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Deutscher Bundestag Unterrichtung

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Drucksache 16/10140 – 392 – <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 16. Wahlperiode<br />

1117. Im Rahmen des Abwägungstests stellt die EU-<br />

Kommission das Kriterium des Marktversagens 243 als<br />

möglichen Rechtfertigungsgrund in den Mittelpunkt. In<br />

diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob nicht bereits<br />

zuvor auf Tatbestandsebene bei der Prüfung des<br />

Merkmals der Wettbewerbsverfälschung des Artikel 87<br />

Abs. 1 EGV näher untersucht werden müsste, ob ausnahmsweise<br />

ein Marktversagen vorliegt und die Beihilfe<br />

das geeignete und erforderliche Mittel zur Korrektur darstellt.<br />

Denn sollte dies der Fall sein, wird die Wettbewerbssituation<br />

im Ergebnis regelmäßig nicht verschlechtert,<br />

sondern es wird vielmehr eine Verbesserung der<br />

wettbewerblichen Rahmenbedingungen angestrebt. In<br />

vielen Fällen, in denen ein – vermeintliches – Marktversagen<br />

beseitigt werden soll, droht jedoch ein Staatsversagen<br />

aufgrund von Fehlprognosen mit der Folge, dass die<br />

bestehende Wettbewerbssituation verschlechtert wird<br />

(Second-best-Problematik). Aufgrund der hierdurch drohenden<br />

überoptimalen staatlichen Eingriffsintensität<br />

erscheint es sachgerecht, dass die Beweislast für das Vorliegen<br />

eines spezifischen Marktversagens den Mitgliedstaaten<br />

obliegt und daher – wie von der EU-Kommission<br />

praktiziert – erst auf Rechtfertigungsebene näher untersucht<br />

wird. Das Vorliegen des Merkmals der Wettbewerbsverfälschung<br />

auf Tatbestandsebene wäre demnach<br />

zu bejahen, wenn die Beihilfe geeignet ist, spürbar in den<br />

grenzüberschreitenden Wettbewerbsprozess einzugreifen<br />

und das Verhalten der Marktteilnehmer und ihre Investitionsentscheidungen<br />

in eine erheblich andere Richtung zu<br />

lenken. Dem Marktversagenskriterium kommt demnach<br />

auf Rechtfertigungsebene eine vergleichbare Funktion zu<br />

wie dem Effizienzeinwand innerhalb des europäischen<br />

Kartellverbots (Artikel 81 Abs. 3 EGV).<br />

1118. Kritisch ist zu bewerten, dass die EU-Kommission<br />

das Merkmal des Anreizeffekts als zentralen Bestandteil<br />

ihres neuen Abwägungstests begreift. Beihilfen sollten<br />

zwar nur gewährt werden, wenn sie einen Anreizeffekt<br />

auslösen, also eine Verhaltensänderung des begünstigten<br />

Unternehmens bewirken, da andernfalls kein zusätzlicher<br />

volkswirtschaftlicher Nutzen entsteht und öffentliche<br />

Mittel verschwendet werden. Die Befugnisse der EU-<br />

Kommission innerhalb der Beihilfenkontrolle beschränken<br />

sich jedoch auf den Schutz des grenzüberschreitenden<br />

Wettbewerbs. Das Kriterium des Anreizeffekts sollte<br />

entgegen dem Verordnungsentwurf der EU-Kommission<br />

auch nicht Eingang in eine einheitliche, unmittelbar anwendbare<br />

Gruppenfreistellungsverordnung finden. 244<br />

7.3 Effiziente Ausgestaltung des Verfahrens<br />

1119. Wie im Rahmen des Abschnitts 5.4 dargestellt<br />

worden ist, ließe sich nach Ansicht der Monopolkommission<br />

die Effizienz des Beihilfenkontrollverfahrens durch<br />

eine Angleichung an das europäische Kartellverfahren<br />

steigern. 245 In diesem Zusammenhang sollten die Verfah-<br />

243 Als Rechtfertigungsgrund kommt auch ein außerökonomisches Ziel<br />

von gemeinsamem Interesse (z. B. regionale Kohärenz) in Betracht.<br />

244 Vgl. Tz. 1066.<br />

245 Vgl. Tz. 1015 ff.<br />

rensrechte von Wettbewerbern und Beihilfenempfängern<br />

gestärkt, die Untersuchungsmöglichkeiten der EU-Kommission<br />

gegenüber Unternehmen verbessert und kürzere,<br />

verbindliche Genehmigungsfristen eingeführt werden.<br />

Anstelle des bisherigen Legalitätsprinzips (Artikel 10<br />

Abs. 1 VVO) sollte der EU-Kommission, wie im Kartellrecht,<br />

zudem ein Aufgreifermessen eingeräumt werden,<br />

sofern die Beihilfe ein näher zu definierendes Volumen<br />

nicht überschreitet. Hierdurch würde es der EU-Kommission<br />

ermöglicht, Prioritäten zu setzen und sich auf wichtige<br />

Beihilfenfälle zu konzentrieren. Das Aufgreifermessen<br />

sollte durch die Einführung einer privaten<br />

Feststellungsklage flankiert werden.<br />

1120. Die Monopolkommission empfiehlt, Klagen des<br />

Beihilfenempfängers, betroffener Wettbewerber und ihrer<br />

Verbände vor den Gemeinschaftsgerichten auch bei allgemeinen<br />

Beihilfenregelungen zuzulassen. Darüber hinaus<br />

sollten Wettbewerber erleichtert Rechtsschutz auf europäischer<br />

Ebene erlangen können. 246<br />

1121. Der Rechtsschutz auf nationaler Ebene sollte zusammenhängend<br />

geregelt werden und den Bedürfnissen<br />

des Beihilfenrechts Rechnung tragen. 247 In diesem Zusammenhang<br />

sollte insbesondere in Anlehnung an das<br />

Kartellrecht (§ 33 Abs. 2 GWB) eine Klagebefugnis für<br />

Verbände eingeführt werden. Darüber hinaus sollte die<br />

aufschiebende Wirkung von Klagen in Rückforderungsfällen<br />

ausgeschlossen und ein effizientes Rechtsschutzsystem<br />

geschaffen werden, das ähnlich wie im öffentlichen<br />

Vergaberecht (§§ 104 ff. GWB) ausgestaltet werden<br />

könnte.<br />

7.4 Komplementäre Beihilfenkontrolle auf<br />

nationaler Ebene<br />

1122. Neben negativen Folgen für den Wettbewerb in allokativer,<br />

produktiver und dynamischer Hinsicht kann<br />

eine Vergabe von Beihilfen mit weiteren erheblichen<br />

volkswirtschaftlichen Kosten verbunden sein. Beihilfen<br />

sind mit Finanzierungskosten oder anderen Opportunitätskosten<br />

verbunden und führen zu Wohlfahrtsverlusten,<br />

die zum einen durch die notwendige Steuererhebung in<br />

anderen Bereichen entstehen und zum anderen durch<br />

Fehlprognosen und Mitnahmeeffekte bedingt sind. Während<br />

sich die Kompetenz der EU-Kommission im Rahmen<br />

der europäischen Beihilfenkontrolle auf den Schutz<br />

des grenzüberschreitenden Wettbewerbs beschränkt, sind<br />

die Mitgliedstaaten berufen, die gesamten volkswirtschaftlichen<br />

Kosten bei der Vergabe von Beihilfen in<br />

Rechnung zu stellen und mit dem erwarteten Nutzen abzuwägen.<br />

1123. Wird die europäische Beihilfenkontrolle auf den<br />

Schutz des grenzüberschreitenden Wettbewerbs in der<br />

oben beschriebenen Weise zurückgeführt, so wird ihr Anwendungsbereich<br />

im Vergleich zur bisherigen Verwaltungspraxis<br />

der EU-Kommission begrenzt. Nach Ansicht<br />

der Monopolkommission ist es dann unbedingt geboten,<br />

246 Vgl. Tz. 1031 ff.<br />

247 Vgl. Tz. 1043.

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