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Deutscher Bundestag Unterrichtung

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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 16. Wahlperiode – 393 – Drucksache 16/10140<br />

zugleich auf nationaler Ebene effektive komplementäre<br />

Kontrollmechanismen zu schaffen. Andernfalls besteht<br />

die Gefahr, dass infolge einer zu geringen Kontrolldichte<br />

die Vergabe von Beihilfen auf einem ineffizient hohen,<br />

volkswirtschaftlich schädlichen Niveau erfolgt.<br />

1124. Nach Ansicht der Monopolkommission sollten nationale<br />

Beihilfenprogramme einer regelmäßigen Erfolgskontrolle<br />

unterzogen werden und in gravierenden Fällen,<br />

in denen die Einzelbeihilfe oder das Beihilfenprogramm<br />

ein näher zu definierendes Volumen überschreitet, eine<br />

gesamtwirtschaftlich angelegte Ex-ante-Kontrolle durch<br />

eine unabhängige nationale Instanz durchgeführt werden.<br />

Zudem sollten Beihilfen grundsätzlich im Rahmen eines<br />

offenen und transparenten Verfahrens vergeben werden.<br />

Beihilfen, die von vornherein auf individuelle Unternehmen<br />

oder eine spezifische Branche zugeschnitten sind,<br />

sollten verboten und nur in Ausnahmefällen im Rahmen<br />

einer nationalen Ex-ante-Kontrolle erlaubt werden. Neben<br />

einer Befristung von Beihilfenprogrammen und einer<br />

degressiven Ausgestaltung langfristiger Förderungen<br />

sollten Beihilfen, sofern sie ein bestimmtes Volumen<br />

überschreiten, vorab durch die jeweilige öffentliche Stelle<br />

auf einer zentralen Plattform im Internet veröffentlicht<br />

werden. Ferner sollten insbesondere subjektive Rechte<br />

potenzieller Beihilfenempfänger, betroffener Wettbewerber<br />

und ihrer Verbände sowie ein effizientes Rechtsschutzsystem<br />

in Anlehnung an das Vergaberecht (§§ 104 ff.<br />

GWB) geschaffen werden.<br />

1125. Die Vorschläge der Monopolkommission zur<br />

Rückführung der europäischen und zum Ausbau der nationalen<br />

Kontrolle von Beihilfen sind als Paket gedacht,<br />

das nur zusammenhängend verwirklicht werden sollte.<br />

7.5 Zusammenfassung der Empfehlungen<br />

1126. Die Monopolkommission spricht sich dafür aus,<br />

im Beihilfenverfahren – wie auch bei Artikel 81 Abs. 1<br />

EGV – die objektive Eignung einer Beihilfe zur spürbaren<br />

Wettbewerbsverfälschung und zur spürbaren Beeinträchtigung<br />

des zwischenstaatlichen Handels innerhalb<br />

des Beihilfentatbestands (Artikel 87 Abs. 1 EGV) zu prüfen.<br />

Anders als im Kartellrecht wird hier keine Spürbarkeit<br />

der Maßnahme als ungeschriebene Voraussetzung<br />

verlangt. Infolgedessen erstreckt sich der Anwendungsbereich<br />

der Beihilfenkontrolle auch auf Sachverhalte mit<br />

lokalem Schwerpunkt. In Bezug auf das Merkmal der<br />

Wettbewerbsverfälschung nimmt die EU-Kommission<br />

bislang regelmäßig nur eine pauschale sektorspezifische<br />

Untersuchung vor, die deutlich hinter den Maßstäben zurückbleibt,<br />

die im EU-Kartellrecht traditionell angewendet<br />

wurden und welche die EU-Kommission dort nun unter<br />

Berufung auf einen more economic approach um<br />

flexible ökonomische Kriterien ergänzen möchte. Der Reformansatz<br />

der EU-Kommission, eine nähere Untersuchung<br />

der marktstrukturellen Ausgangssituation und<br />

Wettbewerbslage erst auf Rechtfertigungsebene (Artikel<br />

87 Abs. 3 EGV) durchzuführen, erscheint nicht überzeugend,<br />

da das europäische Beihilfenverbot seinem<br />

Schutzzweck nach nur eingreift, sofern eine drohende<br />

Verfälschung des Wettbewerbs im Binnenmarkt vorliegt<br />

und entsprechend festgestellt worden ist.<br />

1127. Nach Ansicht der Monopolkommission ist es<br />

durchaus sachgerecht, das Vorliegen einer Wettbewerbsverfälschung<br />

bei bestimmten Formen mitgliedstaatlicher<br />

Beihilfen zu vermuten (etwa bei Rettungs- und Umstrukturierungsbeihilfen).<br />

Da jedoch das Merkmal der Begünstigung<br />

innerhalb des Artikel 87 Abs. 1 EGV sehr weit<br />

ausgelegt wird, erscheint eine pauschale Vermutung nicht<br />

in allen Konstellationen gerechtfertigt. Nach Ansicht der<br />

Monopolkommission sollte ein widerlegbarer Spürbarkeitstest<br />

eingeführt werden, der bei Beihilfen unterhalb<br />

eines näher zu definierenden Schwellenwerts (z. B.<br />

1 Mio. Euro ) eine vereinfachte Freistellung unter Heranziehung<br />

verschiedener Kriterien ermöglicht. Sollten weder<br />

der Spürbarkeitstest noch andere Vermutungstatbestände<br />

eingreifen, ist die EU-Kommission aufgefordert,<br />

die Frage, ob die jeweilige Maßnahme grenzüberschreitende<br />

Wettbewerbsbeschränkungen hervorruft, im Rahmen<br />

einer näheren Untersuchung zu klären. Insoweit sind<br />

mehrere Faktoren zu berücksichtigen, die sowohl die Beihilfe<br />

und ihre Vergabe (Beihilfenkriterien) als auch die relevanten<br />

Märkte, die prognostizierbaren Auswirkungen<br />

auf den Wettbewerb und die Marktstellung des begünstigten<br />

Unternehmens (Marktkriterien) betreffen.<br />

1128. Das in der Beihilfenkontrolle angewendete Verfahren<br />

sollte nach Ansicht der Monopolkommission reformiert<br />

und in bestimmten Punkten an das europäische<br />

Kartellverfahren angeglichen werden. In diesem Zusammenhang<br />

sollten die Verfahrensrechte von Wettbewerbern<br />

und Beihilfenempfängern gestärkt, die Untersuchungsmöglichkeiten<br />

der EU-Kommission gegenüber Unternehmen<br />

verbessert und kürzere, verbindliche Genehmigungsfristen<br />

eingeführt werden. Zu erwägen ist, anstelle des<br />

bisherigen Legalitätsprinzips der EU-Kommission, wie<br />

im Kartellrecht, ein Aufgreifermessen einzuräumen, sofern<br />

die Beihilfe ein bestimmtes Volumen nicht überschreitet.<br />

Hierdurch würde es der EU-Kommission ermöglicht,<br />

Prioritäten zu setzen und sich auf wichtige<br />

Beihilfenfälle zu konzentrieren. Das Aufgreifermessen<br />

könnte durch die Einführung einer privaten Feststellungsklage<br />

flankiert werden. Die Monopolkommission empfiehlt<br />

zudem, Klagen des Beihilfenempfängers, betroffener<br />

Wettbewerber und ihrer Verbände vor den<br />

Gemeinschaftsgerichten auch bei allgemeinen Beihilfenregelungen<br />

zuzulassen. Darüber hinaus sollten Wettbewerber<br />

erleichtert Rechtsschutz auf europäischer Ebene<br />

erlangen können. Der Rechtsschutz auf nationaler Ebene<br />

sollte zusammenhängend geregelt werden und den Bedürfnissen<br />

des Beihilfenrechts Rechnung tragen. Hierbei<br />

sollte insbesondere in Anlehnung an das Kartellrecht<br />

(§ 33 Abs. 2 GWB) eine Klagebefugnis für Verbände eingeführt<br />

werden. Welche Mindeststandards dafür in den<br />

Mitgliedstaaten zu schaffen sind, könnte Gegenstand einer<br />

EU-Richtlinie werden. Darüber hinaus sollte die aufschiebende<br />

Wirkung von Klagen in Rückforderungsfällen<br />

ausgeschlossen und ein effizientes Rechtsschutzsystem<br />

geschaffen werden, das ähnlich wie im öffentlichen Vergaberecht<br />

(§§ 104 ff. GWB) ausgestaltet werden könnte.

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