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268 Aufsätze BRAK-Mitt. 6/2006Quaas, Das Recht <strong>de</strong>r Fachanwaltschaften: aktueller Stand <strong>und</strong> Perspektiven – Teil 1for<strong>de</strong>rte Min<strong>de</strong>stzahl an Fällen nur durch die in § 5 Satz 3 FAOfür möglich gehaltene Gewichtung auch zu Gunsten <strong>de</strong>s Antragstellers.Weitere Fallquoren hat die Satzungsversammlung am 3.4.2006für bestimmte Teilbereiche <strong>de</strong>s Fachgebiets beschlossen <strong>und</strong>damit Unsicherheiten für die Praxis beseitigt. So war es für <strong>de</strong>nFachanwalt <strong>de</strong>s Verwaltungsrechts bis in die jüngste Zeit streitig,ob bei <strong>de</strong>r in § 5 Satz 1 lit. a FAO gefor<strong>de</strong>rten Verteilungvon min<strong>de</strong>stens 60 Fällen auf drei verschie<strong>de</strong>ne Bereiche <strong>de</strong>sbeson<strong>de</strong>ren Verwaltungsrechts eine gleichmäßige Verteilung(von etwa jeweils 20 Fällen) o<strong>de</strong>r – das an<strong>de</strong>re Extrem – überhauptkeine Verteilung verlangt wer<strong>de</strong>n darf, so dass auch eineVerteilung von 58:1:1 zulässig wäre. 27 Nunmehr sind regelmäßigfünf Fälle aus <strong>de</strong>m jeweiligen Teilbereich nachzuweisen.Damit soll – was oft übersehen wird – keine Wertigkeit <strong>de</strong>s entsprechen<strong>de</strong>nTeilgebiets als Anerkennungsvoraussetzung für<strong>de</strong>n Fachanwalt insgesamt zum Ausdruck gebracht wer<strong>de</strong>n.Nach wie vor kann auch <strong>de</strong>r Spezialist in einem SpezialbereichFachanwalt wer<strong>de</strong>n, sofern er noch einige „allgemeine“ Fälle<strong>de</strong>s Fachgebiets aufweisen kann. Solche „Ran<strong>de</strong>rscheinungen“sind im Gesamtbild <strong>de</strong>r jeweiligen Fachanwaltschaft unvermeidlich.d) Drei-Jahres-ZeitraumNach§5Satz1FAOmuss<strong>de</strong>rAntragstellerdiegefor<strong>de</strong>rteFallzahlinnerhalb <strong>de</strong>r „letzten drei Jahre vor <strong>de</strong>r Antragstellung“bearbeitet haben. Dieser Drei-Jahres-Zeitraum ist nicht mit <strong>de</strong>rDrei-Jahres-Frist <strong>de</strong>s § 3 FAO zu verwechseln, die an die Zulassungals Rechtsanwalt geknüpft ist <strong>und</strong> innerhalb <strong>de</strong>r letztensechs Jahre vor Antragstellung liegen muss. Der Nachweis <strong>de</strong>rBearbeitung <strong>de</strong>r fraglichen Fälle drei Jahre vor <strong>de</strong>r Antragstellunggilt auch für <strong>de</strong>njenigen, welcher eine Zulassung <strong>und</strong> Tätigkeitals Rechtsanwalt nach § 3 FAO nur unter Ausnutzung<strong>de</strong>r Sechs-Jahres-Grenze (z.B. bei Unterbrechungen durch Mutterschaft)nachweisen kann. Damit soll sichergestellt wer<strong>de</strong>n,dass sich <strong>de</strong>r Rechtsanwalt mit <strong>de</strong>n praktischen Erfahrungen„auf <strong>de</strong>r Höhe <strong>de</strong>r Zeit befin<strong>de</strong>t“. 28Im Übrigen ist jetzt durch die Rechtsprechung <strong>de</strong>s BGH klargestellt,dass Bearbeitungsbeginn <strong>und</strong> -en<strong>de</strong> nicht bei<strong>de</strong> in <strong>de</strong>nDrei-Jahres-Zeitraum fallen müssen. Es ist notwendig, aberauch ausreichend, wenn lediglich ein Teil <strong>de</strong>r Bearbeitung innerhalb<strong>de</strong>s Drei-Jahres-Zeitraums liegt. Die Bearbeitung <strong>de</strong>sFalls kann somit sowohl vor <strong>de</strong>m Drei-Jahres-Zeitraum begonnenals auch nach <strong>de</strong>ssen En<strong>de</strong> abgeschlossen wor<strong>de</strong>n sein. 29Aus <strong>de</strong>m Merkmal „bearbeitet“ folgt an<strong>de</strong>rerseits nicht, dass innerhalb<strong>de</strong>s Drei-Jahres-Zeitraums eine „wesentliche Fallbearbeitung“stattgef<strong>und</strong>en hat. 30Damit erledigen sich für die Praxis viele Fragen <strong>de</strong>r Zulässigkeit<strong>de</strong>s „Nachschiebens“ von Fällen. Streng genommen ist <strong>de</strong>r Fallnachweisbei Antragstellung zu führen. Nach diesem Zeitpunktgemel<strong>de</strong>te Fälle sind unzweifelhaft zu berücksichtigen, wennsie aus <strong>de</strong>m Drei-Jahres-Zeitraum stammen. Ist dies nicht <strong>de</strong>rFall, kann ein Nachschieben zulässig sein, vor allem, wenn eingeän<strong>de</strong>rter Drei-Jahres-Zeitraum gewählt, also z.B. ein spätererZeitpunkt als <strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Antragstellung genommen wird. 31 Ein unbegrenztesNachschieben von Fällen, gar noch während <strong>de</strong>sgerichtlichen Verfahrens, sollte schon aus Grün<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Gleichbehandlung<strong>de</strong>r Bewerber vermie<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n. Die Anwalts-27 So AGH NRW, Beschl. v. 17.6.2005, BRAK-Mitt. 2006, 90; a.A.AGH Berlin, Beschl. v. 29.5.2005, BRAK-Mitt. 2006, 86.28 BGH, Beschl. v. 18.4.2005 in NJW 2005, 1943, 1944 (gleichzeitigzur Verfassungsmäßigkeit <strong>de</strong>s Drei-Jahres-Zeitraums).29 BGH, Beschl. v. 6.3.2006, BRAK-Mitt. 2006, 131.30 a.A. Offermann-Buckart, Fachanwalt wer<strong>de</strong>n <strong>und</strong> bleiben,Rdnr. 237.31 Vgl. Kleine-Cosack, AnwBl. 2005, 593, 597.gerichte tun <strong>de</strong>shalb gut daran, bei erst nach Antragstellungbearbeiteten Fällen die Sache zur erneuten Beurteilung an <strong>de</strong>nPrüfungsausschuss „zurückzuverweisen“.e) FallbearbeitungNach § 5 Satz 1 FAO muss <strong>de</strong>r Antragsteller <strong>de</strong>n Fall persönlich<strong>und</strong> weisungsfrei als Rechtsanwalt bearbeitet haben. Die Bestimmunggeht davon aus, dass nur ein weisungsfrei <strong>und</strong> eigenverantwortlichtätiger Rechtsanwalt genügend Erfahrung sammelnkann, um auch als Fachanwalt später kompetent han<strong>de</strong>lnzu können. Umstritten ist die Anwendung <strong>de</strong>r Vorschrift beiSyndikusanwälten (aa), angestellten Anwälten bei einer Steuerberatungsgesellschaft(bb), einer Anwaltssozietät (cc) <strong>und</strong> beiAnwaltsnotaren (dd).aa) SyndikusanwaltUm ihre Fachanwaltsanerkennung zu erleichtern, hat die Satzungsversammlungmit Wirkung vom 1.7.2003 das Merkmal<strong>de</strong>r zuvor gelten<strong>de</strong>n „selbständigen“ Bearbeitung durch das Erfor<strong>de</strong>rnis<strong>de</strong>r „persönlichen <strong>und</strong> weisungsfreien“ Bearbeitungersetzt. In <strong>de</strong>r Sache war damit allerdings wenig gewonnen. 32Das Merkmal „selbständig“ zielte nicht auf eine „wirtschaftlicheSelbständigkeit“, son<strong>de</strong>rn das Erfor<strong>de</strong>rnis einer „anwaltlichenUnabhängigkeit“ bei <strong>de</strong>r Fallbearbeitung ab. Der Anwaltmuss <strong>de</strong>n Fall selbst, fachlich unabhängig <strong>und</strong> frei von Weisungenseiner Vorgesetzten o<strong>de</strong>r Dienstherren bearbeitet haben.Die Neuformulierung <strong>de</strong>s § 5 Satz 1 FAO entspricht damit <strong>de</strong>rbereits zuvor durch <strong>de</strong>n BGH vorgenommenen Auslegung <strong>de</strong>sMerkmals <strong>de</strong>r „selbständigen Bearbeitung“. 33Damit sind in<strong>de</strong>ssen die Probleme <strong>de</strong>s Syndikusanwalts, <strong>de</strong>rFachanwalt wer<strong>de</strong>n will, nicht gelöst, son<strong>de</strong>rn beginnen hiererst. § 5 Satz 1 FAO verlangt nämlich zusätzlich, dass <strong>de</strong>r Antragsteller<strong>de</strong>n Fall „als Rechtsanwalt“ bearbeitet hat. Folgt manim Anschluss an die Zweitberufsentscheidung <strong>de</strong>s B<strong>und</strong>esverfassungsgerichtsaus <strong>de</strong>m Jahre 1992 34 <strong>de</strong>r sog. Doppelberufstheorie,ist <strong>de</strong>r Syndikus hauptberuflich rechtsberatend alsangestellter Jurist für seinen Arbeitgeber <strong>und</strong> nebenberuflich alsRechtsanwalt in Einzelfällen tätig. Soweit <strong>de</strong>r SyndikusanwaltSyndikus ist <strong>und</strong> als solcher auftritt, kommt eine Tätigkeit alsRechtsanwalt nicht in Betracht. Leistungen eines Syndikusanwalts,die dieser für seinen Arbeitgeber erbringt, schei<strong>de</strong>n damitals im Sinne von § 5 Satz 1 FAO anrechenbare „Fallbearbeitung“aus. 35 Diese – begrifflich logische – Konsequenz ziehtin<strong>de</strong>ssen die neuere Rechtsprechung <strong>de</strong>s BGH nicht. Sie beziehtdas Merkmal „selbständig“ (= „persönlich <strong>und</strong> weisungsfrei“)nicht auf die Stellung <strong>de</strong>s Syndikusanwalts <strong>und</strong> <strong>de</strong>rendienst- o<strong>de</strong>r arbeitsvertragliche Gr<strong>und</strong>lage. Maßgebend seivielmehr, ob <strong>und</strong> inwieweit hinsichtlich <strong>de</strong>r betreffen<strong>de</strong>n Fällenach <strong>de</strong>n konkreten Umstän<strong>de</strong>n eine eigenständige <strong>und</strong> vonfachlichen Weisungen freie Bearbeitung durch <strong>de</strong>n Syndikusgewährleistet war. 36 So könne eine Weisungsgeb<strong>und</strong>enheit <strong>de</strong>sSyndikusanwalts anzunehmen sein, wenn er im Interesse seinesArbeitgebers <strong>de</strong>ssen eigene Rechtsangelegenheiten bearbeitet.37 Han<strong>de</strong>lt er dagegen nicht als Verbandsvertreter in Angelegenheiten<strong>de</strong>s Verban<strong>de</strong>s, son<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r (arbeitsrechtlichenBeratung o<strong>de</strong>r Prozessvertretung <strong>de</strong>r) Mitglie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Verban<strong>de</strong>s,könne von einer persönlichen <strong>und</strong> weisungsunabhängigen32 Kirchberg, NJW 2003, 1833, 1835 spricht insoweit zu Recht voneinem „Akt symbolischer Satzungsgebung“.33 Vgl. BGH, Beschl. v. 6.3.2006 – AnwZ (B) 37/05, BRAK-Mitt. 2006,134, 136 unter Verweis auf Beschl. v. 13.1.2003, NJW 2003, 883,884.34 BVerfGE 87, 287 = NJW 1993, 317.35 So BGH NJW 2000, 1645; Henssler in: Henssler/Prütting (sieheFn.6),§5Rdnr.5.36 BGH, Beschl. v. 13.1.2003 in NJW 2003, 883.37 So BGH, Beschl. v. 13.3.2000, NJW 2000, 1645.