TickeTs & konzerTkarTen - a3kultur
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KRITIK & MEINUNG<br />
Extrawurst<br />
Kunstverein Augsburg präsentiert<br />
junge Fotografie aus Helsinki<br />
Brät war vorgestern. Statt Würsten wird heute in<br />
der noch bis 1986 betriebenen Metzgerei Heinrich<br />
Walter in der Stephansgasse 8 Kunst zubereitet.<br />
Ursula Allgäuer (1962), Jörg Kupke (1963), Peter<br />
Mangold (1968) und Pan (1979) werden hier in<br />
Zukunft in ihrem frisch eröffneten Atelier nur<br />
noch das anmischen, was sie als Rezept für ihren<br />
künstlerischen Ausdruck benötigen. Doch ganz<br />
so einfach war der Einzug in die alten Fleischhandelsräume<br />
nicht: Seit November 2011 schrubbten<br />
die neuen Mieter an der über zwei Jahrzehnte<br />
brachliegenden Metzgerei, die bis 1951 ein Gasthaus<br />
war, um die Grundierung für den Kunstbetrieb<br />
zu schaffen. „Lüften war ganz wichtig“,<br />
meint Peter Mangold. Und ironischerweise liegt<br />
ein dezenter Räuchergeruch in der Luft, der allerdings<br />
nicht von einem vor 25 Jahren in der Theke<br />
vergessenen Landjäger, sondern vom ehemaligen<br />
Holzofen herrührt, und der den Appetit des Besuchers<br />
nach Kunst zusätzlich anregt. Der Eckladen<br />
empfängt die Gäste im Präsentationsraum mit<br />
einem Lförmigen Verkaufstresen, ausgestattet<br />
mit künstlerischen Arbeiten, die sich auch über<br />
die Wände weiter in den Raum verteilen. Dazwischen<br />
sind, konservatorisch unbedenklich und<br />
mit genug Abstand, Getränke und Kuchen verteilt.<br />
Geschaffen wird in den hinteren fünf Räumen,<br />
die frei zugänglichen Ateliers, die einen<br />
geballten Rundumblick über die Werke der Vier<br />
bereit halten, in Zukunft aber eben auch neue<br />
entstehen. Auffallend sind die Wechselbeziehungen<br />
der Kunstwerke zu den teilweise mit<br />
fragmentarischen Wand und Deckenmalereien<br />
ausgestatteten historischen Räumen, die die<br />
Künstler zu durchaus amüsanten und kontextbezogenen<br />
Installationen bewegt haben – siehe die<br />
Plastikhände von Schaufensterpuppen als<br />
Duchamp’sches Objet Trouvé oder, von der Decke<br />
hängend, als himmlisches Autorität alla Giotto.<br />
Ausstellungen werden demnächst unregelmäßig<br />
aber oft stattfinden und beschränken sich nicht<br />
nur auf die Arbeiten der vier Künstler, denn Gastkünstler<br />
werden ebenfalls ausstellen und auch<br />
Konzerte sind eingeplant. Hochinteressant ist<br />
auch, dass keiner der Vier das gemeinsame Arbeiten<br />
an ein oder mehreren Werken ausschließt.<br />
Die Extrawurst wird zwar kein Kollektiv sein, aber<br />
zur Kooperationen einladen. Und beim feinen<br />
Geschmack der Betreiber darf man auch gespannt<br />
sein, welche Köstlichkeiten uns erwarten. (sag)<br />
Donnerstag, Freitag und Sonntag, 14 bis19 Uhr<br />
Premieren im mai 2012<br />
RitteR BlauBaRt Emil Nikolaus von Reznicek<br />
4. Mai 2012 | 19.30 Uhr | Großes Haus<br />
30. BayeRische theateRtage 2012<br />
11. bis 27. Mai 2012<br />
w w w . a 3 k u l t u r . d e<br />
Tischtennisschläger mitbringen<br />
In der Contemporallye wird es<br />
das nächste Mal sportlich<br />
Abseits städtischer Kulturpolitik ist eine Galerie<br />
zu einem beliebten Treffpunkt für Künstler und<br />
einfach alle geworden, die neugierig auf Kunst<br />
außerhalb des Mainstream sind: die contemporallye.<br />
In der ehemaligen Spenglerei gegenüber vom<br />
Liliom Kino fand vor ungefähr einem Jahr die<br />
erste Ausstellung statt. Seither ist die contemporallye<br />
zur Plattform für innovative Kunstprojekte<br />
geworden, in die interessierte Augsburger immer<br />
wieder strömen. Neu und anders sind sie, die Ausstellungen,<br />
die in der contemporallye präsentiert<br />
werden, und das macht sie zu einer tollen Abwechslung<br />
zu konventionellen Galerien. Initiator<br />
ist Sebastian Lübeck, der selbst Künstler ist und in<br />
den Räumlichkeiten sein eigenes Atelier betreibt.<br />
Die letzte Schau fand mit dem Berliner Künstler<br />
Oliver Kroll statt. Der erste Eindruck: Eine witzige<br />
Idee! Fotografien von Statuen, auf die kleine Bambifiguren<br />
geklebt sind, dominieren den ersten<br />
Eindruck. Das Rehkitz macht es sich mal auf der<br />
Schulter, mal auf dem Kopf der Statuen gemütlich<br />
oder rutscht von der Pferdenase (Foto). Süß.<br />
Aber steckt da auch eine Bedeutung dahinter? Der<br />
Titel der Ausstellung ist Coney Island. Warum?<br />
Das durfte der Künstler selbst erklären. Coney Island<br />
war einst, »the playground of the world«, ein<br />
Zufluchtsort. Das gehört jedoch der Vergangenheit<br />
an. Das Vergangene sollte aber nicht vergessen<br />
werden, und dazu gehören sowohl Bambi, die<br />
Ikone der Disneyfiguren oder diese alten Statuen.<br />
Eine etwas andere Art, die Vergangenheit ins Gedächtnis<br />
zu rufen.<br />
Wir dürfen uns auch auf die nächste, sicherlich<br />
ebenso andere Ausstellung freuen. Diese beginnt<br />
am 31. Mai und läuft wie immer das ganze Wochenende.<br />
Der ausstellende Künstler ist Achim<br />
Stiermann. Er lebt und arbeitet in Augsburg und<br />
entwirft dabei ausgefallene Trinkhalmarbeiten<br />
oder einen Legoficktesafilm. Was das ist? Vorbeischauen<br />
und anschauen. Und dabei sollte auf<br />
keinen Fall der Tischtennisschläger zu Hause vergessen<br />
werden, um eine etwas andere Tischtennisplatte<br />
ausprobieren zu können. Aber Achtung:<br />
nur für Fortgeschrittene. (ran)<br />
�www.contemporallye.de<br />
21. Mai bis 03. Juni 2012<br />
Psychogramm eines Massenmörders<br />
Wieder hat das Theater Augsburg zum Saisonschluss<br />
aus dem Opernschatzkästchen des beginnenden<br />
20. Jahrhunderts ein relativ unbekanntes<br />
Stück zu Tage befördert.<br />
Heuer den Ritter Blaubart in einer Interpretation<br />
von Reznicek, der hier deutlich versucht mit<br />
einem stilistisch eklektischen Libretto von Herbert<br />
Eulenberg, dessen Wortwahl dann und wann gewöhnungsbedürftig<br />
ist die ersten psychologischen<br />
Ansätze zu verarbeiten. Seine Musik ist<br />
insgesamt sehr ausdrucksstark. Teils romantisch,<br />
manchmal schwelgerisch, bisweilen aber auch<br />
sehr theatralischheroisch. Im Ganzen aber zu<br />
Emil Nikolaus v. Rezniceks Ritter Blaubart<br />
am Theater Augsburg<br />
Keine Sonderrechte für die Popkultur – sondern<br />
gleiches Recht für alle!<br />
Ein Kommentar von Jürgen Kannler<br />
Pop ist zu vielschichtig, als dass man ihn nur<br />
auf sich selbst beziehen könnte. Mit demselben<br />
Recht, mit dem ein Popbüro seinen Dienst aufnimmt,<br />
ließe sich eine Stelle für Literatur, neue<br />
Medien oder Malerei etc. einfordern. Pop ist zu<br />
sehr mit zahllosen anderen Bereichen der Kultur<br />
verwachsen, als dass es Sinn machen<br />
könnte, ihn isoliert zu behandeln. Vielmehr<br />
gehört er in all seinen Varianten auf gleiche<br />
Augenhöhe mit der oft zitierten Hochkultur.<br />
Er ist ebenso förderungswürdig wie zum Beispiel<br />
die Klassik und muss sich denselben Förderkriterien<br />
unterwerfen wie etwa das Ballett.<br />
Was den Pop von anderen Formen unserer Kultur<br />
unterscheidet, ist allein die Tatsache, dass<br />
jeder dahergelaufene Provinzpolitiker meint,<br />
er könne bei dem Thema mitreden, nur weil er<br />
in seiner Studentenzeit einmal auf einem GenesisKonzert<br />
war. Eine vergleichbare Ignoranz<br />
legt diese Klientel in anderen Bereichen der<br />
Kunst wohl kaum so unverfroren an den Tag.<br />
WelcOMe BacK Konzert zur Wiedereröffnung des Kongresszentrums<br />
20. Mai 2012 | 20.00 Uhr | Kongresszentrum<br />
02<br />
wenig akzentuiert, so dass musikalische Spannungsbögen<br />
zu wenig ausgeprägt sind. (Lag es am<br />
guten Wetter oder am schwer zu verarbeitenden<br />
Inhalt, dass sich nach der Pause die Reihen deutlich<br />
lichteten?)<br />
Der Gesang pausiert immer wieder und während<br />
den relativ langen, sehr melodiösen, musikalischen<br />
Zwischenspielen werden abwechslungsreiche<br />
Filmsequenzen auf eine mittig auf der<br />
Bühne platzierte Leinwand projiziert. Das Bühnenbild<br />
(Timo Dentler) wird ansonsten dominiert<br />
von einer an eine Jahrhunderthalle oder die Walhalla<br />
(eine Reminiszenz an Richard Wagner, von<br />
dem Reznicek sich inspirieren ließ?) erinnernde<br />
Rundform. Die sehr durchdachte, zurückhaltend<br />
klassische Kostümwahl stammt von Okarina Peter.<br />
Die Sänger wurden, fast alle, immer wieder vom<br />
Orchester überspielt. Der psychopathologische<br />
Blaubart (Stephen Owen) lieferte als BassBariton<br />
in der tragenden Rolle eine MammutMeisterleistung,<br />
Sally du Randt legte viel Empathie in die<br />
Rolle der sechsten Ehefrau Judith. Mit Agnes, Judiths<br />
kleiner Schwester und fast Gattin/Mordopfer<br />
Nummer sieben, wurden von der Gastsängerin<br />
Katharina von Bülow ebenfalls sängerische Akzente<br />
gesetzt. Eine hervorragende Einzelleistung<br />
als Tenor bot Mark BowmanHester, Blaubarts erblindeter<br />
Diener.<br />
Rezniceks Blaubart ist keine leichte Bühnenkost,<br />
wirft inhaltlich immer wieder Fragen auf und hat<br />
damit eine lange »Nach bzw. Tiefenwirkung«. (pau)<br />
Insider kritisieren immer wieder, mit welcher<br />
Geringschätzung der Popkultur in all ihren<br />
Spielarten von öffentlicher Seite aus begegnet<br />
wird. Offensichtlich ist das Einzige, was unsere<br />
Politiker an Pop interessiert, sein Glamfaktor.<br />
Der kann immerhin so stark sein, dass er<br />
noch auf die trübste Tasse von der Hinterbank<br />
abstrahlt.<br />
Es gibt einen Beirat für Wirtschaft, Behinderte,<br />
Ausländer und den Verkehr. Der Vorstoß<br />
Augsburger Kreativer, einen Kulturbeirat zu<br />
formen und sich damit bei der Politik und in<br />
der Öffentlichkeit Gehör zu verschaffen, ist<br />
richtig. Dem Stadtrat in seinem gänzlich kulturfernen<br />
Wesen fehlt es an erfahrenen Szenegängern,<br />
von denen er noch manches lernen<br />
könnte. Dass zu diesem Kulturbeirat auch die<br />
Popkultur gehört, ist selbstverständlich. Auch<br />
wenn im kommenden Wahlkampf ein ganz<br />
Schlauer auf die Idee kommen sollte, einen<br />
Popbeirat in Aussicht zu stellen.<br />
Besucherservice 0821. 324 4900<br />
www.theater.augsburg.de<br />
Oliver Brunner, Organisationsleiter Bayerische Th eatertage | Foto: Nik Schölzel