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20094-3 - Fieseler - krieg um bilder 6 - Klartext Verlag

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Beate <strong>Fieseler</strong> und Jörg Ganzenmüller (Hg.)<br />

Kriegs<strong>bilder</strong><br />

Mediale Repräsentationen des<br />

‚Großen Vaterländischen Krieges‘<br />

<strong>Fieseler</strong> / Ganzenmüller (Hg.)<br />

Kriegs<strong>bilder</strong><br />

© <strong>Klartext</strong> <strong>Verlag</strong> 2010


Die Titelabbildung zeigt einen Kriegsveteranen im Gor’kij-Park,<br />

Moskau 9. Mai 1975. (Foto: Valerij Stigneev)<br />

1. Auflage April 2010<br />

Satz und Gestaltung: <strong>Klartext</strong> Medienwerkstatt GmbH, Essen<br />

Umschlaggestaltung: Frank Münschke dwb<br />

Druck und Bindung: Fuldaer <strong>Verlag</strong>sanstalt, Fulda<br />

© <strong>Klartext</strong> <strong>Verlag</strong>, Essen 2010<br />

ISBN 978-3-8375-0094-3<br />

Alle Rechte vorbehalten<br />

www.klartext-verlag.de<br />

<strong>Fieseler</strong> / Ganzenmüller (Hg.)<br />

Kriegs<strong>bilder</strong><br />

© <strong>Klartext</strong> <strong>Verlag</strong> 2010


Inhalt<br />

Beate <strong>Fieseler</strong> und Jörg Ganzenmüller<br />

Einführung ................................................... 7<br />

Jörg Ganzenmüller<br />

Die siegreiche Rote Armee und ihre Führung<br />

Konkurrierende Geschichts<strong>bilder</strong> von den ‚Vätern des Sieges‘ ............. 13<br />

Carmen Scheide<br />

Bild und Gedächtnis<br />

Identitätskonstruktionen sowjetischer Fliegerinnen<br />

als Angehörige der Roten Armee im Zweiten Welt<strong>krieg</strong> .................. 29<br />

Jürgen Zarusky<br />

Jenseits der Schablonen<br />

Krieg, Holocaust und Stalinismus in Vasilij Grossmans Stalingrad-Dilogie ... 47<br />

Carola Tischler<br />

Der Krieg als Komödie<br />

Die Wiederkehr der sowjetischen Filmgroteske<br />

während des Zweiten Welt<strong>krieg</strong>s . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63<br />

Beate <strong>Fieseler</strong><br />

Keine Leidens<strong>bilder</strong><br />

Die Invaliden des ‚Großen Vaterländischen Krieges‘ im sowjetischen Spielfilm 77<br />

Christine Engel<br />

60 Jahre danach<br />

Neue Sichtweisen auf den ‚Großen Vaterländischen Krieg‘ im Film Pol<strong>um</strong>gla 95<br />

Peter Jahn<br />

Patriotismus, Stalinismuskritik und Hollywood<br />

Der ‚Große Vaterländische Krieg‘ in russischen TV-Serien der Gegenwart .... 115<br />

Klaus Waschik<br />

Der ‚gesichtslose‘ Krieg<br />

Erinnerungsfragmente an den ‚Großen Vaterländischen Krieg‘<br />

im russischen Gegenwartsplakat ................................... 131<br />

<strong>Fieseler</strong> / Ganzenmüller (Hg.)<br />

Kriegs<strong>bilder</strong><br />

© <strong>Klartext</strong> <strong>Verlag</strong> 2010


Elke Scherstjanoi<br />

Verlorene Jahre?<br />

Ostdeutsche Bilder der sowjetischen Kriegsgefangenschaft ............... 147<br />

Autorinnen und Autoren ........................................ 159<br />

<strong>Fieseler</strong> / Ganzenmüller (Hg.)<br />

Kriegs<strong>bilder</strong><br />

© <strong>Klartext</strong> <strong>Verlag</strong> 2010


Beate <strong>Fieseler</strong> und Jörg Ganzenmüller<br />

Einführung<br />

Der Sieg im Zweiten Welt<strong>krieg</strong> ist bis heute das stärkste Bindeglied zwischen dem<br />

sowjetischen und dem russischen Patriotismus. Die staatliche Geschichtspolitik greift<br />

seit der Ära Putin nicht zuletzt auf den ‚Großen Vaterländischen Krieg‘ zurück, <strong>um</strong><br />

dem postkommunistischen Russland eine neue nationale Identität zu stiften.1 Der ‚Tag<br />

des Sieges‘ am 9. Mai ist der letzte sowjetische Feiertag, der bis heute in großem Stil<br />

begangen wird. Dabei setzt der Staat die Festivitäten im alten Gewand in Szene und<br />

erzielt damit in der Mehrheit der Bevölkerung eine positive Resonanz. Eine Umfrage<br />

der Izvestija („Nachrichten“) aus dem Jahr 2005 ergab, dass die Feierlichkeiten z<strong>um</strong><br />

60. Jubilä<strong>um</strong> des Kriegstri<strong>um</strong>phes2 bei 60 % der Befragten Stolz hervorriefen, nur 23 %<br />

empfanden die Inszenierung als übermäßig pathetisch.3<br />

Zweifellos ist das kulturelle Gedächtnis Russlands knapp zwanzig Jahre nach dem<br />

Ende der Sowjetunion stark differenziert. Das liegt vor allem an der Tatsache, dass<br />

die Pluralisierung der Kriegserinnerung nicht erst mit dem Ende der Sowjetunion<br />

einsetzte. Obwohl das öffentliche Gedenken immer staatlich monopolisiert war, wies<br />

die sowjetische Erinnerungskultur Brüche, Variationen und Nuancen auf.4 Selbst das<br />

staatspolitische offizielle Bild vom ‚Großen Vaterländischen Krieg‘ blieb nicht immer<br />

gleich. Vielmehr wechselten mit den politischen Umbrüchen auch die geschichtspolitischen<br />

Konjunkturen. Mitunter herrschte sogar eine offene Konkurrenz unterschiedlicher<br />

Kriegs<strong>bilder</strong>.<br />

Es gibt also keine einheitliche kollektive Erinnerung an den ‚Großen Vaterländischen<br />

Krieg‘. Dennoch hat die sowjetische Geschichtspolitik tiefe Spuren in der<br />

russischen Erinnerungslandschaft hinterlassen. So verharren z<strong>um</strong> Beispiel russische<br />

Jugendliche, wenn sie über den Zweiten Welt<strong>krieg</strong> sprechen oder schreiben, in den<br />

Formeln der sowjetischen Erinnerungskultur.5 Die offiziellen Kriegs<strong>bilder</strong> haben ihre<br />

Kraft demnach nicht gänzlich verloren.<br />

1 Gudkov, L.: Die Fesseln des Sieges. Russlands Identität aus der Erinnerung an den Krieg, in:<br />

Osteuropa 55 (2005), S. 56–72.<br />

2 Grundsätzlich erfolgt die Schreibweise russischer Begriffe und Personennamen nach den Regeln<br />

der wissenschaftlichen Transliteration. Beibehalten wurden jedoch gängige Schreibweisen von<br />

Orten und Institutionen (z. B. Kiew, NKWD).<br />

3 Izvestija, 11.5.2006.<br />

4 T<strong>um</strong>arkin, N.: The Living and the Dead. The Rise and Fall of the Cult of World War II in Russia,<br />

New York 1994.<br />

5 Ščerbakova, I.: Landkarte der Erinnerung. Jugendliche berichten über den Krieg, in: Osteuropa<br />

55 (2005), S. 419–432.<br />

<strong>Fieseler</strong> / Ganzenmüller (Hg.)<br />

Kriegs<strong>bilder</strong><br />

© <strong>Klartext</strong> <strong>Verlag</strong> 2010<br />

7


Beate <strong>Fieseler</strong> und Jörg Ganzenmüller<br />

Die Pluralisierung der Kriegserinnerung setzte jedoch nicht erst mit dem Ende der<br />

Sowjetunion ein. So spielte erstaunlicherweise in der unmittelbaren Nach<strong>krieg</strong>szeit<br />

(1946–1953) der Krieg eine eher untergeordnete Rolle.6 Nach der groß inszenierten<br />

Siegesparade auf dem Roten Platz am 24. Juni 1945 rückte er in den Hintergrund der<br />

staatlichen Propaganda. Zwar blieb Stalin als vorgeblich genialer Feldherr im Zentr<strong>um</strong><br />

des öffentlichen Geschichtsdiskurses, doch erschienen bis zu seinem Tod im Jahr 1953<br />

ka<strong>um</strong> Darstellungen oder Memoiren, die vom Kriegsgeschehen und Kriegserleben<br />

selbst handelten. Filme und Denkmäler verherrlichten einzig die Leistung des ‚Generalissimus‘<br />

und trieben den Kult <strong>um</strong> Stalin in absurde Höhen. Gleichzeitig wurde<br />

aber der ‚Tag des Sieges‘, der am 9. Mai 1945 z<strong>um</strong> arbeitsfreien Feiertag erklärt worden<br />

war, nach 1947 zu einem jener zahlreichen Feiertage ohne Arbeitsbefreiung degradiert.<br />

Mit dem XX. Parteitag der KPdSU von 1956, dem offiziellen Beginn der Entstalinisierung,<br />

setzte die zweite Phase der sowjetischen Geschichtspolitik ein. Das ‚Tauwetter‘<br />

wirkte sich selbstverständlich auch auf den Umgang mit dem ‚Großen Vaterländischen<br />

Krieg‘ aus. Nachdem Nikita Chruščev in seiner Geheimrede unter anderem mit Stalins<br />

Versagen als Kriegsherr in der Anfangsphase des Zweiten Welt<strong>krieg</strong>es abgerechnet<br />

hatte, durften Kriegsteilnehmer endlich ihre bis dahin unerwünschten Memoiren<br />

veröffentlichen und Schriftsteller sowie Regisseure, die nicht selten selbst Veteranen<br />

waren, sich künstlerisch mit dem Frontalltag auseinandersetzen. Mehr als zehn Jahre<br />

nach Kriegsende konnten die Vertreter der ‚Generation der Sieger‘ nunmehr beginnen,<br />

sich öffentlich über ihre Erfahrungen zu verständigen und andere als die zuvor<br />

produzierten Bilder vom Krieg zu entwerfen. Vor allem die in der Sowjetunion – aber<br />

auch im Westen – populären Romane von Viktor Nekrasov, Konstantin Simonov<br />

oder Vasilij Bykov sowie international prämierte Spielfilme wie Wenn die Kraniche<br />

ziehen, Ein Menschenschicksal oder Iwans Kindheit setzten hier neue Maßstäbe.<br />

Allen gemeinsam war die Suche nach Aufrichtigkeit in Abkehr von der kitschigen<br />

Verlogenheit der Kulturprodukte der Stalinjahre.<br />

Mit dem Amtsantritt Leonid Brežnevs und den Feierlichkeiten z<strong>um</strong> 20. Jahrestag<br />

des Sieges am 9. Mai 1965 setzte eine neue Phase der Erinnerungspolitik ein. Zunehmend<br />

wurde ein regelrechter Kriegskult inszeniert, der in pompösen Gedenkfeiern<br />

und einer mon<strong>um</strong>entalen Gedenkarchitektur seinen Ausdruck fand. Ikonografisch<br />

besann man sich auf die bereits unter Stalin gepflegte heroisierende Ästhetik. Auch<br />

wurde der Tag des Sieges wieder z<strong>um</strong> arbeitsfreien Feiertag, die Kriegsteilnehmer<br />

erhielten eine neu geprägte Gedenkmedaille und den Veteranen wurden allerhand<br />

kleine Vergünstigungen gewährt. Bis 1988 erschienen über 20.000 Bücher mit einer<br />

Gesamtauflage von mehr als einer Milliarde Exemplaren z<strong>um</strong> Kriegsthema. Der Sieg<br />

6 Zur folgenden Periodisierung der sowjetischen Geschichtspolitik vgl. Bernd Bonwetsch: Der<br />

„Große Vaterländische Krieg“: Vom öffentlichen Schweigen unter Stalin z<strong>um</strong> Heldenkult unter<br />

Breschnew, in: Quinkert, B. (Hg.): „Wir sind die Herren dieses Landes“. Ursachen, Verlauf und<br />

8<br />

Folgen des deutschen Überfalls auf die Sowjetunion, Hamburg 2002, S. 166–187.<br />

<strong>Fieseler</strong> / Ganzenmüller (Hg.)<br />

Kriegs<strong>bilder</strong><br />

© <strong>Klartext</strong> <strong>Verlag</strong> 2010


im Zweiten Welt<strong>krieg</strong> avancierte auf diese Weise zu einem zweiten Gründungsmythos<br />

der Sowjetunion. Selbstverständlich blendete diese in hohem Maße sinnstiftende<br />

Geschichtspolitik die weniger heroischen Seiten der sowjetischen Kriegführung aus.<br />

In den achtziger Jahren erfolgte im Zuge von Glasnost’ eine neuerliche geschichtspolitische<br />

Wende. Die Umwertung der Vergangenheit ging allerdings nicht von dem<br />

1985 z<strong>um</strong> Generalsekretär der KPdSU aufgestiegenen Michail Gorbačev aus. Dessen<br />

Verdienst bestand vielmehr darin, dass er die Bedingungen für eine offene Diskussion<br />

über den Stalinismus schuf. So konnte im Rahmen öffentlicher Debatten, die<br />

vor allem in der Presse geführt wurden, eine Vielfalt von Geschichts<strong>bilder</strong>n produziert<br />

werden, die sich im postkommunistischen Russland zunehmend differenzierten.<br />

Schon während der Perestrojka prallten bis dahin nie da gewesene Bilder vom Krieg,<br />

die jetzt von Kriegsteilnehmern, Literaten und Publizisten ans Licht geholt wurden,<br />

mit aller Wucht mit den beschönigenden offiziellen Sichtweisen zusammen. In diesem<br />

Zusammenhang bemerkte der Schriftsteller Viktor Astaf’ev, dass er an einem ganz<br />

anderen Krieg teilgenommen habe als dem, den sich die Historiker „erschrieben“<br />

hätten.7<br />

Seit der Regierungsübernahme durch Vladimir Putin ist eine erneute Revision der<br />

staatlichen Geschichtspolitik zu beobachten, die an die Inhalte und die Ästhetik der<br />

Kriegs<strong>bilder</strong> der Brežnev-Zeit anzuknüpfen versucht. Man denke nur an die offiziellen<br />

Feierlichkeiten z<strong>um</strong> 60. Jahrestag des Sieges im Jahr 2005, die trotz der Inszenierung<br />

als internationale Kommemoration mit einer erstmaligen Beteiligung westlicher Regierungschefs<br />

auch traditionelle Motive und ikonografische Symbole des Kriegsgedenkens<br />

sowjetischer Prägung – Heldenkult, Orden, fünfzackiger Stern – verwendeten.8<br />

Die Visualisierung des Krieges war in allen Phasen der sowjetischen bzw. der russischen<br />

Geschichtspolitik ein zentrales Mittel zur Produktion von Vorstellungen über<br />

die Vergangenheit. Die riesigen Gedenkkomplexe, die man in Wolgograd (vormals<br />

Stalingrad) und zahlreichen anderen Städten der ehemaligen Sowjetunion errichtet<br />

hat, stehen bis heute emblematisch für die gebieterische staatliche Inszenierung und<br />

Mon<strong>um</strong>entalisierung des Zweiten Welt<strong>krieg</strong>es.9 Doch auch das sowjetische Kino hat<br />

mit seinen Produktionen die Sicht auf den ‚Großen Vaterländischen Krieg‘ geprägt.10<br />

Wenn man in der staatlich gelenkten Geschichtspolitik nur Propaganda sähe, welche<br />

die Vorstellung der Menschen ka<strong>um</strong> berührt hätte, hieße das, die Macht cineastischer<br />

7 Istoriki i pistaeli o literature i istorii, in: Voprosy istorii 6 (1988), S. 3–114, hier S. 33.<br />

8 Langenohl, A.: Der „Tag des Sieges“ 2005. Internationalisierung und Kontinuität der Erinnerung,<br />

in: Russlandanalysen 64, 2005, S. 2–5.<br />

9 Arnold, S. R.: Stalingrad im sowjetischen Gedächtnis. Kriegserinnerung und Geschichtsbild im<br />

totalitären Staat, Boch<strong>um</strong> 1998.<br />

10 Kenez, P.: Black and White. The War on Film, in: Stites, R. (Hg.): Culture and Entertainment in<br />

Wartime Russia, Bloomington-Indianapolis 1995, S. 157–175; Karl, L.: Von Helden und Menschen.<br />

Der Zweite Welt<strong>krieg</strong> im sowjetischen Spielfilm (1941–1965), in: Osteuropa 52 (2002),<br />

S. 67–82.<br />

<strong>Fieseler</strong> / Ganzenmüller (Hg.)<br />

Kriegs<strong>bilder</strong><br />

© <strong>Klartext</strong> <strong>Verlag</strong> 2010<br />

Einführung<br />

9


Beate <strong>Fieseler</strong> und Jörg Ganzenmüller<br />

Bilder zu unterschätzen. Diese aber wurden und werden nicht etwa von authentischen<br />

– wahrhaftigen – Bildern vom Krieg geformt, sondern von „imagined battles“,11<br />

wie dies ja auch bei Produkten aus dem Genre der Kriegs- und Schlachtenmalerei seit<br />

jeher der Fall gewesen ist: „Anders als dies die Medien suggerieren, entzieht sich das<br />

chaotische und komplexe Ereignis Krieg prinzipiell der visuellen Repräsentation. Es<br />

ist vielmehr das Nichtdarstellbare schlechthin. Die medial vermittelten Bilder, die wir<br />

gleichwohl von ihm besitzen, sind weniger Repräsentationen des Krieges als vielmehr<br />

Abstraktionen, Projektionen, Fiktionen sowie bewusste Inszenierungen und Manipulationen,<br />

hinter denen das wirkliche Gesicht des Krieges verschwindet. Nicht das<br />

Ereignis selbst, sondern seine medialen Inszenierungen prägen Wahrnehmung, Deutung<br />

und Bewertung.“12<br />

Bilder sind also immer eine „eigens angefertigte Konfiguration sichtbarer<br />

Formverhältnisse“.13 Sie bilden die Wirklichkeit nicht einfach ab, sondern werden<br />

von jemandem konstruiert und haben damit stets eine subjektive Ebene. Deshalb<br />

sind Bilder „als kulturelle Deutungsleistungen zu verstehen, die über einen abgebildeten<br />

Gegenstand hinaus Hinweise auf zeitgenössische kulturelle Konventionen und<br />

Codes – oder auf unseren Zusammenhang bezogen: auf die subjektive Wahrnehmung<br />

des Krieges – liefern“.14 Im ‚Großen Vaterländischen Krieg‘ dienten sie meist der<br />

Legitimation. Die Soldaten und die ‚Heimatfront‘ sollten von der Notwendigkeit der<br />

Kriegsanstrengungen überzeugt werden.15 Mit Kriegsende riss die Bilderproduktion<br />

jedoch nicht ab. Medial inszenierte Darstellungen strukturierten weiterhin die Kriegserinnerung.<br />

Dabei kam es sowohl zu nachträglichen Sinnstiftungen wie zu retrospektiven<br />

Umdeutungen.<br />

Der vorliegende Band versteht ‚Bilder‘ nicht nur im wörtlichen Sinne. Das Bild ist<br />

neben dem Wort als eine eigenständige Form der mentalen Repräsentation aufzufassen.16<br />

Es können damit im engeren Sinne Filme, Fotografien oder Plakate, im weiteren<br />

Sinne aber auch Imaginationen und Metaphern gemeint sein. Die Beiträge behandeln<br />

deshalb nicht nur visuelle, sondern auch kognitive Repräsentationen – etwa literarische<br />

11 Paret, P.: Imagined Battles: Reflections of War in European Art, Chapel Hill 1997.<br />

12 Paul, G.: Kriegs<strong>bilder</strong> – Bilder<strong>krieg</strong>e, in: Aus Politik und Zeitgeschichte 31, 2009, S. 39–46, hier<br />

S. 39.<br />

13 Schwemmer, O.: Kulturphilosophie. Eine medientheoretische Grundlegung, München 2005,<br />

S. 159.<br />

14 Paul, G.: Krieg und Film im 20. Jahrhundert. Historische Skizze und methodologische Überlegungen,<br />

in: Chiari, B./Rogg, M./Schmidt, W. (Hg.): Krieg und Militär im Film des 20. Jahrhunderts,<br />

München 2003, S. 3–83, hier S. 4.<br />

15 Dazu grundlegend: Paul, G.: Bilder des Krieges – Krieg der Bilder. Die Visualisierung des<br />

modernen Krieges, Paderborn u. a. 2004.<br />

16 Sachs-Hombach, K.: Die Bilddebatte – Eine historische Einführung, in: ders. (Hg.): Bilder im<br />

Geiste. Zur kognitiven und erkenntnistheoretischen Funktion piktorialer Repräsentationen,<br />

10<br />

Amsterdam 1995, S. 7–18, hier S. 7.<br />

<strong>Fieseler</strong> / Ganzenmüller (Hg.)<br />

Kriegs<strong>bilder</strong><br />

© <strong>Klartext</strong> <strong>Verlag</strong> 2010


Umsetzungen oder Geschichts<strong>bilder</strong> – vom ‚Großen Vaterländischen Krieg‘. Es geht<br />

sowohl <strong>um</strong> die Vorstellung als auch <strong>um</strong> die Darstellung des Krieges.17<br />

Unsere Rekonstruktion der sowjetischen ‚Bilder vom Krieg‘ verfolgt das Ziel,<br />

Wahrnehmungen und Sinnstiftungen des Zweiten Welt<strong>krieg</strong>es herauszuarbeiten, mit<br />

deren Hilfe sich die Menschen in der Sowjetunion und ihren Nachfolgestaaten orientiert<br />

haben und immer noch orientieren. Folgende Fragen stehen deshalb im Zentr<strong>um</strong><br />

dieses Bandes: Welche Bilder vom Krieg produzierte das sowjetische Regime in den<br />

jeweiligen geschichtspolitischen Phasen? Inwieweit gab es Konjunkturen bestimmter<br />

Darstellungen? Welche existierten jenseits der staatlich sanktionierten Bilder? Es<br />

wird also auch nach alternativen Deutungen jenseits der offiziellen Geschichtspolitik<br />

gefragt, <strong>um</strong> die Vielfalt der sowjetischen Perspektiven auf den ‚Großen Vaterländischen<br />

Krieg‘ aufzuzeigen.<br />

Wir Herausgeber möchten uns bei einer Vielzahl von Personen und Institutionen<br />

herzlich bedanken: Bei allen ‚Beiträgern‘ für ihre Kooperation und Geduld; bei den<br />

Herausgebern für die Aufnahme in die renommierte Reihe „Veröffentlichungen zur<br />

Kultur und Geschichte im östlichen Europa“; bei Friederike Andrae für die technische<br />

Unterstützung, vor allem aber bei Jonas Uchtmann, in dessen Hand die aufwändige<br />

Endredaktion gelegen hat.<br />

Unser aufrichtiger Dank gilt auch der Marga und Kurt Möllgard-Stiftung im Stifterverband<br />

für die Deutsche Wissenschaft, Essen sowie der „Gesellschaft von Freunden<br />

und Förderern der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf e. V.“, deren Druckbeihilfen<br />

die Publikation dieses Bandes überhaupt erst ermöglicht haben.<br />

Düsseldorf/Jena im Januar 2010<br />

17 Zur doppelten, sich ergänzenden Bedeutung von ‚Repräsentationen‘, die einerseits an Stelle<br />

von etwas stehen, das nicht da ist, und andererseits etwas öffentlich präsentieren, das da ist, vgl.<br />

Chartier, R.: Die unvollendete Vergangenheit. Geschichte und die Macht der Weltauslegung,<br />

Berlin 1989, S. 10–13.<br />

<strong>Fieseler</strong> / Ganzenmüller (Hg.)<br />

Kriegs<strong>bilder</strong><br />

© <strong>Klartext</strong> <strong>Verlag</strong> 2010<br />

Einführung<br />

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