Neue Öle – Neue WerkstoffeWechselwirkungen zwischen Gruppe III-Ölen und ElastomerenAutor:Dr. Uwe Wallner,Leiter WerkstoffentwicklungElastomere,Packing Division EuropaSteigende Rohstoffpreisen unddie Diskussion um die Erdölverknappungfördern die Entwicklungalternativer Schmierstoffe, so dassmittelfristig konventionelle Grundöle(Solvent-Raffinate) durch neueGrundöle der sogenannten APIGruppe II und III und evtl. in Zukunftauch durch vollsynthetischeGTL- Öle (Gas-to-Liquid, Öle ausdauerhaft verflüssigtem Erdgas)abgelöst werden. Diese neuen Ölestellen auf Grund der deutlich geringerenQuellneigung neue Anforderungenan die eingesetzten Dichtungswerkstoffe.Durch geeigneteRohstoffauswahl und Rezepturgestaltunghaben die <strong>Parker</strong>-PrädifaWerkstoff-Experten neue Materialienmit optimierter Quellrate entwickelt,die diesen Anforderungengerecht werden.Bedingt durch den geänderten Aufbauder vollsynthetischen Öle auf BasisHydrocrack oder GTL ändert sichauch das Verhalten zu Dichtungswerkstoffen.Wie in Abb. 1 gezeigt,nimmt die Quellneigung von paraffinischenüber naphthenische zu aromatischenGrundölen deutlichzu. Neue synthetische Öle besitzendeutlich höhere naphthenischeund vor allem paraffinischeAnteile (Abb. 2) und sind praktischaromatenfrei, so dass die Quellneigungdieser Öle deutlichabnimmt.StrukturH 3 CCH 3RCH 3Die Auswirkung der verändertenQuellrate lässt sich gut mit Hilfe desStandardreferenzelastomeren NBR 1nach ISO 6072 nachvollziehen. Dasgenaue Vorgehen ist bei U. Wallner 1)nachzulesen. Im Unterschied zuGebrauchselastomeren enthält dasStandardreferenzelastomer NBR 1keine extrahierbaren Bestandteile.Auch wird Peroxid als Vernetzer eingesetzt,um Nebenreaktionen durchUmlagerungen von Schwefelbrückenoder Nachvernetzung bei schwefelvernetztenWerkstoffen zu vermeiden.Somit lässt sich die Auswirkungdes Öls auf die NBR-Matrix studieren,ohne Überlagerung von Extraktionsvorgängenoder Veränderungen imNetzwerk.Der richtige NBR-Werkstoff wirdParaffinische ÖleLinear:R = HVerzweigt: R = CH 3Naphthenische ÖleAromatische ÖleWeissöleAbb. 1: Aufbau Mineralöl-basierender GrundöleZunehmende Quellrateunter BerücksichtigungeinerVielzahl vonGesichtspunktenausgewählt.Wichtige Kriteriensind chemischeVerträglichkeit,Quellrateund Tieftemperatureigenschaften.Diese Kriterien werden direkt durchden Acrylnitrilgehalt (ACN) beeinflusst.Je höher der ACN-Gehalt, destoniedriger sind die Quellraten, destoschlechter ist aber leider auch dieTieftemperatureignung. Daher mussein geeigneter Kompromiss gefunden10 DichtungsReport · März 2011
PAO / GTLGruppe IV und III+HydrocrackGruppe II und IIIMineralölGruppe I0 %Rwerden, der die Tieftemperaturanforderungenund die Quellrate desverwendeten Öls optimal verbindet.Machbar ist dieses durch ein Zusammenspielvon ACN- und Weichmachergehalt.Welche Quellrate toleriert werdenkann, hängt von der Anwendung ab.Der Richtwert für dynamische Dichtungenliegt bei 0 – 7 %. AkzeptableQuellraten für statische Dichtungenkönnen diesen Richtwert deutlichüberschreiten.Gängige Mineralöle vom TYP HLP 46(zinkhaltig) quellen NBR 1 um etwa5 – 11 %. Ein geeignetes Gebrauchselastomerfür dynamische Dichtungensollte daher in diesem VAI-Bereicheine Quellrate von ca. 0 – 5 % erreichen.Anders als bei Gruppe I Ölenliegt die Quellrate von NBR 1 (VAI)bei Gruppe III Ölen bei 1-2 %. Diesbedeutet, dass Gebrauchswerkstoffe,die in Gruppe I Ölen leichte Quellungzeigten, mit diesen Grundölen zumSchrumpfen neigen. Dies kann imschlimmsten Fall zu Leckage undFunktionsausfall führen.Um die Auswirkungen eines GruppeIII Öls auf Gebrauchselastomere darzustellenwurde ein Versuchsöl derFirma Fuchs Europe Schmierstoffemit der Bezeichnung B15 III A ausgewählt.Dieses Öl zeigt keinen chemischenAngriff auf die NBR 1-Matrix,bei einer Volumenänderung VAIvon 1,2 %.10 %RRRRR20 % 30 % 40 % 50 % 60 % 70 % 80 % 90 % 100 %Kohlenwasserstofftyp, Anteil / Gew.-%parraffinisch mono naphthenisch multizyklisch, napthenisch aromatischAbb. 2: Aufbau von Grundölen auf Kohlenwasserstoffbasis 2)RRStandard NBR-Werkstoffe, z.B. der<strong>Parker</strong> Werkstoff N3571-70, die beiGruppe I Ölen eine moderate Quellungvon < 5% zeigen und damit imoptimalen Bereich liegen, schrumpfenim GruppeIII Öl um mehrals 5%. Auchhier das BeispielN3571-70Rmit einer VolumenänderungRRRvon -6,8 %.Bei dieser Werkstoff-ÖlKombinationkönntees daher zuLeckageproblemenkommen.Durch optimaleRohstoffauswahlund Rezepturgestaltung kann dieQuellrate des Werkstoffs wieder inden optimalen Bereich verschobenwerden, was im Folgenden am neuenNBR Werkstoff N9143-70 (Tab.) gezeigtwerden kann.Betrachtet man Abb. 3 undlegt folgende Richtwerte für dieVerträglichkeit zugrunde:0 bis +5 % sehr gut,-1 bis +10% gut,so lässt sich N9143 für Öle mit einemVAI bis 6 gut einsetzen.Dies bedeutet eine sehr gute Eignungfür Typ III Öle, was die Quellrate von+2% im genannten Öl Fuchs B15 IIIA beweist. Mit Hilfe einer geeignetenWerkstoffrezeptur lassen sich auchÖle mit einer sehr geringen Quellratesehr gut beherrschen.Um eine Verträglichkeit mit den bestehendenWerkstoffen herzustellen,gibt es auch die Möglichkeit, dieQuellrate des Öls mit Hilfe quellenderEster anzupassen. Für NBR Werkstoffeist dies ein probates Mittel.Allerdings werden in der Hydrauliknicht nur NBR und HNBR Werkstoffeeingesetzt. Einen erheblichen Anteilals Dichtungswerkstoff haben die Polyurethane.Bei Standardwerkstoffenkann es jedoch zu Abbaurektionenkommen, die die Lebensdauer derDichtung negativ beeinflussen. Fürdiesen Einsatzfall bietet <strong>Parker</strong> speziellehydrolysestabilisierte Variantenan, die mit synthetischen Estern eingesetztwerden können.1) Wallner, Uwe, Passen Dichtungswerkstoffund Hydrauliköl zusammen?, O+P 9/2006, S. 454-4572) Braun, Jürgen, Elastomerverträglichkeitsanforderungenin Hydraulik- und Industriegetriebeöl-Spezifikationen, GfT Tagung 2005, GöttingenPhysikalische Eigenschaften des NBR-Werkstoffs N9143-70Phys. Eigenschaften Einheit Norm N 9143Härte Shore A DIN 53 505 70Dichte g/cm³ DIN EN ISO 1183-1 1,175Modul 100% MPa DIN 53 504 5,4Reißfestigkeit MPa DIN 53 504 18,2Dehnung % DIN 53 504 274T-onset °C VDA 675 117 -37Volumenquellung des Gebrauchselastomeren [%]302520151050-5-100 5N9143-70VAI / Volumenquellung des Standardreferenzelastomeren NBR-1 [%]Fuchs B15 III A∆V : +2,2 %10 15 20 25 30Abb. 3: Quellverhalten des für den Einsatz bei niedrigem VAI entwickelten NBR-Werkstoffs N9143-70DichtungsReport · März 2011 11