>in</strong>em Stadt platz - bildet das Herz des Marktes. Die<br />
Überdachung lässt über d ie Nordseite Tageslicht auf<br />
den Platz und sorgt für Aufenthaltsqualität und wech<br />
selnde Lichtstimmungen im Tages- und Jahresver<br />
lauf. Die e<strong>in</strong>fache geometrische Form und leichte<br />
Asymmetrien erleichtern die Orientierung im grossen<br />
E<strong>in</strong>kaufszentrum. Ausserdem ermöglicht die grosse<br />
zusammenhängende Fläche vielfältige temporäre<br />
Nutzungen.<br />
Die Schaufenster <strong>der</strong> Läden s<strong>in</strong>d auf zwei Ebenen<br />
auf die Platzfläche gerichtet. Die Ladenflächen da<br />
h<strong>in</strong>ter s<strong>in</strong>d flexibel unterteilbar, sodass unterschied<br />
lich grosse E<strong>in</strong>heiten möglich s<strong>in</strong>d.<br />
Als Ergänzung zu den Wettbewerbsplänen wur<br />
den <strong>in</strong> zwei technischen Berichten Überlegungen zur<br />
Nachhaltigkeit und zur Energiee<strong>in</strong>sparung zusam<br />
mengefasst. Der kompakte Baukörper hält Raum für<br />
Grünflächen frei, aber auch Platz für künftige Erwei<br />
terungen. Ausserdem ist das Hüll-Flächen-Verhältnis<br />
energetisch günstig. Die beratenden Energie<strong>in</strong>ge<br />
nieure von Sorane SA aus Ecublens zeigten <strong>in</strong> ihrem<br />
Bericht zudem auf, wie vielfältige Synergien <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />
so komplexen haustechnischen System genutzt wer<br />
den können, um den Energiebedarf für Beheizung<br />
und Kühlung zu verr<strong>in</strong>gern.<br />
7 Ansicht Nord I Parkhause<strong>in</strong>fahrt<br />
8 Längsschnitt<br />
9 Querschnitt<br />
10 Zentrale Halle: vertikale Verb<strong>in</strong>dung zwischen Erd- und Zwischengeschoss<br />
11 Rolltreppen dienen als effiziente vertikale Verb<strong>in</strong>dung<br />
(alle Bil<strong>der</strong> aus dem Wettbewerbsprojekt)<br />
Dossier I November 2011 19
.r-- 20<br />
Blick durch das Obergeschoss<br />
<strong>der</strong> zentralen<br />
Halle Richtung Osten<br />
--<br />
--
22<br />
ÜBERRASCHENDE SCHRÄGEN<br />
••<br />
UND LICHTE RAUME<br />
1#1<br />
Text: Anna Hohler, Christophe Catsaros<br />
Übersetzung: Richard Squire<br />
E<strong>in</strong>kaufszentren am Stadtrand wird oft nachgesagt, sie verschandelten die Landschaft<br />
und würden dem örtlichen E<strong>in</strong>zelhandel schaden. Das neue Mar<strong>in</strong> Centre von Bauart<br />
sche<strong>in</strong>t dieser Kritik durch se<strong>in</strong>e typologische Weiterentwicklung Rechnung zu tragen.<br />
Es ist e<strong>in</strong> zur Geme<strong>in</strong>de h<strong>in</strong> offener Komplex, <strong>der</strong> sich ohne Abstriche beim Massstab<br />
<strong>in</strong> den Ort e<strong>in</strong>passt.<br />
-.
= Überraschend erweise geht die Typologie von<br />
E<strong>in</strong>kaufszentren <strong>in</strong> Stadtrandlage auf den Zweiten<br />
Weltkrieg zurück. Zunächst e<strong>in</strong>mal hängt sie mit <strong>der</strong><br />
Entwicklung des Automobils und <strong>der</strong> Stadtplanung<br />
nach dem Krieg zusammen. Möglich war die Errich<br />
tung solcher Zentren, weil immer mehr Menschen e<strong>in</strong><br />
eigenes Auto besassen. Neben diesem offensicht<br />
lichen Faktor besteht jedoch noch e<strong>in</strong> weiterer, weni<br />
ger bekannter Zusammenhang zwischen E<strong>in</strong>kaufs<br />
zentren und dem Krieg: Zu dieser Zeit wurde erstmals<br />
e<strong>in</strong> fensterloses Gebäude entwickelt. Als Schutz vor<br />
Bombenangriffen baute man klimatisierte Fabriken<br />
mit Neonbeleuchtung. Nach dem Krieg wurde diese<br />
Bauweise von <strong>der</strong> Industrie schnell wie<strong>der</strong> ad acta<br />
gelegt, und man kehrte zu Gewohntem zurück. Die<br />
grossen E<strong>in</strong>zelhandelsketten dagegen errichteten <strong>in</strong><br />
grosser Anzahl fenster lose Gebäude, da diese e<strong>in</strong>e<br />
optimale Nutzung versprachen. Die richtige E<strong>in</strong>stel<br />
lung von Beleuchtung und Temperatur ist entschei<br />
dend dafür, dass die Ware nicht verdirbt und sich die<br />
Kunden wohlfühlen.<br />
Hier liegt auch <strong>der</strong> erste Unterschied zwischen<br />
dem Mar<strong>in</strong> Centre und herkömmlichen E<strong>in</strong>kaufs<br />
zentren, denn anstelle <strong>der</strong> sonst üblichen künstlichen<br />
Beleuchtung wird Tageslicht genutzt. Das Dach über<br />
<strong>der</strong> zentralen Halle weist Öffnungen unterschiedli<br />
cher Breite auf, sodass <strong>der</strong> Raum von Licht durch<br />
flutet wird.<br />
Die Architekten verweisen darauf, dass sie hierfür<br />
nicht nur Zustimmung ernteten. Im Vorfeld waren<br />
e<strong>in</strong>ige Verantwortliche nicht begeistert davon, dass<br />
ihre Ware eventuell direkt dem Tageslicht ausge<br />
setzt se<strong>in</strong> würde, Es wurde über den Grad <strong>der</strong> Filte<br />
rung verhandelt, bis <strong>der</strong> aktuelle Effekt möglich war:<br />
mit e<strong>in</strong>em Museum denn mit e<strong>in</strong>em E<strong>in</strong>kaufszentrum<br />
verb<strong>in</strong>det. Die Besucher treten aus dem Halbdunkel<br />
des Parkhauses buchstablich <strong>in</strong>s Licht.<br />
Die fünf Parkebenen s<strong>in</strong>d über drei Schleusen<br />
direkt mit den zwei Ebenen des E<strong>in</strong>kaufszentrums<br />
verbunden . Diese Korridore mit Gefälle er<strong>in</strong>nern<br />
an gewisse Projekte des französischen Architekten<br />
Claude Parent aus den 1970er-Jahren und an die<br />
e<strong>in</strong>e leicht abgeschwächte Sonnene<strong>in</strong>strahlung, die Art, wie er mit Schrägen entwarf. Für Parent war e<strong>in</strong>e<br />
sich allerd<strong>in</strong>gs ihr gesamtes plastisches Potenzial schräge Ebene e<strong>in</strong>e Umwälzung, die uns zw<strong>in</strong>gt, e<strong>in</strong><br />
bewahrt hat. Die Öffnungen wurden asymmetrisch gewohntes Verhalten zu überdenken. Selbst wenn<br />
angeordnet, um <strong>in</strong>teressante Schattenspiele zu die von Bauart geplanten Schrägen nicht so kritisch-<br />
erzeugen. radikal s<strong>in</strong>d, be<strong>in</strong>halten sie doch e<strong>in</strong>e dezente Über-<br />
Der zentrale Platz, quasi das Herzstück des schreitung jener Banalität, die für die meisten Über-<br />
Monolithen, ist jedoch nicht <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zige Gebäudeteil gänge zwischen Parkhäusern und Gebäuden typisch<br />
mit solchen «Lichtspielen» . E<strong>in</strong>e weitere, allerd<strong>in</strong>gs ist. Die Zugänge s<strong>in</strong>d so angeordnet, dass <strong>der</strong> Weg<br />
ganz an<strong>der</strong>e Beson<strong>der</strong>heit s<strong>in</strong>d die Schleusen mit zwischen Parkplatz und Läden möglichst kurz ist.<br />
ihren Rolltreppen, die von den Parkflächen zu den<br />
Läden führen und für e<strong>in</strong>en angenehmen Überra- KOMPLEXER BAIJABLAIJF<br />
schungseffekt beim Besucher sorgen sollen. Beim Umbau des Cent res wurde <strong>der</strong> Geschäfts-<br />
Diese übere<strong>in</strong>an<strong>der</strong> angeordneten Zugänge ver- betrieb nicht unterbrochen, E<strong>in</strong>e ausgeklügelte Bau-<br />
b<strong>in</strong>den zwei völlig unterschiedliche Räume mitei- stellenlogistik sicherte während <strong>der</strong> drei grossen<br />
nan<strong>der</strong>: das eher dunkle Parkhaus und den hellen Bauphasen von 2007 bis 2011 das störungsfreie<br />
zentralen Raum. Dadurch entsteht <strong>der</strong> E<strong>in</strong>druck, <strong>in</strong> Nebene<strong>in</strong>an<strong>der</strong> von Baggern, Lkws, Kunden und<br />
diesen Raum quasi e<strong>in</strong>zutauchen, was man eher Mitarbeitenden.<br />
1 Die Gestaltung <strong>der</strong> Aussenanlagen<br />
lenkt die Blicke auf<br />
den Baukörper<br />
2 Situation mit Aussenanlagen<br />
3 Luftbild zur Veranschaulichung<br />
<strong>der</strong> Grössenverhältnisse<br />
zwischen dem Centre Mar<strong>in</strong> und<br />
dem Ort mit knapp 5000 E<strong>in</strong>wohnern<br />
Fortsetzung auf $. 32<br />
--<<br />
DossIer I November 2011 23
-<br />
17<br />
18<br />
19<br />
20<br />
Dossier I November lOll 31
'--<br />
32<br />
1981 1991 BAUPHASE 1<br />
9. April: Eröffnung des ehemaligen<br />
Mar<strong>in</strong> (entre MAC als Umbau <strong>der</strong> alten<br />
Dubier-Fabrik<br />
Eröffnung MAC Süd<br />
(Pfister, Parkhaus und Parkdeck auf dem Dach)<br />
Neuer Haupte<strong>in</strong>gang<br />
FEBRUAR 2007 - NOVEMBER Z008<br />
- Inbetriebnahme des neuen Parkplatzes für<br />
Mitarbeiter und Besucher<br />
- Bauphase 1 des neuen Mar<strong>in</strong> Centre (e<strong>in</strong>schliesslich<br />
Kundenparkhaus mit fünf Decks)<br />
- Anb<strong>in</strong>dung <strong>der</strong> neuen Mall an die Ladengeschäfte,<br />
die provisorischen Restaurants und<br />
den alten Haupte<strong>in</strong>gang<br />
Zunächst musste <strong>der</strong> neue Gebäudeteil im öst- plakativer Aktivismus fern. Man plant e<strong>in</strong>fach nach-<br />
lichen Bereich des Geländes errichtet werden. Nach haltig, ohne grossartig darüber zu reden. Die Pr<strong>in</strong>-<br />
dessen Inbetriebnahme konnte mit dem Abriss und zipien <strong>der</strong> <strong>nachhaltige</strong>n Entwicklung gehören schon<br />
dem Neubau <strong>der</strong> zweiten Tranche begonnen wer- so weit zum Handwerk, dass man sie nicht extra zur<br />
den. Diese bei den Hälften, <strong>in</strong> denen jeweils Teile des Schau stellen muss.<br />
Parkhauses und <strong>der</strong> zentralen Halle untergebracht Dieses Dach wurde jedoch nicht nur aus e<strong>in</strong>em<br />
s<strong>in</strong>d, wurden mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> verbunden und bilden den <strong>nachhaltige</strong>n Baustoff errichtet, son<strong>der</strong>n es erfüllt<br />
Kern des jetzigen Gebäudes. In <strong>der</strong> dritten und letz- auch klimaregulierende Funktionen. Wenn die Tem-<br />
ten Bauphase wurde als Erweiterung <strong>der</strong> Flächen peraturen steigen, gehen die Fenster nach Norden<br />
des zweiten Bauabschnitts e<strong>in</strong> weiterer Gebäudeteil auf, sodass kaltere Luft e<strong>in</strong>strömen kann. Da die<br />
im Süden angebaut. Kühlung bei dieser Art von Gebäuden die grössten<br />
Der mit schwarzem Blech bekleidete Komplex hat Anfor<strong>der</strong>ungen an die Temperaturregelung stellt, ist<br />
e<strong>in</strong>e dynamische Ausstrahlung und ist darum be- die Möglichkeit e<strong>in</strong>er natürlichen Kühlung e<strong>in</strong> nicht<br />
müht, e<strong>in</strong> Korrektiv zur Zusammenhanglosigkeit <strong>der</strong> zu unterschätzen<strong>der</strong> Faktor für die Reduzieru ng des<br />
Stadtrandbebauung entlang <strong>der</strong> Autobahn zu se<strong>in</strong>. Energieverbrauchs.<br />
Die Gleichförmigkeit des Blocks wird durch Öftnun- Da Klimaanlagen und künstliche Beleuchtung<br />
gen unterbrochen, die wie Pixel über e<strong>in</strong>en Bild- üblicherweise Teil von E<strong>in</strong>kaufszentren s<strong>in</strong>d, zeigt<br />
schirm verstreut s<strong>in</strong>d. Die Wahl <strong>der</strong> Farbe trägt e<strong>in</strong> sich, wie grundlegend bei <strong>der</strong> Planung für das Mar<strong>in</strong><br />
Übriges zur von den Architekten gewünschten In- Centre Standardlösungen umgekrempelt wurden. Das<br />
szenierung bel. Gebäude steht vielmehr im Gegensatz zu den gän-<br />
Die Besucher betreten e<strong>in</strong>en riesigen, schwarzen gigen Standards, allerd<strong>in</strong>gs nicht, um das Rad neu<br />
Kubus und f<strong>in</strong>den sich auf e<strong>in</strong>em geräumigen, licht- zu erf<strong>in</strong>den, son<strong>der</strong>n um die wesentlichen energe-<br />
durchfluteten überdachten Platz wie<strong>der</strong> - e<strong>in</strong> frappie- tischen Schwachstellen zu verbessern.<br />
ren<strong>der</strong> Kontrast. Das gesamte Dach wird von unre- Die klimatisierte und künstlich beleuchtete Box wird<br />
gelmässig angeordneten Öffnungen durchbrochen, zu e<strong>in</strong>er Art Code, den die Architekten auf den Kopf<br />
von denen manche so breit s<strong>in</strong>d, dass man durch stellen. Dazu br<strong>in</strong>gen sie Luft und Licht <strong>in</strong>s Gebäude,<br />
sie den Himmel sehen kann. Nicht weniger als spielen mit schrägen Ebenen und erzeugen e<strong>in</strong>en aus-<br />
40 Schlitze sorgen so, je nach Tages- und Jahreszeit, sergewöhnlichen E<strong>in</strong>druck von GrÖsse.<br />
für unterschiedliche Lichteffekte. Von <strong>der</strong> äusseren Der überdachte Platz weist im Boden vier grosse<br />
Ersche<strong>in</strong>ung her würde niemand vermuten, dass da- Öffnungen auf, durch die das Licht bis <strong>in</strong>s untere<br />
runter e<strong>in</strong>e Holzkonstruktion steckt. Bei näherer Be- Geschoss gelangt. Der zentrale Raum ist grosszü-<br />
trachtung erschliessen sich e<strong>in</strong>em allerd<strong>in</strong>gs durch- gig bemessen, alle Läden s<strong>in</strong>d übersichtlich ange-<br />
aus die Gründe hierfür, da es sich um e<strong>in</strong> sehr ordnet: Damit wi<strong>der</strong>spricht das Mar<strong>in</strong> Centre den<br />
komplexes Bauwerk handelt. Diese Konstruktion E<strong>in</strong>kaufszentren, die ihre Grösse und ihre Form ka-<br />
wäre nämlich kaum <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em an<strong>der</strong>en Material s<strong>in</strong>n- schieren, um die Besucher zu e<strong>in</strong>em Rundgang zu<br />
voll gewesen. Dass hier e<strong>in</strong> <strong>nachhaltige</strong>s Material verführen. An<strong>der</strong>s als diese Architektur <strong>der</strong> vorgege-<br />
verwendet und diese Verwendung nicht weiter zur benen Wege bietet das Mar<strong>in</strong> Centre die Möglich-<br />
Schau gestellt wird, zeugt von e<strong>in</strong>er gewissen Abge- keit, direkt und ohne Umweg dorth<strong>in</strong> zu gehen, wo<br />
klärtheit. Beim Thema Nachhaltigkeit liegt Bauart man h<strong>in</strong>will.
BAUPHASE 2<br />
JANUAR 2009 - JULI 2010<br />
- Abriss des alten E<strong>in</strong>kaufszentrums<br />
- Bauphase 2 des neuen Mar<strong>in</strong> Centre (e<strong>in</strong>schliesslich<br />
Kundenparkhaus mit fü nf Decks)<br />
- Neuer Haupte<strong>in</strong>gang West mit direktem<br />
Zugang zur Mall<br />
ZENTRUMSFUNKTION<br />
FÜR DIE GEMEINDE<br />
Dass das Centre <strong>in</strong> das Gesamtbild <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de<br />
e<strong>in</strong>geglie<strong>der</strong>t wurde, entspr<strong>in</strong>gt ebenfalls <strong>der</strong> Absicht,<br />
Standardkonfigurationen zu modifizieren. Selbst wenn<br />
vom Konzept her alles auf die automobile Kund<br />
schaft ausgelegt ist, gibt es weitere E<strong>in</strong>gänge für<br />
Personen, die mit dem Zug, dem Bus o<strong>der</strong> zu Fuss<br />
zum Centre kommen.<br />
Da die Parkplätze <strong>in</strong>s Gebäude <strong>in</strong>tegriert s<strong>in</strong>d,<br />
statt wie früher die Fläche um den Supermarkt herum<br />
zu belegen, entstand e<strong>in</strong> freier Raum zwischen dem<br />
Centre und dem Dorf Mar<strong>in</strong>. Hier haben Bauart Ar<br />
chitekten <strong>in</strong> Zusammenarbeit mit den Landschafts<br />
architekten Paysagestion e<strong>in</strong>en Grünraum mit asym<br />
metrischen Pyramiden angelegt.<br />
Wer den Fussweg zum Centre nimmt, sieht es<br />
nach und nach h<strong>in</strong>ter den Rasenpyramiden auf<br />
tauchen. Diese Destrukturierung des öffentlichen<br />
Raumes ist e<strong>in</strong>e Auffor<strong>der</strong>ung zu Spiel und Aneig<br />
nung. Hier<strong>in</strong> spiegelt sich mehr als an<strong>der</strong>swo <strong>der</strong><br />
E<strong>in</strong>fluss von Claude Parent und dessen Streben nach<br />
Deregu lierung, die den Kontakt <strong>der</strong> Menschen unter<br />
e<strong>in</strong>an<strong>der</strong> för<strong>der</strong>t. Die Sitzreihen, die hier e<strong>in</strong>gerichtet<br />
werden sollen, unterstützen diese Entwicklung.<br />
Der Aufbau dieses Landschaftsparks stellt die<br />
Verb<strong>in</strong>dung zwischen <strong>der</strong> Geometrie des Centres<br />
und <strong>der</strong> städtebaulichen Heterogenität aus Lager<br />
häusern, Wohnblöcken und Strassen her.<br />
Die Pyramiden, die mit dem angefallenen Erd<br />
aushub angelegt wurden, s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong> Beispiel für die<br />
h<strong>in</strong>tergründige Umsetzung von Nachhaltigkeit. Durch<br />
die Verwendung dieses Aushubmaterials <strong>in</strong> <strong>der</strong> Frei<br />
raumgestaltung konnten Transportfahrten e<strong>in</strong>gespart<br />
werden, was die Umwelt schont und zug leich für die<br />
ökologischen Pr<strong>in</strong>zipien von Bauart spricht.<br />
Das Mar<strong>in</strong> Centre verleiht ohne Mimikry und ohne<br />
urbane Dekore, die Planer von E<strong>in</strong>kaufszentren sonst<br />
verbauen, se<strong>in</strong>er Umgebung e<strong>in</strong>en städtischen Cha-<br />
BAUPHASE 3 11. NOVEMBER 2011<br />
AUGUST 2010 - 10. NOVEMBER 2011<br />
- Offizielle E<strong>in</strong>weihung<br />
- Abriss MAC Süd - Ende <strong>der</strong> Bauarheiten am neuen Mar<strong>in</strong> Centre<br />
- Bauphase 3 des neuen Mar<strong>in</strong> Centre<br />
- Gestaltung <strong>der</strong> Aussenanlagen (e<strong>in</strong>schliesslich<br />
Pyramiden)<br />
rakter - ganz im Gegensatz zu nach aussen h<strong>in</strong> ab<br />
geschotteten Malls, die <strong>in</strong> ihrem Inneren e<strong>in</strong>e Stadt<br />
nachzubilden versuchen.<br />
An <strong>der</strong> Autobahn bef<strong>in</strong>det sich nun e<strong>in</strong> Gebaude,<br />
das e<strong>in</strong>en Dialog mit ihr aufnimmt. Der schwarze<br />
Monolith ist nicht nur e<strong>in</strong> Orientierungspunkt, son<br />
<strong>der</strong>n <strong>in</strong> gewisser Weise auch e<strong>in</strong> k<strong>in</strong>etisches Objekt.<br />
Die funktionale Seite des Gebaudes mit <strong>der</strong> An liefe<br />
rung und den dah <strong>in</strong>ter liegenden Lagerräumen wur<br />
de nicht weniger edel gestaltet als das übrige Ge<br />
bäude. Die zum Dorf orientierte Seite sche<strong>in</strong>t durch<br />
e<strong>in</strong> Spiel <strong>der</strong> Perspektiven <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage zu se<strong>in</strong>, die<br />
gewünschte Annäherung zwischen Dorf und E<strong>in</strong><br />
kaufszentrum zu ermöglichen .<br />
Mar<strong>in</strong>-Epagnier möchte aus dem E<strong>in</strong>kaufszentrum<br />
den zentralen Dorfplatz machen. So wurde etwa<br />
bereits beschlossen, dass die Post dorth<strong>in</strong> verlegt<br />
werden soll - e<strong>in</strong> Beispiel dafür, wie das Centre <strong>in</strong> die<br />
städtische Entwicklung des Ortes e<strong>in</strong>gebunden ist.<br />
Das exzentrisch neben <strong>der</strong> Ortschaft gelegene<br />
Mar<strong>in</strong> Centre macht den E<strong>in</strong>druck, als zöge es das<br />
Dorf zu sich h<strong>in</strong>. Es gel<strong>in</strong>gt ihm, Mar<strong>in</strong> städtischen<br />
Charakter zu verleihen. Die Zukunft wird zeigen, ob<br />
die Euphorie um das neue E<strong>in</strong>kaufszentrum nachhal<br />
tige raumplanerische Dynamik entfacht. Noch ist es<br />
etwas zu früh dafür, doch vieles deutet darauf h<strong>in</strong>.<br />
Dossier I November ZOll 33
34<br />
In den Schleusenbereichen<br />
verb<strong>in</strong>den<br />
Rolltreppen die fünf<br />
Parkdecks mit den zwei<br />
Verkaufsebenen
-'"'"\r---<br />
36<br />
r<br />
n<br />
NACHHALTIGE ARCHITEKTUR<br />
IN DER PRAXIS<br />
Text: Aldo Rota, Dario Aiulfi, Willi Frei, Emmanuel Rey<br />
_________ ....... 1<br />
Übersetzung: Richard Squire<br />
Das Mar<strong>in</strong> Centre unterscheidet sich von an<strong>der</strong>en grossen E<strong>in</strong>kaufszentren <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schweiz<br />
durch se<strong>in</strong>e konsequente Ausrichtung auf e<strong>in</strong>e <strong>nachhaltige</strong> Entwicklung. Das Gebäude<br />
entspricht dem M<strong>in</strong>ergie-Standard und weist weitere <strong>in</strong>novative, ressourcenschonende<br />
technische Lösungen auf. E<strong>in</strong>e zentrale Rolle im Energiehaushalt kommt <strong>der</strong> hohen,<br />
durch Tageslicht erhellten Mall zu. Die optimierte natürliche Belüftung ermöglicht e<strong>in</strong><br />
komfortables Raumklima ohne Energie verbrauchende mechanische Klimatisierung.<br />
I i
..<br />
Dossier I November 2011 41
12 Richtung Dorf und zum<br />
Vorplatz öffnet sich das<br />
E<strong>in</strong>kaurszentrum mit e<strong>in</strong>em<br />
(are<br />
13 Unterschiedlich breite<br />
Verglasungen lassen viel Tageslicht<br />
<strong>in</strong> die zentrale Halle.<br />
Das wan<strong>der</strong>nde Schattenbild<br />
wirkt wie e<strong>in</strong>e überdimensionale<br />
Sonnenuhr<br />
42<br />
ist beson<strong>der</strong>s nachts <strong>in</strong>teressant, da so <strong>in</strong> energe- ckung des gesamten Bedarfs o<strong>der</strong> als Unterstützung<br />
tischer H<strong>in</strong>sicht von e<strong>in</strong>em höheren Free-Cool<strong>in</strong>g- des mechanischen Systems. Zu diesem Potenzial<br />
Potenzial profitiert werden kann und - wirtschaftlich während des Tages kommen die Nachtstunden h<strong>in</strong>-<br />
gesehen - <strong>der</strong> Tarif günstiger ist. Durch die Trägheit zu, während <strong>der</strong>en e<strong>in</strong>e passive Kühlung des Ge-<br />
<strong>der</strong> Decken macht man sich im Tagesrhythmus die bäudes durch natürliche Belüftung möglich ist. Es<br />
Speicherwirkung bzw. die langsame Abgabe <strong>der</strong> gibt e<strong>in</strong>ige Bereiche, die nur schwer natürlich belüftet<br />
Wärme zunutze. Dieses System kann zwar problem- werden können, z. B. die Standorte <strong>der</strong> Kühlmäbel <strong>in</strong><br />
los 20-30W/m' abführen, hat allerd<strong>in</strong>gs den Nachteil, den Lebensmittelläden. In den meisten an<strong>der</strong>en Be-<br />
dass es sich nicht schnell an abrupte Schwankungen reichen h<strong>in</strong>gegen ist e<strong>in</strong>e natürliche Belüftung pro-<br />
<strong>der</strong> thermischen Belastungen anpasst. Im Falle e<strong>in</strong>es blemlos möglich.<br />
E<strong>in</strong>kaufszentrums liegt die aus <strong>der</strong> Beleuchtung her- In <strong>der</strong> Mall kommt <strong>der</strong> natürlichen Belüftung e<strong>in</strong>e<br />
rührende Last den ganzen Tag über - Öffnungs- und beson<strong>der</strong>e strategische Bedeutung zu. Da sie e<strong>in</strong>en<br />
Wartungszeiten - bei 20W/m 2 • Diese festen Zeiten Raum<strong>in</strong>halt von über 50000m 3 hat, e<strong>in</strong>igte man sich<br />
s<strong>in</strong>d damit günstig für e<strong>in</strong>e effiziente Integration schon im ganz frühen Planungsstadium darauf, auf<br />
thermoaktiver Decken <strong>in</strong> das energetische Gesamt- e<strong>in</strong>e vollständige Klimatisierung des gesamten Volu-<br />
konzept. mens zu verzichten und vielmehr die enorme Höhe<br />
auszunutzen, um unterschiedliche Luftschichten zu<br />
NATÜRLICHE BELÜFTUNG generieren und die Wärme <strong>in</strong> den obersten - von<br />
UND PASSIVE NACHTKÜHLUNG Menschen nicht benutzten - Bereich zu verbannen.<br />
In <strong>der</strong> Schweiz ist das Potenzial für die Nutzung Als Reaktion auf die nachfolgend genannten Rah-<br />
<strong>der</strong> natürlichen Belüftung äusserst <strong>in</strong>teressant. E<strong>in</strong>e menbed<strong>in</strong>gungen war die natürliche Belüftung fü r<br />
Auswertung <strong>der</strong> reg ionalen Wetterdaten ergab mit die Klimatisierung dieses Raumes geboten:<br />
1261 Stunden e<strong>in</strong>e nicht unbeträchtliche Zeitdauer, - Aufgrund <strong>der</strong> Grässe des Raumes sowie <strong>der</strong> Auf-<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> die Temperaturen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Zeit von 8 bis 20 Uhr heizung durch Sonnene<strong>in</strong>strahlung hätte man<br />
zwischen 14 und 22 cC liegen. In diesem Zeitfenster e<strong>in</strong>e Klimaanlage mit e<strong>in</strong>em entsprechend hohen<br />
ist es bioklimatisch s<strong>in</strong>nvoll , natürliche Belüftung e<strong>in</strong>- Energiebedarf verbauen müssen, um die Klimati-<br />
zusetzen, entwe<strong>der</strong> als alle<strong>in</strong>ige Belüftung zur Abde- sierung garantiert unter Kontrolle zu haben.
- Die Mall ist e<strong>in</strong> Übergangsbereich zwischen<br />
Aussen- und Innenbereich des Gebäudes sowie<br />
Verkehrsfläche zwischen den e<strong>in</strong>zelnen Läden.<br />
Daher liegen die AnsprÜChe an die Klimatisierung<br />
dieses Raumes ebenfalls zwischen beiden Be<br />
reichen . Es gelten folgende Parameter für die<br />
Klimatisierung dieses Raumes: Bei e<strong>in</strong>er Aussen<br />
temperatur von - 6°e im W<strong>in</strong>ter muss e<strong>in</strong>e Innen<br />
temperatur von 18 bis 20 oe und bei e<strong>in</strong>er Aussen<br />
temperatur von 32 oe im Sommer muss e<strong>in</strong>e<br />
Innentemperatur von maximal 28 °e erreicht<br />
werden.<br />
- Durch den grassen Anteil an Glasflächen (276m'<br />
Norden, 276m' Süden und 695m' Oberlicht) fällt<br />
sehr viel Tageslicht e<strong>in</strong>, das auch e<strong>in</strong>e erhebliche<br />
Aufheizung mit sich br<strong>in</strong>gt. Diese zugeführte Wär<br />
me muss im Sommer und <strong>in</strong> <strong>der</strong> Übergangszeit<br />
abgeleitet werden .<br />
Um nun diese Wärmelast durch natürliche Belüftung<br />
ableiten zu können, wurden im unteren und im obe<br />
ren Teil <strong>der</strong> Mall Öffnungen für die optimale Zu- und<br />
Abfuhr von Luft vorgesehen. Im unteren Bereich (un<br />
tere und obere Ebene <strong>der</strong> Mall) wurden Zuluftöff-<br />
nungen mit e<strong>in</strong>er Gesamtfläche von 66 m 2 e<strong>in</strong>gebaut,<br />
über die Luft <strong>in</strong> die Mall e<strong>in</strong>strömt. Die oberen Öff- tet werden, denn die Temperatur des Kaltwasser-<br />
nungen s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> das Dach über <strong>der</strong> Mall <strong>in</strong>tegriert. Sie netzes wird über e<strong>in</strong>en Wärmetausch mit <strong>der</strong> Aus-<br />
s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> zwei gleich grossen Gruppen im oberen und senluft, <strong>der</strong> mittels Hybridkühltürmen erfolgt, stabil<br />
unteren Teil <strong>der</strong> Vertikalstruktur angeordnet und ha- gehalten. Dank diesen Türmen kann man die Feucht-<br />
ben e<strong>in</strong>e Gesamtfläche von 128 m 2 (je 32 m 2 im temperatur anstelle <strong>der</strong> Temperatur <strong>der</strong> trockenen<br />
oberen und im unteren Teil <strong>der</strong> Nordseite sowie im Luft verwenden. Dazu wird die trockene Luft durch<br />
oberen und im unteren Teil <strong>der</strong> Südseite). adiabatisches Verdampfen von Wasser angefeuch-<br />
Für die natürliche Belüftung öffnet sich e<strong>in</strong>e be- tet, bevor sie <strong>in</strong> die Batterie des Kühlturms e<strong>in</strong>tritt.<br />
stimmte Anzahl dieser Schieber <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Kaskade. Ist ke<strong>in</strong>e direkte Kühlung mehr möglich, um die<br />
Zunächst werden nach und nach die oberen Schie- Temperatur des Kaltwassernetzes auf 12°e zu hal-<br />
ber geöffnet, dann diejenigen auf mittlerer Höhe und ten, weil die Feuchttemperatur über 10°C liegt,<br />
anschliessend diejenigen im unteren Teil. Diese werden die Kältemasch<strong>in</strong>en zugeschaltet. Mit dem<br />
Schieber werden von <strong>der</strong> Mess- und Regeltechnik Hybridturm können die Kondensatoren <strong>der</strong> Kältema-<br />
angesteuert, wobei sie je nach Bedarf (Raumluft- sch<strong>in</strong>en besser gekühlt werden, sodass diese e<strong>in</strong>e<br />
temperatur <strong>in</strong> <strong>der</strong> Mall) geöffnet und geschlossen höhere LeistungsaUSbeute erzielen und so ihren Teil<br />
werden. Im Sommer dienen sie auch dazu, <strong>in</strong> den zu e<strong>in</strong>em ger<strong>in</strong>geren Stromverbrauch beitragen. In<br />
Nachtstunden das Zentrum des Gebäudes zu küh- diesem Zusammenhang sei darauf verwiesen, dass<br />
len. Sobald die Innenraumtemperatur <strong>der</strong> Mall höher die thermoaktive Decke e<strong>in</strong> Kühlsystem ist, das be-<br />
als die Aussentemperatur ist, öffnet das MSR-System son<strong>der</strong>s gut zu e<strong>in</strong>er Nachtkühlung mittels Hybrid-<br />
automatisch die Schieber. turm passt, da sie ihre Wärmelast nachts abgeben<br />
(das heisst, sie wird gekühlt) und tagsüber e<strong>in</strong>en Teil<br />
OPTIMIERUNG <strong>der</strong> überschüssigen Wärme aufnehmen kann (Pha-<br />
DER MECHANISCHEN ANLAGEN senverschiebung zwischen Tag und Nacht).<br />
Da für die Erzeugung von Kälte zu Klimatisierungs- Im energetischen Konzept ist ausserdem e<strong>in</strong>e<br />
zwecken das Free-Cool<strong>in</strong>g-Potenzial des Aussenbe- Kühlung <strong>der</strong> Läden über e<strong>in</strong>e Kaltwasserschleife vor-<br />
reichs genutzt wird , können die Kältemasch<strong>in</strong>en im gesehen, an die Kühlanlagen (Gebläsekonvektoren)<br />
W<strong>in</strong>ter und <strong>in</strong> <strong>der</strong> Übergangszeit nachts abgeschal- <strong>der</strong> Mieter angesch lossen werden können , sodass Fortsetzung aufS. 46<br />
Dossier I November ZOll 43
16 Auf dem Metalldach des<br />
Parkhauses ist e<strong>in</strong>e Fotovoltaikanlage<br />
mit zurzeit 400m 2<br />
Fläche <strong>in</strong>stalliert<br />
46<br />
nur die restliche <strong>in</strong>terne Wärme last über die Belüf- detailliert ermittelten Lichtbedarf zugeschnitten. Für<br />
tung abgeführt wird. Durch diesen Kniff wird die Luft- bestimmte Anwendungen wurden zudem LED e<strong>in</strong>ge-<br />
menge für die Belüftung <strong>der</strong> Bereiche mit hohen <strong>in</strong>- setzt. Alle E<strong>in</strong>sparungen im Verbrauch für die Be-<br />
ternen Lasten im Centre begrenzt. leuchtung wirken sich auch über e<strong>in</strong>e ger<strong>in</strong>gere Käl-<br />
Auch die Effizienz <strong>der</strong> Monoblock-Belüftungsge- teerzeugung zur Klimatisierung aus.<br />
räte wurde sorgfältig geprüft. Um so viel Wärme wie Zusätzlich hat Groupe E, das Versorgungsunter-<br />
möglich aus den gewerblichen Kälteanlagen rückge- nehmen tür die Kantone Neuenburg und Freiburg,<br />
w<strong>in</strong>nen zu können und die Verluste des Verteiler- 400m 2 Fotovoltaikzellen auf dem Dach des Park-<br />
netzes so ger<strong>in</strong>g wie möglich zu halten, wurden die hauses <strong>in</strong>stalliert. Künftig soll diese Anlage erweitert<br />
Wärmebatterien so ausgelegt, dass die Luft mit 25 °C werden, da noch genügend Fläche zur vermehrten<br />
e<strong>in</strong>geblasen werden kann. Die Wassertemperatur E<strong>in</strong>speisung von erneuerbarer Energie vorhanden<br />
<strong>der</strong> Heizung hat dabei maximal 35 °C. Die Mono- ist.<br />
blockgeräte s<strong>in</strong>d mit hochwirksamen Rückgew<strong>in</strong>-<br />
nungsanlagen sowie mit Sonden für die Luftqualität SONSTIGE UMWELTRELEVANTE ASPEKTE<br />
und die Regulierung ausgerüstet, sodass e<strong>in</strong> genau Parallel zur Senkung des Energieverbrauchs flossen<br />
auf Angebot und Bedarf abgestimmter Betrieb mög- noch weitere umwelt re levante Aspekte <strong>in</strong> die Kon-<br />
lieh ist (Recyl<strong>in</strong>g e<strong>in</strong>er Luftteilmenge je nach klima- zeption dieses Projekts e<strong>in</strong>:<br />
tischen Verhältnissen). Diese Wärmetauseher s<strong>in</strong>d - Durch die Senkung des Wärmeverbrauchs konn-<br />
auch im Sommer <strong>in</strong> Betrieb, wenn es darum geht, <strong>der</strong> ten die Emissionen am Standort um die Hälfte<br />
wärmeren Aussenluft Kälte zu entziehen. gesenkt werden. So s<strong>in</strong>d die neuen Werte <strong>der</strong><br />
Die Anlagen wurden so ausgewählt, dass die jährlichen Schadstoffemissionen trotz grösserer<br />
Werte <strong>der</strong> Leistungskoeffizienten nicht nur bei Nenn- Fläche nur noch halb so hoch wie im alten Cenlre.<br />
last, son<strong>der</strong>n auch bei Teillast zufriedenstellend s<strong>in</strong>d, - Für die Kälteerzeugung zur Klimatisierung und zu<br />
da <strong>der</strong> Betrieb <strong>in</strong> den meisten Fällen nur bei Teillast gewerblichen Zwecken stehen heute mehrere<br />
erfolgt. Zusätzlich zur Tageslichtnutzung wurden Kältemittel zur Verfügung, die den aktuellen Vor-<br />
Energiesparlampen zur künstlichen Beleuchtung schriften genügen: R134a, R407c, NH 3 , CO 2 . Im<br />
verwendet. Oie Beleuchtung wurde genau auf den Mar<strong>in</strong> Centre werden die Klimaanlagen mit R134a
48<br />
Fussgängerzugang zum<br />
Mar<strong>in</strong> Centre bei Nacht
48 50<br />
AM BAU BETEILIGTE<br />
BAUHERRSCHAFT<br />
Mar<strong>in</strong> Cent re SA<br />
Fabrice Zumbrunnen, Marcelle Junod,<br />
Walter Haldemann<br />
Mitarbeitende: Daniel Blickle, Jacques Magn<strong>in</strong>,<br />
Alberto Matos, David Menoud<br />
ARCHITEKTEN / GENERALPLANER<br />
Bauart Architekten und Planer AG,<br />
Neuenburg, Bern, Zürich<br />
Will i Frei, Stefan Graf, Peter C. Jakob,<br />
Emmanuel Rey, Yorick R<strong>in</strong>geisen, Marco Ryter<br />
Projektleiter: Yves Pfeiffer<br />
www.bauart.ch<br />
HLKSE-INGENIEURE<br />
Enerconom AG, Sern<br />
Mitarbeitende: Andre Aebischer, LorenzD Rustighi,<br />
Peter Vogler, Urs Werren, Peter Wüthrich<br />
HOLZBAUINGENIEURE<br />
Merz, Kaufmann Partner AG, Altenrhe<strong>in</strong><br />
Mitarbeitende: Konrad Merz, Robert Rupp<br />
BAUINGENIEURE AUSSENANLAGEN<br />
VBI V<strong>in</strong>cent Becker Ingenieurs SÄ, Mar<strong>in</strong>-Epagnier<br />
Mitarbeitende: Georges Bertoni, Maria Di Pietro,<br />
CMnc Richard<br />
LANDSCHAFTSARCHITEKTEN<br />
Mitarbeitende (Wettbewerb): Fabrice Aguston i, Paysagestion SA, Lausanne<br />
Sever<strong>in</strong> Fries , Christophe Goldschmid (Projektleiter), Mitarbeitende: Olivier Lasserre, Laurent Sal<strong>in</strong><br />
Johannes Lug<strong>in</strong>büh l, Thomas Schmid<br />
Mitarbeitende (Planung und Ausführung):<br />
Anto<strong>in</strong>e Baertschi, Fabienne Brand, Muriel le<br />
Bratsch i, Aude Bulan i, Massimiliano Oi Leone ,<br />
Cornelia Gan<strong>der</strong>, Kar<strong>in</strong> Gerber, Raffael Graf,<br />
Christopher Höfler, Claudia Hitschke, Bedrije Jaja,<br />
Yanick Jolliet, Oieter Jost, Oliver Lehmann,<br />
Oom<strong>in</strong>ique Leuba, Nathalie Licordari, Ricarda<br />
Papisch, David Perez, Patrick Remund, Jose<br />
S<strong>in</strong>atra, Michael Ulmer, Beatrice Sulger-Schleich,<br />
Hugo Versteeg, Ariane Wavre, Perr<strong>in</strong>e Willich,<br />
Corent<strong>in</strong> Zumwald<br />
BAULEITUNG<br />
Atelier d'architecture Oom<strong>in</strong>ique Rosset SA,<br />
Vi llars-sur-Glane<br />
Projektleiter: Georges Nemeshazy<br />
Mitarbeitende: Franyois Oelaloye, Jer6me Mauron<br />
ENERGIEKONZEPT<br />
Sorane SA, Ecublens<br />
Mitarbeitende: Dario Aiulfi, Oom<strong>in</strong>ique Chuard,<br />
Ivan Maschio<br />
BAUINGENIEURE<br />
GVH SA, Sa<strong>in</strong>t-Blalse<br />
Mitarbeitende: Teka Barbeau, Yan Gigon,<br />
Pierre Gorge, Jacques L'Eplattenier, Carlitta Rigolet,<br />
Annick Richard, Jean-Franyois Silagy<br />
UNTERSTÜTZUNG KOORDINATION HLKSE<br />
Christian Risse SA, Bureaux d'<strong>in</strong>genieur en<br />
electricite, Givisiez<br />
Mitarbeiter: Christian Risse<br />
SANITÄRPLANUNG<br />
Tecsan, Ollon VD<br />
Mitarbeiter: Christian Zosso<br />
VERKEHRSINGENIEURE<br />
(PARKHAUS)<br />
Cert-Aragao, Lausanne<br />
Mitarbeiter: Pedro Oe Aragao<br />
SICHERHEITSINGENIEURE<br />
Institut de securite, Neuenburg<br />
Mitarbeiter: Jerzy Respondek<br />
KOSTENKONTROLLE<br />
PBK AG, Zürich<br />
Mitarbeiter : Peter Frischknecht