29.11.2012 Aufrufe

Deutscher Bundestag Unterrichtung

Deutscher Bundestag Unterrichtung

Deutscher Bundestag Unterrichtung

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Drucksache 16/10140 – 44 – <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 16. Wahlperiode<br />

soll überprüft werden, ob das Beihilfeninstrument geeignet<br />

ist, das im gemeinsamen Interesse liegende Ziel zu<br />

verwirklichen, d. h., das Marktversagen zu beheben oder<br />

ein anderes schützenswertes Ziel zu verfolgen. Auf Stufe 3<br />

des Tests soll abschließend überprüft werden, ob die<br />

Nachteile – insbesondere die Wettbewerbs- und Handelsverzerrungen<br />

– begrenzt sind, so dass die positiven Folgen<br />

überwiegen.<br />

121.* Da die Rechtfertigungsgründe in Artikel 87 Abs. 3<br />

EGV sehr weit formuliert sind, sieht es die Monopolkommission<br />

grundsätzlich als positiv an, dass die EU-Kommission<br />

ihr Vorgehen bei der Vereinbarkeitsprüfung konkretisiert.<br />

Hierdurch werden die Transparenz und das<br />

ökonomische Fundament der Vereinbarkeitsprüfung auf<br />

Rechtfertigungsebene im Vergleich zur früheren Praxis<br />

erhöht. Im Zusammenhang mit dem Marktversagenskriterium<br />

als Rechtfertigungsgrund ist zu beachten, dass<br />

Beihilfen im Idealfall dazu beitragen können, ein Marktversagen<br />

einzudämmen. Jedoch wird im Falle eines ausnahmsweise<br />

bestehenden Marktversagens die Ausgangssituation<br />

durch die Gewährung einer Beihilfe nicht<br />

generell verbessert. Vielmehr besteht die Gefahr, dass<br />

staatliche Beihilfen die gewünschte Wirkung verfehlen<br />

und die Wettbewerbssituation nachteilig verändern (Second-best-Problematik).<br />

Ursachen eines Staats- oder Politikversagens<br />

bei der Vergabe von Beihilfen können insbesondere<br />

Informationsdefizite, fehlerhafte Analysen und<br />

Prognosen, Entscheidungs- und Wirkungsverzögerungen<br />

beim Mitteleinsatz sowie Fehlanreize innerhalb der Politik<br />

und der öffentlichen Bürokratie darstellen. Daher<br />

sollte das etwaige Marktversagen mit dem drohenden<br />

Staatsversagen abgewogen werden. Schließlich sollte berücksichtigt<br />

werden, dass eine Beihilfenvergabe nicht bereits<br />

dann gerechtfertigt ist, wenn ein Marktversagen vorliegt,<br />

sondern nur, wenn sich die Beihilfe zur Korrektur<br />

dieses Marktversagens in besonderem Maße eignet.<br />

122.* Auf der vorgelagerten Tatbestandsebene (Artikel<br />

87 Abs. 1 EGV) sollte nach Ansicht der Monopolkommission<br />

in Bezug auf das dortige Merkmal der zwischenstaatlichen<br />

Handelsbeeinträchtigung ebenso wie im<br />

Kartellrecht als ungeschriebene Voraussetzung verlangt<br />

werden, dass die Beeinträchtigung „spürbar“ ist. Auf<br />

diese Weise kann vermieden werden, dass sich der Anwendungsbereich<br />

des Beihilfenverbots auch auf Sachverhalte<br />

von geringer zwischenstaatlicher Bedeutung mit lediglich<br />

lokalem Schwerpunkt erstreckt.<br />

123.* Die Monopolkommission empfiehlt darüber hinaus,<br />

bereits auf Tatbestandsebene innerhalb des Artikel 87<br />

Abs. 1 EGV die objektive Eignung einer Beihilfe zur<br />

Wettbewerbsverfälschung zu prüfen und ebenfalls eine<br />

„Spürbarkeit“ wie im Kartellrecht zu verlangen. In Bezug<br />

auf das Merkmal der Wettbewerbsverfälschung nimmt<br />

die EU-Kommission bislang in der Regel lediglich eine<br />

pauschale sektorspezifische Untersuchung vor, die deutlich<br />

hinter den Maßstäben zurückbleibt, die im EU-Kartellrecht<br />

traditionell angewendet wurden und welche die<br />

EU-Kommission dort nun unter Berufung auf einen more<br />

economic approach um flexible ökonomische Kriterien<br />

ergänzen möchte. Der Reformansatz der EU-Kommis-<br />

sion, eine nähere Untersuchung der marktstrukturellen<br />

Ausgangssituation und Wettbewerbslage erst auf Rechtfertigungsebene<br />

und dort auf Stufe 3 des oben dargestellten<br />

Abwägungstests durchzuführen, erscheint problematisch,<br />

da es in vielen Fällen zu dieser Prüfung gar nicht<br />

erst kommen wird. Sollte nämlich eine Beihilfenmaßnahme<br />

bereits eine der vorangehenden Stufen des Abwägungstests<br />

nicht bestehen – weil die Beihilfe entweder<br />

nicht auf die Beseitigung eines Marktversagens ausgerichtet<br />

ist (Stufe 1) oder aber hierfür nicht geeignet und<br />

erforderlich ist (Stufe 2) – wird der Test abgebrochen.<br />

Demzufolge sind auch nach dem neuen Ansatz Fälle<br />

denkbar, in denen die EU-Kommission eine Beihilfenmaßnahme<br />

untersagt, ohne dass ihre negative Wirkung<br />

auf den Wettbewerb im EU-Binnenmarkt untersucht worden<br />

wäre. Dies ist nicht überzeugend, da das europäische<br />

Beihilfenverbot nur dann eingreift und ein Einschreiten<br />

der EU-Kommission als Kontrollinstanz rechtfertigt,<br />

wenn eine drohende Verfälschung des Wettbewerbs im<br />

Binnenmarkt zuvor festgestellt worden ist.<br />

124.* Die Monopolkommission hält es bei bestimmten<br />

Formen mitgliedstaatlicher Beihilfen durchaus für sachgerecht,<br />

das Vorliegen einer Wettbewerbsverfälschung zu<br />

vermuten (etwa bei Rettungs- und Umstrukturierungsbeihilfen).<br />

Da jedoch das Merkmal der Begünstigung innerhalb<br />

des Artikel 87 Abs. 1 EGV sehr weit ausgelegt wird,<br />

erscheint eine pauschale Vermutung nicht in allen Konstellationen<br />

gerechtfertigt. Nach Ansicht der Monopolkommission<br />

sollte zudem ein widerlegbarer Spürbarkeitstest<br />

eingeführt werden, der bei Beihilfen unterhalb eines<br />

bestimmten Schwellenwerts (z. B. 1 Mio. Euro) eine vereinfachte<br />

Freistellung unter Heranziehung verschiedener<br />

Kriterien ermöglicht. Sollten weder der Spürbarkeitstest<br />

noch andere Vermutungstatbestände eingreifen, ist die<br />

EU-Kommission aufgefordert, die Frage, ob die jeweilige<br />

Maßnahme grenzüberschreitende Wettbewerbsbeschränkungen<br />

hervorruft, im Rahmen einer näheren Untersuchung<br />

zu klären. Insoweit sind mehrere Faktoren zu berücksichtigen,<br />

die sowohl die Beihilfe und ihre Vergabe<br />

(Beihilfenkriterien) als auch die relevanten Märkte, die<br />

prognostizierbaren Auswirkungen auf den Wettbewerb<br />

und die Marktstellung des begünstigten Unternehmens<br />

(Marktkriterien) betreffen.<br />

125.* Diese Vorgehensweise hätte auch nicht zwangsläufig<br />

zur Folge, dass den Mitgliedstaaten und nationalen<br />

Gerichten die Beurteilung der Frage erschwert wird, ob<br />

eine Maßnahme nach Artikel 88 Abs. 3 EGV anmeldepflichtig<br />

ist bzw. gegen das Durchführungsverbot verstoßen<br />

worden ist. Dem könnte dadurch begegnet werden,<br />

dass im Rahmen des Artikel 88 Abs. 3 EGV die bisherigen<br />

niedrigen Nachweisanforderungen beibehalten werden<br />

und nur der EU-Kommission bei Artikel 87 Abs. 1<br />

EGV eine erhöhte Darlegungspflicht auferlegt wird. Der<br />

Umstand, dass die europäischen Gerichte für die Auslegung<br />

des Beihilfenverbotstatbestands letztverbindlich zuständig<br />

sind und traditionell sehr geringe Anforderungen<br />

an das Vorliegen des darin enthaltenen Merkmals der<br />

Wettbewerbsverfälschung gestellt haben, spricht ebenfalls<br />

nicht gegen den skizzierten Ansatz, da eine gesetzliche<br />

Klarstellung möglich wäre. Zudem ist denkbar, dass

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!