Katalog zur Ausstellung "Ihrer Zeit voraus - Visionäre Frauen ... - BMU

Katalog zur Ausstellung "Ihrer Zeit voraus - Visionäre Frauen ... - BMU Katalog zur Ausstellung "Ihrer Zeit voraus - Visionäre Frauen ... - BMU

InhaltVorwort / Peter AltmaierVorwort / Dr.-Ing. E.h. Fritz BrickweddeZum EinstiegSchlaglichter der Umweltgeschichte46913PolitikerinnenGro Harlem BrundtlandAngela MerkelPetra Kelly646669 72PionierinnenLina HähnleUrsula SladekWangari Maathai16182124PublikumsmagnetenJane GoodallLoki SchmidtBianca Jagger767881 84UnternehmerinnenDagmar Fritz-KramerAnita RoddickAntje von Dewitz28303336WissenschaftlerinnenRachel CarsonAngelika ZahrntElisabeth Mann Borgese8890 93 96NetzwerkerinnenErna KretschmannDagi KiefferPhyllis Barclay-Smith40424548Impressum100AktivistinnenRegine FrerichsLiz ChristyBirsel Lemke52545760


4 / Vorwort / Peter Altmaier Vorwort / Peter Altmaier / 5VorwortLiebe Leserin, lieber Leser,dem gängigen Vorurteil, „auch“ der Umwelt- und Naturschutz sei (in Vergangenheitund Gegenwart) „hauptsächlich Männersache“, muss dringend entgegentreten werden.Auch wenn mit der <strong>Ausstellung</strong> „<strong>Ihrer</strong> <strong>Zeit</strong> <strong>voraus</strong>. <strong>Visionäre</strong> <strong>Frauen</strong> im Einsatz für denUmwelt- und Naturschutz 1899 bis heute“ nur ein Anfang einer nötigen Aufarbeitungdieses Themas gemacht ist: Das Ergebnis ist beeindruckend und erschreckendzugleich. Beeindruckend, weil durch die kleine und exemplarische Auswahl der vielen<strong>Frauen</strong>biografien, die es wert wären, gezeigt zu werden, deutlich wird, wie umfassend,vielfältig, hartnäckig, teilweise risikobereit, aber vor allem visionär das Engagementvon <strong>Frauen</strong> war und ist. Erschreckend, weil das bislang so wenig bekannt ist!Peter Altmaier, Bundesminister für Umwelt, Naturschutzund Reaktorsicherheit (<strong>BMU</strong>)Der <strong>Katalog</strong> <strong>zur</strong> <strong>Ausstellung</strong> gibt einen Überblick über die so unterschiedlichenLebensläufe, Hintergründe und Motivationen der <strong>Frauen</strong>. Ob als Unternehmerinnen,Wissenschaftlerinnen, Politikerinnen oder Aktivistinnen – sie alle haben Wegweisendesgeleistet und einen Großteil ihres Lebens dem Umwelt- und Naturschutz gewidmet.Ihre nationale, soziale und politische Herkunft ist unterschiedlich, aber eine Visionverbindet sie: der Kampf um eine lebenswerte Zukunft unserer Erde.Als Bundesumweltminister möchte ich mich damit bei allen <strong>Frauen</strong> bedanken, die sichengagiert für Umwelt- und Naturschutz einsetzen und ihnen versprechen, dass dieseWürdigung nur ein Anfang war. Der „Stern“ hat kürzlich das „Jahrhundert der <strong>Frauen</strong>“ausgerufen. Das muß auch für den Umweltschutz gelten. Bleiben Sie dran, seien Siebeharrlich! Ihre Leistungen sind Vorbild für jede und jeden, die oder der sich mit Kreativität,Hartnäckigkeit und Geduld für unser gemeinsames Ziel engagieren möchte.Ich bedanke mich bei Prof. Dr. Joachim Radkau, bei Dr. Anna-Katharina Wöbse undSabine Diemer, die die <strong>Ausstellung</strong> im Auftrag des Bundesumweltministeriums kuratierthaben, und wünsche Ihnen eine spannende und vor allem anregende Lektüre.Peter Altmaier, Bundesminister für Umwelt, Naturschutzund Reaktorsicherheit (<strong>BMU</strong>)


10 / Zum Einstieg Zum Einstieg / 11den Natur- und Umweltschutz entscheidend gestalten.Sie kämpfen mit ihren Ideen oft nicht nurgegen allgemeine gesellschaftliche Widerstände,sondern sind bisweilen mit massiven Vorurteilenkonfrontiert. Davon haben sich diese engagierten<strong>Frauen</strong> nicht hindern lassen. In ihrer Vielzahlspiegeln sie ein buntes Spektrum wider, das nichtohne interne Kontroversen ist. Aber ob optimistischrisikobereiteUnternehmerinnen, kluge Strateginnenoder waghalsige Aktivistinnen: Das Verantwortungsbewusstseinfür die nachfolgendenGenerationen verbindet diese unterschiedlichenCharaktere und Perspektiven. Der Facettenreichtumscheint eine wesentliche Bedingung für denErfolg und die Lebendigkeit der Umweltbewegungzu sein.Die 21 Biografien dieser <strong>Ausstellung</strong> machen daswegweisende ökologische Denken und Handelnvon <strong>Frauen</strong> unterschiedlicher Herkunft, Nationalitätund politischer Ausrichtung sichtbar. Sie stehenstellvertretend für Unzählige, die sich Tag fürTag überall auf der Welt dafür einsetzen, Natur unddamit auch menschliche Zukunft zu erhalten. IhreGeschichte ist Teil der über hundertjährigen Entwicklungder Umweltbewegung. Höchste <strong>Zeit</strong> füreine Würdigung!


Schlaglichter der Umweltgeschichte / 13Schlaglichter der Umweltgeschichte1872 / Yellowstone Nationalpark in den USA eingerichtet1899 / Lina Hähnle gründet in Stuttgart den Vogelbund für Vogelschutz1913 / Treffen <strong>zur</strong> Gründung einer Weltnaturschutzkommission in Bern1930 / Phyllis Barclay-Smith verweist beim internationalen Ornithologen-Kongressauf die Bedrohung der Vögel durch Öleinleitungen in Meere1949 / Erste Naturschutzkonferenz der UNESCO1960 / Erna Kretschmann eröffnet das „Haus der Naturpflege“1962 / Rachel Carson veröffentlicht das Buch „Silent Spring“, mit dem diemoderne amerikanische Umweltbewegung ihren Anfang nimmt1970 / Europäisches Naturschutzjahr1972 / 1. UN-Umweltkonferenz in Stockholm1972 / Das Buch „Die Grenzen des Wachstums“ erscheint und stellt erstmaldie Verbindung zwischen Wirtschaftsentwicklung und Umweltbelastung her1972 / Elisabeth Mann Borgese gründet das „International Ocean Institute“1973 / Die erste Ölkrise führt zu stärkeren Forschungen und Investitionen inEffizienzsteigerung, Wärmedämmung und erneuerbare Energie1974 / Beschluss des Helsinki-Abkommens über den Schutz der Meeresumweltdes Ostseegebiets1974 / Gründung des Umweltbundesamtes1975 / Liz Christy entwickelt das erste „Urban Gardening“-Projekt in New York1975 / Dagi Kieffer gründet die „Stiftung Ökologischer Landbau“1976 / Loki Schmidt gründet das Kuratorium zum Schutz gefährdeter Pflanzen1977 / Wangari Muta Maathai gründet das „Green Belt Movement“1978 / Das Umweltzeichen „Blauer Engel“ wird eingeführt und gibtVerbraucherinnen und Verbrauchern Orientierung1983 / Die Partei „Die Grünen“ ziehen in den Deutschen Bundestag ein1986 / Reaktorkatastrophe von Tschernobyl1986 / Gründung des <strong>BMU</strong>1987 / Der Brundtlandbericht „Unsere gemeinsame Zukunft“ über einenachhaltige Entwicklung erscheint1987 / Beschluss des Montreal-Protokoll <strong>zur</strong> Reduzierungund Abschaffung von FCKW1989 / Havarie des Öltankers „Exxon Valdez“ in Alaska1990 / Der DDR-Ministerrat beschließt in seiner letzten Sitzung dasumfangreichste Nationalparkprogramm der deutschen Geschichte1991 / Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt wird gegründet


14 / Schlaglichter der Umweltgeschichte1991 / Jane Goodall gründet die Aktion „Roots and Shoots“: in über 40 Ländernentwickeln Kinder Projekte für Umwelt- und Naturschutz1992 / Die Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklungintegriert erstmals Umwelt- und Entwicklungsbestrebungen (Rio de Janeiro)1993 / UN-Übereinkommen über die biologische Vielfalt tritt in Kraft1994 / Umweltschutz wird als Staatsziel im Grundgesetz verankert,das Umweltinformationsgesetz tritt in Kraft1995 / Angela Merkel erreicht das „Berliner Mandat“: Ein Grundstein fürdas Kyoto-Protokoll1996 / Angelika Zahrnt präsentiert die Studie „Zukunftsfähiges Deutschland“1997 / Das Kyoto-Protokoll wird beschlossen, es legt erstmals völkerrechtlichverbindliche CO2-Ausstoßgrenzen fest1997 / Das oberste türkische Verwaltungsgericht verbietet auf Betreibenvon Birsel Lemke den Gold-Abbau in der Bucht von Edremit1997 / Ursula Sladeck gründet das erste Ökostrom-Stadtwerk1999 / Einführung der Ökologischen Steuerreform mit dem Ziel, die Nutzungder Umwelt zu verteuern2000 / Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) tritt in Kraft2001 / Der Europäische Rat beschließt eine Nachhaltigkeitsstrategie für die EU2002 / Der Weltgipfel für Nachhaltige Entwicklung in Johannesburg legt neue Zieleund Handlungsprioritäten fest2005 / Der CO2-Emissionshandel wird in der EU eingeführt2006 / Nicholas Stern präsentiert auf der Weltklimakonferenz den „Stern“-Bericht:die Kosten unterlassenen Handelns sind höher als die Investitionen,den Klimawandel zu verringern2007 / Der Europäische Rat beschließt, die Treibhausgas-Emissionen bis 2020um mindestens 20% zu reduzieren2009 / Die Internationale Organisation für Erneuerbare Energien (IRENA) wirdgegründet2010 / Die UN-Klimakonferenz in Cancún (Mexiko) erkennt die Begrenzungdes Klimawandels auf max. 2 °C als Messlatte für weltweiten Klimaschutz an2010 / Regine Frerichs dokumentiert die Umweltschäden der Katastrophe derÖlplattform „Deepwater Horizon“ im Golf von Mexiko2011 / Die Bundesregierung beschließt nach der Atomkatastrophe imjapanischen Fukushima den Ausstieg aus der Kernenergienutzung unddie Beschleunigung der Energiewende


16 / Pionierinnen Pionierinnen / 17PionierinnenEin Problem zu erkennen, steht am Beginn jederVeränderung. Hier lernen Sie drei <strong>Frauen</strong> kennen,die das Heft in die Hand nehmen, ohne aufgroße Vorbilder blicken zu können. Sie beobachtenin ihrem unmittelbaren Umfeld den zerstörerischenUmgang mit Natur und melden dringendenHandlungsbedarf an. Gänzlich Neues zu beginnen,verlangt von ihnen Entschlossenheit, Selbstbewusstseinund bisweilen einen gerechten Zorn.Aber welche Schritte sind notwendig, bis ihranfängliches Unbehagen von anderen geteilt wirdund daraus eine schlagkräftige Bewegung entsteht?Jede der drei <strong>Frauen</strong> fängt an, dort zu graben undzu pflanzen, wo sie steht. Vor allem aber gelingtes ihnen, Strukturen aufzubauen, die die Voraussetzungenfür dauerhafte Veränderung bieten. IhreInitiativen wirken weiter.


18 / Lina Hähnle / PionierinnenLina Hähnle / Pionierinnen / 19Lina HähnleLina Hähnle ist 48 Jahre alt, als sie 1899 den Bund für Vogelschutz gründet. Er wirdsich in den nächsten Jahren <strong>zur</strong> erfolgreichsten Naturschutzorganisation des DeutschenReiches entwickeln. Ende des 19. Jahrhunderts wandelt sich Hähnles Umweltrasant. Es sind die Boomjahre des Kaiserreichs. Städte und Industriegebiete wachsenin die Landschaft, Abwässer verschmutzen viele Flüsse, die Landwirtschaft schlucktBüsche und Knicks. Die ersten augenfälligen Opfer dieser Entwicklung sind die Vögel.Sie verlieren Nistplätze und Nahrungsangebote. Zudem werden sie massenhaft alsDelikatesse, für die Käfighaltung und als Dekoration für die Hutmode gefangen.Lina Hähnle lenkt ihren Zorn in den Aufbau eines Verbandes zum Schutz der „geflügeltenFreunde“. Sie ist in effizientem Management erfahren. Bisher hat sie den großenHaushalt und das gesellschaftliche Leben rund um die expandierende Filzfabrikihres Mannes organisiert. Mit entsprechender Zielstrebigkeit baut sie den Verein auf.Sie verfasst Aufrufe gegen die Federmode, entwickelt Kampagnen für angewandtenVogelschutz, nutzt das neueste Medium Film <strong>zur</strong> Werbung, reist unermüdlich durchdas Land und versichert sich der Unterstützung zahlreicher Prominenter wie GerhardHauptmann oder des amerikanischen Präsidenten Woodrow Wilson. Mit ihrem Privatvermögenkauft sie Schutzgebiete an und pflanzt kilometerweise Hecken und Gehölze.Gleichzeitig erreicht sie dank eines extrem niedrigen Mitgliedsbeitrags, dass ihr Vereinrasant wächst.Überall in Deutschland entstehen Ortsgruppen, viele unter der Leitung von <strong>Frauen</strong>. Vordem Ersten Weltkrieg überschreitet der Verein erstmals die Marke von 40.000 Mitgliedern.Als das Vereinswesen im Dritten Reich gleichgeschaltet wird, wird aus demerfolgreichen Verband der Reichsbund für Vogelschutz. Obwohl keine Sympathisantindes Nationalsozialismus akzeptiert die hoch betagte Lina Hähnle diese Vereinnahmungund übergibt den Vorsitz 1938 offiziell an ein Parteimitglied. Nach dem Kriegbeschränkt sich der Nachfolgeverband lange auf den Vogelschutz, bis 1990 aus demDeutschen Bund für Vogelschutz der heutige Naturschutzbund (NABU) hervorgeht.Ohnehin eine vielbeschäftigte Frau: Lina Hähnle mit Kindern, um 1890.© Stiftung Naturschutzgeschichte„Das war kein Widerspruchfür sie: sich für die Natur zuinteressieren und dabei technischversiert zu sein, undimmer auf dem Laufenden.“Erinnerung der Enkelin Magda Knöringer, 2000.Emilie Karoline Hähnlewird 1851 in Sulz geboren. 1871Heirat mit ihrem Cousin, dem Fabrikantenund späteren liberalenReichstagsabgeordneten HansHähnle. Sie erzieht ihre sechs Kinder,führt den Haushalt und kümmertsich um soziale Belange der Fabrik,u. a. richtet sie eine Krippe für dieKinder der Belegschaft ein. 1899gründet sie den Bund für Vogelschutzund vertritt ihn in zahlreichenGremien des deutschen Naturschutzes.Am 1. Februar 1941 stirbt siezwei Tage vor ihrem 90. Geburtstagin Giengen an der Brenz.


20 / Lina Hähnle / PionierinnenUrsula Sladek / Pionierinnen / 21Ursula SladekBeschaulich liegt es da, das Städtchen Schönau im Südschwarzwald. Und doch stecktin ihm ein Hauch von gallischem Dorf: Mitte der 1980er Jahre wehren sich Einwohnerinnenund Einwohner gegen Atomstrom und die Macht der Stromkonzerne. IhrProtest mündet in einer unternehmerischen Pioniertat.Erkennungszeichen: Das ersteLogo des Bundes fürVogelschutz, 1899.© Stiftung NaturschutzgeschichteHähnle setzt auf moderne Kampagnenmittel und beauftragteinen Künstler, das Problem der Federmode in Szene zu setzen.© Stiftung NaturschutzgeschichteAnlass ist das Reaktorunglück in Tschernobyl 1986. Ursula Sladek, ihr Mann Michael,Menschen aus der Nachbarschaft und dem Freundeskreis sind erschüttert von derKatastrophe. Was sie fast noch mehr erschreckt, sind die ausbleibenden politischenKonsequenzen. So werden sie selbst aktiv, rufen die Initiative „Eltern für atomfreieZukunft e. V.“ ins Leben, veranstalten Stromsparwettbewerbe und gründen eine Firma,mit der sie alte Wasserkraftwerke reaktivieren. Beflügelt von ihrem Erfolg, treten siean den örtlichen Stromversorger, die Kraftübertragungswerke Rheinfelden (KWR),heran. Die Idee: eine Tarifstruktur, die zum Stromsparen reizt. Das Ergebnis: dieErkenntnis, dass KWR viel Strom verkaufen und nicht einsparen möchte. Und der Konzernlegt nach: Fünf Jahre bevor sein Vertrag mit der Stadt ausläuft, bietet er dieserfür eine vorzeitige Konzessionsverlängerung 100.000 Mark. Ursula Sladek und ihreMitstreiterinnen und Mitstreiter halten dagegen: Sie sind bereit, der Stadt die selbeSumme zu zahlen, falls diese das Angebot ablehnt. Mit nur einer Stimme unterliegt ihrAntrag im Gemeinderat. Doch sie geben nicht auf und erhalten schließlich bei einemBürgerentscheid die notwendige Mehrheit. Die Presse nennt sie „die Stromrebellen“.Längst steht für die Stromrebellen fest: Sie möchten die Versorgung Schönaus selbstin die Hand nehmen. 1994 gründen sie die Elektrizitätswerke Schönau (EWS) mitUrsula Sladek als Geschäftsführerin. Ein Jahr später erhalten sie von der Stadt dieKonzession. Doch ein Hindernis steht noch bevor: Die Übernahme des Netzes für 6,5Millionen Mark. Die EWS starten einen Spendenaufruf mit beeindruckendem Echo. Inkürzester <strong>Zeit</strong> ist die Finanzierungslücke geschlossen. 1997 sind sie am Ziel: Die EWSversorgen Schönau – bürgereigen und atomstromfrei. Ihrem Ideal des Bürgerengagementsbleiben die EWS auch nach diesem Erfolg treu: Das Unternehmen wird in eineGenossenschaft umgewandelt, ökologische Bürgerkraftwerke deutschlandweit unterstützt.Heute gehören die EWS zu den vier großen bundesweiten Ökostromanbietern.Die große alte Dame des Vogel-undNaturschutzes, Grußkarte zu ihrem 80. Geburtstag,1931. © Stiftung Naturschutzgeschichte


22 / Ursula Sladek / PionierinnenUrsula Sladek / Pionierinnen / 23Ziele, Projekte, Gesetze: Viel Stoffzum Diskutieren, 1991. © EWSHandeln statt abwarten:Stromseminar, 1998. © EWSZufrieden am Ziel: Ursula und Michael Sladek, 2010. © EWS„Ich denke, man kann unsschon als Vorreiter der Bürgerbeteiligungbezeichnen,die ja heute in aller Mundeist.“ Ursula Sladek, 2013.Ursula Sladek,geboren 1946, Ausbildung <strong>zur</strong>Sekretärin sowie Studium für dasGrundschul- und Hauptschullehramt,Mutter von fünf Kindern. Ihr ökologischesEngagement wird vielfach ausgezeichnet:Gemeinsam mit ihremMann erhält sie 1999 den Nuclear-Free Future Award, 2004 das Bundesverdienstkreuzam Bande, 2007den Deutschen Gründerpreis und2012 den Verdienstorden des LandesBaden-Württemberg. 2011 wirdihr von Barack Obama der GoldmanEnvironmental Prize überreicht.2011 erhält Ursula Sladek den Goldman Enviromental Prize. Eine guteGelegenheit, um Barack Obama „100 Good Reasons Against Nuclear Power“zu überreichen. © EWSUrsula Sladek ist auch nach Gründungder EWS aktiv gegen Atomkraft unterwegs,2010. © EWS


­­­­­­24 / Wangari Maathai / PionierinnenWangari Maathai / Pionierinnen / 25Wangari MaathaiMit ihrem „Green Belt Movement“ lässt Wangari Maathai mehr wachsen als Bäume.Denn jeder gepflanzte Baum bringt der Landbevölkerung Kenias ein Stück Autonomieund Selbstbewusstsein <strong>zur</strong>ück.Wangari Maathai arbeitet Mitte der 1970er Jahre als Professorin für Biologie undVeterinärmedizin in Nairobi. Kritisch beobachtet sie in diesen Jahren die sozialen undökologischen Folgen der großflächigen Abholzungen zu Gunsten riesiger Kaffee- undTeemonokulturen und handelt.Maathai sucht sich Verbündete und findet im Nationalen <strong>Frauen</strong>rat Unterstützung.Seine Strukturen nutzt sie, um bald über das ganze Land verstreut Baumschulen aufzubauen.Es wird gesät, gepflanzt und verkauft. Wangari Maathai sieht ihre Bewegungvon Beginn an als soziale Aufgabe. Denn die Bäume wirken nicht nur der Versteppungentgegen. Mit den Bäumen werden lebensnotwendige Ressourcen <strong>zur</strong>ück gewonnen.Sie liefern Früchte, Dünger und Holz zum Heizen und Kochen. Die Baumschulen eröffnen<strong>Frauen</strong> ohne Ausbildung Einkommensquellen und neue Perspektiven.Im Januar 1999 demonstrieren Wangari Maathai, Parlamentsabgeordnete und Journalistengegen die illegale Übernahme öffentlichen Geländes im Karua Forest durch private Bauunternehmer.Deren Sicherheitskräfte stellen sich ihnen entgegen. © picture alliance/epaDank gezielter Unterstützung auch internationaler Organisationen <strong>zur</strong> Anschaffung vonSaatgut, der Ausbildung von Mitarbeiterinnen und <strong>zur</strong> Öffentlichkeitsarbeit gewinnt dieBewegung schnell an Fahrt. Kleinbauern und Schulen schließen sich ihr an. Als Machtloseim Land können sie zunächst unbehelligt ihre Arbeit beginnen. Staatliche Stellenlassen sie gewähren, denn niemand traut ihnen zu, etwas von Bedeutung zu tun. EinIrrtum. Mit dem Verständnis für ökologische und soziale Zusammenhänge wächst derWiderstand gegen ein Regime, das sich an Land und Ressourcen bereichert und mehrereGenerationen der kenianischen Bevölkerung ausbeutet. Das „Green Belt Movement“mischt sich mehr und mehr in die aktive Politik Kenias ein. Wangari Maathaiwird wiederholt verhaftet und misshandelt. 2002 wird das Moi-Regime schließlichabgewählt. Mit 98 Prozent der Stimmen zieht Wangari Maathai als erste Grüne in daskenianische Parlament ein.Nach dem Alternativen Nobelpreis 1984 erhält Wangari Maathai für ihre Leistungals erste Afrikanerin 2004 den Friedensnobelpreis. Durch ihre Initiative sind in ganzAfrika bis heute über 40 Millionen Bäume gepflanzt worden.„Um uns zu vertrauen, müssenwir wissen, wer wir sind,und uns selbst wertschätzen.Und wenn wir uns selbstwertschätzen, geben wir auchder Natur und künftigenGenerationen einen Wert.“In: Geseko v. Lüpke, Die Alternative, 2003.Wangari Muta Maathai,1940–2011. Dank verschiedenerStipendien erhält Maathai die Möglichkeit, in den USA und an den Universitäten in München und Gießenzu studieren. Zurück in Kenia arbeitet sie zunächst in ihrem FachbereichZoologie und Veterinärmedizin,übernimmt 1976 die Leitung desVeterinärmedizinischen Instituts inNairobi und wird ein Jahr später <strong>zur</strong>Professorin ernannt. 1977 gründet sie das Green Belt Movement,das ab 1986 mit dem Pan AfricanGreen Belt über Kenias Grenzen hinaus Wirkung zeigt. 1976–1987 istMaathai in Kenias Nationalem <strong>Frauen</strong>rat aktiv, von 1981–87 als seinePräsidentin. 2002 zieht sie ins Par­lament ein und wird stellvertretendeMinisterin für Umweltschutz. 2009wird Wangari Maathai in die EarthHall of Fame in Kyoto aufgenommen.


28 / Unternehmerinnen Unternehmerinnen / 29UnternehmerinnenÖkologische Prinzipien und ökonomischer Erfolg?Das scheint lange <strong>Zeit</strong> unvereinbar. Natur- undUmweltschutz stehen unter dem Generalverdacht,wirtschafts- und wachstumsfeindlich zusein. Doch mit steigendem Umweltbewusstseinentwickeln sich Chancen für grünes Wirtschaftenund nachhaltigen Konsum. Die Gruppe der ökologischorientierten Verbraucherinnen und Verbraucherwächst und eröffnet neue Absatzmärkte. Diehier vorgestellten Geschäftsfrauen haben längsterkannt, dass Ökonomie und Ökologie zwei Seiteneiner Medaille sind und nutzen das wirtschaftlichePotenzial, das in nachhaltiger Produktion oder inumweltfreundlichen Technologien liegt. Sie wollenmit ihren Unternehmen rundum erfolgreich sein –in finanzieller, ökologischer und sozialer Hinsicht.


32 / Dagmar Fritz-Kramer / UnternehmerinnenAnita Roddick / Unternehmerinnen / 33Anita RoddickDas Gute mit dem Schönen verbinden – die Idee scheint so einfach. Anita Roddickstartet 1976 in einem kleinen Laden an der englischen Südküste mit dem Verkaufhandgemachter und tierversuchsfreier Kosmetikartikel, die auf natürlichen Rohstoffenwie Kakaobutter, Grapefruitöl oder Aloe Vera basieren. Die Substanzen füllt siein kleinen und großen Mengen ab – niemand braucht mehr zu kaufen als eigentlichbenötigt. Die Flaschen nimmt der Laden wieder <strong>zur</strong>ück und füllt sie neu: EffizienteresRecycling gibt es nicht. Damals ist dieses Konzept einigermaßen revolutionär. Heute istdaraus eine weltweit agierende Marke mit mehr als 2.500 Filialen in über 65 Länderngeworden: The Body Shop.Bringt innovatives Design ins Ökohaus: Dagmar Fritz-Kramer, 2010.© Baufritz/Gaetan BallyKaum ein anderes Unternehmen verbindet seine Geschäftsstrategie so eng mit ethischenund ökologischen Kampagnen. Roddick will transparent machen, woher dieInhaltsstoffe kommen und unter welchen Bedingungen sie hergestellt werden. Gleichzeitignutzt sie die Filialen als Plattform für politische Aufklärung. Sie macht in ihrenLäden auf Themen wie Gewalt und Kinderarbeit, Menschenrechtsverletzungen undeinen frauenverachtenden Schönheitswahn aufmerksam. Ständig sucht Roddick nachneuen Gemeinschaftsprojekten mit Kooperativen und kleinbäuerlichen Betrieben, umderen wirtschaftliche Ausbeutung auf dem internationalen Markt zu durchbrechen. Essollen faire Bedingungen für Umwelt und Produzentinnen und Produzenten herrschen.Moderne Gestaltung auch auf dem Firmengelände:Die Hausschneiderei, 2005. © BaufritzAber das global agierende Unternehmen stößt bei der Umsetzung der eigenenAnsprüche an Grenzen: Immer wieder wird die Frage laut, ob Roddick den von ihrausgegebenen Standards gerecht wird. Die Moral der Idealistin trifft auf die Realitätdes Kommerzes – womit sich auch ihr Image verändert. Als Anita Roddick ihr Unternehmen2006 für ca. 940 Millionen Euro an L‘Oréal verkauft, wird ihr aus Kreisender Umweltbewegung vorgeworfen, dem französischen Kosmetikriesen damit lediglichein ökologisches Feigenblatt zu verschaffen. 2007 stirbt Roddick. Sie bleibt alseine außergewöhnliche Unternehmerin in Erinnerung, die als eine der Ersten eineGeschäftsidee mit „grünen“ Vorzeichen auf dem Weltmarkt umsetzte.Eine von vielen Auszeichnungen:Der Deutsche Nachhaltigkeitspreis, 2009.© Baufritz/Christian Lietzmann


34 / Anita Roddick / UnternehmerinnenAnita Roddick / Unternehmerinnen / 35Naturkosmetik in Mehrwegflaschen: Anita Roddick traf mit ihrer Idee genau ins Grüne,London 1988. © Gillian Allen/picture alliance/AP ImagesDie Probleme persönlich nehmen undhandeln: Anita Roddick bei der Präsentationihres Buches „Take it personally“ inBarcelona, 2005. © Andreu Dalmau/picturealliance/dpa/epa-Bildfunk„Businesses have the powerto do good. We use our storesand our products to helpcommunicate human rightsand environmental issues.“www.anitaroddick.comAnita Roddick,1942 in Littlehampton geboren, reistnach einem Lehramtsstudium umdie Welt, arbeitet in verschiedenenJobs, u. a. im Kibbuz, als Lehrerin undbei der UN. Mit ihrem Lebens- undGeschäftspartner Gerrit Roddick hatsie zwei Kinder. Ihre unkonventionelleArt und ihre offensiven politischenStellungnahmen machen siezu einer Ausnahmeerscheinung inder Branche. Sie wird <strong>zur</strong> Ikone derethisch und ökologisch verantwortungsbewusstenGeschäftsfrau underhält unzählige Auszeichnungen. Ab1998 zieht sich Roddick Schritt fürSchritt vom Chefposten <strong>zur</strong>ück undist zuletzt noch als Beraterin tätig,bis sie auch ihre Anteile am Unternehmenverkauft.Anita Roddick verbindet Geschäft mit politischerSendung: 2001 stößt sie beispielsweise eineFlüchtlingskampagne über ihre Ladenkette an.© picture alliance/PhotoshotBody Shop-Geschäftsführer Adrian Bellamy (l)und Gründerin Anita Roddick (M) übergeben dasUnternehmen 2006 in London an Sir LindsayOwen-Jones, Vertreter des Kosmetikriesen L‘Oreal.© Tim Bishop/picture-alliance/dpa


36 / Antje von Dewitz / UnternehmerinnenAntje von Dewitz / Unternehmerinnen / 37Antje von DewitzEs ist ein gigantischer Markt: Über eine Milliarde Euro werden in Deutschland jährlichmit sogenannten Outdoor-Produkten umgesetzt. Aber das einträgliche Geschäft mitteurer Funktionsgarderobe birgt große Nachteile für die Umwelt. Es ist paradox: Währenddie Werbung die Produkte vor der Kulisse unberührter Natur und grüner Paradiesepräsentiert, ist die Kleidung selbst oft in hohem Maße schadstoffbelastet, zumgrößten Teil aus Erdöl hergestellt, nicht recycelbar und in aller Regel unter unfairenBedingungen in fernen Ländern hergestellt. Kurzum: Sie hat eine negative Öko- undNachhaltigkeitsbilanz.Antje von Dewitz, Geschäftsführerin von VAUDE, eine der führenden deutschen Markender Sparte, versucht diese Widersprüche zu überwinden. Sukzessive entwickeltsie Nachhaltigkeitsstrategien und beginnt die Produktion transparenter zu gestalten.Als Mittelständlerin stößt sie dabei an Grenzen – für viele problematische Stoffe gibtes keine schnellen und günstigen Alternativen. Sie setzt für die Problemlösung aufein wachsendes Bewusstsein: Bei den herstellenden und zuliefernden Betrieben, aberauch bei den Kundinnen und Kunden.Transparenz gewährleisten: Eine Voraussetzung, um in der textilen Produktion der Verantwortunggegenüber Mensch und Natur gerecht zu werden. © VAUDEAls Greenpeace 2012 eine Kampagne zu Giftstoffen in Kleidung startet und dabeiauch die Produkte der Outdoor-Branche kritisch untersucht, begrüßt von Dewitz dasmit einem vernehmlichen „Hurra!“ Sie hofft, dass Aufmerksamkeit Wandel schafft. Sieselbst will ein Stück vorangehen. Ihre Produkte werden klimaneutral hergestellt undsind teilweise streng zertifiziert. Giftstoffe sollen minimiert werden, Recyclingkonzeptebeginnen zu greifen. Langlebigkeit wird zum Qualitätsstandard. Antje von Dewitz gehtKooperationen mit Naturschutzorganisationen ein, ihr Unternehmen legt einen jährlichenNachhaltigkeitsbericht vor. Ihr ehrgeiziges Ziel: Bis 2015 soll das Unternehmender umweltfreundlichste Outdoor-Ausrüster Europas werden.„Nachhaltigkeit… beinhaltet,dass wir all das, was wirtun – in jedem unternehmerischenBereich – immer vordie Frage stellen: ‚Ist es ökologisch,ist es sozial, ist esökonomisch?‘ und in einenGleichklang bringen.“ECO-World 2011.Dr. Antje von Dewitz,geboren 1972, ist studierte Kulturwirtinund arbeitet seit 1998 alsProduktmanagerin bei dem Unternehmen,das ihr Vater 1974 gegründethat. 2009 übernimmt sie dieGeschäftsführung des Familienbetriebesim bayerischen Tettnang.Das Unternehmen beschäftigt nacheigenen Angaben über 580 Mitarbeiterin Deutschland, weltweitsind es insgesamt 1.600 Menschen.VAUDE produziert in eigenen Unternehmenoder bei langfristigen Produktionspartnernin Europa undAsien. Von Dewitz, Mutter von vierKindern, setzt auf flache Hierarchienund Familienfreundlichkeit. IhreLeistungen für umweltfreundlicheProduktion werden mehrfach ausgezeichnet.


40 / Netzwerkerinnen Netzwerkerinnen / 41NetzwerkerinnenGute Beziehungen sind alles. Dank der Menschen,die sie knüpfen und pflegen, entstehen daraus mitder <strong>Zeit</strong> dichte Netzwerke. Und die sind bisweilendringend nötig, um öffentliche Debatten anzustoßenund politischen Einfluss zu gewinnen. Netzwerkerinnenbesitzen oft besondere Eigenschaftenwie Reaktionsschnelligkeit, Verlässlichkeit undOffenheit. Sie kennen keine Berührungsängste undblicken mit großer Selbstverständlichkeit über deneigenen Tellerrand. Wer Gehör finden will, mussauf andere zugehen und sie begeistern. Einzelnekönnen ohne organisatorischen Rückhalt oft wenigausrichten, aber als Teil eines Netzwerks sieht dasganz anders aus. Dort bündeln sich das Fachwissen,die Kontakte und im besten Fall auch die Finanzen,die für Kampagnen und Aktionen gebraucht werden.Manchmal ist es einfach nur wichtig, zu wissen,an wen man sich wenden kann.


44 / Erna Kretschmann / NetzwerkerinnenDagi Kieffer / Netzwerkerinnen / 45Dagi KiefferErna Kretschmann vertritt undgestaltet Naturschutz aufganz unterschiedlichen Ebenenund verknüpft das privatemit dem öffentlichen Handeln:Hier bei einer Sitzung desKulturbundes, 1952.© Kretschmann-Archiv,Haus der NaturpflegeEinfach anfangen: Erna Kretschmann als ganzpraktische Naturschützerin, Bad Freienwalde 1965.© Kretschmann-Archiv, Haus der NaturpflegeMiteinander reden, sich vernetzen und solidarisieren, sich unterstützen und weiterbilden:Dafür fehlt der ökologischen Landwirtschaft Mitte der 1970er Jahre die Plattform.Die wenigen bestehenden Verbände sind zerstritten. In den Agrarwissenschaften wirdÖkoanbau als wirklichkeitsfremd betrachtet. Nur wenn es dem ökologischen Landbaugelingt, als Marke wahrgenommen zu werden, wenn er sich gemeinsamen Standardsverpflichtet und diese kommuniziert, kann er aus seiner Nische heraustreten. So lautetdie Überzeugung von Dagi Kieffer.Selbst auf einem pfälzischen Weingut aufgewachsen, liegt Dagi Kieffer ökologischeLandbewirtschaftung ebenso am Herzen wie der Erhalt bäuerlicher Familienbetriebe.Gemeinsam mit ihrem Mann gründet sie 1975 die „Stiftung Ökologischer Landbau“– seit 1991 „Stiftung Ökologie & Landbau“ (SÖL) - als Tochterstiftung der in Kaiserlauternansässigen Georg-Michael-Pfaff-Gedächtnisstiftung. Kieffer bringt sich mit allihrem Wissen und ihrem Engagement ein. Unter ihrem Einfluss entwickelt die SÖL eineVielzahl von Förderprogrammen, Netzwerken und Bildungsangeboten.Oasen und Orte der Begegnung schaffen:Erna Kretschmann vor dem Haus der Naturpflege inBad Freienwalde, 1996. © R. Auster/Kretschmann-Archiv,Haus der NaturpflegeEine der ersten Taten der Stiftung besteht darin, die konkurrierenden Verbände desökologischen Landbaus an einen Tisch zu bringen. Der Stiftung gelingt es, gemeinsameRichtlinien zu entwickeln, die 1984 auf der Grünen Woche vorgestellt werden. Mit derArbeitsgemeinschaft ökologischer Landbau nimmt der erste Bio-Dachverband 1988seine Arbeit auf. Dagi Kieffer und die Stiftung Ökologischer Landbau sind maßgeblichan der Gründung beteiligt. Eine klare Definition, was unter „Ökoanbau“ zu verstehen ist,und das gemeinsame Auftreten helfen der ökologischen Landwirtschaft, wirtschaftlichund gesellschaftspolitisch Fuß zu fassen.Manchmal ist es aber auch einfache Fleißarbeit, die Vernetzungen ermöglichen: DieSÖL erstellt 1975 die erste Datei mit Kontaktadressen von Öko-Höfen, Auskunftsstellenund Fachleuten zum ökologischen Landbau, damit alle wissen, an wen sie sichwenden können. Heute eine Selbstverständlichkeit – damals eine Errungenschaft.Ein außergewöhnliches Paar: Kurt und ErnaKretschmann unter der Eiche mit demNamen „Talwächter“. © Kretschmann-Archiv,Haus der NaturpflegeOb Expertinnen und Experten aus Praxis, Wissenschaft oder Politik, ob Studierendeoder Verbraucherinnen und Verbraucher: Dagi Kieffer gelingt es, eine breite Akteursbasisfür die Förderung und Unterstützung des Ökolandbaus zu gewinnen. Nach ihrerÜberzeugung ist das der einzig gangbare Weg.


46 / Dagi Kieffer / NetzwerkerinnenDagi Kieffer / Netzwerkerinnen / 47Auf Augenhöhe: An der Jubiläumsfeier zum 10-jährigen Bestehen der SÖLnimmt 1985 auch der damalige rheinlandpfälzische Minister für Umwelt undGesundheit, Klaus Töpfer, teil. © SÖL-ArchivDie Richtung ist klar: Ökologischer Landbau! Dagi Kieffer 1985. © SÖL-Archiv„Die grünen Spinner hieß esimmer und wir sind da ziemlichangegriffen worden vonder BASF. Aber uns war dasganz wurscht, weil wir jaunabhängig sind… Da konnteman also ordentlich Bescheidsagen. Und das habe ich auchimmer mit großer Freudegemacht.“Aus dem Film „Biopioniere erzählen“, 2012Dagi Kieffer,geboren 1925, absolviert eine Ausbildungals Fremdsprachsekretärin.In der 1961 von ihrem Mann KarlWerner Kieffer gegründeten „GeorgMichael Pfaff Gedächtnisstiftung“ist sie zunächst unterstützend tätig.Seit 1975 engagiert sich Dagi Kiefferim Stiftungs-Kuratorium der StiftungÖkologischer Landbau und seit1990 als Vorsitzende des Stiftungsrates.Mehrere Jahre ist Dagi Kiefferim Vorstand der Internationalen VereinigungBiologischer Landbaubewegungen(IFOAM). Für ihr Engagementerhält sie zahlreiche Preise, darunter1996 das Bundesverdienstkreuz amBande und 2007 der Verdienstordendes Landes Rheinland-Pfalz.Ob mit Fachartikeln, im direkten Gesprächoder mit Vorträgen wie hier 1998: Dagi Kieffersetzt sich mit fundierten Kenntnissenund ihrer ganzen Überzeugungskraft für denökologischen Landbau ein. © SÖL-Archiv


48 / Phyllis Barclay-Smith / NetzwerkerinnenPhyllis Barclay-Smith / Netzwerkerinnen / 49Phyllis Barclay-SmithSie gehört zu den großen Unbekannten der internationalen Naturschutzbewegung:In den Archiven finden sich nur wenige Bilder dieser Frau. Nicht einmal ihr genauesGeburtsdatum ist greifbar. Sie ist eine der unzähligen, auf merkwürdige Art unsichtbarscheinenden Aktivistinnen. Abseits des Rampenlichts, aber für die Geschichte desinternationalen Natur- und Umweltschutzes so wichtig. Schon in ihrer Jugend entdecktdie Engländerin Phyllis Barclay-Smith ihre Leidenschaft für die Vogelwelt. Die Autodidaktinwird eine hervorragende Feldforscherin.1930 hält sie auf dem internationalen Ornithologie-Kongress in Amsterdam einen Vortragüber ein Umweltproblem, das keine Grenzen kennt: die Verschmutzung der Meeredurch Öl. Um ihrem Publikum das Leiden der gefiederten Ölopfer drastisch vor Augenzu führen, zeigt sie schockierende Bilder und stellt eine ausgestopfte Vogelleiche aufdas Rednerpult. Barclay-Smith ist eine unermüdliche Organisatorin. Ihre Waffen sinddie Schreibmaschine und ihre guten Kontakte. Sie verfasst unzählige Fachartikel undPetitionen. Von ihrem Schreibtisch aus ergießt sich eine Flut an Briefen, die Vogelfreundein aller Welt erreicht und verbindet. 1934 scheint Hoffnung in Sicht: DerVölkerbund nimmt sich des Themas an. Aber der Zweite Weltkrieg macht die Aussichtauf ein internationales Abkommen zunichte. Unmittelbar nach dem Krieg nimmtBarclay-Smith die Fäden wieder auf und nutzt effektiv ihr großes Beziehungsnetz. Sieorganisiert internationale Treffen, um Daten und Fakten zum Ausmaß der Meeresverschmutzungzu sammeln und Druck auf die Politik aufzubauen.Sie ist unermüdlich – ein Freund bezeichnet sie als „workaholic“ – und nutzt dabeigeschickt ihre Stellung als Sekretärin verschiedener Vogelschutzorganisationen. Ihreenergische Unbeirrbarkeit trägt ihr zwar den Spitznamen „the Dragon“, der Drache, ein.Aber ihr Engagement zahlt sich aus. 1954 wird das erste internationale Abkommenunterzeichnet, das Öleinleitungen beschränkt und als Basis für das heute weltweitgeltende Übereinkommen zum Schutz der Meeresumwelt MARPOL dient.Würdigung der jahrzehntelangen internationalen Naturschutzarbeit: Barclay-Smith erhält 1973von Prinz Bernhard der Niederlande den Orden der Goldenen Arche. © BirdLife International„…the moving spirit of thefirst international conservationorganisation…“Max Nicholson über Barclay-Smith,The New Environmental Age, 1987.Phyllis Ida Barclay-Smithwird 1903 geboren. Sie ist in diversenOrganisationen wie der RoyalSociety for the Protection of Birds,der British Ornithological Unionoder dem International Council ofBird Preservation aktiv. Sie leitetjahrzehntelang die FachzeitschriftAvicultural Magazine und übersetztfranzösische und deutsche Fachliteraturins Englische. 1958 erhältsie, neben zahlreichen späterenAuszeichnungen, als erste Frau fürihr Naturschutzengagement einenköniglichen Verdienstorden (MBE).Sie stirbt 1980 in London.


50 / Phyllis Barclay-Smith / NetzwerkerinnenKontakte knüpfen, Allianzen bilden: Barclay-Smithmit der italienischen NaturschutzikoneAlessandro Ghigi, o.J., o.O. © BirdLife InternationalNicht ohne mein Fernglas: Die Freundin derinternationalen Vogelwelt Phyllis Barclay-Smith, o.J.© BirdLife InternationalAuch am anderen Endeder Welt nimmt siedie Verhältnisse des Meeresunter Augenschein: Besuchbei neuseeländischenKolleginnen und Kollegen, 1974.© BirdLife International


52 / Aktivistinnen Aktivistinnen / 53AktivistinnenIhr Motto heißt „Standhaft bleiben und nicht nachgeben!“:Natur- und Umweltschutzaktivistinnensetzen sich immer wieder mit Leib, Seele und Verstandfür ihre Überzeugungen ein. Enthusiasmus,Unerschrockenheit und Geduld sind ihr Kapital. IhrEngagement ist unmittelbar mit den Schauplätzenverbunden, an denen sie Übergriffe auf Natur undUmwelt beobachten. Mit friedlichem und zivilemWiderstand treten sie dem entgegen – bisweilen bisan die Grenze der Legalität, aber auch unter Ausnutzungaller juristischen Möglichkeiten. Der Erfolgihres Einsatzes ist keineswegs ausgemacht, dennsie haben mächtige Gegner, ob Großinvestoren inwirtschaftlich schwachen Gebieten, Immobilienspekulantenoder Walfangindustrie. Manchmal startensie allein, aber in aller Regel finden sie Mitstreitende,die die Sache unterstützen.


54 / Regine Frerichs / AktivistinnenRegine Frerichs / Aktivistinnen / 55Regine FrerichsEin kleines Greenpeace Schlauchboot gegen einen hochgerüsteten japanischen Walfänger:Das Bild ist weltweit bekannt, es zeigt das klassische David gegen Goliath-Motiv. Aber wer wagt es, ein so waghalsiges Manöver zu fahren? Regine Frerichs zumBeispiel. Nachdem sie sich einige <strong>Zeit</strong> als Taucherin ehrenamtlich bei Greenpeaceengagiert hat, heuert die Umweltorganisation sie 2000 als feste Mitarbeiterin an.Frerichs wird <strong>zur</strong> Vollzeitaktivistin. Sie bildet Schlauchbootfahrerinnen und Schlauchbootfahreraus, wird 2003 Mitglied im internationalen Bootfahrer-Trainerteam vonGreenpeace und beteiligt sich an den Schiffskampagnen. Mehrfach nimmt sie anwochenlangen Expeditionen in südpolare Gewässer teil. Dabei entstehen die spektakulärenAufnahmen.Greenpeace will dort gegen die japanische Waljagd protestieren, die, wie es offiziellheißt, ausschließlich Forschungszwecken dienen soll. Seit Greenpeace 1971 in Vancouvergegründet wurde, gehören die Anti-Walfangkampagnen zum Kern der Aktivitäten.Nach einem internationalen Moratorium von 1986 ist das Töten der Meeressäugereigentlich verboten – außer zu wissenschaftlichen Zwecken. Greenpeace stellt JapansForschungsinteresse in Frage, will die Vorgänge am anderen Ende der Welt sichtbarmachen und verfolgt die Fangflotte mit eigenen Schiffen. Beginnen die Walfänger mitder Jagd, bringen sich die Aktivistinnen und Aktivisten selbst in die Schusslinie, umden Walen die Flucht zu ermöglichen.Regine Frerichs steuert eins der kleinen wendigen Boote. Es kommt zu lebensgefährlichenSituationen: Harpunen verfehlen das Boot nur knapp, Crewmitglieder gehen überBord, eiskalte Temperaturen setzen den Aktivistinnen und Aktivisten zu. Den langenTodeskampf der Tiere aus nächster Nähe mitanzusehen, macht ihnen zu schaffen. Unddennoch, es geht um Dokumentation und Aufklärung: Wenn niemand hinsieht, wennniemand Bilder macht, bleibt das Geschehen unsichtbar. Regine Frerichs legt Zeugnisab, stellt sich zwischen Jäger und Gejagte und sagt, sie wird es immer wieder tun.Die Frau am Steuer: Sie geht dazwischen und stellt sich höchstpersönlich quer:An Bord des Greenpeace Schiffes Esperanza auf der Walfang-Tour im Südpazifischen Ozean,2007-2008. © Jiri Reza/GREENPEACE„Die Greenpeace-Aktionender letzten Jahre brachtenden Erfolg, dass dieses Jahrkein Wal getötet wurde, solangewir in der Nähe waren.Nun müssen wir <strong>zur</strong>ück. UnsereTreibstoffvorräte sindzu Ende. Ich wünsche mireinen größeren Tank, obwohlich weiß, dass das nicht dieLösung sein kann.“Regine Frerichswird 1960 in Hamburg geboren. Sielernt zunächst Pferdewirtin, studiertdann Paläontologie und Geologie,arbeitet als Forschungstaucherinund als Chefredakteurin eines Journalsfür Berufstaucher. Seit 2000ist sie für Greenpeace tätig. Sie istan den Schiffskampagnen beteiligt,u. a. auch an der Expedition, die2010 die Folgen der Katastrophe derexplodierten Ölplattform DeepwaterHorizon im Golf von Mexiko untersuchtund dokumentiert.R. Frerichs: Im Fadenkreuz der Walfänger, 2008.


58 / Liz Christy / AktivistinnenLiz Christy / Aktivistinnen / 59Der Unrat ist beseitigt, jetzt heißt espflanzen. Die Brache 1973 – mitten inManhattan. © Donald LogginsBlumen statt Müll: Ein Ort zum Spielenund Leben, 1974. © Donald LogginsAktivisten und Aktivistinnen der ersten Stunde, o.J. © Donald Loggins„The wonderful thing aboutopen space projects is thateach is unique; each projectis tailored to the needs of theneighborhood.“Donald Loggins nach Aufzeichnungen von Liz Christy, 2013.Liz Christy,geboren 1945, ist weniger überihre Tätigkeit als Künstlerin dennals Gemeinschaftsgärtnerin bekannt.Von 1974–1981 moderiert sie aufWBAI eine eigene Radiosendung„Grow Your Own“. Für ihre Aktivitätenwird sie vielfach ausgezeichnet,u. a. mit dem Municipal Art SocietyAward for Urban Improvements, demParks Council Award for CommunityService und dem Urban ForestryAward der American Forestry Association.Sie stirbt 1985 an einerKrebserkrankung.Eine grüne Insel: Der Garten, 1975.© Donald LogginsGraben, pflanzen, informieren: Liz Christy, o.J.© Donald Loggins


60 / Birsel Lemke / AktivistinnenBirsel Lemke / Aktivistinnen / 61Birsel LemkeEin Asylantrag für 300.000 Umweltflüchtlinge, Massenpicknicks auf der Bosporus-Brücke, Solidaritätsreisen, Demonstrationen und ein angedrohter Sexstreik: Anfangder 1990er Jahre zieht eine türkische Bürgerinitiative mit ihrem phantasievollen Protestrepertoireinternationale Aufmerksamkeit auf sich. Die Urheberin der Bewegung:Birsel Lemke. Der Stein des Anstoßes: Ein Projekt <strong>zur</strong> Goldgewinnung in der Bucht vonEdremit. Dort plant eine multinationale Unternehmergruppe das Edelmetall mit Hilfevon Zyanidlauge aus dem Boden zu spülen. Über 500 weitere Projekte sollen folgen.Die absehbaren Schäden sind große Mengen verseuchten Abraums und Abwassers,die hochgiftige Blausäure an die Umwelt abgeben – und das in einer Region, die vonOlivenanbau und Tourismus lebt. Eine Region, die die Heimat von Birsel Lemke ist. Unddie diese nicht widerstandslos aufgibt. 1991 gründet Lemke die Bürgerinitiative „Hayir“(Nein). In der Bucht von Edremit wird „Unser Gold sind unsere Oliven“ zum Schlachtrufeines breiten Widerstandes.Birsel Lemke gelingt es, sowohl bei der bäuerlichen Bevölkerung als auch in der Kommunalpolitikund bei NGOs, in wissenschaftlichen Kreisen und in der Presse Unterstützungzu finden. Es entsteht eine Umweltbewegung, die über die Türkei hinausreicht,die sich mit Witz und Humor, durch die Besinnung auf Mythologie und anatolischeKultur den großen Konzernen entgegenstellt. Lemke organisiert Fahrten zu Biosphärenreservatenin der Bundesrepublik, um den Bürgermeistern die touristischen undwirtschaftlichen Möglichkeiten anderer Wege aufzuzeigen. Sie gewinnt den Beistanddes Europäischen und des Hessischen Parlamentes und erreicht, dass die DresdnerBank als Investor aus dem Projekt aussteigt. 1994 zieht die Initiative vor Gericht.Drei Jahre später scheint der Erfolg greifbar: Das oberste türkische Verwaltungsgerichtuntersagt den Abbau mit Zyanid. Da das Urteil nicht umgesetzt wird, klagt BirselLemke vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte auf Durchsetzung – undgewinnt. Doch der Sieg ist nur vorläufig. Der Investor weigert sich, den Rechtsspruchzu akzeptieren. Seine Taktik geht auf. Ein neues Bergbaugesetz verändert den Rechtsrahmenund macht alle Teilerfolge zunichte. Dank der neuen Gesetzeslage können dieMinengesellschaften die vorherigen Urteile umgehen.Birsel Lemke, 2007. © Birsel Lemke„So betrachte ich unserenWiderstand auch als einenSieg der Freundschaft sowieder Liebe zu Land und Kulturüber die Pläne einer milliardenschwerenIndustrie, diewir gerne überzeugt hätten,eher Oliven anzubauen alsGold abzubauen.“Acceptance Speech, Alternativer Nobelpreis 2000.Birsel Lemke,geboren 1950 in Istanbul, studiertin Ankara und den USA Politologie.1975–1985 lebt sie in Deutschland.Sie kehrt in die Türkei <strong>zur</strong>ück, wirdMitbegründerin und Vorstandsmitgliedder Grünen Partei. Seit 1986betreibt sie eine Ferienanlage ander Bucht von Edremit. Im Jahr2000 erhält sie für Ihr Engagementden Alternativen Nobelpreis. BirselLemke ist Mutter von fünf Kindern.


64 / Politikerinnen Politikerinnen / 65PolitikerinnenVor fünfzig Jahren wäre kaum jemand auf die Ideegekommen, dass man mit Umweltthemen politischKarriere machen könnte. Doch zu Beginn der1970er Jahre verdichten sich Umweltprobleme inbisher ungeahntem Ausmaß. Ökologische Fragentreten in den Fokus des nationalen und internationalenInteresses. Waren umweltrelevante Themenzuvor verschiedenen Ressorts zugeordnet, bildetsich nun die „Umweltpolitik“ als eigenes Politikfeldheraus. Aktivistinnen und Aktivisten gründeneine „grüne“ Partei und finden so den Weg in dieParlamente. Die etablierten Parteien müssen sichdem Thema mehr und mehr öffnen. Inzwischen istdie Diskussion um den Schutz der Umwelt im Zentrumder parlamentarischen und gesellschaftlichenDebatten angekommen. Die politische Landschafthat sich verändert.


66 / Gro Harlem Brundtland / PolitikerinnenGro Harlem Brundtland / Politikerinnen / 67Gro Harlem BrundtlandIm Jahr 1983 berufen die Vereinten Nationen eine unabhängige Sachverständigenkommissionein. Die sozialen, ökologischen und wirtschaftlichen Probleme beschleunigenund verdichten sich rasant – wie kann man ihnen begegnen? Die Gruppe soll denglobalen Wandel analysieren und eine Agenda für eine zukunftsfähige und gerechteEntwicklung verfassen. Die Leitung dieser Weltkommission für Umwelt und Entwicklungwird der Ministerpräsidentin Norwegens übertragen. Gro Harlem Brundtland isteine ohnehin schwer beschäftigte Frau – neben den Regierungsgeschäften ist sie auchVorsitzende der sozialdemokratischen Arbeiterpartei. Aber sie stellt sich der gigantischenHerausforderung und übernimmt die Aufgabe.Die 19-köpfige Kommission stößt einen weltweiten Austausch an und beginnt, Stimmenund Meinungen zum globalen Wandel einzuholen. Die Ergebnisse werden vierJahre später unter dem Titel „Our Common Future“ veröffentlicht. Der so genannteBrundtland-Bericht liefert die Basis für ein neues und umfassendes politisches Leitbildder Weltgemeinschaft: die nachhaltige Entwicklung. Er bringt auf den Punkt, um wases bei der zukünftigen Weltpolitik gehen muss. Nachhaltig ist eine Entwicklung, soheißt es im Bericht, „wenn sie den Bedürfnissen der heutigen Generation entspricht,ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnissezu befriedigen und ihren Lebensstil zu wählen.“ Zukunftsfähig wirtschaften heißtalso, Kindern und Enkelkindern ein sowohl ökologisch als auch gesellschaftlich intaktesGefüge zu hinterlassen. Dafür, so eine zentrale Forderung der Kommission, bedürfees einer neuen „Ära einer umweltgerechten wirtschaftlichen Entwicklung“. Der Berichtbeeinflusst stark die internationale Debatte über die Zusammenhänge der Entwicklungs-und Umweltpolitik und ist einer der Auslöser für die Umweltkonferenz in Riode Janeiro 1992.Gro Harlem Brundtland informiert 1987 die Delegierten der 42. UN-Generalversammlungüber die globale Agenda von Umwelt und Entwicklung. © UN Photo„I decided to accept the challenge.The challenge of facingthe future, and of safeguardingthe interests of cominggenerations. For it was abundantlyclear: We needed amandate for change.“Vorwort zu „Our Common Future“, 1987.Gro Harlem Brundtlandwird 1939 geboren, tritt mit siebenJahren der Jugendorganisation derArbeiterpartei bei, studiert Medizin,heiratet, promoviert und bringtvier Kinder <strong>zur</strong> Welt. 1974 wird sieUmweltministerin und 1981 mit41 Jahren als erste Frau in Norwegen<strong>zur</strong> Ministerpräsidentin gewählt.Später besetzt sie acht der achtzehnMinisterämter mit <strong>Frauen</strong>. 1998wird sie Generaldirektorin der Weltgesundheitsorganisation(WHO),2007 UN-Sonderbeauftragte für Klimafragen.Sie ist Mitglied im Zusammenschlussder Global Elders, einemvon Nelson Mandela gegründetenWeisenrat, der das Wissen erfahrenerPolitikerinnen und Politiker <strong>zur</strong>Lösung globaler Probleme nutzt.


68 / Gro Harlem Brundtland / PolitikerinnenAngela Merkel / Politikerinnen / 69Angela MerkelAngela Merkel, promovierte Physikerin, ist eine politische Quereinsteigerin, derenpolitisches Engagement in der Bürgerrechtsbewegung der untergehenden DDRbeginnt. Nach der Wende macht sie in beeindruckend kurzer <strong>Zeit</strong> politische Karriere.Seit August 1990 Mitglied der CDU, schafft sie bereits im selben Jahr bei den erstengesamtdeutschen Wahlen den Einzug in den Bundestag und wird als Bundesministerinfür <strong>Frauen</strong> und Jugend ins Kabinett berufen. In der nächsten Legislaturperiode wechseltsie das Ressort: Angela Merkel ist die erste Frau, die dem Ministerium für Umwelt,Naturschutz und Reaktorsicherheit als Ministerin vorsteht.Die junge Umweltministerin mit dem norwegischen Premierminister Odvar Nordli zu Besuchbei der niederländischen Königin in Den Haag, etwa 1976. © picture-alliance/ANPDie Themenfelder des Umweltministeriums sind weit gesteckt: Energiesparkampagnen,Recycling oder Artenschutz gehören zu seinen Arbeitsgebieten. Die beherrschendenDiskussionen in der Amtszeit Angela Merkels aber sind die Auseinandersetzungen umdie Kernkraft und die Reduzierung der Treibhausgase.Norwegische Spitzenpolitikerin,Weltenbürgerin und unermüdliche Diplomatinfür Umwelt, Frieden und humanitäre Fragen:Brundtland mit Jimmy Carter und anderen„Elders“ bei einem Besuch in Nordkorea 2007.© Chosun Sinbo/handout/picture allianceDer Klimawandel ist inzwischen Realität, und die Folgenfür die Länder des Südens sind wesentlichdramatischer als für die wohlhabenden Staaten desNordens: Brundtland auf der Rio+20 Konferenz 2012.© UN Photo/Maria Elisa FrancoKnapp drei Jahre nach der Konferenz von Rio führt Angela Merkel 1995 als gastgebendeUmweltministerin beim UN-Klimagipfel in Berlin den Vorsitz. Ihrem Verhandlungsgeschickist es entscheidend zu verdanken, dass konkrete Ergebnisse zustandekommen. Persönlicher Einsatz, Pragmatismus und Zähigkeit prägen ihr Vorgehen.Nachdem sich die Vertragsstaaten bis kurz vor Schluss nicht auf verbindliche Vereinbarungenhaben einigen können, bietet das sogenannte Berliner Mandat einen Ausweg:Es schreibt vor, dass eine eigens eingerichtete Arbeitsgruppe bis <strong>zur</strong> Klimakonferenzin Kyoto zwei Jahre später Fristen und Reduktionsziele von Treibhausgas – Emissionenfestlegen soll. So schafft Angela Merkel eine Voraussetzung für das Kyoto-Protokoll,das 1997 beschlossen wird und 2005 in Kraft tritt. Dieses setzt erstmals den maximalenAusstoß von Treibhausgasen für Industrieländer völkerrechtlich verbindlichfest – ein wichtiger Schritt zu deren Minderung.Dieses Engagement setzt sie seit 2005 als Bundeskanzlerin fort. Unter ihrer Führungeinigen sich die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union im März 2007auf ehrgeizige Ziele für Klimaschutz und nachhaltige Energiepolitik. Bis 2020 sollender Treibhausgasausstoß um mindestens 20 Prozent gesenkt, der Anteil erneuerbarerEnergien auf 20 Prozent angehoben und die Energieeffizienz um 20% gesteigertwerden. Auch beim G8-Gipfel in Heilligendamm 2007 spielt der Klimaschutz eineentscheidende Rolle.


70 / Angela Merkel / PolitikerinnenAngela Merkel / Politikerinnen / 71Am 18. November 1994 übernimmtAngela Merkel als neue Bundesministerinfür Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheitdas Amt von Klaus Töpfer.© Bundesregierung/Arne SchambeckKlimaschutz nicht nur auf der internationalenBühne: Angela Merkel stellt 1995 dieKampagne „Mensch ändere Dich“ vor, die fürden sparsamen Umgang mit Energie imAlltag wirbt. © dpaÜberflug der Kanzlerin: Interessiert blickt Angela Merkel durch das Fenster einesHelikopters auf den frisch eröffneten Offshore-Windpark Baltic 1 vor der Küste bei Zingstauf dem Darß. © Bundesregierung/Guido BergmannNach dem Reaktorunfall von Fukushima trifft dieBundesregierung unter Leitung von Angela Merkelwegweisende Entscheidungen zum AusstiegDeutschlands aus der Kernenergie bis 2022 undfür einen beschleunigten Umbau des Energiesystems.Erneuerbare Energien sollen in Zukunft denHauptanteil der Energie liefern und eine umweltschonende,zuverlässige und bezahlbare Energieversorgungsicherstellen.Angela Dorothea Merkel,geboren 1954 in Hamburg, aufgewachsenin Brandenburg. PromoviertePhysikerin. 1989 tritt sie dem„Demokratischen Aufbruch“ bei, wird1990 dessen Sprecherin und nachden freien Wahlen <strong>zur</strong> Volkskammerder DDR Regierungssprecherin.1990 Eintritt in die CDU, 1991 Wahl<strong>zur</strong> stellvertretenden Parteivorsitzenden,seit 2000 CDU-Vorsitzende.1991–1994 Bundesministerin für<strong>Frauen</strong> und Jugend, 1994–1998Bundesministerin für Umwelt, Naturschutzund Reaktorsicherheit. 2002bis 2005 Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Seit 2005 Bundeskanzlerinder BundesrepublikDeutschland.Auch weniger spektakuläre Aktionen sind wichtig fürNot amused: 1998 rollenNatur und Umwelt. Jochen Flasbarth, damaliger Präsident zunächst unbemerkt verstrahltedes Naturschutzbundes Deutschland (NABU), undCastortransporte durch dasBundesumweltministerin Merkel starten 1997 eine bundesweiteAktion zum Schutz von Höhlenbäumen. © dpaministerin Dominique VoynetLand. Die französische Umwelt­und Bundesumweltministerin AngelaMerkel verhandeln daraufhinein neues Kontroll- und Informationsverfahren,um zukünftigschneller auf Zwischenfälle reagierenzu können. © dpaBundeskanzlerin Merkel und DBU-KuratoriumsvorsitzenderHubert Weinzierl im Gesprächbeim Festakt zum 20-jährigen Bestehen der DBUin Berlin. © DBU


72 / Petra Kelly / PolitikerinnenPetra Kelly / Politikerinnen / 73Petra KellyPetra Kelly ist Anfang der 1980er Jahre eines der prominentesten Gesichter der frischgegründeten Grünen Partei. Die Verknüpfung von Moral und Politik, Gefühl und Verstandbestimmt ihr Denken und Handeln. Sie stellt hohe Anforderungen an sich undandere. International als Symbolfigur der ökologischen Bewegung gut vernetzt, bleibtsie doch Einzelkämpferin. Keine leichte Position im parlamentarischen Alltag.Geboren 1947 im bayerischen Günzburg, studiert Petra Kelly in Washington, Amsterdamund Brüssel Politologie. Zurück in der Bundesrepublik engagiert sie sich imBundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz, ab 1979 als Vorstandsmitglied. Imgleichen Jahr tritt sie aus der SPD aus und gründet 1980 mit Gleichgesinnten „DieGrünen“. Nachdem Kelly bereits auf der grünen Liste <strong>zur</strong> Wahl des Europäischen Parlamentskandidiert hat, gewinnt sie nun die Wahl in den grünen Bundesvorstand undwird dessen Sprecherin. Bei der Bundestagswahl 1983 gelingt den Grünen der Sprungüber die 5-Prozent-Hürde. Petra Kelly zieht über die bayerische Landesliste als Mitgliedder ersten grünen Bundestagsfraktion in den Deutschen Bundestag ein. Entstandenaus der Friedens- und Umweltbewegung sind die Grünen die erste Partei, die dasThema Umwelt als identitätsstiftendes Kernanliegen im Bundestag vertritt.Nicht zu übersehen: Petra Kelly und die Grünen positionieren sich auf der Bundesversammlungder Partei 1985 klar gegen die Nutzung der Atomkraft. © picture alliance/Sven SimonFür Petra Kelly ist grüne Politik dem Umweltschutz ebenso verpflichtet wie denFragen sozialer Gerechtigkeit und den Zielen der Friedensbewegung. Auch nachihrem Einzug ins Parlament tritt sie für gewaltfreie Protestformen des zivilenUngehorsams ein. Kelly demonstriert gegen Atomkraft und nimmt an Blockadengegen die Stationierung von Pershing-II-Raketen teil. Sie ist eine leidenschaftlicheIdealistin, die sich nicht immer an Parteibeschlüsse hält. Während sie so innerhalbder deutschen Grünen immer mehr <strong>zur</strong> Außenseiterin wird, Wahlen um Listenplätzeund Ämter verliert, bleibt ihr internationales Renommee unangetastet.Für ihr Engagement erhält Petra Kelly 1982 den Alternativen Nobelpreis. Heute erinnertder Petra-Kelly-Preis der Heinrich-Böll-Stiftung an die Politikerin.„Wir müssen lernen, dasswir nicht außerhalb stehen,sondern ein Teil der Natursind – das ist der Kernpunktökologischer Politik, und esist auch ein sehr spirituellerStandpunkt.“Lebe, als müsstest Du heute sterben, 1997.Petra Kelly,1947–1992. 1992 wurde sie gemeinsammit ihrem Lebensgefährten GertBastian tot in der Wohnung aufgefunden.Ob sie einer gemeinsamenSelbsttötung zugestimmt hatte odernicht, ist bis heute ungeklärt.


74 / Petra Kelly / PolitikerinnenBei einer Kundgebung in Münchenruft Petra Kelly 1982 dazu auf, den zivilenWiderstand gegen Aufrüstung undAtomenergie auch in die Parlamente zutragen. © picture alliance/dpaMit Blumen und Idealismus:Gert Bastian, Petra Kelly, Otto Schily undMarieluise Beck-Oberdorf, Mitgliederder ersten grünen Bundestagsfraktion, 1983.© picture alliance/dpaDer außerparlamentarische Protestgeht auch nach dem Einzug ins Parlamentweiter. Mit ihrem Auftritt in Mutlangen1983 entspricht Petra Kelly nicht geradeden damals gültigen Vorstellung einerAbgeordneten des Deutschen Bundestages.© picture alliance/dpa


76 / Publikumsmagneten Publikumsmagneten / 77PublikumsmagnetenGesichertes Wissen und Problembewusstsein sindwichtige Elemente des Umweltschutzes – manchmalaber ziemlich trockene Kost. Für jede Bewegungist daher das Engagement von außergewöhnlichenPersönlichkeiten ein großer Gewinn.Sie beeindrucken durch ihre besondere Ausstrahlung,schaffen emotionale Bindung und sorgen fürenormes Publikumsinteresse. Die hier vorgestellten<strong>Frauen</strong> zeichnen sich durch drei völlig unterschiedlicheBiografien aus. Doch sie besitzen eineentscheidende Gemeinsamkeit: Jenseits der Fachöffentlichkeitsind ihre Namen weiten Kreisen derBevölkerung bekannt. Ihre Porträts zieren Titelseitenbunter Blätter und einschlägiger Fachmagazine,sie erhalten renommierte Auszeichnungen undPublikumspreise gleichermaßen. Ihre Popularitätnutzen sie für die Umweltthemen, die ihnen amHerzen liegen. Aufmerksamkeit ist ihnen gewiss.


78 / Jane Goodall / PublikumsmagnetenJane Goodall / Publikumsmagneten / 79Jane GoodallJane Goodall ist ein Glücksfall - nicht nur für das populäre Wissenschaftsmagazin„National Geographic“. Ihre wissenschaftlichen Methoden sind innovativ, ihre Ergebnisserevolutionär, ihre Erlebnisse wirken emotional mitreißend. Und sie selbst: einejunge, schöne Frau in der Wildnis. Welche Geschichte ließe sich besser erzählen?Ohne zuvor eine akademische Ausbildung genossen zu haben, wird Jane Goodall 1957vom britischen Paläontologen und Anthropologen Louis Leakey engagiert. Beeindrucktvon ihrer Begeisterung und Tierliebe beauftragt er sie, das Verhalten von Schimpansenin einer Langzeitstudie zu erforschen. 1960 bricht Jane Goodall in den Gombe Nationalparkim heutigen Tansania auf. Was die Fachwelt kritisiert, sieht Leakey als Chance:Goodalls fehlendes Studium. Er erwartet von ihr einen neuen, wissenschaftlich unvoreingenommenenBlick. Und er sollte Recht behalten. Jane Goodall entdeckt vorherUngeahntes: Schimpansen nutzen nicht nur Werkzeuge, sie stellen sie gezielt her. Siebauen untereinander emotionale Bindungen auf und führen Kriege: Eigenarten, diezuvor allein der menschlichen Rasse zugeschrieben wurden.Eine Wissenschaftlerin mit Ausstrahlung: Der Film „Miss Goodall and the Wild Chimpanzees“ von1965 macht Jane Goodall und ihre Forschungen berühmt. © picture alliance/CBS/LandovGoodall entwickelt ganz eigene Formen der Beobachtung. Weder körperlich nochemotional sucht sie wissenschaftliche Distanz zu ihrem Forschungsobjekt. Sie gibtden Tieren Namen statt Nummern und lebt unter ihnen. Geduld ist eine ihrer großenStärken. Dass sie sich in die Lebenswelt der Schimpansen einbindet und ihren Forschungsobjektenmenschliche Eigenschaften zuschreibt, wird in wissenschaftlichenKreisen kritisch kommentiert. Ihre Art der Arbeit und ihre Empathie aber begeisterneine Vielzahl von Menschen für die Lebenswelt der Tiere. Jane Goodall verfasst populärwissenschaftlicheBücher und weiß Bilder und Filme für ihre Botschaft zu nutzen.Als sie erkennt, dass sie den bedrohten Lebensraum der Schimpansen schützenmuss, um deren Zukunft zu gewährleisten, kann sie bereits auf ihre große Popularitätbauen. Seit Ende der 1970er Jahre setzt sich Goodall auf Reisen und vor Ort für denSchutz von Schimpansen und ihrer natürlichen Umwelt ein. Sie leistet Lobbyarbeit undbetreut Projekte in aller Welt. Zustimmung ist ihr gewiss.„Ohne das Herz, das die Bodenhaftungherstellt, unduns dafür öffnet, wer wir alsMenschen wirklich sein können,ist das Gehirn eine sehrgefährliche Maschine.“Interview mit Harmer/Mertens,Egon Zehnder International, 2013.Jane Goodall,geboren 1934. 1965 erwirbt sie inCambridge den Doktortitel. 1977gründet sie das „Jane Goodall Institute“mit mittlerweile 19 Bürosweltweit. 2002 ernennt Kofi Annansie <strong>zur</strong> Friedensbotschafterin derVereinten Nationen. 2006 ehrt dieUnesco ihr Lebenswerk mit derJubiläumsmedaille.


80 / Jane Goodall / PublikumsmagnetenLoki Schmidt / Publikumsmagneten / 81Loki SchmidtStarpotential: Jane Goodall mit ihremMann, Tierfilmer Baron Hugo van Lawick, o.J.© picture alliance/Everett CollectionKeine Scheu vor Nähe, o.J.© picture-alliance/NHPA/photoshotDas klassische Damenprogramm für die Ehefrauen der Regierungschefs kann LokiSchmidt bei Staatsbesuchen nicht begeistern. Sie zieht es vielmehr in die BotanischenGärten und die Natur des jeweiligen Gastlandes. Denn den Pflanzen gilt ihre Leidenschaft.Von Kindheit an interessiert sie sich für Botanik. 1976 gründet Loki Schmidtdas „Kuratorium zum Schutz gefährdeter Pflanzen“. Dieses vergibt seit 1977 die „Silberpflanze“an Privatpersonen oder Organisationen, die sich in außerordentlicherWeise für den Schutz von Pflanzen und deren Biotope verdient gemacht haben. Seit1980 kürt die daraus hervorgegangene „Stiftung zum Schutz gefährdeter Pflanzen“ die„Blume des Jahres“, um auf besonders bedrohte Arten aufmerksam zu machen. Darüberhinaus kauft die Stiftung Grundstücke, um sie so der intensivierten Bewirtschaftungund Versiegelung durch Bauvorhaben zu entziehen, und finanziert Renaturierungsprogramme.Loki Schmidt wirbt aktiv für ihre Stiftung. Sie sorgt sich um den Erhalt von Pflanzenerbgut,sammelt auf ihren Reisen Samen und lässt sie archivieren. Dabei versteht sieihre Popularität als Gattin von Kanzler Helmut Schmidt zu nutzen, um diesen wichtigen,aber wenig spektakulären Schutzvorhaben zu medialer Aufmerksamkeit zu verhelfen.In einer <strong>Zeit</strong>, in der soziale Bewegungen die Gesellschaft polarisieren, Ölschock undSmogalarm die Grenzen des unreflektierten Fortschritts zeigen, bietet Loki Schmidteine Identifikationsfigur für Naturschutz ohne politische Aufladung und trägt so ihreAnliegen in breite Bevölkerungsschichten.2010 erhält Jane Goodall den Bambi in der Kategorie„Unsere Erde“. © picture alliance/dpa2004 erhält Loki Schmidt für ihr Lebenswerk den Ehrenpreis der Deutschen BundesstiftungUmwelt. Nach ihr sind Pflanzen und der Botanische Garten Hamburgsbenannt. Posthum wird Loki Schmidt 2011 der erste „Umwelt-Helden-Preis“ der Bild-<strong>Zeit</strong>ung verliehen: eine Anerkennung ihrer Leistungen für den Naturschutz und einZeichen für ihre Beliebtheit weit über ihre Rolle als Kanzlergattin hinaus.Jane Goodall spricht 2010 im Rahmen einer Vortragsreiheder UN in Genf zu „Nature‘s wake-up call: Why wemust heed the warning“. © picture alliance/epa


82 / Loki Schmidt / PublikumsmagnetenLoki Schmidt / Publikumsmagneten / 83Immer ein Blick für Pflanzen.Und sei es am Rande eines Flughafens, 1976.© Bundesregierung/Lothar SchaackLoki Schmidt und Freunde. Rechts von ihr: ihr späterer Ehemann Helmut Schmidt.© picture alliance/Sven SimonDie Welt schaut auf sie - nicht nur wie hier beim Staatsempfangim Weißen Haus, 1977. © Bundesregierung/Lothar Schaack„Damals konnte ich noch keinenVerein gründen. Dennauf eine Lehrerin mit NamenSchmidt aus Hamburg hätteniemand gehört. Ich mussteso lange warten, bis meinMann in einer Position war,dass ich mit seinem Namenein bisschen Aufmerksamkeitbekam.“Interview mit Reinhold Beckmann,Erzähl doch mal von früher, 2008Hannelore „Loki“ Schmidt,1919–2010. Ausgebildete Pädagogin.1942 Eheschließung mit HelmutSchmidt, von 1974–1982 Bundeskanzler.Nach Ende der Kanzlerschaftihres Mannes übernimmt sieneben ihrer Stiftungstätigkeit Aufgabenin der Hamburger Naturschutz-Behörde.Ihr Publikum im Auge: Loki Schmidt mit Heino undMaria Hellwig 1981 auf einer Narzissenwiese in der Eifel.© picture alliance/dpaLoki Schmidt zeichnet Vorlagen für Schilderam Pflanzen-Lehrpfad in Sonthofen, 1979.© picture alliance/Hartmut Reeh


84 / Bianca Jagger / PublikumsmagnetenBianca Jagger / Publikumsmagneten / 85Bianca JaggerSeit über drei Jahrzehnten engagiert sich Bianca Jagger für Menschenrechte, sozialeGerechtigkeit und Umweltschutz. Als Initialzündung ihres Einsatzes gilt ein Erlebnis inHonduras. Dort ist sie 1981 mit einer Untersuchungskommission des US-Kongressesin einem Flüchtlingslager unterwegs. Die Gruppe wird Zeuge, wie bewaffnete salvadorianischeTodesschwadronen versuchen, Flüchtlinge über die Grenze nach El Salvadorzu verschleppen. Bianca Jagger, die anderen Delegationsmitglieder und unterstützendeHelfer können dies verhindern, allein mit Zivilcourage und ihrem Einsatz. Jagger wirdbewusst, welche Macht das eigene Engagement entfalten kann und handelt zukünftigdanach.Bianca Jagger richtet ihren Blick nach Lateinamerika, aber auch auf die USA, Europaund Asien. Neben ihrem Engagement gegen jede Form von Gewalt, Kriegsverbrechenund Genozid setzt sie sich für die verwundbarsten Mitglieder der Gesellschaft wieKinder, <strong>Frauen</strong>, zum Tode verurteilte Häftlinge und indigene Völker ein. Sie kämpftfür den Erhalt des Regenwaldes und für die Gründung der Internationalen Agenturfür Erneuerbare Energien (IRENA). Ökologische Fragen sind für sie eng mit sozialerund ökonomischer Gerechtigkeit verbunden. So weit gefächert ihr Themenspektrumist, so vielfältig sind die Organisationen, für die sie arbeitet. Jagger ist unter anderemSonderbotschafterin des Europarates, Mitglied des Executive Director’s LeadershipCouncil von Amnesty International USA und Botschafterin der IUCN-Kampagne„Plant a Pledge“, des weltweit größten Projekts <strong>zur</strong> Wiederaufforstung des Regenwaldsund Wiederherstellung von Landschaften. Darüber hinaus gründet Bianca Jagger ihreeigene Stiftung, die Bianca Jagger Human Rights Foundation (BJHRF), der sie auchselbst vorsteht.Die Liste ihrer Auszeichnungen ist lang. So erhält sie u.a. den Right Livelihood Award,der auch als Alternativer Nobelpreis bekannt ist, den Amnesty International USAMedia Spotlight Award for Leadership, den United Nations Earth Day InternationalAward, den World Achievement Award, den Green Globe Award from the RainforestAlliance, den American Civil Liberties Union Award sowie den World Citizenship Award.Bianca Jagger im brasilianischen Amazonas-Regenwald mit Häuptling Almir Narayamoga Surui. © BJHRF„The connection betweenpeace and sustainable developmenthas been ignored fortoo long.“www.huffingtonpost.com/bianca-jagger, 2013.Bianca Jagger,geboren 1950 in Nicaragua. Für ihreLeistungen erhielt sie drei Doktortitel„honoris causa“: den Doktor derRechtswissenschaften der Universitätvon East London im Jahre 2010,den Doktor der Menschenrechte desSimmons College in Boston im Jahre2008 und den Doktor der Geisteswissenschaftendes Stonehill Collegein Massachusetts im Jahre 1983.Ob sie sich in einer Zelle fotografieren lässt, um gegen die Todesstrafe zu demonstrieren,oder zum Boykott gegen Esso aufruft. Ihre Auftritte sind bildstark und wortgewaltig.Konferenzen, Demonstrationen, Studienreisen: Bianca Jagger nimmt nicht nur aktivteil, sie berichtet auch darüber. In der New York Times, dem Observer oder ihrem Blogin der Huffington Post legt sie Zeugnis ab und bezieht Stellung. Und sie fordert jedeneinzelnen Menschen dazu auf, es ihr gleich zu tun.


86 / Bianca Jagger / PublikumsmagnetenBianca Jagger pflanzt einen Königsbaum im BiodiversityCorridor Miguel Pereira. © BJHRFBianca Jagger weiß ihre Popularität einzusetzen– wie hier auf einer Veranstaltung überFair Trade am Rande des G8-Gipfels 2008.© picture alliance/dpa


88 / Wissenschaftlerinnen Wissenschaftlerinnen / 89WissenschaftlerinnenDie Welt ist unendlich vielschichtig, die Ökologieder Erde ungeheuer komplex. Wissenschaft dientnicht nur der Erklärung von Zusammenhängen,sie muss auch die langfristigen Folgen menschlichenHandelns abschätzen. Die hier ausgewähltendrei Wissenschaftlerinnen sind talentierteAnalytikerinnen und begabte Vermittlerinnenihrer Erkenntnisse. Mit neuen Fragestellungenund kritischem Blick tragen sie Daten und Faktenzusammen. Sie scheuen sich nicht, bisher gültigeDogmen anzuzweifeln und aus ihren wissenschaftlichenErgebnissen politische Handlungsanweisungenzu entwickeln. Damit treffen sie bisweilenauf erbitterten Widerstand. Aber diese kritischenExpertinnen zeigen Wege für eine grundlegendeNeuorientierung auf, die für die Bewahrung desPlaneten notwendig ist.


90 / Rachel Carson / WissenschaftlerinnenRachel Carson / Wissenschaftlerinnen / 91Rachel Carson1962 erscheint in den USA ein aufsehenerregendes Buch, das wochenlang die Bestsellerlistenanführt, in 28 Sprachen übersetzt wird und weltweit Millionenauflagen erlebt.Es gilt als Auslöser der modernen Umweltbewegung. Die Autorin: Rachel Carson. DerTitel: „Silent Spring“. Der „Stumme Frühling“ beginnt mit einer gespenstischen Szene.Carson beschreibt eine blühende Landschaft. Was fehlt, ist das Summen der Insekten,das Gezwitscher der Vögel, überhaupt die Geräusche von Lebewesen. Es ist die Schreckensvisioneiner vergifteten Welt. Die studierte Biologin beschreibt die Auswirkungeneines schrankenlosen DDT-Einsatzes.Nachdem eine Freundin ihr einige Jahre zuvor berichtet hatte, dass sie nach einerSprühaktion mit dem Pestizid DDT ein großes Vogelsterben beobachtet hat, beginntCarson 1958 zu recherchieren und trägt akribisch Daten <strong>zur</strong> Langzeitwirkung desStoffes zusammen. DDT ist zu dieser <strong>Zeit</strong> das erfolgreichste Mittel gegen Moskitos, dieMalaria übertragen. Besonders in den USA wird es zudem auch großflächig mit Flugzeugenausgebracht, um Schädlingsbefall in Forst- und Landwirtschaft zu verhindern.DDT symbolisiert vermeintlich den Fortschritt. Es steht für den Glauben der Nachkriegszeitan schnelle chemische Lösungen und die totale Beherrschbarkeit der Natur.Aber das Wundermittel hat dunkle Seiten. Resistenzen entwickeln sich, es reichert sichin der Nahrungskette an und steht im Verdacht, krebserregend zu sein.Carson ist nicht die Erste, die über die Risiken des Pestizids schreibt und die ökologischenZusammenhänge untersucht. Aber ihr Buch entwickelt dank ihres erzählerischenTalents eine Wirkung, die bis dato noch keine andere Studie erreicht hat. Durch„Silent Spring“ wird die ökologische Frage breitenwirksam. Carson legt die wirtschaftlichenInteressen der Chemieindustrie offen und wird von deren Lobby heftig angegriffen.Ihr Geschlecht dient dabei der Verunglimpfung: Immer wieder wird „Fräulein“Carson als hysterische und sentimentale Jungfer diffamiert. Doch ihre kritische Analysesetzt sich durch. Anfang der 1970er Jahre beginnt eine DDT-Verbotswelle. Diesenpolitischen Erfolg erlebt Carson nicht mehr. Sie stirbt 1964 an Krebs.Während einer US-Senat Anhörung zu einer Reform der Gesetzgebung in Zusammenhang mitPestizidverwendungen legt Rachel Carson ihre wissenschaftlichen Erkenntnisse zum DDT Einsatz dar,1963. © picture alliance/Everett Collection„Das Reich der systemischenInsektizide ist eine unheimlicheWelt, die selbst die gruseligeMärchenwelt der BrüderGrimm übertrifft…“Der Stumme Frühling, München 1962.Rachel Louise Carsonwird 1907 in Springdale/Pennsylvaniageboren. 1932 schließt sie ihrBiologiestudium an der Johns HopkinsUniversity ab, das sie sich durchLehre und Laborarbeit selbst finanzierthat. Anschließend arbeitet sieim US Bureau of Fisheries als wissenschaftlicheTexterin, entwickeltauch Radioprogramme und ist alsWissenschaftlerin tätig. 1941 veröffentlichtsie ihr erstes Buch „Underthe Sea-Wind: A Naturalist’s Pictureof Ocean Life“. Sie wird zu eineranerkannten populärwissenschaftlichenAutorin.


92 / Rachel Carson / WissenschaftlerinnenAngelika Zahrnt / Wissenschaftlerinnen / 93Angelika ZahrntDie Biologin mit einemKollegen bei der maritimenFeldforschung, 1952.© U.S. Fish and Wildlife Service1998 ist es soweit: Einer der größten deutschen Umweltverbände, der Bund fürUmwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), wählt mit Angelika Zahrnt seine ersteweibliche Vorsitzende. Zahrnt ist keine Naturschützerin im klassischen Sinn. Die promovierteVolkswirtin richtet ihren Fokus auf die Zusammenhänge von Ökonomie undUmweltzerstörung. Für diese Diskussion bringt sie wissenschaftliche Tugenden mit: Sieist erfahren in der Analyse komplexer Zusammenhänge und denkt in großen <strong>Zeit</strong>räumen.Zahrnt schreckt nicht davor <strong>zur</strong>ück, das Wachstumsmodell der Industriegesellschaftenradikal in Frage zu stellen. Neun Jahre steht sie an der Verbandsspitze, mahntunermüdlich einen Wandel der Lebensstile an und schaltet sich mit konkreten politischenVorschlägen in die öffentliche Debatte ein, z. B. <strong>zur</strong> ökologischen Steuerreform.Früher als andere erkennt sie die Verbindung von ökologischen und sozialen Themen.Die Autorin und ihr bahnbrechendes Buch, 1963.© picture alliance/Everett CollectionNach der Weltkonferenz für Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro 1992 habensich 178 Staaten auf die Agenda für eine nachhaltige Entwicklung im 21. Jahrhundertgeeinigt. Aber was bedeutet das konkret für Deutschland? Bereits 1996 initiiertZahrnt die Publikation der bahnbrechenden Studie „Zukunftsfähiges Deutschland“, lautdem Magazin Der Spiegel „die grüne Bibel des 21. Jahrhunderts“. Diese Studie, vomWuppertaler Institut für Klima, Umwelt, Energie verfasst und von der EntwicklungsorganisationenMISEREOR mit herausgegeben, überprüft am deutschen Beispiel denIst-Zustand und entwickelt Handlungsszenarien. Das Buch ist ein großer Erfolg: Eserhält mehrere Auflagen, die Kurzfassung wird 132.000 Mal verkauft, allein im Jahrder Veröffentlichung finden 1.000 Veranstaltungen zum Thema statt. Es stößt eineintensive Diskussion über nachhaltige Entwicklung an. Auch die Veröffentlichung derFolgestudie 2008 bringt Zahrnt auf den Weg. Die versierte Wirtschaftswissenschaftlerinmacht deutlich, dass es mit kleineren Kurskorrekturen wie technischer Innovationund Effizienz oder Biozertifikaten nicht getan sein wird. Gerade aufgrund ihrer ökonomischenExpertise erinnert sie immer wieder daran, dass grenzenloses Wachstum ineiner physisch begrenzten Welt eine Illusion ist. Zahrnt plädiert für eine „Postwachstumsgesellschaft“,in der es sich auch – oder gerade – ohne Wachstum gut leben lässt.Die Bestsellerautorin wird Ende 1962für das US-Nachrichtenmagazin „CBS reports“interviewt. Die Sendung erreichtmehr als zehn Millionen Zuschauer.© picture-alliance/CBS/Landov


96 / Elisabeth Mann Borgese / WissenschaftlerinnenElisabeth Mann Borgese / Wissenschaftlerinnen / 97Elisabeth Mann BorgeseElisabeth Mann Borgese, Professorin für Seerecht, gilt heute als eine der bekanntestenund profiliertesten Botschafterinnen der Meere. Dabei studierte sie weder Ozeanografienoch Jura. Die Weltoffenheit der berühmten Literatenfamilie Mann und die frühenKindheitserfahrungen der langen Sommerferien an der Kurischen Nehrung legenoffenbar das Fundament für die Vision, die Ozeane zu schützen. Als Elisabeth MannBorgese 1938 gemeinsam mit ihrem italienischen Mann vor dem Faschismus in dieUSA flieht, arbeiten sie dort am Entwurf einer „Weltverfassung“. Diese Arbeit schärftihre Sinne für globale Themen und internationale Prozesse. Als sie 1967 die Rededes maltesischen Botschafters Arvid Pardo vor der UN-Generalversammlung über dieBedeutung der Ozeane für die Menschheit hört, entflammt sie für das Thema. Mitungeheurer Energie setzt Mann Borgese ihren diplomatischen Sachverstand ein, umeine neue Weltordnung für die Meere zu entwerfen, die soziale Gerechtigkeit, wirtschaftlicheNutzung und ökologischen Schutz verbindet. Sie will dem Meer, aber auchden Menschen, die an den Küsten leben und auf hoher See arbeiten, zu Recht undAufmerksamkeit verhelfen.1970 organisiert sie eine Meereskonferenz auf Malta. Auf dieser Konferenz, die dasvielsagende Motto Pacem in Maribus (Friede den Meeren) trägt, stellt sie ihr Konzepteiner verbindlichen Seerechtskonvention vor. Denn zu diesem <strong>Zeit</strong>punkt ist die Seenahezu rechtsfreier Raum. Für die Ausbeutung der Meeresressourcen gibt es kaumSchranken. Als sie feststellt, dass die Ökologie des Meeres und besonders der Tiefseefast vollkommen unbekanntes Terrain sind, gründet sie mit Freunden auf Malta daserste interdisziplinäre „International Ocean Institute“. Hier arbeiten Expertinnen undExperten für Völkerrecht mit denen aus Ökologie und Ozeanografie zusammen. Heutesind daraus 26 Institute in 26 Ländern entstanden – Thinktanks des Meereswissens,die Generationen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ausbilden und prägen.Grenzen spielen keine Rolle: Eine deutsch-tschechisch-kanadische Konzertpianistin, Diplomatin,Publizistin, Professorin für internationales Seerecht. Und dazu eine leidenschaftliche Hundefreundin:Elisabeth Mann Borgese im Jahr 2000. © picture-alliance/akg/Niklaus Stauss„Am Meer faszinieren viele,viele, viele Dinge, aber wasmich eigentlich besondersfasziniert, ist, dass das Lebenund die Arbeit auf dem Meerund mit dem Meer so verschiedenist von dem, waswir am Land gewohnt sind,dass man gezwungen ist,ganz anders und ganz neu zudenken.“Elisabeth Veronika Mann Borgese,1918 in München geboren, ist dasjüngste Kind von Katia und ThomasMann. Ausbildung <strong>zur</strong> Konzertpianistin.1970 ist sie einziges weiblichesGründungsmitglied des Club ofRome, der 1972 die wegweisendeStudie „Die Grenzen des Wachstums“veröffentlicht. Allerdings stehtsie, die sich selbst als „Sozialistin“bezeichnet, dem von Geschäftsleutenund Industriellen geprägten Clubdurchaus kritisch gegenüber. 1978zieht Elisabeth Mann Borgese in ihreWahlheimat Kanada, wo sie bis zuihrem Tod 2002 lebt.In: E. Mann Borgese: Mein Vater der Zauberer.Meine Liebe das Meer. Gespräch mit W. Gaudlitz, 2001.


98 / Elisabeth Mann Borgese / WissenschaftlerinnenDie Liebe zum Meer hat eine lange Geschichte: Die Familie Mann (Elisabeth 2. von links)1930 in der Sommerfrische in Nidden an der Ostsee. ©Wikipedia CommonsDie Frau in Weiß: Elisabeth Mann Borgesewährend einer Veranstaltungdes Club of Rome 1974 in Berlin, nebenihr u. a. Bundesminister Egon Bahrund Altbundespräsident Gustav Heinemann.© Chris Hoffmann/picture alliance/dpaAus dem von Mann Borgese 1972 gegründeten„International Ocean Institute“ entwickelnsich 25 weitere Meeresforschungszentren inder ganzen Welt. Die Botschafterin derMeere im Jahr 2001. © picture alliance


100 / Impressum Impressum / 101ImpressumHerausgeberBundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (<strong>BMU</strong>)Referat ZG IV 1/3, 11055 Berlin, www.bmu.deDeutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU)Postfach 1705, 49007 Osnabrück, www.dbu.deWissenschaftliche BeratungProf. Dr. Joachim Radkau, Dr. Hans-Werner FrohnKuratierungSabine Diemer und Dr. Anna-Katharina WöbseTexteEingangs- und Gruppentexte: Sabine Diemer und Dr. Anna-Katharina WöbsePorträts Sabine Diemer: Christy / Fritz-Kramer / Goodall / Kelly /Kieffer / Lemke / Maathai / Schmidt / SladekPorträts Dr. Anna-Katharina Wöbse: Barclay-Smith / Brundtland / Carson / Dewitz /Frerichs / Hähnle / Kretschmann / Mann-Borgese / RoddickPortraits <strong>BMU</strong>: Merkel / Jagger / Zahrnt<strong>BMU</strong>: Schlaglichter der UmweltgeschichteGestaltungSilke Nachtigahl / Nachtigahl – Gestaltung im Dialog, www.nachtigahl.deProduktionfamilie redlich / Agentur für Marken und Kommunikation GmbH,www.familie-redlich.deErste Auflage2900 StückErscheinungsort, -datumBerlin, 7. 3. 2013


<strong>Ihrer</strong> <strong>Zeit</strong> <strong>voraus</strong>. <strong>Visionäre</strong> <strong>Frauen</strong> im Einsatzfür den Umwelt- und Naturschutz 1899 bis heuteDer <strong>Katalog</strong> <strong>zur</strong> <strong>Ausstellung</strong> zeigt entlang von21 Biografien, wie nachhaltig <strong>Frauen</strong> im Laufedes 20. Jahrhunderts die Natur- und Umweltschutzbewegungbeeinflusst und geprägt haben.Diese visionären Persönlichkeiten sind Stellvertreterinnenfür die Unzähligen, die sichtäglich überall auf der Welt dafür einsetzen,Natur und damit auch menschliche Zukunftzu erhalten. Ihre Geschichten zeigen das wegweisendeökologische Denken und Handeln von<strong>Frauen</strong> unterschiedlicher Herkunft, Nationalitätund politischer Auffassung in seiner ganzenBandbreite.

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